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Mechanismen der Gefäßentzündung: reaktive Sauerstoffspezies als Schädigungs- oder Schutzmechanismus?

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Mechanismen der Gefäßentzündung: reaktive Sauerstoffspezies als Schädigungs- oder Schutzmechanismus?
Mechanismen der Gefäßentzündung: reaktive Sauerstoffspezies
als Schädigungs- oder Schutzmechanismus?
Alexandra K. Kiemer, Britta Diesel
Pharmazeutische Biologie
Arteriosklerose
Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (Kardiovaskuläre Erkrankungen)
sind inzwischen nicht mehr nur in den
Industrienationen, sondern auch in ärmeren Ländern eine der häufigsten Todesursachen. Der World Health Report
der WHO von 2003 zeigt, dass etwa
ein Drittel der globalen Todesfälle auf
Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen ist (http://www.who.int/diet
physicalactivity/publications/facts/cvd/
en/).
Vielen Herz-Kreislauf-Erkrankungen
liegt ein zunächst durch den Patienten
jahrelang unbemerkter, chronischer
Prozess zugrunde, die Arteriosklerose.
Arteriosklerose ist im gemäßigten Umfang ein normaler, altersabhängiger
Prozess, der jedoch durch verschiedene
Risikofaktoren beschleunigt werden
kann. Neben Rauchen und einem erhöhten LDL-Cholesterolspiegel (low
density lipoprotein) stellt ein erhöhter
Blutdruck einen bedeutenden Risikofaktor für die Entwicklung von Arteriosklerose dar.
Unter Arteriosklerose (dt. Arterienverkalkung) versteht man schrittweise auftretende degenerative Vorgänge an Arterienwänden, die Verhärtungen (Sklerose), Verdickungen und einen Elastizitätsverlust der Blutgefäße zur Folge haben. Eine typische arteriosklerotische
Gefäßveränderungen ist ein “arteriosklerotischer Plaque”, eine bindegewebsartige Kappe an der Gefäßwand
mit einem Kern aus Ablagerungen von
Stoffwechselprodukten (v.a. Fettsäuren
und Cholesterol) und Zellen, die zur
Verengung des Gefäßdurchmessers der
Arterien führt. Durch den Gefäßumbau
wird der Blutdurchfluss mehr und mehr
behindert, was je nach Ort der Arteriosklerose zu einer Mangeldurchblutung
von unterschiedlichen Organen führen
kann. Als hochgefährliche Komplikation
der Arteriosklerose können die arteriosklerotischen Plaques aufreißen. Dies
2
Herz-Kreislauf-Erkrankungen nehmen weltweit als Todesursache zu. Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Rauchen und Übergewicht sind seit langem bekannt,
können die hohe Rate an Morbidität und Mortalität jedoch nicht erklären. Die
molekularen und zellulären Mechanismen, die zur Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen, sind somit noch unzureichend bekannt. Es gibt
zunehmend Hinweise darauf, dass Entzündungsprozesse daran wesentlich beteiligt sind. Im Krankheitsverlauf kommt es zu entzündlichen Prozessen, bei denen
Zellen, die die Blutgefäße auskleiden (Endothelzellen), eine zentrale Rolle zu spielen scheinen.
Wir interessieren uns für die Charakterisierung dieser Entzündungsprozesse im
Blutgefäß und für körpereigene Substanzen, die das Entzündungsgeschehen regulieren.
hat einen Gerinnungsprozess zur Folge,
welcher in einem vollständigen Verschluss der Arterie (Thrombose) resultiert. Weitere klinische Manifestationen
der Arteriosklerose können die Koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt, Schlaganfall oder auch die peripheren arteriellen Verschlusskrankheit sein.
Abb.1: Bedeutung der Monozyten/Makrophagen im Entzündungsgeschehen.
