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Bewerberwahrnehmungen im Auswahlverfahren des Europäischen Amtes für Personalauswahl

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Bewerberwahrnehmungen im Auswahlverfahren des Europäischen Amtes für Personalauswahl
I
Bewerberwahrnehmungen im
Auswahlverfahren des Europäischen
Amtes für Personalauswahl
Diplomarbeit
in der Fachrichtung Psychologie
der Universität des Saarlandes
vorgelegt von
Verena Kathrin Steffen
Betreuer: Prof. Dr. Cornelius J. König
Betreuer: Dipl.-Psych. Clemens Fell
Saarbrücken 2013
II
Danksagung
Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich bei dieser Arbeit unterstützt und
motiviert haben. Ganz besonders möchte ich meinen Übersetzern für ihren
Einsatz und ihr Interesse an dieser Arbeit danken. Auch allen
KorrekturleserInnen gilt mein Dankeschön. Ihr habt mir wertvolle Anregungen
gegeben, wenn ich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen habe. Für
die engagierte Betreuung während dieser Arbeit möchte ich mich ganz herzlich
bei Dipl.-Psych. Clemens Fell und Prof. Dr. König bedanken. Herrn
Vanderveken von EPSO möchte ich danken für die freundliche Bereitschaft zur
Zusammenarbeit, die mir die Erstellung dieser Arbeit ermöglicht hat.
III
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis .................................................................................... V Tabellenverzeichnis ........................................................................................ VI 1 Einleitung .................................................................................................... 1 2 Theorie ......................................................................................................... 4 2.1 Personalauswahl ........................................................................................ 4 2.2 Assessment Center ..................................................................................... 6 2.3 Akzeptanz von Auswahlmethoden ............................................................ 9 2.3.1 Perspektivenwechsel ............................................................................. 10 2.3.2 Folgen unfairer Personalauswahl.......................................................... 11 2.3.3 Modelle zu Bewerberwahrnehmungen ................................................. 12 2.3.3.1 Modell der Sozialen Validität ............................................................ 13 2.3.3.2 Modell der Bewerberreaktionen ........................................................ 14 2.3.3.3 Heuristisches Modell ......................................................................... 16 2.3.3.4 Synthese und Fazit ............................................................................. 17 2.3.3.5 Akzept!-AC-Fragebogen
–
Messung
der
Akzeptanz
im
Assessment Center ........................................................................... 18 2.4 Befunde zur Akzeptanz in Auswahlprozessen ........................................ 19 2.4.1 Kulturelle Unterschiede in der Wahrnehmung ..................................... 19 2.4.2 Geschlechtsunterschiede in der Wahrnehmung .................................... 22 2.5 Zusammenhang zwischen Bewerberreaktionen und Faking in
Auswahlprozessen ................................................................................... 23 2.6 Weitere Forschungsfragen ....................................................................... 25 3 Methoden ................................................................................................... 28 3.1 Europäisches Amt für Personalauswahl – EPSO .................................... 28 3.2 Stichprobe ................................................................................................ 29 3.3 Variablen ................................................................................................. 32 3.3.1 Wahrnehmung ...................................................................................... 32 3.3.2 Faking-Verhalten .................................................................................. 33 3.3.3 Weitere Variablen ................................................................................. 34 3.4 Ablauf und Durchführung ....................................................................... 34 4 Ergebnisse.................................................................................................. 35 4.1 Länderunterschiede in der Akzeptanz ..................................................... 35 IV
4.2 Follow-Up-Analysen ............................................................................... 38 4.3 Geschlechtsunterschiede in der Akzeptanz ............................................. 38 4.4 Zusammenhang zwischen Akzeptanz und Faking-Verhalten ................. 39 4.5 Weitere Analysen .................................................................................... 41 4.5.1 Sprache und Kontrollerleben ................................................................ 41 4.5.2 Einfluss des Auswahlergebnisses auf die Zufriedenheit ...................... 42 4.5.3 Akzeptanz und ihre Folgen ................................................................... 42 4.5.4 Einfluss der Nationalität auf Faking-Verhalten .................................... 42 5 Diskussion .................................................................................................. 44 5.1 Befunde .................................................................................................... 44 5.2 Einschränkungen ..................................................................................... 47 5.3 Implikationen für Forschung und Praxis ................................................. 48 6 Résumé ....................................................................................................... 51 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 52 Anhang A – Fragebogen Deutsch .................................................................. 66 Anhang B – Fragebogen Englisch ................................................................. 72 Anhang C – Fragebogen Französisch ........................................................... 78 Eidesstattliche Erklärung .............................................................................. 84 V
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1. Konzept der Sozialen Validität (nach Schuler, 1993, S.13) ....... 13 Abbildung 2. Modell der Bewerberreaktionen (nach Gilliland, 1993, S.
700) ............................................................................................. 15 Abbildung 3. Heuristisches Modell (nach Hausknecht et al., 2004, S. 642) .... 17 VI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1. Anzahl Kandidaten nach Nationalität .............................................. 30 Tabelle 2. Reliabilitätskoeffizienten der AKZEPT!-Dimensionen und
Faking .............................................................................................. 32 Tabelle 3. Deskriptiv-Statistik für die AKZEPT!-Dimensionen nach Land .... 36 Tabelle 4. Deskriptiv-Statistiken von AKZEPT!-Dimensionen nach
Geschlecht ....................................................................................... 38 Tabelle 5. Deskriptiv-Statistiken und Korrelationen der Variablen ................. 39 Tabelle 6. Deskriptiv-Statistiken von Faking nach Nationalität....................... 42 1
1 Einleitung
Im Zuge des demographischen Wandels nimmt die Bedeutung der
Personalauswahl zu und stellt eine zentrale Aufgabe für Organisationen dar
(Achouri, 2010). Die Europäische Union hat seit einem Beschluss des
Europäischen Parlaments 2002 ein eigenes Amt für Personalauswahl, European
Personnel
Selection
Office
(EPSO),
das
das
Recruiting
und
die
Personalauswahl für alle Europäischen Institutionen übernimmt (Europäisches
Parlament, 2002). Die Jobs bei den Europäischen Institutionen sind vielfältig
und beliebt. So haben sich z.B. 2011 über 41.000 Bewerber1 für das
Auswahlverfahren EPSO/AD/206/11 und EPSO/AD/207/11 beworben (EU
Careers, 2012).
Bei einer so großen Bewerberzahl, muss eine Organisation darauf achten,
dass der Auswahlprozess nicht zu negativen Bewerberreaktionen führt. Die
Folgen wahrgenommener Ungerechtigkeit im Auswahlverfahren können
verheerend sein (Gilliland, 1993; Hausknecht, Day & Thomas, 2004). Neben
einer unmittelbaren Verurteilung der Organisation aufgrund ungerechter
Behandlung, kann auch das Image der Organisation so stark leiden, dass sich in
Zukunft weniger Bewerber hier für einen Arbeitsplatz interessieren. Daher ist
es für eine Organisation wichtig zu wissen, welche Perspektive die Bewerber
bezüglich
des
Auswahlverfahrens
einnehmen
und
inwieweit
ein
Auswahlinstrument von den Bewerbern akzeptiert wird.
Darüber
hinaus
wird
angenommen,
dass
die
Akzeptanz
eines
Auswahlinstrumentes die Motivation zum Faken von Bewerbern beeinflussen
kann (Snell, Sydell & Lueke, 1999). Somit könnte Faking-Verhalten eine
Konsequenz negativer Wahrnehmung von einem Auswahlverfahren sein.
McFarland (2003) konnte zeigen, dass Personen, die negative Meinungen über
eine Auswahlmethode besaßen, eher ihre Angaben verfälschten als Personen,
die
positiv
über
die
Methode
dachten.
In
Situationen,
in
denen
zwischenmenschliche Fähigkeiten erforderlich sind, wie beispielsweise in
Rollenspielen in Assessment Centern, neigen Bewerber häufiger zu Faking1
Jeder Hinweis in dieser Diplomarbeit, der sich auf Personen männlichen Geschlechts bezieht,
gilt grundsätzlich ebenso für Frauen
2
Verhalten als in Situationen, in denen diese Kompetenzen nicht erforderlich
sind (McFarland, Yun, Harold, Viera & Moore, 2005).
Bisherige
Untersuchungen
zur
Perspektive
der
Bewerber
auf
Auswahlverfahren konzentrierten sich auf eine Vielzahl von Auswahlverfahren
(Anderson & Witvliet, 2008). Obwohl sich Assessment Center einer großen
Beliebtheit erfreuen (Krause, 2011), fanden sie in der Forschung zu
Bewerberwahrnehmungen bisher wenig Beachtung. In dieser Arbeit soll daher
die Bewerberwahrnehmung des Assessment Centers untersucht werden. Im
Auswahlprozess von EPSO ist das Assessment Center der letzte Schritt, bevor
Kandidaten die Chance auf einen Arbeitsplatz bei den Europäischen
Institutionen erhalten.
Diese Arbeit ist international ausgerichtet und basiert auf der Befragung
von Kandidaten aus allen EU-Ländern. Auf diese Weise kann eine große
Vielfalt
an
Meinungen
untersucht
werden.
Für
Organisationen,
die
international auf Bewerbersuche sind, ist es ein großer Vorteil, zu erfahren, wie
Bewerber aus unterschiedlichen Ländern auf ihr Auswahlinstrument reagieren:
Organisationen
können
gegebenenfalls
ihre
Methoden
internationaler
Personalauswahlprozesse sowie für die Auswahl von Expatriates anpassen und
lernen, wie den unterschiedlichen Reaktionen am besten begegnet wird
(Schuler, 1993; Steiner & Gilliland, 2001). Des Weiteren gibt Forschung zu
Länderunterschieden
Hinweise
auf
interkulturelle
Unterschiede
und
Ähnlichkeiten in Bewerberreaktionen (Gilliland, 1993).
Für diese Arbeit werden Bewerberwahrnehmungen in einem einheitlichen
Kontext untersucht. Das bedeutet, alle Bewerber sind ehemalige Kandidaten
des Assessment Centers von EPSO und können ihre Bewertungen auf
Erfahrung stützen.
Ziel dieser Arbeit ist es, zu zeigen, wie die Kandidaten des EPSOAuswahlverfahrens das Assessment Center wahrnehmen, das heißt, wie hoch
die Akzeptanz ist, und ob die Wahrnehmung durch die Nationalität oder das
Geschlecht beeinflusst wird. Des Weiteren soll in Erfahrung gebracht werden,
in welchem Zusammenhang Bewerberwahrnehmung und Faking-Verhalten
stehen. Weiterhin werden die Folgen von Bewerberwahrnehmungen,
beispielsweise die Attraktivität der Europäischen Institutionen als Arbeitgeber
oder Empfehlungsabsichten untersucht.
3
Im Folgenden wird zunächst die Personalauswahl und im Besonderen die
Personalauswahl
durch
ein
Assessment
Center
dargestellt
werden.
Anschließend wird zum einen der Begriff der Akzeptanz näher erläutert und
zum anderen der Perspektivenwechsel in der Personalauswahl dargelegt. Die
Folgen unfairer Personalauswahl werden aufgezeigt und Modelle der
Bewerberwahrnehmung vorgestellt. Darüber hinaus werden Befunde zur
Bewerberwahrnehmung
angeführt
und
kulturelle
Unterschiede
sowie
Geschlechtsunterschiede in Bewerberwahrnehmungen aufgezeigt. Weiterhin
werden die Bedeutung und mögliche Auswirkungen von Faking-Verhalten
durch Bewerber dargestellt.
4
2 Theorie
2.1 Personalauswahl
Täglich sind Unternehmen auf der Suche nach neuen Mitarbeitern. Dies
lässt sich an der enormen Anzahl aktueller Stellenausschreibungen in
Zeitungen, in Internet-Stellenbörsen, von Jobcentern und auf Karriereseiten
von Unternehmen erkennen. Laut einer Studie, die von monster.de, der in
Deutschland bekanntesten Internet-Stellenbörse, in Auftrag gegeben wurde,
schreiben Unternehmen mittlerweile knapp 70 Prozent ihrer freien Stellen auf
Online-Portalen aus (Weitzel et al., 2013). In der EU waren im dritten Quartal
2012 etwa 1,66 Millionen Stellen unbesetzt (Europäische Kommission, 2013).
Da hier zum einen nur 16 Mitgliedsstaaten und zum anderen keine Stellen für
interne Bewerber berücksichtigt wurden, wird die Gesamtzahl aller offenen
Stellen in der EU sogar noch unterschätzt. Auf eine von EPSO ausgeschriebene
Stelle kommen eine Vielzahl geeigneter Bewerber, welches einer hohen
Basisrate entspricht (Weuster, 2012).
Für die Personalauswahl besteht nach Eingang der Bewerbungsunterlagen
die Herausforderung darin, einen Überblick über die erhaltenen Bewerbungen
zu erlangen und die am besten geeignete Person für die freie Stelle
herauszufiltern (Lorenz & Rohrschneider, 2009). Da nicht jeder Bewerber eine
Stelle erhält, wie es bei der Platzierung der Fall wäre, geht es hier um Selektion
(Amelang & Schmidt-Atzert, 2006). Die Selektion eines geeigneten Bewerbers
ist deshalb so wichtig, weil Unternehmen durch Fehlentscheidungen hohe
Kosten entstehen (Lorenz & Rohrschneider, 2009). So kann es sein, dass eine
Person nicht alle für den Job erforderlichen Kompetenzen besitzt und ein
Kollege die Arbeit übernehmen muss, oder dass der Bewerber das
Unternehmen frühzeitig wieder verlässt, wodurch es zu einer erneuten,
aufwendigen Personalauswahl käme (Weuster, 2012). Ein geeigneter Bewerber
hingegen stellt für das Unternehmen wertvolles Humankapital dar (Birri,
2011). Die Leistungsfähigkeit des Unternehmens steigt und die Mitarbeiter
sind zufrieden, da die Arbeit ihren Fähigkeiten und Interessen entspricht
(Schuler & Höft, 2007).
5
Geeignete Bewerber zeichnen sich nicht nur durch entsprechende
Qualifikationen aus, sie teilen auch die Werte der Organisation und haben
genau die Eigenschaften, die der Job verlangt. Diese Passung zwischen der
Person und den Charakteristiken der Arbeitsumgebung – Job, Organisation,
Gruppe, Vorgesetzter – wird auch Person-Environment Fit genannt (Kauffeld,
2011). Um eine bestmögliche Übereinstimmung zu erzielen, bestimmt das
Unternehmen die Kriterien, die der Bewerber erfüllen muss (Marcus, 2011).
Die Anforderungen, die an den Bewerber gestellt werden, untersucht die
Personaldiagnostik (Kanning, 2004). Sie hilft, Fehlentscheidungen zu
vermeiden und bedient sich dabei verschiedener eignungsdiagnostischer
Instrumente.
strukturierte
Typische
Instrumente
Einstellungsinterview,
der
Personaldiagnostik
Leistungstests,
sind
das
Arbeitsproben,
biographische Fragebögen oder Assessment Center (Cook, 2009).
Die Anwendung dieser Instrumente hängt von unterschiedlichen Faktoren
ab (Krause, 2011): So haben unter anderem die Branche des Unternehmens, die
Tätigkeit an sich sowie die Organisationsgröße einen Einfluss darauf, ob ein
bestimmtes Personalauswahlinstrument zum Einsatz kommt. Krause und
Gebert (2003) ziehen den Schluss, dass größere Unternehmen über ein höheres
Budget verfügen, sodass kosten- und zeitintensive Instrumente, wie ein
Assessment Center, eher durchgeführt werden als in kleineren Unternehmen.
