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Die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler Analyse der Geschlechtsneutralität der Bundesverfassung der

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Die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler Analyse der Geschlechtsneutralität der Bundesverfassung der
Stockholms Universitet
Institutionen för baltiska språk, finska och tyska
Avdelningen för tyska
Die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler
Analyse der Geschlechtsneutralität der Bundesverfassung der
Schweizerischen Eidgenossenschaft
Linnea Svenander
Examensarbete för kandidatexamen
15 högskolepoäng
Handledare: Charlotta Brylla
Höstterminen 2008
INHALT
1 EINLEITUNG........................................................................................................................................................................ 3
1.1 THEMA, FRAGESTELLUNGEN UND METHODE .................................................................................................................3
1.2 GLIEDERUNG DER ARBEIT ............................................................................................................................................... 5
2 FEMINISTISCHE LINGUISTIK ...................................................................................................................................... 6
2.1 FEMINISTISCHE LINGUISTIK – URSPRUNG UND ZIEL...................................................................................................... 6
2.2 DAS GENERISCHE MASKULINUM – EIN ZENTRALER FORSCHUNGSGEGENSTAND DER FEMINISTISCHEN LINGUISTIK . 8
2.3 STRATEGIEN ZUR VERMEIDUNG DES GENERISCHEN MASKULINUMS ..........................................................................11
2.4 DIE LINGUISTISCHE RELATIVITÄTSTHEORIE UND DAS GENERISCHE MASKULINUM ...................................................13
2.5 WEGEN ”NORM UND K ONVENTION” GESCHLECHTSNEUTRAL? KURZER HISTORISCHER RÜCKBLICK AUF DEN
GEBRAUCH DES GENERISCHEN MASKULINUMS ..................................................................................................................16
3 ANALYSE ............................................................................................................................................................................18
3.1 MATERIAL UND METHODE ............................................................................................................................................18
3.2 ANALYSE DES UNTERSUCHUNGSMATERIALS ...............................................................................................................20
3.3 DAS GENERISCHE MASKULINUM IM UNTERSUCHUNGSMATERIAL ..............................................................................21
3.4 DER GEBRAUCH VON GESCHLECHTSNEUTRALEN FORMEN IM UNTERSUCHUNGSMATERIAL .....................................23
3.4.1 Lexeminhärent geschlechtsabstrakte substantivische Personenbezeichnungen ...............................................23
3.4.2 Beidbenennungen ..................................................................................................................................................24
3.4.3 Differentialgenus ...................................................................................................................................................25
3.5 SONSTIGE BEOBACHTUNGEN AUS DER BUNDESVERFASSUNG – DAS VERRÄTERISCHE GENERISCHE MASKULINUM 26
3.5.1 Der Sexual- oder Gewaltstraftäter.......................................................................................................................27
3.5.2 Der General und der Generalsekretär.................................................................................................................29
3.5.3 Der Stimmberechtige.............................................................................................................................................30
4. ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNGEN ....................................................................................31
5. LITERATURVERZEICHNIS .........................................................................................................................................35
ANHANG .................................................................................................................................................................................39
2
1 EINLEITUNG
1.1 THEMA, FRAGESTELLUNGEN UND METHODE
Stellen wir uns vor, wir wollen einen Antrag auf ein neues Gesetz über die Sicherheit am
Arbeitsplatz einbringen. Wir haben zwei alternative Bestimmungen über die Haftung für die
Sicherheit formuliert. Der Inhalt der beiden Bestimmungen ist derselbe. Sprachlich unterscheiden
sie sich aber:
(1) Der Arbeitgeber haftet für die Sicherheit am Arbeitsplatz.
(2) Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber haftet für die Sicherheit am Arbeitsplatz.
In der ersten Bestimmung haben wir eine maskuline Personenbezeichnung (der Arbeitgeber)
verwendet, um sowohl männliche wie auch weibliche Arbeitgebende zu bezeichnen.1 In der zweiten
Bestimmung haben wir aber die maskuline Personenbezeichnung verwendet, um männliche
Arbeitgebende zu bezeichnen, während wir Frauen, die Angestellten haben, mit einer femininen
Personenbezeichnung bezeichnen (die Arbeitgeberin).
Spielt es denn überhaupt eine Rolle, ob wir uns für die erste oder die zweite Alternative
entscheiden? Die erste Regelung ist kürzer und einfacher. Die zweite ist aber aus einer
Gleichstellungsperspektive die bessere Alternative, indem auch weibliche Arbeitgebende
ausdrücklich genannt werden. Die Frage ist aber, wie wichtig es ist, dass Frauen in Texten wie
diesem sichtbar sind. Ist die Wahl des sprachlichen Ausdrucks eher eine Frage „formaler“
Gleichstellung
oder
können
sprachliche
Ungleichheiten
auch
außersprachliche
Chancenungleichheiten zwischen Männern und Frauen aufrechterhalten, verstärken oder sogar
verursachen?
Diese
Frage
ist
eine
der
Hauptfragen
der
feministischen
Linguistik,
einer
sprachwissenschaftlichen Disziplin, die sich mit Fragen der Sprache über Frauen und von Frauen
beschäftigt. Die Forscherinnen und Forscher der feministischen Linguistik haben in empirischen
Studien gezeigt, dass der Gebrauch des generischen Maskulinums, das heißt die Benutzung einer
maskulinen substantivischen oder pronominalen Personenbezeichnung zur Bezeichnung von
Personen beider Geschlechter,2 tatsächlich diskriminierende Wirkungen hat. Sie haben auch zeigen
1
Die Arbeitgebenden können natürlich auch juristische Personen sein. Diese werden im Rahmen dieser Arbeit nicht
diskutiert.
2
Ausgenommen werden maskuline Personenbezeichnungen, die lexeminhärent geschlechtsneutral sind. Zur Definition
des generischen Maskulinums siehe weiter Kap. 2.1 und 3.1.
3
können, dass die Benutzung des generischen Maskulinums wahrscheinlich keine lange Tradition im
deutschen Sprachgebrauch besitzt. Aus diesem Grund wird sein Verwenden auf jedem Gebiet
kritisiert. Es wird auch untersucht, inwiefern alternative Personenbezeichnungen dazu geeigneter
sind, die Diskriminierung von Frauen zu vermeiden.
Die Beispiele des generischen Maskulinums, die in der Forschung genannt werden, sind oft dem
Bereich der Rechtssprache entnommen. Die Rechtsnormen regeln auf großen Gebieten das Leben
der Menschen, sie prägen „unser Zusammenleben im Alltag“.3 So regeln die strafrechtlichen
Normen die Strafbarkeit gewisser Formen menschlichen Verhaltens, und die Normen des
Sozialrechts legen fest, inwiefern wir Recht auf gesellschaftliche Unterstützung haben. Die große
Bedeutung der Rechtsnormen für unser Alltagsleben erklärt das Interesse der feministischen
Linguistik an juristischen Texten. Da sie in gleichem Maß das Leben von Frauen und Männern
bestimmen, ist es wichtig, dass sie auf nicht-sexistische Weise formuliert werden.
In dieser Arbeit werde ich der Frage nachgehen, ob es praktisch möglich ist, Gesetze im Sinne
der feministischen Linguistik geschlechtsneutral zu formulieren. Mit welchen Mitteln kann dieses
Ziel erreicht werden? Welche sind die Probleme, auf denen die Gesetzgebenden stoßen können?
Um diese Fragen zu beantworten werde ich den Gebrauch substantivischer und pronominaler
Personenbezeichnungen eines Gesetzes analysieren, dessen Geschlechtsneutralität ein Ziel der
Gesetzgebenden war: Die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April
1999 (BV).
In der deutschsprachigen Schweiz haben die Ideen der feministischen Linguistik früher als in der
Bundesrepublik und in Österreich einen Einfluss auf die Rechtssprache ausgeübt.4 Schon 1986 hat
der Bundesrat dem Parlament ein Rechtsetzungsprogramm vorgelegt, in dem er festgestellt hat, dass
geschlechtsspezifische Begriffe in der Gesetzgebung dazu beitragen, „dass Männer und Frauen
wenn auch nicht rechtlich, so doch faktisch auf je bestimmte Verhaltensweisen festgelegt werden“.5
Am 7. Juni 1993 hat der Bundesrat beschlossen, dass neue Erlasse von der Bundesverwaltung nach
3
Avenarius, Hermann: Die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Bonn: Bundeszentrale für politische
Bildung 2001. S. 157.
4
Der Erfolg der feministischen Linguistik in der Schweiz wird von Ann Peyer und Eva Lia Wyss mit der speziellen
Sprachsituation der deutschen Schweiz erklärt. In der deutschsprachigen Schweiz wird ausschließlich Standardsprache
geschrieben. Gesprochen wird aber neben der persönlichen Mundart in formellen Kontexten auch Standardsprache
(dieses Phänomen wird als „mediale Diglossie“ bezeichnet). Die Schweizerinnen und Schweizer haben nicht die
gleichen Einstellungen zu den beiden Sprachformen. Im Verhältnis zur Mundart gilt die Standardsprache als
„unpersönlich und unvertraut, als steif und gehoben, als emotionsarm und kompliziert“. Daraus ziehen Peyer und Wyss
den Schluss, dass die neuen Vorschriften der sprachlichen Gleichbehandlung zum Teil „mit der gleichen emotionalen
Distanz zur Kenntnis genommen [werden] wie Änderungen bei Konventionen der amtlichen Korrespondenz. Heikel
wäre es aber, wenn Vorschriften auch den Dialektgebrauch beeinflussen wollten [...]“. Vgl. Peyer, Ann, Wyss, Eva Lia:
„,JazzmusikerInnen – weder Asketen noch Müsli-Fifis’ – Feministische Sprachkritik in der Schweiz, ein Überblick“. In:
Feministische Linguistik – Linguistische Geschlechterforschung – Ergebnisse, Konsequenzen, Perspektiven.
[Germanistische Linguistik 139-140] Hrsg. Schoenthal, Gisela. Hildesheim: Georg Olms Verlag 1998. S. 117-174, hier
S. 148 ff.
5
Leitfaden zur sprachlichen Gleichbehandlung im Deutschen. Bern: Schweizerische Bundeskanzlei 1996. S. 3.
4
den Grundsätzen der sprachlichen Gleichbehandlung vorbereitet werden sollen,6 und 1996 hat der
Bundesrat den Leitfaden zur sprachlichen Gleichbehandlung im Deutschen publiziert, um die
geschlechtergerechte Formulierung von Texten zu erleichtern.7 Die Redaktion der BV ist nach dem
Leitfaden des Bundesrates erfolgt. Dadurch sollte ihre Geschlechtsneutralität gewährleistet sein. Ist
dieses Ziel tatsächlich erreicht worden?
In meiner Analyse der Geschlechtsneutralität der BV werde ich mich auf zwei Hauptfragen
konzentrieren:
•
Wird das generische Maskulinum überhaupt verwendet?
•
Welche alternativen, formal geschlechtsneutralen Formen werden benutzt, und inwiefern
sind diese auch, aus der Perspektive der feministischen Linguistik, „wirklich“
geschlechtsneutral?
Durch die Antworten auf diese Fragen hoffe ich, im Allgemeinen meine Fragen zu den
Möglichkeiten und Problemen, die mit der Formulierung geschlechtsneutraler Gesetze verbunden
sind, beantworten zu können.8
1.2 GLIEDERUNG DER ARBEIT
Dieser Aufsatz ist in zwei Hauptteile eingeteilt. Im ersten Teil werden die Theorien und die
empirischen Ergebnisse der feministischen Linguistik präsentiert (Kapitel 2). Hier werden zuerst
die Geschichte und das Ziel der feministischen Linguistik beschrieben. Danach folgt eine
Darstellung des generischen Maskulinums. Im Kapitel 2.3 werden einige Vorschläge für ein
geschlechtergerechtes Deutsch präsentiert, die von den Vertreterinnen und Vertretern der
feministischen Linguistik ausgeformt worden sind. Danach folgt eine Beschreibung der Theorien
über die Wirkungen des generischen Maskulinums auf das Denken. Die Resultate einiger
empirischer Untersuchungen werden auch beschrieben, und im Kapitel 2.5 wird ein kurzer
Rückblick auf die Geschichte des generischen Maskulinums gemacht.
Im zweiten Teil (Kapitel 3) folgt die Analyse der BV. Die Analyse besteht aus zwei Teilen.
Zuerst werden zwei Kapitel der BV im Detail studiert. Es wird untersucht, ob das generische
Maskulinum vorkommt und welche der verschiedenen formal geschlechtsneutralen, alternativen
Personenbezeichnungen von den Gesetzgebenden am meisten verwendet werden (Kapitel 3.3 und
3.4). Im zweiten Teil wird untersucht, inwiefern das generische Maskulinum in den übrigen
Kapiteln der BV vorkommt (Kapitel 3.3 – 3.4).
6
Ebd. S. 67.
Eine Neuauflage wird 2009 erscheinen.
8
Zur Methode siehe weiter Kap. 3.1.
7
5
Danach folgen eine Zusammenfassung der vorherigen Kapitel und eine abschließende
Diskussion (Kapitel 4). Besprochen werden, mit Ausgangspunkt in den Ergebnissen der Analyse,
die Geschlechtsneutralität der BV und die Voraussetzungen, die vorhanden sein müssen, um
Gesetze geschlechtsneutral zu formulieren und aufrechtzuerhalten.
2 FEMINISTISCHE LINGUISTIK
2.1 FEMINISTISCHE LINGUISTIK – URSPRUNG UND ZIEL
In Deutschland hat die feministische Sprachreflexion mit der Neuen Frauenbewegung angefangen.9
Diese ist ihrerseits aus den Spannungen geboren, die es schon zu Beginn der Studentenbewegung
zwischen den Frauen und Männern im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) gegeben
hat. Die Spannungen hatten ihren Grund darin, dass die Frauen zwar gerne bei der praktischen
Arbeit, das heißt Flugblätter tippen und Kaffee kochen, teilnehmen durften, von den politischen
Diskussionen
aber
im
Prinzip
ausgeschlossen
waren.
In
einer
Rede
auf
der
23.
Delegiertenkonferenz des SDS warf Heike Sander dem Bund vor, „innerhalb seiner Organisation
ein Spiegelbild gesamtgesellschaftlicher Verhältnisse“ zu sein.10 Sander kritisierte vor allem die
von dem SDS vorgenommene Trennung des Politischen von dem Privaten. Durch die Ausgrenzung
des Privaten aus der Politik sei nämlich auch die Frage der Situation der Frauen aus der Politik
ausgeblendet worden. Als Sander ihre Rede beendet hatte, wollten die Männer des Vorstandes ohne
weitere Diskussion zum Thema wieder zur vorgegebenen Tagesordnung übergehen. Als Protest
bewarfen einige der anwesenden Frauen die Männer mit Tomaten. Diese Aktion – der Tomatenwurf
– wird seitdem als Startpunkt der Neuen Frauenbewegung beschrieben.11 Die Gesellschaftskritik
der Neuen Frauenbewegung umfasste bald auch eine feministische Kritik der Sprache, und diese
9
Die Darstellung der Neuen Frauenbewegung basiert auf der Darstellung in Samel, Ingrid: Einführung in die
feministische Sprachwissenschaft. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2000. S. 15 f. und die Dokumentation der
Ringvorlesung im Sommer 1988 an der Freien Universität Wien, „Antiautoritärer Anspruch und Frauenemanzipation –
Die Revolte in der Revolte“. www.infopartisan.net/archive/1968/29708.html (ohne Jahresangabe, gesichtet am 4.