Aktivierte Endothelzellen produzieren Chemokine und Adhäsionsmoleküle, mit deren Hilfe Monozyten aus der Blutbahn angelockt werden, an
die Gefäßwände adhärieren und in die unter dem Endothel liegende
Bindegewebeschicht, die Intima, einwandern. Dort differenzieren Monozyten zu Makrophagen aus. Einmal aktiviert, nehmen Makrophagen
Cholesterin-haltige Lipidtröpfchen (oxidiertes LDL) auf und setzen das
Zytokin TNF-α (tumor necrosis factor alpha) frei, ein zentraler Botenstoff der Immunreaktion. Die TNF-α-Produktion führt wiederum in einem circulus vitiosus (Teufelskreis) zu einer weiteren Anlockung von Immunzellen, zur gesteigerten Durchlässigkeit des Endothels und zur Aktivierung von Makrophagen und Endothelzellen. Diese produzieren weitere, die Entzündungsreaktion vorantreibende Faktoren wie Chemokine
und reaktive Sauerstoffspezies.
Universität des Saarlandes
Wie kommt es nun zur Entstehung von
Arteriosklerose? Die initalen Mechanismen sind noch nicht vollständig aufgeklärt, sicherlich sind verschiedene Faktoren beteiligt. Initiale Reize können die
schützende Zellschicht, welche die Gefäßwand auskleidet (Endothel), schädigen, was zu einer gesteigerten Durchlässigkeit und zum Beginn der Gefäßveränderungen führt. Solch ein initialer
Reiz kann zum Beispiel ein erhöhter
Blutdruck und/oder ein erhöhter LDLCholesterolspiegel sein. Diese Reize alleine reichen jedoch für ein Fortschreiten der Krankheit nicht aus. Inzwischen
weiß man, dass Komponenten des angeborenen und des erworbenen Immunsystems einen Entzündungsprozess
einleiten, der maßgeblich zur Arterioskleroseprogression beiträgt1).
Einmal aktivierte Endothelzellen werden
nicht einfach nur passiv durchlässig für
Stoffwechselprodukte wie LDL-Cholesterol, sie geben auch chemotaktische
Substanzen (Chemokine) ab. Chemokine sind Substanzen, die Immunzellen,
die sich in der Blutbahn frei bewegen,
ähnlich eines Rauchzeichens, signalisieren, dass sie sich zum Ort der Entzündung begeben sollen. Solche chemotaktischen Substanzen spielen eine
wichtige Rolle in der Arteriosklerose2).
Des Weiteren bilden Endothelzellen im
Entzündungsgeschehen aktiv Adhäsionsmoleküle (z.B. VCAM1, vascular cell
adhesion molecule) auf ihrer Oberfläche, die es den angelockten Immunzellen (Monozyten) ermöglichen, sich
an die Endothelzellschicht anzuheften
und sie zu durchdringen (Abb. 1). Weitere in tieferen Gefäßschichten gebildete Chemokine, z.B. M-CSF (macrophage colony stimulating factor) führen zur
Differenzierung der Monozyten zum
reifen Makrophagen. Makrophagen
können oxidiertes LDL-Cholesterol aufnehmen; es entstehen dann große Zellen mit Lipid-Einschlüssen, die auch
Schaumzellen genannt werden. Andererseits können sowohl Makrophagen
als auch Endothelzellen durch eine Klasse von Immunrezeptoren, den Toll-like
Rezeptoren (näheres siehe unten) weiter aktiviert werden.
Sowohl Schaumzellen als auch durch
Toll-like Rezeptoren aktivierte Zellen
produzieren wichtige entzündungsfördernde (pro-inflammatorische) Botenstoffe, die zu einer Verstärkung der Entzündungsreaktion führen. Von zentraler Bedeutung sind hier das entzündli-
magazin forschung 2/2006
Abb. 2: Natriuretische Peptide (NP): Wichtigste Vertreter, Rezeptoren und Effekte. Zur Gruppe der Herz-/Kreislaufhormone zählen ANP (atrial natriuretic peptide), BNP (brain natriuretic peptide) und CNP (C-type
natriuretic peptide). Obwohl durch unterschiedliche Gene kodiert,
enthalten diese alle einen über eine Disulfidbrücke geschlossen Ring
aus 17 Aminosäuren. Es gibt drei verschiedene NP-Rezeptoren (NPR)
mit den angegebenen Spezifitäten, alle Rezeptoren sind Transmembranproteine. NPR-A und NPR-B vermitteln die meisten biologischen
Effekte, sie enthalten intrazelluläre Domänen mit Proteinkinase- und
Guanylatzyklase-Aktivität. NPR-C enthält hingegen eine verkürzte intrazelluläre Domäne und vermittelt die Elimination der NP.