Des Weiteren spielt auch die Kultur eine Rolle bei der Auswahl von
Personalauswahlinstrumenten. So stellten Ryan, McFarland, Baron und Page
(1999) fest, dass in Ländern mit hoher Unsicherheitsvermeidung (Hofstede,
1991) mehr Interviews durchgeführt und die von Bewerbern erhaltenen
Informationen häufiger durch andere Maßnahmen verifiziert werden als in
Ländern mit niedriger Unsicherheitsvermeidung. Das Assessment Center, mit
seinen simulationsorientierten Aufgaben, ist sicherlich ein besonderes und
vergleichsweise sehr kosten- und zeitaufwendiges Verfahren.
6
2.2 Assessment Center
Kleinmann (2003, S. 1) definiert Assessment Center als „multiple
diagnostische Verfahren, welche systematisch Verhaltensleistungen bzw.
Verhaltensdefizite
von
Personen
erfassen.
Hierbei
schätzen
mehrere
Beobachter gleichzeitig für einen oder mehrere Teilnehmer die Leistungen
nach
festgelegten
Regeln
in
Bezug
auf
vorab
definierte
Anforderungsdimensionen ein.“ Diese Definition enthält alle charakteristischen
Merkmale von Assessment Centern: Sie bestehen immer aus einer
Kombination verschiedener Übungen, in denen die Teilnehmer auf
unterschiedlichen Dimensionen bezüglich ihrer beobachtbaren Leistung von
mehreren Beobachtern beurteilt werden. Der Arbeitskreis Assessment Center
e.V. spezifiziert die Übungen als verhaltensorientierte Simulationsverfahren,
wobei oft auch „weitere eignungsdiagnostische Verfahren wie psychologische
Testverfahren
oder
Interviews
herangezogen
[werden]“
(Arbeitskreis
Assessment Center e.V., 2008). Das Ziel von simulationsorientierten Verfahren
ist die möglichst realitätsnahe Abbildung der Arbeitssituation, sodass das
beobachtete Verhalten als Repräsentation des eigentlichen Arbeitsverhaltens
gesehen wird (Schuler & Höft, 2007).
Die Konstruktion von Assessment Centern ist Länderunterschieden und
zeitlichen Veränderungen unterworfen. Typische Übungen eines Assessment
Centers sind Gruppendiskussion, Rollenspiel, Fallstudie, (Selbst-)Präsentation,
Postkorbübung, manuelle Arbeitsprobe und computergestütztes Szenario
(Kleinmann, 2003). Bezüglich der Zusammenstellung der Übungen gibt es kein
Standard-Assessment Center und aus Kostengründen werden normalerweise
nicht alle genannten Übungen in einem Assessment Center durchgeführt. Die
im deutschsprachigen Raum am häufigsten eingesetzten Verfahren sind
Präsentation, Rollenspiel, Fallstudie, Interview und Gruppendiskussion (Höft
& Obermann, 2010). Spychalski, Quiñones, Gaugler und Pohley (1997)
untersuchten die in den Vereinigten Staaten von Amerika am häufigsten
eingesetzten Verfahren und zeigten, dass hier die Postkorbübung und
Gruppendiskussionen am häufigsten verwendet werden. Während diese Daten
von 1990 sind, zeigen Krause und Thornton III (2009) in ihrer Studie, dass sich
die Rangfolge in Nordamerika mittlerweile geändert hat. So zählen
7
mittlerweile Rollenspiel, Präsentation und Postkorbübung zu den am
häufigsten eingesetzten Übungen. Die häufigsten Assessment Center-Aufgaben
in Westeuropa sind Präsentation, Gruppendiskussion und Rollenspiel (Krause
& Thornton III, 2009). In den einzelnen Übungen werden inhaltlich
verschiedene Dimensionen erfasst, auf denen das beobachtbare Verhalten der
Teilnehmer bewertet wird.
Die Dimensionen weisen inhaltlich eine hohe Ähnlichkeit auf. Sie
unterscheiden sich in vielen Assessment Centern meist nur in ihrem Namen. So
haben Arthur, Day, McNelly und Edens (2003) 168 Dimensionslabel von
Assessment Centern aus 34 Studien zu 6 Dimensionen zusammengefasst:
Kommunikationsfähigkeit, Rücksicht, Engagement (Drive), Beeinflussung
anderer, Organisieren und Planen sowie Problemlösen.
Bei der Konstruktion eines Assessment Centers sollte auf verschiedene
Aspekte geachtet werden. Es gibt zum einen die Standards der Assessment
Center Technik (Arbeitskreis Assessment Center e.V., 2008) und zum anderen
die Guidelines and Ethical Considerations for Assessment Center Operations
(International Task Force on Assessment Center Guidelines, 2009). So sollten
zum Beispiel die simulationsorientierten Aufgaben jobbezogen sein und die
vorher festgelegten Dimensionen durch die Aufgaben repräsentiert werden,
sodass eine Dimension durch mindestens zwei unterschiedliche Aufgaben
erfasst wird. Dies ist wichtig, damit Beurteilungsfehler reduziert werden und
bestimmte Fähigkeiten über verschiedene Situationen hinweg beurteilt werden
können.
Trotz der aufwendigen Konstruktion mangelt es dem Assessment Center
manchmal an Konstruktvalidität (Campbell & Fiske, 1959). So zeigten Sackett
und Dreher (1982) in drei Untersuchungen jeweils eine höhere divergente als
konvergente Validität. Dies bedeutet, dass Teilnehmer nicht auf einzelnen
Anforderungsdimensionen beurteilt werden, sondern eher ein Gesamturteil pro
Aufgabe erhalten. Nachfolgende Studien stützten diesen Befund (z.B. Fleenor,
1996). Jedoch gibt es auch Studienergebnisse mit positivem Validitätsbefund.
So berichten Arthur, Woehr und Maldegen (2000) von einer mittleren
Korrelation zwischen den Dimensionen von .60 (konvergente Validität) und
einer Korrelation unterschiedlicher Dimensionen innerhalb einer Aufgabe von
8
.39 (divergente Validität). Bis heute bleibt die Konstruktvalidität von
Assessment Centern aber umstritten.
Dennoch hat die Beliebtheit von Assessment Centern zugenommen
(Schuler, Hell, Trapmann, Schaar & Boramir, 2007). Obermann und Höft
(2008, zitiert nach Obermann, 2009) befragten für ihre Studie die DAX-100Unternehmen zum Einsatz von Assessment Centern. Dabei gaben 70 der 100
Unternehmen an, sie zu nutzen. Auch die Anzahl der durchgeführten
Assessment
Center
innerhalb
eines
Unternehmens,
zumindest
im
deutschsprachigen Raum, ist gestiegen (Höft & Obermann, 2010).
Für den Erfolg von Assessment Centern sprechen neben den genannten
Problemen durchaus viele Vorteile. Erstens bringen Assessment Center einen
hohen finanziellen Nutzen für das Unternehmen. Funke, Schuler und Moser
(1995, zitiert nach Kleinmann, 2003) stellen eine Formel zur Berechnung des
Nutzens von Assessment Centern auf. Hierin wird unter anderem
berücksichtigt, wie viele neue Arbeitskräfte durch das Assessment Center
gefunden werden, wie hoch ihre Leistung ist und wie lange sie im
Unternehmen bleiben. In einer Beispielrechnung zeigt Kleinmann (2003), dass
der Nutzenzuwachs über einen Zeitraum von 10 Jahren für ein Unternehmen,
welches jährlich 150 Führungsnachwuchskräfte einstellt, bei knapp 5.000.000
Euro liegt.
Zweitens haben Assessment Center den Vorteil, dass sie durch ihre
Eigenschaft
als
multiples
Verfahren
die
Wahrscheinlichkeit
von
Auswahlfehlern verringern (Obermann, 2013). Da Teilnehmer nicht nur eine,
sondern
mehrere
Aufgaben
durchlaufen,
kann
ihre
Leistung
in
unterschiedlichen Bereichen und Dimensionen erfasst werden. Des Weiteren
mitteln sich Beobachterfehler, aufgrund der jeweiligen Perspektiven der
Beobachter heraus. Durch die Kombination verschiedener Übungen kann die
Auswahlentscheidung somit auf Verhalten in unterschiedlichen Situationen
basiert werden.
Drittens haben Assessment Center trotz umstrittener Konstruktvalidität
und mittlerer Kriteriumsvalidität von r = .26 bis r = .37 (Gaugler, Rosenthal,
Thornton & Bentson, 1987; Hardison & Sackett, 2007; Schmidt & Hunter,
1998) eine hohe Augenscheinvalidität. Diese beschreibt, inwiefern Bewerber
ein Messinstrument als valide ansehen (Moosbrugger & Kelava, 2012). In einer
9
Untersuchung
von
Schuler,
Personalverantwortliche
Frier
das
und
Kauffmann
Assessment
(1993)
Center
unter
sahen
15
Personalauswahlinstrumenten als das zweitvalideste Verfahren. Nur das
strukturierte Interview wurde als noch valider eingeschätzt, was an seiner
höheren Praktikabilität liegen könnte. Auch Bewerber sehen das Assessment
Center zumindest augenscheinvalider als kognitive Fähigkeitstests (Macan,
Avedon, Paese & Smith, 1994). In einer Meta-Analyse von Anderson, Salgado
und Hülsheger (2010) erlangten Assessment Center den zweiten Platz unter 10
Auswahlmethoden bezüglich ihrer Augenscheinvalidität. Offenbar führt die
hohe Augenscheinvalidität von Assessment Centern zu einer vermehrten
Anwendung dieser Methode.
2.3 Akzeptanz von Auswahlmethoden
Der Lateinischen Wortherkunft nach, bedeutet accipere annehmen,
billigen, gutheißen (Stowasser, Petschenig & Skutsch, 1994). Der Duden
definiert „akzeptieren“: „mit etwas, so wie es vorgeschlagen wird, zufrieden
sein“ ("Duden - Deutsch als Fremdsprache - Standardwörterbuch," 2002).
Demnach bedeutet akzeptieren, dass eine positive Entscheidung getroffen wird.
In früheren Studien zur Akzeptanz von Personalauswahlinstrumenten (Hell,
Schuler, Boramir & Schaar, 2006; Schuler et al., 1993; Schuler et al., 2007)
wird der Begriff der Akzeptanz nicht weiter definiert. Die an den Studien
teilnehmenden
Personen,
Anwender
und
Nicht-Anwender
von
Personalauswahlinstrumenten, werden lediglich gefragt, wie sie die Akzeptanz
der einzelnen Verfahren generell beurteilen (Schuler et al., 1993).
Für Beurteilungen werden häufig vergangene Erfahrungen herangezogen
(Strack, 1992). Das bedeutet, die Erinnerung daran, wie eine Situation in der
Vergangenheit wahrgenommen wurde, führt zu einem Urteil in der Gegenwart.
Daher spielt in dieser Arbeit die Wahrnehmung von Bewerbern eine wichtige
Rolle. Ryan und Ployhart (2000) verstehen unter der Wahrnehmung von
Bewerbern alle Einstellungen, Emotionen und Kognitionen hinsichtlich des
Auswahlprozesses. Den oben genannten Beschreibungen der Akzeptanz
folgend, wird für diese Arbeit unter dem Begriff der Akzeptanz Folgendes
verstanden: Akzeptanz beruht auf der Wahrnehmung des Assessement Centers,
10
welche ein individuelles Werturteil über jenes hervorruft, und welche die
Einstellung, inwieweit der Betroffene Verfahren für gut und angebracht
befindet, beeinflusst.
2.3.1
Perspektivenwechsel
Bis zu den 1990er Jahren wurden Studien über Personalauswahlmethoden
meist nur aus dem Blickwinkel von Personalverantwortlichen betrachtet.
Wenig Forschung beschäftigte sich mit der Bewerberperspektive (Truxillo &
Bauer, 2011). Schuler (1993, S. 11) drückte dies ähnlich aus: „Personnel
psychologists, in research as well as in practice, are often accused of being
oriented only toward the organizational viewpoint of selection.“
Seit den 1990er Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler vermehrt mit der
Bewerbersicht bezüglich des Personalauswahlprozesses (Anderson et al.,
2010). Bewerber stellen zunehmend höhere Anforderungen an eine
Organisation (Rynes, 1993) und es herrscht ungleiches Machtverhältnis
zwischen
Bewerbern
und
Organisation
Schuler
(1993):
Tests
und
Auswahlprozesse sind für Bewerber häufig intransparent, was Angst und
Unsicherheit hervorrufen kann. Für die Wertschätzung von Bewerbern, aber
auch
aus
wissenschaftlichen
Gründen
begannen
Forscher,
die
Bewerberperspektive zu untersuchen.
Sowohl Reviews (Chan & Schmitt, 2004; Morgeson & Ryan, 2009; Ryan
& Ployhart, 2000; Steiner & Gilliland, 2001) als auch Meta-Analysen
(Anderson et al., 2010; Hausknecht et al., 2004; Truxillo, Bodner, Bertolino,
Bauer & Yonce, 2009) wurden zum Thema Bewerbersicht veröffentlicht.
Anderson, Born und Cunningham-Snell (2001) verdeutlichen, dass die
Entscheidungen im Auswahlprozess zweiseitig sind. Personalverantwortliche
entscheiden sich für einen Kandidaten; Kandidaten entscheiden sich für einen
Arbeitsplatz und somit für eine Organisation. Die Entscheidung eines
Bewerbers, einen Job anzunehmen, kann durch Erlebnisse im Auswahlprozess
beeinflusst
werden.
Des
Weiteren
kann
die
Entscheidung
der
Personalverantwortlichen, dem Bewerber einen Job anzubieten, die Akzeptanz
eines Bewerbers hinsichtlich eines Personalauswahlinstrumentes beeinflussen
(Kersting, 2010).
11
Die Wahrnehmung der Bewerber im Auswahlprozess spielt demnach eine
große
Rolle.
Morgeson
und
Ryan
(2009)
stellen
heraus,
dass
Bewerberwahrnehmungen auch durch Feedback oder Bewerbungskontext (z.
B. Art des Auswahlinstrumentes) beeinflusst werden. Die Perspektive von
Bewerbern einzunehmen, ist daher sehr wichtig (Rynes, 1993). Um die
Bewerberperspektive zu erfassen, wird die Wahrnehmung von Bewerbern im
Auswahlprozess untersucht. Dadurch kann ein besseres Verständnis der
Prozesse, Effekte und Folgen der Personalauswahl vermittelt werden
(Anderson et al., 2010).
2.3.2 Folgen unfairer Personalauswahl
Jeder Bewerber sammelt individuelle Erfahrungen im Rahmen eines
Auswahlprozesses. Diese bleiben besonders dann in Erinnerung, wenn sich
Bewerber während des Verfahrens ungerecht behandelt fühlen (Anderson,
2004). Aufgrund negativer Erfahrungen im Auswahlprozess können sowohl
Bewerber als auch Unternehmen geschädigt werden. Im Folgenden werden
mögliche Konsequenzen dargestellt, wobei Truxillo und Bauer (2011) darauf
hinweisen, dass empirische Nachweise zum Teil noch erbracht werden müssen.