Oktober 2008.
10
Sander, Heike: „Rede des Aktionsrates zur Befreiung der Frauen auf der 23. Delegiertenkonferenz des Sozialistischen
Deutschen Studentenbundes“ im September 1968 in Frankfurt. www.glasnost.de/hist/apo/weiber3.html (ohne
Jahresangabe, gesichtet am 4. Oktober 2008).
11
Die deutsche Frauenbewegung kann in zwei Phasen eingeteilt werden. Die erste Phase umfasst den Zeitraum
zwischen den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts und 1933. 1933 löste sich der „Bund deutscher Frauenvereine“
selbst auf, um einer Gleichschaltung mit nationalsozialistischen Organisationen zu entgehen. Vgl. Samel: Einführung in
die feministische Sprachwissenschaft. S. 16.
6
Kritik hat sich inzwischen zu einer eigenen sprachwissenschaftlichen Disziplin, der feministischen
Linguistik, entwickelt.12
Forschungsgegenstand der feministischen Linguistik ist die Verbindung zwischen Sprache und
Geschlecht.13 Die Forschung wird vor allem auf zwei Gebieten, Sprache über Frauen und Sprache
von Frauen, betrieben und kann in drei Hauptbereiche eingeteilt werden:
Sprache über Frauen
Das Sprachsystem
Studiert werden die Lexik und die Grammatik, das heißt die Mittel sprachlicher Produktion. Als
Beispiel können Untersuchungen zur Bedeutung und Anzahl unterschiedlicher Bezeichnungen
von Frauen und Männern genannt werden.
Der Sprachgebrauch
Untersucht wird, wie die Mittel sprachlicher Produktion, das heißt die Lexik und die Grammatik,
tatsächlich gebraucht und aufgefasst werden. Zu diesem Bereich gehören die Studien zur
Anwendung des so genannten generischen Maskulinums zur impliziten Ausgrenzung von
Frauen, sowie Studien zur Wirkung generischer Maskulinformen. Ein anderes Beispiel aus
diesem Bereich sind Untersuchungen zum Gebrauch von weiblichen Personenbezeichnungen als
Beleidigung von Männern.
Sprache von Frauen
Untersucht wird das Gesprächsverhalten von Frauen und Männern, das heißt Variationen in der
Art sich auszudrücken und die Rollen von Frauen und Männern in Gesprächen.
Der feministischen Linguistik geht es aber nicht nur darum, das Sprachsystem, den Sprachgebrauch
und das Gesprächsverhalten zu beschreiben und zu erklären. Als Wissenschaft ist sie nämlich nicht
12
Vgl. Jobin, Bettina: Genus im Wandel – Studien zu Genus und Animatizität anhand von Personenbezeichnungen im
heutigen Deutsch mit Kontrastierungen zum Schwedischen. Stockholm: Almqvist & Wiksell International 2004. S. 56.
Jobin bemerkt, dass der Ausdruck „feministische Linguistik“ von vielen als zu politisch betrachtet wird. Stattdessen
wird die feministische Linguistik auch als „linguistische Frauenforschung“ oder „linguistische Geschlechterforschung“
bezeichnet. In dieser Arbeit wird auf die ältere Bezeichnung bestanden.
13
Die Darstellung der feministischen Linguistik basiert auf Jobin: Genus im Wandel. S. 57 f.
7
nur deskriptiv, sondern auch normativ. Statt die Diskriminierung von Frauen mit Hilfe von Sprache
einfach als „Bestandteil von sozialer Realität“ zu akzeptieren, ist sie auf Sprachveränderung mit
dem Ziel einer Gleichbehandlung von Frauen und Männern ausgerichtet.14
2.2 DAS GENERISCHE MASKULINUM – EIN ZENTRALER FORSCHUNGSGEGENSTAND DER
FEMINISTISCHEN LINGUISTIK
Das so genannte generische Maskulinum macht seit Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts
eine der Hauptangriffspunkte der feministischen Sprachkritik aus. Es ist auch ein zentraler
Forschungsgegenstand der feministischen Linguistik. Mit dem Begriff „generisches Maskulinum“
wird der geschlechtsabstrahierende Gebrauch maskuliner Grundformen bezeichnet, wie es die
folgenden Beispiele aus dem deutschen Grundgesetz (GG) illustrieren:15
(1) Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen. (Art. 7
(3) GG)
(2) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte
anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(Art. 2 (1) GG)16
In diesen Sätzen werden nur maskuline Personenbezeichnungen in Form von Substantiven (Lehrer)
und Indefinitpronomina (jeder) verwendet. Sie beziehen sich aber, nach der gegenwärtigen Norm
und Konvention, sowohl auf Männer als auch auf Frauen.17 Die maskulinen Possessivpronomina
(sein) und Personalpronomina (er), die von den maskulinen Personenbezeichnungen verlangt sind,
um die Regeln der Kongruenz zu respektieren, sind ebenso in diesen Sätzen als geschlechtsneutral
zu interpretieren. Traditionell wird das generische Maskulinum verwendet, „[w]enn im Deutschen
von Personen mit unbekanntem Geschlecht die Rede ist, wenn das Geschlecht von Personen nicht
relevant ist oder eine allgemeine Aussage gemacht werden soll [...].“18 Im Bereich des generischen
Maskulinums gilt also nicht mehr die Regel, nach der es im Deutschen, bei den substantivischen
14
Vgl. Hellinger, Marlis: Kontrastive feministische Linguistik – Mechanismen sprachlicher Diskriminierung im
Englischen und Deutschen. Ismaning: Max Hueber Verlag 1990. S. 48.
15
Untersuchungen zum generischen Maskulinum gehören also zum zweiten der oben genannten Forschungsbereiche,
zur Erforschung des Sprachgebrauchs.
16
Die Kursivschrift, die in den zitierten Gesetzen vorkommt, ist immer von der Verfasserin, LS.
17
Vgl. Doleschal, Ursula: „Das generische Maskulinum im Deutschen – Ein historischer Spaziergang durch die
deutsche Grammatikschreibung von der Renaissance bis zur Postmoderne“. In: Linguistic online 11, 2, 2002. S. 39-70,
hier S. 39.
18
Vgl. Braun, Friederike, Gottburgsen, Anja, Sczesny, Sabine, Stahlberg, Dagmar: „Können Geophysiker Frauen sein?
Generische Personenbezeichnungen im Deutschen“. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 26, 1998. S. 265-283,
hier S. 265.
8
und pronominalen Personenbezeichnungen, eine Beziehung zwischen der grammatischen Kategorie
Genus (Maskulinum, Femininum, Neutrum) und Sexus (natürlichem Geschlecht) gibt.19
Der generische Gebrauch der maskulinen Formen ist damit erklärt worden, dass die maskulinen
Formen einen umfassenderen Geltungsbereich hätten als die femininen Formen. In seiner
Grammatik des Deutschen schreibt Walter Flämig:
Die maskulinen Formen [...] können auf die Kategorie ‘Person’ schlechthin bezogen werden,
während die femininen Formen ausdrücklich auf das Merkmal ‘weiblich’ eingeschränkt
erscheinen.20
Wer mit dieser Erklärung einverstanden ist, hält es natürlich nicht für notwendig, im GG von
Lehrern und Lehrerinnen zu sprechen, oder etwa jeder Person das Recht auf die freie Entfaltung
der Persönlichkeit zu gewährleisten. Wo Lehrer und jeder steht, sind Frauen „selbstverständlich
eingeschlossen“;21 das generische Maskulinum Lehrer wird als Archilexem, als Oberbegriff,
verstanden, das sowohl das geschlechtsdefinite Maskulinum Lehrer als auch das geschlechtsdefinite
Femininum Lehrerin umfasst.
Im Rahmen der feministischen Linguistik ist diese angebliche Geschlechtsneutralität des
generischen Maskulinums in Frage gestellt worden. 1978 machte die Sprachwissenschaftlerin Senta
Trömel-Plötz in einem Artikel mit dem Titel Linguistik und Frauensprache darauf aufmerksam,
dass das generische, „geschlechtsneutrale“ Maskulinum in der Form mit dem geschlechtsdefiniten
Maskulinum identisch ist.22 Daraus folgt, dass jede Äußerung, in der ein generisches Maskulinum
verwendet wird, im Prinzip ambig ist: Entweder sind Personen beider Geschlechter gemeint, oder
die Äußerung bezieht sich nur auf Männer. Nach Trömel-Plötz führt der Gebrauch eines
generischen Maskulinums, der auf Kosten eines möglichen Gebrauches einer geschlechtsdefiniten
weiblichen Bezeichnung neben einer männlichen Bezeichnung (das heißt einer Beidbenennung)
stattfindet, dazu, dass Frauen häufig nicht mitgemeint sind oder sich nicht angesprochen fühlen. Im
Grunde genommen biete das generische Maskulinum den Sprechern und Sprecherinnen eine
Möglichkeit an, „unter Ausschluss von Frauen über Männer zu sprechen oder Männer anzusprechen
und zugleich die Rückzugsmöglichkeit offen zu halten, dass auch Frauen eingeschlossen waren“.23
Auch Bettina Jobin macht in ihrer Dissertation Genus im Wandel (2004) auf die Ambiguität des
generischen Maskulinums und die Asymmetrie der sprachlichen Mittel zur Bezeichnung von
19
Vgl. Hellinger, Kontrastive feministische Linguistik. S. 63.
Flämig, Walter: Grammatik des Deutschen – Einführung in Struktur- und Wirkungszusammenhänge. Berlin:
Akademie Verlag 1991. S. 454 f. Hervorhebungen im Original.
21
Ebd. S. 455.
22
Vgl. Trömel-Plötz, Senta: „Linguistik und Frauensprache“. In: Trömel-Plötz, Senta: Frauensprache: Sprache der
Veränderung. Frankfurt am Main: Fischer 1982. S. 35-57, hier S. 38.
23
Ebd. S. 40.
20
9
Frauen und Männern aufmerksam.24 Als Beispiel eines echt geschlechtsneutralen Oberbegriffes
führt Jobin das Wort Mensch an. Dieses Wort ist lexeminhärent geschlechtsneutral,25 eine
Eigenschaft, die nur wenige Personenbezeichnungen im Deutschen haben.26 Außer Mensch können
zum Beispiel Person, Individuum und Kind und die Komposita mit –kraft wie zum Beispiel
Lehrkraft, erwähnt werden. Die Unterbegriffe des geschlechtsneutralen Wortes Mensch sind Mann
und Frau, die beide eindeutig geschlechtsspezifisch sind. Die Situation ist also sowohl im Singular
als auch im Plural symmetrisch:
Singular
Plural
Der Mensch [Oberbegriff]
Die Menschen [Oberbegriff]
Die Frau [w]
Die Frauen [w]
Der Mann [m]
Die Männer [m]
[w] = [weiblich]; [m] = [männlich]
Anders verhält es sich bei Personenbezeichnungen wo eine formale Übereinstimmung der
geschlechtsspezifischen maskulinen Form mit der als Oberbegriff erklärten, angeblich
geschlechtsneutralen Form besteht. Zum Beispiel ist der Oberbegriff Lehrer, im Singular und im
Plural, identisch mit dem geschlechtsspezifischen Begriff Lehrer: eine Asymmetrie, der das Prinzip
der Vorrangigkeit des Maskulinums zugrunde liegt.27
Singular
Plural
Der Lehrer [Oberbegriff]
Die Lehrer [Oberbegriff]
Die Lehrerin [w]
Diese
vermeintlich
Der Lehrer [m]
geschlechtsneutralen
Die Lehrerinnen [w]
Oberbegriffe
werden
Die Lehrer [m]
von
Jobin
als
pseudo-
geschlechtsneutral bezeichnet. Beim Gebrauch des Wortes Lehrer muss nämlich jede Lehrerin den
Kontext heranziehen, um zu entscheiden, ob sie mitgemeint ist. Meistens ist wohl die Frage, ob
auch Frauen mitgemeint sind, nicht so schwierig zu beantworten, aber in vielen Fällen, so Jobin,
bleibe eine genuine Unsicherheit bestehen.28
Substantivische Personenbezeichnungen mit Differentialgenus bilden in diesem Zusammenhang
eine etwas spezielle Kategorie, da sie keine invariante Genusklassenzugehörigkeit haben.29 Diese
Substantive sind Nominalisierungen, die von Adjektiven und Partizipien abgeleitet sind: deutsch →
24
Jobin: Genus im Wandel. S. 61 ff.
Hier könnte eingewendet werden, dass viele Menschen sich unter dem Wort Mensch üblicherweise einen Mann
vorstellen. Die Probleme zum sozialen Geschlecht der lexeminhärent geschlechtsneutralen Personenbezeichnungen
können aber im Rahmen dieser Arbeit nicht näher behandelt werden.
26
Vgl. Hellinger: Kontrastive feministische Linguistik. S. 81 f.
27
Vgl. ebd. S. 83.
28
Vgl. Jobin: Genus im Wandel. S. 62.
29
Vgl. Hellinger: Kontrastive feministische Linguistik. S. 63.
25
10
der/die Deutsche; beschuldigen → der/die Beschuldigte. Hier fällt der Oberbegriff im Singular mit
der geschlechtsspezifischen maskulinen Form zusammen und kann also, mit dem Begriff Jobins, als
pseudo-geschlechtsneutral beschrieben werden. Im Plural sind aber sowohl der Oberbegriff als auch
die geschlechtsdefinit feminine und maskuline Form identisch, und der Plural kann als
geschlechtsneutral bezeichnet werden:
Singular
Plural
Der Deutsche [Oberbegriff]
Die Deutschen [Oberbegriff]
Die Deutsche [w]
Die Deutschen [w]
Der Deutsche [m]
Die Deutschen [m]
Da die Substantive mit Differentialgenus aus Adjektiven und Partizipien abgeleitet werden, ist ihre
Zahl beinahe unendlich groß.
2.3 STRATEGIEN ZUR VERMEIDUNG DES GENERISCHEN MASKULINUMS
Es wurde schon erwähnt, dass die feministische Linguistik eine normative Wissenschaft ist.30 Die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler begnügen sich nicht einfach damit, sprachliche
Phänomene, die ihrer Meinung nach zur Diskriminierung von Frauen beitragen, zu beschreiben und
erklären, sondern versuchen es auch, Veränderung zustande zu bringen. Im Rahmen dieser Arbeit
sind auch Alternativen zum Gebrauch des generischen Maskulinums vorgeschlagen worden.
