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„WAGNISKAPITAL FÜR DAS SAARLAND“
ZUR FINANZIERUNG VON UNTERNEHMENSGRÜNDUNGEN
UND DEREN ARBEITSMARKTPOLITISCHE WIRKUNG
Projekt der Kooperationsstelle Hochschule und Arbeitswelt
Universität des Saarlandes
Prof. Dr. Christian KEUSCHNIGG
Universität des Saarlandes und CEPR
Volkswirtschaftslehre (FB2)
P.O. 151 150
D-66041 SAARBRUECKEN
Phone: +49-681-302-4362, -2133, Fax: -4125
Email: [email protected]
http://www.wiwi.uni-sb.de/fiwi/
Dipl.-Volksw. Peter STROBEL
Mgr. Tereza TYKVOVÁ
JUNI 1999
INHALTSVBERZEICHNIS
1. EINLEITUNG....................................................................................................................... 3
1.1 MOTIVATION: DIE BEDEUTUNG VON UNTERNEHMENSGRÜNDUNGEN ...........................................3
1.1.1 Allgemeinwirtschaftliche Bedeutung .....................................................................................3
1.1.2 Regionalwirtschaftliche Bedeutung .......................................................................................4
1.2 ZIELE UND VORGEHENSWEISE ........................................................................................................6
2. WAGNISKAPITAL: ABGRENZUNG, BEDEUTUNG UND AUFGABEN.................. 7
2.1 URSACHEN FÜR DAS VERSAGEN DES TRADITIONELLEN KAPITALMARKTES...................................7
2.2 AUFGABEN UND SPEZIFISCHE VORTEILE DER WAGNISFINANZIERUNG ..........................................9
2.3 WAGNISFINANZIERUNG IM VERLAUF EINER TYPISCHEN UNTERNEHMENSENTWICKLUNG ..........14
3. WAGNISKAPITAL IM INTERNATIONALEN VERGLEICH................................... 17
3.1 EIN VERGLEICH ZWISCHEN EUROPA UND DEN USA ....................................................................17
3.2 WAGNISKAPITAL IN DEUTSCHLAND .............................................................................................23
3.2.1 Geschichte und allgemeine Entwicklung .............................................................................23
3.2.2 Typen von Wagniskapitalgesellschaften ..............................................................................26
3.2.3 Kapitalherkunft ....................................................................................................................28
3.2.4 Phasen der Finanzierung.....................................................................................................30
3.2.5 Desinvestitionskanäle ..........................................................................................................31
3.2.6 Branchen- und Regionen......................................................................................................33
3.2.7 Initiativen der öffentlichen Förderung ................................................................................34
3.3 URSACHEN FÜR NATIONALE UNTERSCHIEDE................................................................................38
3.3.1 Kapitalmarkt ........................................................................................................................38
3.3.2 Art der Pensionsfinanzierung ..............................................................................................40
3.3.3 Determinanten der Besteuerung ..........................................................................................41
3.3.4 Regulatorische Rahmenbedingungen der Unternehmen .....................................................42
3.3.5 Arbeitsmarktrigiditäten........................................................................................................44
3.3.6 Kulturelle und institutionelle Unterschiede.........................................................................46
3.3.7 Weitere Faktoren .................................................................................................................47
4. ERFOLGSKONZEPT WAGNISFINANZIERUNG:
INSTRUMENTE UND IHR EINSATZ........................................................................... 48
4.1 DAS PROBLEM VERSTECKTER UND OPPORTUNISTISCHER HANDLUNGSWEISEN...........................50
4.2 INSTRUMENTE ZUR EFFIZIENTEN AUSWAHL .................................................................................52
4.2.1 Vermeidung einer Negativauslese durch Vertragsausgestaltung........................................53
1
4.2.2 Vermeidung einer Negativauslese durch Qualitätsindikatoren...........................................54
4.2.3 Vermeidung einer Negativauslese durch Syndizierung .......................................................55
4.3 INSTRUMENTE ZUR EFFIZIENTEN KONTROLLE ..............................................................................57
4.3.1 Direkte Kontrollmechanismen .............................................................................................57
4.3.2 Vergütungsmodalitäten ........................................................................................................59
4.3.3 Finanzierungsablauf ............................................................................................................60
4.3.4 Finanzierungsstruktur..........................................................................................................63
4.3.5 Die Zuweisung expliziter Kontroll- und Entscheidungsrechte ............................................76
4.4 INSTRUMENTE ZUR EFFIZIENTEN BERATUNG................................................................................82
4.4.1 Vertragliche Ausgestaltung zwischen Firmengründer und Wagnisfinanzier ......................84
4.4.2 Vertragliche Ausgestaltung zwischen Wagnisfinanzier und Investoren..............................87
4.5 ERFOLGSDETERMINANTEN EINER WAGNISKAPITALGESELLSCHAFT IM ÜBERBLICK ....................91
4.5.1 Problemfelder ......................................................................................................................91
4.5.2 Instrumente ..........................................................................................................................91
4.5.3 Gesellschaftsprofil ...............................................................................................................93
5. MAKROÖKONOMISCHE AUSWIRKUNGEN VON WAGNISKAPITAL .............. 95
5.1 ALLGEMEINE ENTWICKLUNG WAGNISFINANZIERTER UNTERNEHMEN IM ÜBERBLICK ................96
5.2 ÜBERLEBENSWAHRSCHEINLICHKEIT WAGNISFINANZIERTER UNTERNEHMEN .............................99
5.2.1 Theoretische Grundlagen.....................................................................................................99
5.2.2 Determinanten der Überlebenswahrscheinlichkeit ...........................................................100
5.3 BESCHÄFTIGUNG .........................................................................................................................104
5.4 INNOVATIONSKRAFT WAGNISFINANZIERTER UNTERNEHMEN ....................................................113
6. REGIONALE BEDEUTUNG VON WAGNISKAPITAL: DAS SAARLAND .......... 119
6.1 DAS PHÄNOMEN REGIONALER KONZENTRATIONSERSCHEINUNGEN ..........................................119
6.2 DIE REGION SAARLAND ..............................................................................................................124
6.2.1 Strukturwandel und Beschäftigung....................................................................................124
6.2.2 Neugründungen im Saarland .............................................................................................128
6.2.3 FuE und Innovationen........................................................................................................129
6.2.4 Initiativen der öffentlichen Förderung ..............................................................................133
7. ZUSAMMENFASSUNG UND
WIRTSCHAFTSPOLITISCHE IMPLIKATIONEN ................................................... 134
LITERATURVERZEICHNIS ..........................................................................................................143
2
LEITUNG
1.
EINLEITUNG
1.1
Motivation: Die Bedeutung von Unternehmensgründungen
1.1.1
Allgemeinwirtschaftliche Bedeutung
In einer Marktwirtschaft findet ein permanenter Ausleseprozeß statt, indem junge Unternehmen mit
innovativen Produktideen jene verdrängen, die den Bedarf der Kunden verkennen. Unternehmensgründungen bestimmen die Erneuerungskraft der Wirtschaft. Aufgrund ihrer Struktur und internen
Organisation ist es kleinen Unternehmen besser möglich, auf neue Erfordernisse der Wirtschaft zu
reagieren, als großen.1 Sie greifen Ideen auf, die von Großunternehmen nicht erkannt oder weiterverfolgt werden. Junge Unternehmen sind damit eine Quelle von Innovation und Beschäftigung. Als das
kreative Element innerhalb einer Volkswirtschaft bringen sie im Durchschnitt mehr Innovationen
hervor als die etablierten Großkonzerne und schaffen mit den gleichen Kapitalinvestitionen mehr
Arbeitsplätze. Dagegen setzen mit einer zunehmenden Kapitalintensivierung in den Produktionsprozessen große Unternehmen im Rahmen fortdauernder Rationalisierungsbestrebungen mehr und mehr
Arbeitsplätze frei. Zur Sicherung der Beschäftigung und Innovationskraft der Wirtschaft ist es also
wichtig, günstige Bedingungen für Unternehmensneugründungen zu schaffen oder wenigstens die
gröbsten Hemmnisse hierfür aus dem Weg zu räumen.
· Die Beschäftigungsgewinne in der Gesamtwirtschaft sind hauptsächlich den klein- und mittelständischen Unternehmen zuzurechnen.
Eine wichtige Voraussetzung für eine lebhafte Gründertätigkeit ist die Verfügbarkeit von Risikokapital. Wagniskapital, oder Venture Capital, ist eine spezifische Finanzierungsform, die auf Unternehmensgründungen und auf die Expansion von jungen Unternehmen zugeschnitten ist. Wagnisfinanzierung ist die Bereitstellung von Eigenkapital über eine zeitlich begrenzte Investitionsperiode mit aktiver Beratung und Unterstützung im Management des neu gegründeten Unternehmens. Die Erträge
fallen nicht in Form von laufenden Dividenden, sondern als Wertzuwachs beim Verkauf der Anteile
am Ende der Beteiligungsperiode an.
1
Sahlman nennt und analysiert verschiedene Ursachen hierfür: siehe Sahlman (1992).
3
1.1.2
Regionalwirtschaftliche Bedeutung
Der Aufgabe der intensiven Gründungsförderung müssen sich insbesondere jene Regionen stellen, die
über den normalen Ausleseprozeß hinaus einen größeren Strukturwandel zu bewältigen haben. Hierzu
ist zweifelsohne auch das Saarland zu rechnen. Die fortschreitende Integration der weltweiten Wirtschaftsräume und die damit verbundene Verschärfung des internationalen Wettbewerbs um die Absatzmärkte machen es zwingend, daß sich die hochentwickelten Industrienationen wie auch die einzelnen Regionen mit innovativen Produkten und Produktionsprozessen behaupten. Eine flexible Wirtschaftsstruktur mit einem hohen Grad an Anpassungsfähigkeit ist unerläßlich, um dem kontinuierlichen Wandel der Weltwirtschaft zu begegnen. Motor dieser strukturellen Anpassung sind vor allem
auch die Neugründungen von Unternehmen. Ihnen kommt im Hinblick auf die regionale Standortentwicklung eine herausgehobene Schlüsselrolle zu, indem sie den Grundbaustein für den Aufbau und
die Neuordnung von Industriestandorten legen und aufgrund ihres überdurchnittlichen Wachstumspotentials die regionale Entwicklung vorantreiben. Gründungsinvestitionen leisten damit Pionierarbeit, ziehen bald weitere Unternehmensniederlassungen nach sich und tragen somit entscheidend zur Entlastung der regionalen Arbeitsmärkte bei.
· Motor regionaler Strukturanpassungen sind vor allem die Neugründungen von Unternehmen
in wachstumsstarken Zukunftsbranchen, durch die Arbeitsplätze in einer Region geschaffen
und dauerhaft gesichert werden.
Die Erkenntnisse der „neuen Wirtschaftsgeographie“2 machen deutlich, daß es in einer Region erst
dann zu einer nachhaltigen Ansiedlung von Industrie- und Dienstleistungsunternehmen kommt, wenn
bereits eine kritische Masse an wirtschaftlicher Aktivität vor Ort existiert. Mit dem Zustrom und der
Gründung weiterer Unternehmen werden sodann kumulative Prozesse in Gang gesetzt, welche die
wirtschaftliche Entwicklung der Region weiter forcieren. Solche kumulativen Prozesse wirken selbstverstärkend und tendieren dazu, die Attraktivität eines Standortes weiter zu stärken. Für Unternehmen
ist dies mit Preisvorteilen bei den Inputfaktoren sowie einer breiten Absatzmöglichkeit ihrer eigenen
Produkte verbunden. Es ist ihnen möglich, in der Region selbst maßgeschneiderte Komponenten bedarfsgerecht zu beziehen. Agglomerationseffekte können sich dabei sowohl auf die Ballung unterschiedlicher Wirtschaftsaktivitäten als auch auf die Konzentration von Unternehmen mit ähnlichen
Produktions- und Innovationsschwerpunkten beziehen. Gerade in diesem Fall stellt die räumliche
Nähe zu potentiellen Kooperationspartnern und externen Informationsquellen einen bedeutenden
2
Einen guten Überblick über verschiedene Modellansätze gibt Matsuyama (1995). Siehe z.B. auch Krugman (1991),
Krugman und Venables (1995) oder Stahl (1997). In Saxenian (1996) findet sich eine anwendungsbezogene Studie über
4
Standortvorteil dar. Unternehmen profitieren von technologischen Spillovers, indem sie sich die Erfahrungen auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung anderer Unternehmen sowie von privaten
und öffentlichen Forschungseinrichtungen im Rahmen formeller Kooperationen und Auftragsarbeiten
oder im Wege des informellen Austauschs über Geschäftsbeziehungen zu Nutze machen.
In Folge nimmt die Prosperität der Region zu. Aufgrund des reichhaltigeren Angebots an lokal verfügbaren Gütern und Dienstleistungen entfaltet die Region auch auf Erwerbspersonen anderer Gebiete
eine starke Anziehungskraft hinsichtlich der Wahl ihres Lebens- und Arbeitsmittelpunktes. Für die
Arbeitsmarktentwicklung bleibt dies nicht ohne Konsequenzen: Durch den Zustrom von Arbeitskräften gewinnt der Arbeitsmarkt an Tiefe, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit für einen Abschluß
paarweise vorteilhafter Arbeitsbeziehungen erhöht. Gleichzeitig tritt nicht selten eine Spezialisierung
am Arbeitsmarkt ein. Die Verfügbarkeit von qualifizierten und z.T. hoch spezialisierten Fachkräften
steigert die Produktivität der Firmen zusätzlich und ist gerade im Hinblick auf innovative Gründungen
zumeist eine notwendige Voraussetzung. Beide Entwicklungen bieten damit auch für andere Unternehmen attraktive Anreize, ihren Produktionsstandort in eine solche Kernregion der wirtschaftlichen
Aktivität zu verlegen. Allerdings können die bestehenden Regulierungen auf dem Arbeitsmarkt im
Verbund mit den existierenden Lohnstarrheiten gravierende Barrieren für einen solchen Prozeß darstellen.
· Die Bereitstellung von Risikokapital ist ein wichtiges wirtschaftspolitisches Instrument, mit
Hilfe dessen der regionale Strukturwandel öffentlich unterstützt und forciert werden kann.
Will sich eine Region als attraktiver Wirtschaftsstandort etablieren, so bedarf es einer kritischen Anzahl von Gründungsinvestitionen in wachstumsstarken Zukunftsbranchen. So kann eine selbsttragende
regionale Wirtschaftsentwicklung gestartet werden. Weitere Innovationsprozesse werden von den
jungen Unternehmen ausgelöst. In Folge eines Multiplikatoreffektes wird die fortdauernde Erneuerung und Modernisierung der Wirtschaftsstruktur durch weitere Gründungen in der Region gesichert.
Die Abhängigkeit der regionalen Wirtschaftskraft von der Entwicklung nur weniger traditioneller
Branchen kann so vermindert werden. Unternehmensgründungen und finanzielle Risikobeteiligungen
an jungen Unternehmen schaffen und sichern Arbeitsplätze und fördern den technologischen Fortschritt. Die Förderung der Wagnisfinanzierung ist dabei eines derjenigen wirtschaftspolitischen Instrumente, mit denen dieser Prozeß öffentlich unterstützt bzw. in Gang gesetzt werden kann.
Konzentrationserscheinungen und deren Ursachen anhand von Route 128 und Silicon Valley als zwei herausragende Beispiele aus den USA.
5
1.2
Ziele und Vorgehensweise
Existenzgründungen stellen Handlungsfelder für künftige Beschäftigung dar. Hierrauf verweist auch
die Arbeitskammer des Saarlandes3. Die Arbeitskammer macht in ihrer Abhandlung zugleich jedoch
auf den bestehenden Nachholbedarf bei der Frage der Finanzierung von Unternehmensgründungen
aufmerksam, woraus sich ein Informationsdefizit hinsichtlich der Art und Weise einer effektiven Bereitstellung von Beteiligungskapital ableiten läßt. Unternehmensgründungen stellen aus volkswirtschaftlicher Sicht Experimente dar, die nur bei positivem Ausgang zusätzliche Beschäftigung schaffen
und das Angebot an innovativen Produkten und Dienstleistungen erweitern. Neben unternehmerischem Versagen sind die Ursachen für auftretende Insolvenzen eventuell auch auf einen Mangel in
der Kompetenz der Beteiligungsgesellschaften und ihrer Fondsmanager zurückzuführen. Hieran
knüpft die folgende Studie an, indem sie das Instrument der Wagnisfinanzierung konzeptionell erfaßt
und die einzelnen Funktionen von Risikokapital im Detail beleuchtet. Hierzu bietet Kapitel 2 einen
ersten Überblick und schafft die Grundlagen für ein tieferes Verständnis, welches die spezifischen
Probleme der Finanzierung von Gründungsinvestitionen sind. Kapitel 3 vollzieht sodann die Entwicklung der Wagnisfinanzierung im Rahmen eines internationalen Vergleichs nach und zeichnet ein genaueres Bild der Situation, so wie sie sich im Hinblick auf die Beteiligungsfinanzierung für die Bundesrepublik Deutschland darstellt. Vor dem Hintergrund der in Kapitel 3 aufgezeigten Defizite beschäftigt sich Kapitel 4 ausschließlich mit der Frage nach den geeigneten Instrumenten, welche der
Wagnisfinanzierung zum Erfolg verhelfen und zur Erfüllung ihrer Funktionen beitragen können. Mit
dem adäquaten Einsatz dieser Instrumente ist es den Fondsmanagern einer Beteiligungsgesellschaft
möglich, die Erfolgswahrscheinlichkeit von Unternehmensgründungen zu erhöhen.
Vor dem Hintergrund der Insolvenzgefahr und möglicher Substitutionseffekte vermag nach den Ausführungen der Arbeitskammer der Nettobeitrag von Unternehmensgründungen zu einer Entlastung der
Arbeitsmärkte nur ungewiß sein. Um hierauf eine Antwort zu finden und den Beitrag von Unternehmensgründungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen genauer zu spezifizieren, werden im Rahmen von
Kapitel 5 die Ergebnisse zahlreicher empirischer Studien vorgestellt und diskutiert. Kapitel 6 geht im
Anschluß auf die Besonderheiten der regionalen Wirtschaftsentwicklung im allgemeinen ein und analysiert die Lage des Saarlandes im besonderen. Schließlich sollen in Kapitel 7 im Rahmen einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse wirtschaftspolitische Handlungsempfehlungen zu einer
effektiveren Bereitstellung von Risikokapital abgeleitet werden. Ziel soll eine Verbesserung der Rahmenbedingungen der Wagnisfinanzierung zur Unterstützung von Unternehmensgründungen als Motor
des regionalen Strukturwandels im Saarland sein.
3
Siehe Arbeitskammer des Saarlandes (1998a): 165.
6
2.
Wagniskapital: Abgrenzung, Bedeutung und Aufgaben
Die Wagnisfinanzierung spricht zwei Haupthindernisse für eine erfolgreiche Gründertätigkeit an:
Neben den Mangel an Eigenkapital tritt ein Mangel an unternehmerischer Erfahrung. Der Kapitalmangel ist offensichtlich und zum Teil auf die spezifischen Eigenschaften einer Gründungsinvestition
zurückzuführen. Gründerpersönlichkeiten, die sich i.d.R. durch ein profundes technischnaturwissenschaftliches Wissen auszeichnen, verfügen über zumeist nur unzureichende Kompetenzen
im Management.4 Da Erfahrungen in betriebswirtschaftlichen Bereichen wie z.B. Rechnungswesen,
Controlling oder Marketing nur die Ausnahme sind, müssen sie i.d.R. in die Unternehmerrolle erst
hineinwachsen.5 Sucht man nach Gründen für das Scheitern von Unternehmen, dann ist in den allermeisten Fällen die Ursache bei inkompetentem Management zu suchen. Um so entscheidender ist die
beratende und kontrollierende Funktion der Wagnisfinanzierung. Sie gewährleistet, daß ein möglichst
großer Anteil an Neugründungen tatsächlich erfolgreich ist. Keine andere Form der Investitionsfinanzierung leistet einen ähnlich hohen Beitrag zur Steigerung der Erfolgswahrscheinlichkeit und zum
Wachstum junger Unternehmen wie die Wagnisfinanzierung.
2.1
Ursachen für das Versagen des traditionellen Kapitalmarktes
Risiko ist ein immanenter und nicht trivialer Bestandteil von Unternehmensgründungen. Neben das
allgemeine marktseitige Risiko tritt insbesondere bei innovativen Gründungen zusätzlich ein technologisches Risiko, da die Realisierbarkeit der Innovation zunächst nur unsicher ist und die Gefahr der
Imitation nicht ausgeschlossen werden kann. Die Frage aber, wer das Risiko einer Fehlinvestition aus
ökonomischer Sicht tragen soll, ist davon abhängig, welcher der an einem Projekt beteiligten Akteure
durch die Realisierung dieses Risikos am härtesten getroffen wird.6 So bestehen gravierende Unterschiede in der Möglichkeit der einzelnen Wirtschaftssubjekte, Risiko zu streuen. Während es für einen Finanzintermediär bspw. ohne weiteres möglich ist, sein Risiko durch Investition aus einem großen Pool der ihm zur Verfügung stehenden Anlagemittel in eine Vielzahl unterschiedlicher Projekte
hinsichtlich des Gesamterfolgs zu glätten, ist dies für eine einzelne Gründerpersönlichkeit aufgrund
ihrer beschränkten Finanzressourcen kaum möglich. Das Scheitern des Projektes würde unmittelbar
die wirtschaftliche Existenz des Gründers nachhaltig gefährden. Einzelpersonen würden sich somit
kaum an die Umsetzung innovativer Ideen wagen. Die Neigung zur Unternehmensgründung bleibt
4
5
Eine Differenzierung der Unternehmensgründer nach Funktionsbereichen ergibt, daß 78,8 Prozent der Gründer über
Erfahrungen im Bereich Forschung und Entwicklung, 31,6 Prozent im Vertrieb und 27,6 Prozent in der Produktion verfügen: vgl. Kulicke (1987): 118.
Vgl. bspw. Pleschak (1997).
7
gering, wenn Existenzgründer in der Höhe ihres gesamten Privatvermögens haften müssen. Stattdessen werden Privatpersonen alternative sichere Einkommensarten bevorzugen. Um risikobehaftete,
in ihrem Erwartungswert jedoch ertragreiche Projekte überhaupt realisieren zu können, übernehmen
Finanzintermediäre daher regelmäßig die Funktion einer Versicherung, indem der Einkommensstrom
eines Firmengründers nicht mehr auschließlich durch den Erfolg oder Mißerfolg des Projektes bestimmt wird. 7
· Finanzintermediäre übernehmen durch die Bereitstellung von Investitionsmitteln regelmäßig
die Funktion einer Versicherung, indem sie die Haftung eines Unternehmensgründers begrenzen und ihm ein erfolgsunabhängiges Grundgehalt gewähren.
Die Notwendigkeit, daß sich Finanzintermediäre an der Finanzierung von Gründungsinvestitionen
beteiligen, garantiert jedoch noch keineswegs deren Bereitschaft, dies auch tatsächlich zu tun. Auch
der traditionelle Finanzsektor der Banken ist darauf angewiesen, das Ausfallrisiko von Krediten und
Beteiligungen zu kalkulieren und im Interesse ihrer eigenen Anteilseigner zu begrenzen. Aus diesem
Grund kommt der Evaluierung von Investitionsprojekten im Hinblick auf ihre Qualität und Ertragsaussichten eine besondere Bedeutung zu. Nicht selten jedoch stellen sich gerade hier der Finanzierung von Gründungsinvestitionen scheinbar unüberwindbare Barrieren entgegen. Ein erst neu zu
gründendes Unternehmen verfügt weder über ausreichende Sicherheiten noch über eine ausreichende
Reputation, die das Vertrauen von Banken gewinnen und gegenüber Dritten rechtfertigen könnte. Bei
der Gründerpersönlichkeit handelt es sich zumeist um ein im kaufmännischen Bereich unbeschriebenes Blatt, dessen Fähigkeiten zur Leitung eines Unternehmens nicht ohne weiteres erkennbar
sind. Traditionelle Finanzintermediäre aber sind i.d.R. darauf ausgerichtet, ein breites Spektrum an
unterschiedlichen Dienstleistungen anzubieten, so daß eine zusätzliche Spezialisierung auf das Segment der Gründungsinvestitionen nur mit dem Aufbau einer zur Identifizierung vielversprechender
Projekte adäquaten Technologie und unter unverhältnismäßig hohen Kosten möglich wäre.
Um das Scheitern einer Kreditzuteilung abzuwenden, sind auch Sicherheiten i.d.R. nicht verfügbar.
So manifestieren sich Firmenwerte in erster Linie nicht in physisch vorhandenen Kapitalgütern, sondern sind alleine auf das geistige Potential der Gründerpersönlichkeit und ein von ihr aufgestelltes
Produktkonzept zurückzuführen. Erst im Zuge der Umsetzung einer innovativen Idee kommt es zur
Entwicklung eines vermarktungsfähigen Produkts, dessen Wert schließlich meßbar ist. Während dieser Phase der Gründung und Entwicklung eines Projektes weisen junge Unternehmen keine oder nur
sehr geringe Zahlungsströme auf, die zur Bedienung von Krediten herangezogen werden könnten: Die
6
7
Vgl. z.B. Mas-Colell, Whintston und Green (1995), Kapitel 6 oder Macho-Stadler und Pérez-Castrillo (1997), Kapitel 2.
Vgl. Freixas und Rochet (1998), Kapitel 2.
8
Finanzierung von Unternehmensgründungen aber ist eine langfristige Investition, deren Ertrag nicht in
laufenden Dividenden, sondern zum größten Teil in Form von Wertsteigerungen am Ende einer längeren Aufbauphase anfällt. Vor dem Hintergrund der spezifischen Charakteristika einer Gründungsinvestition erscheint insgesamt also die Form der Finanzierung über den traditionellen Kapitalmarkt als
ungeeignet bzw. als nicht praktikabel.8
· Die fehlende Reputation junger Unternehmen (1) und der Mangel an Sicherheiten (2) stellen
i.d.R. unüberwindbare Zugangsbarrieren zum traditionellen Kapitalmarkt der Banken dar.
2.2
Aufgaben und spezifische Vorteile der Wagnisfinanzierung
Wagniskapital ist auf die Startfinanzierung von Gründungsinvestitionen spezialisiert, die ein hohes
Wachstumspotential versprechen, zugleich aber ein extrem hohes Risiko aufweisen. Die Finanzreserven potentieller Unternehmer sind zumeist begrenzt, ihr einziges Kapital ist oft die Geschäftsidee.
Das Startkapital muß daher von anderen Kapitalgebern eingebracht werden. Gerade technologisch
hochwertige und wissensbasierte Projekte mit einem hohen Wachstumspotential scheitern neben dem
Kapitalmangel häufig an mangelnder unternehmerischer Erfahrung der Gründerpersönlichkeit. Wagnisfinanzierung durch Beteiligungsgesellschaften ist spezifisch auf solche Gründungen zugeschnitten.
Die besonderen Probleme, die in Verbindung mit Unternehmensgründungen erwachsen, prägen die
Aufgaben der Beteiligungsgesellschaften. Dabei erweist sich nicht jede Finanzierungsstrategie als
erfolgreich. Die Finanzierung von Gründungsinvestitionen stellt Finanzintermediäre vor besondere
Herausforderungen hinsichtlich der adäquaten Ausgestaltung und Umsetzung von Finanzierungskontrakten. Spezialisierten Gesellschaften ist es leichter möglich, sich durch die eigene Geschäftstätigkeit
und den Aufbau eines engen Netzes an Geschäftskontakten die hierfür notwendigen Erfahrungswerte
zu erwerben und sich so in dem Marktsegment der Risikofinanzierung zu behaupten. Dabei erfüllen
sie jedoch auch andere, grundsätzliche Aufgaben, wie sie teilweise auch durch den traditionellen Finanzsektor wahrgenommen werden:
1. Bereitstellung von Eigenkapital: Zu den traditionellen Aufgaben von Finanzintermediären gehört
u.a. die Vermittlung zwischen Kapitalangebot und Kapitalnachfrage. Zu den Kapitalgebern bzw.
Anteilseignern der Beteiligungsgesellschaften gehören einzelne Geschäftsleute, Großunternehmen,
Banken, Versicherungen, Pensionsfonds und häufig auch der Staat. Wie Abb. 2.1 verbildlicht, investieren Finanzierungsgesellschaften die angeworbenen Mittel in Form von Beteiligungen in aus-
8
Als einen weiteren Grund für eine systematische Benachteiligung von kleinen und jungen Unternehmen bei der Aufbringung von externem Fremdkapital führt Gerke losgrößenabhängige Bankkonditionen an: vgl. Gerke (1993): 620-621.
9
gesuchte Neugründungen. Wegen des hohen Risikos und dem Mangel an Sicherheiten scheidet eine Kreditfinanzierung im wesentlichen aus. Der Abfluß von Zins- und Tilgungsleistungen würde
das Wachstum des Unternehmens zudem erheblich behindern und somit den Gesamterfolg eines
Projektes nachhaltig gefährden. Gründungen müssen daher mit Eigenkapital finanziert werden,9
meist in mehreren Wellen. Im Erfolgsfall fließen die Erträge den Finanzierungsgesellschaften nicht
in Form von Dividenden zu, sondern als Wertsteigerung am Ende des Gründungsablaufs, wenn die
Anteile im Zuge einer erfolgreichen Börseneinführung oder anderweitig verkauft werden.
2. Risikostreuung: Eine weitere wesentliche Aufgabe von Finanzintermediären ist die Risikostreuung. Zum einen entlastet eine Beteiligungsgesellschaft die Firmengründer teilweise von ihrem Existenzrisiko, zum anderen streut sie zugleich das Risiko der eigenen Kapitalgeber und Anteilseigner: Unter allen Beteiligungen in einem typischen Portfolio stammt der Hauptteil des Ertrags von
nur einem oder zwei Erfolgsunternehmen, während der Rest nur mäßige Erträge abwirft oder in
Totalverlusten endet.10 Wagnisfinanziers beteiligen sich daher an einer größeren Anzahl von Neugründungen, um ihr Risiko auf viele Schultern zu verteilen. Diese Streuung erlaubt es, den Anteilseignern der Finanzierungsgesellschaft einen Ertrag mit geringerem Risiko zu sichern, als es
diesen mittels einer direkten Beteiligung an nur einer einzelnen Neugründung selbst möglich wäre.
Abbildung 2.1: Elemente der Wagnisfinanzierung
Kapitalaquisition
“WAGNISKAPITAL AG”
Investition
Wagnisfinanziers unterscheiden sich jedoch grundlegend von anderen Finanzintermediären wie bspw.
Banken. Im Gegensatz zu diesen entwickeln sie besondere Kompetenzen, die es ihnen ermöglichen,
9
Während es in den USA Banken gesetzlich grundsätzlich nicht erlaubt ist, Unternehmensbeteiligungen zu halten, besteht
eine vergleichbare Reglementierung in Deutschland nicht. Die Funktion der Bereitstellung von Eigenkapital könnte so
ohne weiteres auch durch den Bankensektor erfüllt werden.
10
zugeschnitten auf Gründungsinvestitionen spezifische Funktionen in der Auswahl, Kontrolle und Beratung von Neugründungen effizient auszuüben:
· Neben der Bereitstellung von Eigenkapital und der Streuung von Risiko bestehen die komparativen Vorteile von Wagniskapitalgesellschaften v.a. in der fundierten Identifikation und Auswahl erfolgversprechender Projekte und in ihrer begleitenden Kontrolle und Beratung.
· Damit leistet die Wagnisfinanzierung wie keine andere Form der Investitionsfinanzierung einen
wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Erfolgswahrscheinlichkeit und zum Wachstum junger
Unternehmen und trägt gesamtwirtschaftlich zu mehr Beschäftigung und Einkommen bei.