Die Bindung der NP an die Rezeptoren NPR-A und NPR-B an der Zelloberfläche führt zur Aktivierung der Guanylatzyklase-Domäne, in der
Folge kommt es zur Bildung des Botenstoffes zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP). cGMP kann in der Folge verschiedene weitere
Signalmoleküle in der Zelle aktivieren wie die Proteinkinase G (PKG),
Phosphodiesterasen (PDE), Proteinkinase A (PKA) und durch zyklische
Nukleotide regulierte Ionenkanäle (CNG). Die genaue Bedeutung der
einzelnen Signalwege für die Vermittlung einzelner Effekte der NP ist
bisher nur unzureichend untersucht.
che Zytokin tumor necrosis factor alpha
(TNF-α) und die Entstehung reaktiver
Sauerstoffspezies (reactive oxygen spezies, ROS). TNF-α fördert das vermehrte Wachstum der sich in der Intima
befindenden Muskelzellen und trägt
damit zur Gefäßverdickung bei. Zudem
führt es zum strukturellen Umbau der
Endothelzellen und zum Verlust der
Zell-Zell-Kontakte, was wiederum die
Durchlässigkeit des Endothels erhöht.
Außerdem führt TNF-α zu einer verstärkten Bildung von Adhäsionsmolekülen und Chemokinen - der Teufelskreis (circulus vitiosus) der Arterioskleroseprogression schließt sich. Dazu
trägt auch die Produktion von reaktiven
Sauerstoffspezies durch die Makrophagen bei: ROS führen zur weiteren Oxidation von LDL-Cholesterol und zur
Inaktivierung gefäßschützender Stoffe.
Aufgrund der Rolle von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) bei der Arterioskleroseentstehung wurde vermutet, dass
eine Einnahme von antioxidativen Vitaminen wie Vitamin E oder C - also von
Stoffen, die ROS inaktivieren - vor
Arteriosklerose schützen könnte. Dafür
sprachen sowohl Experimente an Tiermodellen als auch epidemiologische
Studien. Überraschenderweise konnte
jedoch die Gabe von Vitaminpräparaten an Patienten mit Gefäßkrankheiten
und Diabetes, welche ja ein ernorm erhöhtes Arteriosklerose-Risiko haben,
keinerlei schützende Wirkung zeigen.
Manche groß angelegte klinische Studien konnten sogar eine geringfügige Erhöhung von Herzinfarkten bei Patienten beobachten, die mit Vitamin E be-
3
Abb. 3: Isolierung humaner Nabelschnurendothelzellen (human umbilical vein endothelial cells, HUVEC).
Humane Nabelschnüre werden sofort nach der Geburt in Transportpuffer überführt und bis zur Endothelzellisolierung bei 4 °C gelagert. Zur Vermeidung von Bakterienkontamination wird unter möglichst sterilen Bedingungen gearbeitet. Nach der Säuberung der Nabelschnur von Blutresten (A) werden vorsichtig an den Enden Knopfkanülen in die Vene eingeführt und mit Kabelbindern fixiert (B). Die Nabelschnurvene wird mit Puffer durchspült, um auch innen Blutreste zu entfernen (C). Danach wird eine Enzymlösung (Collagenase A) eingefüllt, welche das Bindegewebe der Vene auflöst. Nach einer Inkubationszeit von 45 min bei 37 °C wird die Nabelschnurvene mit einem Medium gespült, welches die Enzymreaktion beendet, gleichzeitig werden die abgelösten
Endothelzellen herausgespült. Die Endothelzellen erholen sich über Nacht unter speziellen Zellkulturbedingungen und stehen dann für Experimente zur Verfügung.
handelt wurden. Diese Neuigkeiten
wurden nach ihrer Veröffentlichung im
vergangenen Jahr sowohl in der Fachwie auch in der Laienpresse intensiv diskutiert 3), 4).
Ansatzpunkt der Arterioskleroseforschung: Natriuretische Peptide in
Blutdruckregulation und Entzündungsgeschehen
Um den durch TNF-α eingeleiteten circulus vitiosus der Arterioskeroseprogression zu durchbrechen, ist es notwendig, die Signalwege, durch die die
TNF-α Wirkung zustande kommt,
sowie körpereigene Regulationsmechanismen aufzuklären. Auf der Suche
nach Ansatzpunkten beschäftigten wir
uns in den letzten Jahren mit einer sehr
interessanten Gruppe von Substanzen.