Die
vorgeschlagenen
Strategien
für
ein
geschlechtergerechtes
Deutsch,
die
der
Sprachgemeinschaft präsentiert worden sind, können in drei Kategorien eingeteilt werden: Die
Beidbenennung, die Neutralisation und das generische Femininum.31 Die Strategien der
Neutralisation und des generischen Femininums gehen auf die Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch
zurück. Unter Neutralisation versteht Pusch eine Abschaffung der Suffixe (vor allem das Suffix –
in), die bei den femininen substantivischen Personenbezeichnungen das Femininum markieren.
Dies soll aber bei Beibehaltung des grammatischen Genus geschehen.32 Aus die Lehrerin wird also
*die Lehrer. Um einen geschlechtsneutralen Oberbegriff zu schaffen wird der pseudogeschlechtsneutrale Oberbegriff der Lehrer mit *das Lehrer ersetzt. So ein radikaler Vorschlag hat
natürlich nur sehr begrenzte Chancen von der Sprachgemeinschaft angenommen zu werden.
Aus der Sicht vieler Männer ist aber vielleicht der zweite Pusch-Vorschlag, die Strategie des
generischen Femininums, noch radikaler. Statt des generischen Maskulinums zur Bezeichnung
30
Vgl. oben Kap. 2.1.
Vgl. Samel: Einführung in die feministische Sprachwissenschaft. S. 71.
32
Ebd. S. 73 f.
31
11
beider Geschlechter schlägt Pusch eine totale Feminisierung mit Gebrauch eines Männer und
Frauen bezeichnenden generischen Femininums vor.33 Dieser Vorschlag verstößt jedoch gegen die
Norm, nach der ein Mann nie mit einem Femininum bezeichnet werden darf.34 Das generische
Femininum wird aber inzwischen in politisch bewussten Kontexten gebraucht.35
Von den drei erwähnten Strategien hat die Strategie der Beidbenennung die größte Akzeptanz in
der Sprachgemeinschaft gefunden. Beidbenennung heißt geschlechtsdefinite maskuline und
feminine Personenbezeichnungen nebeneinander zu verwenden:36
Die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident führt den Vorsitz im Bundesrat. (Art. 176.1 BV)
Die maskuline und die feminine Form werden nicht immer ausgeschrieben. Stattdessen werden oft
Kurzformen verwendet: die Beidbenennung mit Hilfe des Schrägstrichs (Bundespräsident/-in) oder
mit Hilfe des großen I (BundespräsidentIn).37
Die Fürsprecherinnen und Fürsprecher der Beidbenennung legen großes Gewicht darauf, Frauen
in der Sprache sichtbar zu machen. Sie sind aber nicht fundamentalistisch in ihrem Bestreben,
Frauen explizit zu nennen. So wird auch keine übertriebene, automatisierte Beidbenennung
befürwortet.38 Empfohlen wird in der Regel, dass Beidbenennungen im Wechsel mit
geschlechtsneutralen Ausdrücken, wie zum Beispiel die oben erwähnten lexeminhärent
geschlechtsneutralen
Personenbezeichnungen
und
die Pluralformen
von
substantivischen
Personenbezeichnungen mit Differentialgenus, verwendet werden.39
33
Ebd. S. 75 ff.
Weibliche Personenbezeichnungen werden grundsätzlich nur zur Bezeichnung eines Mannes verwendet, wenn es
darum geht, ihn zu beleidigen.
35
Für diese Bemerkung danke ich meiner Betreuerin, FD Charlotta Brylla.
36
Samel: Einführung in die feministische Sprachwissenschaft. S. 71 f.
37
Auch die Beidbenennung mit Hilfe der Klammer Bundespräsident(in) kommt vor. Diese wird aber von der
feministischen Linguistik abgelehnt, da sie den Eindruck vermittle, dass der in Klammern stehende Ausdruck doch
wieder etwas Abgeleitetes und Zweitrangiges bezeichne. Vgl. Hellinger, Marlis, Kremer, Marion, Schräpel, Beate:
„Empfehlungen zur Vermeidung von sexistischem Sprachgebrauch in öffentlicher Sprache (1985)“. In: Hellinger,
Marlis: Kontrastive feministische Linguistik – Mechanismen sprachlicher Diskriminierung im Englischen und
Deutschen. Ismaning: Max Hueber Verlag 1990. S. 153-170, hier S. 167.
38
Die Kritiker und Kritikerinnen der feministischen Linguistik haben oft die vorgeschlagene Beidbenennung als
schwerfällig, unökonomisch oder sogar als „sprachzerstörerisch“ verworfen. Als Argument haben sie oft absurde
Beispiele konstruiert, um die Beidbenennung als komplett unmöglich darzustellen. Ein gutes Beispiel ist das
sprachliche Monster A(Ä)rzt(e)Innen. Vgl. Peyer, Wyss: „,JazzmusikerInnen – weder Asketen noch Müsli-Fifis’ –
Feministische Sprachkritik in der Schweiz, ein Überblick“. S. 129.
39
Vgl. z.B. Hellinger, Kremer, Schräpel: „Empfehlungen zur Vermeidung von sexistischem Sprachgebrauch in
öffentlicher Sprache (1985)“. S. 155.
34
12
2.4 DIE LINGUISTISCHE RELATIVITÄTSTHEORIE UND DAS GENERISCHE MASKULINUM
Ist denn die Unsichtbarkeit von Frauen beim Gebrauch des generischen Maskulinums wirklich ein
Problem? Oben wurde schon erwähnt, dass Frauen „aus Norm und Konvention“ beim Gebrauch des
generischen Maskulinums mitgemeint sind, und dass meistens aus dem Kontext hervorgeht, ob wir
es mit einem generischen oder einem geschlechtsspezifischen Maskulinum zu tun haben. Natürlich
kann der Gebrauch der Form problematisch sein, wenn der Kontext für die Interpretation keine
Hilfe bietet. Solche Fälle sollten doch eher Ausnahme als Regel sein, da sie gegen die sprachliche
Regel der Exaktheit des Ausdrucks verstoßen – Deutlichkeit ist immer eines der Ziele des
Sprachgebrauches. Ist es denn so wichtig Frauen explizit zu nennen, oder auf jeden Fall
geschlechtsneutrale Lexeme und Formen zu verwenden? Können Frauen durch die Sprache, durch
den Gebrauch einer gewissen Form, tatsächlich diskriminiert werden?
Die Antwort dieser Fragen hängt grundsätzlich davon ab, wie sich die Sprache zum Denken
verhält. Die These der Determinierung der Gedanken durch die Sprache ist seit mehr als
zweihundert Jahren Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen. Romantiker wie Johann Gottfried
Herder, Wilhelm von Humboldt und Johann Gottlieb Fichte waren der Auffassung, dass die
Sprache Denken und Willen präge, und ihre Ideen haben in vielen späteren psycholinguistischen
Arbeiten Spuren hinterlassen.40
Als wissenschaftlichen Grund der Behauptung, dass Sichtbarkeit von Frauen in der Sprache
tatsächlich von praktischer Bedeutung sei, stützen sich viele Vertreterinnen und Vertreter der
feministischen Linguistik auf die linguistische Relativitätstheorie,41 die von den amerikanischen
Sprachwissenschaftlern Edward Sapir und Benjamin Lee Whorf, entwickelt worden ist.
Nach der linguistischen Relativitätstheorie findet eine Beeinflussung des Denkens durch die
sprachlichen Strukturen statt.42 Whorf weist darauf hin, dass die Welt in verschiedenen Sprachen
unterschiedlich analysiert und strukturiert wird.43 Als Beispiel nennt er den englischen Begriff
snow:
40
Vgl. Almgren, Birgitta, Brylla, Charlotta: „Språk och politik – teoretiska och metodiska reflektioner“. In: Bilder i
kontrast: interkulturella processer Sverige/Tyskland i skuggan av nazismen 1933-1945. Hrsg. Brylla, Charlotta,
Almgren, Birgitta, Kirsch, Frank-Michael. Aalborg : Institut für Sprache und internationale Kulturstudien, Univ.
Aalborg, 2005. S. 103-111, hier S. 103.
41
Diese Bezeichnung geht auf Whorf zurück. Im Artikel „Linguistics as an Exact Science“ beschrieb er seine Theorie
zum Verhältnis zwischen Sprache und Denken als „the ‚linguistic relativity principle’“. Vgl. Whorf, Benjamin Lee:
„Linguistics as an Exact Science”. In: Language, Thought and Reality. Selected Writings of Benjamin Lee Whorf. Hrsg.
Carroll, John B. New York: The Technology Press of Massachusetts Institute of Technology and John Wiley & Sons
1956. S. 220-232, hier S. 221.
42
Vgl. Hellinger: Kontrastive feministische Linguistik. S. 42.
43
Vgl. Whorf, Benjamin Lee: „Science and Linguistics“. In: Language, Thought and Reality. Selected Writings of
Benjamin Lee Whorf. Hrsg. Carroll, John B. New York: The Technology Press of Massachusetts Institute of
Technology and John Wiley & Sons 1956. S. 207-219, hier S. 214.
13
We have the same word for falling snow, snow on the ground, snow packed hard like ice, slushy
snow, wind-driven flying snow – whatever the situation may be. To an Eskimo, this all-inclusive word
would be almost unthinkable; he would say that falling snow, slushy snow, and so on, are sensuously
and operationally different, different things to contend with; he uses different words for them and for
other kinds of snow.44
Diese und andere Beobachtungen, vor allem der Indianersprache Hopi, führten Whorf zu der
Hypothese, „dass die jeweiligen sprachlichen (lexikalischen und grammatischen) Strukturen
ihrerseits einen Einfluss darauf haben, wie Menschen die Wirklichkeit wahrnehmen.“45 Whorf
schreibt:
It was found that the background linguistic system (in other words, the grammar) of each language is
not merely a reproducing instrument for voicing ideas but rather itself the shaper of ideas, the program
and guide for the individual’s mental activity, for his analysis of impressions, for his synthesis of his
mental stock in trade. Formulation of ideas is not an independent process, strictly rational in the old
sense, but is part of a particular grammar, and differs, from slightly to greatly, between different
grammars. We dissect nature along lines laid down by our native languages. The categories and types
that we isolate from the world of phenomena we do not find there because they stare every observer in
the face; on the contrary, the world is presented in a kaleidoscopic flux of impressions which has to be
organized by our minds – and this means largely by the linguistic systems in our minds. We cut nature
up, organize it into concepts, and ascribe significances as we do, largely because we are parties to an
agreement to organize it in this way – an agreement that holds throughout our speech community and
is codified in the patterns of our language.46
Hellinger betont, dass Whorf nie davon spreche, dass Sprache das Denken determiniere. Er gehe
vielmehr „von einer relativen Beeinflussung des gewohnheitsmäßigen Denkens aus [...].“47
Der Einfluss des Gebrauches des generischen Maskulinums auf das Denken ist empirisch in
mehreren Untersuchungen studiert worden. Für das Englische haben unter anderen Donald G.
MacKay und David C. Fulkerson nachgewiesen, dass die geschlechtsneutrale Interpretation des
generischen Maskulinums „keine psychologische Realität besitzt, das heißt dass diese Ausdrücke
als männlich besetzt wahrgenommen und verstanden werden.“48
Auch für das Deutsche haben empirische Untersuchungen gezeigt, dass das generische
Maskulinum nicht geschlechtsneutral interpretiert wird, sondern die Assoziation ‚männlich’
44
Ebd. S. 216.
Hellinger: Kontrastive feministische Linguistik. S. 42.
46
Whorf: „Science and Linguistics“. S. 212 f.
47
Hellinger: Kontrastive feministische Linguistik. S. 42. Vgl. auch Mühlhäusler, Peter, Harré, Rom: Pronouns and
People. Oxford: Basil Blackwell 1990. S. 2. Samel scheint die linguistische Relativitätsthese anders zu verstehen: „Die
Sapir-Whorf-Hypothese besagt zum einen, dass das Weltbild und damit auch das Denken durch die Sprache
determiniert sei.“ Siehe Samel: Einführung in die feministische Sprachwissenschaft. S. 84.
48
Hellinger: Kontrastive feministische Linguistik. S. 37 f. Hellinger gibt eine ausführliche Zusammenfassung der
Untersuchung und der Ergebnisse von MacKay und Fulkerson. Nach Braun et al. deuten die Ergebnisse über 20
veröffentlichter Arbeiten in dieselbe Richtung: „Das generische Maskulinum war semantisch ‚männerlästig’; es löste
überwiegend die Assoziation ‚männlich’ aus.” Vgl. Braun, Gottburgsen, Sczesny, Stahlberg: „Können Geophysiker
Frauen sein?“. S. 267, Fussnote 4.
45
14
verstärkt.49 Zu diesem Schluss kommen unter anderen die Sprachwissenschaftlerinnen Friederike
Braun und Anja Gottburgsen und die Psychologinnen Sabine Sczesny und Dagmar Stahlberg, die in
einer interdisziplinären Studie das generische Maskulinum im Vergleich zu anderen
Formulierungsmöglichkeiten untersucht haben.50
In Bezug auf die alternativen Formulierungsmöglichkeiten, die im Rahmen der feministischen
Linguistik vorgeschlagen worden sind, zeigt die Studie von Braun, Gottburgsen, Sczesny und
Stahlberg, dass die Strategie der Beidbenennung tatsächlich zu einer stärkeren Einbeziehung von
Frauen führt. „Neutrale Formulierungen“ (darunter scheinen die vier Forscherinnen vor allem
Pluralformen von Substantiven mit Differentialgenus zu verstehen) bewirken aber „kaum eine
Steigerung der Assoziation ‚weiblich’.“51 Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass die in der
Studie verwendete Methode nicht ganz geeignet gewesen ist, um zu zeigen, inwiefern die genannten
Formen Frauen einbeziehen können.52
Die nicht-diskriminierende Wirkung der im Rahmen der feministischen Linguistik
vorgeschlagenen Formulierungsalternativen ist auch in einer Studie von Brigitte Scheele und Eva
Gauler studiert worden. Obwohl diese Studie von Braun, Gottburgsen, Sczesny und Stahlberg
scharf kritisiert wird,53 sind die Ergebnisse nicht uninteressant. Scheele und Braun studieren unter
anderem die Wirkung der geschlechtsindefiniten Personenbezeichnungen der Mensch, das
Individuum und die Person. 54 Dabei können sie „erwartungswidrig“ feststellen, dass die
Pluralformen von Mensch und Individuum als Diskriminierungsvarianten zu klassifizieren sind,
49
Vgl. Braun, Gottburgsen, Sczesny, Stahlberg: „Können Geophysiker Frauen sein?“. S. 266 ff mit Hinweisen auf die
Untersuchungen von Josef Klein (1988), Ulrike Rummler (1995), Brigitte Scheele und Eva Gauler (1993) und Lisa
Irmen und Astrid Köhncke (1996).