1) Projektauswahl: Aufgrund ihrer spezifischen Branchenkenntnisse und ihrer Erfahrung im Managementbereich können Beteiligungsgesellschaften eine zielgerichtete Evaluierung von Geschäftsplänen hinsichtlich ihrer Erfolgsaussichten und damit eine fundierte Auswahl aus einer Vielzahl
potentieller Investitionsmöglichkeiten vornehmen. Mängel in der Projektauswahl schlagen sich
nicht nur in geringeren Durchschnittsrenditen der Kapitalanleger nieder, sondern sind auch volkswirtschaftlich mit negativen Konsequenzen verbunden, indem entweder neue Produktionen und die
damit assoziierten Beschäftigungsmöglichkeiten nicht realisiert oder Kapital und andere Ressourcen in der Verfolgung von nur wenig erfolgversprechenden Projekten verschleudert werden. Eine
erfolgreiche Projektauswahl aber setzt Erfahrung und unternehmerisches Gespür der Finanziers
voraus. Da das Unternehmen noch nicht anhand vergangener Erfolge beurteilt werden kann und
ein Markt erst erschlossen werden muß, kommt es anders als bei der einfachen Kreditwürdigkeitsprüfung auf die unternehmerische Intuition und Managementkompetenz in der Finanzierungsgesellschaft an11. Nicht selten verfügen daher Mitarbeiter einer Wagniskapitalgesellschaft über eine
langjährige praktische Managementerfahrung in der Industrie.12 Neben ihren finanzierungstechnischen Kenntnissen können sie auf ein umfangreiches Wissen um die spezifischen Sachverhalte der jeweiligen Produktgattung und Produktionstechnik zurückgreifen. Nur so ist eine einigermaßen sichere Einschätzung der technischen Realisierbarkeit insbesondere von Innovationsgründungen möglich.
2) Kontrolle: Wie auf allen Versicherungsmärkten entsteht durch die Eigenkapitaleinlage der Finanzierungsgesellschaft ein grundsätzliches Anreizproblem, aufgrund dessen der Unternehmer versucht sein mag, sich dem Projekt nicht mehr mit derselben Intensität zu widmen, als wenn er das
gesamte unternehmerische Risiko tragen müßte. Bereits bei der Aushandlung des Finanzierungs-
10
11
12
Siehe Sahlman (1990): 484.
Siehe Sahlman (1990): 501 f.
Ausbildung und Erfahrung von Managern stllen wesentliche Erfolgsfaktoren einer Beteiligungsgesellschaft dar: siehe
Schefczyk (1998) oder Schefczyk und Gerpott (1997).
11
vertrages muß die Gesellschaft den Vertragsinhalt an den entstehenden Anreizproblemen ausrichten. Durch die regelmäßige Kontrolle des Unternehmers und die Prüfung von Geschäftsdaten wird
gewährleistet, daß der Unternehmer auch weiterhin die nötige kaufmännische Sorgfalt und Vorsicht walten läßt. Es liegt jedoch nicht immer in der Verantwortung des Unternehmers, wenn ein
Projekt nicht zum Erfolg führt. Dennoch gesteht ein Gründer in solchen Fällen nur ungern das
Scheitern des Projektes ein. Eine intensive, begleitende Kontrolle ist daher auch deshalb notwendig, damit die Finanzierungsgesellschaft erfolglose Projekte frühzeitig stoppen und eine Vergeudung von wertvollen Ressourcen verhindern kann.
3) Strategische Managementberatung: Zahlreiche Geschäftskontakte zu potentiellen Kunden und
Lieferanten sowie eine profunde Kenntnis über weitere Finanzierungsmöglichkeiten unterstreichen
zusätzlich die besondere Eignung von Wagniskapitalgesellschaften zur laufenden Betreuung und
Unterstützung junger Unternehmen während ihrer Entwicklungsphase. Gründerpersönlichkeiten
haben in vielen Fällen einen technisch naturwissenschaftlichen Hintergrund und sind im Management oft völlig unerfahren. Daher muß die Finanzierungsgesellschaft gerade in der Anfangsphase
ihre Rechte als Miteigentümer intensiv wahrnehmen und aktiv in die Unternehmensführung eingreifen, um das junge Unternehmen auf Erfolgskurs zu lenken. In dieser Situation sind die Erfahrung und die Kontakte der Manager der Beteiligungsgesellschaft als zwei unverzichtbare Schlüsselressourcen in dem noch jungen Entwicklungsprozeß gefragt. Sie können helfen, ein Managementteam zusammenzustellen, die entsprechenden Verträge auszuhandeln und andere weitreichende strategische Entscheidungen beratend zu unterstützen.
Beratung im Organisations- und Personalmanagement: Zu den Aufgaben einer Finanzierungsgesellschaft gehört auch die Gestaltung einer effizienten innerbetrieblichen Organisation sowie die
Zusammenstellung eines in sich geschlossenen Mitarbeiterteams. Der Aufbau einer funktionierenden und den Entwicklungsbedürfnissen des Projektes angepaßten Personalstruktur ist eine wichtige
Voraussetzung für eine produktive Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens und Basis für die
Realisierung potentieller Erfolgschancen. Gerade an der Führungsspitze eines Unternehmens
kommt es kritisch darauf an, daß die für die einzelnen Unternehmensbereiche Verantwortlichen
miteinander harmonieren, sich in ihren Fähigkeiten gegenseitig ergänzen und in ihrem Handeln gut
aufeinander abgestimmt sind. Während der Start- und Entwicklungsphase, aber auch während der
frühen Wachstumsphase wird dabei von den Mitarbeitern höchste Flexibilität verlangt, um den
Gründungserfolg nicht zu gefährden. Eigenschaften wie Kreativität und Teamgeist, aber auch In-
12
dustrieerfahrung und Kompetenzen in kaufmännischen Funktionen wird eine für den Erfolg signifikante Bedeutung beigemessen.13
Der Rekrutierung von kompetenten Führungskräften und Mitarbeitern kommt in der Gründungsphase eines Unternehmens höchste Priorität zu. Neben der reinen Finanzierungstätigkeit rücken
mit der Wahrnehmung ihrer Beraterfunktion gerade auch Personalmanagement und -entwicklung
in das Zentrum der Aktivitäten einer Finanzierungsgesellschaft. Vor dem Hintergrund der hohen
Bedeutung, die der Managementqualifikation des Unternehmers für seinen Erfolg zukommt, obliegt es der Finanzierungsgesellschaft, bei Personalfragen eine aktive Rolle einzunehmen und auf
die Besetzung von Schlüsselpositionen einzuwirken. Hierzu bedarf es für die Beteiligungsgesellschaft auf der einen Seite weitgehender Gestaltungsfreiräume, die sie auf der anderen Seite aber
auch in kreativer Weise ausfüllen muß. Die übergreifende Qualität dieser Arbeit wird sehr stark
von den Kompetenzen der Fondsmanager abhängig sein. Fehlt diesen die hierfür notwendige Erfahrung, so kann dieser Umstand des Mangels an Beratungs- und Führungsqualitäten für die Erfolgsaussichten des jungen Unternehmens nachhaltige negative Effekte mit sich führen.
Der Beratungsbedarf des Unternehmens ist dabei grundlegend von den vereinbarten Informations- und
Kontrollrechten zu unterscheiden. Während sich die Ausübung der formalen Kontroll- und Informationsrechte hauptsächlich auf die Arbeit in den speziell hierfür eingerichteten Organen des Unternehmens wie z.B. dem Aufsichtsrat konzentriert, finden die beratenden Unterstützungsaktivitäten der
Wagnisfinanziers weitgehend über informelle Kanäle außerhalb dieser Organe statt.14 Eine empirische
Studie von Rosenstein et al.15 belegt, daß die Bedeutung der jeweiligen Tätigkeit für den Erfolg einer
Neugründung dabei jedoch als unterschiedlich groß einzustufen ist: Demnach ist der Wert der Arbeit
und Repräsentation in den Organen des Unternehmens für seinen Entwicklungsverlauf begrenzt. Während weniger kreativ angelegte Informations- und Kontrollaktivitäten hauptsächlich zur Verhinderung
eines Scheiterns des Unternehmens beitragen können, kann man vermuten, daß Beratungsmaßnahmen
die Erfolgschancen eines Projektes systematisch erhöhen und letztlich auf eine Steigerung der Erträge
abzielen.16 Wagnisfinanzierung stärkt damit das Wachstum der jungen Unternehmen und trägt gesamtwirtschaftlich zu mehr Beschäftigung und Einkommen bei.
13
14
15
16
Siehe bspw. Schefczyk und Gerpott (1997).
Vgl. Schefczyk (1998): 303 ff.
Siehe Rosenstein et al. (1993).
Zur Erhöhung der Erfolgswahrscheinlichkeit durch die Kontroll- und Beratungstätigkeit siehe auch Gompers (1995).
13
2.3
Wagnisfinanzierung im Verlauf einer typischen Unternehmensentwicklung
Wagniskapital muß als eine langfristige Investition betrachtet werden. Eigenkapital wird in mehreren
Wellen investiert. Im Falle einer unvorhergesehenen negativen Entwicklung wird das Projekt frühzeitig gestoppt, um weitere Verluste zu vermeiden. Im Erfolgsfalle dauert die Beteiligung der Finanzierungsgesellschaft gewöhnlich zwischen drei bis zehn Jahren.17 Die spezifischen Aufgaben einer
Wagniskapitalgesellschaft sind dabei vom jeweiligen Entwicklungsstand des Projektes abhängig und
erfahren im Zeitablauf mit zunehmender Selbständigkeit des Unternehmens eine fortdauernde Änderung. Schließlich büßt die Wagnisfinanzierung gegenüber anderen traditionellen Finanzierungsformen
ihre spezifischen Vorteile ein. Folgender Ablauf der Wagnisfinanzierung ist typisch:
1) Start- und Entwicklungsphase: Die Wagniskapitalgesellschaft muß aus einer Vielzahl von Projektvorschlägen die im Hinblick auf ihre Realisierbarkeit und Ertragsaussichten besten Ideen identifizieren und auswählen. Der Auswahl und Prüfung von Geschäftsplänen kommt hier größte Bedeutung zu und erfordert fundierte Branchenkenntisse sowie eine auf einer langjährigen Berufserfahrung in Auswahl führen unmittelbar zu hohen Verlusten für die Kapitalanleger. Sodann wird
eine geringe Investition zur Entwicklung und zum Test von Prototypen getätigt. Eine Marktstudie
schätzt das Absatzpotential ein, ein Managementteam wird zusammengestellt und ein detaillierter
Geschäfts- und Finanzplan ausgearbeitet.
2) Frühe Wachstumsphase: Weiteres Eigenkapital wir bereitgestellt, damit Produktion und Absatz
in bescheidenen Mengen anlaufen können. Erste Reaktionen am Markt erlauben eine präzisere
Einschätzung des Absatzpotentials. Das Produkt wird weiterentwickelt und den Kundenwünschen
angepaßt. Das Unternehmen ist noch kaum profitabel. Da das Unternehmen über noch keinen hinreichend großen Cash Flow verfügt, um die Verpflichtungen aus eventuellen Schuldverschreibungen bedienen zu können, benötigt es weiteres Eigenkapital für Forschung und Entwicklung, aber
auch für Lagervorräte und Ausrüstungsinvestitionen zur Ausdehnung der Produktionskapazitäten.
In der Start- und frühen Wachstumsphase ist die Kontrolle und die aktive Unterstützung der Beteiligungsgesellschaft besonders kritisch, denn das Unternehmen kann noch nicht auf vergangene Erfahrungen und Erfolge zurückgreifen.
3) Beschleunigte Wachstumsphase: Der Absatz wächst rasch. Der interne Cash Flow reicht aber
nicht aus, um den Kapitalbedarf für die notwendige Ausweitung der Produktionskapazitäten zu decken. Weiteres Beteiligungskapital wird zugeführt, wenngleich sich das Unternehmen zunehmend
17
Vgl. z.B. Barry (1994). Diese Angaben werden in den Informationsbroschüren zahlreicher deutscher Beteiligungsgesellschaften wie z.B. der Saarländischen Wagnisfinanzierungsgesellschaft mbH bestätigt.
14
auch mit normalen Bankkrediten finanzieren kann: Das Investitionsrisiko ist nun erheblich geringer und Sicherheiten sind vorhanden.
4) Reifephase und Verkauf: Die Beteiligungsgesellschaft will ihre Anteile liquidieren und den Ertrag in Form von Wertsteigerungen realisieren. Bei sehr erfolgreichen Unternehmen geschieht dies
meist durch (1) Ersteinführung (Initial Public Offering) auf Spezialbörsen für junge Unternehmen
wie dem „Neuen Markt“ in Frankfurt. Daneben dominieren (2) Direktverkäufe an andere Unternehmen, die dadurch einen kostengünstigen Zugang zu neuen Technologien erhalten. Alternativen
sind (3) der Verkauf an andere Beteiligungsgesellschaften oder unabhängige Investoren oder auch
(4) der Rückkauf von Anteilen durch den Gründer bzw. das Firmenmanagement.
· Die spezifischen Stärken der Wagnisfinanzierung konzentrieren sich alleine auf Unternehmensbeteiligungen in den frühen Phasen ihrer Gründung und Entwicklung. Mit zunehmender
Reife der Unternehmen sinkt das Investitionsrisiko und die Wagnisfinanzierung verliert als Finanzierungsinstrument an Bedeutung.
Aus der Darstellung wird deutlich, daß die komparativen Vorteile und die spezifischen Stärken der
Wagnisfinanzierung gegenüber der Kreditfinanzierung insbesondere im Hinblick auf die Auswahl wie
auch im Hinblick auf die Beratung und Kontrolle junger Unternehmen um so größer sind, je jünger
das finanzierte Unternehmen ist. Wagniskapital als Finanzierungsinstrument konzentriert sich daher
konzeptionell alleine auf die Beteiligung in den frühen Phasen von Gründungsinvestitionen. Die
Wagnisfinanzierung besetzt damit eine Nische, in welcher der traditionelle Kapitalmarkt in der Bereitstellung von Risikokapital versagt. Umgekehrt aber kann ein Mangel an Wagniskapital für Unternehmen in der Pilot- und Startphase ein schweres Hemmnis für Innovation und Wachstum darstellen.
In einem späteren Stadium der Unternehmensentwicklung verliert die Wagnisfinanzierung mit wachsender Eigenständigkeit des Unternehmens dann zunehmend an Gewicht. Das Portfolio einer Beteiligungsgesellschaft ist so der permanenten Umstrukturierung unterworfen, indem sie „reife“ Beteiligungen liquidiert und in anderen Neugründungen nach neuen Investitionsmöglichkeiten sucht. Abb.
2.2 stellt den typischen Verlauf einer erfolgreichen Wagnisfinanzierung graphisch dar und illustriert
in diesem Zusammenhang insbesondere die spezifischen Aufgaben einer Beteiligungsgesellschaft und
ihre Veränderung im Entwicklungsverlauf des Unternehmens:
15
Abbildung 2.2 : Die spezifischen Aufgaben im Verlauf einer erfolgreichen Wagnisfinanzierung
Plan
Plan
Plan
Plan
Plan
16
3. Wagniskapital im internationalen Vergleich
3.1
Ein Vergleich zwischen Europa und den USA
Wagniskapital bezeichnet die Finanzierung in Form einer meist längerfristigen Beteiligung der Kapitalgeber an einem Unternehmen und dessen Erfolg. Die finanziellen Mittel sind daher risikotragend
und wie Eigenkapital zu klassifizieren. Der gesamtwirtschaftliche Nutzen aus der Bereitstellung von
risikotragendem Kapital ergibt sich primär aus der Schließung der Eigenkapitallücke junger Unternehmen. Für die Dynamik und das Wachstum junger Unternehmen ist die Frage nach dem Eigenkapital von besonderer Bedeutung, denn oft stellt die geringe Eigenkapitalquote ein wesentliches internes
Hemmnis für Innovationen dar. Traditionell wird argumentiert, daß die Eigenkapitalquoten in
Deutschland und Europa im historischen und internationalen Vergleich relativ niedrig sind.18 Abb. 3.1
belegt diese These und weist insbesondere für Deutschland eine äußerst niedrige Eigenkapitalausstattung der Unternehmen aus.
Abbildung 3.1
Eigenkapitalquoten
70
USA
60
Kanada
50
Niederlande
40
Belgien
30
Italien
20
Japan
10
Deutschland
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
0
1985
Eigenkapital in % der Bilanzsumme
(produzierendes Gewerbe, Handel und Verkehr)
Quelle: Schefczyk (1998): 25.
Legt man dem Vergleich wie in Abb. 3.2 dagegen die Marktgröße für Wagniskapital gemessen am
aggregierten Fondsvolumen als Anteil am BIP als Bezugsgröße zugrunde, so stellt man fest, daß die
Wagnisfinanzierung in vielen Ländern Europas19 eine scheinbar fast ebenso große, wenn nicht sogar
noch größere Rolle spielt als in den USA. Insbesondere Großbritannien sticht hervor, für das der An-
18
19
Siehe bspw. Schalek (1988) oder Fritsch (1981).
In den Jahrbüchern der European Venture Capital Association (EVCA) werden die Daten mit Ausnahme von Luxemburg
für 14 EU-Mitglieder sowie für Norwegen, die Schweiz und Island angegeben. In unseren Angaben beziehen wir uns auf
die eben genannten Länder, die wir fortan unter ”Europa” zusammenfassen.
17
teil des in Beteiligungfonds gebundenen Kapitals sogar 3,76 Prozent des BIP ausmacht und damit den
entsprechenden Referenzwert für die USA immerhin um das Zehnfache übersteigt.
Abbildung 3.2
Fondsvolumen als Anteil am BIP (1997)
Österreich
0,07
Griechenland
0,09
0,31
Dänemark
USA*
0,37
Schweiz
0,37
Anteil am BIP, 1997, in %
Spanien
0,37
Deutschland
0,41
Norwegen
0,43
Finnland
0,53
Portugal
0,6
Italien
0,6
Belgien
0,74
0,94
Island
1
Irland
1,02
Frankreich
Niederlande
1,26
Schweden
1,39
3,76
Großbritannien
0
1
2
3
4
*für die USA handelt es sich um eine Angabe von 1996
Quelle: EVCA (1998), Schefczyk (1998): 97.
Doch der Vergleich täuscht und spiegelt nicht die tatsächlichen Unterschiede wider. Es sind drei
Gründe hierfür anzuführen:
1) Das Begriffsverständnis von Wagniskapital ist in Europa sehr viel weiter gefaßt als das in den
USA. Nach der Definition der EVCA (European Venture Capital Association) umfaßt der Begriff
des Wagniskapitals grundsätzlich auch die Finanzierung von Unternehmensübernahmen entweder
durch das bestehende (MBO)20 oder ein externes Management (MBI)21. Während im Gegensatz
dazu Finanzierungen dieser Art in den USA statistisch nicht als Wagniskapital erfaßt werden, machen sie aber gerade in Europa mit einem Anteil von 50 Prozent22 am gesamten Transaktionsvolumen den größten Teil der statistisch ausgewiesenen Wagnisfinanzierungen aus. Den Anteil der in
einem Jahr unter Ausschluß der Übernahmefinanzierungen getätigten Investitionen am BIP zeigt
Abb. 3.3:
20
21
22
MBO (management buy out) ist die Übernahme des Unternehmens durch das bestehende Management.
MBI (management buy in) ist die Übernahme des Unternehmens durch ein externes Management.
Diese Angabe bezieht sich auf das Jahr 1997: Siehe EVCA (1998).
18
Abbildung 3.3
Anteil der wagnisfinanzierten Investitionen
am BIP ohne MBO/MBIs in % (1997)
Österreich
Dänemark
0,004
0,015
Griechenland
0,015
0,019
Schweiz
0,04
Italien
Spanien
0,042
Schweden
0,043
0,046
Deutschland
0,052
Frankreich
0,054
Irland
0,073
Portugal
0,076
Island
0,082
Belgien
Finnland
0,087
0,115
Norwegen
0,13
USA*
Großbritannien
0,139
0,144
Niederlande
0
0,02
0,04
0,06
0,08
0,1
0,12
0,14
0,16
* für die USA handelt es sich um eine Angabe von 1996
Quelle: EVCA (1998), Schefczyk (1998): 97.
2) Aufgrund der hervorragenden Rahmenbedingungen23, welche in den USA im Hinblick auf die
Beendigung einer Beteiligung bspw. durch den Gang an eine Spezialbörse bestehen, kommt es dort
zu einem schnelleren Umschlag des in den verschiedenen Fonds gebundenen Kapitals als in Europa. Die Wirkungskraft von Wagniskapital ist in den USA damit bedeutend größer, indem mit dem
gleichen Kapitalvolumen über die Zeit hinweg einer größeren Anzahl von Innovationen zum
Marktdurchbruch verholfen werden kann, als dies in Europa möglich wäre.
3) In den frühen Phasen der Unternehmensgründung erhalten in den USA junge Unternehmer nicht
selten von sogenannten ”Business Angels” eine Startfinanzierung. Es handelt sich dabei um Privatpersonen, die sich i.d.R. mit kleineren Summen in den frühen Finanzierungsphasen junger erfolgversprechender Unternehmen beteiligen und damit gleichzeitig ein hohes Risiko einzugehen bereit
sind. Typisch sind Startfinanzierungen in Höhe von 100.000 bis 500.000 USD, an der sich zwischen vier bis acht Personen beteiligen. ”Business Angels” treten in Europa nahezu gar nicht in Erscheinung,24 wohingegen Schätzungen für die USA darauf hindeuten, daß die Größe dieses Marktsegmentes die des formellen Wagniskapitalmarktes sogar um ein Vielfaches übersteigt. Freear,
23
24
Vgl. hierzu Kapitel 3.3.
Pfirrmann, Wupperfeld und Lerner (1997) kommen z.B. zum Schluß, daß diese Form der Finanzierung in Deutschland
faktisch nicht existent ist.
19
Sohl und Wetzel25 geben an, daß jedes Jahr zwischen 10 bis 20 Mrd. USD verteilt auf etwa 30.000
Firmen von ”Business Angels” investiert werden. Dagegen schätzt bspw. der ”National Survey of
Small Business Finances” aus dem Jahre 1993 den Umfang auf 3 Mrd. USD und 10.000 Firmen.26
Wenngleich sich auch langfristig noch keine klaren Entwicklungstendenzen abzeichnen, so kann in
den letzten Jahren dennoch gerade auch in Europa ein starkes Wachstum im Markt für Wagniskapital
beobachtet werden. Zwischen 1996 und 1997 wurde ein Zuwachs im aggegrierten Fondsvolumen um
40,8 Prozent von 58,6 auf 82,6 Mrd. ECU verzeichnet.27 Dieser Anstieg ist zum Teil auf eine Neubewertung der bereits bestehenden Fonds aufgrund realisierter Gewinnchancen zurückzuführen. Zum
großen Teil zeichnet sich für diesen Anstieg jedoch die Aquirierung von neuem Wagniskapital als
verantwortlich. Alleine 1997 konnte in den Beteiligungsfonds ein Zustrom von Finanzmitteln in Höhe
von mehr als 20 Mrd. ECU registriert werden - ein Wachstum von immerhin 151 Prozent im Jahresvergleich (Abb. 3.4).
Abbildung 3.4
Neues Wagniskapital in Europa (in Mio. ECU)
Mio. ECU
25000
20002
20000
15000
10000
5000
3484
6693
5813
4579
4188
4214
3425
1989
1990
1991
1992
1993
7960
4398
0
1988
1994
1995
1996
1997
Quelle: EVCA (1998).
Die Höhe der als Wagniskapital in den Beteiligungsfonds statistisch ausgewiesenen Finanzmittel entspricht jedoch keineswegs dem Wert der tatsächlich finanzierten Investitionen. So erreichte die Gesamtheit aller wagnisfinanzierten Investitionen im Jahr 1996 einen Wert von nur 6,8 Mrd. ECU, im
Jahr 1997 einen Wert von immerhin 9,7 Mrd. ECU. Über die Jahre hinweg nahm dabei der Anteil der
Finanzierung von Unternehmensübernahmen kontinuierlich zu, bis er 1997 schließlich sogar etwa die
Hälfte des eingesetzten Kapitals ausmachte. Desweiteren wurden 35 Prozent in Unternehmen investiert, welche sich in der Expansionsphase befanden. Lediglich 7,4 Prozent des Investitionsvolumens
wurden dagegen für Gründungsinvestitionen und Unternehmen in der Startphase aufgebracht. Die
Marktstruktur in Europa unterscheidet sich damit grundsätzlich von der in den USA, wo 35 Prozent
des insgesamt im Jahr 1996 in einer Höhe von 9,4 Mrd. USD veranlagten Wagniskapitals in die
25
26
27
Siehe Freear, Sohl und Wetzel (1994).
Siehe Fenn und Liang (1998).
Soweit nichts anderes vermerkt ist, sind alle Angaben im folgenden auf EVCA (1998) als Quelle zurückzuführen.
20
Finanzierung von Gründungsinvestitionen in ihrer Anfangsphase flossen. Abb. 3.5 stellt die Verwendung der Finanzmittel vergleichend für die verschiedenen Wirtschaftsräume dar.
Abbildung 3.5
Anteile der Finanzierungsphasen in % der
Bruttoinvestitionen 1992 - 1996
100%
8,2
15,8
80%
8,4
60%
andere
26,3
43,5
MBO/MBI
50,7
40%
Expansion
54,3
20%
42,5
33,5
0%
USA
Gründungs-/
Anlaufsphase
5,8
11
Europa
Deutschland
Quelle: Schefczyk (1998): 98.
Abbildung 3.6
6000
5000
Mio. ECU
4000
Formen der Desinvestition in Europa
(in Mio. ECU)
andere
Börse
Verkauf
write-off
1447
872
3000
432
699
521
968
959
944
1187
632
769
2000
325
410
715
1000
956
1396
656
564
523
455
492
674
1992
1993
1994
1995
1996
1997
0
2824
1673
Quelle: EVCA (1998).
Auch hinsichtlich der Erfolgsquoten sind zwischen Europa und den USA signifikante Unterschiede
festzustellen. Abb. 3.6 gibt Aufschluß über das typische Desinvestitionsprofil. Im Jahr 1997 mußten
in Europa 12 Prozent der gesamten Desinvestitionen als Totalverlust erklärt werden. Bei 40 Prozent
der Firmen - das entspricht etwa 55 Prozent des investierten Kapitals - erfolgte die Desinvestition
durch Verkauf. Der Gang an die Börse war 1997 bei nur 11 Prozent der Firmen - etwa 17 Prozent des
investierten Kapitals - der Fall, wohingegen in den USA i.d.R. etwa zwei Drittel28 der Desinvestitionen über die Ersteinführung an einer Spezialbörse erfolgen.
28
Diese und die folgenden Angaben für die USA beziehen sich auf das Jahr 1995 und als Quelle auf eine Studie der
OECD: siehe OECD (1996).
21
Die hohe Quote der Börseneinführungen ist mit eine mögliche Ursache dafür, daß die Ertragsraten der
Beteiligungsfonds in den USA Werte zwischen 15-20 Prozent des eingesetzten Kapitals erreichen und
somit die in Europa im Wege der Wagnisfinanzierung erzielten Renditen leicht übersteigen. Es sticht
ferner ins Auge, daß die Investitionen in den technologieintensiven Sektoren in den USA mit einem
Anteil von 60 Prozent klar dominieren, wohingegen in Europa das Engagement in diesem Segment
der Wirtschaft mit einem Anteil von etwa 24 Prozent im Jahr 1997 deutlich zurückfällt. Das konservative Investitionsverhalten europäischer Beteiligungsgesellschaften, wie es sich bereits anhand der
Verteilung der Finanzierungsphasen deutlich abzeichnete, wird dadurch zusätzlich bestätigt. Dagegen
entspricht der US-amerikanische Markt sehr viel stärker dem Leitbild der Wagnisfinanzierung, wie es
in Kapitel 2 beispielhaft entworfen wurde. Um sich die spezifischen Erfahrungswerte jeder einzelnen
Wagniskapitalgesellschaft im Finanzierungsablauf noch stärker zu Nutze zu machen, schließen sich
unabhängige Gesellschaften zur Finanzierung eines Unternehmens nicht selten zu Kooperationen
zusammen, um gegenseitig von dem Wissen des Partners zu profitieren.29 Solche Koinvestitionen
bilden in den USA mit 90 Prozent aller Beteiligungen den Regelfall. In Europa sind Koinvestitionen
dagegen weitaus weniger üblich und treten in nur unter 30 Prozent aller Wagnisfinanzierungen als
spezifische Investitionsform auf.30 Auch dieses Faktum mag dazu beitragen, den Unterschied in den
Ertragsraten zu erklären.
· Der Markt für Wagniskapital ist in den USA insbesondere im Hinblick auf die Finanzierung
der frühen Gründungsphase sehr viel größer als in Europa.
· Während Europa zudem durch ein stark konservatives Investitionsverhalten geprägt wird, spiegelt die Marktstruktur in den USA sehr viel mehr das Leitbild einer typischen Wagnisfinanzierung wider, wie es in Kapitel 2 entworfen wurde. Unterschiede treten im Hinblick auf das Profil
der Finanzierungsphasen (1) und die gewählten Desinvestitionskanäle (2) auf. Der geringe Anteil des Investitionsvolumens am Gesamtvolumen europäischer Beteiligungfonds (3) zeugt von
einer hohen Risikoscheu und ist eventuell ein Ausdruck mangelnder Kompetenz und Erfahrung. Dabei kommt (4) Investitionen in technologieintensiven Sektoren nur eine geringe Bedeutung zu.
Innerhalb von Europa hält Großbritannien unangefochten die führende Position im Markt für Wagniskapital inne (Abb. 3.7). Gemessen am Investitionsvolumen nimmt Deutschland vor Frankreich den
dritten Rang ein und verbesserte sich damit gegenüber 1996 um einen Rang. Beschränkt man sich in
der Betrachtung ausschließlich auf die Frühphasenfinanzierung, so übernimmt Deutschland innerhalb
29
30
Siehe hierzu Kapitel 4.2.2.
Diese Angabe bezieht sich auf das Jahr 1997. 1996 wurden immerhin über 40 Prozent aller Wagnisfinanzierungen in
Form von Koinvestitionen getätigt: Siehe EVCA (1998).
22
Europa die Spitzenreiterposition. Wie bereits Abb. 3.2 und Abb. 3.3 verdeutlichten, sind die risikotragenden Kapitalanteile von Unternehmen in Deutschland gemessen am BIP im europäischen Vergleich
jedoch als eher gering einzustufen.
Abbildung 3.7
Wagnisfinanzierte Investitionen in Europa (1997)
Schweden
4%
Italien
6%
übriges Europa
10%
Frankreich
13%
Niederlande
8%
Großbritannien
45%
Deutschland
14%
Quelle: EVCA (1998).
3.2
Wagniskapital in Deutschland
3.2.1
Geschichte und allgemeine Entwicklung
Die ersten vier Beteiligungsgesellschaften in Deutschland wurden im Jahr 1965 gegründet. Die heute
üblichen Begriffe des Venture Capital und der Venture Capital-Gesellschaft wurden von Deutschland
in den späten siebziger und den frühen achtziger Jahren aus den USA übernommen. 31 In Deutschland
wird der Begriff des Venture Capital auch durch Risiko-, Chancen,- oder Wagniskapital ersetzt. Der
Begriff der Beteiligungsgesellschaft findet aber weiterhin Verwendung.
Bis in die Mitte der achtziger Jahre hinein hatte das Instrument der Wagnisfinanzierung für die deutsche Wirtschaft keine große Bedeutung. Das Portfolio der einzelnen Beteiligungsgesellschaften belief
sich auf insgesamt nur etwa 1 Mrd. DM. Seitdem ist ein nachhaltiges Wachstum dieser Nische des
allgemeinen Kapitalmarktes zu beobachten. 1987 wurde schließlich der Deutsche Venture Capital
Verband (DVCD) gegründet. Anfang 1988 folgte die Gründung des Bundesverbandes Deutscher
31
Zuweilen nimmt die Literatur eine Abgrenzung in den Begrifflichkeiten vor. Dabei charakterisieren Venture Capital und
seine deutschen Äquivalente hauptsächlich die Finanzierung von innovativen Unternehmen in ihrer frühen, mit einem
noch sehr hohen Risiko behafteten Gründungsphase. Beteiligungsgesellschaften oder auch Kapitalbeteiligungsgesellschaften dagegen richten ihr Hauptengagement auf Investitionen in den späteren Entwicklungsphasen sowie auf nicht
speziell innovative Unternehmen. Da diese Unterscheidung mit dem internationalen Sprachgebrauch nicht vereinbar und
eine Trennung bei der Analyse des vorhandenen Datenmaterials nur sehr schwer möglich ist, verwenden wir im Rahmen
dieser Arbeit die Begriffe der Wagnisfinanzierungs- und der Beteiligungsgesellschaft im folgenden als Synonyme.