Bewerber, die das Gefühl haben, im Auswahlprozess unfair behandelt
worden zu sein, könnten sich noch während des Prozesses für einen Ausstieg
entscheiden (Murphy, 1986). Unternehmen laufen so Gefahr, Top-Kandidaten
zu verlieren und hohe Kosten vergebens aufzubringen. Auch Einstellungen der
Bewerber gegenüber dem Unternehmen können durch unfaire Behandlung
negativ beeinflusst werden, sodass die Bewerber das Unternehmen im
Bekanntenkreis in keinem guten Licht dastehen lassen (Rynes, 1993). Dieser
Imageverlust wäre für Unternehmen besonders schlimm, wenn er zum Beispiel
weniger Bewerber und verringertes Konsumentenverhalten zur Folge hat.
Noch gravierender können die Auswirkungen für das Unternehmen sein,
wenn ein Bewerber aufgrund negativer Erfahrungen im Auswahlprozess das
Unternehmen verklagt (Smither, Reilly, Millsap, Pearlman & Stoffey, 1993).
So erlangte im Rahmen des EPSO-Auswahlprozesses 2010 der Fall „Pachtitis“
internationale Bekanntheit, weil sich ein Bewerber, der das Auswahlverfahren
von EPSO durchlaufen hat, durch die Art und Weise der Auswahl benachteiligt
fühlte. Er konnte die Wiederholung des Assessment Centers erwirken, da
12
nachgewiesen werden konnte, dass die Auswahl der Kandidaten, die das
Assessment Center mit Erfolg bestanden haben, nicht rechtmäßig ablief
(EPSO, 2010b).
Anderson (2004) macht darauf aufmerksam, dass Bewerber durch eine
unprofessionelle Haltung seitens der Personalverantwortlichen oder durch eine
negative Entscheidung nach dem Auswahlprozess erhebliche psychische
Folgen erleiden können. Es ist somit auch die Aufgabe eines Unternehmens für
das psychische Wohlbefinden seiner Bewerber zu sorgen. Doch auch nach
einer positiven Entscheidung und einem Jobangebot wird angenommen, dass
die Erfahrung im Auswahlprozess Einfluss auf die Arbeitsleistung, -einstellung
und auf generelles Verhalten nimmt (Gilliland, 1993).
Bauer et al. (2001) haben festgestellt, dass es bestimmte Aspekte des
Auswahlprozesses sind, die mit der Attraktivität des Unternehmens, dem
Commitment und den Absichten, das Unternehmen weiterzuempfehlen,
korrelieren. Wissenschaftlich konnten Hinweise darauf gefunden werden, dass
bestimmte Einstellungen gegenüber dem Auswahlprozess die Validität des
Verfahrens beeinflussen können (Ryan & Ployhart, 2000).
Zusammenfassend können die Folgen unfairer Wahrnehmung einer
Auswahlsituation
also
verheerend
für
Organisationen
sein.
Werden
Wahrnehmungen und Reaktionen von Bewerbern im Auswahlprozess
verstanden, kann ein Unternehmen dagegen lernen, diese zum eigenen Wohle
und dem der Bewerber zu beeinflussen (Ryan & Ployhart, 2000).
2.3.3 Modelle zu Bewerberwahrnehmungen
Um die Wahrnehmung von Bewerbern in Auswahlprozessen und
verschiedenen Personalauswahlinstrumenten zu untersuchen, wurden seit den
1990er-Jahren verschiedene Modelle entwickelt. Drei davon werden im
Folgenden kurz vorgestellt, weil sie zum Verständnis der Wahrnehmung von
Bewerbern und ihrer Reaktionen bei der Personalauswahl beitragen. Außerdem
stellen diese Modelle die theoretische Grundlage für die meiste Forschung zu
Bewerberwahrnehmungen dar.
13
2.3.3.1
Modell der Sozialen Validität
Schuler (1993) entwickelte das Modell der Sozialen Validität basierend
auf dem Konzept der sozialen Validität von Schuler und Stehle (1983, zitiert
nach Schuler, 1993). Danach besteht die soziale Validität aus 4 Komponenten:
Information, Partizipation, Transparenz und Feedback (vgl. Abbildung 1)
Demnach gilt eine Auswahlsituation als sozial valide, wenn folgende
Bedingungen erfüllt sind: Bewerber erhalten Informationen über den Job und
die Organisation, Bewerber haben die Möglichkeit, Kontrolle über die
Auswahlsituation auszuüben, Übungen weisen eine deutliche Nähe zu den
späteren Aufgaben im Job auf und Bewerber erhalten ein offenes,
verständliches Feedback. Auf diese Weise beeinflussen die vier Komponenten
die Erfahrung, welche die Bewerber im Auswahlprozess machen sowie ihre
Reaktion gegenüber der Auswahlsituation.
Schuler (1993) weist darauf hin, dass sein Modell keine testbare Theorie
darstellt; sondern als Ansatz für weitere Forschung und Modelle genutzt
werden kann, um Bewerberwahrnehmungen und -reaktionen zu untersuchen
und zu verstehen. Und in der Tat haben viele Autoren dieses Modell
vollständig oder teilweise in ihre Studien eingebunden (Derous & De Witte,
2001; Gilliland, 1993; Macan et al., 1994; Smither et al., 1993).
Abbildung 1. Konzept der Sozialen Validität (nach Schuler, 1993, S.13)
14
2.3.3.2
Modell der Bewerberreaktionen
Aufbauend auf früherer Forschung zur Perspektive von Bewerbern (Arvey
& Sackett, 1993; Robertson & Smith, 1989; Schuler, 1993), entwickelte
Gilliland (1993) das Modell der Bewerberreaktionen. Als theoretischen
Rahmen nutzte er hierfür die Theorie der organisationalen Gerechtigkeit
(Greenberg, 1990), die sich unter anderem mit der distributiven (Cohen, 1987)
und prozeduralen (Leventhal, 1980; Thibaut & Walker, 1975) Gerechtigkeit in
Organisationen beschäftigt. Gilliland (1993) nutzt diese zwei Kategorien der
Gerechtigkeit und stellt für sie insgesamt zehn Regeln auf, deren Einhaltung
oder Verletzung die Fairnesswahrnehmung der Auswahlsituation beeinflussen
(vgl. Abbildung 2).
Die Regeln der distributiven Gerechtigkeit (Verteilungsgerechtigkeit)
beschreiben die gerechte, gleiche und bedürfnisorientierte Verteilung der
Auswahlergebnisse. Die Wahrnehmung der distributiven Gerechtigkeit wird
beeinflusst von der Einstellungsentscheidung, der Leistungserwartung,
möglicher
Diskriminierung
im
Auswahlprozess
und
persönlichen
Bedürfnissen. So wird dem Modell zufolge das Auswahlergebnis dann als fair
wahrgenommen, wenn es gerecht verteilt wurde und wenn alle Bewerber
gleich und ihren Bedürfnissen entsprechend behandelt wurden. Das heißt, ein
abgelehnter Bewerber wird seine Ablehnung dann als gerecht empfinden, wenn
die Verteilungsregeln eingehalten wurden und als ungerecht, wenn die Regeln
nicht eingehalten wurden.
Die Regeln der prozeduralen Gerechtigkeit beschreiben die Gerechtigkeit
während des Auswahlprozesses und werden von Testmethode, Personalpolitik
und Personalverantwortlichen beeinflusst. Sie werden in drei Subkategorien
gegliedert: Formale Charakteristika, Erklärungen und zwischenmenschlicher
Umgang. In Bezug auf die formalen Charakteristika wird der Auswahlprozess
als fair wahrgenommen, wenn die Auswahlmethoden jobbezogen sind, die
Bewerber die Möglichkeit erhalten, sich zu präsentieren, das Ergebnis
nachprüfbar und die Durchführung für alle Bewerber einheitlich ist. Des
Weiteren wird der Auswahlprozess als fair wahrgenommen, wenn eine offene
Kommunikation stattfindet und die Bewerber Feedback über ihre Leistung
sowie Informationen bezüglich des Auswahlprozesses erhalten. Außerdem
15
trägt
der
zwischenmenschliche
Umgang
zwischen
Bewerbern
und
Personalverantwortlichen zur Fairnesswahrnehmung bei, wenn die Assessoren
sozial kompetent sind, angemessene Fragen stellen und auf zweiseitige
Kommunikation achten.
Die wahrgenommene Fairness des Auswahlprozesses und -ergebnisses
führen zu bestimmten Bewerberreaktionen, die Gilliland (1993) drei
Zeitpunkten zuordnet: Reaktionen während der Einstellung, Reaktionen nach
der
Einstellung
und
Selbstwahrnehmungen.
Beispielsweise
kann
die
Wahrnehmung des Bewerbers sowohl seine Weiterempfehlungsabsichten als
auch die Absicht, Klage gegen die Organisation zu erheben, beeinflussen.
Außerdem kann die spätere Arbeitsleistung des Bewerbers beeinflusst werden.
Gilliland (1993) betont, dass die Fairnesswahrnehmungen im Vordergrund
stehen, aber deren Bedeutsamkeit erst durch mögliche Bewerberreaktionen, das
heißt ihre Folgen, veranschaulicht wird.
Gilliland (1993) nimmt an, dass die Regeln der prozeduralen Gerechtigkeit
hinsichtlich Bewerberreaktionen und -einstellungen von größerer Bedeutung
sind als die hinsichtlich der distributiven Gerechtigkeit. Viele Studien, die sein
Modell als Grundlage für die Untersuchung von Bewerberreaktionen nutzten,
fanden entsprechende Evidenz (Bauer, Maertz, Dolen & Campion, 1998; Bauer
et al., 2001). Des Weiteren beruhen viele weitere Studien auf diesem Modell
(z.B. Bauer et al., 2001; Carless, 2006; Celani, Deutsch-Salamon & Singh,
2008; Hoang, Truxillo, Erdogan & Bauer, 2012; Truxillo, Bauer, Campion &
Paronto, 2002).
Trotz der hohen Beliebtheit dieses Modells machen Truxillo und Bauer
(2011) darauf aufmerksam, dass die Forschung davon profitieren würde, wenn
weitere Modelle, neben diesem auf der Theorie der organisationalen
Gerechtigkeit beruhendem Modell, getestet werden. Kersting (2010) stellt
hierzu
ein
Modell
der
Akzeptanz
vor,
Bewerberwahrnehmungen abgebildet werden.
in
dem
facettenreich
die
16
Abbildung 2. Modell der Bewerberreaktionen (nach Gilliland, 1993, S. 700)
2.3.3.3
Heuristisches Modell
Ryan und Ployhart (2000) stellten ein heuristisches Modell zu
Bewerberwahrnehmungen vor, das neben den von Gilliland (1993) postulierten
Fairnesswahrnehmungen auch die Gefühle und Kognitionen von Bewerbern
beinhaltet. Hausknecht et al. (2004) spezifizierten und aktualisierten dieses
Modell, indem sie weitere mögliche Folgen der Bewerberwahrnehmungen in
das
Modell
mit
aufnahmen
und
allgemeine
von
spezifischen
Bewerberwahrnehmungen des Auswahlprozesses unterschieden.
Der Aufbau des Modells entspricht dem Gerechtigkeitsmodell von
Gilliland (1993): Antezedenzien der Wahrnehmung, Bewerberwahrnehmungen
und Konsequenzen beziehungsweise Folgen der Wahrnehmung. Weiterhin
beeinflussen
Moderatorvariablen
die
Beziehungen
zwischen
diesen
Komponenten (vgl. Abbildung 3). Hausknecht et al. (2004) unterschieden vier
Arten
von
Antezedenzien:
wahrgenommene
zwischenmenschliche
Personenmerkmale
Verfahrensmerkmale
und
(z.
informationsbezogene
(z.
B.
B.
Vorerfahrung),
prozedurale,
Gerechtigkeitsregeln),
Jobeigenschaften (z. B. Attraktivität des Jobs) und Kontext der Organisation
(z. B. Auswahlrate). Die allgemeinen Bewerberwahrnehmungen stehen im
Mittelpunkt des Modells (z. B. prozedurale und distributive Gerechtigkeit
sowie
Einstellungen
gegenüber
Tests/Auswahlsituation).
Durch
diese
17
Wahrnehmungen können nach Hausknecht et al. (2004) bestimmte Folgen
vorhergesagt
werden:
Leistung
selbstwahrgenommene),
im
Auswahlprozess
Selbstwahrnehmungen
(tatsächliche
(Selbstwert
und
und
Selbstwirksamkeit), Einstellungen und Verhalten gegenüber der Organisation
(z.
B.
Attraktivität
der
Organisation,
Weiterempfehlungsabsichten,
Wiederbewerbungsabsichten und Klageabsichten) sowie Arbeitseinstellungen
und
-verhalten
(z.
B.
Arbeitsleistung
und
-zufriedenheit).
Als
Moderatorvariablen werden unter anderem der Erhebungszeitpunkt (vor vs.
nach Auswahlprozess und Feedback) sowie der Auswahlkontext (Laborstudie
und Feldstudie) angenommen. Schließlich testeten Hausknecht et al. (2004) ihr
Modell mit meta-analytischen Untersuchungen und fanden stützende Evidenz.
Abbildung 3. Heuristisches Modell (nach Hausknecht et al., 2004, S. 642)
2.3.3.4
Synthese und Fazit
Die drei vorgestellten Modelle verdeutlichen, dass die Forschung zu
Bewerberwahrnehmungen erheblich zugenommen hat. Dabei hat das Modell
der sozialen Validität von Schuler (1993) eher die Forschung in Europa
geprägt, wohingegen das auf der Gerechtigkeitstheorie basierende Modell der
Bewerberreaktionen von Gilliland (1993) vor allem amerikanischer Forschung
zugrunde liegt (Anderson et al., 2010). Gemeinsam ist allen Modellen, dass sie
18
Wahrnehmungen zu Fairness und Akzeptanz von Auswahlmethoden aus der
Sicht der Bewerber beschreiben, sei es durch Gerechtigkeit oder sozialer
Validität, und mögliche Reaktionen daraufhin aufzeigen. Die Modelle tragen
zum
Verständnis
von
Bewerberwahrnehmungen
und
-reaktionen
in
Auswahlprozessen bei, sodass Arbeitgeber die Möglichkeit haben, nützliche
Informationen für das Design ihrer Auswahlmethoden abzuleiten (Anderson,
Ahmed & Costa, 2012; Truxillo & Bauer, 2011).
Die Modelle zeigen, wie wichtig es ist, Bewerberwahrnehmungen
wissenschaftlich näher zu untersuchen und welche erheblichen Folgen diese für
Organisationen haben können. Für die vorliegende Arbeit wird vor allem das
Modell von Hausknecht et al. (2004) als Grundlage herangezogen, da es
theoretisch wie empirisch am besten gestützt wird. Des Weiteren ist es das am
weitesten
spezifizierte
und
somit
aktuellste
Modell
zu
Bewerberwahrnehmungen.
2.3.3.5
Akzept!-AC-Fragebogen – Messung der Akzeptanz im Assessment
Center
Kersting (2012) nutzte das Heuristische Modell von Hausknecht et al.
(2004) als Grundlage für die Entwicklung seines AKZEPT!-AC-Fragebogens.