50
Vgl. ebd. S. 281. Nach Braun et al. soll aber dieser Zusammenhang differenzierter formuliert werden, da diese
Wirkung nicht in jedem Fall und nicht bei allen Rezipierenden auftritt. In der Untersuchung variierten die Ergebnisse
sowohl mit dem Kontext, der in der Untersuchung entweder ‚typisch männlich’, ‚typisch weiblich’ oder ‚neutral’ war,
als auch mit dem Geschlecht der Versuchspersonen.
51
Ebd.
52
In der Untersuchung wurden Texte über einen wissenschaftlichen Kongress bzw. ein Sportverbandstreffen als
Versuchstexte verwendet. Die Texte waren wie Zeitungsartikel gestaltet. An fünf Stellen im Text kamen
Personenbezeichnungen entweder im generischen Maskulinum (z.B. die Wissenschaftler), in Neutralform (z.B. die
wissenschaftlich Tätigen) oder in Beidbenennung (z.B. Wissenschaflerinnen und Wissenschaftler) vor. Nachdem die
Versuchspersonen den Text gelesen hatten, sollten sie den Prozentsatz teilnehmender Frauen und Männer einschätzen.
Als Personenbezeichnungen sind aber Neutralformen in Zeitungstexten eher ungewöhnlich, und ein authentischer
Zeitungstext, in dem nur Neutralfomen verwendet wird, ist natürlich noch ungewöhnlicher. Auf diesem Punkt
überzeugt die in der Studie verwendete Methode nicht. Überhaupt ist es fraglich, inwiefern es Sinn hat, Textbeispiele zu
verwenden, die in der Sprache eher ungewöhnlich sind. Auch was die Beidbennennung betrifft, wird ja diese in der
Sprachgemeinschaft eher im Wechsel mit Neutralformen verwendet. Eine Untersuchung zur Geschlechtsneutralität
dieser Mischstrategie wünschen sich auch Braun et al.
53
Ebd. S. 268.
54
Scheele und Gauler sprechen von ‚geschlechterübergreifenden’ Nomina.
15
während sich die Pluralform von Person als „optimal tauglich“ erweist.55 Diese nichtdiskriminierende Wirkung von Person ist jedoch kontextabhängig:
[...] die «Person»-Formulierung (im Plural) scheitert offensichtlich im Fall einer stark «männlich»
besetzten Assoziationsorganisation, wirkt aber sehr wohl «heilsam» dort, wo sie vorhandenes NichtBenachteiligungswissen nur stimulierend in den Aufmerksamkeitsfokus zu rücken braucht [...].56
2.5 WEGEN ”NORM UND KONVENTION” GESCHLECHTSNEUTRAL? KURZER HISTORISCHER RÜCKBLICK
AUF DEN GEBRAUCH DES GENERISCHEN MASKULINUMS
Unter Berücksichtigung der Selbstverständlichkeit mit der viele Grammatiken das Verständnis
maskuliner Personenbezeichnungen als geschlechtsneutral beschreiben, müssen die Resultate der
Studien zur Geschichte des generischen Maskulinums, die im Rahmen der feministischen
Linguistik vorgenommen worden sind, überraschen. Die Sprachwissenschaftlerin Ursula Doleschal
hat in einer Studie die Behandlung des generischen Maskulinums in deutschen Grammatiken,
Sprachlehren und Sprachempfehlungen ab dem 16. Jahrhundert untersucht. Ihr Resultat ist
hochinteressant. Die Studie zeigt nämlich, dass das generische Maskulinum „erst in den sechziger
Jahren des 20. Jh. in die Germanistik Eingang gefunden hat.“57
Daraus direkt den Schluss zu ziehen, dass es das generische Maskulinum früher nicht gegeben
hat, ist natürlich nicht möglich.58 Es gibt aber auch andere Studien, die in dieselbe Richtung wie
Doleschals
Untersuchung
zeigen,
und
das
„traditionelle“ Verständnis
der
maskulinen
Personenbezeichnungen als geschlechtsabstrahierend in Frage stellen. Im Buch Vater Staat hat
keine Muttersprache analysiert die Richterin Marianne Grabrucker unter anderem die Geschichte
der deutschen Rechtssprache. Grabrucker zeigt wie diese Sprache schon seit Jahrhunderten von
maskulinen
Personenbezeichnungen
voll
ist.
Ein
generelles
Verständnis
dieser
Personenbezeichnungen als generisch gibt es aber erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts,
und auch dann nicht ohne eine gewisse Ambiguität.
Blicken wir kurz in die Geschichte zurück. Im merowingisch-karolinischen Volksrecht des
frühen Mittelalters wurden Frauen rechtlich den Sachen zugeordnet. Die mit maskulinen
Personenbezeichnungen bezeichneten Rechtspersonen der Gesetze waren also per Definition
Männer. Als sich die Situation der Frauen im Hoch- und Spätmittelalter etwas verbesserte und
55
Scheele, Brigitte, Gauler, Eva: „Wählen Wissenschaftler ihre Probleme anders aus als WissenschaflerInnen? Das
Genus-Sexus-Problem als paradigmatischer Fall der linguistischen Relativitätsthese“. In: Sprache und Kognition, 12, 2,
1993. S. 59-72, hier S. 71.
56
Ebd. Eine‚heilsame’ Formulierung ist nach Scheele und Gauler eine Formulierung, die in der Tat empirisch zu
Veränderungen in den resultierenden Assoziationen (‚männlich’, ‚weiblich’, ‚männlich und/oder weiblich’) führt.
57
Doleschal: „Das generische Maskulinum im Deutschen“. S. 66. Mit „Germanistik“ meint Doleschal die Behandlung
in den von ihr untersuchten Grammatiken und Sprachlehren.
58
Ebd. S. 63.
16
Frauen teilweise als Rechtspersonen agieren konnten, wurden diese auch in gesetzlichen Texten
sichtbar. So verfügte zum Beispiel München im Jahre 1365:
Wann es dazu kommt, daß sich ein Knecht oder ein Dirn verdingt hat zu einem Mann oder zu einer
Frau und einen Pfennig oder mehr daraus einnemmit, der soll dem selben Mann oder Frau dann treu
dienen.59
Ein anderes Beispiel des Gebrauches der Benennung von Frauen und Männern nebeneinander stellt
dieses Edikt aus dem 13. Jahrhundert dar:
Alle, Chirurg oder Chirurgin, Apotheker oder Apothekerin, Kräutersammler oder Kräuterkundige,
dürfen die Grenzen ihres Berufes nicht überschreiten.60
Durch
diese
Verwendung
der
Beidbenennung
wird
deutlich,
dass
maskuline
Personenbezeichnungen zu dieser Zeit keineswegs als geschlechtsneutral verstanden wurden. Daran
änderte
sich
auch
grundsätzlich
nichts
in
der
frühen
Neuzeit.
Wo
maskuline
Personenbezeichnungen verwendet wurden, waren, tatsächlich, auch nur Männer gemeint. Auch der
in der Weimarer Verfassung eingeführte Gleichheitsgrundsatz, nachdem „[a]lle Männer und Frauen
[...] grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“ haben, änderte nichts daran,
wie maskuline Personenbezeichnungen verstanden wurden. Um Frauen tatsächlich zu Berufen
zuzulassen, die früher nur Männer ausüben durften, wurde nämlich eine Menge von neuen Gesetzen
angenommen. So hieß es zum Beispiel im Gesetz vom 1. Juli 1922 über die Zulassung der Frauen
zu den Ämtern und Berufen der Rechtspflege:
Die Fähigkeit zum Richteramte kann auch von Frauen erworben werden. Ebenso können Frauen zu
Handelsrichtern, Amtsanwälten, Gerichtsschreibern und Gerichtsvollziehern ernannt werden.61
Wenn maskuline Personenbezeichnungen wirklich als geschlechtsneutral aufgefasst worden wären,
hätte es natürlich dieser Gesetzesänderungen nicht bedurft.62
Oben wurde schon erwähnt, dass die maskulinen Personenbezeichnungen erst ab der
Nachkriegszeit in der Rechtssprache „ohne Wenn und Aber“ als geschlechtsneutral aufgefasst
werden.63 Die Ambiguität dieser Form, die je nach dem Kontext als geschlechtsspezifisch oder
geschlechtsneutral verstanden werden kann, ist aber auch in moderner Zeit von reaktionären
Kräften ausgenutzt worden. So wurde den Schweizerinnen in den fünfziger Jahren des 20.
Jahrhunderts das Wahlrecht mit der Begründung, die Verfassung der Schweiz enthalte nur das
59
Grabrucker, Marianne: Vater Staat hat keine Muttersprache. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuchverlag 1993. S.
90.
60
Ebd. S. 92.
61
Ebd. S. 111.
62
Vgl. ebd. S. 108 ff.
63
Vgl. Doleschal: „Das generische Maskulinum im Deutschen“. S. 64.
17
Maskulinum, vorenthalten.64 Im Artikel 43 der Bundesverfassung der Schweizerischen
Eidgenossenschaft aus 1874 hieß es nämlich:
Jeder Kantonsbürger ist Schweizer Bürger.
Als solcher kann er bei allen eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen an seinem Wohnsitze
Anteil nehmen, nachdem er sich über seine Stimmberechtigung gehörig ausgewiesen hat.
Als diese Regelung angenommen wurde, waren tatsächlich nur Männer gemeint. Zur Zeit der
schweizerischen Debatte über das Wahlrecht der Frauen hatte sich aber die Möglichkeit einer
geschlechtsneutralen Interpretation maskuliner Personenbezeichnungen im Deutschen durchgesetzt
(siehe oben). Die Tatsache, dass die Ambiguität der maskulinen Form vor weniger als sechzig
Jahren ausgenützt worden ist, um Frauen von grundlegenden Menschenrechten auszuschließen, ist,
meiner Meinung nach, ein starkes Argument dafür, das generische Maskulinum bei der
Formulierung öffentlicher Texten zu vermeiden.
3 ANALYSE
3.1 MATERIAL UND METHODE
Um ein genaueres Bild über die Geschlechtsneutralität der Bundesverfassung der Schweizerischen
Eidgenossenschaft (BV) zu erhalten, habe ich den Gebrauch von Personenbezeichnungen in den
ersten zwei Kapiteln („Grundrechte“ und „Bürgerrecht und politische Rechte“) des zweiten Titels
(„Grundrechte, Bürgerrechte und Sozialziele“) näher untersucht. Untersucht werden also die 31
Artikel der BV, in denen die Grundrechte, die Bürgerrechte und die politischen Rechte festgelegt
werden. Insgesamt umfasst das Untersuchungsmaterial 1386 Wörter. Darunter sind 51
substantivische Personenbezeichnungen65 und 9 indefinite Pronomen, die Personen bezeichnen. Die
Wahl, diesen Teil der BV zu untersuchen, gründet sich teils darauf, dass die Grundrechte, die
Bürgerrechte und die politischen Rechte tatsächlich jeden Menschen angehen. In dieser Hinsicht
sind sie sozusagen „allgemeiner“ als zum Beispiel die Regeln zur Bundesversammlung oder zum
Bundesrat.66 Vor allem gründet sich aber meine Wahl darauf, dass Personenbezeichnungen in
diesen Artikeln besonders häufig auftreten müssten. Die ganze BV (die insgesamt aus etwa 13 000
Wörtern besteht) in Detail zu studieren würde sich wahrscheinlich nicht besser dazu eignen, die
64
Vgl. Samel: Einführung in die feministische Sprachwissenschaft. S. 132.
Beidbenennungen, die ja eigentlich aus zwei Personenbezeichnungen bestehen (die männliche und die weibliche
Form), werden in dieser Arbeit nur als eine Personenbezeichnung gezählt.
66
Stimmberechtigt in Bundessachen und wählbar in den Nationalrat und in den Bundesrat ist nur, wer das 18. Altersjahr
zurückgelegt hat und nicht entmündigt ist. Vgl. Art. 136 und Art. 143 BV.
65
18
Geschlechtsneutralität des Textes zu untersuchen, da große Teile davon nur ganz wenige
Personenbezeichnungen enthalten.67 Die Untersuchung der vorliegenden Arbeit ist auf zwei Kapitel
begrenzt, jedoch wurden auch die anderen Kapitel aus der Perspektive der feministischen Linguistik
gelesen. Meine Beobachtungen zum Gebrauch des generischen Maskulinums im Rest der BV sind
der Analyse des hauptsächlichen Untersuchungsmaterials hinzugefügt.
Ziel der Untersuchung ist, festzustellen, ob tatsächlich nur Personenbezeichnungen verwendet
werden, die als geschlechtsneutral bezeichnet werden können. Die erste Frage ist also, ob
generische Maskulina vorkommen oder nicht. Unter generischen Maskulina verstehe ich:
A. Maskuline substantivische Personenbezeichnungen, deren Beziehung auf sowohl Männer als
auch Frauen nur aus dem Kontext hervorgeht;
B. Indefinite Pronomina, deren Beziehung auf sowohl Männer als auch Frauen nur aus dem
Kontext hervorgeht; und
C. Konstruktionen, in denen ein maskulines persönliches oder possessives Pronomen
anaphorisch auf ein indefinites Pronomen verweist, das nicht per se als ein generisches
Maskulinum betrachtet werden kann.
Bei den indefiniten Pronomina mache ich folgende Differenzierung. Die Pronomina jeder und
keiner werden als generische Maskulina bezeichnet, da sie maskuline Formen sind, die sich immer
auf Männer beziehen und nur in gewissen Kontexten auch auf Frauen Bezug nehmen (Typ B der
oben erwähnten Formen von generischen Maskulina). Als generische Maskulina werden auch die
Pronomina man und jedermann betrachtet, da die Beziehung dieser beiden Wörter zum Wort Mann
sehr deutlich ist.68 Die Pronomina wer, niemand und jemand werden prinzipiell als
geschlechtsneutral betrachtet, obwohl niemand und jemand eigentlich auf das Wort Mann
zurückgehen.69 Die Verwandtschaft zum Wort Mann ist aber, im Vergleich mit den Pronomina man
und jedermann, nicht sehr deutlich. Deswegen möchte ich sie nicht als generische Maskulina
kategorisieren. Die Geschlechtsneutralität gilt aber nur, wenn sie nicht in Konstruktionen auftreten,
in denen ein maskulines persönliches oder possessives Pronomen anaphorisch auf sie verweist (Typ
C). Als Beispiel kann der folgende Satz dienen: „Niemand darf in einen Staat ausgeschafft werden,
67
Vgl. z.B. das dritte Kapitel („Finanzordnung“) des dritten Titels („Bund, Kantone und Gemeinden“), in dem nur drei
substantivische Personenbezeichnungen vorhanden sind.