23
Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), in dem der DVCD etwa ein Jahr später aufging. Die BVK
zählte zum 31.12.1997 insgesamt 101 Mitglieder. Die rasante und nahezu spektakuläre Entwicklung
in der Bedeutung der Wagnisfinanzierung fand auch in der Öffentlichkeit eine starke Beachtung und
förderte die Diskussion und damit die Akzeptanz dieser besonderen Finanzierungsform von Gründungsinvestitionen sowohl bei den Gründern als auch bei den Kapitalanlegern.32 Bereits 1997 wurde
das aggregierte Portfolio mit einem Wert von 7,75 Mrd. DM gemessen (Abb. 3.8).
Abbildung 3.8
Entwicklung des Gesamtportfolios
4000
7000
Gesamtportfolio
3500
6000
Anzahl der Beteiligungen
3000
5000
2500
4000
2000
3000
1500
2000
1000
1000
500
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
0
1983
0
Zahl der Beteiligungen
Gesamtportfolio, Mio. DM
8000
Quelle: BVK (1997) und BVK (1998).
Das den Beteiligungsgesellschaften zu Anlagezwecken verfügbare Kapital bestimmt das Fondsvolumen. Dieses stieg zwischen 1996 und 1997 von 9,87 auf 14,93 Mrd. DM an, während sich der
Wert des investierten Kapitals (Gesamtportfolio) lediglich von 6,67 auf 7,75 Mrd. erhöhte.33 Damit
wurde die Tendenz der vorangegangenen Jahre bestätigt, indem der Wertzuwachs im Fondsvolumen
stets deutlich stärker ausgeprägt war als der des Gesamtportfolios: Zwischen 1986 und 1996 vergrößerte sich die Differenz zwischen den beiden Bezugsgrößen um durchschnittlich 18,6 Prozent pro
Jahr und zwischen 1996 und 1997 um sogar 124 Prozent. In Folge dieses allzu zurückhaltenden Anlageverhaltens deutscher Beteiligungsgesellschaften wurden 1997 insgesamt 48,1 Prozent der verfügbaren Finanzmittel nicht investiert und damit dem eigentlichen Bestimmungszweck vorenthalten.
32
33
Siehe Handelsblatt: 02.06.1998: „Der Markt für Venture Capital ist in Europa 1997 spektakulär gewachsen. Vor allem in
Deutschland hat das Instrument Chancenkapital endlich Akzeptanz bei Gründern und Kapitalanlegern gefunden.“. Dr.
Gert Vogt, der Vorstandssprecher der KFW, spricht davon, daß „der Beteiligungsmarkt in Deutschland aus seinem Schattendasein herausgetreten“ sei: siehe Handelsblatt: 31.10.1998.
Soweit in diesem Kapitel keine weiteren Angaben gemacht werden, entstammen die aufgelisteten Daten aus den Jahrbüchern der BVK der Jahre 1997 und 1998: siehe BVK (1997) und BVK (1998).
24
· Während der vergangenen drei Jahre verzeichnete der Markt für Wagniskapital in Deutschland
ein rasantes Wachstum.
· Dennoch besteht eine große Diskrepanz zwischen dem insgesamt zur Verfügung stehenden und
dem durch die Beteiligungsgesellschaften tatsächlich in unternehmerische Projekte investierten
Kapital: Vorhandene Ressourcen bleiben teilweise ungenutzt!
Dies widerspricht zunächst der in der Öffentlichkeit weit verbreiteten Ansicht, daß es in Deutschland
einen akuten Mangel an Risikokapital gäbe. Vielmehr deuten die Daten auf ein Überangebot hin.
Gleichzeitig aber bestehen Finanzierungsengpässe auf Seiten der Kapitalnachfrager. Eine Erklärung
dieses Paradoxons erscheint zunächst nur schwer möglich und mag eventuell in der Bildung liquider
Reserven zum Zwecke der kurzfristigen Wahrnehmung von Anlagechancen begründet liegen. Die
Höhe einer Reserve von nahezu 100 Prozent des investierten Kapitals im Jahr 1997 erscheint dabei
allerdings als äußerst überzogen und gleichsam als nicht realistisch. So könnte eine weitere Ursache
für das zögerliche Anlageverhalten in der Risikoeinstellung der Beteiligungsgesellschaften liegen, die
es bevorzugen, einen Teil ihrer Mittel in kurzfristige Anlagen mit niedriger, aber sicherer Rendite zu
investieren. Ein Defizit an Erfahrungswerten und der Mangel an den erforderlichen Kompetenzen,
über welche eine Wagnisfinanzierungsgesellschaft bei der Auswahl von Projektvorschlägen und zur
begleitenden Unterstützung von Gründungsinvestitionen in ihrer Entwicklung bis hin zu einem etablierten Unternehmen verfügen muß, bieten mögliche Erklärungsansätze für das beobachtete Risikoverhalten deutscher Wagnisfinanziers. Nur aufgrund dieser Kompetenzen ist es den Beteiligungsgesellschaften möglich, das unternehmerische Risiko richtig einzuschätzen und fortan durch die eigene
Tätigkeit selbst zu begrenzen.34
Oftmals aber werden Existenzgründungen auch durch die Unkenntnis über die Existenz und die Modalitäten dieser Finanzierungsform verhindert.35 So wiegt sich eine Vielzahl von Firmengründern in
der Angst, im Zuge der Wagnisfinanzierung die Kontrolle und eigenständige Leitung des Unternehmens vollständig und dauerhaft einzubüßen, anstatt darin eine Hilfe zur temporären Überwindung der
eigenen persönlichen Defizite zu erkennen. 36 Umgekehrt ist damit auch auf der Nachfrageseite eine
Lücke an herausragenden Projektvorhaben zu beklagen, welche für eine Beteiligungsgesellschaft als
Anlageobjekte erfolgversprechend erscheinen könnten und eine überdurchschnittlich hohe Renditeerwartung rechtfertigen würden.
34
35
36
Auf die einzelnen Funktionen einer Beteiligungsgesellschaft und die idealtypische Ausgestaltung der zu ihrer Ausübung
zur Verfügung stehenden Instrumente wird ausführlich in Kapitel 4 dieser Studie eingegangen.
Siehe Picot et al. (1989).
Siehe Fetzer (1990) sowie Black und Gilson (1998).
25
3.2.2
Typen von Wagniskapitalgesellschaften
Die am deutschen Markt tätigen Wagniskapitalgesellschaften lassen sich nach der beim BVK üblichen Klassifikation in vier Gruppen einteilen:37
1) Universalbeteiligungsgesellschaften stellen den Grundtyp von Wagniskapitalgesellschaften dar.
Sie gehen stille oder direkte Beteiligungen an nicht börsenreifen Unternehmen in allen Finanzierungsphasen ein, konzentrieren sich jedoch in ihrem Engagement tendentiell auf bestimmte
Branchen. Sie unterliegen i.d.R. nicht der öffentlichen Förderung und arbeiten gewinnorientiert.
Die üblichen Rechtsformen sind die AG, GmbH oder GmbH & Co. KG.
2) Von diesen unterscheiden sich die Seed-, Start-up- und Wachstumsbeteiligungsgesellschaften
durch ihre Spezialisierung auf die Finanzierung von Unternehmen in der frühen Entwicklungs- und
Wachstumsphase. Sie bieten zumeist umfangreiche Unterstützungs- und Beratungsleistungen an.
3) Unternehmensbeteiligungsgesellschaften unterliegen anders als die Universalbeteiligungsgesellschaften den besonderen Regelungen des Gesetztes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften
(UBGG)38 und dürfen nur als Aktiengesellschaft betrieben werden. Das UBGG wurde in erster Linie eingeführt, um die Eigenkapitalfinanzierung kleiner und mittlerer, ausschließlich nicht börsennotierter Unternehmen zu verbessern. Damit ist der satzungsgemäße Unternehmensgegenstand
einer UBG im Gesetz bereits festgelegt. Im Gegenzug jedoch genießt eine UBG über verschiedene
Vorteile und ist so z.B. von der Vermögens- und der Gewerbesteuer befreit. Ferner wird ihr eine
Steuerbefreiung bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften zuerkannt.
Abbildung 3.9
Anteil von Beteiligungsgesellschaften
am Gesamtportfolio
Öffentlich geförderte
Kapitalbeteiligungsgesellschaften
13%
Unternehmensbeteiligungsgesellschaften
15%
Universalbeteiligungsgesellschaften
56%
Seed-, Start-up und
Wachstumsbeteiligungsgesellschaften
16%
Quelle: BVK (1998).
37
38
Diese Differenzierung entspricht den Fachgruppen des BVK: Siehe BVK (1997): 86 und BVK (1998): 98.
Unternehmensbeteiligungsgesellschaften sind u.a. besonderen Anlagegrundsätzen und - grenzen, Einschränkungen bei
der Kreditaufnahme oder bspw. der Pflicht, Aktien der Gesellschaft fristgerecht öffentlich zum Erwerb anzubieten, unterworfen.
26
4) Bei den öffentlich geförderten Kapitalbeteiligungsgesellschaften handelt es sich um die Gesellschaften der Sparkassen, Volks- und Genossenschaftsbanken sowie ihrer Dachverbände. Während
ihr Hauptziel die Gewinnerzielung bleibt, arbeiten die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften (MBG) dagegen primär nicht renditeorientiert und richten ihre Tätigkeit ganz auf die regionale
Wirtschaftsförderung aus. Ihre Träger sind die Landesregierungen, öffentliche Unternehmen und
Kreditinstitute. Sie refinanzieren sich hauptsächlich aus den verschiedenen Förderprogrammen der
Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW).
Über das Vehikel der Beteiligungsgesellschaften wird Kapital aus öffentlichen Quellen zumeist in
Form von stillen Beteiligungen investiert. Öffentlich geförderte Gesellschaften übernehmen nur in
Ausnahmefällen selbst eine aktive Rolle in der Gründungsfinanzierung und bieten daher nur selten
begleitende Unterstützungs- und Beratungsleistungen an. Sie sind im Einzugsgebiet der Sparkassen
bzw. ihrer Dachorganisationen regional begrenzt oder im Falle der MBGs auf das jeweilige Bundesland fixiert und investieren im Vergleich zu anderen Wagniskapitalgesellschaften nur relativ
geringe Summen. Durch Ausfallbürgschaften übernimmt der Staat i.d.R. einen Teil der den
Beteiligungsgesellschaften entstehenden Risiken. Ihre Bedeutung für den Markt für Wagniskapital
gewinnt daher zusätzlich an Gewicht. Ungeachtet dessen jedoch ist heute ohnehin weit mehr als
jede dritte Beteiligungsgesellschaft der Kategorie der öffentlich geförderten Gesellschaften zuzurechnen und nur 63,8 Prozent39 der Beteiligungsgesellschaften arbeiten tatsächlich renditeorientiert.
Tabelle 3.3: Wagniskapital-Töchter der deutschen Großkonzerne
Konzern
Investitionsvolumen
(Mio. Euro)
Gründung
Siemens
75
Januar 1999
Hoechst/Land Hessen
62,5
November 1998
Deutsche Telekom
50
Oktober 1997
Energie Ba-Wü
25
Februar 1997
Bertelsmann
22,5
Januar 1998
Daimler-Chrysler
20
Mai 1997
BASF
10
Januar 1998
Bayer
10
Anfang 1997
Volkswagen
5
Juni 1996
Quelle: Wirtschaftswoche (21. 1. 1999): 62.
39
Diese Angabe bezieht sich auf das Jahr 1996: Siehe BVK (1997).
27
Andere Arten der Einteilung sind möglich.40 Dabei ist als eine besondere Form der Wagnisfinanzierung das Corporate Venturing hervorzuheben.41 Über spezielle Tochtergesellschaften stellen Großunternehmen Wagniskapital bereit, um sich dadurch einen besseren Zugang zu neuen Technologien
und Produkten zu erschließen. Sie sind bestrebt, Kontakte auch mit externen Forschungs- und Entwicklungskapazitäten zu knüpfen und diese zu ihren Gunsten auszubeuten. Gleichzeitig trägt diese Art
der gezielten und ganz an den Bedürfnissen der Mutterunternehmen ausgerichteten Wagnisfinanzierung wesentlich zur Sicherung oder Erweiterung ihrer Beschaffungs- und Absatzmärkte bei. Wie
Tab. 3.3 zeigt, haben auch einige deutsche Großkonzerne die Vorteile dieser Strategie erkannt, um
sich auf diese Weise in Zeiten eines rapiden technologischen Wandels zu behaupten.
3.2.3
Kapitalherkunft
Deutsche Beteiligungsgesellschaften aquirieren Kapital zum großen Teil von deutschen Kapitalanlegern. Während den Beteiligungsgesellschaften 1997 immerhin 59 Prozent des gesamten Fondsvolumen durch inländische Kapitalanleger bereit gestellt wurde, waren es 1996 sogar noch 71 Prozent. Entsprechend stieg der Kapitalanteil, welcher den Gesellschaften aus dem europäischen Ausland
zufloß, von 22 Prozent des Gesamtvolumens im Jahr 1996 auf 34 Prozent im Jahr 1997. Das restliche
Kapital wurde von Anlegern außerhalb Europas investiert.
Tabelle 3.1: Kapitalherkunft nach Investor-Typ (in %)
1992
1993
1994
1995
1996
1997
Industrie
7
9
8
10
9
7
Privat
6
7
8
4
6
Staat
4
6
7
8
7
4
Pensionsfonds
-
-
-
9
10
12
Banken
53
52
55
59
59
58
Versicherungen 10
12
12
6
8
11
andere
17
14
10
2
3
2
insgesamt
100
100
100
100
100
100
5
Quelle: Black und Gilson (1998): 249, BVK (1997) und BVK (1998).
40
So lassen sich andere Klassifikationsmöglichkeiten bspw. nach dem Kriterium der Eigentümerstruktur, in Abgrenzung
zwischen privater und öffentlicher Trägerschaft, nach dem Spezialisierungsgrad oder nach der Art und der Intensität der
geleisteten Managementunterstützung finden: Siehe z.B. Schefczyk (1998):17f.
28
Über 50 Prozent des in deutschen Wagnisfinanzierungsgesellschaften veranlagten Kapitals stammen
aus dem Bankensektor und sogar etwa zwei Drittel von Banken und Versicherungen zusammen (Tab.
3.1). Dabei unterhalten die Kreditinstitute und Versicherungsgesellschaften zumeist eigenständige
Beteiligungsgesellschaften. Neben ihrer grundsätzlichen Gewinnorientierung verfolgen sie aber v.a.
eine engere Kundenbindung, indem durch die Bereitstellung von Eigenkapital die Rolle von Gläubiger und Anteilseigner verschmilzt und die Kreditinstitute dadurch ihre Kontroll-, Informations- und
Mitentscheidungsmöglichkeiten in der Kundenbetreuung in erheblichem Maße zu erweitern wissen.
Die Industrie agiert auf dem Markt für Wagniskapital direkt über die Form des Corporate Venturing,
welches gleichfalls anderen Zielsetzungen unterliegt als die klassischen, ausschließlich an der Rendite
ausgerichteten Beteiligungsgesellschaften nach US-amerikanischem Muster, und indirekt über die
Anlage von Finanzmitteln aus Pensionsrückstellungen.
Auch der Staat sieht seine Hauptaufgabe nicht ausschließlich in der Gewinnmaximierung. Im allgemeinen öffentlichen Interesse widmet er sich vor allem auch regional- und strukturpolitischen Aufgaben, um durch den Aufbau eines dichten Netzwerkes innovativer Ideenwerkstätten eine funktionierende materielle wie auch geistige Infrastruktur für die Privatwirtschaft als einen wichtigen Impuls zur
die Förderung gerade auch privater Initiativen zu schaffen. Der in Tab. 3.1 relativ niedrig ausgewiesene Anteil des staatlich zur Verfügung gestellten Kapitals gibt dabei nur ein verzerrtes Bild des öffentlichen Engagements bei der Wagnisfinanzierung wider. Insbesondere Sparkassen, Volksbanken und
Genossenschaftsbanken werden ebenso wie die Landesbanken nicht selten in staatlich geförderte
Finanzierungen als Intermediäre zwischen Staat und Privatwirtschaft einbezogen. Förderungen dieser
Art werden statistisch als Beteiligungen der Banken, nicht aber als Beteiligungen des Staates erfaßt.
· Der deutsche Markt für Wagniskapital unterscheidet sich bezüglich der Struktur der Kapitalanleger und damit auch bezüglich der Ziele der Finanzierungsgesellschaften sehr stark von
seinem US-amerikanischen Vorbild. Während in den USA Pensionsfonds und private Persönlichkeiten die Kapitalanlegerstruktur prägen, ist in Deutschland eine Dominanz der Banken
und Versicherungen festzustellen, die zumeist eigenständige Beteiligungsgesellschaften unterhalten. Darüber hinaus arbeiten auch öffentlich geförderte Beteiligungsgesellschaften i.d.R.
nur bedingt renditeorientiert.
· Hieraus können zumindest zum Teil die bereits aufgezeigten Unterschiede im Anlageverhalten
deutscher und US-amerikanischer Beteiligungsgesellschaften abgeleitet werden, welche sich
vor allem im Umfang der Investitionsaktivitäten, im Branchenprofil sowie im Profil der Finanzierungsphasen manifestieren.
41
Verschiedene neuere Studien untersuchen das Ausmaß und die Probleme dieser Art der Finanzierung: Siehe z.B. Gompers, Paul A. and Josh Lerner (1998), Lerner (1995) oder Teece (1992).
29
3.2.4
Phasen der Finanzierung
Wagnisfinanzierung ist konzeptionell auf die Finanzierung von Gründungsinvestitionen und auf die
Eigenkapitalerhöhung junger, innovativer Unternehmen mit einem hohen Wachstumspotential ausgerichtet. Während dieser Frühphase der Unternehmensentwicklung ist das Risiko des Scheiterns besonders hoch. Die technische Umsetzbarkeit einer Idee ist noch nicht vollständig gewährleistet und
die Vermarktungsfähigkeit des neuen Produktes muß im Rahmen von Marktstudien erst noch erforscht werden. Besonders in der Startphase eines Unternehmens, in der die Gewinnschwelle noch
nicht erreicht ist, ist Fremdkapital teuer und die niedrige Eigenkapitalausstattung verhindert Innovationen.
Tabelle 3.2: Phasen der Finanzierung Anteil am Gesamtportfolio (in %)
1992
1993
1994
1995
1996
1997
Gründungsphase
1
1
2
2
3
4
Anlaufsphase
6
7
8
6
7
9
Expansionsphase
45
66
54
65
60
56
Übernahme
24
25
36
18
17
19
andere
25
-
-
8
13
12
insgesamt
100
100
100
100
100
100
Quelle: Black und Gilson (1998): 250, BVK (1997) und BVK (1998).
Wie Tab. 3.2 veranschaulicht, fließt mehr als die Hälfte des investierten Kapitals Unternehmen in
ihrer Expansions- bzw. späten Wachstumsphase zu. Aber auch die Finanzierung von Unternehmensübernahmen stellt einen signifikanten Anteil am Investitionsvolumen der Beteiligungsgesellschaften
dar. Zu diesem Zeitpunkt der Unternehmensentwicklung ist das Insolvenzrisiko bereits begrenzt und
für die Investoren kalkulierbar. Ebenso wie die Finanzierung von Übernahmen ist auch die Überbrückungsfinanzierung kein Kernbestandteil der typischen Wagnisfinanzierung, indem Beteiligungsgesellschaften Unternehmen Kapital zur Vorbereitung eines Börsengangs oder zur Überwindung von
Wachstumsschwellen vor einem möglichen Verkauf an einen externen Investor zur Verfügung stellen.
In Tab. 3.2 wird diese Finanzierungsart unter der Rubrik „Andere“ subsumiert und nimmt in Deutschland einen beachtenswerten Anteil am Gesamtportfolio von über 10 Prozent in den Jahren 1996 und
1997 ein.
· Trotz der Eigenkapitallücke gerade junger, innovativer Unternehmen konzentriert sich die
Wagnisfinanzierung in Deutschland überwiegend auf spätere Entwicklungsphasen.
30
3.2.5
Desinvestitionskanäle
Der Ertrag einer Wagniskapitalgesellschaft erfolgt i.d.R. nicht in Form von Dividenden, sondern manifestiert sich in der Wertsteigerung ihrer Unternehmensanteile, die sie nach Ablauf einer bestimmten
Zeitperiode von gewöhnlich zwischen drei bis zehn Jahren verkauft. Zwischen 1992 und 1996 wurden
im Jahr durchschnittlich etwa 10 Prozent des investierten Kapitals erfolgreich veräußert, während
durchschnittlich etwa 2 Prozent als Totalverlust abgeschrieben werden mußten.42 Abb. 3.10 und Tab.
3.3 veranschaulichen die relative Bedeutung der verschiedenen Desinvestitionskanäle gemessen am
Gesamtverkaufswert bzw. an der Anzahl der getätigten Transaktionen.
Abbildung 3.10
Desinvestitionsformen als Anteil am Verkaufswert
(in %)
100%
Rückkauf
90%
33
80%
Verkauf an einen
industriellen o.
strategischen Investor
57
70%
Verkauf an eine
Beteiligungsgesellschaft
60%
50%
31
30%
20%
10%
0%
Börseneinführung
(Deutschland)
54
40%
Börseneinführung
(Ausland)
3
6
9
3
5
1996
530,05
Andere
4
3
1997
1008,50
WERT (MIO. DM)
Quelle: BVK (1997) und BVK (1998).
Der Rückkauf durch die Altgesellschafter wird als Desinvestitionsform insbesondere im Rahmen von
Beteiligungsverträgen mit öffentlich geförderten Beteiligungsgesellschaften praktiziert. Sie tragen
damit dem Verlangen der Firmengründer nach der selbständigen Kontrolle und Leitung des Unternehmens explizit Rechnung,43 wenngleich ihre Renditeerwartungen aufgrund dieser spezifischen
Form der Desinvestition nur sehr begrenzt sind.
42
43
Siehe BVK (1998).
Siehe u.a. Berglöf (1994) und Marx (1998).
31
· Die häufigsten Formen, eine Beteiligung zu beenden, stellen für die Finanzierungsgesellschaft
der Rückkauf ihrer Anteile durch die Altgesellschafter und der direkte Verkauf an einen externen Investor dar.
· Der Börsengang, der im angelsächsischen Raum den Regelfall darstellt und den Investoren
erfahrungsgemäß die besten Renditen in Aussicht stellt44, ist in Deutschland immer noch eher
eine Ausnahme.
Dennoch etablieren sich auch in Europa neben den traditionellen Börsen spezialisierte Aktienmärkte
mit einer spezifischen Ausrichtung auf junge, innovative Unternehmen. Ihre Entwicklung befindet
sich allerdings noch in der Anfangsphase. Der Neue Markt in Frankfurt, wo solche Unternehmen
gelistet werden, existiert erst seit dem 10.3.1997. Dennoch erstaunt die Geschwindigkeit, mit welcher
der Neue Markt sowohl bei den Anlegern wie auch bei den Unternehmen Akzeptanz fand und in Folge mit einem Anstieg des Neuen Markt Index in Höhe von 174 Prozent 1998 einen beachtlichen
Boom erlebte.45 Die Anzahl der notierten Gesellschaften nahm im gleichen Zeitraum von 17 auf 62
zu. Rund 40 Prozent davon wurden mit der Unterstützung von Beteiligungsgesellschaften gegründet
und finanziert.
Tabelle 3.3: Formen der Desinvestition gemessen an der Anzahl der Unternehmen
1996
1997
Anzahl
%
Anzahl
%
Rückkauf durch die Altgesellschafter
163
65
174
51
Verkauf an einen industriellen oder
strategischen Investor
52
21
101
29
Verkauf an eine andere Beteiligungsgesellschaft bzw. einen Finanzinvestor
14
5
26
8
Börseneinführung
17
7
20
6
Andere
6
2
20
6
252
100
341
100
Insgesamt
Quelle: BVK (1997) und BVK (1998).
44
Verschiedene Studien aus den USA belegen die hohe Attraktivität der Börsengangs als Form der Desinvestition. Bygrave
und Timmons (1992) berechnen für verschiedene Desinvestitionskanäle den Nettogewinn in Relation zum Beteiligungsbetrag. Im Falle der Börseneinführung ermitteln die Autoren einen Wert der Kennziffer in Höhe von 1,95, im Falle des
Rückkaufs von nur 0,37. Bei einer Übernahme durch ein anderes Unternehmen nimmt die Kennziffer einen Wert von 0,4
und bei Übernahmen durch eine andere Beteiligungsgesellschaft einen Wert von 0,41 an. Allerdings ist dabei zu bedenken, daß aufgrund der für eine Erstnotierung zu erfüllenden Voraussetzungen eine verzerrte Auswahl der Unternehmen
32
3.2.6
Branchen- und Regionen
Im Unterschied zu den USA spezialisieren sich die deutschen Beteiligungsgesellschaften i.d.R. nicht
auf eine bestimmte Branche oder Industrie. Sie streben eine breite Streuung unterschiedlicher Unternehmen innerhalb ihres Portfolios an, um damit nicht von den Veränderungen in der Wachstumsentwicklung nur einiger weniger Branchen abhängig zu sein. Damit mindern sie zwar das Verlustrisiko,
verzichten aber andererseits auf die Vorteile, welche sich aus einer Spezialisierung in Folge von Lerneffekten ergeben. Tab. 3.7 zeigt die Struktur der Bruttoinvestitionen aufgegliedert nach Branchen:
Tabelle 3.7: Struktur des Gesamtportfolios nach Branchen (in %)
1996
1997
1996
1997
9
5
Finanzdienstleistungen
6
2
Leder/Textil 3
3
Maschinenbau 9
17
Bau
7
1
Nahrung
7
5
Eisen/Stahl
4
3
EDV
7
7
Verkehr
1
2
Holz/Papier
4
8
Nachrichtentechnologie 3
7
sonstige
21
20
Chemie
4
3
Umwelttechnologie
1
5
Elektrotechnik 7
7
Biotechnologie
7
5
insgesamt
100
100
Handel
1996
1997
Quelle: BVK (1997) und BVK (1998).
· Eine Konzentration deutscher Beteiligungsgesellschaften auf die Finanzierung von Unternehmen in den herausragend innovativen Branchen wie z.B. der Biotechnologie, der Umwelttechnologie oder auch der Nachrichtentechnik und Informationstechnologie ist nicht festzustellen.
Investitionen in Unternehmen aus traditionellen Sektoren dominieren.
Die Beteiligungen deutscher Finanzierungsgesellschaften konzentrieren sich mit einem Anteil von 91
Prozent am Gesamtportfolio auf Investitionen in Deutschland. Tab. 3.8 zeigt die Aufgliederung der
innerhalb Deutschland getätigten Bruttoinvestitionen relativ zum Bevölkerungsanteil des jeweiligen
Bundeslandes. Die einzelnen Bundesländer sind nach ihrer Bedeutung im Hinblick auf den Standort
wagnisfinanzierter Unternehmen gemessen an ihrem Anteil an den in Deutschland insgesamt getätigten Bruttoinvestitionen relativ zum Bevölkerungsanteil des jeweiligen Bundeslandes aufgeführt. Aus
der Auflistung wird ersichtlich, daß neben Hamburg, Bremen und Berlin gerade auf Bayern und
Niedersachsen als Flächenländer ein stark überproportionaler Anteil an wagnisfinanzierten Investitionen mit einer Kennziffer von größer als eins entfällt. Dagegen wird in fast allen ostdeutschen Bundesländern ebenso wie in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Schleswig-Holstein
45
im Hinblick auf ihre Ertragsaussichten stattfindet und damit nur ein Teil der beobachteten Differenzen tatsächlich auch
der Form der Desinvestition zugeschrieben werden kann.
Dagegen legte im gleichen Jahr der DAX um nur 18 Prozent zu.
33
unterdurchschnittlich investiert. Ballungszentren, wie sie das Silicon Valley oder die Route 128 in den
USA darstellen, sind in Deutschland zwar nicht existent, doch treten deutliche Konzentrationserscheinungen in Bayern und insbesondere im Großraum München und in den angrenzenden Randzonen
auf.
Tabelle 3.8: Regionale Aufgliederung der in Deutschland getätigten Investitionen
Land
Investitions
-anteil
Bevölker
-ungsanteil
1996 1997
96/97
1996/97
Hamburg
5,2
4,6
2,1
Hamburg
5,2
4,6
2,1
Bremen
1,2
1,5
0,8
Bremen
1,2
1,5
0,8
Bayern
17,1 19,1
14,7
Bayern
17,1 19,1
14,7
Niedersachsen
14,7 12,1
9,5
Niedersachsen
14,7 12,1
9,5
Berlin
6,4
5,3
4,2
Berlin
6,4
5,3
4,2
Hessen
8,7
7,5
7,3
Hessen
8,7
7,5
7,3
Thüringen
2,8
3,7
3,1
Thüringen
2,8
3,7
3,1
12,6
Baden-Württemberg 11,4 14,0
Baden-Württemberg 11,4 14,0
12,6
Quelle: BVK (1997) und BVK (1998), Eurostat, Statistisches Jahrbuch (1998).
3.2.7
Initiativen der öffentlichen Förderung
Vor dem Hintergrund ihrer Gesetzgebungskompetenz gestalten die öffentlichen Gebietskörperschaften die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und nehmen damit indirekten Einfluß auf den
Markt für Wagniskapital sowie auf das Entscheidungsverhalten seiner Teilnehmer. Insbesondere die
Ausgestaltung der Steuergesetzgebung, die Art des Rentenversicherungssystems sowie die auf dem
Arbeitsmarkt bestehenden Regulierungen sind als mittelbare Einflußfaktoren von herausragender
Bedeutung anzuführen. Sie tragen mit zur Bestimmung der Marktgröße bei und werden als mögliche
Ursachen für international bestehende Unterschiede in der Struktur des Wagniskapitalmarktes in Abschnitt 3.3 dieser Studie analysiert. Dagegen werden im folgenden öffentliche Initiativen zur direkten
Förderung der Wagnisfinanzierung aufgegriffen und diskutiert.
Öffentliche Fördermaßnahmen umfassen Programme zur Refinanzierung, Eigenkapitalbereitstellung
und Haftung. Sie dienen v.a. dazu, den Kapitalbedarf junger, innovativer Unternehmen in ihrer Grün-
34
dungsphase zu decken und damit die Lücke, die durch den privaten Finanzsektor bislang noch nicht
geschlossen wurde, auszufüllen. Die Ausgestaltung der Programme zielt darauf ab, die geringe Risikobereitschaft deutscher Beteiligungsgesellschaften zu beseitigen, die Strategie eines im Konservativismus verhafteten Anlageverhaltens zu überwinden und Anreize für Investitionen in Unternehmen in
ihrer frühen Entwicklungsphase zu schaffen. In der Ausgabe des „Handelsblatt“ vom 22.10.1998 ist
von einer Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten von Unternehmensgründungen gerade während der letzten Jahre zu lesen. Nach Auffassung der Verfasser ist diese Verbesserung insbesondere
auf die Intervention staatlicher Einrichtungen zurückzuführen.
1) Refinanzierung: Einen signifikanten Beitrag hierzu leistete sicherlich die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit den von ihr aufgelegten Programmen zur Refinanzierung. 1997 flossen der
deutschen Wirtschaft insgesamt 41 Mrd. DM durch die KfW zu. Davon wurden 18 Mrd. DM für
Investitionensvorhaben kleiner und mittlerer Unternehmen verwendet. Einen regionalen Schwerpunkt bildeten dabei Unternehmen in den ostdeutschen Bundesländern.