Vor 25 Jahren beschrieben de Bold und
seine Mitarbeiter erstmals das Herz als
ein endokrines Organ, also als ein Organ, das Hormone produziert. Als eine
Gruppe solcher Herz-/Kreislaufhormone wurde in der Folge die Familie der
Natriuretischen Peptide (NP) mit Atrialem Natriuretischem Peptid (ANP), BNP
(brain natriuretic peptide) und CNP (Ctype natriuretic peptide) als wichtigste
Vertreter identifiziert (Abb. 2). ANP
wird aus dem Vorhof des Herzens freigesetzt, vermittelt eine Gefäßerweiterung und eine gesteigerte Natriumund Wasserausscheidung und übernimmt damit eine bedeutende Rolle in
der Blutdruckregulation (zur Übersicht
siehe Ref5).
Neben ihrer Rolle in Blutdruck- und Volumenregulation gibt es zunehmend
4
Hinweise darauf, dass NP, vor allem
ANP, interessanterweise auch entzündungshemmende Eigenschaften besitzen. So wird die Aktivierung von Makrophagen durch ANP stark vermindert6)-8). Wichtigste Beobachtung ist in
diesem Zusammenhang wohl, dass
ANP die Produktion von TNF-α verringern kann9), 10), das wir als zentralen
Botenstoff im Entzündungsgeschehen
kennen gelernt haben. In neuesten Untersuchungen konnten wir diese Wirkung nicht nur in Zellkultur und in
menschlichem Blut, sondern auch in
einem Sepsis-Modell zeigen, wo ANP
auch zu einer wesentlichen Verbesserung des Überlebens in der „Blutvergiftung“ führte11).
Unser verstärktes Interesse galt der
Untersuchung, in wieweit ANP die im
Gefäß, insbesondere die im Endothel
ablaufenden Entzündungserkrankungen beeinflusst.
Endothelzellmodell
Die Untersuchungen zu Mechanismen
der Endothelaktivierung können selbstverständlich nicht an Menschen erfolgen. Tierexperimente mit Mäusen stellen ein häufig eingesetztes und sehr
wertvolles Verfahren dar. Da die Physiologien von Maus und Mensch jedoch
Unterschiede aufweisen, kann die
Übertragbarkeit auf das menschliche
System nicht gewährleistet werden.
Gleiches gilt für kultivierte Aortenendothelzellen aus Rind und Schwein. Vorteile dieser Modelle sind ihre gute Verfügbarkeit aus Schlachtabfällen, die
Möglichkeit der Kultivierung in kostengünstigen Medien und die Tatsache,
dass hierbei tatsächlich arterielle Gefäße zum Einsatz kommen. Aufgrund
der häufig unbekannten DNA- und
Proteinsequenzen bei diesen Spezies
sind detaillierte zellbiologische Untersuchungen jedoch häufig problematisch.
Menschliche arterielle Endothelzellen
aus Aorten, Koronararterien oder Lungenarterien stellen in Hinsicht auf die
Übertragbarkeit auf die Situation im
Menschen wohl das beste Zellsystem
dar, sind aber nur sehr begrenzt verfügbar und daher für tägliche Routineuntersuchungen nicht geeignet. Es hat
sich daher die Kultur humaner Nabelschnurendothelzellen (human umbilical
vein endothelial cells, HUVEC) zum
Standardmodell zur Untersuchung entsprechender Fragestellungen entwickelt. Diese Zellen werden gewonnen, indem man aus der Nabelschnurvene mit Hilfe eines Enzymverdaus die
Endothelzellen aus dem Gefäß ablöst
und dann in speziellen Kulturmedien
kultiviert (Abb. 3).
