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Titelthema
Route Plinius’
d. Ä. nach den
Angaben des
jüngeren
Plinius
Professor Peter Riemer
Vulkan-Opfer Plinius:
8
Heroische Motive
auf dem Prüfstand
U
nser Wissen über den antiken
Vesuvausbruch, der den Untergang der Stadt Pompeji bedeutete,
speist sich heute aus zwei Quellbereichen. Zum einen haben wir antike
Schriftzeugnisse, darunter einen Brief
des jüngeren Plinius, worin dieser
dem Historiker Tacitus einiges über
den Vesuvausbruch 79 n. Chr. und seine Folgen darlegt. Zum anderen können wir auf die modernen Vulkanismusforschungen der letzten Jahrzehnte zurückgreifen. Stellt man die Darstellungen einander gegenüber, wird
deutlich, dass die Auskünfte,
die der antike Literat Plinius
über den Tod seines Onkels erteilt, nicht nur rhetorisch überzeichnet sind, sondern in einigen Punkten auch nicht ganz
der Wahrheit entsprechen. Er
behauptet zum Beispiel, ein
Briefbote sei bald nach dem Ausbruch mit der Bitte an Plinius den Älteren
herangetreten, eine bestimmte Familie aus der Krisenregion zu retten, woraufhin
der Onkel – immerhin Kommandant der kaiserlichen Flotte in Misenum – mehrere große Schiffe habe auslaufen lassen. Da jedoch die vulkanologischen
Erkenntnisse versichern, dass der Bereich, aus dem der Bote aufgebrochen
sein soll, erst einen Tag später betroffen war, dürfte es sich um eine fiktive
Rettungsaktion gehandelt haben. Der
Zweck dieser Fiktion ist einsichtig:
Der Neffe wollte offenbar Vorwürfe
entkräften, die das Andenken seines
Onkels beschädigten. Der Historioine wichtige althistorische
graph Sueton etwa berichtet, der ältere
Wissenschaft ist die EpiPlinius sei rein zu Forschungsgraphik, die sich mit Inschriften
zwecken auf einem kleinen Schiff in
beschäftigt. Aus deren BearbeiRichtung Vesuv aufgebrochen, wegen
tung und Interpretation ergeben
widriger Winde nicht mehr in der Lasich vielerlei Informationen über antikes Leben, die oftmals in anderen Quelge gewesen umzukehren und schließlengattungen nicht mehr erhalten sind. Dabei beeindruckt allein schon die schiere
lich zu Tode gekommen. Die Eruption
Menge des erhaltenen epigraphischen Matedes Vulkans (mit dem Auswurf einer
rials: Bekannt sind mittlerweile weit über
Masse von insgesamt 2,6 km3, d.h.
40 000 m3/sec. bei einer Dauer von 18
300 000 Inschriften, und jährlich kommen etwa
Stunden) muss in der Tat einen gewal1000 Neufunde hinzu. Diese werden jeweils
tigen Sog erzeugt haben, wie man ihn
wissenschaftlich erfasst und veröffentlicht, woimmer wieder beobachtet. Der auflanzu verschiedene Arbeitsschritte notwendig sind.
dige Wind hat jegliche Fahrt vom
Die Abbildung zeigt einen davon, nämlich die
Land auf das Meer hinaus verhindert.
so genannte Autopsie, bei der der Bearbeiter die
Weder konnte Plinius zurückkehren,
Inschrift persönlich in Augenschein nimmt, was
noch war es unter diesen Umständen
durchaus körperlichen Einsatz erfordern kann.
einem Boten möglich – was der These
Diesen scheuen offensichtlich auch berühmte
von der Rettungstat ein weiteres Mal
Althistoriker nicht: Denn in der vorliegenden
widerspricht –, von der Küstenlinie
Zeichnung wurde kein Geringerer als Theodor
nach Misenum vorzudringen.
Mommsen bei der Erfassung einer Inschrift im
Michelle Froese
Peter Riemer
Jahre 1846 porträtiert.
Michelle Froese
Wörter,
Steine und
Gelehrte
E
campus 4/2005
Vulkanausbruch des Vesuvs 1872
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