Im Rahmen der Refinanzierung stellt die KfW den Beteiligungsgesellschaften Mittel in Form von
langfristigen Darlehen, die sie zu günstigen Konditionen gegen ein fixes Entgelt erhalten und dann
als Beteiligungskapital investieren, zur Verfügung. Gleichzeitig stellt die KfW den Beteiligungsgesellschaften umfangreiche Versicherungsleistungen in Aussicht, indem sie nicht selten einen
Haftungsanteil von bis zu 75 Prozent in den alten Bundesländern bzw. 85 Prozent in den neuen
Bundesländern übernimmt. Ausfallgarantien dieser Art werden für die gesamte Laufzeit des Refinanzierungsdarlehens gewährt. Beteiligungsgesellschaften partizipieren damit überproportional
am Erfolg der getätigten Investitionen, während sich ihr Haftungsrisiko auf einen vergleichsweise
geringen Anteil des von ihnen bereitgestellten Eigenkapitals begrenzt. Das Refinanzierungsprogramm der KfW schafft damit nachhaltige Anreize für Investitionen in innovative Projekte, die
einerseits zwar ein höheres Risiko des Scheiterns in sich bergen, gleichzeitig jedoch ein überdurchschnittliches Wachstumspotential versprechen.
2) Eigenkapitalbereitstellung: Eine andere Form der Fördermaßnahme ist die direkte Bereitstellung
von Eigenkapital durch staatliche Einrichtungen. Eine Schlüsselstelle nimmt hierbei die Technologie-Beteiligungs-Gesellschaft mbH (TBG) als eine auf Eigenkapital spezialisierte Tochter der
Deutschen Ausgleichsbank in Bonn (DtA) ein. Sie wurde 1989 gegründet. Seit März 1995 besteht
unter der Bezeichnung “Beteiligungskapital für kleine Technologieunternehmen” (BTU) ein insbesondere auf die Bereitstellung von Eigenkapital für Unternehmensgründungen zugeschnittenes
Programm.46 Mit einem Anteil von 79 Prozent wurden die meisten Investitionen in Unternehmen
46
Das Programm ist zunächst bis zum Ende des Jahres 2000 terminiert.
35
mit einem Lebensalter von unter drei Jahren getätigt. Zielfördergruppe sind vor allem Unternehmen mit einer hochwertigen technologischen Ausrichtung. Dabei geht die TBG Beteiligungen in
Höhe von bis zu 3 Mio. DM ein, die sie i.d.R. bis zu maximal zehn Jahren bereitstellt. Gemäß ihrer
Geschäftspolitik folgt die TBG dem Modell des „Lead-Investors“. Demnach ist eine Finanzierung
durch die TBG nur dann möglich, wenn sich eine weitere Beteiligungsgesellschaft als ein im Unternehmen aktiv eingebundener Partner mindestens in der gleichen Investitionshöhe engagiert. Die
TBG kann so in die Rolle eines stillen Koinvestoren schlüpfen. Droht ein Scheitern des Projektes,
so ist es den als Partner eingebundenen Gesellschaften möglich, bis zu maximal 50 Prozent ihrer
Anteile an die TBG zu verkaufen, in den neuen Bundesländern sogar bis zu maximal 70 Prozent.
Als Gegenleistung beansprucht die TBG sowohl eine vom Jahresergebnis unabhängige Vergütung
wie auch ein gewinnabhängiges Beteiligungsentgelt.
Abbildung 3.11
Beteiligungen der TBG (in Mio. DM)
450
400
350
300
250
200
150
100
50
0
Volumen,
kumuliert
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
neue
Zusagen
Quelle: TBG Geschäftsbericht (1997).
3) Haftung: Zusätzlich zu den Instrumenten, welche die Finanzierungsgesellschaften bereits im
Rahmen der Refinanzierung und Eigenkapitalbereitstellung gegen einen Teil ihres Verlustrisikos
absichern, begründete die KfW mit dem Risikokapitalprogramm ein weitere Initiative, die speziell
und ausschließlich auf die Haftungsbegrenzung der Investoren angelegt ist und die Beteiligungen
der Finanzierungsgesellschaften anteilig absichert. Die Risikoübernahme erfolgt bis zu zehn Jahren
und deckt in den alten Bundesländern 40 und in den neuen Bundesländern 50 Prozent des Investitionsbetrages in einer Höhe von bis zu maximal 10 Mio. DM ab. Für die Risikoübernahme verlangt
die KfW als Versicherungsgeber eine Provision, die sich je nach Klasse der Umsatzgröße und Risikoeinschätzung zwischen 0,45 und 2,2 Prozent des Haftungsbetrages im Jahr bewegt.
Die beiden Förderbanken des Bundes, die KfW und die DtA, werden in ihrer Tätigkeit durch die spezifischen, aus dem durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie verwalteten ERP-Sondervermögen finanzierten Programme ergänzt. Zu nennen sind bspw. das
36
ERP-Existenz-gründungsprogramm von 1994, das ERP-Beteiligungsprogramm von 1995 oder das
ERP-Regionalprogramm von 1995. Neben den bereits diskutierten Programmen bestehen eine Reihe
weiterer Fördermaßnahmen, welche gleichfalls die Unterstützung kleiner und mittelständischer Unternehmen zur Aufgabe haben, wie auch explizit als Existenzgründungsprogramme ausgewiesene
Initiativen.47 Allerdings ist zugleich darauf hinzuweisen, daß mit der Begründung insbesondere der
Programme zur Refinanzierung und Eigenkapitalbereitstellung am Anfang der 90er Jahre die Zuschußprogramme zu Forschung und Entwicklung zumindest teilweise ausgesetzt wurden.
Nicht nur der Bund, sondern auch die Bundesländer ergreifen verstärkt Initiativen, um durch die
Gründung öffentlicher Kapitalbeteiligungsgesellschaften den Markt für Wagniskapital aktiv weiterzuentwickeln. 48 Die Gesellschaften werden dabei ergänzend durch die Vergabe zinsgünstiger Darlehen
und die Gewährung von Bürgschaften gefördert. Sie agieren gewöhnlich nur in einem bestimmten
Bundesland und beschränken sich auf stille Beteiligungen. Die Errichtung und der Betrieb von Gründer- und Technologiezentren49 geschieht i.d.R. in Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern und
Kommunen und schließt zumeist eine Beteiligung der öffentlichen Kreditinstitute und anderer Einrichtungen mit ein. Sie bilden eine weitere Facette in dem aufgezeigten Spektrum staatlicher Initiativen und komplettieren die breite Palette an öffentlichen Förderangeboten.
· Das Spektrum öffentlicher Maßnahmen zur Förderung von Gründungsinitiativen ist breit gefächert, zugleich aber in eine Vielzahl von Einzelfacetten zersplittert. Da die Zuständigkeitsbereiche für die einzelnen Programme auf unterschiedliche Einrichtungen verteilt, Informationen
aber nicht zentral verfügbar sind, muß die öffentliche Förderung als zu komplex und intransparent eingestuft werden.
· Die Förderpraxis in Deutschland setzt an der Finanzierungsseite an, läßt bei der Bereitstellung
von Kapital jedoch die unternehmerische Beratung als ein Kernelement der Wagnisfinanzierung oft vollkommen außer Acht.
· Die konsequente öffentliche Förderung von Gründungsinvestitionen ist noch vergleichsweise
jung. Soweit öffentliche Mittel den Beteiligungsgesllschaften und nicht den Gründern direkt zufließen, kann durch die staatlichen Förderhilfen zwar ein unmittelbarer Effekt auf das Angebot
an Risikokapital erwartet werden, mit einer Änderung im Anlageverhalten der Beteiligungsgesellschaften ist jedoch erst mit einer Verzögerung zu rechnen.
47
48
49
Aufzuführen sind z.B. das DtA-Existenzgründungsprogramm, die Förderung von Existenzgründungs- und Existenzaufbauberatung, das KfW-Mittelstandsprogramm oder auch das KfW-Innovationsprogramm.
Auch in den USA verfolgten in den achziger Jahren viele US-Staaten die Strategie, durch die Gründung staatlicher Beteiligungsgesellschaften den Erfolg von Silicon Valley nachzuahmen und weitere regionale Innovationszentren ins Leben
zu rufen. Die Ergebnisse waren aber weitaus unbefriedigend: Siehe dazu bspw. eine Studie von Pfirrmann, Wupperfeld
und Lerner (1997).
Eine detailierte Untersuchung für verschiedene Regionen Deutschlands bietet eine Studie von Liebig (1999).
37
3.3
Ursachen für nationale Unterschiede
Existierende Unterschiede in der Größe und Struktur der nationalen Märkte für Wagniskapital können
ursächlich auf einzelne Bestimmungsfaktoren der Nachfrage- und Angebotsseite zurückgeführt werden. Das Angebot von Wagniskapital resultiert aus dem Gewinnstreben der Investoren, die ihre verfügbaren Finanzmittel zu diesem Zweck in Beteiligungsfonds anlegen. Dem Angebot an Kapital steht
die Nachfrage potentieller Unternehmer nach Investitionsmitteln zur Finanzierung einer Unternehmensgründung gegenüber. Andere wiederum sind bestrebt, das Wachstum eines bereits bestehenden
Unternehmens zu forcieren, um damit eventuell bestehende Gewinnpotentiale verwirklichen zu können. Die Interaktion zwischen beiden Marktseiten kann durch die gezielte Gestaltung wirtschaftspolitischer Maßnahmen beeinflußt werden. So kann z.B. die Senkung des Kapitaleinkommensteuersatzes
eine sowohl auf das Angebot wie auch auf die Nachfrage stimulierende Wirkung entfalten. In diesem
Abschnitt werden einige wichtige Faktoren besprochen, welche zur Erklärung der aufgezeigten Unterschiede beitragen können.
3.3.1
Kapitalmarkt
Die Leistungsfähigkeit der Aktienmärkte ist im Hinblick auf eine effiziente Funktionsweise des Marktes für Wagniskapital und dies insbesondere in bezug auf die Investitionstätigkeit in späteren Finanzierungsphasen von entscheidender Bedeutung. Dies ist durch empirische Evidenz belegt.50 Dabei
bedingen sich der Entwicklungsstand der Kapitalmärkte und die für Wagniskapital erreichbare Marktgröße wechselseitig. Während ein funktionierender Kapitalmarkt mit einer hohen Transparenz und
niedrigen Transaktionskosten zu einer Erleichterung von Börsengängen als eine im Hinblick auf die
Renditeerwartungen attraktive Möglichkeit der Kapitalanleger zur Desinvestition führt und damit
potentiellen Investoren einen stärkeren Anreiz für die Bereitstellung von risikotragendem Eigenkapital
bietet, bedingt das Wachstum im Markt für Wagniskapital eine größere Anzahl von Erstnotierungen.
Der Kreis schließt sich, indem mit einer steigenden Anzahl von Börseneinführungen existierende
Marktstandards weiterentwickelt werden, der Kapitalumschlag sich erhöht und damit schließlich die
Liquidität zu Gunsten der Anleger zunimmt.
Wie sehen die Aktienmärkte in Europa und in den USA aus? Während sich die Börsenaktivität in den
USA auf drei Hauptaktienmärkte unter der Aufsicht einer einzigen nationalen Regulierungsbehörde,
der Security and Exchange Commission, konzentriert, ist Europa in eine Vielzahl kleiner nationaler
Einzelmärkte fragmentiert. Aufgrund der großen Anzahl von 33 innerhalb der EU von insgesamt 18
50
Siehe bspw. Black und Gilson, (1998) sowie Jeng und Wells (1998). Auch allgemein wird ein Zusammenhang zwischen
dem Entwicklungsstand der Kapitalmärkte und wirtschaftlichem Wachstum gesehen: Siehe bspw. Greenwood und Smith
(1997) und Levine (1997).
38
Regulierungsbehörden überwachten Einzelbörsen kann mit Ausnahme von Großbritannien nur eine
niedrige Kapitalisierung und Liquidität der einzelnen Märkte erreicht werden. Die Gesamtbörsenkapitalisierung beträgt in Deutschland bspw. nur etwa 23 Prozent des BIP, in Frankreich 33 Prozent,
in den USA dagegen 72 Prozent und in Großbritannien sogar 109 Prozent des BIP. Für die meisten
europäischen kleinen und mittleren Unternehmen ist der Zugang zu den Kapitalmärkten anderer Länder aufgrund bestehender Informations- und Transparenzprobleme erschwert. Als zusätzliche Hindernisse treten unterschiedliche gesetzliche Ausgestaltungen wie z.B. im Insolvenz- oder im Besteuerungsrecht hinzu. Auch die national geltenden Bestimmungen im Rechnungswesen unterscheiden
sich. Die Wahrscheinlichkeit, daß es einer Beteiligungsgesellschaft gelingt, ein junges Unternehmen
an einer in- oder ausländischen Börse gewinnbringend zu plazieren, sinkt.
Bereits seit 1971 existiert in den USA unter der Bezeichnung des NASDAQ ein Markt, der speziell
auf die Notierung kleiner und wachstumsorientierter Unternehmen zugeschnitten ist. Bis vor einigen
Jahren gab es in Europa keinen vergleichbaren, auf junge, innovative Unternehmen spezialisierten
Aktienmarkt. Erst 1995 wurde in Großbritannien der AIM (Alternative Investment Market) begründet.
Ähnliche Märkte in anderen europäischen Ländern folgten dem Beispiel Großbritanniens. Dabei
kristallisierten sich verschiedene Bemühungen heraus, die existierende Zersplitterung in eine Vielzahl
von Einzelmärkten zu eliminieren. Vier von den europäischen Börsen für junge, wachstumsstarke
Unternehmen - darunter der Noveau Marché in Brüssel, der Neue Markt in Frankfurt, der Nieuwe
Markt in Amsterdam und der Nouveau Marché in Paris - arbeiten bereits in einem paneuropäischen
Börsennetzwerk, dem Euro NM, zusammen. Ziel dieses Netzwerkes ist es, eine möglichst weitgehende Harmonisierung dieser vier Märkte im Wege der Etablierung gemeinsamer Zulassungs-, Regulierungs- und Handelsregeln zu erreichen. Schließlich wurde mit dem 30.9.1996 in Brüssel der
EASDAQ51 als ein Markt für kleine und mittlere Unternehmen unter der Beteiligung von vierzehn
europäischen Ländern institutionalisiert. Trotz dieser Versuche zur Zusammenarbeit faßte der Gedanke an einen europäischen supranationalen Hauptaktienmarkt bislang noch wenig Fuß. Nur in Ausnahmefällen wagen Beteiligungsgesellschaften den Gang an eine ausländische Börse.52
· Die Regionalisierung und Zersplitterung der europäischen Kapitalmärkte begründet einen für
junge Unternehmen nachhaltig erschwerten Zugang zur Börse.
· Der Börsengang als Desinvestitionskanal bleibt damit in Europa und in Deutschland eine Ausnahmeerscheinung, was die Attraktivität der Wagnisfinanzierung für die Kapitalanleger
als eine alternative Anlageform stark mindert.
51
52
EASDAQ steht für European Association of Securities Dealers Automated Quotation System.
Obgleich am NASDAQ auch einige europäische Firmen gelistet sind, wird von dieser Möglichkeit von europäischen
Unternehmen jedoch nur sehr selten Gebrauch gemacht. Im Gegensatz dazu gelang es z.B. israelischen Beteiligungsgesellschaften, eine Vielzahl von wagnisfinanzierten Firmen am NASDAQ zu lancieren. Israel konnte infolgedessen auch
ohne einen stark ausgeprägten heimischen Kapitalmarkt ein dramatisches Wachstum der Wagniskapital-Industrie verzeichnen: siehe Black und Gilson (1998): 267 f.
39
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, daß am NASDAQ 1997 mehr als 7mal soviel Kapital
aufgenommen wurde wie am EASDAQ, dem Euro NM und AIM zusammen. Auch die OECD53 machte bereits auf die schlechten Perspektiven der „neuen“ Märkte Europas aufmerksam und führte als
zwei weitere wesentliche Gründe sowohl Fehler in der Organisation der Märkte54 wie auch einen
Mangel an einem kritischen Potential institutioneller Investoren an, welche als Käufer solcher mit
einem hohen Risiko behafteten Aktien auftreten könnten. Die Masse institutioneller Investoren ist
nicht unabhängig von dem jeweilig bestehenden Rentenversicherungssystem zu sehen.
3.3.2
Art der Pensionsfinanzierung
In Ländern wie den USA, Großbritannien, Finnland oder Schweden gehören für die Beteiligungsgesellschaften Pensionsfonds zu den größten Kapitalanlegern. Durch die Pensionsfonds wird in nicht
unerheblichem Maße zusätzliches Kapital für risikoreiche Gründungsinvestitionen bereitgestellt. Die
Kosten der Kapitalaquisition sind dabei vergleichsweise gering. Zusätzlich sind Kosteneinsparungen
bei der Ausübung der Informationspflicht gegenüber nur wenigen Investoren großer Pensionsfonds
möglich.55 Jeng und Wells56 führen im Rahmen einer empirischen Studie den Nachweis, daß private
Pensionsfonds tatsächlich einen positiven Einfluß auf das Angebot von Wagniskapital über die Zeit
hinweg haben. Vergleicht man unterschiedliche Länder jedoch untereinander, so ist dieser Einfluß
nicht signifikant. Die Autoren führen dieses Ergebnis auf die in den verschiedenen Ländern auf unterschiedliche Weise praktizierte Regulierung der Anlagegrundsätze privater Pensionsfonds zurück.57
· Als ihr größter Eckpfeiler stützt sich die in Deutschland praktizierte Altersvorsorge dagegen
nahezu ausschließlich auf das staatliche und nach dem Umlageverfahren organisierte Rentenversicherungssystem.58 Damit kommt es nicht zu einer Sammlung von Kapital, das auf dem Kapitalmarkt für investive Zwecke bereitstehen könnte.59
53
54
55
56
57
58
59
Siehe OECD (1996).
Insbesondere kritisiert die OECD, daß die alternativen Märkte - anders z.B. als in den USA - unter demselben Management geführt werden wie die Hauptmärkte, die das Management in erster Linie stützen möchte.
Vgl. Jeng und Wells (1998): 19 f.
Siehe Jeng und Wells (1998).
In den USA ist es im Markt für Risikokapital zwischen 1978 und 1982 zu einer Erhöhung der jährlichen Kapitalzuflüsse
von 300 Mio. USD auf 6 Mrd. USD gekommen. Der wichtigste Grund hierfür war eine Änderung der für die Pensionsfonds geltenden Rahmenbedingungen im Jahr 1979: Den Pensionsfonds war es fortan möglich, bis zu 15 Prozent ihrer
Aktiva in hochriskante Investitionen - inklusive Wagniskpital - zu investieren. Der positive Einfluß dieser Änderung wird
in mehreren Studien erörtert: siehe z.B. Gompers und Lerner (1998).
Etwas anderes gilt für die Berufsständischen Versorgungswerke. Diese werden im Wege des Kapitaldeckungsverfahren
finanziert. Eine Kapitalanlage in Beteiligungsgesellschaften findet jedoch in nennenswertem Umfang nicht statt: siehe
Gerke (1995): 45.
Eine Ausnahme bildet die von den Versicherungsträgern vorzuhaltende Schwankungsreserve, welche die Liquidität
sicherstellen soll. Demnach ist die Schwankungsreserve nach einem Anlagegrundsatz gemäß § 217 SGB VI liquide anzulegen. Die Anlage in Unternehmensbeteiligungen an jungen Unternehmen scheidet damit aus.
40
Eine starke Ausrichtung an der privaten und betrieblichen Altersvorsorge ist in Deutschland im Gegensatz zu den zuvor genannten Ländern nicht zu finden. Auch werden dabei die Deckungsmittel für
die betriebliche Altersvorsorge als die direkte Ruhegeldzusage des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer
gewöhnlich nicht auf den Kapitalmarkt gelenkt, sondern verbleiben v.a. aus handels- und steuerrechtlichen Überlegungen heraus in Form von Pensionsrückstellungen im Unternehmen.
3.3.3
Determinanten der Besteuerung
In der Unternehmens- und Personenbesteuerung bestehen im internationalen Vergleich beträchtliche
Unterschiede. Hieraus können u.a. auch Einflüsse auf das Nachfrage- und Angebotsverhalten auf dem
Markt für Risikokapital resultieren. Auf der Angebotsseite sind die Investoren, auf der Nachfrageseite
die Unternehmen bzw. ihre Gründer, die Finanzierung suchen, betroffen. Gerade ihre Entscheidung,
eine sichere Beschäftigung zugunsten einer unternehmerischen Karriere aufzugeben, kann nicht unabhängig von steuerlichen Überlegungen betrachtet werden. Dabei ist nicht nur das zu einem Zeitpunkt
geltende System, sondern auch dessen Stabilität bzw. Vorhersagbarkeit von Bedeutung. Aufgrund der
Komplexität der Steuerproblematik beschränkt sich dieser Abschnitt auf die Analyse der im Hinblick
auf die Wagnisfinanzierung zentralen Diskussionspunkte.
· Grundsätzlich gilt die hierzulande stattfindende Besteuerung von Risikokapital als im internationalen Vergleich ungünstig, da hohe Steuersätze nicht voll durch eine relativ schmale Bemessungsgrundlage kompensiert werden. Als ein Beispiel ist auf die unzureichenden Verrechnungsmöglichkeiten der Finanzierungsgesellschaften im Hinblick auf enstehende Verluste ihrer Portfoliounternehmen hinzuweisen.
Im Fall der Eigenkapitalfinanzierung erweist sich Deutschland im Hinblick auf eine steuerliche Belastung der Gewinne von über 80 Prozent als ein äußerst unattraktiver Standort, um eine unternehmerische Karriere anzustreben.60 Im Vergleich zu Großbritannien (33 Prozent) und den USA (45,58 Prozent) ist die in Deutschland aus Körperschaftssteuer, Vermögenssteuer und Gewerbesteuer resultierende Gesamtbelastung der Unternehmen erheblich höher. Demgegenüber läßt sich eine steuerbedingte Begünstigung der Fremdfinanzierung feststellen. Doch auch bei der Fremdfinanzierung erscheinen
die Regelungen in Deutschland insbesondere im Vergleich zu Großbritannien und den USA als ungünstig.61
60
61
Dies gilt für Kapitalgesellschaften. Gerade aber in der Verlustphase erweist sich die Rechtsform der Personengesellschaft
unter steuerlichen Aspekten als vorteilhafter. Erst bei Erreichen der Gewinnschwelle erfolgt häufig die Umwandlung in
eine Kapitalgesellschaft: Siehe dazu und zu den steuerlichen Konsequenzen einer Umwandlung Schefczyk (1998): 74 f.
Siehe Gerke (1995): 49 ff.
41
Das Einkommen als Arbeitnehmer unterliegt der Lohnsteuer. Das Einkommen als Unternehmer fließt
diesem gerade in der Startphase in großen Teilen als Wertsteigerung seiner Anteile zu und unterliegt
der Besteuerung der Wertzuwächse im Rahmen der Einkommensteuer. Das deutsche Steuerrecht
kennt fast keine speziell für Existenzgründer geltenden steuerlichen Fördermaßnahmen.62 Die Bereitschaft zur Selbständigkeit wird im Vergleich zur unselbständigen Tätigkeit außerdem durch das hohe
unternehmerische Einkommensrisiko gehemmt. Um die Risikoübernahme zu ermutigen bzw. nicht zu
diskriminieren, darf die Besteuerung nicht nur einseitig an den Erträgen teilhaben. Der Staat muß als
stiller Teilhaber auch an den Verlusten partizipieren und ausreichende Möglichkeiten für den steuerlichen Ausgleich sowie Vortrag und Rücktrag von Verlusten sicherstellen. Es kommt kritisch darauf
an, ob und in welcher Weise die während den frühen Finanzierungsphasen anfallenden Verluste bei
der Einkommen- und Körperschaftsteuer Berücksichtigung finden. Im Regelfall können die Unternehmen entstehende Verluste nur selbst auf andere Veranlagungsräume zurück- oder vorgetragen,
wohingegen die Kapitalanleger eher als die Unternehmen die Verrechnungsmöglichkeiten zeitnah und
ohne die entsprechenden Zinsnachteile nutzen könnten. Die Kapitalanleger müssen damit zusätzlich
das Risiko eines Untergangs des Verlustvortrags im Falle der Liquidation des Unternehmens tragen.
· Es ist durch empirische Evidenz belegt, daß die Ausgestaltung des Steuersystems einen Einfluß
auf den Markt für Risikokapital durch Beteiligungsgesellschaften hat.63 Dies gilt jedoch hauptsächlich für das Entscheidungsverhalten auf der Nachfrageseite, entweder eine unternehmerische Karriere zu beginnen oder in der Unselbständigkeit zu verharren: Unzureichende Möglichkeiten für einen steuerlichen Ausgleich der in den frühen Finan-zierungsphasen anfallenden Verluste bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer bremsen die Gründungsaktivität in
Deutschland.
Wie bereits vermutet, reagiert die Angebotsseite von Risikokapital weitaus weniger sensibel auf steuerliche Änderungen. In den meisten Ländern sind die institutionellen Investoren der Pensionsfonds
ohnehin von der Besteuerung befreit. In Deutschland gelten vergleichbare steuerliche Begünstigungen
v.a. für die Unternehmensbeteiligungsgesellschaften. Ihnen kommt im Vergleich zu anderen Gesellschaftstypen jedoch nur eine nachrangige Bedeutung zu.64
3.3.4
Regulatorische Rahmenbedingungen der Unternehmen
Gerade im Kontext von Unternehmensgründungen bildet der Schutz des geistigen Eigentums ein besonderes Element, von dem bedeutende Impulse auf das Innovationsstreben in einem Land ausgehen
62
63
64
Siehe dazu Kußmaul und Maier (1998).
Siehe bspw. Poterba (1989) oder Gompers und Lerner (1998).
Siehe Kapitel 3.2.2.
42
können. Das europäische Patentrecht ist im allgemeinen sehr komplex, die Prozeduren umfangreich
und ihre Befolgung sehr kostspielig. National vergebene Patente koexistieren neben einem europaweit
vergebenen Patent. Die Zahl der neuen Patente innerhalb der europäischen Gemeinschaft sank innerhalb der vergangenen sieben Jahre um 11 Prozent, während sie in den USA um sogar 32 Prozent anstieg. Nach einer Schätzung der Europäischen Kommission betreiben etwa zwei Drittel der 170.000
europäischen klein- und mittelständischen Unternehmen für Innovationserfolge keinen Patentantrag
aufgrund des mit der Beantragungsprozedur verbundenen Aufwands.65
Auch die Registrierung eines Unternehmens ist in Europa mit ungleich mehr Aufwand, Zeit und
Kosten verbunden als in den USA. Innerhalb der EU findet man die besten Bedingungen für eine
leichte Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit in Großbritannien, Irland, Schweden, Luxemburg
und Dänemark. Am ungünstigsten im Hinblick auf die Dauer der Registrierung sind die in Deutschland und Spanien vorgefundenen Bedingungen einzustufen. Italien und Griechenland weisen die größte Anzahl unterschiedlicher Verwaltungsakte auf. Die Voraussetzungen, die zur Registrierung erfüllt
sein müssen, variieren gleichfalls und entscheiden letztlich über die Aufnahme der Gründertätigkeit.
So beläuft sich etwa in 10 von 15 EU-Staaten der gesetzlich geregelte Minimalbedarf an
Eigenkapital einer Gesellschaft mit privater Haftung auf mehr als 8.000 ECU. Dies kann ein Hindernis für viele gute Ideen bedeuten. An der Spitze stehen Österreich und Deutschland.
· Die in Europa geltenden Zulassungsbedingungen für die Registrierung als Unternehmen können ebenso wie die komplexe Ausgestaltung des Patentrechts bedeutende Hürden für
die Existenzgründung bzw. für das Innovationsstreben junger und kleiner Unternehmen darstellen. Auch das Konkursrecht ist in Europa i.d.R. weitaus strengeren Regeln unterworfen als
bspw. in den USA.
Auf der anderen Seite unterliegen Mißerfolge in Europa einem strengen Konkursrecht. Angesichts des
hohen Risikos aber ist das Scheitern in gewissem Ausmaß eine normale Erscheinung, ohne daß automatisch schuldhaftes Verhalten des Unternehmers vorliegt. Das Insolvenzrecht verbaut den Unternehmern dann oftmals den Weg zu einer zweiten Chance oder wirkt schon im vorhinein als abschreckend, indem das Drohbild der Konsequenzen jede Initiative zur Existenzgründung im Keim erstickt.66 Ist ein Unternehmer ein zweites Mal in einen Konkurs verwickelt, so steht ihm aufgrund der
recht-lichen Bestimmungen als Option nur noch der Einkommenserwerb im Rahmen einer abhängigen
Beschäftigung offen.
65
66
Siehe European Comission (1998).
Gerade in der Aufbauphase eines Unternehmens ist es nicht unüblich, daß ein Unternehmen - insbesondere auch aus
steuerlichen Gründen - als Personengesellschaft geführt wird, was zugleich aber mit nachhaltigen Konsequenzen für die
43
3.3.5
Arbeitsmarktrigiditäten
Im Regelfall ist es in Europa und insbesondere in Deutschland auch auf dem regulären Arbeitsmarkt
für unselbständig Beschäftigte unverhältnismäßig schwer, im Konkursfall eines Unternehmens eine
neue Beschäftigung zu finden. Dies gilt sowohl für den Firmengründer, aber auch für alle anderen im
Unternehmen tätigen Führungskräfte, denen das Scheitern des Unternehmens implizit angelastet wird.
Es kann empirisch belegt werden, daß Arbeitsmarktrigiditäten dieser Art einen Hauptgrund für das
Schattendasein der Wagnisfinanzierung in Europa und in Deutschland darstellen und die Investitionstätigkeit insbesondere in den frühen Phasen der Unternehmensentwicklung negativ beeinflussen.67 Es
erweist sich als nur sehr schwer, hochqualifizierte Arbeitskräfte zur Existenzgründung oder zur Mitarbeit an einem noch sehr jungen Unternehmen zu motivieren. In den USA dagegen wird der Mißerfolg als ein Teil des Lernprozesses angesehen. Ein Unternehmer wird in Folge eines Konkurses nicht
einem übermäßig erdrückenden gesellschaftlichen Stigma ausgesetzt. Ein neuer Versuch entweder in
der Selbständigkeit oder in leitender Position in einem anderen Unternehmen wird damit nicht unnötig
erschwert.
Ein relativ hohes Lohnniveau und ein dicht geknüpftes soziales Netz stellen zwei weitere für die
Existenzgründung wesentliche Bremskörper dar, welche in Europa und Deutschland die Anreize zur
Eigeninitiative signifikant mindern. Dubini68 führt in einer empirischen Untersuchung den Nachweis,
daß der Unternehmergeist in einer Region mit einem vergleichweise niedrigen Wohlstandsniveau sehr
viel stärker ausgeprägt ist als in anderen, reicheren Regionen. Dabei beeinflußt die Höhe des Lohnniveaus die Entscheidung zur Selbständigkeit in zweifacher Hinsicht. Um eine unternehmerische Tätigkeit zu beginnen, verzichtet der Existenzgründer i.d.R. auf die Fortführung eines sicheren Beschäftigungsverhältnisses. Der Anteil von Arbeitslosen und fachlich nur gering qualifizierten Arbeitskräften an den Gründern innovativer Unternehmen ist dabei nur gering.69 Arbeitsverhältnisse im Bereich
qualifizierter Tätigkeiten sind dagegen hoch dotiert. Je höher aber die Vergütung und je umfangreicher die mit dem Beschäftigungsverhältnis assoziierte soziale Absicherung ist, umso weniger werden auch Persönlichkeiten mit einem großen Potential zur innovativen Unternehmensgründung geneigt sein, den Schritt in eine nur unsichere Selbständigkeit zu wagen.
Gleichzeitig aber wird durch die Höhe der Löhne die Flexibilität des potentiellen Existenzgründers
auch in seiner Funktion als Unternehmer und Arbeitgeber eingeschränkt. Zur Gewinnung qualifizier-
67
68
69
persönliche Haftung der Gesellschafter verbunden ist. Bis vor kurzem aber gab es in Deutschland kein Konkursrecht für
Privatpersonen. Ein solches wurde erst 1998 eingeführt.
Siehe The Economist (15/1/97), Sahlman (1990) ebenso wie Jeng und Wells (1998).
Siehe Dubini (1988).
Siehe Kulicke (1987) und Storey und Tether (1996).
