Bewerberwahrnehmungen im Auswahlverfahren des Europäischen Amtes für Personalauswahl
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Bewerberwahrnehmungen im Auswahlverfahren des Europäischen Amtes für Personalauswahl
I Bewerberwahrnehmungen im Auswahlverfahren des Europäischen Amtes für Personalauswahl Diplomarbeit in der Fachrichtung Psychologie der Universität des Saarlandes vorgelegt von Verena Kathrin Steffen Betreuer: Prof. Dr. Cornelius J. König Betreuer: Dipl.-Psych. Clemens Fell Saarbrücken 2013 II Danksagung Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich bei dieser Arbeit unterstützt und motiviert haben. Ganz besonders möchte ich meinen Übersetzern für ihren Einsatz und ihr Interesse an dieser Arbeit danken. Auch allen KorrekturleserInnen gilt mein Dankeschön. Ihr habt mir wertvolle Anregungen gegeben, wenn ich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen habe. Für die engagierte Betreuung während dieser Arbeit möchte ich mich ganz herzlich bei Dipl.-Psych. Clemens Fell und Prof. Dr. König bedanken. Herrn Vanderveken von EPSO möchte ich danken für die freundliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit, die mir die Erstellung dieser Arbeit ermöglicht hat. III Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis .................................................................................... V Tabellenverzeichnis ........................................................................................ VI 1 Einleitung .................................................................................................... 1 2 Theorie ......................................................................................................... 4 2.1 Personalauswahl ........................................................................................ 4 2.2 Assessment Center ..................................................................................... 6 2.3 Akzeptanz von Auswahlmethoden ............................................................ 9 2.3.1 Perspektivenwechsel ............................................................................. 10 2.3.2 Folgen unfairer Personalauswahl.......................................................... 11 2.3.3 Modelle zu Bewerberwahrnehmungen ................................................. 12 2.3.3.1 Modell der Sozialen Validität ............................................................ 13 2.3.3.2 Modell der Bewerberreaktionen ........................................................ 14 2.3.3.3 Heuristisches Modell ......................................................................... 16 2.3.3.4 Synthese und Fazit ............................................................................. 17 2.3.3.5 Akzept!-AC-Fragebogen – Messung der Akzeptanz im Assessment Center ........................................................................... 18 2.4 Befunde zur Akzeptanz in Auswahlprozessen ........................................ 19 2.4.1 Kulturelle Unterschiede in der Wahrnehmung ..................................... 19 2.4.2 Geschlechtsunterschiede in der Wahrnehmung .................................... 22 2.5 Zusammenhang zwischen Bewerberreaktionen und Faking in Auswahlprozessen ................................................................................... 23 2.6 Weitere Forschungsfragen ....................................................................... 25 3 Methoden ................................................................................................... 28 3.1 Europäisches Amt für Personalauswahl – EPSO .................................... 28 3.2 Stichprobe ................................................................................................ 29 3.3 Variablen ................................................................................................. 32 3.3.1 Wahrnehmung ...................................................................................... 32 3.3.2 Faking-Verhalten .................................................................................. 33 3.3.3 Weitere Variablen ................................................................................. 34 3.4 Ablauf und Durchführung ....................................................................... 34 4 Ergebnisse.................................................................................................. 35 4.1 Länderunterschiede in der Akzeptanz ..................................................... 35 IV 4.2 Follow-Up-Analysen ............................................................................... 38 4.3 Geschlechtsunterschiede in der Akzeptanz ............................................. 38 4.4 Zusammenhang zwischen Akzeptanz und Faking-Verhalten ................. 39 4.5 Weitere Analysen .................................................................................... 41 4.5.1 Sprache und Kontrollerleben ................................................................ 41 4.5.2 Einfluss des Auswahlergebnisses auf die Zufriedenheit ...................... 42 4.5.3 Akzeptanz und ihre Folgen ................................................................... 42 4.5.4 Einfluss der Nationalität auf Faking-Verhalten .................................... 42 5 Diskussion .................................................................................................. 44 5.1 Befunde .................................................................................................... 44 5.2 Einschränkungen ..................................................................................... 47 5.3 Implikationen für Forschung und Praxis ................................................. 48 6 Résumé ....................................................................................................... 51 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 52 Anhang A – Fragebogen Deutsch .................................................................. 66 Anhang B – Fragebogen Englisch ................................................................. 72 Anhang C – Fragebogen Französisch ........................................................... 78 Eidesstattliche Erklärung .............................................................................. 84 V Abbildungsverzeichnis Abbildung 1. Konzept der Sozialen Validität (nach Schuler, 1993, S.13) ....... 13 Abbildung 2. Modell der Bewerberreaktionen (nach Gilliland, 1993, S. 700) ............................................................................................. 15 Abbildung 3. Heuristisches Modell (nach Hausknecht et al., 2004, S. 642) .... 17 VI Tabellenverzeichnis Tabelle 1. Anzahl Kandidaten nach Nationalität .............................................. 30 Tabelle 2. Reliabilitätskoeffizienten der AKZEPT!-Dimensionen und Faking .............................................................................................. 32 Tabelle 3. Deskriptiv-Statistik für die AKZEPT!-Dimensionen nach Land .... 36 Tabelle 4. Deskriptiv-Statistiken von AKZEPT!-Dimensionen nach Geschlecht ....................................................................................... 38 Tabelle 5. Deskriptiv-Statistiken und Korrelationen der Variablen ................. 39 Tabelle 6. Deskriptiv-Statistiken von Faking nach Nationalität....................... 42 1 1 Einleitung Im Zuge des demographischen Wandels nimmt die Bedeutung der Personalauswahl zu und stellt eine zentrale Aufgabe für Organisationen dar (Achouri, 2010). Die Europäische Union hat seit einem Beschluss des Europäischen Parlaments 2002 ein eigenes Amt für Personalauswahl, European Personnel Selection Office (EPSO), das das Recruiting und die Personalauswahl für alle Europäischen Institutionen übernimmt (Europäisches Parlament, 2002). Die Jobs bei den Europäischen Institutionen sind vielfältig und beliebt. So haben sich z.B. 2011 über 41.000 Bewerber1 für das Auswahlverfahren EPSO/AD/206/11 und EPSO/AD/207/11 beworben (EU Careers, 2012). Bei einer so großen Bewerberzahl, muss eine Organisation darauf achten, dass der Auswahlprozess nicht zu negativen Bewerberreaktionen führt. Die Folgen wahrgenommener Ungerechtigkeit im Auswahlverfahren können verheerend sein (Gilliland, 1993; Hausknecht, Day & Thomas, 2004). Neben einer unmittelbaren Verurteilung der Organisation aufgrund ungerechter Behandlung, kann auch das Image der Organisation so stark leiden, dass sich in Zukunft weniger Bewerber hier für einen Arbeitsplatz interessieren. Daher ist es für eine Organisation wichtig zu wissen, welche Perspektive die Bewerber bezüglich des Auswahlverfahrens einnehmen und inwieweit ein Auswahlinstrument von den Bewerbern akzeptiert wird. Darüber hinaus wird angenommen, dass die Akzeptanz eines Auswahlinstrumentes die Motivation zum Faken von Bewerbern beeinflussen kann (Snell, Sydell & Lueke, 1999). Somit könnte Faking-Verhalten eine Konsequenz negativer Wahrnehmung von einem Auswahlverfahren sein. McFarland (2003) konnte zeigen, dass Personen, die negative Meinungen über eine Auswahlmethode besaßen, eher ihre Angaben verfälschten als Personen, die positiv über die Methode dachten. In Situationen, in denen zwischenmenschliche Fähigkeiten erforderlich sind, wie beispielsweise in Rollenspielen in Assessment Centern, neigen Bewerber häufiger zu Faking1 Jeder Hinweis in dieser Diplomarbeit, der sich auf Personen männlichen Geschlechts bezieht, gilt grundsätzlich ebenso für Frauen 2 Verhalten als in Situationen, in denen diese Kompetenzen nicht erforderlich sind (McFarland, Yun, Harold, Viera & Moore, 2005). Bisherige Untersuchungen zur Perspektive der Bewerber auf Auswahlverfahren konzentrierten sich auf eine Vielzahl von Auswahlverfahren (Anderson & Witvliet, 2008). Obwohl sich Assessment Center einer großen Beliebtheit erfreuen (Krause, 2011), fanden sie in der Forschung zu Bewerberwahrnehmungen bisher wenig Beachtung. In dieser Arbeit soll daher die Bewerberwahrnehmung des Assessment Centers untersucht werden. Im Auswahlprozess von EPSO ist das Assessment Center der letzte Schritt, bevor Kandidaten die Chance auf einen Arbeitsplatz bei den Europäischen Institutionen erhalten. Diese Arbeit ist international ausgerichtet und basiert auf der Befragung von Kandidaten aus allen EU-Ländern. Auf diese Weise kann eine große Vielfalt an Meinungen untersucht werden. Für Organisationen, die international auf Bewerbersuche sind, ist es ein großer Vorteil, zu erfahren, wie Bewerber aus unterschiedlichen Ländern auf ihr Auswahlinstrument reagieren: Organisationen können gegebenenfalls ihre Methoden internationaler Personalauswahlprozesse sowie für die Auswahl von Expatriates anpassen und lernen, wie den unterschiedlichen Reaktionen am besten begegnet wird (Schuler, 1993; Steiner & Gilliland, 2001). Des Weiteren gibt Forschung zu Länderunterschieden Hinweise auf interkulturelle Unterschiede und Ähnlichkeiten in Bewerberreaktionen (Gilliland, 1993). Für diese Arbeit werden Bewerberwahrnehmungen in einem einheitlichen Kontext untersucht. Das bedeutet, alle Bewerber sind ehemalige Kandidaten des Assessment Centers von EPSO und können ihre Bewertungen auf Erfahrung stützen. Ziel dieser Arbeit ist es, zu zeigen, wie die Kandidaten des EPSOAuswahlverfahrens das Assessment Center wahrnehmen, das heißt, wie hoch die Akzeptanz ist, und ob die Wahrnehmung durch die Nationalität oder das Geschlecht beeinflusst wird. Des Weiteren soll in Erfahrung gebracht werden, in welchem Zusammenhang Bewerberwahrnehmung und Faking-Verhalten stehen. Weiterhin werden die Folgen von Bewerberwahrnehmungen, beispielsweise die Attraktivität der Europäischen Institutionen als Arbeitgeber oder Empfehlungsabsichten untersucht. 3 Im Folgenden wird zunächst die Personalauswahl und im Besonderen die Personalauswahl durch ein Assessment Center dargestellt werden. Anschließend wird zum einen der Begriff der Akzeptanz näher erläutert und zum anderen der Perspektivenwechsel in der Personalauswahl dargelegt. Die Folgen unfairer Personalauswahl werden aufgezeigt und Modelle der Bewerberwahrnehmung vorgestellt. Darüber hinaus werden Befunde zur Bewerberwahrnehmung angeführt und kulturelle Unterschiede sowie Geschlechtsunterschiede in Bewerberwahrnehmungen aufgezeigt. Weiterhin werden die Bedeutung und mögliche Auswirkungen von Faking-Verhalten durch Bewerber dargestellt. 