68
Das Indefinitpronomen man ist eine Abschwächung des Substantivs Mann, das im Althochdeutschen gleichzeitig
”Mann” und ”Mensch” bedeutete. Vgl. Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearb.
von Elmar Seebold. Berlin/ New York: Walter de Gruyter 2002. S. 594 und Samel: Einführung in die feministische
Sprachwissenschaft. S. 90.
69
Vgl. Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. S. 452 und 652.
19
in dem ihm Folter oder eine andere Art grausamer und unmenschlicher Behandlung oder Bestrafung
droht“ (Art. 25 (3) BV).70
Es ist ebenfalls interessant zu untersuchen, in welchem Maße die verschiedenen Formen von
geschlechtsneutralen Konstruktionen vorkommen. Die Studien zur Wirkung der alternativen
Formulierungsmöglichkeiten, die von der feministischen Linguistik vorgeschlagen worden sind,
haben gezeigt, dass die verschiedenen formal geschlechtsneutralen Formen nicht in gleichem Maße
Frauen einbeziehen. Eine Untersuchung der bevorzugten Strategien hat aus diesem Grunde
Relevanz.
Uninteressant ist es, meiner Ansicht nach, ebensowenig die schweizerische Bundesverfassung
mit einer Verfassung zu vergleichen, die ohne Berücksichtigung auf die Ideen der feministischen
Linguistik formuliert worden ist. Als illustrierendes Vergleichsmaterial habe ich deswegen das erste
Kapitel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland (GG) gewählt. In den 22 Artikeln
dieses Kapitels sind die Grundrechte festgelegt worden. Inhaltlich spiegelt also das gewählte
Kapitel das Untersuchungsmaterial aus der BV sehr gut. Das GG ist ursprünglich 1949 in Kraft
getreten. Seitdem ist es natürlich mehrmals geändert worden, um den neuen Bedürfnissen der Zeit
entgegenzukommen. Ein Antrag der SPD zur geschlechtergerechten Sprache des Grundgesetztes
scheiterte aber 1993 in der Verfassungskommission, weswegen das GG ein „traditionelles“,
androzentrisches Gesetz geblieben ist.
3.2 ANALYSE DES UNTERSUCHUNGSMATERIALS
In den folgenden Abschnitten (Kapitel 3.3 – 3.4) werden die Personenbezeichnungen, die in den
ersten zwei Kapiteln des zweiten Titels der BV (im Folgenden „das Untersuchungsmaterial“
genannt) vorkommen, analysiert. Die verschiedenen Personenbezeichnungen werden grundsätzlich
in zwei Gruppen eingeteilt: die generischen Maskulina, die im Kapitel 3.3 behandelt werden, und
die geschlechtsneutralen Formen, die im Kapitel 3.4 besprochen werden. Die geschlechtsneutralen
Formen werden ihrerseits in vier Gruppen eingeteilt: lexeminhärent geschlechtsabstrakte
substantivische
Personenbezeichnungen,
Beidbennennungen,
Pluralformen
von
Personenbezeichnungen mit Differentialgenus und indefinite Pronomen, die nicht per se als
generische Maskulina betrachtet werden können, und nicht mit maskulinen persönlichen oder
70
Diese Kategorisierung stimmt im Prinzip mit den Empfehlungen von Marlis Hellinger, Marion Kremer und Beater
Schräpel überein. Vgl. Hellinger, Kremer, Schräpel: „Empfehlungen zur Vermeidung sexistischem Sprachgebrauch in
öffentlicher Sprache (1985)“. S. 162 ff. Susanna Häberlin, Rachel Schmid und Eva Lia Wyss bezeichnen sowohl das
Pronomen jedermann als auch die Pronomina jemand und niemand als „pseudogenerisch“ und empfehlen den Gebrauch
anderer Formulierungen. Vgl. Häberlin, Susanna, Schmid, Rachel, Wyss, Eva Lia: Übung macht die Meisterin –
Ratschläge für einen nicht-sexistischen Sprachgebrauch. München: Verlag Frauenoffensive 1992. S. 52 ff.
20
possessiven Pronomina verbunden sind.71 In den folgenden Abschnitten wird vor allem die
Frequenz der verschiedenen Formen untersucht. Vergleiche mit dem ersten Kapitel des GG werden
auch gemacht, um die Unterschiede zwischen einer „traditionellen“ Verfassung und einer
Verfassung, die auf die Ideen der feministischen Linguistik Rücksicht genommen hat, zu
illustrieren.
3.3 DAS GENERISCHE MASKULINUM IM UNTERSUCHUNGSMATERIAL
In einem Text, der bewusst geschlechtsneutral formuliert worden ist, sollte natürlich kein einziges
generisches Maskulinum auftauchen. Im Untersuchungsmaterial sind zwar keine maskulinen
substantivischen Personenbezeichnungen, deren Beziehung auf sowohl Männer als auch Frauen nur
aus dem Kontext hervorgeht (Typ A), vorhanden. Es gibt auch keine indefiniten Pronomina dieser
Art (Typ B). Das heißt aber nicht, dass das Untersuchungsmaterial vom generischen Maskulinum
frei ist. In zwei Sätzen kommen nämlich Konstruktionen vor, in denen ein maskulines persönliches
oder possessives Pronomen anaphorisch auf das indefinite Pronomen niemand verweist (Typ C):
(1) Niemand darf in einen Staat ausgeschafft werden, in dem ihm Folter oder eine andere Art
grausamer und unmenschlicher Behandlung oder Bestrafung droht. (Art. 25 (3) BV)
(2) Niemand darf wegen seiner Bürgerrechte bevorzugt oder benachteiligt werden. (Art. 37 (2) BV)
Das Vorkommen dieser Konstruktionen in einem Gesetz, das geschlechtsneutral formuliert sein
soll, überrascht natürlich. Es ist nämlich möglich, Normen jedes Inhaltes geschlechtsneutral zu
formulieren.72 Was Artikel 25 (3) und 37 (2) BV betrifft, wären folgende geschlechtsneutrale
Alternative möglich:
(1.a) Niemand darf in einen Staat ausgeschafft werden, in dem ihm oder ihr Folter...
(1.b) Kein Mensch darf in einen Staat ausgeschafft werden, in dem ihm Folter...
(2.a) Keine Person darf wegen ihrer Bürgerrechte bevorzugt oder benachteiligt werden.
71
Die Einteilung folgt, was die ersten drei Gruppen betrifft, prinzipiell der Einteilung der substantivischen
Personenbezeichnungen von Marlis Hellinger. Hellinger spricht von lexikalischen und grammatischen Mitteln der
Geschlechtsabstraktion. Lexikalisch geschlechtsabstrakt sind die Personenbezeichnungen, die lexeminhärent
geschlechtsneutral sind, d.h. ”die weder das natürliche Geschlecht [weiblich/männlich] noch das soziale Geschlecht
[prototypisch weiblich/prototypisch männlich] spezifizieren”. Vgl. Hellinger: Kontrastive feministische Linguistik. S.
81. Grammatisch geschlechtsabstrakt sind nach Hellinger die Pluralformen von Personenbezeichnungen mit
Differentialgenus und das Splitting, das heißt die Beidbenennung. Vgl. ebd. S. 78 f.
72
Als Beispiel kann Art. 8 (2) BV erwähnt werden: ”Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der
Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen,
weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen
Behinderung.” Diese exemplarisch geschlechtsneutrale Formulierung kann mit der Formulierung im Art. 3 (3) GG
verglichen werden: ”Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache,
seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder
bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
21
Der erste Vorschlag (1.a) ist nach der Forderung von Hellinger, Kremer und Schräpel ausgeformt
worden. Ihrer Meinung nach sollen die indefiniten Pronomina mit einer Art pronominalen
Beidbenennung verbunden werden.73 Diese Konstruktion wird aber von vielen als ungrammatisch
bezeichnet, weswegen ich hier auch eine alternative, grammatisch korrekte Formulierung (1.b)
erwähne.
Oben wurde schon erwähnt, dass im Untersuchungsmaterial keine maskulinen substantivischen
Personenbezeichnungen, deren Beziehung auf sowohl Männer als auch Frauen nur aus dem Kontext
hervorgeht (Typ A), vorhanden sind. Ein Sonderfall ist jedoch das Wort Flüchtling, das einmal (im
Plural)
vorkommt
Personenbezeichnung,
(Art.
die
25
(2)
nicht
BV).
zur
Flüchtling
Gruppe
der
ist
grundsätzlich
lexeminhärent
eine
maskuline
geschlechtsabstrakten
Personenbezeichnungen gehört (zu dieser Gruppe gehören zum Beispiel die Wörter Mensch und
Kind).
Das Wort Flüchtling gehört zu einer kleinen Gruppe von maskulinen Personenbezeichnungen,
die nicht moviert werden können, da sie Derivate auf –ling sind.74 Die feminisierte Form
*Flüchtlingin ist also prinzipiell nicht möglich.75 Häberlin, Schmid und Wyss schlagen die
Feminisierung mit der Endung –frau vor, und empfehlen die Benutzung der Parallelformen
Flüchtlingsfrauen und -männer.76 In der Leitfaden zur sprachlichen Gleichbehandlung im
Deutschen wird aber behauptet, es hätten sich im Sprachsystem zu Wörtern mit der Endung –ling
noch keine Feminina durchgesetzt, die von Form und Inhalt her gleichwertig seien.77
Auf dem Niveau des internationalen Rechts hat das Wort Flüchtling, durch das Abkommen vom
28. Juli über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, einen relativ deutlich abgegrenzten Inhalt; es
funktioniert wie ein juristischer Terminus Technicus. Aus diesem Grund ist es schwierig, das Wort
mit irgendeiner alternativen Formulierung zu ersetzen. Deswegen kann es, meiner Meinung nach,
auch nicht ohne weiteres als generisches Maskulinum betrachtet und verworfen werden. Um Frauen
besser einzuschließen sollte aber das Wort, genauso wie in der BV, vor allem im Plural verwendet
werden. Dadurch wird es möglich, der Gebrauch von eindeutig maskulinen anaphorischen
Pronomina zu vermeiden.78
73
Hellinger, Kremer, Schräpel: „Empfehlungen zur Vermeidung sexistischem Sprachgebrauch in öffentlicher Sprache
(1985)“. S. 163.
74
Vgl. Jobin: Genus im Wandel. S. 110.
75
Es sollte aber in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass die Frage der Movierbarkeit wohl „Moden“
unterworfen ist. Während der Epoche der Romantik ist die Zahl der Movierungen stark angestiegen, und das Wort
*Flüchtlingin ist bei Jean Paul belegt. Vgl. Jobin: Genus im Wandel. S. 51.
76
Häberlin, Schmid, Wyss: Übung macht die Meisterin. S. 24.
77
Vgl. Leitfaden zur sprachlichen Gleichbehandlung im Deutschen. S. 36.
78
Vgl. die folgenden Sätze: a) Flüchtlinge dürfen nicht in einen Staat ausgeschafft oder ausgeliefert werden, in dem sie
verfolgt werden. (Art. 25 (2) BV); b) Ein Flüchtling darf nicht in einen Staat ausgeschafft oder ausgeliefert werden, in
dem er verfolgt wird.
22
3.4 DER GEBRAUCH VON GESCHLECHTSNEUTRALEN FORMEN IM UNTERSUCHUNGSMATERIAL
Im vorigen Abschnitt wurde festgestellt, dass das generische Maskulinum nur in zwei Fällen im
Untersuchungsmaterial vorkommt (ich betrachte also das Wort Flüchtling nicht als ein generisches
Maskulinum). Das heißt, dass die übrigen 51 substantivischen Personenbezeichnungen und 7
indefiniten Pronomina geschlechtsneutral sind. Dazu möchte ich im nächsten Abschnitt auf die
folgenden zwei Fragen eingehen: Welche Typen von geschlechtsneutralen Formulierungen werden
verwendet und wie oft?
3.4.1 LEXEMINHÄRENT GESCHLECHTSABSTRAKTE SUBSTANTIVISCHE PERSONENBEZEICHNUNGEN
Die Zahl der lexeminhärent geschlechtsabstrakten substantivischen Personenbezeichnungen im
Untersuchungsmaterial ist relativ hoch. Zu dieser Gruppe zählen 3279, das heißt 62,7 % der 51
substantivischen Personenbezeichnungen. Dies hat vor allem mit dem Inhalt der Normen zu tun.
Die Grundrechte kommen allen Menschen zuteil. Daraus folgt, dass Wörter wie zum Beispiel
Mensch und Person häufig verwendet werden können.80 Das Wort Person ist auch, in der Tat, die
häufigste Personenbezeichnung des Untersuchungsmaterials. Insgesamt kommt es 25-mal vor. Im
Vergleich zu Person kommt das Wort Mensch eher selten vor (im Untersuchungsmaterial sind nur
vier Belege vorhanden). Für den Leser ist es nicht ganz einfach zu verstehen, warum die
Gesetzgebenden in einem gegebenen Fall das Wort Mensch oder das Wort Person gewählt haben.
Tendenziell scheint Mensch vorgezogen zu werden, wenn es um ganz „grundlegende“ Rechte geht.
Das Wort kommt ganz am Anfang des ersten Kapitels des zweiten Titels der BV, in den Artikeln
zur Menschenwürde (Art. 7 BV), zur Rechtsgleichheit (Art. 8 BV), zum Recht auf Leben (Art. 10
BV) und zum Recht auf persönliche Freiheit (Art. 10 BV), vor. Dies ist aber keine vollständige
Erklärung. Es ist nämlich zum Beispiel sehr fraglich ob Rechtsgleichheit tatsächlich als „wichtiger“
betrachtet werden kann als der „Anspruch [jeder Person] darauf, von den staatlichen Organen ohne
Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden“ (Art. 9 BV). Aus der Perspektive der
feministischen Linguistik ist jedoch die Wahl, häufiger Person als Mensch zu verwenden positiv,
79
Wenn auch das Wort Flüchtling dieser Gruppe hinzugefügt wird sind es insgesamt 33.
Dies ist natürlich nicht in allen Kapiteln der BV möglich, vor allem nicht da, wo die Personenbezeichnungen
Trägerinnen und Träger gewisser Funktionen oder Ämter bezeichnen. Vgl. zum Beispiel das kurze erste Kapitel
(„Allgemeine Bestimmungen“) des fünften Titels („Bundesbehörden“). Im Kapitel sind acht substantivische
Personenbezeichnungen vorhanden. Darunter sind drei geschlechtsabstrakt (das Wort Mitglied, das dreimal vorkommt),
vier Beidbenennungen (Richterinnen und Richter kommt dreimal vor, während Bundeskanzlerin und Bundeskanzler
einmal im Kapitel vorkommt) und eine Pluralform einer Personenbezeichnung mit Differentialgenus
(Stimmberechtigten).