Die Bewerberwahrnehmung des Auswahlprozesses, die in den oben
beschriebenen Modellen den Mittelpunkt darstellt, kennzeichnet Kersting
(2010) als Akzeptanz des Auswahlprozesses. Ziel des Fragebogens ist es
herauszufinden, ob Assessment Center positiv wahrgenommen werden und „ob
es sich dabei um ein globales Akzeptanzurteil handelt, oder ob sich
verschiedene Dimensionen der Akzeptanz unterscheiden lassen“ (Kersting,
2010, S. 61). Das Ergebnis seiner an zwei Stichproben durchgeführten
Untersuchung ist, dass sich tatsächlich Akzeptanzdimensionen unterscheiden
lassen. Diese werden Kontrollierbarkeit, Messqualität, Belastungsfreiheit,
Augenscheinvalidität, Gute Organisation und Positive Atmosphäre genannt.
Die Dimensionen weisen interne Konsistenzen zwischen .55 und .84 auf und
sind
somit
akzeptabel
bis
sehr
gut
(Kersting,
2010).
Für
das
Gesamtakzeptanzurteil sind die wahrgenommene Messqualität sowie die
Augenscheinvalidität am wichtigsten.
19
Die Dimensionen von Kersting (2010) weisen eine hohe Ähnlichkeit mit
den oben genannten Merkmalen der prozeduralen Gerechtigkeit auf, die
Steiner und Gilliland (1996) in ihrer Studie erheben. Die Augenscheinvalidität
und die wahrgenommene prädiktive Validität wurden bisher am häufigsten in
Zusammenhang mit Bewerberreaktionen untersucht und stellen gemeinsam das
Konstrukt Jobbezug dar (Hausknecht et al., 2004). Hausknecht et al. (2004)
stellen in ihrer Meta-Analyse fest, dass die Augenscheinvalidität und die
wahrgenommene prädiktive Validität eine mittlere Korrelation von ρ = .58
beziehungsweise ρ = .63 mit prozeduraler Gerechtigkeit aufweisen. In Studien
mit Bewerbergruppen unterschiedlicher Länder konnte festgestellt werden,
dass die Augenscheinvalidität und die wahrgenommene prädiktive Validität die
besten Prädiktoren für die Gesamtwahrnehmung des Auswahlprozesses sind
(Bertolino & Steiner, 2007; Hausknecht et al., 2004; Hoang et al., 2012; Ispas,
Ilie, Iliescu, Johnson & Harris, 2010). Somit stellen die Augenscheinvalidität
und die wahrgenommene prädiktive Validität zwei essentielle Variablen dar,
die in der Messung von Bewerberreaktionen nicht fehlen dürfen. Der
AKZEPT!-AC-Fragebogen enthält Fragen zu diesen Dimensionen und erfasst,
im Unterschied zum Messinstrument von Steiner und Gilliland (1996), jede
Dimension mit vier statt mit nur einer Frage. Hierdurch kann die
Wahrnehmung breiter erfasst werden.
2.4 Befunde zur Akzeptanz in Auswahlprozessen
Für die vorliegende Arbeit werden Bewerberwahrnehmungen in
Abhängigkeit der Nationalität und des Geschlechts untersucht, weshalb im
Folgenden ein Überblick über die bisherige Literatur zu diesen Themen
gegeben wird.
2.4.1 Kulturelle Unterschiede in der Wahrnehmung
Kulturelle
Unterschiede
Personalauswahlinstrumente
in
der
bestehen
Wahrnehmung
kaum,
das
verschiedener
heißt
Personen
unterschiedlicher Nationalität bevorzugen in etwa die gleichen Instrumente
(Anderson et al., 2012; Anderson et al., 2010; Anderson & Witvliet, 2008;
Ispas et al., 2010). Als beliebteste Instrumente gelten Work Samples und
20
Interviews, als gut bewertet werden Lebenslaufanalysen, kognitive Tests,
Referenzen,
Biodata-Analysen
und
Persönlichkeitsinventare.
Schlechte
Bewertungen erhalten Ehrlichkeitstests, persönliche Kontakte und die
Graphologie.
Die
Untersuchungen
hinsichtlich
kultureller
Unterschiede
in
Bewerberwahrnehmungen des Auswahlprozesses wurden bisher meist so
durchgeführt, dass Reaktionen auf unterschiedliche Auswahlmethoden erfasst
wurden. So wurden Stichproben unter anderem aus folgenden Ländern
untersucht: USA und Frankreich (Steiner & Gilliland, 1996), USA und
Singapur (Phillips & Gully, 2002), Deutschland (Marcus, 2003a), Spanien und
Portugal (Moscoso & Salgado, 2004), Italien (Bertolino & Steiner, 2007),
Griechenland (Nikolaou & Judge, 2007), Niederlande (Anderson & Witvliet,
2008), Rumänien (Ispas et al., 2010), Türkei (Bilgiç & Acarlar, 2010), Saudi
Arabien (Anderson et al., 2012) sowie USA und Vietnam (Hoang et al., 2012).
Am häufigsten wurde in diesen Studien eine von Steiner und Gilliland
(1996) entwickelte Messmethode verwendet. Hierbei erhalten Probanden,
meist
Studierende,
Arbeitsprobe,
Beschreibungen
Interview,
von
Lebenslauf,
zehn
Auswahlinstrumenten:
schriftlicher
Fähigkeitstest,
biographischer Fragebogen, Persönlichkeitstest, Referenzen, Integritätstest,
persönliche Kontakte und Graphologie. Danach sollen sie für jedes
Auswahlinstrument zwei Fragen zur allgemeinen Gesamtakzeptanz (Process
Favorability) und sieben Fragen zur Prozeduralen Gerechtigkeit beantworten.
Hierbei werden die Dimensionen wahrgenommene prädiktive Validität,
Augenscheinvalidität,
Möglichkeit
zur
Leistungsdarstellung,
zwischenmenschlicher Umgang und Verbreitung der Methode erfasst.
Die oben genannten Untersuchungen weisen Einschränkungen auf, die es
für zukünftige Forschung zu verhindern gilt. So ist die von Steiner und
Gilliland (1996) vorgestellte Messmethode zwar sehr beliebt, jedoch sprechen
sich Truxillo und Bauer (2011) dafür aus, dass für die Untersuchung von
Bewerberwahrnehmungen zukünftig weitere Modelle herangezogen werden
sollten. Die Wahrnehmung kann beispielsweise breiter erfasst, das heißt, in
mehrere Dimensionen gegliedert werden (Kersting, 2010). Des Weiteren
besteht die Stichprobe in den Studien meist aus Studierenden. Anderson (2003)
kritisiert den Einsatz von Studierenden als Ersatz für reale Bewerber und weist
21
auf das Problem der eingeschränkten Generalisierbarkeit hin. Eine weitere
Problematik besteht darin, dass sich die Probanden einen beliebigen Job
vorstellen sollten, für den sie sich bewerben würden. Demnach beruhen die
Bewertungen
der
Probanden
hinsichtlich
der
Auswahlprozesse
höchstwahrscheinlich auf unterschiedlichen Vorstellungen.
Bei den Forschungsergebnissen ist weiterhin auffallend, dass das
Assessment Center bisher nicht bedacht wurde. Obwohl es sich bei
Personalverantwortlichen wie Bewerbern großer Beliebtheit erfreut (Krause,
2011), wurde meines Wissens nach bisher nicht untersucht, warum dem so ist,
das heißt, welche dahinter liegenden Dimensionen dafür verantwortlich sind.
Um eine Hypothese bezüglich der Wahrnehmung eines Assessment Centers zu
generieren, werde ich mich daher der bisherigen Forschung zu Interviews und
Work Samples bedienen. Work Samples sind Arbeitsproben, bei denen
Bewerber meist eine praktische Tätigkeit ausführen, die einer Aufgabe im
späteren Job gleicht (Callinan & Robertson, 2000). Sie haben außerdem einen
ähnlich hohen Jobbezug wie Assessment Center. Interviews sind häufig Teil
eines Assessment Centers (Obermann, 2013), weshalb sie in den folgenden
kulturellen Ländervergleichen ebenfalls enthalten sind.
Werden die Bewertungen von Bewerbern eines Landes hinsichtlich der
Personalauswahlinstrumente auf den oben genannten Dimensionen von Steiner
und Gilliland (1996) mit den Bewertungen von Bewerbern anderer Länder für
die Auswahlinstrumente Interview und Work Samples verglichen, sind
deutliche Ähnlichkeiten erkennbar (Anderson & Witvliet, 2008; Ispas et al.,
2010). Die Bewertungen unterscheiden sich nur nominell. In den OverallWerten ist lediglich eine leichte Tendenz erkennbar, dass Bewerber aus
Spanien eher negativere Wahrnehmungen der Auswahlinstrumente besitzen,
wohingegen Bewerber aus Rumänien tendenziell positivere Wahrnehmungen
aufweisen. Zusammenfassend sind die Werte insgesamt jedoch sehr ähnlich.
Nikolaou and Judge (2007) stellen in ihrer Studie heraus, dass die Werte der
Probanden unterschiedlicher Länder auf den Dimensionen jeweils sehr hoch
korrelieren. Auch der Befund aus der Meta-Analyse von Anderson et al.
(2010), die mehrere Länder miteinander verglichen haben, zeigt, dass eine
Generalisierung der Reaktionen auf die Auswahlinstrumente von Bewerbern
unterschiedlicher Länder angenommen werden kann. Diese Ergebnisse führen
22
zur
Hypothese,
dass
es
keine
signifikanten
Unterschiede
in
der
Bewerberwahrnehmung von Assessment Centern gibt.
Hypothese 1: Die Wahrnehmung von Bewerbern unterschiedlicher
Länder hinsichtlich der Akzeptanz des Assessment Centers
unterscheidet sich nicht.
2.4.2 Geschlechtsunterschiede in der Wahrnehmung
Es
herrscht
Forschungsfeldern
zwar
allgemein
der
Einigkeit,
Arbeits-
und
dass
in
verschiedenen
Organisationspsychologie
Geschlechtsunterschiede in Einstellungen und Wahrnehmungen bestehen
(Viswesvaran & Ones, 2004), jedoch können diese in Bezug auf
Personalauswahlinstrumente
nicht
untermauert
werden.
Bezogen
auf
Auswahlprozesse zeigten Viswesvaran und Ones (2004) zwar, dass Männer
und Frauen bestimmte Aspekte einer Auswahlsituation als unterschiedlich
wichtig erachten, jedoch waren diese Unterschiede minimal. Auch Saks und
McCarthy (2006) stellten fest, dass es keinen Geschlechtseffekt bezüglich
Bewerberreaktion gibt. So zeigte sich keine Interaktion zwischen dem
Geschlecht des Interviewers und dem des Interviewten im simulierten
Einstellungsgespräch. Frauen reagierten auf annähernd gleiche Art und Weise,
wenn sie mit diskriminierenden Fragen konfrontiert wurden, egal, ob ihr
Gegenüber ein Mann oder eine Frau war.
Weitere
gemischte
Befunde
zu
Bewerberwahrnehmungen
im
Auswahlprozess hinsichtlich der Geschlechtsunterschiede werden von Smither
et al. (1993) präsentiert. So nahmen auf der einen Seite weibliche Bewerber
den Auswahlprozess als augenscheinvalidier wahr und würden den Arbeitgeber
weiterempfehlen, auf der anderen Seite nahmen männliche Bewerber die
prädiktive Validität als höher wahr. Diese Unterschiede konnten in einer
Folgestudie zu Wahrnehmungen im Auswahlprozess nicht untermauert werden.
Nikolaou und Judge (2007) fanden nur für zwei von zehn Auswahlmethoden
Geschlechtsunterschiede in Bewerberwahrnehmungen. Insgesamt zeigten sich
demnach nur eingeschränkt Hinweise auf Geschlechtsunterschiede in
Bewerberwahrnehmungen.
In den meisten Studien konnte keine Korrelation zwischen dem Geschlecht
und den Dimensionen der prozeduralen Gerechtigkeit oder der allgemeinen
23
Akzeptanz von Auswahlprozessen festgestellt werden (Anderson et al., 2012;
Cohen-Charash & Spector, 2001; LaHuis, MacLane & Schlessman, 2007;
Schinkel, van Vianen & van Dierendonck, 2013; Truxillo, Bauer & Sanchez,
2001). Bereits Kulik, Lind, Ambrose und MacCoun (1996) schließen, dass
Männer und Frauen keine Unterschiede in ihrem Verständnis von prozeduraler
Gerechtigkeit machen. Diese und die meta-analytischen Befunde von
Hausknecht et al. (2004) deuten darauf hin, dass Männer und Frauen den
Auswahlprozess in gleicher Weise wahrnehmen.
Hypothese 2: Die Wahrnehmung von Bewerbern unterschiedlichen
Geschlechts hinsichtlich der Akzeptanz im Assessment Center
unterscheidet sich nicht.
2.5 Zusammenhang zwischen Bewerberreaktionen und Faking in
Auswahlprozessen
Bestehende
Definitionen
von
Faking
zusammenfassend,
gelangen
MacCann, Ziegler und Roberts (2011, S. 311) zu folgender Definition: „Faking
is thus a deliberate set of behaviors motivated by a desire to present a deceptive
impression
to
the
world“.
Demnach
bezeichnet
Faking
in
Personalauswahlprozessen die absichtliche, positive Verfälschung seines
Verhaltens, um die Chancen auf eine Einstellung zu erhöhen. Ein ähnliches
Konstrukt
ist
das
Impression
Management.
Während
es
in
Personalauswahlprozessen die gleiche Bedeutung wie Faking besitzt, werden
im Allgemeinen jedoch zwei Formen von Impression Management – nämlich
ehrliches und täuschendes Impression Management – unterschieden (Levashina
& Campion, 2006). Außerdem ist Faking in gewisser Weise dem Konzept der
Sozialen Erwünschtheit sehr ähnlich, welches die Tendenz, sich besser
darzustellen, als man tatsächlich ist, erfasst (Stöber, 2001). Dies erfordert
ebenfalls nicht unbedingt eine falsche, täuschende Darstellung, sondern kann
auch in einer ehrlichen, aber übertriebenen Äußerung bestehen (Griffith,
Chmielowski & Yoshita, 2007).
Bisherige Forschung zu dem Konstrukt Faking erfolgte vor allem im
Bereich Persönlichkeitstests (z. B. Birkeland, Manson, Kisamore, Brannick &
Smith, 2006; Marcus, 2003b; Robie, Tuzinski & Bly, 2006) oder
24
Auswahlinterviews (z. B. Kleinmann & Klehe, 2010; Levashina & Campion,
2007; Swider, Barrick, Harris & Stoverink, 2011). Dabei wurde zum Beispiel
untersucht, welche Methoden es gibt, mit denen Faking gemessen
beziehungsweise verhindert werden kann (z. B. Burns & Christiansen, 2011;
Reeder & Ryan, 2011) oder welche Modelle Antezedenzien und Konsequenzen
von Faking-Verhalten darstellen (z. B. McFarland & Ryan, 2006; MuellerHanson, Heggestad & Thornton III, 2006; Snell et al., 1999; Ziegler, 2011). Im
Wesentlichen geht es um die Frage, welchen Einfluss Faking auf die Validität
eines Verfahrens hat (z. B. Hogan, Barrett & Hogan, 2007; McFarland & Ryan,
2000; Schmitt & Oswald, 2006; Tett & Christiansen, 2007). Organisationen
befürchten, dass Bewerber, die für einen Job ausgewählt wurden und im
Auswahlprozess gefaked haben, auch im Arbeitsleben unehrlich sind und mit
ihrem Verhalten so der Organisation schaden könnten (Peterson, Griffith,
Isaacson, O'Connell & Mangos, 2011). Bewerber erhoffen sich durch die
Verfälschung
ihrer
Angaben
(Faking)
im
Auswahlprozess
höhere
Einstellungschancen. Studien zeigen, dass bis zu 50 % der Bewerber in
Auswahlprozessen ihre Angaben verfälschen (Donovan, Dwight & Hurtz,
2003; Griffith et al., 2007).