4 2 Theorie 2.1 Personalauswahl Täglich sind Unternehmen auf der Suche nach neuen Mitarbeitern. Dies lässt sich an der enormen Anzahl aktueller Stellenausschreibungen in Zeitungen, in Internet-Stellenbörsen, von Jobcentern und auf Karriereseiten von Unternehmen erkennen. Laut einer Studie, die von monster.de, der in Deutschland bekanntesten Internet-Stellenbörse, in Auftrag gegeben wurde, schreiben Unternehmen mittlerweile knapp 70 Prozent ihrer freien Stellen auf Online-Portalen aus (Weitzel et al., 2013). In der EU waren im dritten Quartal 2012 etwa 1,66 Millionen Stellen unbesetzt (Europäische Kommission, 2013). Da hier zum einen nur 16 Mitgliedsstaaten und zum anderen keine Stellen für interne Bewerber berücksichtigt wurden, wird die Gesamtzahl aller offenen Stellen in der EU sogar noch unterschätzt. Auf eine von EPSO ausgeschriebene Stelle kommen eine Vielzahl geeigneter Bewerber, welches einer hohen Basisrate entspricht (Weuster, 2012). Für die Personalauswahl besteht nach Eingang der Bewerbungsunterlagen die Herausforderung darin, einen Überblick über die erhaltenen Bewerbungen zu erlangen und die am besten geeignete Person für die freie Stelle herauszufiltern (Lorenz & Rohrschneider, 2009). Da nicht jeder Bewerber eine Stelle erhält, wie es bei der Platzierung der Fall wäre, geht es hier um Selektion (Amelang & Schmidt-Atzert, 2006). Die Selektion eines geeigneten Bewerbers ist deshalb so wichtig, weil Unternehmen durch Fehlentscheidungen hohe Kosten entstehen (Lorenz & Rohrschneider, 2009). So kann es sein, dass eine Person nicht alle für den Job erforderlichen Kompetenzen besitzt und ein Kollege die Arbeit übernehmen muss, oder dass der Bewerber das Unternehmen frühzeitig wieder verlässt, wodurch es zu einer erneuten, aufwendigen Personalauswahl käme (Weuster, 2012). Ein geeigneter Bewerber hingegen stellt für das Unternehmen wertvolles Humankapital dar (Birri, 2011). Die Leistungsfähigkeit des Unternehmens steigt und die Mitarbeiter sind zufrieden, da die Arbeit ihren Fähigkeiten und Interessen entspricht (Schuler & Höft, 2007). 5 Geeignete Bewerber zeichnen sich nicht nur durch entsprechende Qualifikationen aus, sie teilen auch die Werte der Organisation und haben genau die Eigenschaften, die der Job verlangt. Diese Passung zwischen der Person und den Charakteristiken der Arbeitsumgebung – Job, Organisation, Gruppe, Vorgesetzter – wird auch Person-Environment Fit genannt (Kauffeld, 2011). Um eine bestmögliche Übereinstimmung zu erzielen, bestimmt das Unternehmen die Kriterien, die der Bewerber erfüllen muss (Marcus, 2011). Die Anforderungen, die an den Bewerber gestellt werden, untersucht die Personaldiagnostik (Kanning, 2004). Sie hilft, Fehlentscheidungen zu vermeiden und bedient sich dabei verschiedener eignungsdiagnostischer Instrumente. strukturierte Typische Instrumente Einstellungsinterview, der Personaldiagnostik Leistungstests, sind das Arbeitsproben, biographische Fragebögen oder Assessment Center (Cook, 2009). Die Anwendung dieser Instrumente hängt von unterschiedlichen Faktoren ab (Krause, 2011): So haben unter anderem die Branche des Unternehmens, die Tätigkeit an sich sowie die Organisationsgröße einen Einfluss darauf, ob ein bestimmtes Personalauswahlinstrument zum Einsatz kommt. Krause und Gebert (2003) ziehen den Schluss, dass größere Unternehmen über ein höheres Budget verfügen, sodass kosten- und zeitintensive Instrumente, wie ein Assessment Center, eher durchgeführt werden als in kleineren Unternehmen. Des Weiteren spielt auch die Kultur eine Rolle bei der Auswahl von Personalauswahlinstrumenten. So stellten Ryan, McFarland, Baron und Page (1999) fest, dass in Ländern mit hoher Unsicherheitsvermeidung (Hofstede, 1991) mehr Interviews durchgeführt und die von Bewerbern erhaltenen Informationen häufiger durch andere Maßnahmen verifiziert werden als in Ländern mit niedriger Unsicherheitsvermeidung. Das Assessment Center, mit seinen simulationsorientierten Aufgaben, ist sicherlich ein besonderes und vergleichsweise sehr kosten- und zeitaufwendiges Verfahren. 6 2.2 Assessment Center Kleinmann (2003, S. 1) definiert Assessment Center als „multiple diagnostische Verfahren, welche systematisch Verhaltensleistungen bzw. Verhaltensdefizite von Personen erfassen. Hierbei schätzen mehrere Beobachter gleichzeitig für einen oder mehrere Teilnehmer die Leistungen nach festgelegten Regeln in Bezug auf vorab definierte Anforderungsdimensionen ein.“ Diese Definition enthält alle charakteristischen Merkmale von Assessment Centern: Sie bestehen immer aus einer Kombination verschiedener Übungen, in denen die Teilnehmer auf unterschiedlichen Dimensionen bezüglich ihrer beobachtbaren Leistung von mehreren Beobachtern beurteilt werden. Der Arbeitskreis Assessment Center e.V. spezifiziert die Übungen als verhaltensorientierte Simulationsverfahren, wobei oft auch „weitere eignungsdiagnostische Verfahren wie psychologische Testverfahren oder Interviews herangezogen [werden]“ (Arbeitskreis Assessment Center e.V., 2008). Das Ziel von simulationsorientierten Verfahren ist die möglichst realitätsnahe Abbildung der Arbeitssituation, sodass das beobachtete Verhalten als Repräsentation des eigentlichen Arbeitsverhaltens gesehen wird (Schuler & Höft, 2007). Die Konstruktion von Assessment Centern ist Länderunterschieden und zeitlichen Veränderungen unterworfen. Typische Übungen eines Assessment Centers sind Gruppendiskussion, Rollenspiel, Fallstudie, (Selbst-)Präsentation, Postkorbübung, manuelle Arbeitsprobe und computergestütztes Szenario (Kleinmann, 2003). Bezüglich der Zusammenstellung der Übungen gibt es kein Standard-Assessment Center und aus Kostengründen werden normalerweise nicht alle genannten Übungen in einem Assessment Center durchgeführt. Die im deutschsprachigen Raum am häufigsten eingesetzten Verfahren sind Präsentation, Rollenspiel, Fallstudie, Interview und Gruppendiskussion (Höft & Obermann, 2010). Spychalski, Quiñones, Gaugler und Pohley (1997) untersuchten die in den Vereinigten Staaten von Amerika am häufigsten eingesetzten Verfahren und zeigten, dass hier die Postkorbübung und Gruppendiskussionen am häufigsten verwendet werden. Während diese Daten von 1990 sind, zeigen Krause und Thornton III (2009) in ihrer Studie, dass sich die Rangfolge in Nordamerika mittlerweile geändert hat. So zählen 7 mittlerweile Rollenspiel, Präsentation und Postkorbübung zu den am häufigsten eingesetzten Übungen. Die häufigsten Assessment Center-Aufgaben in Westeuropa sind Präsentation, Gruppendiskussion und Rollenspiel (Krause & Thornton III, 2009). In den einzelnen Übungen werden inhaltlich verschiedene Dimensionen erfasst, auf denen das beobachtbare Verhalten der Teilnehmer bewertet wird. Die Dimensionen weisen inhaltlich eine hohe Ähnlichkeit auf. Sie unterscheiden sich in vielen Assessment Centern meist nur in ihrem Namen. So haben Arthur, Day, McNelly und Edens (2003) 168 Dimensionslabel von Assessment Centern aus 34 Studien zu 6 Dimensionen zusammengefasst: Kommunikationsfähigkeit, Rücksicht, Engagement (Drive), Beeinflussung anderer, Organisieren und Planen sowie Problemlösen. Bei der Konstruktion eines Assessment Centers sollte auf verschiedene Aspekte geachtet werden. Es gibt zum einen die Standards der Assessment Center Technik (Arbeitskreis Assessment Center e.V., 2008) und zum anderen die Guidelines and Ethical Considerations for Assessment Center Operations (International Task Force on Assessment Center Guidelines, 2009). So sollten zum Beispiel die simulationsorientierten Aufgaben jobbezogen sein und die vorher festgelegten Dimensionen durch die Aufgaben repräsentiert werden, sodass eine Dimension durch mindestens zwei unterschiedliche Aufgaben erfasst wird. Dies ist wichtig, damit Beurteilungsfehler reduziert werden und bestimmte Fähigkeiten über verschiedene Situationen hinweg beurteilt werden können. Trotz der aufwendigen Konstruktion mangelt es dem Assessment Center manchmal an Konstruktvalidität (Campbell & Fiske, 1959). So zeigten Sackett und Dreher (1982) in drei Untersuchungen jeweils eine höhere divergente als konvergente Validität. Dies bedeutet, dass Teilnehmer nicht auf einzelnen Anforderungsdimensionen beurteilt werden, sondern eher ein Gesamturteil pro Aufgabe erhalten. Nachfolgende Studien stützten diesen Befund (z.B. Fleenor, 1996). Jedoch gibt es auch Studienergebnisse mit positivem Validitätsbefund. So berichten Arthur, Woehr und Maldegen (2000) von einer mittleren Korrelation zwischen den Dimensionen von .60 (konvergente Validität) und einer Korrelation unterschiedlicher Dimensionen innerhalb einer Aufgabe von 8 .39 (divergente Validität). Bis heute bleibt die Konstruktvalidität von Assessment Centern aber umstritten. Dennoch hat die Beliebtheit von Assessment Centern zugenommen (Schuler, Hell, Trapmann, Schaar & Boramir, 2007). Obermann und Höft (2008, zitiert nach Obermann, 2009) befragten für ihre Studie die DAX-100Unternehmen zum Einsatz von Assessment Centern. Dabei gaben 70 der 100 Unternehmen an, sie zu nutzen. Auch die Anzahl der durchgeführten Assessment Center innerhalb eines Unternehmens, zumindest im deutschsprachigen Raum, ist gestiegen (Höft & Obermann, 2010). Für den Erfolg von Assessment Centern sprechen neben den genannten Problemen durchaus viele Vorteile. Erstens bringen Assessment Center einen hohen finanziellen Nutzen für das Unternehmen. Funke, Schuler und Moser (1995, zitiert nach Kleinmann, 2003) stellen eine Formel zur Berechnung des Nutzens von Assessment Centern auf. Hierin wird unter anderem berücksichtigt, wie viele neue Arbeitskräfte durch das Assessment Center gefunden werden, wie hoch ihre Leistung ist und wie lange sie im Unternehmen bleiben. In einer Beispielrechnung zeigt Kleinmann (2003), dass der Nutzenzuwachs über einen Zeitraum von 10 Jahren für ein Unternehmen, welches jährlich 150 Führungsnachwuchskräfte einstellt, bei knapp 5.000.000 Euro liegt. Zweitens haben Assessment Center den Vorteil, dass sie durch ihre Eigenschaft als multiples Verfahren die Wahrscheinlichkeit von Auswahlfehlern verringern (Obermann, 2013). Da Teilnehmer nicht nur eine, sondern mehrere Aufgaben durchlaufen, kann ihre Leistung in unterschiedlichen Bereichen und Dimensionen erfasst werden. Des Weiteren mitteln sich Beobachterfehler, aufgrund der jeweiligen Perspektiven der Beobachter heraus. Durch die Kombination verschiedener Übungen kann die Auswahlentscheidung somit auf Verhalten in unterschiedlichen Situationen basiert werden. Drittens haben Assessment Center trotz umstrittener Konstruktvalidität und mittlerer Kriteriumsvalidität von r = .26 bis r = .37 (Gaugler, Rosenthal, Thornton & Bentson, 1987; Hardison & Sackett, 2007; Schmidt & Hunter, 1998) eine hohe Augenscheinvalidität. Diese beschreibt, inwiefern Bewerber ein Messinstrument als valide ansehen (Moosbrugger & Kelava, 2012). In einer 9 Untersuchung von Schuler, Personalverantwortliche Frier das und Kauffmann Assessment (1993) Center unter sahen 15 Personalauswahlinstrumenten als das zweitvalideste Verfahren. Nur das strukturierte Interview wurde als noch valider eingeschätzt, was an seiner höheren Praktikabilität liegen könnte. Auch Bewerber sehen das Assessment Center zumindest augenscheinvalider als kognitive Fähigkeitstests (Macan, Avedon, Paese & Smith, 1994). In einer Meta-Analyse von Anderson, Salgado und Hülsheger (2010) erlangten Assessment Center den zweiten Platz unter 10 Auswahlmethoden bezüglich ihrer Augenscheinvalidität. Offenbar führt die hohe Augenscheinvalidität von Assessment Centern zu einer vermehrten Anwendung dieser Methode. 2.3 Akzeptanz von Auswahlmethoden Der Lateinischen Wortherkunft nach, bedeutet accipere annehmen, billigen, gutheißen (Stowasser, Petschenig & Skutsch, 1994). Der Duden definiert „akzeptieren“: „mit etwas, so wie es vorgeschlagen wird, zufrieden sein“ ("Duden - Deutsch als Fremdsprache - Standardwörterbuch," 2002). Demnach bedeutet akzeptieren, dass eine positive Entscheidung getroffen wird. In früheren Studien zur Akzeptanz von Personalauswahlinstrumenten (Hell, Schuler, Boramir & Schaar, 2006; Schuler et al., 1993; Schuler et al., 2007) wird der Begriff der Akzeptanz nicht weiter definiert. Die an den Studien teilnehmenden Personen, Anwender und Nicht-Anwender von Personalauswahlinstrumenten, werden lediglich gefragt, wie sie die Akzeptanz der einzelnen Verfahren generell beurteilen (Schuler et al., 1993). Für Beurteilungen werden häufig vergangene Erfahrungen herangezogen (Strack, 1992). Das bedeutet, die Erinnerung daran, wie eine Situation in der Vergangenheit wahrgenommen wurde, führt zu einem Urteil in der Gegenwart. Daher spielt in dieser Arbeit die Wahrnehmung von Bewerbern eine wichtige Rolle. Ryan und Ployhart (2000) verstehen unter der Wahrnehmung von Bewerbern alle Einstellungen, Emotionen und Kognitionen hinsichtlich des Auswahlprozesses. Den oben genannten Beschreibungen der Akzeptanz folgend, wird für diese Arbeit unter dem Begriff der Akzeptanz Folgendes verstanden: Akzeptanz beruht auf der Wahrnehmung des Assessement Centers, 10 welche ein individuelles Werturteil über jenes hervorruft, und welche die Einstellung, inwieweit der Betroffene Verfahren für gut und angebracht befindet, beeinflusst. 2.3.1 Perspektivenwechsel Bis zu den 1990er Jahren wurden Studien über Personalauswahlmethoden meist nur aus dem Blickwinkel von Personalverantwortlichen betrachtet. Wenig Forschung beschäftigte sich mit der Bewerberperspektive (Truxillo & Bauer, 2011). Schuler (1993, S. 11) drückte dies ähnlich aus: „Personnel psychologists, in research as well as in practice, are often accused of being oriented only toward the organizational viewpoint of selection.