ANP und endotheliale Entzündungsreaktionen
Wie im ersten Abschnitt erläutert, führen Arteriosklerose-fördernde Botenstoffe wie das entzündliche Zytokin
TNF-α zu einer gesteigerten Durchlässigkeit des Endothels12), was als eine
der Initialereignisse in der Entwicklung
einer arteriosklerotischen Plaque angesehen wird. Endothelzellen zeigen unter
solchen entzündlichen Bedingungen
eine veränderte Morphologie. Sie wer-
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den lang gestreckt und verlieren ZellZell-Kontakte (Abb. 4 A). Diese zellulären Veränderungen bedingen, dass
die Durchlässigkeit des Endothels erhöht wird (Abb. 4 C). In Experimenten
konnten wir zeigen, dass ANP die durch
TNF-α induzierte Durchlässigkeit des
Endothels verringert12). Dabei verhindert ANP Veränderungen am Skelett
der Zelle, dem so genannten Zytoskelett. Anders als beim Skelett des
menschlichen Gesamtorganismus handelt es sich dabei nicht um ein weitgehend starres Gerüst sondern vielmehr
um ein dynamisches Geflecht aus verschiedensten Proteinfasern, die in ihrer
Menge, Dichte und Lokalisation variieren und dadurch wichtige Funktionen
der Zelle regeln. Entzündliche Prozesse
können z.B. zu einer vermehrten Bildung von Aktinfasern führen (sog.
stress fibers), die zu morphologischen
Veränderungen und zur vermehrten
Durchlässigkeit des Endothels führen
(Abb. 4 B). Diese entzündlichen Prozesse am Endothel kann ANP verhindern.
Von besonderer Bedeutung scheint
dabei eine veränderte Aktivierung eines
Zytoskelett-regulierenden Proteins, des
HSP27, zu sein. HSP27 trägt zur Kettenbildung von Aktinfasern als wichtigem Bestandteil des Zytoskeletts bei.
ANP kann dessen Aktivierung weitgehend unterbinden, indem es die Produktion eines Gegenspielers in der Zelle
erhöht. Dieser Gegenspieler trägt den
Namen MKP-1 (MAPK Phosphatase 1).
MKP-1 weckte unser besonderes Interesse, da er nicht nur die erhöhte Durchlässigkeit der Endothelzellen verhindert,
sondern eine weitere antientzündliche
Funktion übernimmt: er verhindert eine
Anlockung von Monozyten13).
Wie kann ANP nun die Herstellung dieses so wichtigen anti-entzündlichen
Vermittlers einleiten? Wir machten eine
interessante Beobachtung: ANP führt
über eine Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) zur Produktion des
anti-entzündlichen Gegenspielers MKP1. Eine solche ROS Produktion kann mit
Hilfe von oxidations-empfindlichen
Farbstoffen nachgewiesen werden. Abbildung 5 zeigt entsprechende mikroskopische Aufnahmen, die an Lungengefäßen von Ratten durchgeführt wurden. Man sieht klar die erhöhte ROS
Produktion in Endothelzellen von
Gefäßen, die mit ANP behandelt wurden. Auch in menschlichen Endothelzellen konnten wir zeigen, dass ANP die
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Abb. 4: Effekt von ANP auf TNF-α induzierte Veränderungen der Endothelzellschicht.
A: ANP verhindert TNF-α induzierte morphologische Veränderungen.
Unbehandelte HUVEC sind gut verteilt und zeigen eine typische Kopfsteinpflaster-ähnliche (“cobblestone”) Morphologie (Co). Nach der
Behandlung mit TNF-α verlängern sich die Zellen, es entstehen interzelluläre Zwischenräume. ANP verhindert die durch TNF-α induzierten
morphologischen Veränderungen.
B: ANP verhindert die durch TNF-α induzierte Ausbildung von Aktinfa
sern (stress fibers). In unbehandelte HUVEC (Co) durchziehen feine,
konzentrierte Aktinfilamente die Zellen. Nach einer TNF-α Behandlung
entstehen stress fibers, welche sich zu dichten, mikrofilamentösen
Bereichen kontrahieren. Die großen ungefärbten Bereiche im Bild
machen die Zellkontraktion und intrazelluläre Zwischenräume deutlich. Bei einer gleichzeitigen Behandlung mit TNF-α und ANP wird die
Entstehung von stress fibers unterdrückt (F-Aktin-Färbung mit dem
roten Fluoreszenzfarbstoff Rhodamin-Phalloidin).