McFarland und Ryan (2000) zeigen, dass die individuelle Einstellung
gegenüber Faking die Absicht zum Faken beeinflussen kann. Einige Bewerber
finden es in Ordnung, wenn gefaked wird, andere lehnen Faking strikt ab. In
ihrem erweiterten Faking-Modell gehen sie auch auf Situationsfaktoren ein, die
auf Faking-Verhalten wirken können (McFarland & Ryan, 2006). So kann die
Valenz, das heißt, wie erstrebenswert ein Job ist, einen Einfluss auf die FakingAbsicht haben. Bewerber, die verzweifelt einen Job suchen, werden mit
höherer Wahrscheinlichkeit Faking-Verhalten zeigen, als Bewerber, die noch
einen Job haben und sich nur nach einer weiteren Perspektive umschauen
(Snell et al., 1999). Mueller-Hanson et al. (2006) konnten zeigen, dass
Wahrnehmungen
der
Auswahlsituation
mit
der
Faking-Absicht
zusammenhängen. Bewerber faken zum einen eher, wenn das Auswahlergebnis
wichtig ist und zum anderen, wenn auch andere Bewerber Faking gegenüber
nicht abgeneigt sind. Honkaniemi, Tolvanen und Feldt (2011) fanden einen
positiven Zusammenhang zwischen Bewerberwahrnehmungen und FakingVerhalten im Auswahlprozess. Ihre Vermutung ist, dass die Bewerber aufgrund
25
positiver Wahrnehmungen hoch motiviert waren für den Job und aufgrund
dessen ein höheres Faking-Verhalten zeigten.
Snell et al. (1999) nehmen an, Bewerber zeigen Faking-Verhalten als
Konsequenz der Wahrnehmung vom Auswahlverfahren. Wenn sich Bewerber
im Auswahlprozess beispielsweise ungerecht behandelt fühlen oder Aspekte
des Auswahlverfahrens unfair empfinden, weil es sie benachteiligt, könnten sie
zum Faking-Verhalten motiviert werden. Hierzu zeigt McFarland (2003) einen
negativen Zusammenhang zwischen Bewerberwahrnehmungen und FakingVerhalten
im
Auswahlprozess.
Forschungsergebnisse,
wird
Aufgrund
angenommen,
dass
der
vorliegenden
Faking-Verhalten
von
Bewerber aus einer negativen Wahrnehmung des Auswahlverfahrens resultiert.
Hypothese 3: Faking und Akzeptanz im Assessment Center
korrelieren positiv.
2.6 Weitere Forschungsfragen
Auf Wunsch von EPSO und aufgrund der Besonderheit dieser
Untersuchung werden weitere Analysen durchgeführt. So wird untersucht, ob
Bewerber, die sich eine bestimmte AC-Sprache aussuchen, einen Vorteil
gegenüber den übrigen Bewerbern mit einer anderen AC-Sprache haben.
Weiterhin soll ermittelt werden, ob mit dem Sprachniveau der AC-Sprache
auch das Gefühl der Kontrolle über die Aufgaben steigt.
Außerdem soll gezeigt werden, ob Personen auf der Reserveliste
zufriedener sind als Personen, die nicht auf der Reserveliste stehen und ob
Personen auf der Reserveliste die Attraktivität des Arbeitsplatzes höher
einschätzen, sich wieder bewerben möchten und den Arbeitgeber eher
empfehlen, als Personen, die keinen Platz auf der Reserveliste erhalten haben.
Wie
oben
dargestellt,
können
negative
Bewerberwahrnehmungen
verheerende Folgen für Organisationen haben. Daher soll untersucht werden,
welcher Zusammenhang zwischen der Akzeptanz und den Folgen der
Bewerberwahrnehmungen,
Attraktivität
der
Organisation,
Weiterempfehlungsabsicht und Wiederbewerbungsabsicht, besteht.
Schließlich soll ermittelt werden, ob die Nationalität einen Einfluss auf das
Faking-Verhalten hat. Hierzu konnten König, Hafsteinsson, Jansen, and
26
Stadelmann (2011) zeigen, dass sich Bewerber aus der Schweiz und aus Island
in ihrer Selbstdarstellung (Faking) nicht voneinander unterscheiden, jedoch
besteht ein signifikanter Unterschied zur Bewerbergruppe aus den USA. Die
amerikanischen Bewerber zeigten ein deutlich höheres Faking-Verhalten als
die europäischen. Erklärt werden diese Unterschiede zum einen dadurch, dass
amerikanische Bewerber weniger Bescheidenheit (modesty) in ihrem Auftreten
zeigen als europäische Bewerber, sodass die Hemmschwelle für Faking in den
USA offenbar niedriger liegt. Zum anderen werden die Unterschiede durch
eine höhere Arbeitslosenrate in den USA erklärt, die Bewerber dazu veranlasst,
für die Aussicht auf einen Job, ihre Angaben zu verfälschen. Aufgrund eines
höheren Konkurrenzkampfes zwischen arbeitslosen Bewerbern argumentieren
König et al. (2011), dass Bewerber eines Landes mit hoher Arbeitslosenquote
eher Faking-Verhalten zeigen, als Bewerber, die aus einem Land mit niedriger
Arbeitslosenquote kommen.
Die Arbeitslosenquoten der europäischen Länder im Sommer 2013
beziehen sich auf Eurostat (2013). Während die niedrigsten Arbeitslosenquoten
in Österreich (4.9%), Deutschland (5.2%) und Luxemburg (5.8%) zu
verzeichnen sind, führen Spanien (26.2%) und Griechenland (27.9%) die
höchsten Arbeitslosenquoten. Es kann also angenommen werden, dass
Bewerber, die aus einem Land mit hoher Arbeitslosenquote kommen, sich
beim Auswahlprozess besonders gut darstellen möchten und daher ihre
Angaben eher verfälschen, als Bewerber, die aus einem Land mit niedriger
Arbeitslosenquote kommen. Letztere haben eher die Chance, eine andere
Arbeitsstelle in ihrem Land zu finden, falls der aktuelle Auswahlprozess für sie
negativ verläuft. Auch Thackray, Tryby und Griffith (2013) finden Hinweise
darauf, dass die Prävalenz von Faking in Zeiten der Rezession und erhöhter
Arbeitslosigkeit steigt.
Ob neben Bescheidenheit noch weitere kulturelle Werte für den
Unterschied
zwischen
Bewerbergruppen
unterschiedlicher
Nationalität
verantwortlich sind, untersuchten Fell und König (2013) in ihrer Studie. Sie
stellten die Frage, ob kulturelle Unterschiede Faking vorhersagen können.
Kulturelle Dimensionen wurden dabei aus dem GLOBE-Projekt (House,
Hanges, Javidan, Dorfman & Gupta, 2004) übernommen. Die Ergebnisse legen
nahe, dass es Länderunterschiede gibt und diese mittlere Zusammenhänge mit
27
Faking aufweisen. In Kulturen mit hoher Machtdistanz herrscht eine positivere
Einstellung gegenüber Faking vor, als in solchen mit niedriger Machtdistanz.
Unsicherheitsvermeidung korreliert dagegen negativ mit der Einstellung
gegenüber Faking. Die Einstellung gegenüber Faking ist demnach in
unterschiedlichen Ländern unterschiedlich stark ausgeprägt.
28
3 Methoden
3.1 Europäisches Amt für Personalauswahl – EPSO
Seit den 1960er-Jahren beruhte der Auswahlprozess der Europäischen
Institutionen auf dem System der sogenannten Concours (Ban, 2010). Sie
bezeichnen einen mehrstufigen Prozess der Bewerberauswahl und wurden im
Laufe der Zeit methodisch nur wenig angepasst. Im Zuge der EU-OstErweiterung wurde beschlossen, ein eigenes, unabhängiges Amt für die
Personalauswahl einzuführen, das European Personnel Selection Office
(EPSO). Seit 2002 führt EPSO für die Europäischen Institutionen die
Personalauswahl durch und seit 2010 sind die Concours inhaltlich und
methodisch vollständig überarbeitet (EPSO, 2010a).
Die
Überarbeitung
zunehmender
wurde
Unzufriedenheit
aufgrund
seitens
der
von
Qualitätsbedenken
Europäischen
und
Institutionen
notwendig. So kam zum Beispiel der Verdacht auf, dass die bestehende
Methode nur unzureichend Erfolg im Job vorhersagen kann und, dass es
mögliche Geschlechts- und Erfahrungseffekte gibt (Ban, 2010). Des Weiteren
wurde bemängelt, dass ein und dasselbe Auswahlverfahren Juristen und ITSpezialisten nicht gleichermaßen gerecht wird. Außerdem konnte durch die
Reform das Verfahren deutlich in der Länge gekürzt werden. Während es vor
der Reform im Durchschnitt 15 Monate dauerte, bis ein Kandidat einen Platz
auf der Reserveliste erhielt (EPSO, 2008), dauert der Prozess mittlerweile im
Durchschnitt nur noch 7-9 Monate (EPSO, 2013b). Seit der Überarbeitung wird
nicht mehr primär Wissen über die Europäischen Institutionen gemessen,
sondern Kompetenzen erfasst. Des Weiteren ist auch ein Assessment Center
Teil des Auswahlprozesses. Insgesamt erhoffen sich die Verantwortlichen
durch die Veränderungen eine qualitative Verbesserung der Auswahl (Ban,
2010).
Der Bewerbungsablauf für Administratoren, die in dieser Studie
untersuchten Kandidaten, sieht folgendermaßen aus (EPSO, 2013a): Nachdem
eine offene Stelle ausgeschrieben wurde, können sich Bewerber auf der
Internetseite von EPSO registrieren. Sind die Bewerbungsunterlagen auf
Vollständigkeit geprüft und validiert worden, werden die Bewerber zu
29
computergestützten kognitiven Fähigkeitstests zugelassen. Diese müssen
bestanden werden und die erreichte Punktzahl muss zu den besten gehören,
damit eine Einladung zum Assessment Center erfolgt. Die Assessment Center
von EPSO finden normalerweise in Brüssel statt und werden in der
Zweitsprache (AC-Sprache) absolviert. Als Zweitsprache gelten Englisch,
Deutsch oder Französisch. Die Zweitsprache darf nicht mit der Muttersprache
übereinstimmen.
Die Bewerber erhalten vor jedem Auswahlprozess Informationen über den
Ablauf und Inhalt der Aufgaben. Das bedeutet, sie erfahren, welche Art von
Aufgaben sie bewältigen müssen und welche Kompetenzen gemessen werden.
Auf diese Weise wird der Auswahlprozess transparent gestaltet. Für
Administratoren werden Fallstudie, Gruppenarbeit, mündliche Präsentation und
strukturiertes Vorstellungsgespräch durchgeführt. Hierbei wird darauf geachtet,
dass
die
Kandidaten
die
Kompetenzen
Analyse
und
Problemlösen,
Kommunikationsfähigkeit, Qualitäts- und Ergebnisorientierung, Lernfähigkeit
und Fähigkeit zur persönlichen Weiterentwicklung, Setzen von Schwerpunkten
und
Organisationsfähigkeit,
Durchhaltevermögen,
Teamfähigkeit
sowie
Führungsqualitäten zeigen. Wird das Assessment Center bestanden und gehört
das erreichte Ergebnis zu den besten, so erlangt der Kandidat einen Platz auf
der Liste, von der die Europäischen Institutionen Bewerber rekrutieren
(Reserveliste). Von dieser Liste können die Institutionen den Kandidaten
rekrutieren.
3.2 Stichprobe
Der Online-Fragebogen zur Messung der Akzeptanz wurde Anfang 2013
an
883
Kandidaten
des
EPSO-Auswahlverfahrens
für
Beamte
der
Funktionsgruppe Administration in den Fachgebieten Europäische öffentliche
Verwaltung, Recht, Wirtschaft, Audit, Finanzen und Statistik gesendet. Die
Kandidaten nahmen im Jahr 2010 am Assessment Center von EPSO teil. Acht
Personen waren nicht erreichbar. 411 Kandidaten im Alter von 25 bis 58
Jahren haben auf den Fragebogen reagiert (30% Frauen, 57% Männer, 13%
keine Angabe), was einer Rücklaufquote von 47% entspricht. Aufgrund
frühzeitigen Abbruchs der Umfrage oder fehlenden Eingaben wurden 54
30
Kandidaten ausgeschlossen, sodass für die Analysen N = 357 Kandidaten
verbleiben (34% Frauen, 65% Männer und 1% ohne Angabe). Das
Durchschnittsalter der Kandidaten beträgt 33.3 Jahre (SD = 5.3).
204 Kandidaten konnten schon Arbeitserfahrung sammeln, die mit EUAngelegenheiten zu tun hatte, 151 hatte noch keine Arbeitserfahrung in diese
Richtung und 2 Personen gaben hierzu keine Angaben. Von den Kandidaten,
die schon einmal mit EU-Angelegenheiten zu tun hatte, haben 34.3 % ein
Praktikum bei einer EU-Institution absolviert, 61.3 % sind schon einmal einer
Tätigkeit in einer EU-Institution nachgegangen, 36.3 % sammelten EUErfahrung außerhalb einer EU-Institution und 9.8 % sammelten anderweitig
Erfahrung in EU-Angelegenheiten. Insgesamt erhielten 163 Kandidaten einen
Platz auf der Reserveliste, 194 erhielten keinen Platz auf der Reserveliste.
Auf die freien Stellen konnten sich Personen aus allen 27 EUMitgliedsstaaten bewerben. Kroatien war zum Zeitpunkt der Durchführung des
Auswahlverfahrens noch nicht in der EU. Eine Übersicht über die Verteilung
der Nationalitäten in der Stichprobe gibt Tabelle 1. Die meisten Reaktionen auf
den Online-Fragebogen kamen aus Italien, Belgien, Spanien, Deutschland, den
Niederlanden und Rumänien. Dies spiegelt das Verhältnis der Bewerber pro
Land wieder, weshalb von einer repräsentativen Stichprobe ausgegangen.
Für Vergleiche zwischen Ländern werden nur Länder mit einer
Gruppengröße größer 15 ausgewählt, um zu kleine Gruppen zu vermeiden.
Demzufolge werden die Länder Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien,
Niederlande, Rumänien, Spanien und Ungarn mit insgesamt 243 Kandidaten in
die Analysen eingeschlossen.
31
Tabelle 1. Anzahl Kandidaten nach Nationalität
Nationalität
N
Frauen
Männer
Belgien
36
17
19
Bulgarien
15
6
9
Dänemark
2
1
1
Deutschland
29
7
22
Estland
1
1
0
Finnland
14
4
10
Frankreich
18
12
6
Griechenland
13
6
7
Irland
2
1
1
Italien
57
11
46
Lettland
1
0
1
Litauen
1
1
0
Luxemburg
0
0
0
Malta
0
0
0
Niederlande
26
10
16
Österreich
2
1
1
Polen
14
8
6
Portugal
8
1
7
Rumänien
24
14
10
Schweden
11
4
7
Slowakei
3
0
3
Slowenien
0
0
0
Spanien
34
8
26
Tschechische Republik
3
0
3
Ungarn
19
4
15
Vereintes Königreich*
10
3
6
Zypern
0
0
0
Andere
14
2
10
Gesamt
357
122
232
*
Anmerkung. * nicht alle Kandidaten dieses Landes haben ihr Geschlecht
angegeben. N = Anzahl der Kandidaten pro Nationalität.