“ Seit den 1990er Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler vermehrt mit der Bewerbersicht bezüglich des Personalauswahlprozesses (Anderson et al., 2010). Bewerber stellen zunehmend höhere Anforderungen an eine Organisation (Rynes, 1993) und es herrscht ungleiches Machtverhältnis zwischen Bewerbern und Organisation Schuler (1993): Tests und Auswahlprozesse sind für Bewerber häufig intransparent, was Angst und Unsicherheit hervorrufen kann. Für die Wertschätzung von Bewerbern, aber auch aus wissenschaftlichen Gründen begannen Forscher, die Bewerberperspektive zu untersuchen. Sowohl Reviews (Chan & Schmitt, 2004; Morgeson & Ryan, 2009; Ryan & Ployhart, 2000; Steiner & Gilliland, 2001) als auch Meta-Analysen (Anderson et al., 2010; Hausknecht et al., 2004; Truxillo, Bodner, Bertolino, Bauer & Yonce, 2009) wurden zum Thema Bewerbersicht veröffentlicht. Anderson, Born und Cunningham-Snell (2001) verdeutlichen, dass die Entscheidungen im Auswahlprozess zweiseitig sind. Personalverantwortliche entscheiden sich für einen Kandidaten; Kandidaten entscheiden sich für einen Arbeitsplatz und somit für eine Organisation. Die Entscheidung eines Bewerbers, einen Job anzunehmen, kann durch Erlebnisse im Auswahlprozess beeinflusst werden. Des Weiteren kann die Entscheidung der Personalverantwortlichen, dem Bewerber einen Job anzubieten, die Akzeptanz eines Bewerbers hinsichtlich eines Personalauswahlinstrumentes beeinflussen (Kersting, 2010). 11 Die Wahrnehmung der Bewerber im Auswahlprozess spielt demnach eine große Rolle. Morgeson und Ryan (2009) stellen heraus, dass Bewerberwahrnehmungen auch durch Feedback oder Bewerbungskontext (z. B. Art des Auswahlinstrumentes) beeinflusst werden. Die Perspektive von Bewerbern einzunehmen, ist daher sehr wichtig (Rynes, 1993). Um die Bewerberperspektive zu erfassen, wird die Wahrnehmung von Bewerbern im Auswahlprozess untersucht. Dadurch kann ein besseres Verständnis der Prozesse, Effekte und Folgen der Personalauswahl vermittelt werden (Anderson et al., 2010). 2.3.2 Folgen unfairer Personalauswahl Jeder Bewerber sammelt individuelle Erfahrungen im Rahmen eines Auswahlprozesses. Diese bleiben besonders dann in Erinnerung, wenn sich Bewerber während des Verfahrens ungerecht behandelt fühlen (Anderson, 2004). Aufgrund negativer Erfahrungen im Auswahlprozess können sowohl Bewerber als auch Unternehmen geschädigt werden. Im Folgenden werden mögliche Konsequenzen dargestellt, wobei Truxillo und Bauer (2011) darauf hinweisen, dass empirische Nachweise zum Teil noch erbracht werden müssen. Bewerber, die das Gefühl haben, im Auswahlprozess unfair behandelt worden zu sein, könnten sich noch während des Prozesses für einen Ausstieg entscheiden (Murphy, 1986). Unternehmen laufen so Gefahr, Top-Kandidaten zu verlieren und hohe Kosten vergebens aufzubringen. Auch Einstellungen der Bewerber gegenüber dem Unternehmen können durch unfaire Behandlung negativ beeinflusst werden, sodass die Bewerber das Unternehmen im Bekanntenkreis in keinem guten Licht dastehen lassen (Rynes, 1993). Dieser Imageverlust wäre für Unternehmen besonders schlimm, wenn er zum Beispiel weniger Bewerber und verringertes Konsumentenverhalten zur Folge hat. Noch gravierender können die Auswirkungen für das Unternehmen sein, wenn ein Bewerber aufgrund negativer Erfahrungen im Auswahlprozess das Unternehmen verklagt (Smither, Reilly, Millsap, Pearlman & Stoffey, 1993). So erlangte im Rahmen des EPSO-Auswahlprozesses 2010 der Fall „Pachtitis“ internationale Bekanntheit, weil sich ein Bewerber, der das Auswahlverfahren von EPSO durchlaufen hat, durch die Art und Weise der Auswahl benachteiligt fühlte. Er konnte die Wiederholung des Assessment Centers erwirken, da 12 nachgewiesen werden konnte, dass die Auswahl der Kandidaten, die das Assessment Center mit Erfolg bestanden haben, nicht rechtmäßig ablief (EPSO, 2010b). Anderson (2004) macht darauf aufmerksam, dass Bewerber durch eine unprofessionelle Haltung seitens der Personalverantwortlichen oder durch eine negative Entscheidung nach dem Auswahlprozess erhebliche psychische Folgen erleiden können. Es ist somit auch die Aufgabe eines Unternehmens für das psychische Wohlbefinden seiner Bewerber zu sorgen. Doch auch nach einer positiven Entscheidung und einem Jobangebot wird angenommen, dass die Erfahrung im Auswahlprozess Einfluss auf die Arbeitsleistung, -einstellung und auf generelles Verhalten nimmt (Gilliland, 1993). Bauer et al. (2001) haben festgestellt, dass es bestimmte Aspekte des Auswahlprozesses sind, die mit der Attraktivität des Unternehmens, dem Commitment und den Absichten, das Unternehmen weiterzuempfehlen, korrelieren. Wissenschaftlich konnten Hinweise darauf gefunden werden, dass bestimmte Einstellungen gegenüber dem Auswahlprozess die Validität des Verfahrens beeinflussen können (Ryan & Ployhart, 2000). Zusammenfassend können die Folgen unfairer Wahrnehmung einer Auswahlsituation also verheerend für Organisationen sein. Werden Wahrnehmungen und Reaktionen von Bewerbern im Auswahlprozess verstanden, kann ein Unternehmen dagegen lernen, diese zum eigenen Wohle und dem der Bewerber zu beeinflussen (Ryan & Ployhart, 2000). 2.3.3 Modelle zu Bewerberwahrnehmungen Um die Wahrnehmung von Bewerbern in Auswahlprozessen und verschiedenen Personalauswahlinstrumenten zu untersuchen, wurden seit den 1990er-Jahren verschiedene Modelle entwickelt. Drei davon werden im Folgenden kurz vorgestellt, weil sie zum Verständnis der Wahrnehmung von Bewerbern und ihrer Reaktionen bei der Personalauswahl beitragen. Außerdem stellen diese Modelle die theoretische Grundlage für die meiste Forschung zu Bewerberwahrnehmungen dar. 13 2.3.3.1 Modell der Sozialen Validität Schuler (1993) entwickelte das Modell der Sozialen Validität basierend auf dem Konzept der sozialen Validität von Schuler und Stehle (1983, zitiert nach Schuler, 1993). Danach besteht die soziale Validität aus 4 Komponenten: Information, Partizipation, Transparenz und Feedback (vgl. Abbildung 1) Demnach gilt eine Auswahlsituation als sozial valide, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: Bewerber erhalten Informationen über den Job und die Organisation, Bewerber haben die Möglichkeit, Kontrolle über die Auswahlsituation auszuüben, Übungen weisen eine deutliche Nähe zu den späteren Aufgaben im Job auf und Bewerber erhalten ein offenes, verständliches Feedback. Auf diese Weise beeinflussen die vier Komponenten die Erfahrung, welche die Bewerber im Auswahlprozess machen sowie ihre Reaktion gegenüber der Auswahlsituation. Schuler (1993) weist darauf hin, dass sein Modell keine testbare Theorie darstellt; sondern als Ansatz für weitere Forschung und Modelle genutzt werden kann, um Bewerberwahrnehmungen und -reaktionen zu untersuchen und zu verstehen. Und in der Tat haben viele Autoren dieses Modell vollständig oder teilweise in ihre Studien eingebunden (Derous & De Witte, 2001; Gilliland, 1993; Macan et al., 1994; Smither et al., 1993). Abbildung 1. Konzept der Sozialen Validität (nach Schuler, 1993, S.13) 14 2.3.3.2 Modell der Bewerberreaktionen Aufbauend auf früherer Forschung zur Perspektive von Bewerbern (Arvey & Sackett, 1993; Robertson & Smith, 1989; Schuler, 1993), entwickelte Gilliland (1993) das Modell der Bewerberreaktionen. Als theoretischen Rahmen nutzte er hierfür die Theorie der organisationalen Gerechtigkeit (Greenberg, 1990), die sich unter anderem mit der distributiven (Cohen, 1987) und prozeduralen (Leventhal, 1980; Thibaut & Walker, 1975) Gerechtigkeit in Organisationen beschäftigt. Gilliland (1993) nutzt diese zwei Kategorien der Gerechtigkeit und stellt für sie insgesamt zehn Regeln auf, deren Einhaltung oder Verletzung die Fairnesswahrnehmung der Auswahlsituation beeinflussen (vgl. Abbildung 2). Die Regeln der distributiven Gerechtigkeit (Verteilungsgerechtigkeit) beschreiben die gerechte, gleiche und bedürfnisorientierte Verteilung der Auswahlergebnisse. Die Wahrnehmung der distributiven Gerechtigkeit wird beeinflusst von der Einstellungsentscheidung, der Leistungserwartung, möglicher Diskriminierung im Auswahlprozess und persönlichen Bedürfnissen. So wird dem Modell zufolge das Auswahlergebnis dann als fair wahrgenommen, wenn es gerecht verteilt wurde und wenn alle Bewerber gleich und ihren Bedürfnissen entsprechend behandelt wurden. Das heißt, ein abgelehnter Bewerber wird seine Ablehnung dann als gerecht empfinden, wenn die Verteilungsregeln eingehalten wurden und als ungerecht, wenn die Regeln nicht eingehalten wurden. Die Regeln der prozeduralen Gerechtigkeit beschreiben die Gerechtigkeit während des Auswahlprozesses und werden von Testmethode, Personalpolitik und Personalverantwortlichen beeinflusst. Sie werden in drei Subkategorien gegliedert: Formale Charakteristika, Erklärungen und zwischenmenschlicher Umgang. In Bezug auf die formalen Charakteristika wird der Auswahlprozess als fair wahrgenommen, wenn die Auswahlmethoden jobbezogen sind, die Bewerber die Möglichkeit erhalten, sich zu präsentieren, das Ergebnis nachprüfbar und die Durchführung für alle Bewerber einheitlich ist. Des Weiteren wird der Auswahlprozess als fair wahrgenommen, wenn eine offene Kommunikation stattfindet und die Bewerber Feedback über ihre Leistung sowie Informationen bezüglich des Auswahlprozesses erhalten. Außerdem 15 trägt der zwischenmenschliche Umgang zwischen Bewerbern und Personalverantwortlichen zur Fairnesswahrnehmung bei, wenn die Assessoren sozial kompetent sind, angemessene Fragen stellen und auf zweiseitige Kommunikation achten. Die wahrgenommene Fairness des Auswahlprozesses und -ergebnisses führen zu bestimmten Bewerberreaktionen, die Gilliland (1993) drei Zeitpunkten zuordnet: Reaktionen während der Einstellung, Reaktionen nach der Einstellung und Selbstwahrnehmungen. Beispielsweise kann die Wahrnehmung des Bewerbers sowohl seine Weiterempfehlungsabsichten als auch die Absicht, Klage gegen die Organisation zu erheben, beeinflussen. Außerdem kann die spätere Arbeitsleistung des Bewerbers beeinflusst werden. Gilliland (1993) betont, dass die Fairnesswahrnehmungen im Vordergrund stehen, aber deren Bedeutsamkeit erst durch mögliche Bewerberreaktionen, das heißt ihre Folgen, veranschaulicht wird. Gilliland (1993) nimmt an, dass die Regeln der prozeduralen Gerechtigkeit hinsichtlich Bewerberreaktionen und -einstellungen von größerer Bedeutung sind als die hinsichtlich der distributiven Gerechtigkeit. Viele Studien, die sein Modell als Grundlage für die Untersuchung von Bewerberreaktionen nutzten, fanden entsprechende Evidenz (Bauer, Maertz, Dolen & Campion, 1998; Bauer et al., 2001). Des Weiteren beruhen viele weitere Studien auf diesem Modell (z.B. Bauer et al., 2001; Carless, 2006; Celani, Deutsch-Salamon & Singh, 2008; Hoang, Truxillo, Erdogan & Bauer, 2012; Truxillo, Bauer, Campion & Paronto, 2002). Trotz der hohen Beliebtheit dieses Modells machen Truxillo und Bauer (2011) darauf aufmerksam, dass die Forschung davon profitieren würde, wenn weitere Modelle, neben diesem auf der Theorie der organisationalen Gerechtigkeit beruhendem Modell, getestet werden. Kersting (2010) stellt hierzu ein Modell der Akzeptanz vor, Bewerberwahrnehmungen abgebildet werden. in dem facettenreich die 16 Abbildung 2. Modell der Bewerberreaktionen (nach Gilliland, 1993, S. 700) 2.3.3.3 Heuristisches Modell Ryan und Ployhart (2000) stellten ein heuristisches Modell zu Bewerberwahrnehmungen vor, das neben den von Gilliland (1993) postulierten Fairnesswahrnehmungen auch die Gefühle und Kognitionen von Bewerbern beinhaltet. Hausknecht et al. (2004) spezifizierten und aktualisierten dieses Modell, indem sie weitere mögliche Folgen der Bewerberwahrnehmungen in das Modell mit aufnahmen und allgemeine von spezifischen Bewerberwahrnehmungen des Auswahlprozesses unterschieden. Der Aufbau des Modells entspricht dem Gerechtigkeitsmodell von Gilliland (1993): Antezedenzien der Wahrnehmung, Bewerberwahrnehmungen und Konsequenzen beziehungsweise Folgen der Wahrnehmung. Weiterhin beeinflussen Moderatorvariablen die Beziehungen zwischen diesen Komponenten (vgl. Abbildung 3). Hausknecht et al. (2004) unterschieden vier Arten von Antezedenzien: wahrgenommene zwischenmenschliche Personenmerkmale Verfahrensmerkmale und (z. informationsbezogene (z. B. B. Vorerfahrung), prozedurale, Gerechtigkeitsregeln), Jobeigenschaften (z. B. Attraktivität des Jobs) und Kontext der Organisation (z. B. Auswahlrate). Die allgemeinen Bewerberwahrnehmungen stehen im Mittelpunkt des Modells (z. B. prozedurale und distributive Gerechtigkeit sowie Einstellungen gegenüber Tests/Auswahlsituation). Durch diese 17 Wahrnehmungen können nach Hausknecht et al. (2004) bestimmte Folgen vorhergesagt werden: Leistung selbstwahrgenommene), im Auswahlprozess Selbstwahrnehmungen (tatsächliche (Selbstwert und und Selbstwirksamkeit), Einstellungen und Verhalten gegenüber der Organisation (z. B. Attraktivität der Organisation, Weiterempfehlungsabsichten, Wiederbewerbungsabsichten und Klageabsichten) sowie Arbeitseinstellungen und -verhalten (z. B. Arbeitsleistung und -zufriedenheit). Als Moderatorvariablen werden unter anderem der Erhebungszeitpunkt (vor vs. nach Auswahlprozess und Feedback) sowie der Auswahlkontext (Laborstudie und Feldstudie) angenommen. Schließlich testeten Hausknecht et al. (2004) ihr Modell mit meta-analytischen Untersuchungen und fanden stützende Evidenz. Abbildung 3. Heuristisches Modell (nach Hausknecht et al., 2004, S. 642) 2.3.3.4 Synthese und Fazit Die drei vorgestellten Modelle verdeutlichen, dass die Forschung zu Bewerberwahrnehmungen erheblich zugenommen hat. Dabei hat das Modell der sozialen Validität von Schuler (1993) eher die Forschung in Europa geprägt, wohingegen das auf der Gerechtigkeitstheorie basierende Modell der Bewerberreaktionen von Gilliland (1993) vor allem amerikanischer Forschung zugrunde liegt (Anderson et al., 2010). Gemeinsam ist allen Modellen, dass sie 18 Wahrnehmungen zu Fairness und Akzeptanz von Auswahlmethoden aus der Sicht der Bewerber beschreiben, sei es durch Gerechtigkeit oder sozialer Validität, und mögliche Reaktionen daraufhin aufzeigen. Die Modelle tragen zum Verständnis von Bewerberwahrnehmungen und -reaktionen in Auswahlprozessen bei, sodass Arbeitgeber die Möglichkeit haben, nützliche Informationen für das Design ihrer Auswahlmethoden abzuleiten (Anderson, Ahmed & Costa, 2012; Truxillo & Bauer, 2011). Die Modelle zeigen, wie wichtig es ist, Bewerberwahrnehmungen wissenschaftlich näher zu untersuchen und welche erheblichen Folgen diese für Organisationen haben können. Für die vorliegende Arbeit wird vor allem das Modell von Hausknecht et al. (2004) als Grundlage herangezogen, da es theoretisch wie empirisch am besten gestützt wird. Des Weiteren ist es das am weitesten spezifizierte und somit aktuellste Modell zu Bewerberwahrnehmungen. 