44
ter Mitarbeiter müssen Firmengründer kompetitive Löhne anbieten. Hohe Lohnkosten stellen unmittelbar einen Kostenfaktor und damit eine zusätzliche Bürde für die Liquidität der neuen Firma dar.
Allerdings ist zu konstatieren, daß die empirische Forschung ganz im Gegenteil einen positiven Zusammenhang zwischen Lohnniveau und Gründertätigkeit herleitet. Das Lohnniveau wird dann als ein
Indikator für Qualifikation und Humankapital der an einem Standort verfügbaren Arbeitskräfte interpretiert. Die Ergebnisse zahlreicher empirischer Arbeiten lassen erkennen, daß das Lohnniveau bei
der Standortwahl innovativer Unternehmen in der Tat lediglich eine untergeordnete Rolle spielt, während die Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte als ein kritischer Faktor für den Gründungserfolg
angesehen wird.70
Nichtsdestotrotz muß man Deutschland im internationalen Vergleich als einen im Hinblick auf die
Arbeitskosten teueren Standort einstufen. Sie betragen in Deutschland durchschnittlich 45,52 DM pro
Stunde, während es in den USA nur 25,18 DM und in Großbritannien sogar nur 20,96 DM pro Stunde
sind. Ausschlaggebend sind die hohen Lohnzusatzkosten.71 Auch hier liegt Deutschland mit 20,44
DM pro Stunde an der Spitze.72 Die Ergebnisse der zuvor aufgeführten Studien behalten ihre Gültigkeit daher nur bei der Betrachtung des Existenzgründungsverhaltens innerhalb eines Landes. Im internationalen Vergleich können hohe Lohnkosten aufgrund hoher Lohnzusatzkosten sicherlich als ein
Hemmnis für die Unternehmensgründung angesehen werden, da nur ein Teil der Kostendifferenzen
tatsächlich auch Unterschiede in den zugrunde liegenden Qualifiaktionsniveaus reflektiert.
Insbesondere vor dem Hintergrund existierender Kündigungsschutzregelungen und ihrer Ausweitung
auch auf Kleinunternehmen sind Personalkosten als ein Fixkostenfaktor anzusehen und können in
wirtschaftlichen Notzeiten zu finanziellen Engpässen führen oder diese verstärken. Arbeitsmarktregulierungen sollen die Beschäftigten typischerweise vor willkürlichen, unfairen oder diskriminatorischen und nach dem Maßstab der Verhältnismäßigkeit allgemein unzumutbaren Handlungen auf
Seiten der Arbeitgeber schützen. Dabei besteht jedoch die Gefahr, daß für das Unternehmen selbst die
effektiven Kosten der Beschäftigung und der Anpassung im Beschäftigungsniveau steigen. Die Begründung des Kündigungsschutzes trägt damit zu einer kurzfristigen Reduktion der Arbeitslosigkeit
bei. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Lage werden Arbeitgeber dann aber zögern, neue Beschäftigungsverhältnisse einzugehen, wenn sie auf wirtschaftliche Notzeiten nur unflexibel sowohl im Beschäftigungsniveau wie auch bei den Löhnen reagieren können. Langfristige Folge dieser Maßnahme
ist dann eine Zunahme der Arbeitslosigkeit.73 Wenn auch der Gesamteffekt in der Wirtschaft klein
70
71
72
73
Siehe u.a. für einen Überblick Nerlinger (1998).
Vgl. IW Wirtschaftsforum (5/ 1996): 7.
Vgl. IW Wirtschaftsforum (5/ 1996): 7.
Siehe Lazear (1990) und Addison und Grosso (1998) für Europa.
45
sein möge,74 so dürfte dieser Vorbehalt gegenüber den bestehenden Restriktionen in der Ausgestaltung von Beschäftigungsverhältnissen gerade aber bei kleinen und noch jungen Unternehmen eine
entscheidende Rolle spielen und die Entscheidung zur Selbständigkeit nachhaltig beeinflussen.
· Junge und kleine Unternehmen müssen sich mehr als andere Unternehmen ein Höchstmaß an
Flexibilität bewahren. Arbeitsmarktrigiditäten stellen einen Hauptgrund für das Schattendasein
der Wagnisfinanzierung in Europa und in Deutschland dar. Ursächlich sind insbesondere die
aufgrund hoher Lohnzusatzkosten in die Höhe getriebenen Lohnkosten sowie die gesetzlichen
und tariflich vereinbarten Regelungen zur Ausgestaltung von Arbeitsverhältnissen.
Jedoch nur ein Teil des Arbeiterschutzes wird durch den Gesetzgeber initiiert. Große Teile der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen werden durch die Tarifparteien ausgehandelt und flächendeckend umgesetzt. Um sich ein Höchstmaß an Flexibilität zu bewahren, kommt es bei jungen innovativen Unternehmen oft nicht mehr zu einem Anschluß an das zentralisierte System der in Verbänden organisierten Arbeitgeber. Auch ihre Beschäftigten sind zumeist nicht gewerkschaftlich organisiert. Dies muß
als ein Ausdruck für die engen Rahmenbedingungen gewertet werden, in welche die Unternehmen
und ihre Beschäftigten durch den organisierten Arbeitsmarkt gepresst würden. Wie der
Economist75 schreibt, ist SPEA Software nahe München eines der Art von Unternehmen, deren Gründung Deutschland sich wünscht. Tätig im Multimedia Bereich und mit Risikokapial finanziert, gelang
es dem Unternehmen 1994 seinen Umsatz um 60 Prozent im Jahresvergleich auf 180 Mio. DM zu
steigern. Allerdings sieht der Economist in der Tatsache, daß keiner der 130 Beschäftigten des Unternehmens einer Gewerkschaft angeschlossen ist und auch SPEA Software - als nur ein Beispiel - keiner Arbeitgeberorganisation angehört, eine Gefahr zur strategischen Intervention durch Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände begründet, in Zukunft auf diese Entwicklung im Marktsegment wagnisfinanzierter Jungunternehmen Einfluß zu nehmen und einer Dezentralisierung in der Ausgestaltung
von Arbeitsverhältnissen und damit einem Machtverlust mit Vehemenz entgegen zu wirken.
3.3.6
Kulturelle und institutionelle Unterschiede
Neben den hauptsächlich ökonomischen Determinanten der Wagnisfinanzierung werden in der Literatur auch institutionelle und kulturelle Faktoren als Ursache für länderspezifische Unterschiede in der
Struktur und Größe des Risikokapitalmarktes angeführt. Dennoch bleibt zu hinterfragen, inwieweit
das Verhalten, aber gerade auch die das Verhalten prägenden Charaktereigenschaften zumindest nicht
z.T. auf die in einer Ökonomie über lange Jahre hinweg existierenden Institutionen des staatlichen
Bildungssystems, der sozialen Absicherung und der Organisation der Arbeitsmärkte zurückzuführen
74
75
Siehe Layard et al. (1991) und Bentolila und Bertola (1990).
Siehe The Economist (4/ 1995): 63 f.
46
sind. Nur dann ist es mittel- und langfristig überhaupt möglich, durch wirtschaftspolitische Maßnahmen die ökonomische und gesellschaftliche Entwicklung zu steuern und z.B. auf die Risikobereitschaft der Wirtschaftssubjekte Einfluß zu nehmen.
· Im Detail werden Unterschiede im Ansehen von „Entrepreneurship” und der Bereitschaft zur
Risikoübernahme als kulturelle Faktoren, die den Risikokapitalmarkt beeinflussen, angeführt.
Die Autoren empirischer Studien weisen darauf hin, daß in Europa nur ein sehr viel geringerer Teil
der Graduierten den Schritt in die Selbständigkeit durch Gründung einer eigenen Firma wagt. So zeigen Getas76, Grimm77 und Mohler78, daß sich die Einstellung der Amerikaner gegenüber Risiko und
Karrierestreben auf der einen Seite, sowie Freizeit und Konsum auf der anderen Seite grundlegend
von der in Europa und in Deutschland in der Bevölkerung vorherrschenden Grundhaltung unterscheidet. Im Gründungsfall bestehen oftmals große Vorbehalte gerade gegenüber der Beteiligungsfinanzierung als Finanzierungsform. Existenzgründer befürchten den Verlust der Kontrolle über das eigene
Unternehmen, vermögen aber die Vorteile der Wagnisfinanzierung nicht zu erkennen oder sind über
diese gar nicht oder nur unzureichend informiert. Aber auch die Kapitalan-leger zeigen sich in Europa
als eher spröde und risikoscheu. Sie stehen der Wagnisfinanzierung bislang noch skeptisch gegenüber.
Die lange Tradition der Wagnisfinanzierung in den USA bildet das Fundament für ihre breite Akzeptanz in Gesellschaft und Wirtschaft. Über die Jahre hinweg konnten hohe Standards in der praktischen
Anwendung der Wagnisfinanzierung als ein spezifisches Konzept zur Finanzierung und Beratung
junger innovativer Unternehmen entwickelt werden. Die Beteiligungsgesellschaften beschäftigen
heute hoch qualifizierte, professionelle und auf bestimmte Teilsegmente des Marktes spezialisierte
Manager. Sie verfügen über effizient arbeitende Netzwerke von Kontakten und weisen eine langjährige Erfahrung im Umgang mit den zur Evaluierung, Kontrolle und Beratung geeigneten Instrumenten
auf. In Europa mangelt es noch an dieser Erfahrung. Alte Strukturen konservativen Anlageverhaltens
zeigen sich gegenüber Veränderungen als noch sehr resistent.
3.3.7
Weitere Faktoren
Schließlich können auch noch andere als die bisher analysierten Faktoren zur Erklärung nationaler
Unterschiede im Markt für Risikokapital herangezogen werden. Als Beispiele sind u.a. die Höhe des
Wirtschaftswachstums und das Zinssatzniveau zu nennen. Acs und Audretsch79 sowie Gompers und
76
77
78
79
Siehe Getas (1989).
Siehe Grimm (1985).
Siehe Mohler (1989).
Siehe Acs und Audretsch (1994).
47
Lerner80 bestätigen die These, daß die Gründungsaktivität in der Konjunkturphase zunimmt und dieses Wachstum die Nachfrage nach Wagniskapital erhöht. Dagegen sehen Jeng und Wells81 einen solchen Zusammenhang statistisch nicht bestätigt. Die Höhe des Zinssatzes beeinflußt v.a. das Angebot
an Wagniskapital negativ.82
Die Anzahl der hochqualitativen Betriebsgründungen, das historische Erfolgsprofil wagnisfinanzierter
Unternehmen und die allgemeine Reputation der Beteiligungfonds bilden zusammen mit der Höhe der
Forschungs- und Entwicklungsausgaben weitere Determinanten der Größe und Struktur des Risikokapitalmarktes. Im Hinblick insbesondere auf die Nachfrage der Unternehmer nach Risikokapital sehen
Pfirrmann, Wupperfeld und Lerner83 in der Zugänglichkeit auch anderer Finanzierungsinstrumente ein
wesentliches Element, das die Entwicklung des Risikokapitalmarktes beeinflußt. Folgt man ihrer Argumentation, so stellt das deutsche Bankensystem in Folge leicht zugänglicher Kredite ebenso wie die
allzu großzügige Zuweisung staatlicher Fördergelder ein Hindernis für die Weiterentwicklung und die
Etablierung der Wagnisfinanzierung als ein eigenständiges Marktsegment dar. Da diese Institutionen
jedoch nicht über die spezifischen und zur Begleitung einer Unternehmensgründung notwendigen
Kompetenzen verfügen, ist die Insolvenzwahrscheinlichkeit einer Neugründung in diesem Fall sehr
viel höher, als wenn die Finanzierung von einer Beteiligungsgesellschaft bereitgestellt würde. Umgekehrt ist es den Beteiligungsgesellschaften dadurch nicht möglich, weitere Erfahrungswerte zu sammeln und die ihr eigenen Kompetenzen im Laufe der Zeit verstärkt auszubauen.
4. Erfolgskonzept Wagnisfinanzierung: Instrumente und ihr Einsatz
Die Größe des Risikokapitalmarktes, die Intensität der Gründertätigkeit und ihre Erfolgsquote sind
von den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und den spezifischen Standortfaktoren einer Region, aber auch von dem Einsatz und dem Engagement der an einem Projekt beteiligten Akteure abhängig. Die anschließende Analyse fragt nach dem Beitrag, den sowohl der Gründer wie auch seine
Finanziers zu einer Verbesserung der Erfolgsaussichten eines Projektes leisten können. Die Realisierung dieser Erfolgsaussichten hängt entscheidend von den Kompetenzen der Beteiligungsgesellschaft ab und ihrer Fähigkeit, adäquate und auf die Bedürfnisse einer risikanten Gründungsinvestition
zugeschnittene Verträge zu entwerfen. Nicht jede Finanzierungsstrategie führt zum Erfolg. Insbesondere deutsche Beteiligungsgesellschaften zeigen sich bei der Finanzierung von Unternehmen in ihrer
frühen Startphase noch sehr zurückhaltend. Es muß vermutet werden, daß dieses Zögern sicherlich
80
81
82
Siehe Gompers und Lerner (1998).
Siehe Jeng und Wells (1998).
Siehe Gompers und Lerner (1998).
48
z.T. auch auf Mängel bei den Beteiligungsgesellschaften selbst zurückzuführen ist. Die Kenntnis der
verfügbaren Vertragsinstrumente und der professionelle Umgang mit ihnen prägen den Finanzierungsablauf und entscheiden darüber, ob Investitionsentscheidungen effizient getroffen und in Kooperation zwischen Unternehmen und Finanzier adäquat umgesetzt werden.
Dies ist insofern von Bedeutung, als ein geringe Erfolgsquote dazu beiträgt, daß Finanzintermediäre
einen Engpaß bei der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage für Beteiligungskapital darstellen können. Handelt es sich um eine öffentlich geförderte Beteiligungsgesellschaft, so können aus der
nachfolgenden Diskussion Empfehlungen für Bund und Länder zur optimalen Ausgestaltung von
Handlungsgrundsätzen einer Beteiligungsgesellschaft gewonnen werden. Weitere staatliche Maßnahmen können dazu dienen, die Effizienz in der Tätigkeit von Beteiligungsgesellschaften zu erhöhen
und die in den Verfassungsstrukturen verankerten Wirkungsweisen zusätzlich zu stützen.
· Um ihre komparativen Vorteile gegenüber traditionellen Finanzinstituten zu nutzen, muß eine
Beteiligungsgesellschaft ihre spezifischen Aufgaben im Hinblick auf die Begleitung einer Unternehmensgründung bis hin zu ihrer Etablierung am Aktienmarkt gezielt wahrnehmen. Die
der Gesellschaft hierzu zur Verfügung stehenden Instrumente sind alle darauf ausgerichtet, die
Erfolgswahrscheinlichkeit einer Gründungsinvestition soweit als möglich zu steigern und den
Ertragswert des Unternehmens und damit die Rendite des eingesetzten Kapitals zu maximieren.
Für den Erfolg oder Mißerfolg der Investition sind nicht ausschließlich der innovative Charakter und
die Qualität der Geschäftsidee maßgebend. Es ist wichtig zu erkennen, daß die Entwicklung des
Unternehmens sowohl durch das Engagement des Firmengründers wie auch durch den produktiven
Beitrag und den aktiven Beistand der Beteiligungsgesellschaft in strategischen und operativen Fragen
geprägt wird. Das Zusammenspiel beider Faktoren entscheidet letztlich über die Erfolgschancen einer
Gründungsinvestition, ob sich diese schließlich als Unternehmen am Markt durchzusetzen und langfristig zu behaupten vermag.
In den folgenden Abschnitten werden unterschiedliche Mechanismen diskutiert, welche das Verhalten
beider Akteure in einer für die Unternehmensentwicklung positiven Weise zu beeinflussen vermögen.
Es wird die Wirkung der einzelnen Instrumente analysiert und nach ihrem optimalen Einsatz gefragt.
Zunächst soll jedoch erläutert werden, worin das Grundproblem der vertraglichen Beziehung
zwischen einer Beteiligungsgesellschaft als Finanzier und einem Unternehmensgründer als Kapitalnehmer besteht und welche Auswirkungen dies auf die Erfolgschancen des Projektes haben kann.
83
Siehe Pfirrmann, Wupperfeld und Lerner (1987).
49
4.1
Das Problem versteckter und opportunistischer Handlungsweisen
Im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Finanzierungsvertrag steht bei der Wagnisfinanzierung der
Kooperationscharakter einer eher partnerschaftlich geprägten Geschäftsbeziehung im Vordergrund.
Durch die Bereitstellung von risikotragendem Eigenkapital verschmilzt die Rolle des Finanziers mit
der des Eigentümers. Über die Zukunftsaussichten eines jungen Unternehmens bestimmt in entscheidender Weise das Zusammenspiel zwischen Gründer und Finanzier, ob diese ihre Kräfte bündeln, sich
gegenseitig über die strategische Vorgehensweise abstimmen und vereint ihr ganzes Engagement auf
die Umsetzung der vorliegenden Geschäftsidee in ein vermarktungsfähiges Produkt ausrichten.
Wurde ein Finanzierungsvertrag erst einmal abgeschlossen und wurden die zur Investition notwendigen Finanzmittel bereit gestellt, so kann dies die Motivation der Geschäftspartner negativ beeinflussen. Im Idealfall sind beide Parteien auch nach Vertragsabschluß ausschließlich daran interessiert, als
ihr primäres Ziel den Wert der Firma im Zeitablauf möglichst weit zu steigern. Dies ist nicht unbedingt realistisch, da auf der einen Seite der Beitrag der beiden Akteure zum Unternehmenserfolg und
auf der anderen Seite der persönliche Ertrag, den sie aus dem Unternehmen ziehen, in ihrer Ausprägung sehr unterschiedlich sein können. Persönliche Ziele mögen so das allgemeine und vertraglich
festgeschriebene Geschäftsziel überlagern. Im schlimmsten aller Fälle etwa wird der Unternehmer der
Versuchung unterliegen, Firmenwerte zu veruntreuen, und infolgedessen einen strategischen, wirtschaftlich nicht notwendigen Konkurs initiieren. Nur wenn die Vertragsparteien über perfekte Kenntnis vom Handeln der jeweilig anderen Partei verfügen und der Nachweis dieser Informationen außer
Frage steht, kann ausgeschlossen werden, daß sich eine Partei aus Opportunismus auf die Anstrengungen der anderen Partei verläßt und dadurch eventuell sogar die Existenz der Neugründung nachhaltig gefährdet. Dies ist aber nur ein hypothetischer Fall, in dem die Struktur des Finanzierungsvertrages dann alleine durch den Grad der Risikoaversion der Beteiligten und ihre Möglichkeit, das unternehmerische Risiko zu streuen, charakterisiert würde.84
Der Einsatz finanzieller Ressourcen ist nur einer von mehreren Bausteinen, die notwendig sind, um
ein angestrebtes Projekt erfolgreich zu verwirklichen. Ohne den Einsatz auch von persönlichen
Ressourcen und die Bereitstellung von zeitlichen und geistigen Kapazitäten durch beide Vertragsparteien sind die Erfolgschancen eines Projektes nur als sehr gering einzustufen. Die Kosten, die dem
Unternehmer und der Beteiligungsgesellschaft dabei entstehen, begründen einen grundsätzlichen
84
Indem die Beteiligungsgesellschaft die gesamten Investitionsmittel zur Verfügung stellt, trägt sie das gesamte Risiko. Sie
erwirbt damit zugleich den Anspruch auf alle Erträge, die ihr aus dem Unternehmen unmittelbar zufließen. Den Gründer
kompensiert die Beteiligungsgesellschaft mit einem Pauschalbetrag bzw. einem festen Gehalt, dessen Wert insgesamt
dem erwarteten Nettoertrag der Investition und damit dem erwarteten Firmenwert entspricht. Der tatsächlich realisierte
50
Interessenkonflikt zwischen dem eigenen Wohl und dem Wohl der Unternehmung. Die praktische
Relevanz dieses Interessenkonfliktes ist davon abhängig, inwieweit sich die Vertragsparteien diskretionäre Freiräume erschließen und diese zu ihren eigenen Gunsten und ohne Rücksicht auf den eventuell ahnungslosen Partner ausbeuten können. Nach außen hin treten aber nur die negativen Konsequenzen eines solchen Handelns zu Tage, während die Ursachen nicht nachvollziehbar sind.
· Diskretionäre Handlungsspielräume ermöglichen den Vertragsparteien die opportunistische
Verfolgung von Eigeninteressen zum Schaden der Projektentwicklung. Die Gefahr von
egoistischem und nicht-vertragskonformem Verhalten verringert aber die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Unternehmens und wird in der ökonomischen Literatur gewöhnlich unter
dem Begriff des MORALISCHEN RISIKOS gefaßt.
· Informationsdefizite hinsichtlich der Eigenschaften und der Eignung der jeweiligen Kooperationspartner können eine NEGATIVAUSLESE unter den zur Auswahl stehenden Projekten begründen, indem vermehrt Projekte mit schlechtem Risiko finanziert werden.
· Um diesen Problemfeldern zu begegnen, stellt die Vertragstheorie der Volkswirtschaftslehre
einen breiten Fundus an Instrumenten zur Verfügung, welche auf die Durchführbarkeit von
Vertragsbeziehungen und deren optimale Ausgestaltung ausgerichtet sind. Sie richten die Anreize so aus, daß Investitionsentscheidungen effizient getroffen werden und die Realisierung
von Unternehmensneugründungen im richtigen Ausmaß und in der richtigen Art möglich wird.
In diesem Fall spricht die Ökonomie von ANREIZVERTRÄGLICHKEIT bzw. ANREIZKOMPATIBILITÄT.
Informationsdefizite hinsichtlich der Eigenschaften und der Eignung der jeweiligen Kooperationspartner begründen ein zusätzliches Problem, indem sie die Erfolgschancen einer Investition von Beginn an als fragwürdig erscheinen lassen. Der Wagnisfinanzier muß befürchten, daß Existenzgründer
bestehende Qualitätsmängel in den von ihnen ausgearbeiteten Geschäftsplänen verdecken und ihre
eigenen Fähigkeiten zur Projektleitung überzeichnen. Eine zusätzliche Risikoprämie, die der Finanzier
für diese Unsicherheit verlangt, schreckt jedoch vielversprechende Projektideen ab, die sich um alternative Finanzierungsmöglichkeiten bemühen. Eine Negativauslese unter den zur Auswahl stehenden
Projekten tritt ein, indem vermehrt Projekte mit schlechtem Risiko finanziert werden.
Je größer das einem Projekt zugrunde liegende Risiko ist, desto leichter ist eine Abweichung von den
vertraglich vereinbarten Klauseln und desto stärker wiegen die mit der Projektdurchführung assoziierten Unsicherheiten im Hinblick auf das Verhalten der Vertragsparteien. Mißerfolge können so stets
auf eine plausible Art und Weise auf das grundsätzlich bestehende unternehmerische Risiko zurück-
Firmenwert eines einzelnen Projektes kann dann über oder unterhalb des erwarteten Wertes liegen und begründet damit
51
geführt werden, um so eigene Versäumnisse zu verschleiern. Indem Unternehmer auf das allgemeine
Risiko verweisen, können sie bei einem Mißerfolg dann leicht von ihrem eigenen Fehlverhalten ablenken. Hieraus erwächst die Gefahr, daß die Finanzierung eines aussichtsreichen Projektes erst gar
nicht zustande kommt. Die Kosten, die dem Finanzier implizit aufgrund der diskutierten Unsicherheiten in Folge opportunistischer Verhaltensweisen entstehen können, müssen in seiner Kalkulation der
erwarteten Rendite einer Investition Niederschlag finden. Daher mag ein Projekt in den Augen des
Finanziers als unrentabel erscheinen, wenngleich es in Wirklichkeit ein großes Gewinnpotential in
sich trägt. So behindern unzureichende und zur Überwindung bestehender Unsicherheiten nur bedingt
geeignete Strukturen in der Verfassung und Organisation einer Beteiligungsgesellschaft Wachstum
und Innovation und die Schaffung von Arbeitsplätzen.
Für den Fall ungleicher Informationsbeziehungen und diskretionärer Handlungsspielräume stellt die
Vertragstheorie der Volkswirtschaftslehre einen breiten Fundus an Instrumenten zur Verfügung, deren
Ziel es ist, eine möglichst weitgehende Übereinstimmung in den Zielen der Vertragspartner im Wege
der Vertragsgestaltung zu begründen und dadurch den Mangel an der Beobachtbarkeit von Handlungen und der Verifizierbarkeit von Informationen als wesentliche Barrieren von Gründungsinvestitionen zu überwinden. Anreize müssen adäquat gesetzt werden. Anreizverträglichkeit bzw. Anreizkompatibilität besteht dann, wenn sich die Vertragsparteien an die vereinbarten Vertragsklauseln gebunden sehen, indem der Ertrag eines solchen Tuns höher ist, als wenn sie auf Kosten anderer persönlichen Nutzen aus dem Unternehmen ziehen, gleichzeitig jedoch die impliziten Sanktionsmechanismen hieraus in Kauf nehmen müssen. Das persönliche Wohl beider Vertrags-partner ist damit unmittelbar mit dem Schicksal der Unternehmensentwicklung verknüpft. Die negativen Anreize, welche aus
der unzu-reichenden Kenntnis der Geschäftspartner über die wahren ursächlichen Hintergründe der
unternehmerischen Entwicklung resultieren, werden damit neutralisiert.
4.2
Instrumente zur effizienten Auswahl
Speziell im Umfeld von Universitäten und anderen Forschungsstätten werden eine Vielzahl von Ideen
geboren. Nur wenige allerdings eignen sich für eine kommerzielle Umsetzung und haben eine realistische Chance, einen großen Markt zu erschließen. Eine der wichtigsten Aufgaben von Beteiligungsgesellschaften besteht darin, aus der Vielzahl eingereichter Geschäftspläne die erfolgversprechenden
Projekte tatsächlich zu erkennen und von den Nieten auszusondern. In der amerikanischen Praxis
werden von etwa hundert eingereichten Geschäftsplänen nur etwa fünf von den Wagnisfinanziers
für die Beteiligungsgesellschaft entweder einen Nettogewinn oder einen Nettoverlust.
52
aufgegriffen.85 Die Auswahl setzt unternehmerisches Gespür voraus. In den USA werden daher viele
Beteiligungsgesellschaften von Personen geleitet, die zuvor selbst als Unternehmer oder im führenden
Management tätig waren. Aus denselben Gründen spezialisieren sich Wagnisfinanziers zumeist auch
nur auf einige wenige Branchen, in denen sie über eine besonders tiefgehende Marktkenntnis verfügen.
4.2.1
Vermeidung einer Negativauslese durch Vertragsausgestaltung
Der gezielte Einsatz geeigneter Vertragsmechanismen, wie sie nachfolgend in Kapitel 4 noch detailliert analysiert werden, unterstützt die unternehmerische Intuition des Wagnisfinanziers, um eventuelle Mängel in der Projektauswahl soweit als möglich auszuschließen. Ein Unternehmer, der den gängigen und zur Absicherung der durch die Finanzierungsgesellschaft investierten Mittel notwendigen
Vertragsklauseln nicht zustimmt, entlarvt so bspw. seine eigene pessimistische Einstellung gegenüber
den Erfolgsaussichten des von ihm zur Disposition gestellten Geschäftsplans oder gesteht damit implizit bestehende Unzulänglichkeiten in der eigenen Managementkompetenz ein.
· Durch die adäquate Ausgestaltung der Vertragsmodalitäten ist es möglich, die eigene Einschätzung potentieller Firmengründer über die Qualität und die Ertragsaussichten der von ihnen
vorgeschlagenen Projekte in Erfahrung zu bringen und dadurch vorab eine Selbstauslese der
Bewerber zu erreichen. Adäquate Vertragsmodalitäten berücksichtigen dabei die allgemeinen
Rahmenbedingungen und das spezifische Risiko in einer Branche, die Besonderheiten der zur
Disposition stehenden Investition sowie die persönlichen Verhältnisse des Firmengründers.
Bereits die Vertragsausgestaltung setzt eine profunde Kenntnis einer Branche, in der eine Investition
getätigt werden soll, voraus. Unerfahrene Finanziers, welche nicht über eine ausgefeilte Kompetenz in
der Konzeption von Verträgen verfügen, sehen sich darauf beschränkt, mit durchschnittlichen Risikowerten zu kalkulieren. Es ist ihnen nicht möglich, einzelne Geschäftspläne nach ihren Erfolgschancen zu differenzieren. Die Vertragsbedingungen, welche sie Existenzgründern auf dieser Grundlage im Hinblick auf die wirklich aussichtsreichen Projekte anbieten können, sind verhältnismäßig zu
schlecht, als daß sie von diesen akzeptiert würden. Die Gewinnchancen dieser Projekte sind sehr viel
höher, als dies von einer unerfahrenen Beteiligungsgesellschaft erkannt und in den Vertragsmodalitäten unterstellt würde. Sie suchen stattdessen nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten oder reichen ihre Geschäftspläne bei einer konkurrierenden Wagniskapitalgesellschaft zur Prüfung ein.86 Die
85
86
Siehe OECD (1996): 23.
Siehe Amit, Glosten und Muller (1990).
53
Eigendynamik dieser Selbstauslese führt in ihrer Konsequenz für die im Umgang mit den vertraglichen Regelungen vergleichsweise unversierten Finanziers zu einer Negativauslese, indem sich der
Pool der von ihnen finanzierten Projekte nur noch aus den relativ schlechten Risiken unter allen Geschäftsideen zusammensetzt.
4.2.2
Vermeidung einer Negativauslese durch Qualitätsindikatoren
In der Evaluation von Geschäftsplänen sind Wagnisfinanziers vor allem auch von den Informationen
abhängig, welche ihnen von potentiellen Existenzgründern zur Verfügung gestellt werden. Lückenhaft
oder nur schlampig ausgearbeitete Geschäftspläne sollten daher keine Chance haben, einen Finanzier
zur Umsetzung zu gewinnen.
· Es obliegt jedem Gründer selbst, den Finanziers überzeugende Indizien mit Signalwirkung an
die Hand zu geben, welche seinen unternehmerischen Geist und sein Gespür für Marktentwicklungen eindrucksvoll und mit Nachdruck belegen. Indikatoren dieser Art dienen dazu, um sich
als erfolgversprechender Gründer von der Masse der Bittsteller um eine Finanzierung abzuheben.
Solche Signale können z.B. in Form von Zertifikaten bestehen, die sich ein Existenzgründer bereits im
Rahmen anderer Projekte oder im Wege einer Schulung an einer renommierten Managementschule
erwarb und damit seine Fähigkeiten glaubhaft bezeugen. Labortests und bereits erworbene Patente
stellen weitere Möglichkeiten dar, die Realisierbarkeit einer Produktidee zu belegen. Ein deutliches
und unmißverständliches Signal über die Erfolgszuversicht repräsentiert die Eigenbeteiligung, durch
die der Gründer im Verlustfall auch persönlich haftet. 87 Vor dem Hintergrund eines unverhältnismäßig hohen Geschäftsrisikos aber wäre der Gründer hierzu nicht bereit.
Nur wenn der Wagnisfinanzier zur Auffassung gelangt, daß der Jungunternehmer selbst von den
hohen Erfolgschancen seines Konzeptes überzeugt ist, wird er gewillt sein, sich an der Finanzierung
zu beteiligen. Der Nachweis von Qualitätsindikatoren ist dabei nicht jedermann möglich, verursacht
dem Gründer Kosten und bürdet ihm oftmals ein zusätzliches Risiko auf. Signale können aber gerade
aus diesem Grund als ein Instrument verwendet werden, das es dem kleinen Kreis von ambitionierten
und vielversprechenden Existenzgründern ermöglicht, sich als unternehmerische Talente von der breiten Masse der nur wenig fokussierten Kreditanwärter abzuheben.88 Sie können sich damit aus ihrer
87
88
Dies setzt natürlich voraus, daß ein Gründer über ein hinreichend großes Privatvermögen verfügt. Siehe auch Landskroner und Paroush (1995).
Siehe Amit, Glosten und Muller (1990).