80
23
denn durch sie wird ein umfassender Gebrauch von femininen anaphorischen Pronomina
gewährleistet. Als Beispiel können die folgenden Sätze mit einander verglichen werden:
(1) Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen
und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen. (Art. 15 (2) BV)
(1.a) Jeder Mensch hat das Recht, seine Religion und seine weltanschauliche Überzeugung frei zu
wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen.
Wenn das Untersuchungsmaterial aus der BV mit dem Vergleichsmaterial aus dem GG verglichen
wird, fällt auf, dass lexeminhärent geschlechtsabstrakte substantivische Personenbezeichnungen im
deutschen Gesetzestext viel seltener vorkommen. Nur 1681, das heißt 33,3 % der insgesamt 48
substantivischen Personenbezeichnungen sind lexeminhärent geschlechtsneutral. Das Wort Person
kommt nur dreimal vor (einmal im Ausdruck „Freiheit der Person“ (Art. 2 GG) und zweimal im
Artikel 13) und das Wort Mensch zweimal. Die am häufigsten vorkommende lexeminhärent
geschlechtsneutrale Personenbezeichnung ist stattdessen das Wort Kind (sechs Belege).
3.4.2 BEIDBENENNUNGEN
Im Untersuchungsmaterial wird die so genannte Beidbenennung, das heißt „die Koordination einer
weiblichen und einer männlichen Personenbezeichnung“82, zwölf mal verwendet. Es geht hier um
Personenbezeichnungen wie Schweizerinnen und Schweizer (Art. 24, 25 und 40) Schweizerbürgerin
oder Schweizerbürger (Art. 37) Ausländerinnen und Ausländer (Art. 38) Richterin oder Richter
(Art. 31) Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer (Art. 28) und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber (Art.
28). Es fällt auf, dass bei allen diesen Beidbenennungen die weibliche Form als erste steht. Diese
Wahl kann mit der Theorie zu den Wirkungen der so genannten freezes auf das Denken verglichen
werden. Viele Beispiele aus dem Deutschen zeigen nämlich, „dass die Reihenfolge, in der die
Elemente in mehrgliedrigen Ausdrücken angeordnet sind, auch etwas über die Rangfolge dieser
Elemente aussagt. Das wichtigste Element nimmt die erste Position an“.83 So steht das männliche
Element in vielen eingefrorenen beziehungsweise idiomatisch festen Ausdrücken, die aus einer
weiblichen und einer männlichen Personenbezeichnung bestehen, als erstes: Adam und Eva, Tristan
und Isolde, Brüder und Schwestern, Genossen und Genossinen, Männer und Frauen.84 Nach
Hellinger lässt sich im Sinne der sprachlichen Relativitätstheorie argumentieren, „dass ein Kind mit
den freezes gleichzeitig die Auffassung erwirbt, dass dem Männlichen grundsätzlich der höchste
18, wenn das Wort Flüchtling dieser Gruppe hinzugefügt wird.
Hellinger: Kontrastive feministische Linguistik. S. 79.
83
Ebd. S. 43.
84
Die Anrede sehr geehrte Damen und Herren macht natürlich eine wichtige Ausnahme aus.
81
82
24
Rang zukommt, weil es an erster Stelle genannt wird“.85 Aus dieser Perspektive ist natürlich die
schweizerische Initiative, die weibliche Personenbezeichnung in erster Position einnehmen zu
lassen, aus der Sicht der feministischen Linguistik zu applaudieren. Es gibt aber im
Untersuchungsmaterial eine Ausnahme:
Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche
Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf
gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. (Art. 8 (3) BV)
Wenn es zu einem Ausdruck kommt, der als „idiomatisch fest“ beschrieben werden kann, machen
also die Gesetzgebenden halt. Dies kann mit dem folgenden Auszug aus dem GG verglichen
werden:
Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der
Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile
hin. (Art. 3 (2) GG)
Ironischerweise ist also das sonst sehr androzentrische GG gerade auf diesem Punkt, bei der
sprachlichen Gestaltung des Gleichberechtigungsgrundsatzes, weniger sexistisch als die BV, auf
jeden Fall, wenn die oben erwähnte Theorie zur Wirkung der Reihenfolge der sprachlichen
Elemente auf das Denken akzeptiert wird. Dies ist jedoch die Ausnahme, die die Regel bestätigt.
Die Beidbenennungen im Artikel 3 (2) GG sind nämlich die einzigen Beidbenennungen des ganzen
ersten Kapitels des GG.
3.4.3 DIFFERENTIALGENUS
Pluralformen von Personenbezeichnungen mit Differentialgenus bilden die kleinste Gruppe der
geschlechtsneutralen substantivischen Personenbezeichnungen im Untersuchungsmaterial. Sie
kommen insgesamt sechsmal vor. Das erste Beispiel finden wir im Artikel 8 (4):
Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor.
Darauf folgen die Pluralformen Jugendliche (Art. 11), Angehörige (Art. 31), Private (Art. 35),
Dritte (Art. 36) und Neuzugezogene (Art. 39). Damit macht die Gruppe der Pluralformen von
Personenbezeichnungen mit Differentialgenus 11,8 % der geschlechtsneutralen substantivischen
Personenbezeichnungen aus.
Auch im Vergleichsmaterial aus dem GG sind Pluralformen von Personenbezeichnungen mit
Differentialgenus vorhanden. Am häufigsten kommt, aus natürlichen Gründen, das Wort Deutsche
85
Hellinger: Kontrastive feministische Linguistik. S. 43.
25
vor (Art. 8, 9, 11, 12 und 12 a GG). Im Vergleichsmaterial ist aber auch ein Beispiel vorhanden, das
zeigt, dass eine Pluralform einer Personenbezeichnung mit Differentialgenus nicht immer
geschlechtsneutral zu verstehen ist:
Wehrpflichtige, die nicht zu einem Dienst nach Absatz 1 oder 2 herangezogen sind, können im
Verteidigungsfalle durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu zivilen Dienstleistungen für
Zwecke der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung in Arbeitsverhältnisse
verpflichtet werden [...]. (Art. 12 a (3) GG)
Aus Artikel 12 a (1) GG folgt, dass nur Männer „zum Dienst in den Streitkräften, um
Bundesgrenzenschutz oder in einem Zivilschutzverband“ verpflichtet werden können. Aus dem
Kontext folgt also, dass das Wort Wehrpflichtige sich in diesem Fall nur auf Männer bezieht.
3.5 SONSTIGE BEOBACHTUNGEN AUS DER BUNDESVERFASSUNG – DAS VERRÄTERISCHE GENERISCHE
MASKULINUM
Wie oben festgestellt wurde, sind im Untersuchungsmaterial nur zwei Fälle vom generischen
Maskulinum vorhanden. Es geht in beiden Fällen um Konstruktionen, in denen ein maskulines
persönliches oder possessives Pronomen anaphorisch auf das indefinite Pronomen niemand
verweist (generische Maskulina des Typs C). Gerade dieses Pronomen wird aber auch viermal
geschlechtsneutral verwendet. Geschlechtsneutral wird auch das Pronomen wer dreimal im
Untersuchungsmaterial verwendet. Auch die 51 substantivischen Personenbezeichnungen, die im
Untersuchungsmaterial vorkommen, sind, mit einem gewissen Vorbehalt für das Wort Flüchtling,
als geschlechtsneutral einzustufen. Heißt das nun, dass auch der Rest der BV auf diese Weise
grundsätzlich geschlechtsneutral ausgeformt ist?
Um diese Frage beantworten zu können habe ich die ganze BV aus der Perspektive der
feministischen Linguistik durchgelesen, um vor allem dem eventuellen Gebrauch des generischen
Maskulinums auf die Spur zu kommen. Bei meiner Lektüre habe ich feststellen können, dass in der
BV noch ein paar Belege fehlender Geschlechtsneutralität vorhanden sind.
Schon in der feierlichen Präambel habe ich noch einen Fall des generischen Maskulinums des
Typs C gefunden:
Das Schweizervolk und die Kantone, [...] gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und
dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen, geben sich folgende Verfassung.
Interessanter ist aber, dass in der BV auch einige generische Maskulina des Typs A vorhanden sind,
das heißt maskuline substantivische Personenbezeichnungen, deren Beziehung auf sowohl Männer
als auch Frauen nur aus dem Kontext hervorgeht. Außer einigen Fällen von substantivischen
26
Personenbezeichnungen, die sich auf juristische Personen beziehen (was aus dem Kontext
hervorgeht) bin ich in der BV auf vier Artikel gestoßen, in dem generische Maskulinformen dieses
Typs verwendet werden. In den folgenden Abschnitten werde ich diese vier Fälle beschreiben. Ich
werde auch versuchen zu erklären, warum in diesen Fällen das generische Maskulinum, trotz des
Anspruches auf Geschlechtsneutralität, verwendet worden ist.
3.5.1 DER SEXUAL- ODER GEWALTSTRAFTÄTER
Im Artikel 123a BV finden wir folgende Regelung:
Wird ein Sexual- oder Gewaltstraftäter in den Gutachten, die für das Gerichtsurteil nötig sind, als
extrem gefährlich erachtet und nicht therapierbar eingestuft, ist er wegen des hohen Rückfallsrisikos
bis an sein Lebensende zu verwahren. Frühzeitige Entlassung und Hafturlaub sind ausgeschlossen.
Nur wenn durch neue, wissenschaftliche Erkenntnisse erwiesen wird, dass der Täter geheilt werden
kann und somit keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit darstellt, können neue Gutachten erstellt
werden. Sollte auf Grund dieser neuen Gutachten die Verwahrung aufgehoben werden, so muss die
Haftung für einen Rückfall des Täters von der Behörde übernommen werden, die die Verwahrung
aufgehoben hat.
Alle Gutachten zur Beurteilung der Sexual- und Gewaltstraftäter sind von mindestens zwei
voneinander unabhängigen, erfahrenen Fachleuten unter Berücksichtigung aller für die Beurteilung
wichtigen Grundlagen zu erstellen.
Die sprachliche Gestaltung dieser Regel verstößt vollständig gegen die Prinzipien, nach denen die
BV ausgeformt ist. Die Regel kann natürlich nicht so ausgelegt werden, als seien nur männliche
Sexual-
oder
Gewaltstraftäter
gemeint.
Warum
sollte
eine
gefährliche
Sexual-
oder
Gewaltstraftäterin anders behandelt werden als ihr männlicher „Kollege“? Die Bestimmung ist aber
so ausgeformt, als richte sie sich nur an Männer. Im Vergleich kann der Gebrauch von den Wörtern
Schweizer und Schweizerin im Artikel 59 BV studiert werden. In diesem Artikel wird festgestellt,
dass jeder Schweizer verpflichtet ist, Militärdienst zu leisten, während der Militärdienst für
Schweizerinnen freiwillig ist. Schweizer, „die weder Militärdienst noch Ersatzdienst leisten
schulden eine Abgabe“, und Personen, „die Militärdienst leisten und dabei gesundheitlichen
Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich und ihre Angehörigen Anspruch auf
angemessene Unterstützung des Bundes“. In der BV wird also die maskuline Form eines
Substantivs, das nicht lexeminhärent geschlechtsneutral ist, nur darum verwendet, um Männer zu
bezeichnen. Dies gilt, solange es möglich ist, eine feminine Form zu schaffen, die sich auf Frauen
bezieht (vergleiche das maskuline Substantiv Flüchtling, wofür es keine entsprechende feminine
Form gibt). Die Regel des Artikels 123a ist aber keineswegs nach diesem Prinzip ausgeformt
worden.
27
Um zu verstehen, warum dies der Fall ist, ist es notwendig, den Ursprung des Artikels zu
beachten. Dabei fällt es auf, dass der Artikel vier Jahre nach dem Inkrafttreten der BV, in einer
Volksabstimmung am 8. Februar 2004, angenommen worden ist. Er ist also nicht gleichzeitig mit
den anderen Artikeln der BV ausgeformt worden. Die Geschichte des Artikels ist auch ziemlich
extraordinär.86 Am 30. Oktober 1993 brachte ein Mann namens Erich Hauert eine junge Frau um.
Hauert hatte schon zwei Frauen umgebracht, und saß zu dieser Zeit noch seine Strafe ab. Im
Gutachten stand, er leide unter „psychopathisch zu nennenden Störungen der Charakterstruktur“
und sei kaum zu therapieren. Trotz seiner Gefährlichkeit ließ ihn die Direktion der Strafanstalt in
den Urlaub gehen. Es war auch sonst immer gut gegangen. Nur an jenem Tag ging es schief. Später
berichteten die Medien, wie die Behörden geschlampt hätten. 1996 wurde ein dreizehnjähriges
Mädchen von einem anderen Mann vergewaltigt und stranguliert. Sie überlebte, und der Mann
wurde zu 18 Jahre Zuchthaus verurteilt. Angehörige des Mädchens waren über das Urteil empört.
Sie haben eine Selbsthilfegruppe namens „Licht der Hoffnung – Gemeinsam gegen Gewalt“
gegründet, die allmählich die Initiative „für die lebenslange Verwahrung für nicht therapierbare,
extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter“ lanciert hat. Diese Initiative kam am 8. Februar
2008 nach emotionalem Abstimmungskampf zur Abstimmung. Sie wurde mit 56 Prozent JaStimmen angenommen und steht heute als Artikel 123a in der BV. 87
Der Inhalt des Artikels 123a bezieht sich also auf einen Initiativtext, der von einer
Selbsthilfegruppe formuliert worden ist. Meiner Meinung nach ist aber das generische Maskulinum
bei der Ausformung der Initiative nicht einfach darum verwendet worden, weil die
deutschschweizerische Sprachgemeinschaft überhaupt nicht die Ideen der feministischen Linguistik
rezipiert hätten (davon zeigt der Gebrauch im Artikel des lexeminhärent geschlechtsneutralen
Terminus Fachleute), sondern vor allem weil die Initiativnehmerinnen und Initiativnehmer
höchstwahrscheinlich nur an Männer (und vor allem wohl an die zwei Männer, die oben erwähnt
wurden) gedacht haben. Prototypisch begehen nämlich Männer Gewalt- und Sexualverbrechen.88
Die Tatsache, dass an Männer gedacht wurde, hat dazu geführt, dass nur die männliche Form
86
Die Darstellung der Geschichte des Artikels basiert auf der Darstellung in Boos, Susan: „Verwahrungsinitiative –
Gutachter werden zu Profeten“. In: WOZ-Online. http://www.woz.ch/archiv/old/04/02/5535.html (veröffentlicht am 8.
Januar 2004, gesichtet am 31. Oktober 2008).
87
Siehe „Strafrecht weiter verschärft“. In: Der Bund vom 16. September 2004.
http://www.humanrights.ch/home/de/Schweiz/Politik/Justiz/Freiheitsentzug/idart_5700-content.html?zur=826
(veröffentlicht am 19. Juni 2008, gesichtet am 31. Oktober 2008).