C: Durchlässigkeit der Endothelzellschicht. Endothelzellen werden auf
einer Membran kultiviert, so dass sich oberhalb und unterhalb Kulturmedium befindet. Nach Zusatz eines fluoreszierenden Proteins (FITCBSA) wird im unteren Kompartiment die Fluoreszenz, welche proportional zur Durchlässigkeit der Endothelzellschicht ist, gemessen. Eine
Behandlung von HUVEC mit TNF-α erhöht die Durchlässigkeit der
Endothelzellschicht. Eine gleichzeitige Behandlung mit TNF-α und ANP
führt zu einer signifikant niedrigeren Endotheldurchlässigkeit.
Produktion reaktiver Sauerstoffspezies
erhöht. Verantwortlich für diesen Effekt
ist das „Anschalten“ eines molekularen
Schalters durch ANP, der kleinen Rho
GTPase Rac1. Werden durch Gabe von
Antioxidantien, zu denen auch die Vitamine C oder E gehören, die reaktiven
Sauerstoffspezies inaktiviert, unterbleibt die Produktion der anti-entzündlichen MKP-114). Da reaktive Sauerstoffspezies ja generell als schädigende
Faktoren in der Arteriosklerose angesehen werden, war dies ein äußerst über-
raschendes Ergebnis. Diese interessante
Beobachtung könnte jedoch erklären,
warum bei Gefäßkrankheiten oder Diabetes die Gabe von Vitaminpräparaten
keinerlei schützende Wirkung zeigt.
Physiologische und pharmakologische
Bedeutung der anti-entzündlichen
Wirkung von ANP
Eine immer größere Anzahl an Daten
weist darauf hin, dass NP physiologisch
als anti-entzündliche, gefäßschützende
5
Faktoren wirken. So werden im Entzündungsgeschehen sowohl vermehrt NP
als auch Rezeptoren für NP im Körper
produziert15). Mutationen im Gen für
NP oder NP-Rezeptoren erhöhen das
Risiko für kardiovaskulären Erkrankungen16).
Abb. 5: ANP führt zur Bildung reaktiver Sauerstoffspezies in Lungengefäßen
von Ratten.
Durch Endothelzellen aufgenommene redox-sensitve Farbstoffe werden bei der Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies oxidiert, das
dabei emittierte Licht kann mit Hilfe von speziellen Mikroskopen
nachgewiesen werden. Die Fluoreszenzintensität ist in mit ANP behandelten Lungen-Endothelzellen (B) deutlich stärker als in unbehandelten Zellen (A)12).
ANP ist mittlerweile, wenn auch noch
nicht in Deutschland, als Präparat zur
Behandlung der akuten Herzinsuffizienz
zugelassen. Erste klinische Studien zeigen, dass ANP das Herz auch vor
Infarkten und die Gefäße nach Koronarangioplastie schützen kann. Aufgrund
seiner Vielzahl von anti-entzündlichen
und zellschützenden Eigenschaften hat
dieses Hormon ein großes therapeutisches Potenzial in der Prävention und
Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen5). Da es als Peptid jedoch nicht als
Tablette verabreicht werden kann, sondern ähnlich dem Insulin nur als Injektion wirksam ist, wird sich sein therapeutischer Einsatz wohl auf besondere klinische Situationen beschränken. Das
Verständnis der molekularen Mechanismen, wie körpereigene Substanzen wie
ANP schützende Funktionen im Körper
ausüben, kann jedoch helfen, Arzneimittel zu entwickeln, die einen ähnlichen Wirkmechanismus aufweisen.
Initialmechanismen der Arteriosklerose-Entzündungsreaktion
Abb. 6: Ausgewählte Toll-like Rezeptoren (TLR), ihre Lokalisation und die
durch sie erkannten Liganden (pathogen associated molecular patterns, PAMP).
LPS (lipopolysaccharide), ein Bestandteil der Zellwand von Gramnegativen Bakterien, wird unter Beteiligung von CD14 durch TLR4
erkannt. TLR2 interagiert mit TLR1 und TLR6 und kann sehr unterschiedliche Bestandteile der Bakterienzellwand erkennen. TLR5
erkennt bakterielles Flagellin. Die im Endosom exprimierten TLR3
und TLR7/8 erkennen virale dsRNA beziehungsweise ssRNA. TLR9
erkennt im Endosom vorhandene bakterielle DNA aufgrund unmethylierter CpG-Motive. Nach Ligandenerkennung können, abhängig
vom Rezeptortyp, zwei verschiedene Hauptsignalwege aktiviert werden. Über das Adaptormolekül MyD88 (myeloid differentiation factor 88) wird ein Signalweg aktiviert, der zur Transkription entzündungsfördernder und immunregulierender Gene führt (TNF-α). Eine
Signalweiterleitung über das Adaptormolekül TRIF (TIR domain-containing adapter) führt zu einer Aktivierung einer anitviralen Immunantwort (Inferferone vom Typ 1). Die unterschiedlichen Signalwege
erlauben die angepasste Reaktion auf bestimmte Krankheitserreger.