2.3.3.5 Akzept!-AC-Fragebogen – Messung der Akzeptanz im Assessment Center Kersting (2012) nutzte das Heuristische Modell von Hausknecht et al. (2004) als Grundlage für die Entwicklung seines AKZEPT!-AC-Fragebogens. Die Bewerberwahrnehmung des Auswahlprozesses, die in den oben beschriebenen Modellen den Mittelpunkt darstellt, kennzeichnet Kersting (2010) als Akzeptanz des Auswahlprozesses. Ziel des Fragebogens ist es herauszufinden, ob Assessment Center positiv wahrgenommen werden und „ob es sich dabei um ein globales Akzeptanzurteil handelt, oder ob sich verschiedene Dimensionen der Akzeptanz unterscheiden lassen“ (Kersting, 2010, S. 61). Das Ergebnis seiner an zwei Stichproben durchgeführten Untersuchung ist, dass sich tatsächlich Akzeptanzdimensionen unterscheiden lassen. Diese werden Kontrollierbarkeit, Messqualität, Belastungsfreiheit, Augenscheinvalidität, Gute Organisation und Positive Atmosphäre genannt. Die Dimensionen weisen interne Konsistenzen zwischen .55 und .84 auf und sind somit akzeptabel bis sehr gut (Kersting, 2010). Für das Gesamtakzeptanzurteil sind die wahrgenommene Messqualität sowie die Augenscheinvalidität am wichtigsten. 19 Die Dimensionen von Kersting (2010) weisen eine hohe Ähnlichkeit mit den oben genannten Merkmalen der prozeduralen Gerechtigkeit auf, die Steiner und Gilliland (1996) in ihrer Studie erheben. Die Augenscheinvalidität und die wahrgenommene prädiktive Validität wurden bisher am häufigsten in Zusammenhang mit Bewerberreaktionen untersucht und stellen gemeinsam das Konstrukt Jobbezug dar (Hausknecht et al., 2004). Hausknecht et al. (2004) stellen in ihrer Meta-Analyse fest, dass die Augenscheinvalidität und die wahrgenommene prädiktive Validität eine mittlere Korrelation von ρ = .58 beziehungsweise ρ = .63 mit prozeduraler Gerechtigkeit aufweisen. In Studien mit Bewerbergruppen unterschiedlicher Länder konnte festgestellt werden, dass die Augenscheinvalidität und die wahrgenommene prädiktive Validität die besten Prädiktoren für die Gesamtwahrnehmung des Auswahlprozesses sind (Bertolino & Steiner, 2007; Hausknecht et al., 2004; Hoang et al., 2012; Ispas, Ilie, Iliescu, Johnson & Harris, 2010). Somit stellen die Augenscheinvalidität und die wahrgenommene prädiktive Validität zwei essentielle Variablen dar, die in der Messung von Bewerberreaktionen nicht fehlen dürfen. Der AKZEPT!-AC-Fragebogen enthält Fragen zu diesen Dimensionen und erfasst, im Unterschied zum Messinstrument von Steiner und Gilliland (1996), jede Dimension mit vier statt mit nur einer Frage. Hierdurch kann die Wahrnehmung breiter erfasst werden. 2.4 Befunde zur Akzeptanz in Auswahlprozessen Für die vorliegende Arbeit werden Bewerberwahrnehmungen in Abhängigkeit der Nationalität und des Geschlechts untersucht, weshalb im Folgenden ein Überblick über die bisherige Literatur zu diesen Themen gegeben wird. 2.4.1 Kulturelle Unterschiede in der Wahrnehmung Kulturelle Unterschiede Personalauswahlinstrumente in der bestehen Wahrnehmung kaum, das verschiedener heißt Personen unterschiedlicher Nationalität bevorzugen in etwa die gleichen Instrumente (Anderson et al., 2012; Anderson et al., 2010; Anderson & Witvliet, 2008; Ispas et al., 2010). Als beliebteste Instrumente gelten Work Samples und 20 Interviews, als gut bewertet werden Lebenslaufanalysen, kognitive Tests, Referenzen, Biodata-Analysen und Persönlichkeitsinventare. Schlechte Bewertungen erhalten Ehrlichkeitstests, persönliche Kontakte und die Graphologie. Die Untersuchungen hinsichtlich kultureller Unterschiede in Bewerberwahrnehmungen des Auswahlprozesses wurden bisher meist so durchgeführt, dass Reaktionen auf unterschiedliche Auswahlmethoden erfasst wurden. So wurden Stichproben unter anderem aus folgenden Ländern untersucht: USA und Frankreich (Steiner & Gilliland, 1996), USA und Singapur (Phillips & Gully, 2002), Deutschland (Marcus, 2003a), Spanien und Portugal (Moscoso & Salgado, 2004), Italien (Bertolino & Steiner, 2007), Griechenland (Nikolaou & Judge, 2007), Niederlande (Anderson & Witvliet, 2008), Rumänien (Ispas et al., 2010), Türkei (Bilgiç & Acarlar, 2010), Saudi Arabien (Anderson et al., 2012) sowie USA und Vietnam (Hoang et al., 2012). Am häufigsten wurde in diesen Studien eine von Steiner und Gilliland (1996) entwickelte Messmethode verwendet. Hierbei erhalten Probanden, meist Studierende, Arbeitsprobe, Beschreibungen Interview, von Lebenslauf, zehn Auswahlinstrumenten: schriftlicher Fähigkeitstest, biographischer Fragebogen, Persönlichkeitstest, Referenzen, Integritätstest, persönliche Kontakte und Graphologie. Danach sollen sie für jedes Auswahlinstrument zwei Fragen zur allgemeinen Gesamtakzeptanz (Process Favorability) und sieben Fragen zur Prozeduralen Gerechtigkeit beantworten. Hierbei werden die Dimensionen wahrgenommene prädiktive Validität, Augenscheinvalidität, Möglichkeit zur Leistungsdarstellung, zwischenmenschlicher Umgang und Verbreitung der Methode erfasst. Die oben genannten Untersuchungen weisen Einschränkungen auf, die es für zukünftige Forschung zu verhindern gilt. So ist die von Steiner und Gilliland (1996) vorgestellte Messmethode zwar sehr beliebt, jedoch sprechen sich Truxillo und Bauer (2011) dafür aus, dass für die Untersuchung von Bewerberwahrnehmungen zukünftig weitere Modelle herangezogen werden sollten. Die Wahrnehmung kann beispielsweise breiter erfasst, das heißt, in mehrere Dimensionen gegliedert werden (Kersting, 2010). Des Weiteren besteht die Stichprobe in den Studien meist aus Studierenden. Anderson (2003) kritisiert den Einsatz von Studierenden als Ersatz für reale Bewerber und weist 21 auf das Problem der eingeschränkten Generalisierbarkeit hin. Eine weitere Problematik besteht darin, dass sich die Probanden einen beliebigen Job vorstellen sollten, für den sie sich bewerben würden. Demnach beruhen die Bewertungen der Probanden hinsichtlich der Auswahlprozesse höchstwahrscheinlich auf unterschiedlichen Vorstellungen. Bei den Forschungsergebnissen ist weiterhin auffallend, dass das Assessment Center bisher nicht bedacht wurde. Obwohl es sich bei Personalverantwortlichen wie Bewerbern großer Beliebtheit erfreut (Krause, 2011), wurde meines Wissens nach bisher nicht untersucht, warum dem so ist, das heißt, welche dahinter liegenden Dimensionen dafür verantwortlich sind. Um eine Hypothese bezüglich der Wahrnehmung eines Assessment Centers zu generieren, werde ich mich daher der bisherigen Forschung zu Interviews und Work Samples bedienen. Work Samples sind Arbeitsproben, bei denen Bewerber meist eine praktische Tätigkeit ausführen, die einer Aufgabe im späteren Job gleicht (Callinan & Robertson, 2000). Sie haben außerdem einen ähnlich hohen Jobbezug wie Assessment Center. Interviews sind häufig Teil eines Assessment Centers (Obermann, 2013), weshalb sie in den folgenden kulturellen Ländervergleichen ebenfalls enthalten sind. Werden die Bewertungen von Bewerbern eines Landes hinsichtlich der Personalauswahlinstrumente auf den oben genannten Dimensionen von Steiner und Gilliland (1996) mit den Bewertungen von Bewerbern anderer Länder für die Auswahlinstrumente Interview und Work Samples verglichen, sind deutliche Ähnlichkeiten erkennbar (Anderson & Witvliet, 2008; Ispas et al., 2010). Die Bewertungen unterscheiden sich nur nominell. In den OverallWerten ist lediglich eine leichte Tendenz erkennbar, dass Bewerber aus Spanien eher negativere Wahrnehmungen der Auswahlinstrumente besitzen, wohingegen Bewerber aus Rumänien tendenziell positivere Wahrnehmungen aufweisen. Zusammenfassend sind die Werte insgesamt jedoch sehr ähnlich. Nikolaou and Judge (2007) stellen in ihrer Studie heraus, dass die Werte der Probanden unterschiedlicher Länder auf den Dimensionen jeweils sehr hoch korrelieren. Auch der Befund aus der Meta-Analyse von Anderson et al. (2010), die mehrere Länder miteinander verglichen haben, zeigt, dass eine Generalisierung der Reaktionen auf die Auswahlinstrumente von Bewerbern unterschiedlicher Länder angenommen werden kann. Diese Ergebnisse führen 22 zur Hypothese, dass es keine signifikanten Unterschiede in der Bewerberwahrnehmung von Assessment Centern gibt. Hypothese 1: Die Wahrnehmung von Bewerbern unterschiedlicher Länder hinsichtlich der Akzeptanz des Assessment Centers unterscheidet sich nicht. 2.4.2 Geschlechtsunterschiede in der Wahrnehmung Es herrscht Forschungsfeldern zwar allgemein der Einigkeit, Arbeits- und dass in verschiedenen Organisationspsychologie Geschlechtsunterschiede in Einstellungen und Wahrnehmungen bestehen (Viswesvaran & Ones, 2004), jedoch können diese in Bezug auf Personalauswahlinstrumente nicht untermauert werden. Bezogen auf Auswahlprozesse zeigten Viswesvaran und Ones (2004) zwar, dass Männer und Frauen bestimmte Aspekte einer Auswahlsituation als unterschiedlich wichtig erachten, jedoch waren diese Unterschiede minimal. Auch Saks und McCarthy (2006) stellten fest, dass es keinen Geschlechtseffekt bezüglich Bewerberreaktion gibt. So zeigte sich keine Interaktion zwischen dem Geschlecht des Interviewers und dem des Interviewten im simulierten Einstellungsgespräch. Frauen reagierten auf annähernd gleiche Art und Weise, wenn sie mit diskriminierenden Fragen konfrontiert wurden, egal, ob ihr Gegenüber ein Mann oder eine Frau war. Weitere gemischte Befunde zu Bewerberwahrnehmungen im Auswahlprozess hinsichtlich der Geschlechtsunterschiede werden von Smither et al. (1993) präsentiert. So nahmen auf der einen Seite weibliche Bewerber den Auswahlprozess als augenscheinvalidier wahr und würden den Arbeitgeber weiterempfehlen, auf der anderen Seite nahmen männliche Bewerber die prädiktive Validität als höher wahr. Diese Unterschiede konnten in einer Folgestudie zu Wahrnehmungen im Auswahlprozess nicht untermauert werden. Nikolaou und Judge (2007) fanden nur für zwei von zehn Auswahlmethoden Geschlechtsunterschiede in Bewerberwahrnehmungen. Insgesamt zeigten sich demnach nur eingeschränkt Hinweise auf Geschlechtsunterschiede in Bewerberwahrnehmungen. In den meisten Studien konnte keine Korrelation zwischen dem Geschlecht und den Dimensionen der prozeduralen Gerechtigkeit oder der allgemeinen 23 Akzeptanz von Auswahlprozessen festgestellt werden (Anderson et al., 2012; Cohen-Charash & Spector, 2001; LaHuis, MacLane & Schlessman, 2007; Schinkel, van Vianen & van Dierendonck, 2013; Truxillo, Bauer & Sanchez, 2001). Bereits Kulik, Lind, Ambrose und MacCoun (1996) schließen, dass Männer und Frauen keine Unterschiede in ihrem Verständnis von prozeduraler Gerechtigkeit machen. Diese und die meta-analytischen Befunde von Hausknecht et al. (2004) deuten darauf hin, dass Männer und Frauen den Auswahlprozess in gleicher Weise wahrnehmen. Hypothese 2: Die Wahrnehmung von Bewerbern unterschiedlichen Geschlechts hinsichtlich der Akzeptanz im Assessment Center unterscheidet sich nicht. 