88
In einer schwedischen Untersuchung wurde 1999 gezeigt, dass 1,3 % der Personen, die zwischen 1975 und 1997 in
Schweden unter dem Verdacht standen, ein Sexualverbrechen begangen zu haben, Frauen waren. Der Frauenanteil
unter den Verdächtigten des Mordes oder des Totschlages war während derselben Periode 9,6 %. Vgl. BRÅ-rapport
1999:15: Kvinnors brottslighet. S. 32. Immer mehr Frauen tauchen aber vor allem unter den Verdächtigten der
Gewaltverbrechen auf (ebd. S. 8), und was die Sexualverbrechen betrifft muss angenommen werden, dass die
Dunkelziffer groß ist. Vgl. Kordon, Suzanne: „Även kvinnor kan vara förövare“. In: Apropå – Brottsförebyggande
rådets tidskrift, 3, 2006. http://www.bra.se/extra/pod/?action=pod_show&id=757&module_instance=12 (veröffentlicht
am 6. Oktober 2006, gesichtet am 2. November 2008).
28
verwendet worden ist. Es ist aber, meiner Meinung nach, erwähnenswert, dass die
Bundesversammlung nicht ihre Möglichkeit ausgenutzt hat, gemäß Artikel 139 (3) BV der Initiative
einen geschlechtsneutral formulierten Gegenentwurf gegenüberzustellen.89
3.5.2 DER GENERAL UND DER GENERALSEKRETÄR
Noch merkwürdiger als die Formulierung des Artikels 123a scheint aber die Wahl des
Maskulinums im Artikel 168 (2) BV, auf jeden Fall, wenn beachtet wird, dass diese
Verfassungsbestimmung nicht aus einer Volksinitiative stammt, sondern gemeinsam mit den
anderen Artikeln der BV am 18. April 1999 angenommen worden ist:
Die Bundesversammlung wählt die Mitglieder des Bundesrates, die Bundeskanzlerin oder den
Bundeskanzler, die Richterinnen und Richter des Bundesgerichts sowie den General.
In diesem Artikel steht also das Maskulinum den General neben zwei Beidbenennungen (die
Bundeskanzlerin oder den Bundeskanzler beziehungsweise die Richterinnen und Richter) und einer
lexeminhärent geschlechtsabstrakten Personenbezeichnung (die Mitglieder), obwohl Frauen in der
Schweiz „die gleichen Möglichkeiten einer beruflichen Laufbahn in der Armee” haben wie
Männer.90 Es gibt aber eine natürliche Erklärung: Als die BV angenommen wurde, hatten Frauen in
der schweizerischen Armee noch keinen Zugang zu Kampffunktionen. Erst nachdem das
Reformprojekt „Armee XXI“ 2003 durch das neue Militärgesetz verwirklicht wurde, haben Frauen
Zugang zu allen Truppengattungen und Funktionen. Da es den General oder die Generalin der
Schweizer Armee nur in Kriegszeiten gibt (der General oder die Generalin hat die Funktion eines
Oberbefehlshabers oder einer Oberbefehlshaberin; in Friedenszeiten tritt diese Person als „Chef der
Armee“ auf), war es natürlich vor 2003 unmöglich, eine schweizerische Generalin zu finden. Das
Maskulinum General im Artikel 168 (2) war also am Anfang gar nicht generisch gemeint, sondern
bezog sich nur auf Männer. Nach der Änderung des Militärgesetzes ist aber dies nicht mehr der
Fall, und wir finden jetzt in jenem Artikel ein generisches Maskulinum. Auch in diesem Fall ist es
schwierig zu verstehen, warum die Gesetzgebenden nicht das Grundgesetz geändert haben, um
diese wichtige Veränderung auf dem Gebiet der Gleichbehandlung auch in der Verfassung sichtbar
zu machen.
Noch ein generisches Maskulinum finden wir im Artikel 197, 1 (2):
89
Dies ist jedoch nicht das Einzige, was an Artikel 123a erwähnenswert, oder sogar erstaunlich, ist. Die
Verwahrungsinitiative und die Verfassungsbestimmung sind unter anderem darum scharf kritisiert worden, weil sie
nach der Meinung vieler Expertinnen und Experten mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht
vereinbar seien. Vgl. z.B. die in Fußnote 86 und 87 erwähnten Artikeln.
90
Informationen über die schweizerische Armee sind in ihrer Homepage erhältlich:
http://www.vtg.admin.ch/internet/vtg/de/home.html.
29
Der Bundesrat wird ermächtigt, an den Generalsekretär der Organisation der Vereinten Nationen
(UNO) ein Gesuch der Schweiz um Aufnahme in diese Organisation und eine Erklärung zur Erfüllung
der in der UN-Charta enthaltenen Verpflichtungen zu richten.
Frauen sind meines Wissens nicht ausgeschlossen als Leiterinnen der UNO tätig zu sein, auch wenn
es noch keine Frau an der Spitze dieser Organisation gegeben hat. Warum haben die
Gesetzgebenden in diesem Fall ein generisches Maskulinum verwendet?
Auch diese Bestimmung ist erst nachträglich der BV zugefügt worden. Angenommen in der
Volksabstimmung über die eidgenössische Volksinitiative für den Beitritt der Schweiz zur
Organisation der Vereinten Nationen (UNO) gehört Artikel 197, 1 zu den Übergangsbestimmungen
der BV, und nachdem die Schweiz im September 2002 als Mitglied in die UNO aufgenommen
worden ist, hat die Bestimmung heute keine Bedeutung mehr.
Genauso wie im Fall des Artikels 123a finden wir also hier ein generisches Maskulinum in
einem Artikel, der seinen Ursprung in einer Volksinitiative hat. Auch in diesem Fall wäre es
natürlich möglich, den Gebrauch des generischen Maskulinums damit zu erklären, dass eine Frau
einfach nie dieses Amt innegehabt hat. Dadurch könnte es als „prototypisch männlich“ bezeichnet
werden. In diesem Fall muss aber noch einen Faktor beachtet werden: Die Personenbezeichnungen
der Sekretär und die Sekretärin sind nicht ganz synonyme Bezeichnungen männlicher
beziehungsweise weiblicher Personen, die denselben Beruf oder dieselbe Funktion ausüben. Die
maskuline Bezeichnung Sekretär hat nämlich einen höheren semantischen Status als die feminine
Bezeichnung Sekretärin. Diese wird als Bezeichnung für Schreibkräfte in untergeordneter Stellung
benutzt, während jene für Hochstatusfunktionen wie Parteisekretäre und eben Generalsekretäre
verwendet wird.91 Die Form Generalsekretärin ist jedoch durchaus möglich und wird heute häufig
verwendet.92
3.5.3 DER STIMMBERECHTIGE
Das vierte generische Maskulinum der BV habe ich in den Schlussbestimmungen gefunden. Nach
diesen Bestimmungen wird die alte BV aufgehoben. Einige Bestimmungen der alten BV gelten aber
gemäß den Schlussbestimmungen der neuen BV weiter bis zum Inkrafttreten „der entsprechenden
gesetzlichen Bestimmungen“. Unter diesen alten Bestimmungen finden wir Artikel 121bis Absatz 1:
Beschliesst die Bundesversammlung einen Gegenentwurf, so werden den Stimmberechtigten auf dem
gleichen Stimmzettel drei Fragen vorgelegt. Jeder Stimmberechtigte kann uneingeschränkt erklären
91
92
Vgl. Jobin: Genus im Wandel. S. 66.
Bei einer Googlesuche habe ich für Generalsekretärin 197 000 Ergebnisse gefunden.
30
1. ob er das Volksbegehren dem geltenden Recht vorziehe;
2. ob er den Gegenentwurf dem geltenden Recht vorziehe;
3. welche der beiden Vorlagen in Kraft treten soll, falls Volk und Stände beide Vorlagen dem
geltenden Recht vorziehen sollten.
Diese Regel ist also der alten BV, das heißt einer Verfassung der alten androzentrischen Tradition,
entnommen worden, was natürlich die Benutzung des generischen Maskulinums erklärt.
Wahrscheinlich haben die Gesetzgebenden, die ja auf kommende Gesetze hinweisen, diese
Formulierung aus gesetzestechnischen Gründen stehen lassen.
4. ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNGEN
Als Ausgangspunkt dieses Aufsatzes haben die Theorien der feministischen Linguistik gedient.
Diese sprachwissenschaftliche Disziplin hat ihren Ursprung in der Neuen Frauenbewegung, die seit
ihrem Anfang in den 1960er Jahren die Stellung der Frau in der Gesellschaft revolutioniert hat. Die
feministische Linguistik ist sowohl deskriptiv als auch normativ. Sie beschreibt die Sprache über
Frauen und von Frauen und sie ist auf Sprachveränderung mit dem Ziel einer Gleichbehandlung
von Frauen und Männern ausgerichtet.
Das generische Maskulinum ist ein zentraler Forschungsgegenstand der feministischen
Linguistik. Diese Form wird oft in Grammatiken als geschlechtsneutral beschrieben. Schon in den
siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts hat aber die Sprachwissenschaftlerin Senta Trömel-Plötz die
Ambiguität dieser Form aufgedeckt. Trömel-Plötz hat gezeigt, wie das generische Maskulinum eine
Möglichkeit anbietet, „unter Ausschluss von Frauen über Männer zu sprechen oder Männer
anzusprechen und zugleich die Rückzugsmöglichkeit offen zu halten, dass auch Frauen
eingeschlossen waren“.93 Später haben Forscherinnen und Forscher empirisch zeigen können, dass
das generische Maskulinum tatsächlich nicht von der Sprachgemeinschaft geschlechtsneutral
interpretiert wird. Dadurch haben sie auch gezeigt, dass die Sprache unser Denken beeinflusst, und
dass Diskriminierung durch Sprachgebrauch eine Realität besitzt. Es wurde auch gezeigt, dass das
generische Maskulinum erst seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts in deutschen
Grammatiken beschrieben wird, und dass es nur seit etwa 60 Jahren einigermaßen konsequent in
der Rechtssprache verwendet wird. Das generische Maskulinum ist also gar keine „traditionelle“
Form, und ihre Ambiguität wurde noch in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts ausgenutzt, um
Frauen ihre Menschenrechte zu entziehen.
93
Vgl. Fußnote 23.
31
Wenn es um substantivische Personenbezeichnungen geht, gibt es grundsätzlich drei „formal“
geschlechtsneutrale
Alternativen
zum
Gebrauch
des
generischen
Maskulinums:
Die
Beidbenennung, die Frauen sichtbar macht, die Pluralform von Substantiven mit Differentialgenus
und das lexeminhärent geschlechtsneutrale Substantiv. Die empirischen Studien, die im Rahmen der
feministischen Linguistik gemacht worden sind, deuten darauf hin, dass die Benutzung von
Beidbenennungen und dem lexeminhärent geschlechtsneutralen Substantiv Person zu einer
stärkeren Einbeziehung von Frauen führen als andere substantivische Personenbezeichnungen.
Pluralformen von Substantiven mit Differentialgenus scheinen aber nicht besonders wirkungsvoll
zu sein und das lexeminhärent geschlechtsneutrale Substantiv Mensch wird als diskriminierend
klassifiziert.
In
diesem
Aufsatz habe ich
die Geschlechtsneutralität
der
Bundesverfassung
der
Schweizerischen Eidgenossenschaft von 1999 (BV) untersucht. In der Schweiz gilt schon seit 1993
die Regel, dass neue Erlasse von der Bundesverwaltung nach den Grundsätzen der sprachlichen
Gleichbehandlung vorbereitet werden sollen. Die BV sollte also geschlechtsneutral sein. Um
festzustellen, ob dies wirklich der Fall ist, habe ich zuerst die substantivischen und pronominalen
Personenbezeichnungen, die in den ersten zwei Kapiteln des zweiten Titels vorkommen, im Detail
studiert. Dabei habe ich mich für zwei Fragen interessiert: Kommt das generische Maskulinum
überhaupt vor, und welche der verschiedenen alternativen Formen werden verwendet – sind es
diejenigen, die tatsächlich Frauen einbeziehen? Danach habe ich auch das Vorkommen des
generischen Maskulinums im Rest des Gesetzes untersucht.
Durch meine Untersuchung der Geschlechtsneutralität der BV habe ich nicht nur feststellen
wollen, ob die BV an sich als nicht-sexistisch bezeichnet werden kann oder nicht. Ich habe auch der
Frage nachgehen wollen, inwiefern es praktisch möglich ist, Gesetze im Sinne der feministischen
Linguistik geschlechtsneutral zu formulieren. Aus der Analyse eines einzelnen Gesetzes können
nämlich, meiner Ansicht nach, einige allgemeine Schlussfolgerungen gezogen werden.
Kommt das generische Maskulinum in der BV vor, oder ist sie aus dieser Perspektive ganz
geschlechtsneutral? Im Abschnitt, das im Detail analysiert wurde (das Untersuchungsmaterial),
habe ich zwei Fälle von generischem Maskulinum gefunden. In beiden Fällen geht es um
Konstruktionen, in denen ein maskulines persönliches oder possessives Pronomen anaphorisch auf
ein indefinites Pronomen verweist, das nicht per se als ein generisches Maskulinum betrachtet
werden kann. Bei meinem Studium der ganzen BV habe ich noch ein Beispiel dieser Konstruktion
gefunden. Ich habe auch vier substantivische Personenbezeichnungen im generischen Maskulinum
gefunden: der Sexual- oder Gewaltstraftäter, der General, der Generalsekretär und der
Stimmberechtigte. Das generische Maskulinum kommt also siebenmal in der BV vor.
32
Dies heißt aber nicht, dass es unmöglich ist, ein Gesetz geschlechtsneutral zu formulieren. In
diesem Aufsatz wurde schon gezeigt, dass es möglich gewesen wäre, die beiden generischen
Maskulina, die im Untersuchungsmaterial vorkommen, durch geschlechtsneutrale Konstruktionen
zu ersetzen. Es wurde auch gezeigt, dass der ursprüngliche Text geschlechtsneutraler war als der
heutige. Das Substantiv der General bezog sich bis 2003 nur auf Männer, und die Regelungen, in
denen der Sexual- oder Gewaltstraftäter und der Generalsekretär vorkommen wurden erst nach
dem Inkrafttreten der BV durch Volksabstimmungen angenommen. Was das Substantiv der
Stimmberechtigte betrifft, steht es in einer Bestimmung der alten BV, die weiter gelten wird, bis
entsprechende gesetzliche Bestimmungen in Kraft treten. Mit dieser Ausnahme wurde also keine
substantivische Personenbezeichnung im generischen Maskulinum im ursprünglichen Text benutzt.