6
Wie wir bisher gesehen haben, ist in
den letzten Jahren das Wissen, welche
Schutzmechanismen der Körper gegen
die bei Arteriosklerose ablaufenden
Effekte entwickelt hat, gewachsen.
Auch könnte es Ansatzpunkte geben,
diese Schutzmechanismen aktiv durch
Arzneimittel zu nutzen. Die Initialmechanismen dieser entzündlichen Erkrankung sind bisher jedoch nur teilweise
bekannt und daher ein weiteres wichtiges Forschungsthema unserer Arbeitsgruppe. Die Rolle von durch ROS oxidiertem LDL-Cholesterol für das Fortschreiten der Entzündungsreaktion ist
weitgehend akzeptiert, jedoch scheinen
auch LDL-unabhängige Faktoren wie
Mikroorganismen an der Pathogenese
der Arteriosklerose beteiligt zu sein. So
konnten zum Beispiel ein Erreger der
Lungenentzündung (Chlamydia pneumoniae) in arteriosklerotischen Plaques
nachgewiesen werden17). Mikrobielle
Produkte aktivieren Zellen des angeborenen Immunsystems über eine erst
kürzlich entdeckte Gruppe von Rezeptoren, den Toll-like Rezeptoren (TLR).
Universität des Saarlandes
Diese scheinen von zentraler Bedeutung im Entzündungsprozess der Arteriosklerose zu sein18).
TLR sind eigentlich das wichtigste
Werkzeug der Säugetiere, um eingedrungene Krankheitserreger zu erkennen und eine Immunantwort einzuleiten. Beim Menschen gibt es mindestens
10 solcher Rezeptoren. Sie befinden
sich auf und in den Zellen des unspezifischen Immunsystems. TLR erkennen
bestimmte molekulare Strukturen (sog.
Patterns), wie sie für Pathogene charakteristisch sind (pattern recognition
receptor, PRR)19). So erkennen sie Bestandteile bakterieller Zellwände (TLR2,
TLR4), virale RNA (TLR3) oder auch
bakterielle DNA (TLR9) (Abb. 5). Nach
Ligandenerkennung kommt es zu einer
Freisetzung von entzündungsfördernden Botenstoffen wie TNF-α.
Ein Hinweis auf die Bedeutung der TLR
bei den Initialmechanismen von entzündlichen Prozessen der Arteriosklerose ist die Tatsache, das Mäuse, die keinen TLR4 bilden, ein deutlich verringertes Arterioskleroserisiko haben20). Diese
im Tierversuch erhaltenen Daten werden durch die Beobachtung bestätigt,
dass Personen mit einem veränderten
TLR4 Gen ein verringertes Risiko für
eine Halsschlagader-Arteriosklerose
und für Ereignisse in den Herzkranzgefäßen aufweisen. Auch ist die Konzentration eines Zytokins (Interleukin-6),
welches als Marker für entzündliche
Prozesse betrachtet wird, verringert21).
Unklar scheint die Datenlage jedoch
noch hinsichtlich der Bedeutung von
TLR2. So gibt es Hinweise darauf, dass
TLR2 erneute Gefäßverengungen (Restenosen) unterdrücken kann, da eine
nicht mehr funktionale TLR2 Genveränderung Restenosen bei Patienten deutlich begünstigt22). Experimente an
Mäusen und an humanen Gefäßen zeigen dagegen, dass TLR2-Aktivierung
zur Produktion von entzündungsfördernden Botenstoffen und zur Ausbildung einer arteriosklerotischen Plaque
führen kann23).