32
3.3 Variablen
Zur Untersuchung der Akzeptanz des Auswahlprozesses von EPSO wurde
ein Online-Fragebogen entwickelt, der die Wahrnehmung vom Assessment
Center, das Faking-Verhalten und die Zufriedenheit mit dem Auswahlprozess
(Gesamteindruck) von EPSO erfasst. Darüber hinaus enthielt der Fragebogen
Items zu den Folgen der Wahrnehmung.
Der Fragebogen wurde sowohl auf Deutsch (siehe Anhang A), Englisch
(siehe Anhang B) als auch Französisch (siehe Anhang C) erstellt, da dies die
drei Sprachen waren, in denen die Kandidaten das Assessment Center
durchlaufen konnten. Auf diese Weise kann angenommen werden, dass alle
Kandidaten die Fragen verstehen. Außerdem kann so die Rücklaufquote
maximiert werden. Die englische Übersetzung wurde zweifach korrigiert. Für
die französische Version des Fragebogens wurden zwei Übersetzer engagiert,
die erst einzeln den Fragebogen ins Französische übersetzten und sich danach
gemeinsam auf eine Übersetzung einigten. Diese Vorgehensweise bei der
Übersetzung entspricht dem kollaborativen Ansatz von Douglas und Craig
(2007), sodass inhaltliche Äquivalenz der Fragebögen gesichert ist.
3.3.1 Wahrnehmung
Um die Wahrnehmung vom Assessment Center zu messen, wurde der
Fragebogen AKZEPT!-AC von Kersting (2012) genutzt. Dieser enthält jeweils
vier Items zu folgenden Dimensionen: Kontrollierbarkeit (z. B. „Ich habe die
Übungen des Assessment Centers verstanden“), Messqualität (z. B. „Das
Assessment Center misst das, was es misst, zuverlässig“), Augenscheinvalidität
(z. B. „Das Assessment Center spiegelt Anforderungen wieder, die auch im
Berufsleben gefordert sind“), Belastungsfreiheit (z. B. „Im Assessment Center
fühlte ich mich überfordert“), Gute Organisation (z. B. „Das Assessment
Center war gut organisiert“) und Positive Atmosphäre (z. B. Die Atmosphäre
des Assessment Centers war positiv“).
Die Beantwortung der Items erfolgte, auf einer 5- statt ursprünglich 6-fach
gestuften Skala von 1 (Trifft überhaupt nicht zu) bis 5 (Trifft genau zu), um für
die Kandidaten die Beantwortung der Fragen im gesamten Fragebogen
konsistent zu halten. Alle Fragen, die auf einer 5-stufigen Skala beantwortet
33
werden konnten, wurden zur besseren Verständlichkeit für die Analysen so
rekodiert, dass stärkere Zustimmung auch stärkere Ausprägung auf der
jeweiligen Variable bedeutet. Inhaltlich wurden die Items nicht verändert,
lediglich die Wortstruktur wurde auf Wunsch von EPSO teilweise angepasst,
um negative Formulierungen zu vermeiden oder Subjekte in der Frage an das
Assessment Center von EPSO anzupassen (z. B. Kompetenz-Ausweis statt
Auswertung). Um nach diesen Anpassungen die Reliabilitäten der Skalen
darzustellen, wurden die internen Konsistenzen durch den Cronbachs-AlphaKoeffizienten ausgerechnet. Die Reliabilitätskoeffizienten können aus Tabelle
2 entnommen werden.
Tabelle 2. Reliabilitätskoeffizienten der
AKZEPT!-Dimensionen und Faking
Dimension
Reliabilität
Kontrollierbarkeit
.85
Messqualität
.90
Augenscheinvalidität
.84
Belastungsfreiheit
.75
Gute Organisation
.73
Positive Atmosphäre
.81
Faking
.61
3.3.2 Faking-Verhalten
Der Online-Fragebogen enthielt eine aus drei Items bestehende Skala zur
Messung des Faking-Verhaltens, die ebenfalls auf Items von Kersting (2012)
beruht. Diese misst die Tendenz, sich positiver darzustellen, als man eigentlich
ist. Die Items lauten „Während des Assessment Centers habe ich mich so
verhalten, wie ich wirklich bin“, „Im Assessment Center habe ich versucht,
mich so zu verhalten, dass ich einen guten Eindruck mache“ und „Um beim
Assessment Center gut abzuschneiden, habe ich Verhaltensweisen gezeigt, die
das Gegenteil meines tatsächlichen Verhaltens waren“. Die Beantwortung
erfolgte analog zur Beantwortung der Wahrnehmung des Assessment Centers.
Nach Eliminierung des Items „Im Assessment Center habe ich versucht, mich
34
so zu verhalten, dass ich einen guten Eindruck mache“ hat die Faking-Skala
eine Reliabilität von .61 (Cronbachs-Alpha).
3.3.3 Weitere Variablen
Einige Fragen des Online-Fragebogens wurden aus früheren EPSOUmfragen übernommen. So wurde die Zufriedenheit mit dem gesamten
Prozess mit der Frage „Was ist Ihr Gesamteindruck von Ihrer Teilnahme an
dem Auswahlverfahren?“ gemessen. Die Beantwortung erfolgte auf einer 5stufigen Skala mit 1 (Ich habe einen sehr positiven Eindruck) bis 5 (Ich habe
einen sehr negativen Eindruck). Die Konsequenzen der Wahrnehmung wurden
über die Items Attraktivität des Arbeitsplatzes („Hat sich die Wahrnehmung der
Europäischen Institutionen als Arbeitgeber in Zuge Ihrer Teilnahme am
Auswahlverfahren verändert?“), Wiederbewerbungsabsichten („Könnten Sie
sich vorstellen, sich noch einmal für einen Job bei der EU zu bewerben?“) und
Empfehlungsabsichten („Würden Sie Freunden empfehlen, sich um einen Job
bei den EU-Institutionen zu bewerben?“) gemessen.
Neben den genannten Fragen beinhaltete der Online-Fragebogen auch
allgemeine Fragen zur Erfassung von Nationalität, Geschlecht, Sprache 2 (ACSprache), Fremdsprachenkenntnisse und Position auf der Reserveliste.
3.4 Ablauf und Durchführung
Der Online-Fragebogen wurde mit Hilfe der Befragungssoftware Unipark
erstellt. Die Kandidaten konnten sich für die Sprachversion Englisch,
Französisch oder Deutsch entscheiden. Die Versendung der E-Mails erfolgte
durch EPSO und war ebenfalls in den Sprachen Deutsch, Englisch und
Französisch. Die Online-Umfrage erfolgte zwischen der achten und elften
Kalenderwoche 2013 mit einer Erinnerungsmail zwei Wochen nach
Umfragestart. Insgesamt bestand der Fragebogen aus 54 Fragen, die in etwa 15
Minuten beantwortet werden konnten.
35
4 Ergebnisse
4.1 Länderunterschiede in der Akzeptanz
Zur Untersuchung von Länderunterschieden in der Wahrnehmung wird
eine MANOVA gerechnet. Die Vorteile einer MANOVA gegenüber mehreren
ANOVAs bestehen darin, dass eine Alpha-Fehler-Akkumulierung verhindert
wird, Korrelationen zwischen den abhängigen Variablen berücksichtigt werden
und die Analyse eine höhere Power besitzt, da Gruppen kombiniert in den
Gesamteffekt eingehen (Field, 2013).
Die Voraussetzungen zur Berechnung einer MANOVA sind erfüllt. Die
Daten können trotz testanalytischer Signifikanz nach Kolmogoroff-Smirnoff
beziehungsweise
Saphiro-Wilk
durch
Inspektion
der
Q-Q-Diagramme
(Pospeschill, 2012) und der Normalverteilungskurve über die jeweiligen
Histogramme als annähernd univariat normalverteilt angenommen werden. Die
Varianzhomogenität innerhalb der zu untersuchenden acht Nationalitäten ist
laut Levene-Test gegeben, einzig auf der Dimension Positive Atmosphäre zeigt
sich keine Varianzhomogenität (p < .20). Hier wurde, Tabachnick und Fidell
(2007) folgend, ein Fmax-Test durchgeführt. Das Ergebnis dieses Tests zeigt,
dass auch für die Dimension Positive Atmosphäre keine Alpha-FehlerKorrektur vorgenommen werden muss. Somit kann Varianzhomogenität für
alle Nationalitäten festgestellt werden. Die Homoskedastizität kann als
gegeben angenommen werden, wenn der Box-M-Test einen Wert größer als
.001 aufweist und somit nicht signifikant wird (Field, 2013). In der
vorliegenden Arbeit kann die Homoskedastizität angenommen werden (p =
.02). Da die Daten annähernd univariat normalverteilt sind und die Anzahl der
Personen pro Gruppe größer 15 ist, wird in dieser Arbeit von multivariater
Normalverteilung ausgegangen. Von einer Unabhängigkeit der Messung kann
ausgegangen werden, da alle Personen nur einmal und unabhängig voneinander
befragt wurden.
Hypothese 1 ist so formuliert, dass keine Unterschiede zwischen den
Ländern erwartet werden, weshalb das Alpha-Fehlerlevel-Niveau auf p = .10
gesetzt wird (Cortina & Folger, 1998). Eine MANOVA über die Variablen
Kontrollierbarkeit, Messqualität, Augenscheinvalidität, Belastungsfreiheit,
36
Gute Organisation und Positive Atmosphäre zeigt, dass die Nationalität einen
signifikanten Einfluss auf die Variablen hat, Wilks’Λ= .79, F(42,1082) = 1.36,
p < .10. Die Teststärke- und Sensitivitätsanalyse wurde mit G*Power 3
durchgeführt (Faul, Erdfelder, Buchner & Lang, 2007). Hierbei beträgt Pillai V
= .232 und die Effektgröße f2(V) = .04, bei α = .05. Es resultiert eine Power von
.996. Die Sensitivitätsanalyse zeigt, dass die erforderliche Effektgröße, um
einen Effekt mit gegebener Stichprobengröße von N = 243 zu finden, f2(V) =
.02 beträgt. Deskriptive Statistiken für die AKEZEPT!-Dimensionen gibt
Tabelle 3.
4.15 (0.72)
2.94 (0.93)
3.01 (0.91)
2.51 (0.68)
3.88 (0.74)
3.82 (0.67)
36
Kontrollierbarkeit
Messqualität
Augenscheinvalidität
Belastungsfreiheit
Gute Organisation
Positive Atmosphäre
n
29
3.72 (0.77)
3.90 (0.59)
2.50 (0.72)
3.05 (0.89)
2.74 (0.88)
4.15 (0.59)
Deutschland
18
3.57 (0.80)
3.72 (0.64)
2.63 (0.82)
2.79 (0.84)
2.72 (0.88)
3.72 (0.53)
Frankreich
Anmerkungen. Angegeben sind Mittelwerte und Standardabweichungen (SD).
Belgien
Dimension
Tabelle 3. Deskriptiv-Statistik für die AKZPT!-Dimensionen nach Land
57
3.65 (0.74)
3.73 (0.79)
2.46 (0.74)
2.67 (0.98)
2.60 (0.89)
3.75 (0.76)
Italien
26
3.74 (0.62)
3.65 (0.57)
2.50 (0.74)
2.92 (0.81)
3.05 (0.78)
3.90 (0.56)
Niederlande
24
4.24 (0.55)
4.04 (0.50)
2.63 (0.89)
2.97 (1.05)
3.13 (1.12)
4.17 (0.65)
Rumänien
34
3.79 (0.80)
3.71 (0.69)
2.48 (0.88)
2.79 (0.78)
2.76 (0.88)
3.79 (0.79)
Spanien
19
3.59 (0.97)
3.86 (0.78)
2.12 (0.78)
2.91 (1.04)
2.58 (0.95)
3.92 (0.76)
Ungarn
243
3.76 (0.75)
3.80 (0.69)
2.48 (0.77)
2.87 (0.91)
2.80 (0.92)
3.93 (0.71)
Gesamt
37
Tabelle 3. Deskriptiv-Statistik für die AKZEPT!-Dimensionen nach Land
38
4.2 Follow-Up-Analysen
Die Berechnung von ANOVAs für die Dimensionen zeigen, dass es auf
den Dimension Kontrollierbarkeit und Positive Atmosphäre signifikante
Unterschiede zwischen den Ländern gibt: FKontrollierbarkeit(7, 235) = 2.25, p < .05,
r = .25; FMessqualität(7, 235) = 1.45, p = .19, r = .20; FAugenscheinvalidität(7, 235) =
0.79, p = .60, r = .15; FBelastungsfreiheit(7, 235) = 0.82, p = .58, r = .15;
FGute_Organisation(7, 235) = 0.96, p = .47, r = .17 und FPositive_Atmosphäre(7, 235) =
1.99, p < .10, r = .24. Die Teststärke für Kontrollierbarkeit beträgt .85, die für
Positive Atmosphäre beträgt .79.
Da es signifikante Länderunterunterschiede in der Wahrnehmung der
Kontrollierbarkeit und der Positiven Atmosphäre gibt, wird im Folgenden der
Games-Howell Test herangezogen, um herauszufinden, zwischen welchen
Ländern die Unterschiede bestehen. Der Games-Howell-Test ist robust gegen
ungleiche Gruppengrößen und Populationsvarianzen (Field, 2013). Der Test
zeigt, dass es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Ländern auf der
Dimension Kontrollierbarkeit gibt (p > .10), für alle spezifischen
Ländervergleiche. Jedoch finden sich signifikante Unterschiede auf der
Dimension Positive Atmosphäre zwischen Rumänien und Frankreich (p < .10),
zwischen Rumänien und Deutschland (p < .10), zwischen Rumänien und den
Niederlanden (p < .10) sowie zwischen Rumänien und Italien (p < .05).
Insgesamt fällt auf, dass Rumänien im Vergleich zu allen anderen Ländern auf
fünf von sechs Dimensionen nominell höhere Werte hat.
4.3 Geschlechtsunterschiede in der Akzeptanz
Da hier nicht nach Nationalität unterschieden wird, besteht die Stichprobe
für die folgenden Rechnungen aus N = 357 Personen. Für eine MANOVA zur
Berechnung von Geschlechtsunterschieden bezüglich der sechs Dimensionen
kann die Voraussetzung der Homoskedastizität durch den Box-M-Test bestätigt
werden.
Die MANOVA zeigt kein signifikantes Ergebnis (Wilks’Λ = .98,
F(6,347) = 1.22, p = .30). Somit können keine Geschlechtsunterschiede gezeigt
werden. Deskriptive Angaben befinden sich in Tabelle 4. Nominelle
39
Mittelwertsunterschiede auf den Dimensionen zeigen eine leichte Tendenz
dahin, dass Frauen das Assessment Center ein wenig negativer wahrnahmen als
Männer. Die MANOVA zeigt jedoch, dass diese Tendenz nicht signifikant
wird.