54
eigenen Kraft und Initiative heraus in der Reihe der Bittsteller um eine Finanzierung ihrer Geschäftspläne gegenüber Mitkonkurrenten besser positionieren. Es wird ihnen möglich sein, schließlich eine
Wagniskapitalgesellschaft für ihr Vorhaben zu gewinnen und darüber hinaus entsprechend günstige
Konditionen für sich auszuhandeln. Für weniger zuversichtliche Gründer aber wären die Kosten, die
sie für einen überzeugenden Beleg der Erfolgsaussichten ihres Projektes aufbringen müßten, im Vergleich zu dem daraus für sie erzielbaren Nutzen zu hoch. Sie verbleiben in der abhängigen Beschäftigung, so daß wertvolle Ressourcen für die tatsächlich wachstumsstarken und beschäftigungswirksamen innovativen Gründungen bereit stehen.
4.2.3
Vermeidung einer Negativauslese durch Syndizierung
Oftmals schließen sich mehrere Beteiligungsgesellschaften bei der Finanzierung einzelner Existenzgründungen zusammen. Solche Koinvestitionen bilden nach einer Studie der OECD89 in den USA mit
90 Prozent aller Beteiligungen den Regelfall.
· In Folge der Syndizierung ist es den Finanziers besser möglich, Informationslücken zu überwinden und die Unsicherheiten in der Auswahl von Projekten zu reduzieren.90
· Es ist durch empirische Evidenz belegt, daß die Einbindung mehrerer Wagnisfinanziers ferner
dazu beiträgt, den Firmenwert weiter zu steigern.
Die Bereitschaft eines weiteren Wagnisfinanziers, in ein als vielversprechend erscheinendes Unternehmen zu investieren, mag u.U. ein bedeutender Faktor für die eigene Investitionsentscheidung sein.
Durch die konzentrierte Bündelung von Erfahrungswerten und eine mehrstufige Evaluierung von Geschäftsplänen werden offensichtliche Fehlinvestitionen von Anfang an vermieden.91 Wie Abb. 4.1
zeigt, kommt es oftmals nur dann zu einer Finanzierung, wenn beide Gesellschaften unabhängig voneinander zu einem positiven Urteil gelangen.
Wie in der Medizin versichert man sich vor einer Operation noch gerne durch ein Zweitgutachten von
der Richtigkeit der eigenen Diagnose, ob gut- oder bösartig. Die Wahrscheinlichkeit für Irrtümer, die
aufgrund von Einzelmeinungen auftreten, ist für eine einzelne Beteiligungsgesellschaft oftmals zu
groß. Treten solche Irrtümer systematisch auf, so können die Konsequenzen solcher Fehlentscheidungen die Existenz und die Überlebenschance der Beteiligungsgesellschaft selbst gefährden. Durch
die Expertise einer weiteren Beteiligungsgesellschaft kann sie das Ergebnis ihrer eigenen Bewertung
89
90
Siehe OECD (1996).
Siehe Lerner (1994) und Brander et al. (1998).
55
überprüfen. Zum anderen aber ist es ihr möglich, das Risiko einer Fehlentscheidung auf mehrere
Schultern zu verlagern. Die Syndizierung wird sich für eine Wagniskapitalgesellschaft allerdings nur
dann als Erfolgsstrategie erweisen, wenn der Partner gleichfalls über einen hinreichend großen Erfahrungsschatz in der Branche und die notwendigen Kompetenzen verfügt.92 Nur dann wird auch die
eigene Position der Wagniskapitalgesellschaft im Markt gestärkt.
Abbildung 4.1: Auswahl und Finanzierung unter dem Dach der Syndizierung
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Erworbene
Patente
Eigenbeteiligung
Labortests
Geschäftsplan / Infos
und
Qualitätsindikatoren
FINANZIERUNG
P
FINANZIERUNG
SYNDIZIERUNG
Dagegen ist die Rolle der Syndizierung in der weiteren Entwicklung des Projektes in der Literatur
bislang nur ungenügend erforscht. Die Vermutung liegt nahe, daß die Einbindung mehrerer Wagnis-
91
92
Siehe Sah und Stiglitz (1986).
Siehe Lerner (1994): 17.
56
finanziers dazu beiträgt, den Firmenwert weiter zu steigern, indem jeder der Beteiligten seine Reputation, seine Geschäftskontakte und seine Erfahrung im Managementbereich zur Fortentwicklung des
Jungunternehmens einbringt.93 Andererseits mag die Syndizierung nur ein notwendiges Vehikel zur
Durchführung von Anschlußinvestitionen in späteren Entwicklungsphasen sein, ohne dabei Konflikte
mit dem Unternehmer aufkommen zu lassen:94 Eine Wagnisfinanzier, der in das tägliche Geschäft des
Unternehmens eingebunden ist, mag versucht sein, seine Informationsvorteile auszubeuten, indem er
sich selbst in weiteren Finanzierungsrunden durch eine Untertreibung des tatsächlichen Firmenwertes
bevorteilt und einen gemessen am Wert der Anschlußinvestition zu großen Zuwachs in seinen Unternehmensanteilen erhält. Dagegen wird er gegenüber Außenstehenden den tatsächlichen Preis von
Anteilstiteln überschätzten. Um opportunistisches Verhalten auf Seiten der Beteiligungsgesellschaft
zum Schutze des Unternehmers aber zu vermeiden, wird dem führenden Wagnisfinanzier über die Zeit
hinweg ein konstanter Firmenanteil zugemessen. Dies impliziert, daß die Finanzierung in späteren
Finanzierungsrunden zwingend durch Syndizierung stattfinden muß und sich der führende Finanzier
an Folgeinvestitionen jeweils in Höhe seines bisherigen Firmenanteils beteiligt. Mit der Bereitschaft
zur Syndizierung kann eine Beteiligungsgesellschaft demnach das Vertrauen erfolgversprechender
Gründer gewinnen, indem sie ihnen durch die Syndizierung die Angst vor einer Ausbeutung nimmt
oder diese zumindest reduziert.
4.3
Instrumente zur effizienten Kontrolle
4.3.1
Direkte Kontrollmechanismen
In Kapitel 2 wurde bereits die herausragende Stellung der Finanzierungsgesellschaft bei der Ausrichtung der strategischen Richtlinien einer Neugründung herausgestrichen und ihre beratende Funktion
im operativen Bereich betont. Mit der Ausführung dieser vielschichtigen Aufgaben übt die Beteiligungsgesellschaft zugleich eine wichtige Kontrollfunktion aus.
· In verschiedenen Organen nehmen die Finanziers am Informationsfluß im Unternehmen teil,
um die Qualität des Projektes sowie die Fähigkeiten des Managements über die Zeit hinweg als
Grundlage für effiziente Investitionsentscheidungen besser beurteilen zu können.95 Damit überwachen sie die einzelnen Entscheidungen im Unternehmen und nehmen korregierend
Einfluß.
93
94
95
Siehe Brander et al. (1998).
Siehe Admati und Pfleiderer (1994).
Siehe Sahlman (1990).
57
· Wenngleich die Kontrolle die Erfolgsaussichten wahrt, so leistet sie damit jedoch noch keinen
kreativen Beitrag zur Entwicklung des Projektes.
Sie kann nicht helfen, Wachstumspotentiale auszureizen und die Ertragsaussichten weiter zu steigern.
Ziel ist es, eventuelle Mißerfolge abzuwenden, indem die verantwortlichen Mitarbeiter eines Unternehmens zu vertragskonformem Handeln veranlaßt werden und ihre Entscheidungen gewissenhaft und
im Sinne des Unternehmens treffen.
Allerdings können manche Projekte auch trotz des größten Einsatzes aus unvorhersehbaren Gründen
jede Aussicht auf Erfolg verlieren.96 In solchen Fällen wollen die Gründer häufig das Scheitern nicht
eingestehen und versuchen, ihr Projekt übermäßig lange fortzuführen. Eine intensive, begleitende
Kontrolle ist daher auch deshalb notwendig, damit die Finanzierungsgesellschaft frühzeitig erfolglose
Projekte stoppen und eine Vergeudung von wertvollen Ressourcen verhindern kann. Damit kommt
auch der Kontrollfunktion eine zumindest indirekte wachstums- und beschäftigungswirksame Bedeutung zu. Eine direkte Bedeutung der Kontrolle für das Wachstum kann man aus der Arbeit von von
Thadden97 ableiten. Danach beeinflußt die Kontrolle der Projektentwicklung bereits die Auswahl der
Projekte gerade im Hinblick auch auf das Investitionsniveau und das den Projekten zugrunde liegende
Wachstumspotential.
Diamond98 hebt im Hinblick auf die Ausübung der Kontrollfunktion allgemein die komparativen Vorteile von Finanzintermediären heraus: Die Aquirierung von Information verschleißt Ressourcen und
verursacht der kontrollierenden Institution Kosten. Wenn die gewonnen Informationen privater Natur
- d.h. für externe Investoren, welche an der Kontrollausübung nicht partizipieren, nicht beobachtbar sind, dann liegt darin ein Anreiz begründet, die Ausübung der Kontrolle auf eine einzige Institution zu
zentrieren. Finanzintermediäre übernehmen dann im Auftrag vieler Einzelinvestoren die Überwachung der Unternehmen und sind dadurch in der Lage, sich Skalenerträge in der Kontrollausübung zu
Nutze zu machen und diese kostengünstiger durchzuführen. Keuschnigg99 unterstreicht diese Auffassung und sieht darüber hinaus zusätzliche Produktivitätsgewinne in Abhängigkeit der Anzahl der in
einem Markt insgesamt finanzierten Projekte gegeben. Jedes einzelne Projekt, das im Wege der Wagnisfinanzierung realisiert wird, trägt zur Erfahrung und Kenntnis des Finanzsektors auf diesem spezifischen Teilgebiet der Wagnisfinanzierung bei. Mit einer größeren Anzahl von wagnis-finanzierten
Projekten entwickeln sich in einem dichten Netzwerk von Kontakten präzisere Industriestandards,
96
97
98
99
Bspw. ist nie auszuschließen, daß ein anderes Unternehmen mit einer ähnlichen oder sogar besseren Innovation schon
sehr viel früher auf den Markt kommt. In anderen Fällen können unerwartet technische Probleme erwachsen, die aus theoretischer Sicht zuvor als lösbar erachtet wurden.
Siehe von Thadden (1995).
Siehe Diamond (1984).
Siehe Keuschnigg (1998).
58
welche die Evaluation und Identifizierung von Schlüsselfaktoren einer erfolgreichen
Projektfinanzierung zu unterstützen helfen. Aufgrund solcher externen Effekte ist es der einzelnen
Finanzierungsgesellschaft insgesamt möglich, zusätzliche Effizienzgewinne in der Kontrolle und beratenden Begleitung von Projekten zu erzielen.
4.3.2
Vergütungsmodalitäten
Eine Kontrolle der unternehmerischen Sorgfalt kann aus Kostengründen jedoch nur unvollständig
sein. Es bedarf weiterer Mechanismen, welche ein Streben des Managers aus eigener Motivation heraus in Übereinstimmung mit den Zielen der Finanzierungsgesellschaft begründen und damit Informationsasymmetrien zu überwinden helfen. Die Gesellschaft muß bei der Aushandlung des Finanzierungsvertrages sorgfältig die hinsichtlich des Unternehmers entstehenden Anreizprobleme im Auge
behalten. Dabei betont Sahlman100 den Zusammenhang zwischen den Modalitäten in der Vergütungsausgestaltung und der Leistungsbereitschaft des Managers. Obgleich der Ertrag eines Unternehmens
aufgrund exogener Einflußfaktoren nur ein unzureichendes Maß für die Leistung und Fähigkeit des
Unternehmers sein kann, ist der Unternehmenserfolg die einzige objektiv überprüfbare Größe, anhand
derer Vergütungsregeln formuliert und schließlich durchgesetzt werden können. Keuschnigg101 weist
nach, daß ein Vertrag, der die Höhe der Vergütung unmittelbar vom Erfolg des Projektes abhängig
macht, diesem Anspruch genügt:
· Das Einkommen des Gründers setzt sich dann aus einem Grundgehalt und verbleibender Gewinnbeteiligung zusammen. Die Gewinnbeteiligung und damit das Risiko des Unternehmers
müssen dabei genügend hoch bleiben, damit dieser die nötige kaufmännische Sorgfalt und Vorsicht walten läßt.
· Die begrenzte persönliche Haftung des Gründers im Wege einer Eigenbeteiligung verstärkt
dessen Interesse an einer erfolgreichen Realisierung des Projektes zusätzlich.
Jemand, der seine Anteile zu 80 oder 90 Prozent an die Finanzierungsgesellschaft verkauft und ein
großzügiges Grundgehalt ausgehandelt hat, wird sich nicht mehr mit derselben Intensität seinem
Projekt widmen und ist vielleicht versucht, sich im Prestige des Unternehmerstatus zu sonnen. Das
Grundgehalt des Unternehmers wird daher im Vergleich zu den am Arbeitsmarkt in vergleichbaren
Positionen erzielbaren Bezügen gewöhnlich relativ niedrig angesetzt. Im Wege der Gewinnbeteiligung
wird der Unternehmer dann jedoch für seine Anstrengungen adäquat kompensiert. Es liegt nun aber in
100
Siehe Sahlman (1990).
59
seiner eigenen Verantwortung, ob er eine drastische Einkommenseinbuße hinnehmen möchte, wenn
das Projekt aufgrund unternehmerischer Leichtsinnigkeit selbstverschuldet zu scheitern droht oder nur
geringe Ertragsrückflüsse verzeichnet.
Ein Idealzustand ist erreicht, wenn beide Vertragsparteien in Interessengemeinschaft gleichsam die
Maximierung des Unternehmenswertes verfolgen. Vor diesem Hintergrund erachtet Schefczyk eine
direkte finanzielle Einbindung des Managers in das Unternehmen als durchaus sinnvoll.102 Die analytischen Ergebnisse von Hellmann´s Arbeit bestätigen dies:103 Ein Vertragsentwurf ist nach Hellmann
nur dann als optimal zu bezeichnen, soweit er eine Eigenbeteiligung der Gründerpersönlichkeit aus
seinem persönlichen Privatvermögen an der Unternehmensfinanzierung vorsieht. Damit haftet der
Gründer im Bankrottfall auch persönlich und erfährt die Konsequenzen des eigenen Mißmanagements
unmittelbar auch in der eigenen Geldbörse. Die Leichtfertigkeit im Umgang mit dem Geld anderer ist
stets sehr viel größer. Steht dagegen auch das eigene Vermögen auf dem Spiel und ist der Unternehmer damit tatsächlich in seiner wirtschaftlichen Existenz mit dem Schicksal des Projektes verbunden,
so dient die eingeschränkte Möglichkeit der Gründerperson zur Risikostreuung nun als ein Mechanismus, um eine weitgehende Übereinkunft in den Interessen zwischen Gründerperson und externen
Investoren zu schaffen.
Insgesamt ist es jedoch wichtig, die Vertragsausgestaltung im Einzelnen so vorzunehmen, daß sie der
Gründerpersönlichkeit einen noch hinreichend großen Anreiz zur Existenzgründung bietet und die
Startbedingungen für Neugründungen nicht zusätzlich verschlechtert. Ohne irgendeine Form der Absicherung würde man keine seriösen Persönlichkeiten der Forschung mehr für die Umsetzung ihrer
Produktideen gewinnen können. Auf der einen Seite darf man das Anreizproblem, wie es auf allen
Versicherungsmärkten besteht, nicht außer Acht lassen. Auf der anderen Seite jedoch müssen die
Anreize für Unternehmertum und eine Karriere in der beruflichen Selbständigkeit hinreichend stark
ausgeprägt sein, um eine Gründerwelle auch tatsächlich auszulösen.104
4.3.3
Finanzierungsablauf
Vertragsklauseln sind notwendig, um einen anreizverträglichen Rahmen zu bilden, innerhalb dessen
der Unternehmer seinen vollen Arbeitseinsatz in den Dienst der Projektverwirklichung stellt. Umge-
101
102
103
104
Siehe Keuschnigg (1998). Eine ähnliche Modellformulierung findet sich in einer Folgearbeit, Keuschnigg und Strobel
(1998).
Vgl. Schefczyk (1998): 131.
Siehe Hellmann (1998).
Während die „Anreizkompatibilitätsbedingung“ gewährleistet, daß ein Unternehmer seine Anstrengung alleine auf die
ihm übertragenen Aufgaben ausrichtet, stellt die „Partizipationsbedingung“ die grundsätzliche Bereitschaft sicher, in eine
solche Vertragsbeziehung einzuwilligen: Indem dem Unternehmer ein erwarteter Nutzengewinn zumindest in der Höhe
alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten versprochen wird, ist es möglich, diesen gerade noch für den gewünschten
Zweck des Unternehmertums zu gewinnen. Die Partizipationsbedingung formuliert damit also eine Untergrenze in der
Charakterisierung der vertraglich festzusetzenden Einkommensströme.
60
kehrt aber muß sicher gestellt werden, daß auch die Investitionsentscheidungen der Finanzierungsgesellschaft ausschließlich auf Effizienzkriterien beruhen und ein vorzeitiger Abbruch eines erfolgversprechenden Projektes ausgeschlossen wird. Insbesondere die berufliche und wirtschaftliche Existenz
des Gründers ist aufgrund der von ihm herangebildeten projektspezifischen Kenntnisse eng mit der
Existenz und dem Verlauf des Projektes verknüpft und würde durch eine frühzeitige Terminierung
nachhaltig beschädigt. Die Terminierung von Investitionen in Verbindung mit der Struktur ihrer
Finanzierung sind probate Instrumente, um adäquate Anreize für die Vertragsparteien zu einem auf
die unternehmerische Entwicklung ausgerichteten Handeln zu schaffen und Effizienz als das alleinige
Maß von Entscheidungen herauszustellen. Dabei werden die Erfolgschancen und der Wert des initiierten Projektes unmittelbar von den vertraglichen Bestimmungen bezüglich des Finanzierungsablaufs
beeinflußt.
Eine der größten Herausforderungen bei der Bereitstellung von Wagniskapital ist die Entscheidung,
zu welchem Zeitpunkt Investitionsmittel zur Verfügung gestellt werden sollen. Über die Erfolgsaussichten einer Produktidee besteht zunächst große Unsicherheit. Ein Lernprozeß über die Qualität und
die Vermarktungsfähigkeit eines Produktkonzepts wird erst mit der Aufnahme der Produktentwicklung angestoßen und setzt bereits die Bereitstellung von Investitionsmitteln voraus. Damit wird die
Risikofinanzierung durch die interaktive Beziehung zwischen Informations- und Kapitalfluß geprägt,
indem die Aquirierung der zur Evaluation eines Projektes notwendigen Informationen als Basis für
Investitionsentscheidungen in den späteren Entwicklungsphasen bereits die Bindung von Kapital in
früheren Entwicklungsphasen voraussetzt. Die Übertragung der für die Projektumsetzung insgesamt
notwendigen Investitionsmittel an den Existenzgründer hätte dabei jedoch unweigerlich Ineffizienzen
zur Folge und wäre einer rationalen Verwertung gewonnener Informationen im Entscheidungsprozeß
hinderlich. Überinvestitionen, wie sie auch Admati und Pfleiderer105 identifizieren, sind die Folge,
indem als aussichtslos identifizierbare Projekte nicht gestoppt und Ressourcen vergeudet werden: Der
Unternehmer wird auch im Falle ungünstiger Ertragsaussichten seinen eigenen Nutzen immer durch
eine Fortführung des Unternehmens vergrößern können. Verdichten sich die Informationen, daß ein
Mißerfolg unvermeidlich erscheint und dieser auch durch die weitere Finanzzufuhr nicht abwendbar
ist, so besteht ferner die Gefahr, daß der Unternehmer Investitionsmittel für private Zwecke veruntreut
und das Projekt nur zum Schein weiterführt.
· Ein wichtiger Ansatz zur Verbesserung der Finanzierungsbeziehungen ist die Kapitalrationierung. Um dem spezifischen Charakteristikum der Unsicherheit innovativer Ideen Rechnung zu tragen, stellt die Finanzierungsgesellschaft dem jungen Unternehmen die erforderli-
105
Siehe Admati und Pfleiderer (1994).
61
chen Investitionsmittel nicht in einer Summe, sondern in gestaffelten Finanzierungsrunden zur
Verfügung.
· Dabei ist jede Finanzierungsrunde gewöhnlich an signifikante Einschnitte im Entwicklungsprozeß gebunden. Je höher der Anteil intangibler Werte in einem Projekt ist, desto
größer sollte dabei die Anzahl der Finanzierungsrunden bei gegebener Projektlaufzeit verbunden mit einer höheren Frequenz in der Kontrolle der Zielerreichung sein.
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Abbildung 4.2: Gestaffelter Finanzierungsablauf
Liquidation
Liquidation
Im Rahmen eines in mehrere, deutlich voneinander abgegrenzte Phasen untergliederten Finanzierungsplans erfolgen Anschlußinvestitionen nur bei erfolgreichem Abschluß von zuvor vertraglich
formulierten Zwischenzielen. Dabei ist jede Finanzierungsrunde gewöhnlich an signifikante Einschnitte im Entwicklungsprozeß gebunden, wie sie beispielsweise die Fertigstellung eines Prototyps,
der Entwurf eines Designs oder der Beginn eines Pilotlaufs darstellen.106 Auf jeder Stufe werden dabei zusätzliche Informationen über die Qualität und die Durchführbarkeit des Projektes generiert. Die
Kontrolle von Projektmanagement und Projektentwicklung kann nun auf die einzelnen Phasen der
Finanzierung beschränkt werden. Die Kontrollintensität wird dann unmittelbar von der Länge und
damit von der Anzahl der einzelnen Entwicklungsphasen bestimmt.107 Als Sanktionen gegen eine Ver-
106
107
Siehe Sahlman (1988, 1990).
Siehe Gompers(1995).
62
fehlung der gesetzten Ziele hat die Finanzierungsgesellschaft dann ebenso wie im Falle einer mangelnden Kooperationsbereitschaft die Möglichkeit, eine höhere Beteiligung am Unternehmen zu fordern, eine Umbesetzung im Managemant vorzunehmen oder die weitere Kapitalbereitstellung gänzlich zu verweigern. Liegt dem Vertrag die Vereinbarung einer Exklusivitätsklausel zugrunde, welche
der Finanzierungsgesellschaft das alleinige Finanzierungsrecht an einem Projekt einräumt,108 so hat
der Stop des Kapitalzuflusses die unmittelbare Liquidation des Unternehmens zur Folge.
Durch die bewußt erzeugte Kapitalknappheit resultiert eine verstärkte gegenseitige Abhängigkeit,
welche die Ausnutzung von Spielräumen unwahrscheinlicher macht und zudem sicherstellt, daß zumindest unmittelbar vor den Finanzierungsrunden beim Projektmanagement eine hohe Motivation zur
Bereitstellung von Informationen besteht.109 Ungünstige Wirkungen auf die Effizienz von Investitionsentscheidungen sollen damit ausgeschlossen werden. Die Option der Liquidierung ist dabei
essentiell, da der Manager selbst bei einem Verlustprojekt zumeist keinen Investitionsstop veranlassen
wird, solange Dritte hierfür Kapital bereitstellen. Im Gegenteil, ist der Anteil intangibler Werte in
einem Projekt hoch, so ist dies mit hohen Kosten der Unsicherheit verbunden und dem Kontrollaspekt
kommt eine noch größere Bedeutung zu. Demzufolge erscheint eine direkte Abhängigkeit zwischen
der Anzahl der Finanzierungsrunden und dem Anteil intangibler Unternehmenswerte nach Gompers110
als eine beispielhafte Strategie, die aus Informationslücken resultierenden Gefahren in effizienter
Weise zu neutralisieren.
4.3.4
Finanzierungsstruktur
Da grundsätzlich die Gefahr einer ineffizient frühen Liquidierung besteht, wirft die in Einzelphasen
gestaffelte Finanzierung von Gründungsinvestitionen selbst wiederum neue Probleme im Hinblick auf
die anreizverträgliche Ausgestaltung von Finanzierungsverträgen auf. Der Finanzierungsablauf und
damit die Höchstdauer der Finanzierung aber werden entscheidend durch die Art der vertraglich vereinbarten Finanzierungsform bestimmt. Dies ist ein wesentlicher Ansatzpunkt einer breiten, jedoch
noch relativ jungen Literatur in der Diskussion um die optimale Struktur der Außenfinanzierung. Die
Diskussion befaßt sich mit den spezifischen Charakteristika unterschiedlicher Finanzierungsinstrumente und versucht ihre Wirkung auf das Verhalten der Vertragsparteien zu erschließen. Neben der
Gestaltung des Finanzierungsablaufs kann so die Wahl der Finanzierungsstruktur zu einem bedeutenden strategischen Element im Gesamtkonstrukt eines anreizverträglichen Vertragswerkes werden,
108
109
Siehe Chan, Yuk-Shee, Daniel Siegel und Annjan V. Thakor (1990): Sie begründen aus theoretischer Sicht die Existenz
solcher Exklusivitätsvereinbarungen, denen der im Hinblick auf den Erfolg optimistische Unternehmer zustimmt, um in
anderen Bereichen (wie z.B. bei der Ausgestaltung der Vergütungsmodalitäten) günstigere Konditionen auszuhandeln.
Siehe Schefczyk (1998): 137.
63
welches insgesamt der Gefahr opportunistischen Verhaltens erfolgreich zu begegnen vermag.111 Dabei
mag es in Abhängigkeit des tatsächlichen Entwicklungsverlaufs zu einer dynamischen Anpassung in
der Kapitalstruktur des Unternehmens kommen.112
Die Wagniskapitalgesellschaft kann bei der Bereitstellung von Investitionsmitteln grundsätzlich auf
drei unterschiedliche Finanzierungsinstrumente zurückgreifen, die sie isoliert oder in Kombination
miteinander einsetzt:
· Kreditfinanzierung
· Direkte Beteiligung
· Kombinationen
· Wandelbare Titel und andere Hybride
Gewöhnlich werden die Vor- und Nachteile dieser Finanzierungsarten ausschließlich auf ihre Steuerwirksamkeit reduziert. Darüber hinaus bestehen jedoch grundsätzliche Unterschiede im Hinblick auf
ihre verhaltenssteuernde Wirkung, welche auf die spezifischen Eigenschaften der jeweiligen Finanzierungsform hinsichtlich der Art, der Höhe und des Zeitpunktes der Rückzahlungsflüsse und der
Kontrolle zurückzuführen ist. Diese Eigenschaften und ihre Bedeutung im Kontext von Entscheidungen unter Unsicherheit im Rahmen eines risikobehafteten Projektes werden im folgenden genauer
analysiert.
· Kreditfinanzierung
Die Kreditfinanzierung113 legt dem Finanzierungsablauf ein enges Korsett um, innerhalb dessen Entscheidungen mit einer nur sehr geringen Flexibilität getroffen werden. Vielmehr werden anhand bestimmter Kenngrößen Automatismen in den Investitionsentscheidungen ausgelöst, welche unmittelbar
die Liquidation oder die Weiterführung eines Projektes nach sich ziehen. Werden Mindestanforderungen an die Ertragsentwicklung der Unternehmung nicht erfüllt und können laufende Verbindlichkeiten nicht bedient werden, so wird das Projekt gestoppt. In einem formellen Konkursverfahren unter
Kontrolle der Finanzierungsgesellschaft kommt es zur Liquidierung aller im Projekt gebundenen
Vermögenswerte, um der Gesellschaft in ihrer Rolle als Gläubigerin einen möglichst großen Teil der
von ihr bereitgestellten Mittel zu sichern. Die Sicherstellung eingesetzter Investitionsmittel wird mög-
110
111
112
Siehe Gompers (1995)
Damit heben sich die modernen finanzierungstheoretischen Denkansätze gegenüber der gleichgewichtsbetonten Neoklassik ab. Ausgehend von Modigliani und Miller mißt die Neoklassik der Kapitalstruktur keine strategische Bedeutung hinsichtlich rationaler Investitionsentscheidungen unter Unsicherheit bei. Realwirtschaftliche Managemententscheidungen
und Finanzierungsentscheidungen werden als voneinander vollkommen losgelöst betrachtet: Siehe Modigliani und Miller
(1958).
Siehe Bergemann und Hege (1998).
64
lich, sobald das Unternehmen zur fristgerechten Tilgung eines eingeräumten Kredites nicht mehr in
der Lage ist. Im Falle der Beteiligungsfinanzierung dagegen ist eine direkte Entnahme von Vermögenswerten nicht möglich, da Anteile nur gehandelt, nicht aber einseitig ohne Zustimmung der Vertragspartner liquidiert werden können.
Gewöhnlich ist das Management besser über die Entwicklung des Unternehmens im Hinblick auf
kritische Kenngrößen informiert als ein externer Finanzier. Im Gegensatz zu diesem ist es dem Management möglich, einen drohenden Engpaß in der Zahlungsfähigkeit bereits vor Eintritt zu erkennen.
Da das Management mit der unverzüglichen Liquidation rechnen muß, soweit Kreditschulden nicht
mehr beglichen werden können, und dies bereits im vorhinein antizipiert, besteht die Gefahr, daß
Vermögenswerte unterschlagen und Finanzmittel bereits in früheren Phasen primär den eigenen Verwendungszwecken zugeführt werden. Die der Kreditfinanzierung eigene Option der Liquidierung
verliert damit aufgrund der direkten Vorhersehbarkeit von Handlungen und deren Konsequenzen als
ein Instrument, dessen Zweck es ist, die Schadenshöhe für die Finanzierungsgesellschaft zu begrenzen, unter einer asymmetrischen Informationsverteilung an Wert. Da der Kreditgeber unter der berechtigten Angst handeln muß, u.U. den gesamten Kreditbetrag ohne irgendwelche Gegenwerte oder
Sicherheiten aufgrund opportunistischen Verhaltens einzubüßen, ist die Durchführbarkeit der Kreditfinanzierung fraglich. Das Ausmaß eines solchen Risikos würde ein Engagement der Finanzierungsgesellschaft bei Gründungsinvestitionen aus den Augen der Kapitalanleger nicht rechtfertigen und als
Folge den Kreditvertrag als nicht operabel klassifizieren.
· Die Kreditfinanzierung ist zumeist nicht praktikabel oder führt zu einer ineffizient frühzeitigen
Liquidation einer Investition. Die Option der Liquidierung verliert dabei jedoch für die
Finanzierungsgesellschaft oft ihren Wert, wenn es bereits zuvor durch den Unternehmer zur
Veruntreuung von Firmenwerten kommt.
· Die Kreditfinanzierung ist eine ausschließlich auf die Besitzstands-wahrung der zur Verfügung
gestellten Kreditmittel ausgerichtete Finanzierungsform. Ein Interesse der Finanzierungsgesellschaft an einer aktiven Beratung ist daher nur bedingt gegeben.
Die Wirkung, welche diese Finanzierungsform auf das Entscheidungsverhalten der Akteure ausübt,
entfaltet sich hauptsächlich im Hinblick auf den eventuellen Eintritt eines Mißerfolges. In allen anderen Fällen jedoch ist die Entwicklung der unternehmerischen Ertragslage im Hinblick auf eine Beratung und Kontrolle durch die Finanzierungsgesellschaft vollkommen irrelevant, weshalb diese nur
bedingt ein Interesse daran hat, diese Funktionen auch pflichtgemäß wahrzunehmen und in kreativer
Weise auszufüllen. Läßt man die Frage nach der Realisierbarkeit einer kreditfinanzierten Gründungs-
113
Siehe Trester (1998).
65
investition zunächst außen vor, so ist ferner auf die Gefahr eines unter volks-wirtschaftlichen Gesichtspunkten ineffizient frühzeitigen Projektabbruchs hinzuweisen, wenn sich die Finanzierung aus
einem rein an der kurzfristigen Entwicklung von Zahlungsströmen in einem Unternehmen orientierten
Finanzierungsinstrument zusammensetzt.
· Beteiligungsfinanzierung
· Erfolgt die Investition dagegen im Wege der Beteiligungsfinanzierung, so können die Zahlungsansprüche der Finanziers bei nur mäßigen Zahlungsströmen in die Zukunft verschoben
und damit die laufenden Kosten leichter getragen werden.