Da Entzündungsreaktionen bei allen
Pathogenen durch Aktivierung verschiedener TLR ausgelöst werden, ist es
wahrscheinlich, dass außer TLR2 und 4
weitere TLR zu chronischen Entzündungsprozessen der Arteriosklerose beitragen. Die offensichtliche Bedeutung
der TLR- Aktivierung in der Entstehung
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der Arteriosklerose macht deutlich, dass
Hemmstoffe des Toll-like Signalweges
eine wichtige Rolle in der Prävention
und Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen darstellen können24). Ein Verständnis der Toll-like Rezeptor Aktivierungsmechanismen ist für das Verständnis der Entzündungsprozesse in
der Arteriosklerose von höchster Wichtigkeit. Unsere Gruppe hat zum Ziel,
diese Aktivierungsmechanismen aufzuklären und zur Identifizierung neuer
therapeutischer Targets zu nutzen. Dies
soll zur Entwicklung neuartiger pharmakologischer Ansätze zur Prävention
oder Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen beitragen.
Zusammenfassung und Ausblick
Wir sind gerade erst dabei zu verstehen, wie die entzündlichen Prozesse,
die im Blutgefäß ablaufen, vom Körper
reguliert werden. Auch hinsichtlich der
Auslösung des Entzündungsgeschehens
ist noch sehr wenig bekannt. Besonders
durch das Zusammenspiel unterschiedlicher äußerer Faktoren und durch die
gegenseitige Beeinflussung von unterschiedlichen Zelltypen ist es fast
unmöglich, einen einzelnen auslösenden Faktor oder einen einzelnen
Angriffspunkt für Therapiemaßnahmen
zu bestimmen. Erschwerend kommt
hinzu, das biologische Botenstoffe nicht
immer nur als „schädigend“ oder als
„schützend“ angesehen werden können. Die Aufklärung wichtiger, die
Arterioskleroseprogression bedingender
Prozesse, sei es nun die physiologisch
„optimale“ Konzentration reaktiver Sauerstoffspezies oder auch die Bedeutung
von Mechanismen des angeborenen
Immunsystems wie die Aktivierung von
TLR bieten jedoch die Chance, den
Teufelskreis der Arterioskleroseprogression eines Tages zu durchbrechen oder
zumindest zu bremsen.
Prof. Dr. Alexandra K. Kiemer studierte Pharmazie an der
LMU München; Promotion 1995-1997 am Institut für
Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie der Tierärztlichen Fakultät der LMU München. 1998-1999 Mitarbeiterin an der Medizinischen Klinik II des Klinikums der Universität München-Großhadern und am Department Pharmazie, Zentrum für Pharmaforschung der LMU München.
2000-2002 Stipendiatin des Bayerischen Habilitationsförderpreises mit Auslandaufenthalten bei der Kyowa Hakko
Kogyo Ltd. in Tokyo, an den Universitäten von Florenz
und Sydney und am Department of Immunology des
Scripps Research Institute (La Jolla, USA). 2003: Habilitation in den Fächern
Pharmazeutische Biologie und Pharmakologie an der LMU München und Wechsel an das Department of Molecular and Experimental Medicine des Scripps Research Institute (La Jolla). 2004: zusätzliche Tätigkeit an der UCSD (La Jolla); Ruf
auf eine Professur für Pharmakologie und Toxikologie der TU Dresden (abgelehnt); seit 2005: Professorin für Pharmazeutische Biologie an der Universität des
Saarlandes.
Forschungsschwerpunkte: molekulare Mechanismen von Entzündungsprozessen.
Dr. Britta Diesel studierte Biologie an der Universität des
Saarlandes. Sie fertigte ihre Diplom- und Doktorarbeit
am Institut für Humangenetik, Universitätskliniken des
Saarlandes, Homburg, an. Ihr Forschungsschwerpunkt
lag auf der biologischen Bedeutung von genetischen
Veränderungen, welche den Vitamin D3 Stoffwechsel in
einem hochgradig malignen Typ von Gehirntumoren
betreffen. Ihre 2004 eingereichten Dissertation trägt
den Titel: „Biologische Bedeutung von Genamplifikation
und Spleißvarianten der 25-Hydroxyvitamin D3 1aHydroxylase (CYP27B1) im Vitamin D3-Stoffwechsel
des Glioblastoma multiforme“.
Seit April 2005 unterstützt sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin Frau Prof. Dr.
A. K. Kiemer bei der Etablierung ihrer neuen Arbeitsgruppe in den Bereichen Forschung und Lehre.
7
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Universität des Saarlandes
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