Aus dieser Analyse der BV können wir also den Schluss ziehen, dass es nicht unmöglich ist,
ohne generische Maskulina ein Gesetz zu schreiben. Es wird auch deutlich, auf welche Probleme
wir stoßen können, nicht so sehr bei der Ausformung eines Gesetzes wie bei den Änderungen
desselben. Drei der generischen Maskulina, die in der BV vorkommen, haben sich durch
Änderungen der Rechtslage ins Gesetz eingeschlichen. Bei den Substantiven der Sexual- oder
Gewaltstraftäter und der Generalsekretär wurden die neuen Regelungen, die der BV hinzugefügt
worden sind, nicht geschlechtsneutral ausgeformt. Teils hat dies mit dem sozialen Geschlecht und
dem Status der benutzten Personenbezeichnungen zu tun, teils mit einer mangelnden
Aufmerksamkeit bezüglich sexistischer Formen. Das Substantiv der General wurde durch das
Inkrafttreten eines neuen Militärgesetzes in ein generisches Maskulinum umgewandelt. Hier hätten
also die Gesetzgebenden die Verfassung als Folge einer Änderung des Militärgesetzes ändern
müssen. Mit Sicherheit kann natürlich nicht gesagt werden, warum dies nicht gemacht wurde.
Entweder haben die schweizerischen Politikerinnen und Politiker das Problem gar nicht entdeckt,
oder sie haben gemeint, es sei nicht der Mühe wert, die BV zu ändern, um die gesetzliche
Beseitigung einer alten Chancenungleichheit auch sprachlich in der Verfassung deutlich zu machen.
Aus diesen Beispielen ergibt sich, dass das Aufrechterhalten der Geschlechtsneutralität eines
Gesetzes vor allem zwei Sachen fordert: Aufmerksamkeit und Engagement.
Kommen wir zu den Mitteln, durch die sprachliche Geschlechtsneutralität erreicht werden kann.
Im Untersuchungsmaterial kommen insgesamt 51 substantivische Personenbezeichnungen vor. Das
Wort Person wird 25-mal verwendet, während Beidbenennungen zwölf Mal vorkommen. 72,5 %
der substantivischen Personenbezeichnungen sind also solche, die zu einer stärkeren Einbeziehung
von Frauen führen. Das Wort Mensch und Pluralformen von Substantiven mit Differentialgenus
repräsentieren 19,6 % der verwendeten substantivischen Personenbezeichnungen. Diese Zahl ist
zwar ziemlich hoch. Was die Substantive mit Differentialgenus betrifft, muss aber noch einmal
33
betont werden, dass vielleicht vermieden werden sollte, zu großes Gewicht auf die Studie über ihre
Wirkungen zu legen.94
Auf jeden Fall kann die BV als ein gutes Beispiel dafür betrachtet werden, dass es bei der
Formulierung eines Gesetzes möglich ist, das generische Maskulinum zu vermeiden und Formen zu
verwenden, deren Geschlechtsneutralität empirisch belegt ist. In diesem Aufsatz bin ich nicht auf
die Frage eingegangen, ob die Wahl geschlechtsneutraler Formen zu einer erhöhten sprachlichen
Komplexität beziehungsweise einer verschlechterten Lesbarkeit geführt hat. Bei meinem Studium
der BV habe ich nicht den Eindruck gehabt, dass diese besonders kompliziert sei, vor allem nicht
im Vergleich mit dem deutschen Grundgesetz. Dieser Frage müsste aber genauer nachgegangen
werden.
94
Vgl. Fußnote 52.
34
5. LITERATURVERZEICHNIS
PRIMÄRLITERATUR
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (Stand am 1. Januar
2008).
Grundgesetz für die Bundesrepubik Deutschland vom 23. Mai 1949 (Stand Januar 2007).
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874 mit Änderungsindex
bis 17. Mai 1992, aufgehoben durch Bundesbeschluss vom 18. Dezember 1998.
SEKUNDÄRLITERATUR
Almgren, Birgitta, Brylla, Charlotta: „Språk och politik – teoretiska och metodiska reflektioner“. In:
Bilder i kontrast: interkulturella processer Sverige/Tyskland i skuggan av nazismen 1933-1945.
Hrsg. Brylla, Charlotta, Almgren, Birgitta, Kirsch, Frank-Michael. Aalborg : Institut für Sprache
und internationale Kulturstudien, Univ. Aalborg, 2005. S. 103-113.
Avenarius, Hermann: Die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Bonn: Bundeszentrale
für politische Bildung 2001.
BRÅ-rapport 1999:15: Kvinnors brottslighet.
Braun, Friederike, Gottburgsen, Anja, Sczesny, Sabine, Stahlberg, Dagmar: „Können Geophysiker
Frauen sein? Generische Personenbezeichnungen im Deutschen“. In: Zeitschrift für germanistische
Linguistik 26, 1998. S. 265-283.
Doleschal, Ursula: „Das generische Maskulinum im Deutschen – Ein historischer Spaziergang
durch die deutsche Grammatikschreibung von der Renaissance bis zur Postmoderne“. In: Linguistic
online 11, 2, S. 39-70.
Flämig, Walter: Grammatik des Deutschen – Einführung in Struktur- und
Wirkungszusammenhänge. Berlin: Akademie Verlag 1991.
35
Grabrucker, Marianne: Vater Staat hat keine Muttersprache. Frankfurt am Main: Fischer
Taschenbuchverlag 1993.
Häberlin, Susanna, Schmid, Rachel, Wyss, Eva Lia: Übung macht die Meisterin – Ratschläge für
einen nicht-sexistischen Sprachgebrauch. München: Verlag Frauenoffensive 1992.
Hellinger, Marlis: Kontrastive feministische Linguistik – Mechanismen sprachlicher
Diskriminierung im Englischen und Deutschen. Ismaning: Max Hueber Verlag 1990.
Hellinger, Marlis, Kremer, Marion, Schräpel, Beate: „Empfehlungen zur Vermeidung von
sexistischem Sprachgebrauch in öffentlicher Sprache (1985)“. In: Hellinger, Marlis: Kontrastive
feministische Linguistik – Mechanismen sprachlicher Diskriminierung im Englischen und
Deutschen. Ismaning: Max Hueber Verlag 1990. S. 153-170.
Jobin, Bettina: Genus im Wandel – Studien zu Genus und Animatizität anhand von
Personenbezeichnungen im heutigen Deutsch mit Kontrastierungen zum Schwedischen. Stockholm:
Almqvist & Wiksell International 2004.
Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearb. Von Elmar Seebold.
Berlin/ New York: Walter de Gruyter 2002.
Leitfaden zur sprachlichen Gleichbehandlung im Deutschen. Bern: Schweizerische Bundeskanzlei
1996.
Mühlhäusler, Peter, Harré, Rom: Pronouns and People. Oxford: Basil Blackwell 1990.
Peyer, Ann, Wyss, Eva Lia: „,JazzmusikerInnen – weder Asketen noch Müsli-Fifis’ – Feministische
Sprachkritik in der Schweiz, ein Überblick“. In: Feministische Linguistik – Linguistische
Geschlechterforschung – Ergebnisse, Konsequenzen, Perspektiven. [Germanistische Linguistik
139-140]. Hrsg. Schoenthal, Gisela. Hildesheim: Georg Olms Verlag 1998. S. 117-174.
Samel, Ingrid: Einführung in die feministische Sprachwissenschaft. Berlin: Erich Schmidt Verlag
2000.
36
Scheele, Brigitte, Gauler, Eva: „Wählen Wissenschaftler ihre Probleme anders aus als
WissenschaflerInnen? Das Genus-Sexus-Problem als paradigmatischer Fall der linguistischen
Relativitätsthese“. In: Sprache und Kognition, 12, 2, 1993. S. 59-72.
Trömel-Plötz, Senta: „Linguistik und Frauensprache“. In: Trömel-Plötz, Senta: Frauensprache:
Sprache der Veränderung. Frankfurt am Main: Fischer 1982. S. 35-57.
Whorf, Benjamin Lee: „Linguistics as an Exact Science“. In: Language, Thought and Reality.
Selected Writings of Benjamin Lee Whorf. Hrsg. Carroll, John B. New York: The Technology Press
of Massachusetts Institute of Technology and John Wiley & Sons 1956. S. 220-232.
Whorf, Benjamin Lee: „Science and Linguistcs“. In: Language, Thought and Reality. Selected
Writings of Benjamin Lee Whorf. Hrsg. Carroll, John B. New York: The Technology Press of
Massachusetts Institute of Technology and John Wiley & Sons 1956. S. 207-219.
INTERNETQUELLEN
Boos, Susan: „Verwahrungsinitiative – Gutachter werden zu Profeten“. In: WOZ-Online.
http://www.woz.ch/archiv/old/04/02/5535.html (veröffentlicht am 8. Januar 2004, gesichtet am 31.
Oktober 2008).
Dokumentation der Ringvorlesung im Sommer 1988 an der Freien Universität Wien,
„Antiautoritärer Anspruch und Frauenemanzipation – Die Revolte in der Revolte“.
www.infopartisan.net/archive/1968/29708.html (ohne Jahresangabe, gesichtet am 4. Oktober 2008).
Kordon Suzanne: „Även kvinnor kan vara förövare“. In: Apropå – Brottsförebyggande rådets
tidsskrift, 3, 2006. http://www.bra.se/extra/pod/?action=pod_show&id=757&module_instance=12
(veröffentlicht am 6. Oktober 2006, gesichtet am 2. November 2008).
Sander, Heike: „Rede des Aktionsrates zur Befreiung der Frauen auf der 23. Delegiertenkonferenz
des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes“ im September 1968 in Frankfurt.
www.glasnost.de/hist/apo/weiber3.html (ohne Jahresangabe, gesichtet am 4. Oktober 2008).
37
„Strafrecht
weiter
verschärft“.
In:
Der
Bund
vom
16.
September
2004.
http://www.humanrights.ch/home/de/Schweiz/Politik/Justiz/Freiheitsentzug/idart_5700content.html?zur=826 (veröffentlicht am 19. Juni 2008, gesichtet am 31. Oktober 2008).
38
ANHANG
Personenbezeichnungen im Untersuchungsmaterial
Substantivische Personenbezeichnungen
Generische Maskulina
Personenbezeichnung
(Flüchtling)
Total
Anzahl
(1)
0 (1)
Artikel
(25.2)
Lexeminhärent geschlechtsabstrakte substantivische Personenbezeichnungen
Personenbezeichnung
Person
Anzahl
25
Mensch
Kind
Partei
Total
4
2
1
32
Artikel
9; 13.1; 13.2; 15.2; 15.3; 16.2;
16.3; 22.2; 23.2; 28.4; 29.1;
29.3; 29a; 30.1; 30.2; 31.1;
31.2; 31.3; 31.3; 31.3; 31.4;
32.1; 32.2; 32.3; 33.1
7; 8.1; 10.1; 10.2
11.1; 38.3
29.2
Beidbenennungen
Personenbezeichnung
Mann und Frau
Schweizerinnen und Schweizer
Richterin oder Richter
Auslandsschweizerinnen und
Auslandschweizer
Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer
Arbeitgeberinnen und
Arbeitgeber
Schweizerbürgerin oder
Schweizerbürger
Ausländerinnen und Ausländer
Total
Anzahl
2
2
2
2
Artikel
8.3; 8.3
24.1; 25.1
31.3; 31.3
40.1; 40.2
1
28.1
1
28.1
1
37.1
1
12
38.2
Pluralformen von Substantiven mit Differentialgenus
Personenbezeichnung
Behinderte
Jugendliche
Angehörige
Anzahl
1
1
1
Artikel
8.4
11.1
31.2
39
Private
Dritte
Neuzugezogene
Total
1
1
1
6
35.3
36.2
39.4
Pronominale Personenbezeichnungen
Generische Maskulina
Personenbezeichnung
Niemand...ihm
Niemand...seiner
Total
Anzahl
1
1
2
Artikel
25.2
37.2
Anzahl
4
3
7
Artikel
8.2; 15.2; 23.3; 39.3
12; 35.2
Neutrale Formen
Personenbezeichnung
Niemand
Wer
Total
Personenbezeichnungen im GG
Substantivische Personenbezeichnungen
Generische Maskulina
Personenbezeichnung
Lehrer
Schüler
Betroffener
Richter
Beschuldigter
Deutscher
(Flüchtling)
Ausländer
Angehörige.. seine
Total
Anzahl
1
1
3
3
1
1
(2)
1
1
12 (14)
Artikel
7 (3)
7 (4)
10 (2);16 (1); 16 (1)
13 (2); 13 (3); 13 (3)
13 (3)
16 (2)
16 a (2); 16 a (5)
16 a (3)
17 1 (1)
Lexeminhärent geschlechtsabstrakte substantivische Personenbezeichnungen
Personenbezeichnung
Mensch
Person
Kind
Eltern
Lehrkräfte
Arbeitskräfte
Anzahl
2
3
5
2
2
1
Artikel
1 (1); 3 (1)
2 (2); 13 (5); 13 (7)
6 (2); 6 (3); 6 (3); 6 (5); 6 (5)
6 (2); 7 (4)
7 (4); 7 (4)
12 a (6)
40
Total
15
Beidbenennungen
Personenbezeichnung
Männer und Frauen
Frauen und Männer
Total
Anzahl
1
1
2
Artikel
3 (2)
3 (2)
Pluralformen von Substantiven mit Differentialgenus
Personenbezeichnung
Erziehungsberechtigte
Deutsche
Anzahl
4
5
Jugendliche
Beteiligte
Verfolgte
Total
1
1
1
12
Artikel
6 (3); 6 (3); 7 (2); 7 (5)
8 (1); 9 (1); 11 (1); 12 (1); 12 a
(6)
13 (7)
14 (3)
16 a (1)
Geschlechtsspezifisch weibliche Personenbezeichnungen
Personenbezeichnung
Mutter
Frau
Total
Anzahl
1
1
2
Artikel
6 (4)
12 a (4)
Geschlechtsspezifisch männliche Personenbezeichnungen
Personenbezeichnung
Mann (lexeminhärent
geschlechtsspezifisch)
Wehrpflichtige (kontextuell
geschlechtsspezifisch)
Total
Anzahl
1
Artikel
12 a (1)
1
12 a (3)
2
Pronominale Personenbezeichnungen
Generische Maskulina
Personenbezeichnung
Jeder
Jedermann
Niemand...sein
Jemand...sein
Jemand...der Beschuldigte
Total
Anzahl
3
2
3
1
1
10
Artikel
2 (1); 2 (2); 5 (1)
9 (3); 17
3 (3; 3 (3); 4 (2)
19 (4)
13 (3)
Neutrale Formen
41
Personenbezeichnung
Wer
Niemand
Total
Anzahl
1
1
2
Artikel
18
12 (2)
Geschlechtsspezifisch männliche Personenbezeichnungen
Personenbezeichnung
Wer (kontextuell
geschlechtsspezifisch)
Total
Anzahl
1
Artikel
12 a (2)
1
42
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