Der Konkursfall tritt in diesem Falle nicht als das Ergebnis eines vertraglich vorgezeichneten
Automatismus ein. Im Gegenteil: u.U. wird eine Anschlußinvestition sogar von beiden
Vertragsparteien im Vergleich zu einem Investitionsstop als relativ ertragreich bewertet. Alleine die
durch eine Anschlußinvestition ermöglichte Aussicht auf einen am Ende der gesamten
Projektentwicklung erzielbaren positiven Ertrag würde beide Vertragsparteien - insbesondere aber den
Kapitalgeber - besser stellen und so die relative Dominanz der Beteiligungs- gegenüber der
Kreditfinanzierung begründen. Vorzugsbeteiligungen oder auch der Erwerb von wandelbaren Titeln
räumen dem Finanzier eine zusätzliche Priorität im Konkursfall hinsichtlich seiner durchsetzbaren
Ansprüche ein.
Will man das Instrument der Beteiligungsfinanzierung im intertemporalen Kontext einer gestaffelten
Investition bewerten, so müssen neben der Festlegung der zeitlichen Staffelung von Investitionszuflüssen noch weitere Aspekte diskutiert werden, welche sich auf die Effizienz von Investitionsentscheidungen auswirken können. Es müssen Kriterien entwickelt werden, welche das optimale Investitionsvolumen innerhalb einer Entwicklungsphase definieren und die Frage nach der optimalen
Investitionsdauer insgesamt beantworten. Eine herausragende Rolle kommt dabei der Struktur der
Finanzierungsmodalitäten und insbesondere der Aufteilung der Unternehmensanteile zwischen Unternehmer und Finanzier zu. Die Höhe der Gewinnbeteiligung muß sich dabei der zeitabhängigen Anreizstruktur der Vertragsparteien anpassen, um so einer Veruntreuung von Finanzmitteln auf der einen
Seite und einem frühzeitigen Finanzierungsstop auf der anderen Seite entgegen zu wirken.
Die Zeitabhängigkeit der zugrunde liegenden Anreizstrukturen selbst ist auf den jeweils vom Zeitpunkt abhängigen Informationsstand der Parteien und ihre Einschätzung bezüglich der Erfolgschancen
des Projektes zurückzuführen. Bergemann und Hege114 betonen die interaktive Beziehung, die zwischen dem Lernprozeß im Wege der Projektentwicklung auf der einen Seite und dem Investitionsvo-
114
Siehe Bergeman und Hege (1998).
66
lumen zu einem gegebenen Zeitpunkt auf der anderen Seite besteht: Die Wahrscheinlichkeit eines
Forschungserfolges wird dabei positiv durch die Höhe der zur Forschung zur Verfügung stehenden
Ressourcen beeinflußt. Über die Zeit erfolgt eine Anpassung in den Erwartungen hinsichtlich der
Tauglichkeit des Forschungskonzepts. Bleibt ein Erfolg aus, so sinkt in der subjektiven Einschätzung
mit dem zunehmendem Verschleiß von Entwicklungsgeldern die Wahrscheinlichkeit, daß die Projektkonzeption richtig gewählt wurde und letztendlich noch ein vermarktungsfähiges Produkt erzeugt
werden kann. Schließlich erscheint die Aufgabe aller auf das Projekt gerichteten Forschungsanstrengungen als sinnvoll. Dies ist ökonomisch als durchaus effizient zu bewerten, da wertvolle Ressourcen
für alternative Investitionsmöglichkeiten freigesetzt werden.
Oftmals aber kommt es viel zu früh zu einem Finanzierungsstop, ohne daß Verzögerungen in der Produktentwicklung auf ein Verschulden des Gründers oder grundsätzliche Qualitätsmängel des zugrunde
liegenden Forschungskonzepts zurückzuführen sind. Ursache für die Liquidation ist alleine die Möglichkeit eines nicht konzentriert auf die Forschung gerichteten Handelns des Unternehmers. Daher
fühlt sich ein Wagnisfinanzier gezwungen, dem Unternehmer in jeder einzelnen Phase der Produktentwicklung im Wege der Gewinnbeteiligung einen hinreichend großen Anreiz zu seinen Forschungsbestrebungen zu bieten. Hält die Beteiligungsgesellschaft aber selbst nur einen geringen Anteil am
Unternehmen, so erscheint das Projekt aus Sicht des Wagnisfinanziers vor dem Hintergrund, weitere
Investitionsmittel bewilligen zu müssen, bald als unrentabel und eine frühzeitige Liquidierung ist im
Rahmen sequentieller Finanzierungsentscheidungen nicht zu verhindern.
· Eine bloße Staffelung der Finanzierung alleine genügt nicht, um ineffiziente Investitionsentscheidungen auszuschließen. Die Ansprüche an die Vertragsausgestaltung nehmen an Komplexität zu: Nur durch eine adäquate Abstimmung von FINANZIERUNGSABLAUF und
FINANZIERUNGSSTRUKTUR können effiziente Anreize geschaffen werden.
· Starke Anreize zu einem loyalem und engagierten Verhalten können für den Unternehmer dadurch geschaffen werden, indem ihm Gewinnanteile verloren gehen, soweit wohl definierte
Zwischenziele nicht im Rahmen des vorgegebenen Finanzierungs- und Zeitplans erreicht werden. Werden zur Erreichung dieser Zwischenziele Mehrinvestitionen notwendig, so dient es der
Motivation des Unternehmers entsprechend, wenn dieser hieran einen größeren Finanzierungsanteil trägt, sein Gewinnanteil dabei aber unverändert bleibt.
Akteure treffen Entscheidungen nicht nur vor dem Hintergrund der zu einem bestimmten Zeitpunkt
vorgegebenen Rahmenbedingungen, sondern berücksichtigen in ihrem Entscheidungskalkül bereits
die in Zukunft zu erwartenden Veränderungen in diesen Bedingungen. Nur wenn also eine Verzögerung in der Produktentwicklung für den Unternehmer selbst mit persönlichen negativen Konsequenzen
verbunden ist bzw. eine Forcierung der Forschungsanstrengungen und rasche Realisierung von Ent67
wicklungsergebnissen hinreichend hoch belohnt wird, können opportunistische Verhaltensweisen und
der zweckentfremdete Einsatz von Investitionsmitteln ausgeschlossen werden. In der Praxis kann dies
mit einem abnehmenden Gewinnanteil des Unternehmers umgesetzt werden, wenn zur Realisierung
eines wohl definierten Zwischenziels Mehraufwendungen erforderlich werden. So kann durch eine
intertemporale Anpassung der unternehmerischen Gewinnbeteiligung dem Existenzgründer ein Anreiz
zu einem möglichst frühen Entwicklungserfolg vermittelt werden. Da der Jungunternehmer durch den
in Folge einer Verzögerung der Projektlaufzeit drohenden Verlust von Teilen seiner Gewinnanteile
selbst einen zunehmenden Teil des unternehmerischen Risikos trägt, wird eine längerfristige Bindung
durch den Finanzier an die Projektentwicklung möglich, ohne dadurch das Risiko opportunistischen
Verhaltens zu erhöhen. Beteiligt sich der Unternehmer selbst an der Finanzierung des Projektes und
leistet er bei gleichbleibenden Beteiligungsanteilen einen mit fortschreitender Entwicklungsdauer
zunehmend höheren Finanzierungsanteil, so wird dadurch bspw. ein ähnlicher Effekt auf die Motivation des Unternehmers erzielt.
· Kombinationen
Wenn auch die Kreditfinanzierung den Schwerpunkt zu sehr auf die Sicherung von Vermögenswerten
im Falle des Bankrotts legt und sich daher als Finanzierungsform für Unternehmensgründungen als
ungeeignet erweist, so kann die Finanzierungsgesellschaft aus einer reinen Beteiligungsfinanzierung
im Falle der Liquidation jedoch einen nur geringen, wenn überhaupt von Null unterschiedlichen
Rückfluß der von ihr eingesetzten Investitionsmittel verzeichnen und erleidet insgesamt einen Nettoverlust. Eine Beteiligung des Unternehmers am Liquidationswert aber würde außerdem dessen
Motivation als eine Form der Versicherung gegen den eintretenden Mißerfolg mindern. Um einen
solchen Fehlanreiz zu vermeiden, zeigt sich eine Mischstruktur in den gewählten Finanzierungsarten
der Kredit- und Beteiligungsfinanzierung als ein geeignetes Instrument.
· Kredit- und Beteiligungsfinanzierung können in ihrer Verwendung nicht ausschließlich als
Substitute betrachtet werden, sondern bilden zwei zueinander komplementäre Finanzierungsformen. Dabei kommt dem Anteil der Kreditfinanzierung am gesamten Investitionsvolumen
eine um so größere Bedeutung zu, je höher der (erwartete) Liquidationswert ist.115
· Es kommt dabei kritisch darauf an, daß die Ansprüche aus beiden Finanzierungsarten auch
tatsächlich ein- und demselben Finanzier zufallen.
115
Dies kann auch als eine implizite Rationalisierung für eine zunehmende Einbindung externer Finanziers in den späteren
Entwicklungsphasen des Unternehmens im Zuge der Kreditfinanzierung gesehen werden, wie sie tatsächlich gewöhnlich
auch stattfindet.
68
Die bisherige Diskussion begründet eine Dominanz einer heterogenen Kapitalstruktur, welche
zugleich Anteile der Kredit- und der Beteiligungsfinanzierung aufweist. Die grundsätzliche Argumentation der vorgestellten Literatur kann auf eine Arbeit von Bester und Hellwig116 zurückgeführt werden: Kontrolliert ein Unternehmer zwei Variablen, nämlich die Risikoklasse, der ein Projekt zuzurechnen ist, und das Niveau seiner eigenen Anstrengung, so zeigen die Autoren, daß eine zweitbeste
Lösung durch die Implementierung eines Vertrages, der sich gleichfalls aus einer Kombination von
zwei
Finanzierungsinstrumenten - nämlich der Kredit- und der Beteiligungsfinanzierung - zusammensetzt,
zu erreichen ist.117 Wie Marx118 explizit betont, ist die verhaltenssteuernde Wirkungsweise, die durch
die implementierte Kapitalstruktur generiert werden soll, jedoch kritisch davon abhängig, ob die Ansprüche aus beiden Finanzierungsarten auch tatsächlich ein- und demselben Finanzier zufallen! Nur
dann finden die Anreize, die in unterschiedlicher Weise von den beiden Finanzierungsformen ausgehen, in der Entscheidungsfindung der Finanziers Niederschlag, welche die Effekte dieser Entscheidung dann sowohl vor dem Hintergrund der einen wie auch der anderen Finanzierungsform internalisieren.
· Wandelbare Titel und Hybride
Die Kreditfinanzierung maximiert die Rückflüsse an den Finanzier im Falle der ungünstigen Ertragsentwicklung, wohingegen im Falle der günstigen Ertragsentwicklung die Beteiligungsfinanzierung die
Rückflüsse maximiert. Eine Anpassung der Finanzierungsstruktur an den tatsächlichen Entwicklungsverlauf ist jedoch nicht möglich, ohne daß neue Verhandlungen über die Modalitäten der Anpassung
zwischen Finanzier und Unternehmer geführt werden müßten. Eine Kombination beider Finanzierungsarten ist nur bedingt günstig: Scheitert das Projekt, so kann der Finanzier nur einen Teil seiner insgesamt investierten Mittel als gesichert ansehen. Wenn sich umgekehrt das Projektkonzept als
unerwartet erfolgreich entpuppt und immense Wertsteigerungen erfährt, so partizipiert der Finanzier
nur mit dem als Beteiligungskapital der Unternehmung zur Verfügung gestellten Mittel, während er
für den restlichen Anteil lediglich eine feste Verzinsung unterhalb der im Unternehmen tatsächlich
erzielten Rendite erhält.
Wandelbare Titel stellen für die Wagnisfinanzierung ein Element ganz eigener Art dar. Wandelbare
Titel dominieren in den USA die Vertragsstruktur in 85 Prozent aller zwischen einer Beteiligungsge-
116
117
118
Siehe Bester und Hellwig (1987).
Santos verallgemeinert diese Aussage und stellt eine Erweiterung des Konzepts für eine unbeschränkte Anzahl der in den
diskretionären Handlungsspielraum des Unternehmers fallenden Entscheidungsgrößen auf: siehe Santos (1997).
Siehe Marx (1998), 383. Eine Trennung in den Ansprüchen zwischen verschiedenen vertraglich eingebundenen Investoren hätte unmittelbar die zuvor diskutierten negativen Anreize einer reinen Kredit- bzw. reinen Beteiligungsfinanzierung auf Investitionsentscheidungen und Moralisches Risiko zur Folge.
69
sellschaft und einem wagnisfinanzierten Unternehmen abgeschlossenen Verträge. Die Empirie bekräftigt die Hypothese, daß bei einem hohen Grad an asymmetrischer Information und großer
Unsicherheit über die Erfolgschancen eines Projektes auf die Verwendung komplexer, zugleich aber
auch flexibler Finanzierungsinstrumente zurückgreifen zu müssen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf
den Entwicklungsgrad eines Unternehmens wie auch im Hinblick auf die Branchenzugehörigkeit und
die damit assoziierte Risikoklasse. Während z.B. der Einsatz wandelbarer Titel in späteren Entwicklungsphasen an Bedeutung verliert, steigt mit zunehmendem Lebensalter der Unternehmung der Anteil der Kreditfinanzierung (Tab. 4.1).
Tabelle 4.1: Beteiligungsstruktur in den USA
FRÜHPAHSE
SPÄTPHASE
Gesamt
Biotech
Handel
Gesamt
Biotech
Handel
% Wandelbare Titel
85,6
85,6
84
77,2
78,1
73,2
% Eigenkapitalähnliche Darlehen
10,8
10,8
11,5
10,6
10,3
10,0
% Direkte Beteiligung
2,0
2,0
2,5
3,9
3,9
5,0
% Kredit
2,1
2,1
2,0
10,1
9,5
13,5
Quelle: Trester (1998) und eigene Berechnungen.
Wie erklärt sich die in den USA so weit verbreitete Instrumentalisierung wandelbarer Titel bei der
Finanzierung von Gründungsinvestitionen? Wandelbare Titel sind in ihrer Wirkungsweise durch eine
bloße Kombination von Kredit- und Beteiligungsfinanzierung nicht replizierbar, weshalb Teile der
Literatur119 auf ihre Überlegenheit gegenüber alternativen Finanzierungsarten verweisen. Dies trifft
zu, obgleich der Wandelschuldverschreibung Charakteristika sowohl der einen wie auch der anderen
Finanzierungsart zu eigen sind. In Abgrenzung von einer bloßen Kombination der beiden Finanzierungsarten zeichnet sich die Wandelschuldverschreibung gerade aber durch ihre Flexibilität in der
Anpassung der Kapitalstruktur im Entwicklungsverlauf des Unternehmens aus. Der Wagnisfinanzier
erwirbt zusammen mit der Schuldverschreibung zugleich die Option, durch den Umtausch in Beteiligungstitel eine Änderung in der Kapitalstruktur des Unternehmens noch während der Entwicklungsphase und damit nach dem ursprünglichen Vertragsabschluß in Reaktion auf einen Zugewinn an
Informationen bezüglich der Projektqualität herbeizuführen und damit gleichzeitig eine Neuregelung
in der Gewinn- oder Verlustaufteilung zu erzielen.
119
Siehe u.a. Cornelli und Yosha (1998), Marx (1998), Repullo und Suarez (1999) und Berglöf (1994).
70
Ähnlich einem festverzinslichen Kreditvertrag garantiert die Wandelschuldverschreibung dem Finanzier eine fixe Dividende. Gleichzeitig räumt sie ihrem Inhaber im Konkursfall gleich einem Kreditgeber ein Vorzugsrecht gegenüber allen anderen Anteilseignern ein und vermindert damit das Risiko
allzu großer Verluste. Die Aussicht auf die lukrativen Gewinnpotentiale eines Anteilseigners kann
sich der Finanzier aber dennoch bewahren, indem er im Falle positiver Ertragsaussichten von seiner
Möglichkeit, Schuldtitel in Unternehmensanteile umzuwandeln, Gebrauch macht.120 Das Entscheidungsverhalten des Finanziers wird damit über die bloße Entscheidung zwischen der Liquidierung
und der Fortführung eines Projektes hinaus um eine weitere Dimension in der strategischen
Interaktion der beiden Vertragspartner erweitert, die sich nicht mehr ausschließlich nur auf das
Investitionsvolumen, sondern auch auf die Struktur der Finanzierung bezüglich aller bislang gebundenen Investitionsmittel erstreckt.
· Während die Kreditfinanzierung die Rückflüsse an den Finanzier im Falle der ungünstigen
Ertragsentwicklung maximiert, maximiert die Beteiligungsfinanzierung die Rückflüsse im Falle
der günstigen Ertragsentwicklung. Durch die Implementierung wandelbarer Titel aber wird
eine Anpassung der Finanzierungsstruktur an den tatsächlichen Entwicklungsverlauf des
Unternehmens möglich, ohne daß neue Verhandlungen über die Modalitäten der Anpassung
zwischen Finanzier und Unternehmer geführt werden müßten.
Die Modalitäten der Konvertierbarkeit können im Hinblick auf die Fixierung des Umwandlungskurses
und die Wahl des Zeitpunktes projektspezifisch eng an die Entwicklung des Unternehmens geknüpft
werden. Aufwendige und ressourcenintensive Neuverhandlungen können damit im Verlauf der
Projektumsetzung vermieden werden.121 Wie die Literatur zeigt, bereichert die implizite Einflußmöglichkeit des Finanziers auf die Verteilungsregeln seinen Handlungsspielraum in einer Weise, welche zur Überwindung der grundsätzlichen Anreizproblematik in einem Raum beobachtbarer, jedoch
nicht verifizierbarer Informationen über die tatsächliche Ertrags- und Entwicklungslage des Unter-
120
121
Die Literatur unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Arten von Werttiteln, welche als Charakteristikum eine Konvertierbarkeitsklausel in sich tragen: convertible preferred stock und convertible debt. Beide Werttitel unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der durch sie implizierten Anreizmechanismen im Verhältnis der beiden Vertragsparteien nicht wesentlich, weshalb ferner auf eine Unterscheidung verzichtet wird und sich die folgenden Ausführungen auf die Wandelanleihe
im Sinne von convertible debt beziehen. Dennoch sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß der Titel von convertible
preferred stock eine größere Flexibilität im Hinblick auf den Auszahlungszeitpunkt von Dividenden zuläßt, während bei
der Vergabe von convertible debt die Gefahr der frühzeitigen Liquidierung bei einem Verzug in der Begleichung von
Zahlungsverpflichtungen besteht. Zudem müssen Unterschiede in den jeweils für eine Finanzierungsart aktuell gültigen
steuerlichen Vorschriften ebenso gegeneinander abgewogen werden wie Stimmrechtsunterschiede: siehe hierzu auch
Cornelli und Yosha (1998), 2 f.
Siehe Aghion, Dewatripont und Rey (1994): In diesem Sinne kann die vertragliche Vereinbarung einer Option auf die
Umwandlung von Schuld- in Beteiligungstitel zu einem vertraglich festgesetzten Preis dann als die gegenseitige Übereinkunft über den Grad der Verhandlungsmacht der jeweiligen Vertragsparteien bei der Beobachtung eines nicht verifizierbaren Signals über das Entwicklungsstadium des Unternehmens interpretiert werden, ohne jedoch die Transaktionskosten einer Neuverhandlung auf jeder Stufe der Projektfinanzierung neu tragen zu müssen.
71
nehmens entscheidend beiträgt und insgesamt effiziente Investitionsentscheidungen ermöglicht. Eine
früh-zeitige Liquidation von durchaus aussichtsreichen Projekten kann so vermieden werden!
Wenngleich auch das Instrument der Wandelschuldverschreibung den Finanzier zu effizienten Investitionsentscheidungen veranlaßt, so stellt sich dennoch die Frage nach dem Effekt dieser Finanzierungsart auf das Verhalten und die Entscheidungen des Unternehmers. Diesbezüglich ist festzuhalten, daß die Möglichkeit zur dynamischen Anpassung der Kapitalstruktur, welche alleine dem
Finanzier offensteht, die Motivation des Gründers zusätzlich zu stärken vermag. Aufgrund der Gefahr
eines frühzeitigen Projektabbruchs im Rahmen sequentieller Finanzierungsentscheidungen wird der
Unternehmer stets versucht sein, sich in seinem Tun vor allem auf die Realisierung kurzfristiger Erfolge zu konzentrieren.122 Diesem Umstand muß bei der Wahl der optimalen Kapitalstruktur zusätzliche Berücksichtigung finden. Die Wandelschuldverschreibung erweist sich auch bezüglich dieses
Aspekts als ein geeignetes Instrument.
Ein derart kurzsichtiges Verhalten kann eine nachhaltige Beeinträchtigung des langfristigen Wachstumspotentials der Unternehmung verursachen.123 Investitionen werden auf die Umsetzung von Teilprojekten gelenkt, die kurzfristig erfolgversprechend sind, langfristig aber der Realisierung des
Gesamtvorhabens wenig dienlich sind. Eine Manipulation von Informationen wie z.B. die geschönte
Darstellung von Labortests oder die unzulässige Vornahme von Korrekturen in der Bilanzaufstellung
als Signal über die Qualität eines finanzierten Projektes würde zusätzliche Kosten verursachen, den
Unternehmer weiter vom regulären Tagesgeschäft ablenken und der Weiterentwicklung des Projektes
an anderer Stelle hinderlich sein. Dies würde der ursprünglichen Absicht einer gestaffelten Bereitstellung von Finanzmitteln entgegen stehen. Zudem aber können ungünstige Effekte auf die langfristige
Unternehmenswertentwicklung erzeugt werden. Der Nachweis kurzfristiger Zwischenerfolge würde
für die Geschäftspartner dann lediglich die Erringung eines Phyrrus-Sieges bedeuten, dessen negative
Folgen aber bald ans Licht treten, indem die Projektentwicklung an Schwung und Stärke verliert.
Im Finanzierungsrahmen der Wandelschuldverschreibung reduziert myopisches Verhalten dann zwar
die Wahrscheinlichkeit einer Liquidation, erhöht gleichzeitig jedoch die Wahrscheinlichkeit, daß der
Finanzier aufgrund der von ihm subjektiv empfundenen Ertragsaussichten von seiner Option, beste-
122
123
Dennoch können die Effekte einer solchen Verhaltensweise nicht als grundsätzlich nur positiv oder nur negativ klassifiziert werden. Verstärkte kurzfristige Anstrengungen des Unternehmers können durchaus zur Generierung hilfreicher und
zugleich zuverlässiger Informationen für die Beurteilung künftiger Projektaussichten beitragen: Siehe Bagwell und Zechner (1993).
Die vertraglichen Vereinbarungen in der Darstellung von von Thadden können durchaus auch im Sinne der Finanzierung
über die Ausgabe von preferred stock reinterpretiert werden. Ähnlich seiner Argumentation sichert preferred stock dem
Investor eine ex ante vereinbarte Auszahlung bereits aus dem Pool möglicher Zwischengewinne zu. Diese Ansprüche genießen gegenüber den Ansprüchen des Unternehmers Priorität. Werden diese Zahlungen vergleichsweise hoch festgelegt,
so ist ein Projekt für den Unternehmer folglich nur dann lukrativ, wenn es auch langfristig hohe Erträge abzuwerfen verspricht: Siehe von Thadden (1995).
72
hende Verbindlichkeiten in Unternehmensanteile zu einem für ihn relativ bevorzugten Preis umzuwandeln, Gebrauch macht. Dies mindert aber den erwarteten Gewinn des Unternehmers und kommt
einer Entwertung seiner eigenen Anteile gleich.124 Steht der Unternehmer damit vor der Entscheidung,
eine ausschließlich vordergründige und kurzfristig orientierte Entwicklungsstrategie zu verfolgen und
Signale über die Erfolgschancen und das Gewinnpotential der Unternehmung zu manipulieren, so
kann er sich selbst und seine eigene Vermögensposition u.U. nur verschlechtern.
· Sequentielle Finanzierungsentscheidungen durch die Finanzierungsgesellschaft bieten dem
Unternehmer einen Fehlanreiz, manipulativ auf die kurzfristige Ertragslage des Unternehmens
und ihre Darstellung nach außen einzuwirken.
· Wandelbare Titel können diesem Fehlanreiz entgegenwirken. Gleichzeitig sind die Ansprüche
der Finanzierungsgesellschaft so zu gestalten, daß primär eventuelle Zwischengewinne als Refinanzierungsquelle dienen und die Gesellschaft hier ein Vorzugsrecht genießt. In Folge ist der
Unternehmer bestrebt, v.a. die langfristige Unternehmensentwicklung im Auge zu behalten.
Dem Fehlanreiz einer wellenartigen Investitionsfinanzierung zu kurzsichtigen Entscheidungen mag eventuell ergänzend - auch eine modifizierte Ausgestaltung in den Vereinbarungen über die Höhe und
den zeitlichen Verlauf der Kapitalrückflüsse an die Finanzierungsgesellschaft begegnen, wenn aufgrund einer vorübergehend mäßigen Ertragslage die Auflösung des Unternehmens droht. Wenngleich
Unternehmer auch kurz- und mittelfristig eine Durststrecke erleben müssen, zeichnen sich qualitativ
hochwertige Projektvorhaben nicht selten gerade durch langfristig überdurchschnittliche Gewinnpotentiale aus. Kurzfristige Vertragsbeziehungen aber benachteiligen solche Vorhaben, indem die
Gefahr eines frühzeitigen Finanzierungsstops gerade für diese Projekte besonders hoch ist. Investitionsmittel werden von dem Unternehmer dann hauptsächlich Projekten mit kurzfristigen Ertragschancen zugeleitet, wodurch das Wachstumspotential des Unternehmens nicht ausgeschöpft wird.
Langfristige Kontrakte dagegen erschweren die Kontrollmöglichkeiten des Finanziers und berauben
ihn bei einem Mangel an Kooperation seines stärksten und effektivsten Sanktionsinstruments: der
Liquidierung. Werden aber dem Finanzier im Rahmen langfristiger Geschäftsbeziehungen hauptsächlich eventuelle Zwischengewinne als Refinanzierungsquelle für die von ihm bereitgestellten Investitionsmittel erschlossen, so ist dies als eine Art der „Besteuerung“ kurzfristiger Erträge zu charakterisieren. Langfristig ausgerichtetes strategisches Handeln des Unternehmers wird dann belohnt und
seine Vermögensaussichten steigen ebenso wie die der Wagniskapitalgesellschaft. Aus volkswirt-
124
Mit dem Konzept von Cornelli und Yosha kann damit die anreizkompatible dynamische Finanzierungsstruktur, wie sie
von Bergemann und Hege entworfen wird, endogen durch die Ausgabe wandelbarer Titel in Reaktion auf den Informationsfluß, der über die Zeit hinweg stattfindet, repliziert werden, ohne daß es notwendig wird, ex ante die Entwicklung der
Gewinnanteile des Unternehmers in Unkenntnis aller Informationen vertraglich festlegen zu müssen.
73
schaftlicher Sicht werden diejenigen Projekte realisiert, welche das größte Wachstumspotential aufweisen und daher für die Schaffung von Arbeitsplätzen von besonderer Bedeutung sind.
· Mögliche Formen der Finanzierung in der Praxis
In Deutschland stellt die Wandelanleihe ebenso wie z.B. die Vorzugsaktie ein spezifisches Finanzierungsinstrument einer Aktiengesellschaft dar und wird an der Börse gehandelt.125 Aufgrund der
Rechtsform junger Unternehmen, die gewöhnlich als Personengesellschaft oder GmbH geführt werden, ist die Wandelanleihe wie auch die Vorzugsaktie jedoch kein Instrument, das zur Finanzierung
von Gründungsinvestitionen zur Verfügung stünde. Es existieren aber alternative Finanzierungsarten,
deren vertragliche Ausgestaltung durch den Gesetzgeber nur sehr unspezifisch geregelt sind, und die
daher in ihrer Anwendung durch eine Finanzierungsgesellschaft auf eine sehr flexible Art und Weise
modifiziert und den besonderen Bedürfnissen eines Vertragsverhältnisses angepaßt werden können:
a) Stille Beteiligung: Häufigste Form der gesellschaftsrechtlichen Verbindung ist die stille Beteiligung (Tab. 4.2).126 Im Wege der vertraglichen Ausgestaltung können ihr Charakteristika beider
Finanzierungsformen, der Beteiligungs- und der Kreditfinanzierung, zugewiesen werden. Nach
Bestimmung des § 236 HGB kann der stille Gesellschafter bei Konkurs des Unternehmens seine
Einlage nach Abzug des auf ihn entfallenden Verlustanteils als Konkursgläubiger geltend machen.
Ihm wird damit eine bevorzugte Befriedigung seiner Ansprüche gegenüber anderen Gesellschaftern eingeräumt, wenn auch eventuelle Kreditgläubiger Priorität genießen. Die Verlustbeteiligung
kann dabei gänzlich ausgeschlossen werden. Am Gewinn ist der stille Gesellschafter gemäß § 231
Abs. 2 HGB mit einem „angemessenen Anteil“ zu beteiligen.
Im Hinblick auf Gründungsinvestitionen realisieren sich Gewinne hauptsächlich eben nicht durch
laufende Erträge, sondern durch die Wertsteigerung der erworbenen Anteile. Diesbezüglich läßt
die stille Beteiligung eine Reihe ganz unterschiedlicher Regelungen zu: Nach Art des Vermögensanspruchs, den der stille Gesellschafter beim Ausscheiden aus der Unternehmung besitzt, kann
zwischen einer typischen und einer atypischen stillen Gesellschaft unterschieden werden. Der
typische Gesellschafter wird mit seiner nominellen Einlage abgefunden, während der atypische am
Vermögenszuwachs des Betriebs beteiligt und als Mitunternehmer anzusehen ist. Es ist sowohl
eine prozentuale Beteiligung denkbar, aber auch die Definition festverzinslicher Anteile ist nicht
ausgeschlossen. In Abhängigkeit dieser Regeln können der Finanzierungsform mehr Eigenschaften
der Beteiligungs- oder der Kreditfinanzierung zugesprochen werden. Klauseln über Wandelmöglichkeiten in eine offene Beteiligung und die Festlegung der hierfür geltenden Konditionen sind
125
126
Vgl. §§ 218, 221 AktG.
Die Rahmenbedingungen für eine stille Gesellschaft werden durch §§ 230-237 HGB geregelt. Es handelt sich dabei um
eine reine Innengesellschaft.
74
gleichfalls möglich. Von dieser Form der vertraglichen Vereinbarung wird nach Auskunft mehrerer deutscher Beteiligungsgesellschaften vor allem dann Gebrauch gemacht, wenn sich die Vertragspartner bei Vertragsabschluß über den tatsächlichen Firmenwert nicht einigen können.127
Die nachfolgende Diskussion wird die besondere Bedeutung bei der Regelung von Kontroll- und Mitspracherechten herausstreichen. Insbesondere in Situationen wirtschaftlicher Notlagen ist ein Mitspracherecht der Finanzierungsgesellschaft besonders wichtig. Gerade der Vorzugsaktie ist gewöhnlich ein solcher Mechanismus zu eigen, der bei Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens im
Hinblick auf die Befriedigung verbriefter Dividendenansprüche ihrem Inhaber ein Mitspracherecht
einräumt, während er über ein solches Recht in Zeiten der positiven Ertragsentwicklung nicht verfügt.128 Entsprechende Regelungen können jedoch in dem Vertragswerk zur Begründung einer stillen Gesellschaft gleichfalls Berücksichtigung finden.
b) Genussrechte: Auch die Genuß- oder Partizipationsscheine nehmen in Abhängigkeit von ihrer
konkreten Ausgestaltung eine Stellung zwischen Eigen- und Fremdkapital ein. Genußscheine
verbriefen keine Mitgliedschaftsrechte, sondern Gläubigerrechte, und zwar in den meisten Fällen
einen Anteil am Reingewinn, teilweise auch am Liquidationserlös. Typischerweise ist auch eine
Beteiligung am laufenden Verlust vorgesehen, kann aber ausgeschlossen werden. Außerdem ist der
Genußschein nur zu bedienen, wenn Gewinne erzielt werden. Die Nutzung des Genußscheins ist
an keine Rechtsform gebunden. Die Ausgestaltung kann an individuelle Bedürfnisse angepaßt
werden, da sie gesetzlich nicht näher geregelt ist.129
Tabelle 4.2: Beteiligungsstruktur in Deutschland
127
128
129
FORM DER BETEILIGUNG
%
stille Beteiligung
36,6
direkte Beteiligung (GmbH Anteile, Kommanditeinlage, Aktien)
30,8
eigenkapitalähnliches Darlehen, Genußscheine
2,4
KOMBINATIONEN
%
direkte und stille Beteiligung
18,1
Diese Umfrage ist jedoch nicht repräsentativ.