2.5 Zusammenhang zwischen Bewerberreaktionen und Faking in Auswahlprozessen Bestehende Definitionen von Faking zusammenfassend, gelangen MacCann, Ziegler und Roberts (2011, S. 311) zu folgender Definition: „Faking is thus a deliberate set of behaviors motivated by a desire to present a deceptive impression to the world“. Demnach bezeichnet Faking in Personalauswahlprozessen die absichtliche, positive Verfälschung seines Verhaltens, um die Chancen auf eine Einstellung zu erhöhen. Ein ähnliches Konstrukt ist das Impression Management. Während es in Personalauswahlprozessen die gleiche Bedeutung wie Faking besitzt, werden im Allgemeinen jedoch zwei Formen von Impression Management – nämlich ehrliches und täuschendes Impression Management – unterschieden (Levashina & Campion, 2006). Außerdem ist Faking in gewisser Weise dem Konzept der Sozialen Erwünschtheit sehr ähnlich, welches die Tendenz, sich besser darzustellen, als man tatsächlich ist, erfasst (Stöber, 2001). Dies erfordert ebenfalls nicht unbedingt eine falsche, täuschende Darstellung, sondern kann auch in einer ehrlichen, aber übertriebenen Äußerung bestehen (Griffith, Chmielowski & Yoshita, 2007). Bisherige Forschung zu dem Konstrukt Faking erfolgte vor allem im Bereich Persönlichkeitstests (z. B. Birkeland, Manson, Kisamore, Brannick & Smith, 2006; Marcus, 2003b; Robie, Tuzinski & Bly, 2006) oder 24 Auswahlinterviews (z. B. Kleinmann & Klehe, 2010; Levashina & Campion, 2007; Swider, Barrick, Harris & Stoverink, 2011). Dabei wurde zum Beispiel untersucht, welche Methoden es gibt, mit denen Faking gemessen beziehungsweise verhindert werden kann (z. B. Burns & Christiansen, 2011; Reeder & Ryan, 2011) oder welche Modelle Antezedenzien und Konsequenzen von Faking-Verhalten darstellen (z. B. McFarland & Ryan, 2006; MuellerHanson, Heggestad & Thornton III, 2006; Snell et al., 1999; Ziegler, 2011). Im Wesentlichen geht es um die Frage, welchen Einfluss Faking auf die Validität eines Verfahrens hat (z. B. Hogan, Barrett & Hogan, 2007; McFarland & Ryan, 2000; Schmitt & Oswald, 2006; Tett & Christiansen, 2007). Organisationen befürchten, dass Bewerber, die für einen Job ausgewählt wurden und im Auswahlprozess gefaked haben, auch im Arbeitsleben unehrlich sind und mit ihrem Verhalten so der Organisation schaden könnten (Peterson, Griffith, Isaacson, O'Connell & Mangos, 2011). Bewerber erhoffen sich durch die Verfälschung ihrer Angaben (Faking) im Auswahlprozess höhere Einstellungschancen. Studien zeigen, dass bis zu 50 % der Bewerber in Auswahlprozessen ihre Angaben verfälschen (Donovan, Dwight & Hurtz, 2003; Griffith et al., 2007). McFarland und Ryan (2000) zeigen, dass die individuelle Einstellung gegenüber Faking die Absicht zum Faken beeinflussen kann. Einige Bewerber finden es in Ordnung, wenn gefaked wird, andere lehnen Faking strikt ab. In ihrem erweiterten Faking-Modell gehen sie auch auf Situationsfaktoren ein, die auf Faking-Verhalten wirken können (McFarland & Ryan, 2006). So kann die Valenz, das heißt, wie erstrebenswert ein Job ist, einen Einfluss auf die FakingAbsicht haben. Bewerber, die verzweifelt einen Job suchen, werden mit höherer Wahrscheinlichkeit Faking-Verhalten zeigen, als Bewerber, die noch einen Job haben und sich nur nach einer weiteren Perspektive umschauen (Snell et al., 1999). Mueller-Hanson et al. (2006) konnten zeigen, dass Wahrnehmungen der Auswahlsituation mit der Faking-Absicht zusammenhängen. Bewerber faken zum einen eher, wenn das Auswahlergebnis wichtig ist und zum anderen, wenn auch andere Bewerber Faking gegenüber nicht abgeneigt sind. Honkaniemi, Tolvanen und Feldt (2011) fanden einen positiven Zusammenhang zwischen Bewerberwahrnehmungen und FakingVerhalten im Auswahlprozess. Ihre Vermutung ist, dass die Bewerber aufgrund 25 positiver Wahrnehmungen hoch motiviert waren für den Job und aufgrund dessen ein höheres Faking-Verhalten zeigten. Snell et al. (1999) nehmen an, Bewerber zeigen Faking-Verhalten als Konsequenz der Wahrnehmung vom Auswahlverfahren. Wenn sich Bewerber im Auswahlprozess beispielsweise ungerecht behandelt fühlen oder Aspekte des Auswahlverfahrens unfair empfinden, weil es sie benachteiligt, könnten sie zum Faking-Verhalten motiviert werden. Hierzu zeigt McFarland (2003) einen negativen Zusammenhang zwischen Bewerberwahrnehmungen und FakingVerhalten im Auswahlprozess. Forschungsergebnisse, wird Aufgrund angenommen, dass der vorliegenden Faking-Verhalten von Bewerber aus einer negativen Wahrnehmung des Auswahlverfahrens resultiert. Hypothese 3: Faking und Akzeptanz im Assessment Center korrelieren positiv. 2.6 Weitere Forschungsfragen Auf Wunsch von EPSO und aufgrund der Besonderheit dieser Untersuchung werden weitere Analysen durchgeführt. So wird untersucht, ob Bewerber, die sich eine bestimmte AC-Sprache aussuchen, einen Vorteil gegenüber den übrigen Bewerbern mit einer anderen AC-Sprache haben. Weiterhin soll ermittelt werden, ob mit dem Sprachniveau der AC-Sprache auch das Gefühl der Kontrolle über die Aufgaben steigt. Außerdem soll gezeigt werden, ob Personen auf der Reserveliste zufriedener sind als Personen, die nicht auf der Reserveliste stehen und ob Personen auf der Reserveliste die Attraktivität des Arbeitsplatzes höher einschätzen, sich wieder bewerben möchten und den Arbeitgeber eher empfehlen, als Personen, die keinen Platz auf der Reserveliste erhalten haben. Wie oben dargestellt, können negative Bewerberwahrnehmungen verheerende Folgen für Organisationen haben. Daher soll untersucht werden, welcher Zusammenhang zwischen der Akzeptanz und den Folgen der Bewerberwahrnehmungen, Attraktivität der Organisation, Weiterempfehlungsabsicht und Wiederbewerbungsabsicht, besteht. Schließlich soll ermittelt werden, ob die Nationalität einen Einfluss auf das Faking-Verhalten hat. Hierzu konnten König, Hafsteinsson, Jansen, and 26 Stadelmann (2011) zeigen, dass sich Bewerber aus der Schweiz und aus Island in ihrer Selbstdarstellung (Faking) nicht voneinander unterscheiden, jedoch besteht ein signifikanter Unterschied zur Bewerbergruppe aus den USA. Die amerikanischen Bewerber zeigten ein deutlich höheres Faking-Verhalten als die europäischen. Erklärt werden diese Unterschiede zum einen dadurch, dass amerikanische Bewerber weniger Bescheidenheit (modesty) in ihrem Auftreten zeigen als europäische Bewerber, sodass die Hemmschwelle für Faking in den USA offenbar niedriger liegt. Zum anderen werden die Unterschiede durch eine höhere Arbeitslosenrate in den USA erklärt, die Bewerber dazu veranlasst, für die Aussicht auf einen Job, ihre Angaben zu verfälschen. Aufgrund eines höheren Konkurrenzkampfes zwischen arbeitslosen Bewerbern argumentieren König et al. (2011), dass Bewerber eines Landes mit hoher Arbeitslosenquote eher Faking-Verhalten zeigen, als Bewerber, die aus einem Land mit niedriger Arbeitslosenquote kommen. Die Arbeitslosenquoten der europäischen Länder im Sommer 2013 beziehen sich auf Eurostat (2013). Während die niedrigsten Arbeitslosenquoten in Österreich (4.9%), Deutschland (5.2%) und Luxemburg (5.8%) zu verzeichnen sind, führen Spanien (26.2%) und Griechenland (27.9%) die höchsten Arbeitslosenquoten. Es kann also angenommen werden, dass Bewerber, die aus einem Land mit hoher Arbeitslosenquote kommen, sich beim Auswahlprozess besonders gut darstellen möchten und daher ihre Angaben eher verfälschen, als Bewerber, die aus einem Land mit niedriger Arbeitslosenquote kommen. Letztere haben eher die Chance, eine andere Arbeitsstelle in ihrem Land zu finden, falls der aktuelle Auswahlprozess für sie negativ verläuft. Auch Thackray, Tryby und Griffith (2013) finden Hinweise darauf, dass die Prävalenz von Faking in Zeiten der Rezession und erhöhter Arbeitslosigkeit steigt. Ob neben Bescheidenheit noch weitere kulturelle Werte für den Unterschied zwischen Bewerbergruppen unterschiedlicher Nationalität verantwortlich sind, untersuchten Fell und König (2013) in ihrer Studie. Sie stellten die Frage, ob kulturelle Unterschiede Faking vorhersagen können. Kulturelle Dimensionen wurden dabei aus dem GLOBE-Projekt (House, Hanges, Javidan, Dorfman & Gupta, 2004) übernommen. Die Ergebnisse legen nahe, dass es Länderunterschiede gibt und diese mittlere Zusammenhänge mit 27 Faking aufweisen. In Kulturen mit hoher Machtdistanz herrscht eine positivere Einstellung gegenüber Faking vor, als in solchen mit niedriger Machtdistanz. Unsicherheitsvermeidung korreliert dagegen negativ mit der Einstellung gegenüber Faking. Die Einstellung gegenüber Faking ist demnach in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich stark ausgeprägt. 28 3 Methoden 3.1 Europäisches Amt für Personalauswahl – EPSO Seit den 1960er-Jahren beruhte der Auswahlprozess der Europäischen Institutionen auf dem System der sogenannten Concours (Ban, 2010). Sie bezeichnen einen mehrstufigen Prozess der Bewerberauswahl und wurden im Laufe der Zeit methodisch nur wenig angepasst. Im Zuge der EU-OstErweiterung wurde beschlossen, ein eigenes, unabhängiges Amt für die Personalauswahl einzuführen, das European Personnel Selection Office (EPSO). Seit 2002 führt EPSO für die Europäischen Institutionen die Personalauswahl durch und seit 2010 sind die Concours inhaltlich und methodisch vollständig überarbeitet (EPSO, 2010a). Die Überarbeitung zunehmender wurde Unzufriedenheit aufgrund seitens der von Qualitätsbedenken Europäischen und Institutionen notwendig. So kam zum Beispiel der Verdacht auf, dass die bestehende Methode nur unzureichend Erfolg im Job vorhersagen kann und, dass es mögliche Geschlechts- und Erfahrungseffekte gibt (Ban, 2010). Des Weiteren wurde bemängelt, dass ein und dasselbe Auswahlverfahren Juristen und ITSpezialisten nicht gleichermaßen gerecht wird. Außerdem konnte durch die Reform das Verfahren deutlich in der Länge gekürzt werden. Während es vor der Reform im Durchschnitt 15 Monate dauerte, bis ein Kandidat einen Platz auf der Reserveliste erhielt (EPSO, 2008), dauert der Prozess mittlerweile im Durchschnitt nur noch 7-9 Monate (EPSO, 2013b). Seit der Überarbeitung wird nicht mehr primär Wissen über die Europäischen Institutionen gemessen, sondern Kompetenzen erfasst. Des Weiteren ist auch ein Assessment Center Teil des Auswahlprozesses. Insgesamt erhoffen sich die Verantwortlichen durch die Veränderungen eine qualitative Verbesserung der Auswahl (Ban, 2010). Der Bewerbungsablauf für Administratoren, die in dieser Studie untersuchten Kandidaten, sieht folgendermaßen aus (EPSO, 2013a): Nachdem eine offene Stelle ausgeschrieben wurde, können sich Bewerber auf der Internetseite von EPSO registrieren. Sind die Bewerbungsunterlagen auf Vollständigkeit geprüft und validiert worden, werden die Bewerber zu 29 computergestützten kognitiven Fähigkeitstests zugelassen. Diese müssen bestanden werden und die erreichte Punktzahl muss zu den besten gehören, damit eine Einladung zum Assessment Center erfolgt. Die Assessment Center von EPSO finden normalerweise in Brüssel statt und werden in der Zweitsprache (AC-Sprache) absolviert. Als Zweitsprache gelten Englisch, Deutsch oder Französisch. Die Zweitsprache darf nicht mit der Muttersprache übereinstimmen. Die Bewerber erhalten vor jedem Auswahlprozess Informationen über den Ablauf und Inhalt der Aufgaben. Das bedeutet, sie erfahren, welche Art von Aufgaben sie bewältigen müssen und welche Kompetenzen gemessen werden. Auf diese Weise wird der Auswahlprozess transparent gestaltet. Für Administratoren werden Fallstudie, Gruppenarbeit, mündliche Präsentation und strukturiertes Vorstellungsgespräch durchgeführt. Hierbei wird darauf geachtet, dass die Kandidaten die Kompetenzen Analyse und Problemlösen, Kommunikationsfähigkeit, Qualitäts- und Ergebnisorientierung, Lernfähigkeit und Fähigkeit zur persönlichen Weiterentwicklung, Setzen von Schwerpunkten und Organisationsfähigkeit, Durchhaltevermögen, Teamfähigkeit sowie Führungsqualitäten zeigen. Wird das Assessment Center bestanden und gehört das erreichte Ergebnis zu den besten, so erlangt der Kandidat einen Platz auf der Liste, von der die Europäischen Institutionen Bewerber rekrutieren (Reserveliste). Von dieser Liste können die Institutionen den Kandidaten rekrutieren. 3.2 Stichprobe Der Online-Fragebogen zur Messung der Akzeptanz wurde Anfang 2013 an 883 Kandidaten des EPSO-Auswahlverfahrens für Beamte der Funktionsgruppe Administration in den Fachgebieten Europäische öffentliche Verwaltung, Recht, Wirtschaft, Audit, Finanzen und Statistik gesendet. Die Kandidaten nahmen im Jahr 2010 am Assessment Center von EPSO teil. Acht Personen waren nicht erreichbar. 411 Kandidaten im Alter von 25 bis 58 Jahren haben auf den Fragebogen reagiert (30% Frauen, 57% Männer, 13% keine Angabe), was einer Rücklaufquote von 47% entspricht. Aufgrund frühzeitigen Abbruchs der Umfrage oder fehlenden Eingaben wurden 54 30 Kandidaten ausgeschlossen, sodass für die Analysen N = 357 Kandidaten verbleiben (34% Frauen, 65% Männer und 1% ohne Angabe). Das Durchschnittsalter der Kandidaten beträgt 33.3 Jahre (SD = 5.3). 