Tabelle 4. Deskriptiv-Statistiken von AKZEPT!Dimensionen nach Geschlecht
Dimension
Frauen
Männer
Kontrollierbarkeit
3.85 (0.69)
3.91 (0.77)
Messqualität
2.74 (0.95)
2.74 (0.97)
Augenscheinvalidität
2.79 (0.96)
2.88 (0.97)
Belastungsfreiheit
2.38 (0.83)
2.57 (0.77)
Gute Organisation
3.73 (0.69)
3.80 (0.69)
Positive Atmosphäre
3.65 (0.85)
3.72 (0.80)
Anmerkungen: Angegeben sind Mittelwerte und
Standardabweichungen (SD), nMänner = 232, nFrauen = 122.
4.4 Zusammenhang zwischen Akzeptanz und Faking-Verhalten
Um den Zusammenhang zwischen dem Faking-Verhalten der Kandidaten
und ihrer Akzeptanz des Assessment Centers zu ermitteln, wurden bivariate
Korrelationen berechnet. Einen Überblick gibt Tabelle 5. Es zeigen sich für
fünf der sechs Dimensionen jeweils hoch signifikante, negative Korrelationen
mit Faking-Verhalten (rKontrollierbarkeit = -.41, rMessqualität = -.46, rAugenscheinvalidität =
-.48, rGute_Organisation = -.31 und rPositive_Atmosphäre = -.38, jeweils p < .01). Für die
Dimension Belastungsfreiheit zeigt sich kein signifikanter Zusammenhang zum
Faking. Insgesamt zeigt sich ein signifikanter Zusammenhang der Art, dass mit
höherer Akzeptanz das Faking-Verhalten abnimmt (r = -.53, p < .01).
3.78 (0.69)
3.69 (0.82)
6. Gute Organisation
7. Positive Atmosphäre
3.88 (1.17)
4.09 (0.96)
11. Wiederbewerbungsabsicht
12. Empfehlungsabsicht
Anmerkung. N = 357. * p < .05, ** p < .01.
2.84 (0.92)
10. Attraktivität
Folgen
2.13 (0.89)
2.51 (0.79)
5. Belastungsfreiheit
9. Faking
2.86 (0.96)
4. Augenscheinvalidität
3.31 (1.18)
2.75 (0.96)
3. Messqualität
8. Gesamteindruck
3.89 (0.74)
3.25 (0.55)
M(SD)
2. Kontrollierbarkeit
1. Akzeptanz (gesamt)
Variable
.40**
.08
.50**
-.53**
.70**
.81**
.66**
.08
.80**
.81**
.78**
1
Tabelle 5. Deskriptiv-Statistiken und Korrelationen der Variablen
-28**
.05
.32**
-.41**
.48**
.58**
.51**
-.02
.52**
.54**
2
.37**
.12*
.52**
-.46**
.69**
.61**
.38**
-.23**
.78**
3
.37**
.07
.47**
-.48**
.65**
.55**
.35**
-.17**
4
-.17**
-.18**
-.13*
-.03
-.13*
-.09
-.06
5
.30**
.08
.26**
-.31**
.38**
.56**
6
.43**
.16**
.50**
-.38**
.62**
7
.44**
20**
.67**
-.40**
8
-.26**
-.08
-.29**
9
.50**
.28**
10
.40**
11
40
Tabelle 5. Deskriptiv-Statistiken und Korrelationen der Variablen
41
4.5 Weitere Analysen
4.5.1 Sprache und Kontrollerleben
Für ein internationales Auswahlverfahren ist es essentiell, dass Bewerber
unterschiedlicher Herkunft und somit unterschiedlicher Sprachkenntnisse die
gleiche Chance haben, das Verfahren mit positivem Ergebnis zu absolvieren.
Keine Bewerbergruppe sollte zu irgendeinem Zeitpunkt benachteiligt werden.
Um dies festzustellen, wird im Folgenden berechnet, ob die Kandidaten im
Assessment Center von EPSO die Aufgaben verstanden haben und jederzeit
wussten, was sie tun mussten (Kontrollierbarkeit).
Im Mittel empfinden die Kandidaten das Assessment Centers als
kontrollierbar (M = 3.90, SD = 0.74). Kandidaten, die das Assessment Center
auf Englisch durchlaufen haben, unterscheiden sich hierbei nicht signifikant
von Kandidaten, die das Assessment Center auf Französisch durchlaufen haben
(t < 1, nenglisch = 311, nfranzösisch = 23). Da nur 3 Personen das Assessment Center
auf Deutsch durchlaufen haben, werden diese nicht mit den anderen beiden
Sprachgruppen verglichen. Folglich macht es keinen Unterschied, ob das
Assessment Center auf Englisch oder Französisch absolviert wird, die
Kandidaten empfinden es ähnlich kontrollierbar.
Für Analysen zum Sprachniveau der Kandidaten wurden 20 Kandidaten
aus dem Datensatz herausgefiltert, da diese entweder kein oder ein
unglaubwürdiges Sprachniveau angegeben haben. So durften zum Beispiel
Kandidaten aus Frankreich das Assessment Center nicht auf Französisch
absolvieren und Kandidaten aus Großbritannien nicht auf Englisch.
Infolgedessen resultieren N = 337 Kandidaten für die Analyse. Eine
Korrelationsanalyse mit einseitiger Signifikanztestung (α = .05) zeigt, dass die
Kontrollierbarkeit mit steigendem Sprachniveau ansteigt (r = .10, p < .05).
Demnach empfinden offensichtlich Kandidaten, die ein höheres Sprachniveau
in der Sprache besitzen, die sie im Assessment Center sprechen, das
Assessment Center tendenziell kontrollierbarer als Kandidaten, die ein
niedrigeres Sprachniveau ihrer AC-Sprache besitzen. Dieser Befund zeigt, dass
es wichtig ist, ein gutes Sprachniveau zu besitzen.
42
4.5.2 Einfluss des Auswahlergebnisses auf die Zufriedenheit
Kandidaten, die einen Platz auf der Reserveliste erhalten haben, haben
einen signifikant besseren Gesamteindruck vom Auswahlverfahren, als
Kandidaten, die keinen erhalten haben (t(353) = 5.82, p < .001). Des Weiteren
unterscheiden sich Kandidaten, die keinen Platz auf der Reserveliste erhalten
haben, signifikant von Kandidaten, die einen Platz auf der Reserveliste erhalten
haben, bezüglich der Meinung zur Attraktivität des Arbeitsplatzes, der
Wiederbewerbungsabsicht und der Empfehlungsabsicht: Kandidaten, die einen
Platz auf der Reserveliste erhalten haben, bewerten die Attraktivität der
Europäischen Institutionen als Arbeitgeber nach der Teilnahme am
Auswahlverfahren signifikant besser als Kandidaten, die keinen Platz auf der
Reserveliste erhalten haben (t(351) = 3.92, p < .001). Ebenso würden
Kandidaten auf der Reserveliste signifikant häufiger Freunden empfehlen, sich
bei den EU-Institutionen zu bewerben, als Kandidaten ohne einen Platz auf der
Reserveliste (t(353) = 4.04, p < .001). Kandidaten auf der Reserveliste
interessieren sich signifikant weniger dafür, sich noch einmal für die EUInstitutionen zu bewerben, als Kandidaten, die keinen Platz erhalten haben
(t(322) = -2.53, p < .05).
4.5.3 Akzeptanz und ihre Folgen
Wie zu erwarten war, korreliert der Gesamteindruck der Kandidaten hoch
positiv mit der Akzeptanz des Assessment Centers (r = .70, p < .01). Um den
Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung (Akzeptanz) und ihren Folgen,
das heißt der Attraktivität des Arbeitsplatzes, der Wiederbewerbungsabsicht
und
der
Weiterempfehlungsabsicht,
Korrelationen
berechnet.
zu
ermitteln,
Deskriptive
wurden
Statistiken
bivariate
sowie
die
Korrelationskoeffizienten können aus Tabelle 5 entnommen werden. Während
die
Akzeptanz
mit
der
Attraktivität
des
Arbeitsplatzes
und
der
Empfehlungsabsicht hoch signifikant korreliert, zeigt sich kein Zusammenhang
zwischen Akzeptanz und Wiederbewerbung.
4.5.4 Einfluss der Nationalität auf Faking-Verhalten
Um den Einfluss von Nationalität auf Faking-Verhalten zu untersuchen,
wird eine ANOVA gerechnet. Deskriptive Angaben können aus Tabelle 6
43
entnommen werden. Die Variable Faking ist in den zu untersuchenden acht
Gruppen annähernd normalverteilt. Der Levene-Test zeigt, dass die Varianzen
homogen sind. Das Ergebnis der ANOVA zeigt, dass es keinen signifikanten
Einfluss von Nationalität auf das Faking-Verhalten gibt: F(7,235) = .95, p =
.47, f = .17. Die Teststärke beträgt .49.
Tabelle 6. Deskriptiv-Statistiken von Faking nach
Nationalität
Nationalität
M(SD)
n
Belgien
2.06 (0.79)
36
Deutschland
2.02 (0.92)
29
Frankreich
2.03 (0.67)
18
Italien
2.28 (0.94)
57
Niederlande
2.06 (0.61)
26
Rumänien
1.79 (0.76)
24
Spanien
2.07 (1.02)
34
Ungarn
1.92 (0.90)
19
Gesamt
2.07 (0.86)
243
Anmerkung.
Angegeben
sind
Mittelwerte,
Standardabweichungen (SD) und Anzahl der
Kandidaten pro Nationalität.
44
5 Diskussion
Das Ziel dieser Arbeit bestand darin, einen Forschungsbeitrag zu
Bewerberwahrnehmungen zu leisten, indem die Wahrnehmung von Personen
unterschiedlicher Nationalitäten in einem Assessment Center erhoben und die
gewonnen Daten auf nationaler Ebene miteinander verglichen werden. Des
Weiteren wurde untersucht, inwiefern Faking-Verhalten der Bewerber mit der
Wahrnehmung des Assessment Centers zusammenhängt.
5.1 Befunde
Es konnte bis auf eine Ausnahme fundiert werden, dass die Nationalität
keinen Einfluss auf die Wahrnehmung des Assessment Centers hat (Hypothese
1): Signifikante Unterschiede zeigen sich auf der Dimension Positive
Atmosphäre zwischen Rumänien und jeweils den Ländern Deutschland,
Frankreich, Italien und die Niederlande. Die Daten weisen keine Hinweise auf
eine Verzerrung in der rumänischen Gruppe auf. Es zeigt sich, dass rumänische
Kandidaten das Assessment Center positiver wahrnehmen als Kandidaten
anderer Nationalitäten. In der Untersuchung von Ispas et al. (2010) wurde
herausgefunden, dass rumänische Arbeiter Personalauswahl durch persönliche
Kontakte negativ bewerteten. Eine mögliche und plausible Erklärung sei, dass
Rumänen von der kommunistischen Herrschaft geprägt seien, bei der die
Personalauswahl nicht durch valide, anerkannte Instrumente, sondern
entsprechend dem sogenannten Soviet Model erfolgte (Koubek & Brewster,
1995): Hiernach wurden Bewerber für eine Stelle ausgewählt, wenn sie selbst
der Partei nahe standen. Eine Erklärung für die hohen Werte auf der Dimension
Positive Atmosphäre könnte demnach sein, dass die rumänischen Kandidaten
ihre Erfahrung beim Auswahlverfahren von EPSO mit ehemaligen, unter
kommunistischer Herrschaft stattfindenden Auswahlverfahren vergleichen. Da
mehr als die Hälfte der rumänischen Kandidaten im Assessment Center von
EPSO 35 Jahre oder älter waren, ist es realistisch, dass sie das Auswahlsystem
zumindest aus Erzählungen der Eltern kennen. Vielleicht empfinden
rumänische Kandidaten die Atmosphäre bei EPSO daher in so hohem Maße
positiv. Die festgestellten Unterschiede bezogen auf die rumänischen Bewerber
zeigen zwar, dass es einen Hinweis auf unterschiedliche Wahrnehmung gibt,
45
jedoch ist dies nicht problematisch, da kein Bewerber durch das Assessment
Center systematisch benachteiligt wird.
Abgesehen
von
der
oben
beschriebenen
Ausnahme
ist
die
Wahrnehmungen der Kandidaten aus unterschiedlichen Ländern auf den
jeweiligen Dimensionen vergleichbar. Das bedeutet, das Konzept der
Reaktionsgeneralisierung (Anderson et al., 2012), kann nicht nur bezüglich
unterschiedlicher
Personalauswahlinstrumente,
sondern
unterschiedlicher
Wahrnehmungsdimensionen
in
auch
bezüglich
Assessment
Centern
festgestellt werden. Diese vergleichbare Wahrnehmung zeigt, dass das
Auswahlverfahren von EPSO so gestaltet ist, dass Personen unterschiedlicher
Nationalität einen ähnlichen Eindruck vom Assessment Center gewinnen. Es
wurde zusammenfassend als überdurchschnittlich kontrollierbar und gut
organisiert erlebt. Die Atmosphäre im Assessment Center wurde sehr positiv
bewertet, die Belastung war jedoch tendenziell spürbar. Insgesamt ist das
Assessment Center somit ein gutes Instrument zur Personalauswahl.
Hypothese 2, die besagte, dass es keinen Einfluss von Geschlecht auf die
Wahrnehmung des Assessment Centers gibt, konnte durch die vorliegende
Arbeit gestützt werden. Das Geschlecht der Kandidaten hatte keinen Einfluss
darauf, wie die Auswahlsituation wahrgenommen wurde. Dies bedeutet, dass
weder Frauen noch Männer die Auswahlsituation bei EPSO unterschiedlich
empfanden. Sie sehen das Assessment Center ähnlich valide, kontrollierbar und
belastend. Dieser Befund stützt bereits existierende Forschung, die ebenfalls
zeigt, dass es keine geschlechtsspezifischen Effekte bezüglich der prozeduralen
Gerechtigkeit gibt (Anderson et al., 2012; Cohen-Charash & Spector, 2001;
LaHuis et al., 2007; Schinkel et al., 2013; Truxillo et al., 2001).
Zusammenfassend zeigt sich, dass das Assessment Center von EPSO
hinsichtlich der Wahrnehmung von Kandidaten geschlechtsneutral ist.
Hypothese 3 besagte, dass es einen negativen Zusammenhang zwischen
der Akzeptanz, das heißt der Wahrnehmung im Assessment Center, und dem
Faking-Verhalten gibt. Diese Hypothese wird durch diese Arbeit gestützt.
Insgesamt zeigt sich eine hoch signifikante, negative Korrelation zwischen
Akzeptanz und Faking. Honkaniemi et al. (2011) zeigten zwar einen
gegenteiligen Befund, jedoch konnte in der vorliegenden Arbeit eine knapp
doppelt so große Stichprobe von Bewerbern untersucht werden, sodass es nahe
46
liegt, dass Bewerber, die ein Messinstrument als fair wahrnehmen, tendenziell
weniger Faking-Verhalten zeigen als Bewerber, die ein Messinstrument als
weniger fair wahrnehmen. Dieses Ergebnis stützt auch den Befund weiterer
Studien (McFarland, 2003; Snell et al., 1999). Das bedeutet, je negativer der
Eindruck vom Assessment Center, desto höher das Faking-Verhalten.