204 Kandidaten konnten schon Arbeitserfahrung sammeln, die mit EUAngelegenheiten zu tun hatte, 151 hatte noch keine Arbeitserfahrung in diese Richtung und 2 Personen gaben hierzu keine Angaben. Von den Kandidaten, die schon einmal mit EU-Angelegenheiten zu tun hatte, haben 34.3 % ein Praktikum bei einer EU-Institution absolviert, 61.3 % sind schon einmal einer Tätigkeit in einer EU-Institution nachgegangen, 36.3 % sammelten EUErfahrung außerhalb einer EU-Institution und 9.8 % sammelten anderweitig Erfahrung in EU-Angelegenheiten. Insgesamt erhielten 163 Kandidaten einen Platz auf der Reserveliste, 194 erhielten keinen Platz auf der Reserveliste. Auf die freien Stellen konnten sich Personen aus allen 27 EUMitgliedsstaaten bewerben. Kroatien war zum Zeitpunkt der Durchführung des Auswahlverfahrens noch nicht in der EU. Eine Übersicht über die Verteilung der Nationalitäten in der Stichprobe gibt Tabelle 1. Die meisten Reaktionen auf den Online-Fragebogen kamen aus Italien, Belgien, Spanien, Deutschland, den Niederlanden und Rumänien. Dies spiegelt das Verhältnis der Bewerber pro Land wieder, weshalb von einer repräsentativen Stichprobe ausgegangen. Für Vergleiche zwischen Ländern werden nur Länder mit einer Gruppengröße größer 15 ausgewählt, um zu kleine Gruppen zu vermeiden. Demzufolge werden die Länder Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Rumänien, Spanien und Ungarn mit insgesamt 243 Kandidaten in die Analysen eingeschlossen. 31 Tabelle 1. Anzahl Kandidaten nach Nationalität Nationalität N Frauen Männer Belgien 36 17 19 Bulgarien 15 6 9 Dänemark 2 1 1 Deutschland 29 7 22 Estland 1 1 0 Finnland 14 4 10 Frankreich 18 12 6 Griechenland 13 6 7 Irland 2 1 1 Italien 57 11 46 Lettland 1 0 1 Litauen 1 1 0 Luxemburg 0 0 0 Malta 0 0 0 Niederlande 26 10 16 Österreich 2 1 1 Polen 14 8 6 Portugal 8 1 7 Rumänien 24 14 10 Schweden 11 4 7 Slowakei 3 0 3 Slowenien 0 0 0 Spanien 34 8 26 Tschechische Republik 3 0 3 Ungarn 19 4 15 Vereintes Königreich* 10 3 6 Zypern 0 0 0 Andere 14 2 10 Gesamt 357 122 232 * Anmerkung. * nicht alle Kandidaten dieses Landes haben ihr Geschlecht angegeben. N = Anzahl der Kandidaten pro Nationalität. 32 3.3 Variablen Zur Untersuchung der Akzeptanz des Auswahlprozesses von EPSO wurde ein Online-Fragebogen entwickelt, der die Wahrnehmung vom Assessment Center, das Faking-Verhalten und die Zufriedenheit mit dem Auswahlprozess (Gesamteindruck) von EPSO erfasst. Darüber hinaus enthielt der Fragebogen Items zu den Folgen der Wahrnehmung. Der Fragebogen wurde sowohl auf Deutsch (siehe Anhang A), Englisch (siehe Anhang B) als auch Französisch (siehe Anhang C) erstellt, da dies die drei Sprachen waren, in denen die Kandidaten das Assessment Center durchlaufen konnten. Auf diese Weise kann angenommen werden, dass alle Kandidaten die Fragen verstehen. Außerdem kann so die Rücklaufquote maximiert werden. Die englische Übersetzung wurde zweifach korrigiert. Für die französische Version des Fragebogens wurden zwei Übersetzer engagiert, die erst einzeln den Fragebogen ins Französische übersetzten und sich danach gemeinsam auf eine Übersetzung einigten. Diese Vorgehensweise bei der Übersetzung entspricht dem kollaborativen Ansatz von Douglas und Craig (2007), sodass inhaltliche Äquivalenz der Fragebögen gesichert ist. 3.3.1 Wahrnehmung Um die Wahrnehmung vom Assessment Center zu messen, wurde der Fragebogen AKZEPT!-AC von Kersting (2012) genutzt. Dieser enthält jeweils vier Items zu folgenden Dimensionen: Kontrollierbarkeit (z. B. „Ich habe die Übungen des Assessment Centers verstanden“), Messqualität (z. B. „Das Assessment Center misst das, was es misst, zuverlässig“), Augenscheinvalidität (z. B. „Das Assessment Center spiegelt Anforderungen wieder, die auch im Berufsleben gefordert sind“), Belastungsfreiheit (z. B. „Im Assessment Center fühlte ich mich überfordert“), Gute Organisation (z. B. „Das Assessment Center war gut organisiert“) und Positive Atmosphäre (z. B. Die Atmosphäre des Assessment Centers war positiv“). Die Beantwortung der Items erfolgte, auf einer 5- statt ursprünglich 6-fach gestuften Skala von 1 (Trifft überhaupt nicht zu) bis 5 (Trifft genau zu), um für die Kandidaten die Beantwortung der Fragen im gesamten Fragebogen konsistent zu halten. Alle Fragen, die auf einer 5-stufigen Skala beantwortet 33 werden konnten, wurden zur besseren Verständlichkeit für die Analysen so rekodiert, dass stärkere Zustimmung auch stärkere Ausprägung auf der jeweiligen Variable bedeutet. Inhaltlich wurden die Items nicht verändert, lediglich die Wortstruktur wurde auf Wunsch von EPSO teilweise angepasst, um negative Formulierungen zu vermeiden oder Subjekte in der Frage an das Assessment Center von EPSO anzupassen (z. B. Kompetenz-Ausweis statt Auswertung). Um nach diesen Anpassungen die Reliabilitäten der Skalen darzustellen, wurden die internen Konsistenzen durch den Cronbachs-AlphaKoeffizienten ausgerechnet. Die Reliabilitätskoeffizienten können aus Tabelle 2 entnommen werden. Tabelle 2. Reliabilitätskoeffizienten der AKZEPT!-Dimensionen und Faking Dimension Reliabilität Kontrollierbarkeit .85 Messqualität .90 Augenscheinvalidität .84 Belastungsfreiheit .75 Gute Organisation .73 Positive Atmosphäre .81 Faking .61 3.3.2 Faking-Verhalten Der Online-Fragebogen enthielt eine aus drei Items bestehende Skala zur Messung des Faking-Verhaltens, die ebenfalls auf Items von Kersting (2012) beruht. Diese misst die Tendenz, sich positiver darzustellen, als man eigentlich ist. Die Items lauten „Während des Assessment Centers habe ich mich so verhalten, wie ich wirklich bin“, „Im Assessment Center habe ich versucht, mich so zu verhalten, dass ich einen guten Eindruck mache“ und „Um beim Assessment Center gut abzuschneiden, habe ich Verhaltensweisen gezeigt, die das Gegenteil meines tatsächlichen Verhaltens waren“. Die Beantwortung erfolgte analog zur Beantwortung der Wahrnehmung des Assessment Centers. Nach Eliminierung des Items „Im Assessment Center habe ich versucht, mich 34 so zu verhalten, dass ich einen guten Eindruck mache“ hat die Faking-Skala eine Reliabilität von .61 (Cronbachs-Alpha). 3.3.3 Weitere Variablen Einige Fragen des Online-Fragebogens wurden aus früheren EPSOUmfragen übernommen. So wurde die Zufriedenheit mit dem gesamten Prozess mit der Frage „Was ist Ihr Gesamteindruck von Ihrer Teilnahme an dem Auswahlverfahren?“ gemessen. Die Beantwortung erfolgte auf einer 5stufigen Skala mit 1 (Ich habe einen sehr positiven Eindruck) bis 5 (Ich habe einen sehr negativen Eindruck). Die Konsequenzen der Wahrnehmung wurden über die Items Attraktivität des Arbeitsplatzes („Hat sich die Wahrnehmung der Europäischen Institutionen als Arbeitgeber in Zuge Ihrer Teilnahme am Auswahlverfahren verändert?“), Wiederbewerbungsabsichten („Könnten Sie sich vorstellen, sich noch einmal für einen Job bei der EU zu bewerben?“) und Empfehlungsabsichten („Würden Sie Freunden empfehlen, sich um einen Job bei den EU-Institutionen zu bewerben?“) gemessen. Neben den genannten Fragen beinhaltete der Online-Fragebogen auch allgemeine Fragen zur Erfassung von Nationalität, Geschlecht, Sprache 2 (ACSprache), Fremdsprachenkenntnisse und Position auf der Reserveliste. 3.4 Ablauf und Durchführung Der Online-Fragebogen wurde mit Hilfe der Befragungssoftware Unipark erstellt. Die Kandidaten konnten sich für die Sprachversion Englisch, Französisch oder Deutsch entscheiden. Die Versendung der E-Mails erfolgte durch EPSO und war ebenfalls in den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch. Die Online-Umfrage erfolgte zwischen der achten und elften Kalenderwoche 2013 mit einer Erinnerungsmail zwei Wochen nach Umfragestart. Insgesamt bestand der Fragebogen aus 54 Fragen, die in etwa 15 Minuten beantwortet werden konnten. 35 4 Ergebnisse 4.1 Länderunterschiede in der Akzeptanz Zur Untersuchung von Länderunterschieden in der Wahrnehmung wird eine MANOVA gerechnet. Die Vorteile einer MANOVA gegenüber mehreren ANOVAs bestehen darin, dass eine Alpha-Fehler-Akkumulierung verhindert wird, Korrelationen zwischen den abhängigen Variablen berücksichtigt werden und die Analyse eine höhere Power besitzt, da Gruppen kombiniert in den Gesamteffekt eingehen (Field, 2013). Die Voraussetzungen zur Berechnung einer MANOVA sind erfüllt. Die Daten können trotz testanalytischer Signifikanz nach Kolmogoroff-Smirnoff beziehungsweise Saphiro-Wilk durch Inspektion der Q-Q-Diagramme (Pospeschill, 2012) und der Normalverteilungskurve über die jeweiligen Histogramme als annähernd univariat normalverteilt angenommen werden. Die Varianzhomogenität innerhalb der zu untersuchenden acht Nationalitäten ist laut Levene-Test gegeben, einzig auf der Dimension Positive Atmosphäre zeigt sich keine Varianzhomogenität (p < .20). Hier wurde, Tabachnick und Fidell (2007) folgend, ein Fmax-Test durchgeführt. Das Ergebnis dieses Tests zeigt, dass auch für die Dimension Positive Atmosphäre keine Alpha-FehlerKorrektur vorgenommen werden muss. Somit kann Varianzhomogenität für alle Nationalitäten festgestellt werden. Die Homoskedastizität kann als gegeben angenommen werden, wenn der Box-M-Test einen Wert größer als .001 aufweist und somit nicht signifikant wird (Field, 2013). In der vorliegenden Arbeit kann die Homoskedastizität angenommen werden (p = .02). Da die Daten annähernd univariat normalverteilt sind und die Anzahl der Personen pro Gruppe größer 15 ist, wird in dieser Arbeit von multivariater Normalverteilung ausgegangen. Von einer Unabhängigkeit der Messung kann ausgegangen werden, da alle Personen nur einmal und unabhängig voneinander befragt wurden. Hypothese 1 ist so formuliert, dass keine Unterschiede zwischen den Ländern erwartet werden, weshalb das Alpha-Fehlerlevel-Niveau auf p = .10 gesetzt wird (Cortina & Folger, 1998). Eine MANOVA über die Variablen Kontrollierbarkeit, Messqualität, Augenscheinvalidität, Belastungsfreiheit, 36 Gute Organisation und Positive Atmosphäre zeigt, dass die Nationalität einen signifikanten Einfluss auf die Variablen hat, Wilks’Λ= .79, F(42,1082) = 1.36, p < .10. Die Teststärke- und Sensitivitätsanalyse wurde mit G*Power 3 durchgeführt (Faul, Erdfelder, Buchner & Lang, 2007). Hierbei beträgt Pillai V = .232 und die Effektgröße f2(V) = .04, bei α = .05. Es resultiert eine Power von .996. Die Sensitivitätsanalyse zeigt, dass die erforderliche Effektgröße, um einen Effekt mit gegebener Stichprobengröße von N = 243 zu finden, f2(V) = .02 beträgt. Deskriptive Statistiken für die AKEZEPT!-Dimensionen gibt Tabelle 3. 4.15 (0.72) 2.94 (0.93) 3.01 (0.91) 2.51 (0.68) 3.88 (0.74) 3.82 (0.67) 36 Kontrollierbarkeit Messqualität Augenscheinvalidität Belastungsfreiheit Gute Organisation Positive Atmosphäre n 29 3.72 (0.77) 3.90 (0.59) 2.50 (0.72) 3.05 (0.89) 2.74 (0.88) 4.15 (0.59) Deutschland 18 3.57 (0.80) 3.72 (0.64) 2.63 (0.82) 2.79 (0.84) 2.72 (0.88) 3.72 (0.53) Frankreich Anmerkungen. Angegeben sind Mittelwerte und Standardabweichungen (SD). Belgien Dimension Tabelle 3. Deskriptiv-Statistik für die AKZPT!-Dimensionen nach Land 57 3.65 (0.74) 3.73 (0.79) 2.46 (0.74) 2.67 (0.98) 2.60 (0.89) 3.75 (0.76) Italien 26 3.74 (0.62) 3.65 (0.57) 2.50 (0.74) 2.92 (0.81) 3.05 (0.78) 3.90 (0.56) Niederlande 24 4.24 (0.55) 4.04 (0.50) 2.63 (0.89) 2.97 (1.05) 3.13 (1.12) 4.17 (0.65) Rumänien 34 3.79 (0.80) 3.71 (0.69) 2.48 (0.88) 2.79 (0.78) 2.76 (0.88) 3.79 (0.79) Spanien 19 3.59 (0.97) 3.86 (0.78) 2.12 (0.78) 2.91 (1.04) 2.58 (0.95) 3.92 (0.76) Ungarn 243 3.76 (0.75) 3.80 (0.69) 2.48 (0.77) 2.87 (0.91) 2.80 (0.92) 3.93 (0.71) Gesamt 37 Tabelle 3. Deskriptiv-Statistik für die AKZEPT!-Dimensionen nach Land 38 4.2 Follow-Up-Analysen Die Berechnung von ANOVAs für die Dimensionen zeigen, dass es auf den Dimension Kontrollierbarkeit und Positive Atmosphäre signifikante Unterschiede zwischen den Ländern gibt: FKontrollierbarkeit(7, 235) = 2.25, p < .05, r = .25; FMessqualität(7, 235) = 1.45, p = .19, r = .20; FAugenscheinvalidität(7, 235) = 0.79, p = .60, r = .15; FBelastungsfreiheit(7, 235) = 0.82, p = .58, r = .15; FGute_Organisation(7, 235) = 0.96, p = .47, r = .17 und FPositive_Atmosphäre(7, 235) = 1.99, p < .10, r = .24. Die Teststärke für Kontrollierbarkeit beträgt .85, die für Positive Atmosphäre beträgt .79. Da es signifikante Länderunterunterschiede in der Wahrnehmung der Kontrollierbarkeit und der Positiven Atmosphäre gibt, wird im Folgenden der Games-Howell Test herangezogen, um herauszufinden, zwischen welchen Ländern die Unterschiede bestehen. Der Games-Howell-Test ist robust gegen ungleiche Gruppengrößen und Populationsvarianzen (Field, 2013). Der Test zeigt, dass es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Ländern auf der Dimension Kontrollierbarkeit gibt (p > .10), für alle spezifischen Ländervergleiche. Jedoch finden sich signifikante Unterschiede auf der Dimension Positive Atmosphäre zwischen Rumänien und Frankreich (p < .10), zwischen Rumänien und Deutschland (p < .10), zwischen Rumänien und den Niederlanden (p < .10) sowie zwischen Rumänien und Italien (p < .05). Insgesamt fällt auf, dass Rumänien im Vergleich zu allen anderen Ländern auf fünf von sechs Dimensionen nominell höhere Werte hat. 4.3 Geschlechtsunterschiede in der Akzeptanz Da hier nicht nach Nationalität unterschieden wird, besteht die Stichprobe für die folgenden Rechnungen aus N = 357 Personen. Für eine MANOVA zur Berechnung von Geschlechtsunterschieden bezüglich der sechs Dimensionen kann die Voraussetzung der Homoskedastizität durch den Box-M-Test bestätigt werden. Die MANOVA zeigt kein signifikantes Ergebnis (Wilks’Λ = .98, F(6,347) = 1.22, p = .30). Somit können keine Geschlechtsunterschiede gezeigt werden. Deskriptive Angaben befinden sich in Tabelle 4. Nominelle 39 Mittelwertsunterschiede auf den Dimensionen zeigen eine leichte Tendenz dahin, dass Frauen das Assessment Center ein wenig negativer wahrnahmen als Männer. Die MANOVA zeigt jedoch, dass diese Tendenz nicht signifikant wird. Tabelle 4. Deskriptiv-Statistiken von AKZEPT!Dimensionen nach Geschlecht Dimension Frauen Männer Kontrollierbarkeit 3.85 (0.69) 3.91 (0.77) Messqualität 2.74 (0.95) 2.74 (0.97) Augenscheinvalidität 2.79 (0.96) 2.88 (0.97) Belastungsfreiheit 2.38 (0.83) 2.57 (0.77) Gute Organisation 3.73 (0.69) 3.80 (0.69) Positive Atmosphäre 3.65 (0.85) 3.72 (0.80) Anmerkungen: Angegeben sind Mittelwerte und Standardabweichungen (SD), nMänner = 232, nFrauen = 122. 