Es konnte auch gezeigt werden, dass die Nationalität keinen Einfluss auf
das Faking-Verhalten hat. Die Ergebnisse legen nahe, dass sich das FakingVerhalten der untersuchten Länder nicht voneinander unterscheidet. Eine
Erklärung dafür könnte sein, dass die Organisationskultur die Landeskultur
überlagert.
Hofstede
(1991)
spricht
hierbei
von
einer
kollektiven
Programmierung des menschlichen Verstandes („software of the mind”). Es ist
denkbar, dass sich Bewerber, die sich für einen Job bei der EU bewerben,
ähnliche Ansichten, Ansprüche und Denkweisen besitzen, da über 58 % der
Kandidaten schon einmal für die Europäischen Institutionen gearbeitet oder mit
EU-Angelegenheiten zu tun gehabt haben. Es könnte also durchaus
angenommen werden, dass sie hier die gleiche Sozialisierung durchlaufen
haben. Durch Sozialisierungsprozesse erfahren Personen einer Organisation
bestimmte Normen, Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen, die sie dann
übernehmen (Jones, 1986; Saks, Uggerslev & Fassina, 2007). Hierdurch
könnten sonstige kulturelle unterschiede vermindert werden, sodass sich
letztendlich das Faking-Verhalten der Kandidaten dieser Untersuchung nicht
voneinander unterscheidet. In diesem Fall hätte an dieser Untersuchung eine
relativ homogene Stichprobe teilgenommen.
Eine weitere Erklärung für das vergleichbare und geringe FakingVerhalten könnte sein, dass die Kandidaten sich nicht getraut haben, ihre
Angaben zu verfälschen. Barnett (1998) legt dar, dass Menschen auf sozial
unerwünschte Fragen, vor allem, wenn sie direkt gestellt werden, tendenziell
nicht ehrlich antworten. Die Kandidaten dieser Untersuchung könnten
befürchtet haben, ihre Anonymität sei nicht gewährleistet, sodass sie ihre
Antwort in eine sozial erwünschte Richtung verzerrt haben (Donovan et al.,
2003). Wie EPSO mitteilte, erzeugte auch die vorliegende Arbeit Resonanz in
sozialen Netzwerken. Darüber hinaus wäre es möglich, dass die Kandidaten
Konsequenzen befürchteten, falls sie nicht ehrlich gewesen wären. Da es sich
bei dem vorliegenden Assessment Center um ein offizielles, groß angelegtes
47
Auswahlverfahren handelt, ist es plausibel, dass sich die Bewerber wegen
fälschlicher Angaben vor negativen Konsequenzen fürchteten.
5.2 Einschränkungen
Die Untersuchung dieser Arbeit hat bestimmte Einschränkungen, die die
Generalisierbarkeit der Ergebnisse beeinträchtigen. So wurde aus statistischen
Gründen nur auf Nationalitäten zurückgegriffen werden, deren Gruppengröße
über 15 Personen lag. Hierdurch ergab sich, dass nur acht europäische Länder
miteinander verglichen werden konnten. Folglich sind die Ergebnisse dieser
Untersuchung nicht auf alle europäischen Auswahlsituationen übertragbar.
Hierzu müsste in zukünftigen Studien noch weitere Forschung stattfinden.
Zudem liegt der Verdacht nahe, dass die Kandidatenstichprobe bezüglich
ihrer Normen und Werte sehr homogen war. Sie haben sich alle für einen Job
in den Europäischen Institutionen beworben und vorherige Auswahlverfahren
bestanden. Die Mehrzahl der Kandidaten hat schon einmal für die EU
gearbeitet oder mit EU-Angelegenheiten zu tun gehabt. Homogene Stichproben
bedeuten, dass die Varianz eingeschränkt ist. Dies kann dazu führen, dass
Unterschiede zwischen den Gruppen nicht aufgedeckt werden können. Der
Vorteil dieser Untersuchung liegt jedoch darin, dass innerhalb eines
Auswahlverfahrens sehr viele Bewerber unterschiedlicher Nationalität befragt
werden konnten. Keine andere mir bekannte Untersuchung war bisher in der
Lage, Daten aus allen EU-Ländern gleichzeitig zu erheben. Des Weiteren
besaßen die Bewerber ein sehr gutes Sprachniveau in Englisch, Französisch
oder Deutsch, sodass der Fragebogen nicht in alle europäischen Sprachen
übersetzt werden musste. Außerdem haben die Bewerber ein reales Assessment
Center durchlaufen. Der Vorteil gegenüber Studien, in denen sich die Bewerber
lediglich vorstellen sollen, sich für einen Job zu bewerben, liegt also darin,
dass sich die Bewerber hier tatsächlich in einem realen Auswahlprozess
befanden und diesen bewerteten.
Eine weitere Einschränkung liegt darin, dass die Faking-Skala nur eine
geringe interne Konsistenz aufweist. Dies könnte daran liegen, dass die Skala
relativ kurz ist. Auf der einen Seite könnte die Reliabilität durch Erhöhung der
Item-Anzahl erhöht werden, auf der anderen Seite stellt dies auch immer einen
48
Mehraufwand für die Kandidaten dar, die sich bereit erklären, an der
Untersuchung teilzunehmen. Redundante Fragen können die Motivation zum
Ausfüllen eines Fragebogens verringern (Bühner, 2011). Daher ist abzuwägen,
auf welche Weise die interne Konsistenz der Skala künftig erhöht werden soll.
Das Faking-Verhalten wurde in dieser Arbeit erfasst, indem die
Kandidaten nach ihrem Verhalten gefragt wurden. Hier könnte die
Hemmschwelle sehr hoch sein, ehrlich zu antworten, weshalb in zukünftigen
Studien eine indirekte Abfrage des Faking-Verhaltens anzuraten wäre. Eine
von Warner (1965) vorgestellte Methode ist die Randomized Response
Technique. Auf diese Weise hätten die Probanden neben der schriftlichen
Zusicherung auf Anonymität zusätzlich durch die zufallsbasierte Beantwortung
die Sicherheit für Anonymität.
Des Weiteren besteht eine Einschränkung darin, dass in dieser Arbeit
lediglich die Beziehung zwischen der Wahrnehmung des Assessment Centers
und des Faking-Verhaltens untersucht wurde. Korrelationen lassen nicht auf
Kausalität schließen, weshalb zum Beispiel nicht eindeutig gesagt werden
kann, dass die Kandidaten Faking-Verhalten gezeigt haben, weil sie einen
bestimmten Eindruck des Auswahlverfahrens hatten. Es wäre auch möglich,
dass die Kandidaten aufgrund ihrer verfälschten Angaben den Auswahlprozess
auf eine bestimmte Art und Weise wahrnahmen. Erstere Erklärung scheint hier
jedoch plausibler.
5.3 Implikationen für Forschung und Praxis
Aus der vorliegenden Arbeit können verschiedene Implikationen,
einerseits für die Forschung, andererseits für die Praxis, abgeleitet werden. Die
in dieser Arbeit angewandte Skala des AKZEPT!-AC-Fragebogens von
Kersting
(2012)
beinhaltet
sechs
Dimensionen
der
Wahrnehmung:
Kontrollierbarkeit, Messqualität, Augenscheinvalidität, Belastungsfreiheit,
Gute Organisation und Positive Atmosphäre. Zukünftige Forschung sollte in
Erfahrung bringen, welche Dimensionen der Wahrnehmung für welche
Personalauswahlinstrumente
relevant
sind
und
welche
Aspekte
der
Wahrnehmung vielleicht noch fehlen. Das in dieser Arbeit verwendete
Messinstrument ist hinsichtlich der Dimensionen breit aufgestellt und erfasst
49
mit der Augenscheinvalidität und der wahrgenommenen prädiktiven Validität
die wichtigsten Aspekte. Insgesamt ähnelt es inhaltlich der Selection
Procedural Justice Scale von Bauer et al. (2001), welche die zehn Regeln der
prozeduralen Gerechtigkeit von Gilliland (Gilliland, 1993) abbilden. Um zu
untersuchen, welche Aspekte der Wahrnehmung relevant sind, könnte das
Modell von Hausknecht et al. (2004) als Orientierung dienen, da hier sämtliche
Aspekte der Wahrnehmung herausgestellt wurden.
Darüber hinaus sollte zukünftige Forschung stärker darauf eingehen, wie
das
Auswahlinstrument
Assessment
Center
von
den
Bewerbern
wahrgenommen wird. Bisherige Forschung untersuchte zwar nationale
Unterschiede
hinsichtlich
der
Wahrnehmung
verschiedener
Auswahlinstrumente (Anderson et al., 2012; Anderson & Witvliet, 2008;
Bertolino & Steiner, 2007; Bilgiç & Acarlar, 2010; Hoang et al., 2012; Ispas et
al., 2010; Marcus, 2003a; Moscoso & Salgado, 2004; Nikolaou & Judge, 2007;
Phillips & Gully, 2002; Steiner & Gilliland, 1996), jedoch fehlt hier das
Assessment Center. Die enthaltenen Work Samples besitzen zwar einen
ähnlichen Anwendungsbezug wie Assessment Center, sie unterscheiden sich
von diesen jedoch in einigen Aspekten: So sind Work Samples typischerweise
praktische Arbeitsproben, in denen ein Bewerber eine reale Arbeitssituation
erfährt oder sich vorstellt und daraufhin aufzeigt, wie er in der Situation
vorgehen würde (Callinan & Robertson, 2000). Ein Assessment Center besteht
dagegen aus unterschiedlichen praktischen Bestandteilen, wobei aber ebenfalls
kognitive Aufgaben sowie strukturierte Interviews enthalten sein können
(Cook, 2009). Es wäre demnach interessant zu sehen, wie Bewerber auf das
Instrument Assessment Center bezüglich spezifischer Dimensionen reagieren.
Mit dieser Arbeit ist ein erster Schritt in Richtung Bewerberwahrnehmungen
im Assessment Center erfolgt.
Das Verlangen, die Auswahlsituation aus der Perspektive der Bewerber zu
betrachten wird immer größer (Hausknecht et al., 2004; Truxillo et al., 2009).
Wird der Blickwinkel der Bewerber eingenommen, so könnte dies dabei
helfen, die Gründe zu erfahren, warum das Assessment Center im Allgemeinen
eine sehr hohe Beliebtheit besitzen. Erhalten Personalverantwortliche dieses
Verständnis, so wären sie in der Lage, weniger beliebte, jedoch hoch valide
50
Verfahren, wie zum Beispiel kognitive Fähigkeitstests, zu einer höheren
Akzeptanz zu verhelfen.
Ein weiterer Punkt, den die Forschung verfolgen sollte, besteht darin, den
Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung eines Auswahlinstruments und
des Faking-Verhaltens zu verfolgen. Honkaniemi et al. (2011) fanden heraus,
dass die Wahrnehmung und das Faking-Verhalten positiv korrelieren, in dieser
Arbeit stellte sich eine negative, hoch signifikante Korrelation dar.
Korrelationsstudien lassen keinen kausalen Schluss darüber zu, welche
Variable die andere bedingt. Demnach müssen hier neben weiteren
Korrelationsstudien auch Experimentalstudien ansetzen, um der Richtung der
Korrelation auf den Grund zu gehen.
Für die Praxis hat sich gezeigt, dass das Assessment Center ein gutes
Personalauswahlinstrument ist. Obwohl das Faking-Verhalten als solches einen
Einfluss auf die Auswahl der Bewerber hat, wie Levashina und Campion
(2007) für Interviews gezeigt haben, konnten in dieser Arbeit keine Hinweise
auf Länderunterschiede im Faking-Verhalten gezeigt werden. Somit kann
angenommen werden, dass keine Korrekturen für Faking-Verhalten spezifisch
für unterschiedliche Länder vorgenommen werden müssen.
Die Wahrnehmung von Bewerbern in einem Assessment Center zu
untersuchen ist für die Praxis von großer Bedeutung, da die Wahrnehmung
weitreichende Konsequenzen haben kann (Hausknecht et al., 2004). Sie kann
auf der einen Seite das Image, das heißt die Attraktivität des Unternehmens
beeinflussen, und auf der anderen Seite die Weiterempfehlungsabsichten sowie
die Wiederbewerbungsabsichten. In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass
Kandidaten, die einen positiven Eindruck vom Assessment Center haben,
dieses attraktiver finden und eher weiterempfehlen, als Kandidaten, die einen
negativeren Eindruck vom Assessment Center hatten. Es ist daher für ein
Unternehmen sehr wichtig, dass ihre Bewerber, gerade weil es immer welche
geben
wird,
die
abgelehnt
werden,
nicht
aufgrund
einer
negativ
wahrgenommenen Auswahlsituation dem Unternehmen ein schlechtes Image
verleihen. Unternehmen würden demnach davon profitieren, regelmäßig ihre
Bewerber nach ihrer Wahrnehmung zu befragen oder, wie Truxillo et al.
(2009) vorschlagen, den Bewerbern ein individuelles Feedback geben, da
dieses ebenfalls die Wahrnehmung beeinflussen kann.
51
6 Résumé
Das internationale Assessment Center von EPSO hinterlässt insgesamt
einen positiven Eindruck bei den Kandidaten. Das Geschlecht sowie die
Nationalität eines Kandidaten spielen bei der Wahrnehmung des Assessment
Centers praktisch keine Rolle. Ein sehr gutes Sprachniveau sollte jedoch bei
jedem Kandidaten vorhanden sein, damit er zu jeder Zeit einen Überblick über
die Übungen behält und somit Kontrolle über den Ablauf hat. Es zeigte sich,
dass die Wahrnehmung mit der Attraktivität und der Empfehlungsabsicht
korreliert,
sodass
es
für
EPSO
auch
in
Zukunft
wichtig
ist,
Bewerberwahrnehmungen zu untersuchen. Nur so können mögliche Folgen,
wie zum Beispiel ein Imageverlust, vermieden werden.
Das Faking-Verhalten seitens der Kandidaten steht im Zusammenhang mit
der Wahrnehmung. Je positiver der Eindruck vom Assessment Center, desto
weniger verfälschen die Kandidaten ihre Angaben. Dies stellt einen weiteren
Grund für EPSO dar, die Wahrnehmungen ihrer Bewerber zu verstehen. Ist
EPSO in der Lage, ihren Kandidaten ein positives Bild der Personalauswahl zu
vermitteln, kann das Ansehen der Europäischen Institutionen als Arbeitgeber
weiter ansteigen und ehemalige Kandidaten werden eher Empfehlungen
bezüglich eines Arbeitsplatzes aussprechen. Insgesamt liefert Forschung zu
Bewerberwahrnehmungen wertvolle Erkenntnisse, die für die Konstruktion von
Auswahlprozessen wichtig sind.
52
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Anhang A – Fragebogen Deutsch
67
68
69
70
71
72
Anhang B – Fragebogen Englisch
73
74
75
76
77
78
Anhang C – Fragebogen Französisch
79
80
81
82
83
84
Eidesstattliche Erklärung
Ich versichere hiermit an Eides statt, dass ich die von mir eingereichte
Diplomarbeit bzw. die von mir namentlich gekennzeichneten Teile selbständig
verfasst und ausschließlich die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe.
Saarbücken, den 17.12.2013
(Name des Diplomanden)
Einverständniserklärung
Ich erkläre mich einverstanden/nicht einverstanden, dass meine Diplomarbeit
an Personen, die nicht mittelbar oder unmittelbar an meiner Prüfung beteiligt
sind, ausgeliehen wird.
Saarbrücken, den 17.12.2013
(Name des Diplomanden)
85
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