4.4 Zusammenhang zwischen Akzeptanz und Faking-Verhalten Um den Zusammenhang zwischen dem Faking-Verhalten der Kandidaten und ihrer Akzeptanz des Assessment Centers zu ermitteln, wurden bivariate Korrelationen berechnet. Einen Überblick gibt Tabelle 5. Es zeigen sich für fünf der sechs Dimensionen jeweils hoch signifikante, negative Korrelationen mit Faking-Verhalten (rKontrollierbarkeit = -.41, rMessqualität = -.46, rAugenscheinvalidität = -.48, rGute_Organisation = -.31 und rPositive_Atmosphäre = -.38, jeweils p < .01). Für die Dimension Belastungsfreiheit zeigt sich kein signifikanter Zusammenhang zum Faking. Insgesamt zeigt sich ein signifikanter Zusammenhang der Art, dass mit höherer Akzeptanz das Faking-Verhalten abnimmt (r = -.53, p < .01). 3.78 (0.69) 3.69 (0.82) 6. Gute Organisation 7. Positive Atmosphäre 3.88 (1.17) 4.09 (0.96) 11. Wiederbewerbungsabsicht 12. Empfehlungsabsicht Anmerkung. N = 357. * p < .05, ** p < .01. 2.84 (0.92) 10. Attraktivität Folgen 2.13 (0.89) 2.51 (0.79) 5. Belastungsfreiheit 9. Faking 2.86 (0.96) 4. Augenscheinvalidität 3.31 (1.18) 2.75 (0.96) 3. Messqualität 8. Gesamteindruck 3.89 (0.74) 3.25 (0.55) M(SD) 2. Kontrollierbarkeit 1. Akzeptanz (gesamt) Variable .40** .08 .50** -.53** .70** .81** .66** .08 .80** .81** .78** 1 Tabelle 5. Deskriptiv-Statistiken und Korrelationen der Variablen -28** .05 .32** -.41** .48** .58** .51** -.02 .52** .54** 2 .37** .12* .52** -.46** .69** .61** .38** -.23** .78** 3 .37** .07 .47** -.48** .65** .55** .35** -.17** 4 -.17** -.18** -.13* -.03 -.13* -.09 -.06 5 .30** .08 .26** -.31** .38** .56** 6 .43** .16** .50** -.38** .62** 7 .44** 20** .67** -.40** 8 -.26** -.08 -.29** 9 .50** .28** 10 .40** 11 40 Tabelle 5. Deskriptiv-Statistiken und Korrelationen der Variablen 41 4.5 Weitere Analysen 4.5.1 Sprache und Kontrollerleben Für ein internationales Auswahlverfahren ist es essentiell, dass Bewerber unterschiedlicher Herkunft und somit unterschiedlicher Sprachkenntnisse die gleiche Chance haben, das Verfahren mit positivem Ergebnis zu absolvieren. Keine Bewerbergruppe sollte zu irgendeinem Zeitpunkt benachteiligt werden. Um dies festzustellen, wird im Folgenden berechnet, ob die Kandidaten im Assessment Center von EPSO die Aufgaben verstanden haben und jederzeit wussten, was sie tun mussten (Kontrollierbarkeit). Im Mittel empfinden die Kandidaten das Assessment Centers als kontrollierbar (M = 3.90, SD = 0.74). Kandidaten, die das Assessment Center auf Englisch durchlaufen haben, unterscheiden sich hierbei nicht signifikant von Kandidaten, die das Assessment Center auf Französisch durchlaufen haben (t < 1, nenglisch = 311, nfranzösisch = 23). Da nur 3 Personen das Assessment Center auf Deutsch durchlaufen haben, werden diese nicht mit den anderen beiden Sprachgruppen verglichen. Folglich macht es keinen Unterschied, ob das Assessment Center auf Englisch oder Französisch absolviert wird, die Kandidaten empfinden es ähnlich kontrollierbar. Für Analysen zum Sprachniveau der Kandidaten wurden 20 Kandidaten aus dem Datensatz herausgefiltert, da diese entweder kein oder ein unglaubwürdiges Sprachniveau angegeben haben. So durften zum Beispiel Kandidaten aus Frankreich das Assessment Center nicht auf Französisch absolvieren und Kandidaten aus Großbritannien nicht auf Englisch. Infolgedessen resultieren N = 337 Kandidaten für die Analyse. Eine Korrelationsanalyse mit einseitiger Signifikanztestung (α = .05) zeigt, dass die Kontrollierbarkeit mit steigendem Sprachniveau ansteigt (r = .10, p < .05). Demnach empfinden offensichtlich Kandidaten, die ein höheres Sprachniveau in der Sprache besitzen, die sie im Assessment Center sprechen, das Assessment Center tendenziell kontrollierbarer als Kandidaten, die ein niedrigeres Sprachniveau ihrer AC-Sprache besitzen. Dieser Befund zeigt, dass es wichtig ist, ein gutes Sprachniveau zu besitzen. 42 4.5.2 Einfluss des Auswahlergebnisses auf die Zufriedenheit Kandidaten, die einen Platz auf der Reserveliste erhalten haben, haben einen signifikant besseren Gesamteindruck vom Auswahlverfahren, als Kandidaten, die keinen erhalten haben (t(353) = 5.82, p < .001). Des Weiteren unterscheiden sich Kandidaten, die keinen Platz auf der Reserveliste erhalten haben, signifikant von Kandidaten, die einen Platz auf der Reserveliste erhalten haben, bezüglich der Meinung zur Attraktivität des Arbeitsplatzes, der Wiederbewerbungsabsicht und der Empfehlungsabsicht: Kandidaten, die einen Platz auf der Reserveliste erhalten haben, bewerten die Attraktivität der Europäischen Institutionen als Arbeitgeber nach der Teilnahme am Auswahlverfahren signifikant besser als Kandidaten, die keinen Platz auf der Reserveliste erhalten haben (t(351) = 3.92, p < .001). Ebenso würden Kandidaten auf der Reserveliste signifikant häufiger Freunden empfehlen, sich bei den EU-Institutionen zu bewerben, als Kandidaten ohne einen Platz auf der Reserveliste (t(353) = 4.04, p < .001). Kandidaten auf der Reserveliste interessieren sich signifikant weniger dafür, sich noch einmal für die EUInstitutionen zu bewerben, als Kandidaten, die keinen Platz erhalten haben (t(322) = -2.53, p < .05). 4.5.3 Akzeptanz und ihre Folgen Wie zu erwarten war, korreliert der Gesamteindruck der Kandidaten hoch positiv mit der Akzeptanz des Assessment Centers (r = .70, p < .01). Um den Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung (Akzeptanz) und ihren Folgen, das heißt der Attraktivität des Arbeitsplatzes, der Wiederbewerbungsabsicht und der Weiterempfehlungsabsicht, Korrelationen berechnet. zu ermitteln, Deskriptive wurden Statistiken bivariate sowie die Korrelationskoeffizienten können aus Tabelle 5 entnommen werden. Während die Akzeptanz mit der Attraktivität des Arbeitsplatzes und der Empfehlungsabsicht hoch signifikant korreliert, zeigt sich kein Zusammenhang zwischen Akzeptanz und Wiederbewerbung. 4.5.4 Einfluss der Nationalität auf Faking-Verhalten Um den Einfluss von Nationalität auf Faking-Verhalten zu untersuchen, wird eine ANOVA gerechnet. Deskriptive Angaben können aus Tabelle 6 43 entnommen werden. Die Variable Faking ist in den zu untersuchenden acht Gruppen annähernd normalverteilt. Der Levene-Test zeigt, dass die Varianzen homogen sind. Das Ergebnis der ANOVA zeigt, dass es keinen signifikanten Einfluss von Nationalität auf das Faking-Verhalten gibt: F(7,235) = .95, p = .47, f = .17. Die Teststärke beträgt .49. Tabelle 6. Deskriptiv-Statistiken von Faking nach Nationalität Nationalität M(SD) n Belgien 2.06 (0.79) 36 Deutschland 2.02 (0.92) 29 Frankreich 2.03 (0.67) 18 Italien 2.28 (0.94) 57 Niederlande 2.06 (0.61) 26 Rumänien 1.79 (0.76) 24 Spanien 2.07 (1.02) 34 Ungarn 1.92 (0.90) 19 Gesamt 2.07 (0.86) 243 Anmerkung. Angegeben sind Mittelwerte, Standardabweichungen (SD) und Anzahl der Kandidaten pro Nationalität. 44 5 Diskussion Das Ziel dieser Arbeit bestand darin, einen Forschungsbeitrag zu Bewerberwahrnehmungen zu leisten, indem die Wahrnehmung von Personen unterschiedlicher Nationalitäten in einem Assessment Center erhoben und die gewonnen Daten auf nationaler Ebene miteinander verglichen werden. Des Weiteren wurde untersucht, inwiefern Faking-Verhalten der Bewerber mit der Wahrnehmung des Assessment Centers zusammenhängt. 5.1 Befunde Es konnte bis auf eine Ausnahme fundiert werden, dass die Nationalität keinen Einfluss auf die Wahrnehmung des Assessment Centers hat (Hypothese 1): Signifikante Unterschiede zeigen sich auf der Dimension Positive Atmosphäre zwischen Rumänien und jeweils den Ländern Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande. Die Daten weisen keine Hinweise auf eine Verzerrung in der rumänischen Gruppe auf. Es zeigt sich, dass rumänische Kandidaten das Assessment Center positiver wahrnehmen als Kandidaten anderer Nationalitäten. In der Untersuchung von Ispas et al. (2010) wurde herausgefunden, dass rumänische Arbeiter Personalauswahl durch persönliche Kontakte negativ bewerteten. Eine mögliche und plausible Erklärung sei, dass Rumänen von der kommunistischen Herrschaft geprägt seien, bei der die Personalauswahl nicht durch valide, anerkannte Instrumente, sondern entsprechend dem sogenannten Soviet Model erfolgte (Koubek & Brewster, 1995): Hiernach wurden Bewerber für eine Stelle ausgewählt, wenn sie selbst der Partei nahe standen. Eine Erklärung für die hohen Werte auf der Dimension Positive Atmosphäre könnte demnach sein, dass die rumänischen Kandidaten ihre Erfahrung beim Auswahlverfahren von EPSO mit ehemaligen, unter kommunistischer Herrschaft stattfindenden Auswahlverfahren vergleichen. Da mehr als die Hälfte der rumänischen Kandidaten im Assessment Center von EPSO 35 Jahre oder älter waren, ist es realistisch, dass sie das Auswahlsystem zumindest aus Erzählungen der Eltern kennen. Vielleicht empfinden rumänische Kandidaten die Atmosphäre bei EPSO daher in so hohem Maße positiv. Die festgestellten Unterschiede bezogen auf die rumänischen Bewerber zeigen zwar, dass es einen Hinweis auf unterschiedliche Wahrnehmung gibt, 45 jedoch ist dies nicht problematisch, da kein Bewerber durch das Assessment Center systematisch benachteiligt wird. Abgesehen von der oben beschriebenen Ausnahme ist die Wahrnehmungen der Kandidaten aus unterschiedlichen Ländern auf den jeweiligen Dimensionen vergleichbar. Das bedeutet, das Konzept der Reaktionsgeneralisierung (Anderson et al., 2012), kann nicht nur bezüglich unterschiedlicher Personalauswahlinstrumente, sondern unterschiedlicher Wahrnehmungsdimensionen in auch bezüglich Assessment Centern festgestellt werden. Diese vergleichbare Wahrnehmung zeigt, dass das Auswahlverfahren von EPSO so gestaltet ist, dass Personen unterschiedlicher Nationalität einen ähnlichen Eindruck vom Assessment Center gewinnen. Es wurde zusammenfassend als überdurchschnittlich kontrollierbar und gut organisiert erlebt. Die Atmosphäre im Assessment Center wurde sehr positiv bewertet, die Belastung war jedoch tendenziell spürbar. Insgesamt ist das Assessment Center somit ein gutes Instrument zur Personalauswahl. Hypothese 2, die besagte, dass es keinen Einfluss von Geschlecht auf die Wahrnehmung des Assessment Centers gibt, konnte durch die vorliegende Arbeit gestützt werden. Das Geschlecht der Kandidaten hatte keinen Einfluss darauf, wie die Auswahlsituation wahrgenommen wurde. Dies bedeutet, dass weder Frauen noch Männer die Auswahlsituation bei EPSO unterschiedlich empfanden. Sie sehen das Assessment Center ähnlich valide, kontrollierbar und belastend. Dieser Befund stützt bereits existierende Forschung, die ebenfalls zeigt, dass es keine geschlechtsspezifischen Effekte bezüglich der prozeduralen Gerechtigkeit gibt (Anderson et al., 2012; Cohen-Charash & Spector, 2001; LaHuis et al., 2007; Schinkel et al., 2013; Truxillo et al., 2001). Zusammenfassend zeigt sich, dass das Assessment Center von EPSO hinsichtlich der Wahrnehmung von Kandidaten geschlechtsneutral ist. Hypothese 3 besagte, dass es einen negativen Zusammenhang zwischen der Akzeptanz, das heißt der Wahrnehmung im Assessment Center, und dem Faking-Verhalten gibt. Diese Hypothese wird durch diese Arbeit gestützt. Insgesamt zeigt sich eine hoch signifikante, negative Korrelation zwischen Akzeptanz und Faking. Honkaniemi et al. (2011) zeigten zwar einen gegenteiligen Befund, jedoch konnte in der vorliegenden Arbeit eine knapp doppelt so große Stichprobe von Bewerbern untersucht werden, sodass es nahe 46 liegt, dass Bewerber, die ein Messinstrument als fair wahrnehmen, tendenziell weniger Faking-Verhalten zeigen als Bewerber, die ein Messinstrument als weniger fair wahrnehmen. Dieses Ergebnis stützt auch den Befund weiterer Studien (McFarland, 2003; Snell et al., 1999). Das bedeutet, je negativer der Eindruck vom Assessment Center, desto höher das Faking-Verhalten. Es konnte auch gezeigt werden, dass die Nationalität keinen Einfluss auf das Faking-Verhalten hat. Die Ergebnisse legen nahe, dass sich das FakingVerhalten der untersuchten Länder nicht voneinander unterscheidet. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Organisationskultur die Landeskultur überlagert. Hofstede (1991) spricht hierbei von einer kollektiven Programmierung des menschlichen Verstandes („software of the mind”). Es ist denkbar, dass sich Bewerber, die sich für einen Job bei der EU bewerben, ähnliche Ansichten, Ansprüche und Denkweisen besitzen, da über 58 % der Kandidaten schon einmal für die Europäischen Institutionen gearbeitet oder mit EU-Angelegenheiten zu tun gehabt haben. Es könnte also durchaus angenommen werden, dass sie hier die gleiche Sozialisierung durchlaufen haben. Durch Sozialisierungsprozesse erfahren Personen einer Organisation bestimmte Normen, Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen, die sie dann übernehmen (Jones, 1986; Saks, Uggerslev & Fassina, 2007). Hierdurch könnten sonstige kulturelle unterschiede vermindert werden, sodass sich letztendlich das Faking-Verhalten der Kandidaten dieser Untersuchung nicht voneinander unterscheidet. In diesem Fall hätte an dieser Untersuchung eine relativ homogene Stichprobe teilgenommen. Eine weitere Erklärung für das vergleichbare und geringe FakingVerhalten könnte sein, dass die Kandidaten sich nicht getraut haben, ihre Angaben zu verfälschen. Barnett (1998) legt dar, dass Menschen auf sozial unerwünschte Fragen, vor allem, wenn sie direkt gestellt werden, tendenziell nicht ehrlich antworten. Die Kandidaten dieser Untersuchung könnten befürchtet haben, ihre Anonymität sei nicht gewährleistet, sodass sie ihre Antwort in eine sozial erwünschte Richtung verzerrt haben (Donovan et al., 2003). Wie EPSO mitteilte, erzeugte auch die vorliegende Arbeit Resonanz in sozialen Netzwerken. Darüber hinaus wäre es möglich, dass die Kandidaten Konsequenzen befürchteten, falls sie nicht ehrlich gewesen wären. Da es sich bei dem vorliegenden Assessment Center um ein offizielles, groß angelegtes 47 Auswahlverfahren handelt, ist es plausibel, dass sich die Bewerber wegen fälschlicher Angaben vor negativen Konsequenzen fürchteten. 5.2 Einschränkungen Die Untersuchung dieser Arbeit hat bestimmte Einschränkungen, die die Generalisierbarkeit der Ergebnisse beeinträchtigen. So wurde aus statistischen Gründen nur auf Nationalitäten zurückgegriffen werden, deren Gruppengröße über 15 Personen lag. Hierdurch ergab sich, dass nur acht europäische Länder miteinander verglichen werden konnten. Folglich sind die Ergebnisse dieser Untersuchung nicht auf alle europäischen Auswahlsituationen übertragbar. Hierzu müsste in zukünftigen Studien noch weitere Forschung stattfinden. Zudem liegt der Verdacht nahe, dass die Kandidatenstichprobe bezüglich ihrer Normen und Werte sehr homogen war. Sie haben sich alle für einen Job in den Europäischen Institutionen beworben und vorherige Auswahlverfahren bestanden. Die Mehrzahl der Kandidaten hat schon einmal für die EU gearbeitet oder mit EU-Angelegenheiten zu tun gehabt. Homogene Stichproben bedeuten, dass die Varianz eingeschränkt ist. Dies kann dazu führen, dass Unterschiede zwischen den Gruppen nicht aufgedeckt werden können. Der Vorteil dieser Untersuchung liegt jedoch darin, dass innerhalb eines Auswahlverfahrens sehr viele Bewerber unterschiedlicher Nationalität befragt werden konnten. Keine andere mir bekannte Untersuchung war bisher in der Lage, Daten aus allen EU-Ländern gleichzeitig zu erheben. Des Weiteren besaßen die Bewerber ein sehr gutes Sprachniveau in Englisch, Französisch oder Deutsch, sodass der Fragebogen nicht in alle europäischen Sprachen übersetzt werden musste. Außerdem haben die Bewerber ein reales Assessment Center durchlaufen. Der Vorteil gegenüber Studien, in denen sich die Bewerber lediglich vorstellen sollen, sich für einen Job zu bewerben, liegt also darin, dass sich die Bewerber hier tatsächlich in einem realen Auswahlprozess befanden und diesen bewerteten. Eine weitere Einschränkung liegt darin, dass die Faking-Skala nur eine geringe interne Konsistenz aufweist. Dies könnte daran liegen, dass die Skala relativ kurz ist. Auf der einen Seite könnte die Reliabilität durch Erhöhung der Item-Anzahl erhöht werden, auf der anderen Seite stellt dies auch immer einen 48 Mehraufwand für die Kandidaten dar, die sich bereit erklären, an der Untersuchung teilzunehmen. Redundante Fragen können die Motivation zum Ausfüllen eines Fragebogens verringern (Bühner, 2011). Daher ist abzuwägen, auf welche Weise die interne Konsistenz der Skala künftig erhöht werden soll. Das Faking-Verhalten wurde in dieser Arbeit erfasst, indem die Kandidaten nach ihrem Verhalten gefragt wurden. Hier könnte die Hemmschwelle sehr hoch sein, ehrlich zu antworten, weshalb in zukünftigen Studien eine indirekte Abfrage des Faking-Verhaltens anzuraten wäre. Eine von Warner (1965) vorgestellte Methode ist die Randomized Response Technique. Auf diese Weise hätten die Probanden neben der schriftlichen Zusicherung auf Anonymität zusätzlich durch die zufallsbasierte Beantwortung die Sicherheit für Anonymität. Des Weiteren besteht eine Einschränkung darin, dass in dieser Arbeit lediglich die Beziehung zwischen der Wahrnehmung des Assessment Centers und des Faking-Verhaltens untersucht wurde. Korrelationen lassen nicht auf Kausalität schließen, weshalb zum Beispiel nicht eindeutig gesagt werden kann, dass die Kandidaten Faking-Verhalten gezeigt haben, weil sie einen bestimmten Eindruck des Auswahlverfahrens hatten. Es wäre auch möglich, dass die Kandidaten aufgrund ihrer verfälschten Angaben den Auswahlprozess auf eine bestimmte Art und Weise wahrnahmen. Erstere Erklärung scheint hier jedoch plausibler. 5.3 Implikationen für Forschung und Praxis Aus der vorliegenden Arbeit können verschiedene Implikationen, einerseits für die Forschung, andererseits für die Praxis, abgeleitet werden. Die in dieser Arbeit angewandte Skala des AKZEPT!-AC-Fragebogens von Kersting (2012) beinhaltet sechs Dimensionen der Wahrnehmung: Kontrollierbarkeit, Messqualität, Augenscheinvalidität, Belastungsfreiheit, Gute Organisation und Positive Atmosphäre. Zukünftige Forschung sollte in Erfahrung bringen, welche Dimensionen der Wahrnehmung für welche Personalauswahlinstrumente relevant sind und welche Aspekte der Wahrnehmung vielleicht noch fehlen. Das in dieser Arbeit verwendete Messinstrument ist hinsichtlich der Dimensionen breit aufgestellt und erfasst 49 mit der Augenscheinvalidität und der wahrgenommenen prädiktiven Validität die wichtigsten Aspekte. Insgesamt ähnelt es inhaltlich der Selection Procedural Justice Scale von Bauer et al. (2001), welche die zehn Regeln der prozeduralen Gerechtigkeit von Gilliland (Gilliland, 1993) abbilden. Um zu untersuchen, welche Aspekte der Wahrnehmung relevant sind, könnte das Modell von Hausknecht et al. (2004) als Orientierung dienen, da hier sämtliche Aspekte der Wahrnehmung herausgestellt wurden. Darüber hinaus sollte zukünftige Forschung stärker darauf eingehen, wie das Auswahlinstrument Assessment Center von den Bewerbern wahrgenommen wird. Bisherige Forschung untersuchte zwar nationale Unterschiede hinsichtlich der Wahrnehmung verschiedener Auswahlinstrumente (Anderson et al., 2012; Anderson & Witvliet, 2008; Bertolino & Steiner, 2007; Bilgiç & Acarlar, 2010; Hoang et al., 2012; Ispas et al., 2010; Marcus, 2003a; Moscoso & Salgado, 2004; Nikolaou & Judge, 2007; Phillips & Gully, 2002; Steiner & Gilliland, 1996), jedoch fehlt hier das Assessment Center. Die enthaltenen Work Samples besitzen zwar einen ähnlichen Anwendungsbezug wie Assessment Center, sie unterscheiden sich von diesen jedoch in einigen Aspekten: So sind Work Samples typischerweise praktische Arbeitsproben, in denen ein Bewerber eine reale Arbeitssituation erfährt oder sich vorstellt und daraufhin aufzeigt, wie er in der Situation vorgehen würde (Callinan & Robertson, 2000). Ein Assessment Center besteht dagegen aus unterschiedlichen praktischen Bestandteilen, wobei aber ebenfalls kognitive Aufgaben sowie strukturierte Interviews enthalten sein können (Cook, 2009). Es wäre demnach interessant zu sehen, wie Bewerber auf das Instrument Assessment Center bezüglich spezifischer Dimensionen reagieren. Mit dieser Arbeit ist ein erster Schritt in Richtung Bewerberwahrnehmungen im Assessment Center erfolgt. Das Verlangen, die Auswahlsituation aus der Perspektive der Bewerber zu betrachten wird immer größer (Hausknecht et al., 2004; Truxillo et al., 2009). Wird der Blickwinkel der Bewerber eingenommen, so könnte dies dabei helfen, die Gründe zu erfahren, warum das Assessment Center im Allgemeinen eine sehr hohe Beliebtheit besitzen. Erhalten Personalverantwortliche dieses Verständnis, so wären sie in der Lage, weniger beliebte, jedoch hoch valide 50 Verfahren, wie zum Beispiel kognitive Fähigkeitstests, zu einer höheren Akzeptanz zu verhelfen. Ein weiterer Punkt, den die Forschung verfolgen sollte, besteht darin, den Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung eines Auswahlinstruments und des Faking-Verhaltens zu verfolgen. Honkaniemi et al. (2011) fanden heraus, dass die Wahrnehmung und das Faking-Verhalten positiv korrelieren, in dieser Arbeit stellte sich eine negative, hoch signifikante Korrelation dar. Korrelationsstudien lassen keinen kausalen Schluss darüber zu, welche Variable die andere bedingt. Demnach müssen hier neben weiteren Korrelationsstudien auch Experimentalstudien ansetzen, um der Richtung der Korrelation auf den Grund zu gehen. Für die Praxis hat sich gezeigt, dass das Assessment Center ein gutes Personalauswahlinstrument ist. Obwohl das Faking-Verhalten als solches einen Einfluss auf die Auswahl der Bewerber hat, wie Levashina und Campion (2007) für Interviews gezeigt haben, konnten in dieser Arbeit keine Hinweise auf Länderunterschiede im Faking-Verhalten gezeigt werden. Somit kann angenommen werden, dass keine Korrekturen für Faking-Verhalten spezifisch für unterschiedliche Länder vorgenommen werden müssen. Die Wahrnehmung von Bewerbern in einem Assessment Center zu untersuchen ist für die Praxis von großer Bedeutung, da die Wahrnehmung weitreichende Konsequenzen haben kann (Hausknecht et al., 2004). Sie kann auf der einen Seite das Image, das heißt die Attraktivität des Unternehmens beeinflussen, und auf der anderen Seite die Weiterempfehlungsabsichten sowie die Wiederbewerbungsabsichten. In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass Kandidaten, die einen positiven Eindruck vom Assessment Center haben, dieses attraktiver finden und eher weiterempfehlen, als Kandidaten, die einen negativeren Eindruck vom Assessment Center hatten. Es ist daher für ein Unternehmen sehr wichtig, dass ihre Bewerber, gerade weil es immer welche geben wird, die abgelehnt werden, nicht aufgrund einer negativ wahrgenommenen Auswahlsituation dem Unternehmen ein schlechtes Image verleihen. Unternehmen würden demnach davon profitieren, regelmäßig ihre Bewerber nach ihrer Wahrnehmung zu befragen oder, wie Truxillo et al. (2009) vorschlagen, den Bewerbern ein individuelles Feedback geben, da dieses ebenfalls die Wahrnehmung beeinflussen kann. 51 6 Résumé Das internationale Assessment Center von EPSO hinterlässt insgesamt einen positiven Eindruck bei den Kandidaten. Das Geschlecht sowie die Nationalität eines Kandidaten spielen bei der Wahrnehmung des Assessment Centers praktisch keine Rolle. Ein sehr gutes Sprachniveau sollte jedoch bei jedem Kandidaten vorhanden sein, damit er zu jeder Zeit einen Überblick über die Übungen behält und somit Kontrolle über den Ablauf hat. Es zeigte sich, dass die Wahrnehmung mit der Attraktivität und der Empfehlungsabsicht korreliert, sodass es für EPSO auch in Zukunft wichtig ist, Bewerberwahrnehmungen zu untersuchen. Nur so können mögliche Folgen, wie zum Beispiel ein Imageverlust, vermieden werden. Das Faking-Verhalten seitens der Kandidaten steht im Zusammenhang mit der Wahrnehmung. Je positiver der Eindruck vom Assessment Center, desto weniger verfälschen die Kandidaten ihre Angaben. Dies stellt einen weiteren Grund für EPSO dar, die Wahrnehmungen ihrer Bewerber zu verstehen. Ist EPSO in der Lage, ihren Kandidaten ein positives Bild der Personalauswahl zu vermitteln, kann das Ansehen der Europäischen Institutionen als Arbeitgeber weiter ansteigen und ehemalige Kandidaten werden eher Empfehlungen bezüglich eines Arbeitsplatzes aussprechen. Insgesamt liefert Forschung zu Bewerberwahrnehmungen wertvolle Erkenntnisse, die für die Konstruktion von Auswahlprozessen wichtig sind. 52 Literaturverzeichnis Achouri, C. 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Saarbücken, den 17.12.2013 (Name des Diplomanden) Einverständniserklärung Ich erkläre mich einverstanden/nicht einverstanden, dass meine Diplomarbeit an Personen, die nicht mittelbar oder unmittelbar an meiner Prüfung beteiligt sind, ausgeliehen wird. Saarbrücken, den 17.12.2013 (Name des Diplomanden) 85