Auch die Vorzugsaktie räumt ihrem Inhaber i.d.R. das Recht der bevorzugten Befriedigung im Konkursfalle ein. Dies
wäre eine weitere wichtige Eigenschaft, auf die es bei der Wagnisfinanzierung ankäme.
Der Genußschein hat darüber hinaus v.a. auch steuerliche Vorteile, da er steuerlich wie Fremdkapital behandelt wird.
75
direkte Beteiligung und eigenkapitalähnliches Darlehen
10,7
stille Beteiligung und eigenkapitalähnliches Darlehen
1,4
Quelle: Coopers & Lybrand (1998)
Die in Deutschland vorherrschende Beteiligungsstruktur ergibt sich aus Tab. 4.2. Die Aufstellung
liefert jedoch keine Informationen über die spezifische und im Einzelfall vorgenommene vertragliche
Ausgestaltung insbesondere im Hinsicht auf die Gründung einer stillen Gesellschaft oder die Ausgabe
von Genußscheinen. Gerade aber hier liegt die Herausforderung und die spezifische Aufgabe der
Wagniskapitalgesellschaft begründet, anreizkompatible Verträge auf die idiosynkratischen Charakteristika einer Gründung hin individuell zuzuschneidern und den jeweiligen Rahmenbedingungen anzupassen. Allerdings zeigt Tab. 4.2, daß in etwa 30 Prozent aller Fälle Beteiligungsgesellschaften auf
Kombinationen in der Finanzierung zurückgreifen, um damit ihr Risiko zu mindern, gleichzeitig aber
am Erfolg des Unternehmens teilzuhaben.
4.3.5
Die Zuweisung expliziter Kontroll- und Entscheidungsrechte
Die vertragliche Festschreibung von Finanzierungsablauf und Kapitalstruktur dient als Instrument, um
die Handlungsmotive beider Vertragsparteien zu beeinflussen und damit bestehende Interessenkonflikte zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer zu überwinden. Anreizmechanismen können
jedoch nicht in jedem nur denkbaren Fall vollständig wirksam sein.130 Der Komplexität von Verträgen
sind mit dem Augenmerk auf ihre Implementierbarkeit und Praktikabilität Grenzen gesetzt. Die Einführung expliziter Sanktionsmechanismen ist daher unerläßlich. Vor dem Hintergrund der durch die
Finanzierungsgesellschaft durchgeführten Kontrolle begründen sie eine glaubwürdige Drohung gegenüber dem Unternehmer und wirken disziplinierend.
Die Ausübung von Sanktionsmechanismen ist letztlich auf die Allokation übergeordneter Kontrollrechte und Entscheidungsbefugnisse zurückzuführen. Die von den Eigentumsverhältnissen und der
Kapitalstruktur unabhängige Spezifizierung übergeordneter Befugnisse kann als ein wichtiges
Charakteristikum von Wagniskapitalverträgen identifiziert werden. Eine Übernahme der direkten
operativen Kontrolle durch die Beteiligungsgesellschaft ist dabei ebenso wenig auszuschließen wie
eine Neubesetzung von Schlüsselpositionen. Vor allem im Managementbereich kann die Einbe-
130
Siehe beispielsweise von Thadden (1995). Sahlman weist zudem darauf hin, daß die spezifischen Vergütungsmodalitäten
dem Unternehmer zwar durchaus einen Anreiz geben, zielgerichtet den Unternehmenserfolg anzustreben, gleichzeitig ist
der Unternehmer jedoch versucht, das Investitionsrisiko zu erhöhen: siehe Sahlman (1990).
76
ziehung externer Manager, die auf eine langjährige Berufserfahrung in der Leitung und strategischen
Führung von Unternehmen zurückblicken können, sinnvoll sein. Die Entlassung der Gründerpersönlichkeit aus dem operativen Geschehen des Projekts stellt zusammen mit den damit verbundenen
monetären Einbußen den wohl denkbar härtesten Sanktionsmechanismus dar, und bereits ihre Androhung wirkt disziplinierend auf das Engagement des Unternehmers.
Ungeachtet der Anreizproblematik ist das ultimative Streben einer Beteiligungsgesellschaft jedoch auf
die Maximierung ihrer Gewinnaussichten gerichtet. Die Startphase eines Projekts wird sehr stark von
der engen Bindung der Gründerpersönlichkeit an das Projekt geprägt. Das spezifische Wissen des
Gründers um die wesentlichen auf das innovative Produkt ausgerichteten Zusammenhänge machen
seine aktive Einbindung für den Erfolg des Entwicklungsprozesses unerläßlich. In späteren Phasen der
Produktrealisierung büßt der Gründer seine komparativen Vorteile in der Projektleitung ein. Kaufmännisches und marktorientiertes Wissen gewinnen im Verbund mit strategischen Leitungskompetenzen zunehmend an Bedeutung. Die Neubesetzung der Managementfunktion durch einen im Markt
erfahrenen Manager kann daher zu erheblichen Wertsteigerungen des Unternehmens beitragen.131
Im Hinblick auf Personalentscheidungen würde die Beteiligungsgesellschaft demnach über einen gewaltigen Handlungsspielraum verfügen, der aus ökonomischer Sichtweise als durchaus sinnvoll zu
betrachten ist. Handlungsspielräume dieser Art können die Beraterfunktion der Beteiligungsgesellschaft u.U. nachhaltig unterstützen, indem sie gestalterische Freiräume schaffen und diese mit Entscheidungskompetenzen verknüpfen. Warum aber eine Gründerpersönlichkeit sich zum Abschluß
entsprechender Vereinbarungen bereit finden sollte, wenn sie eventuell eine Finanzierungsmöglichkeit auch bei einer konkurrierenden Gesellschaft sieht, bleibt an dieser Stelle offen und ist im folgenden noch genauer zu analysieren. In Folge der Analyse lassen sich grundsätzliche Aussagen über den
Mechanismus in der Zuteilung übergeordneter Kontrollrechte aufstellen, welche nicht nur dem Effizienzkriterium genügen, sondern auch die Ergebnisse empirischer Untersuchungen hervorragend widerspiegeln.132
In vielen Verträgen zwischen Jungunternehmer und Beteiligungsgesellschaften tritt der Firmengründer dem Finanzier ein Exklusivrecht zur Finanzierung eines bestimmten Projekts ab. Er verzichtet
darauf, zu jedem Zeitpunkt während der Projektentwicklung selbst andere Investoren anzuwerben,
obgleich er eine Neubesetzung der eigenen Position durch die Beteiligungsgesellschaft in Ausübung
ihrer vertraglich zugestandenen Befugnisse befürchten muß. Dies kann aber keineswegs auf die Unerfahrenheit potentieller Firmengründer zurückgeführt werden. Grundsätzlich kann eine Verschärfung
131
132
Siehe u.a. Hellmann (1998).
Siehe Chan, Siegel und Thakor (1990).
77
bestimmter Regelungen durch Vorteile in anderen Vertragsbereichen kompensiert werden. Durch die
Selbstbeschränkung der eigenen Handlungsoptionen stellt sich der Existenzgründer besser, wenn er
den positiven Effekt, welche die vertragliche Vereinbarung einer solchen Klausel auf alle anderen
Vertragsparameter und insbesondere auf die Vergütungsbestimmungen hat, in seinem Entscheidungskalkül mit berücksichtigt.
Im Verlauf der Projektrealisierung zeigen sich die Managementkompetenzen des Gründers. Ist eine
erste Entwicklungsphase abgeschlossen, so wird die Zwischenbilanz in der Unternehmensentwicklung
als ein zuverlässiges Signal für die Fähigkeiten des Unternehmers interpretiert. Die Fähigkeiten des
Unternehmers dienen dabei als das kritische Moment, welches über die Ausübung von Kontrollrechten entscheidet. Verliert der Unternehmer aufgrund unzureichender Kompetenzen die operative
Kontrolle an die Beteiligungsgesellschaft, so vergütet ihm die Gesellschaft eine Abfindungszahlung
und erwirbt damit alle Rechte am Unternehmen.133 Damit gehen unmittelbar auch alle Verlustrisiken
auf die Beteiligungsgesellschaft über, während sich der Unternehmer mit dem erhaltenen Pauschalbetrag abgesichert fühlt. Um dem Jungunternehmer die unternehmerische Leitung des Projekts zu überlassen, muß dieser über deutliche komparative Vorteile in der Unternehmensführung gegenüber der
Beteiligungsgesellschaft verfügen. Der erwartete Zugewinn in den Unternehmenserträgen im Zuge
eines Verzichts auf die Ausübung übergeordneter Kontrollrechte muß hinreichend groß sein, um die
Kosten, die aufgrund der bestehenden Anreizproblematik entstehen, aufzuwiegen und zugleich die
Beteiligungsgesellschaft in ihren Erwartungen bezüglich der eigenen Ansprüche nicht schlechter zu
stellen. Die vertraglichen Ansprüche des Unternehmers hängen im Erfolgsfalle dann positiv von den
von ihm bereits unter Beweis gestellten Kompetenzen ab.
Daß nach Abschluß der ersten Testphasen in der Produktentwicklung oftmals ein grundsätzlicher Vorteil besteht, einen im Markt erprobten, professionellen Manager mit den unternehmerischen Führungsaufgaben zu betrauen, ist im allgemeinen unumstritten.134 Externes Marktwissen und zusätzliche
Geschäftskontakte können für ein Unternehmen von großem Nutzen sein und steigern seinen Wert.
Allerdings werden die Vergütungsmodalitäten und insbesondere die Höhe der Abfindungszahlung
darüber entscheiden, ob sich ein Unternehmensgründer unter Wettbewerbsbedingungen auf die vertragliche Festschreibung einer solchen Option der Finanzierungsgesellschaft einlassen wird. Wird die
Managementfunktion nicht von der Beteiligungsgesellschaft und der ihr zugehörigen Manager selbst
übernommen, so ist zudem zu berücksichtigen, daß die Suche nach einer geeigneten Person und ihre
Positionierung im Unternehmen der Beteiligungsgesellschaft zusätzliche Kosten verursacht. Es wird
daher nicht in jedem Fall dem Wachstum des Unternehmens zuträglich sein, auf Biegen und Brechen
133
134
Das ist die sogenannte ”buyout” Option der Beteiligungsgesellschaft.
Siehe Hellmann (1998).
78
einen Austausch im Management durchsetzen zu wollen. Die Möglichkeit hierzu sollte jedoch aufgrund des geschlossenen Finanzierungsvertrages gegeben sein. Im Hinblick auf die Suchintensität
sind dann alle Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen, so daß die Maximierung des Unternehmenswertes oberstes Ziel bleibt.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen muß das abzuschließende Vertragswerk sowohl Regeln
umfassen, die eine vom Unternehmenserfolg abhängige und damit anreizkompatible Kompensation in
Form von Unternehmensanteilen fixieren. Der Vertrag muß zugleich aber auch Bestimmungen enthalten, welche die Modalitäten einer Abfindung im Falle der vorzeitigen Entlassung des Gründers aus
dem Unternehmen festlegen. Die denkbaren Vertragssituationen sind in ihrer Art mannigfaltig.
Grundsätzlich läßt sich aber festhalten, daß die Übertragung der Kontrollrechte an die Beteiligungsgesellschaft gerade dann ohne Einschränkung optimal ist, wenn sich aus einer Umbesetzung im Führungsbereich des Unternehmens ein positiver Nettoeffekt auf den Unternehmenswert ergibt. Indem
der Unternehmer dabei eine relativ geringe Abfindungszahlung in Kauf nimmt, sinken die Kosten
einer Neubesetzung und die Suche nach einer geeigneten Führungspersönlichkeit gewinnt für die Finanzierungsgesellschaft an Attraktivität. Im Gegenzug stellt die Finanzierungsgesellschaft dem Unternehmer einen relativ großen Anteil am Unternehmensgewinn in Aussicht, soweit er das Unternehmen erfolgreich weiterführt. Sein Anreiz zu opportunistischem Verhalten wird hiermit eingedämmt,
wohingegen seine Motivation, sich auch im kaufmännischen Bereich des Unternehmens zunehmend
zu beweisen und so als überzeugende Führungspersönlichkeit das Unternehmen auch künftig weiterzuleiten, steigt.135 Die Erfolgswahrscheinlichkeit des Projektes wird durch diese Art der vertraglichen
Ausgestaltung nachhaltig positiv beeinflußt!
Solche Regelungen im Detail vertraglich festzuschreiben, erscheint aber als überaus schwierig und
mit großem Aufwand verbunden. Es ist daher sinnvoll, nach einem Konzept zu suchen, welches die
Modalitäten der Vergütung und Abfindung eines Firmengründers nicht im einzelnen und voneinander
losgelöst betrachtet, sondern vielmehr ein in sich geschlossenes Kompensationssystem im Hinblick
auf die Regelung beider Komponenten definiert. In der Tat ist es zu beobachten, daß viele Übereinkünfte explizit "vesting" vorsehen: Die dem Initiator des Projektes vertraglich zugesprochenen Anteile werden diesem erst über die Zeit nach einem fest vorgegebenen Zeitplan als Rechte übertragen. Bei
einem vorzeitigen Ausscheiden behält sich die Beteiligungsgesellschaft zumeist ein Rückkaufrecht für
die bereits übertragenen Anteile vor. Ansprüche auf die zu diesem Zeitpunkt noch nicht übertragenen
135
Nichtsdestotrotz ist anzumerken, daß eine drohende Entlassung grundsätzlich zwei gegensätzliche Effekte auf das Verhalten des Unternehmers auslösen kann. Droht der Verlust der eigenen Position, so schafft dies einen Anreiz, all seine
zur Verfügung stehende Kräfte auf den Erfolg des Unternehmens auszurichten. Da allerdings die drohende Neubesetzung
der eigenen Position durch einen externen Manager den Anteil am Ertrag dieser Anstrengungen nur ungewiß macht, er-
79
Anteile bestehen dabei nicht mehr. Abfindungszahlungen können dann als der Erwartungswert der
zum Zeitpunkt des Ausscheidens bereits übertragenen Anteile interpretiert werden. Der Unternehmensgründer vermag dabei von den Effizienzgewinnen, welche durch einen Wechsel an der Führungsspitze des Unternehmens generiert werden, im Wege der Wertsteigerung der eigenen Anteile zu
profitieren. In der Realität aber nimmt der Unternehmer gewöhnlich sogar noch größere Einbußen in
Kauf und akzeptiert häufig den Buchwert als Rückkaufspreis.136
· Anreizmechanismen, welche aus der Gestaltung des Finanzierungsablaufs und der Kapitalstruktur erwachsen, werden durch die Zuweisung expliziter Kontroll- und Entscheidungsrechte
ergänzt. Eine Schlüsselbedeutung kommt hier insbesondere der „buyout“-Option der Finanzierungsgesellschaft zu, die es ihr schließlich grundsätzlich ermöglicht, eine Neubesetzung im
Firmenmanagement vorzunehmen.
· Durch eine adäquate Ausgestaltung in den Modalitäten, den Firmengründer sowohl im Falle
des erfolgreichen Projektabschlusses als auch im Falle der frühzeitigen Entlassung zu kompensieren, kann gewährleistet werden, daß die Finanzierungsgesellschaft in der Ausübung ihrer
Befugnisse Entscheidungen alleine im Hinblick auf die Firmenwertmaximierung trifft. Eine
solche Form der vertraglichen Vereinbarung bietet das „vesting“, das beiden Vertragsparteien bei Vertragsabschluß - einen maximalen Kapitalrückfluß in Aussicht stellt.
Ein Kernpunkt bei der vertraglichen Festlegung von Kontroll- und Entscheidungsbefugnissen bilden
die potentiellen Verteilungskonflikte, welche gewöhnlich zum Zeitpunkt des Übergangs einer Gründungsinvestition zu einem am Markt etablierten Unternehmen aufbrechen. Auf der einen Seite hat die
Wagnisfinanzierung zu diesem Zeitpunkt ihre spezifischen Vorteile gegenüber anderen Finanzierungsarten eingebüßt und die Beteiligungsgesellschaft ist bestrebt, ihre eigenen Anteile zu liquidieren.
Auf der anderen Seite aber benötigt das Unternehmen zur weiteren Expansion und Sicherung seiner
Marktstellung neue Finanzmittel. Die Art des Ausstiegs durch die Beteiligungsgesellschaft kann auf
die Höhe des erzielbaren Verkaufswertes von Unternehmensanteilen einen nicht unbeachtlichen
Einfluß haben. Umgekehrt aber ist in der eigenständigen Weiterführung eines erfolgreichen Unternehmens ein erheblicher Nutzenwert des Firmengründers zu sehen.137 In den Augen des Gründervaters
des Unternehmens sind daher neben den bestehenden monetären Anreizen auch ganz persönliche Beweggründe für die Wahl der Art des Ausstiegs von Bedeutung.138 Die adäquate Ausrichtung der Kapi-
136
137
138
scheinen dem Unternehmer die privaten Begünstigungen aus opportunistischem Verhalten, die alleine in seinen diskretionären Handlungsspielraum fallen und damit sicher sind, nun möglicherweise doch als attraktiver.
Siehe Sahlman (1990).
Siehe Bascha und Walz (1998).
Siehe Berglöf (1994). Das Modell von Berglöf basiert auf dem allgemeineren Ansatz von Aghion und Bolton (1992),
welche die grundsätzlichen Implikationen für die Allokation von Kontrollrechten bereits formulieren. Berglöf überträgt
sein Modell explizit auf den Fall der Wagnisfinanzierung.
80
talstruktur dient dann als ein kritisches Vehikel, um bestehende Konflikte in der Allokation von
Verhandlungs- respektive Kontrollrechten zu überwinden, welche im Zuge der Liquidation von Unternehmensanteilen durch einen Verkauf entstehen. Die Vertragswahl legt implizit die Modalitäten
fest, nach denen einer bestimmten Partei die Verhandlungsmacht bei einem eventuellen Verkauf des
Unternehmens zufällt. Dies ist insbesondere deshalb interessant, weil sich die Mindestanforderungen
an den Verkaufspreis der jeweiligen Vertragspartner durchaus unterscheiden können, indem persönliche Nutzen des einen Vertragspartners in dem Kalkül des jeweilig anderen nicht berücksichtigt werden.139
Gerade weil Verträge nur unvollständig sein können, erweist sich die Wandelanleihe als Finanzierungsinstrument allen alternativen Vertragsformen als überlegen, die Vertragsparteien zu einer effizienten Zuteilung von Kontroll- bzw. Verfügungsrechten in Abhängigkeit der Entwicklung in den
Gewinnaussichten des Unternehmens zu disziplinieren. Entwickelt sich eine wagnisfinanzierte Unternehmung unter günstigen Bedingungen, so wird langfristig eine breite Streuung der Eigentümeranteile
im Hinblick auf eine weitere Expansion der Unternehmung angestrebt. Der Finanzier macht in diesem
Fall von seiner Option, Schuldtitel in echte Unternehmensanteile umzuwandeln, Gebrauch. Er verfügt
damit insgesamt jedoch nicht über das Kontrollrecht über das Unternehmen. Der Unternehmer dagegen willigt nur dann in einen direkten Verkauf an einen externen Investor ein, wenn er eine vollständige Kompensation einschließlich aller persönlichen Vorteile aus einer eigenständigen Fortführung
des Unternehmens erwarten kann. Die Finanzierungsgesellschaft dagegen partizipiert im Falle der
Veräußerung durch eine Wertsteigerung ihrer Beteiligungsanteile an möglichen Effizienzgewinnen,
die mit einem Managementwechsel oftmals assoziiert werden. Der Verkauf der eigenen Minderheitsanteile bleibt der Finanzierungsgesellschaft dabei natürlich unbelassen. Unter schlechten Gewinnaussichten aber macht sich die Finanzierungsgesellschaft das einem Schuldtitel immanente Kontrollrecht
zu eigen, um sich gegen einen Wertverlust zu schützen. Alleine sie ist es dann, die über die weitere
Zukunft des Unternehmens entscheidet.
· Die Form der Desinvestition ist sowohl für den Unternehmer wie auch für die Finanzierungsgesellschaft mit weitreichenden Konsequenzen sowohl hinsichtlich der erzielbaren Erlöse aus dem
Verkauf von Unternehmensanteilen wie auch hinsichtlich der künftigen Unternehmensleitung
verbunden.
· Die Wandelanleihe als Finanzierungsinstrument erweist sich alternativen Vertragsformen als
überlegen, die Vertragsparteien zu einer effizienten Zuteilung von Kontroll- und Verfügungs-
139
Siehe Hellmann (1998).
81
rechten in ihrer Entscheidung über die Form der Desinvestition in Abhängigkeit der Unternehmensentwicklung zu disziplinieren.
4.4
Instrumente zur effizienten Beratung
Für ein Angebot von Wagniskapital spricht vor allem die Bedeutung von Beratungsleistungen als eine
oftmals notwendige Komponente bei der Finanzierung von Gründungsinvestitionen. Nicht nur Kapital
entscheidet über Erfolg oder Mißerfolg. Die Bedürfnisse eines Gründers richten sich auf die Verfügbarkeit v.a. von „intelligentem“ Kapital. Auch wenn Managementunterstützung separat zugekauft
werden kann, ergibt sich aus der Verbindung von Finanzierung und Beratung der Vorteil, daß Finanzintermediäre die von ihnen bereitgestellten Beratungsleistungen in der Regel als eine Investition in
den zukünftigen Marktwert des Unternehmens sehen werden, während externe Anbieter, die nicht
signifikant an dem Unternehmen beteiligt sind, eine periodengleiche Vergütung ihrer Beratungsleistungen in Rechnung stellen werden.
Die finanzielle Unterstützung der Unternehmen macht nur einen Teil der Tätigkeit einer Beteiligungsgesellschaft aus. Die überwiegende Mehrheit der durch Coopers&Lybrand140 befragten Geschäftsführer 216 deutscher wagnisfinanzierter Unternehmen bestätigten den Gesellschaften eine
kompetente Beratung in unternehmerischen Fragen. Die Ergebnisse dieser Befragung werden in Tab.
4.1 zusammengefaßt:141
Tabelle 4.1: Beratungsleistungen
Unterstützung durch Beteiligungsgesellschaften
140
141
%
Kompetenter Diskussionspartner
69,9
Finanzielle Beratung
58,8
Quelle für Ideen und Anregungen
45,8
Managementunterstützung und Entscheidungshilfe
45,4
Vermittlung von Kontakten/ Netzwerk
31,0
Entwicklung von Unternehmensstrategien
29,6
Beratung bei der Rekrutierung von Managern
9,7
Zugang zu Marktinformationen
8,8
Entwicklung von Marketingstrategien
3,7
Siehe Coopers&Lybrand (1998).
Mehrfachnennungen sind möglich.
82
Quelle: Coopers&Lybrand (1998)
Finanzierungsgesellschaften entwickeln ein breites Instrumentarium, um den Erfinder einer Geschäftsidee bei der Umsetzung in ein vermarktungsfähiges Produkt zu motivieren und zu kontrollieren. Sie wollen sich damit zumindest zum Teil gegen einen Verlust des von ihnen eingesetzten Kapitals absichern. Gründungsinvestitionen wirken aber gerade daher auf viele Kapitalanleger so verlockend, da sie diesen eine weitaus mehr als nur marktübliche Verzinsung ihres Kapitals in Aussicht
stellen. Die Anziehungskraft von wagnisfinanzierten Neugründungen auf Investoren ist vor allem auf
ihr hohes Potential zurückzuführen, in neue Marktsegmente vorzustoßen und als spezialisierter Anbieter innovativer Produkte kräftige Gewinne zu erzielen. Zur Realisierung dieser außergewöhnlichen
Gewinnchancen ist die bloße Überwachung des Firmengründers als Schöpfer des neu zu entwickelnden Produkts jedoch nicht ausreichend. Besondere Bedeutung kommt hier insbesondere der beratenden Unterstützung durch die Beteiligungsgesellschaft zu. In ihrer Verantwortung liegt es letztlich, mit
Hilfe ihrer spezifischen Branchenkenntnisse und Geschäftskontakte die Entwicklung eines Projektes
zu lenken und als Steuermann das Unternehmen erfolgreich an den Markt heranzuführen. Sie helfen
dem jungen Unternehmen, offensichtliche Fehler im Management zu vermeiden und unter den gegebenen Marktbedingungen realistische, zugleich aber auch zielgerichtete und ambitionierte Wachstumsstrategien zu entwerfen.
Am Ende der Entwicklungsphase beraten die Beteiligungsgesellschaften das Unternehmen über weitere Finanzierungsmöglichkeiten. Sie helfen dem Unternehmen, einen breiteren Kreis von Investoren
und Anteilseignern zu gewinnen oder begleiten es unterstützend beim Gang an die Börse.142 Mit ihrer
Reputation und Fachkenntnis bürgen sie für den Wert des Unternehmens.143 Zu diesem Zeitpunkt
realisieren die Beteiligungsgesellschaften gewöhnlich durch den Verkauf ihrer eigenen Anteile den
Wertzuwachs des von ihnen eingesetzten Kapitals. Die erzielten Gewinne werden entweder an die
eigenen Anteilseigner ausgeschüttet oder in neue Unternehmensgründungen reinvestiert.
Somit haben zumindest zwei Gruppen ein starkes Eigeninteresse daran, daß auch die Finanzierungsgesellschaft ihrer beratenden Funktion nachkommt und diese im Sinne der Projektentwicklung engagiert wahrnimmt: Da die Beteiligungsgesellschaft gewöhnlich nur als Intermediär auftritt, ist sie letztlich nicht sich selbst, sondern den privaten und institutionell organisierten Einzelinvestoren Rechenschaft schuldig, die der Gesellschaft ihr Vermögen zu Anlagezwecken überlassen. Die Höhe der durch
142
143
I.d.R. sind die Emissionskosten bei Börsengängen, die durch eine Beteiligungsgesellschaft vorbereitet und begleitet
werden, niedriger als in anderen Fällen. Auch die Differenz zwischen Emissionskurs und Erstnotierung ist gewöhnlich
weit weniger ausgeprägt als bei Börsengängen nicht wagnisfinanzierter Unternehmen. Diese Vorteile sind insgesamt auf
die guten Kontakte der Beteiligungsgesellschaften wie auch auf ihre Reputation zurückzuführen, indem sie quasi mit ihrem guten Namen für die veröffentlichten Informationen bislang unbekannter Unternehmen bürgen. Dies ist durch empirische Evidenz für die USA belegt: Siehe Megginson und Weiss (1991).
Siehe Black und Gilson (1998) und Megginson und Weiss (1991).
83
die Beteiligungsgesellschaft erwirtschafteten Rendite wird unmittelbar durch deren Kompetenzen und
die Qualität ihrer Arbeit bestimmt.
Aber auch der Gründer des Unternehmens hat ein berechtigtes Interesse an der aktiven Unterstützung
durch den Finanzier, verzichtet er doch im Gegenzug für die Bereitstellung der zur Finanzierung notwendigen Investitionsmittel auf beträchtliche Beteiligungsanteile am Unternehmen. Die enge vertragliche Bindung an den Kooperationspartner begründet eine gewisse Abhängigkeit des Unternehmers
von der Finanzierungsgesellschaft. Die eigene berufliche Existenz mitunter von der Unterstützung
einer Finanzierungsgesellschaft abhängig zu machen, dazu bedarf es eines großen Vertrauens, das
jedoch mit Hilfe vertraglicher Regelungen unterstützt und damit auch gerechtfertigt werden kann.
Legen die Einzelinvestoren ihre Gelder aber bei der falschen Finanzierungsgesellschaft an, so kann
dies zu einer Lücke in der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage im Segment von Wagniskapital führen. Unternehmensgründungen würden dadurch verhindert oder sie verfehlen ihre beschäftigungswirksame Funktion in der Wirtschaft, indem der Mißerfolg mit einer großen Wahrscheinlichkeit bereits vorprogrammiert erscheint.
4.4.1
Vertragliche Ausgestaltung zwischen Firmengründer und
Wagnisfinanzier
Die aktive Rolle, welche einer Finanzierungsgesellschaft bei der Unternehmensgründung zukommt,
ist ein spezifisches Charakteristikum der Wagnisfinanzierung. Die Realisierung potentieller Gewinnchancen ist sowohl abhängig von dem produktiven Beitrag des Unternehmers als auch dem der Finanzierungsgesellschaft. Die Komplementarität zwischen Beratungs- und Finanzierungsfunktion einer
Wagniskapitalgesellschaft sollte daher die Vertragsausgestaltung und damit die Wahl der Finanzierung nicht unbeeinflußt lassen.144
Für die schlechte Ertragslage eines jungen Unternehmens können als Erklärung drei mögliche Ursachen herangezogen werden: die mangelnde Initiative des Gründers bei der Umsetzung seiner Geschäftsidee, die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Finanzierungsgesellschaft oder die grundsätzliche Fragwürdigkeit des zugrunde liegenden Gesamtkonzepts. Insgesamt würde die schlechte
Ertragslage von externen Beobachtern jedoch als ein negatives Signal gerade auch bezüglich der zukünftigen Wachstumschancen interpretiert werden. Könnte sich die Finanzierungsgesellschaft auf
Grundlage des bestehenden Vertrages an einem nur mäßigen Gewinn aber im Übermaß bereichern,
ohne einen nennenswerten produktiven Beitrag hierzu geleistet zu haben, so wäre es für den Firmen-
144
Siehe Repullo und Suarez (1999).
84
gründer nahezu unmöglich, mit der ihm verbleibenden Substanz an Unternehmenswerten andere Investoren anzuwerben und diese zur aktiven Betreuung des Unternehmens zu motivieren. Andererseits
muß sich eine Finanzierungsgesellschaft vor einer Ausbeutung der von ihr erbrachten Dienstleistungen schützen können, wenn der Firmengründer in Anbetracht guter Ertragsaussichten versucht, Neuinvestoren anzuwerben: Während diese zusammen mit dem Firmengründer die Früchte der bisherigen
Arbeit ernten könnten, liefe der Erstinvestor Gefahr, nur unangemessen für seine bisherigen Leistungen kompensiert zu werden.
Die Vertragsmodalitäten müssen den Finanzier also gegen eine potentielle Aufweichung seiner Ansprüche schützen, indem ihm im Zuge von Neuverhandlungen vor einer neuen Finanzierungsstufe eine
adäquate Kompensation für die bereits getätigte Erstinvestition garantiert wird (Finanzierungsmotiv).
Zum anderen bedingt Anreizverträglichkeit, daß der Erstinvestor das Risiko eines anfänglich geringen
Wachstums trägt, und der Unternehmer so gegen opportunistisches Verhalten von Investoren in den
Folgeperioden, ihrer Beratungspflicht nicht nachzukommen, versichert wird (Versicherungsmotiv).145
Hohe Zahlungsansprüche des Erstinvestors würden bei nur moderaten Gewinnaussichten zukünftigen
Finanzierungsperioden eine zu hohe Last aufbürden: Der Verhandlungsspielraum, der den Vertragsparteien bei Neuverhandlungen hinsichtlich der Verhandlungsmasse zur Verfügung stünde, wäre zu
gering, um auf beiden Seiten Anreizkompatibilität im Zuge einer hinreichend großen Gewinnbeteiligung zu gewährleisten und so die Folgeinvestition schließlich unter der Anstrengung beider Beteiligten durchführbar zu machen.146
Genau diesen Anforderungen genügt die Wandelanleihe als Finanzierungsinstrument. Andere Finanzierungsinstrumente erweisen sich dagegen als ungeeignet, da die vertragliche Einbindung nicht belegbarer Informationen über die Ertragsaussichten des Unternehmens bei der Ausgestaltung der Vergütungsmodalitäten nicht möglich ist. In einem Szenario eines prosperierenden Unternehmens stellt
sie dem Finanzier in Folge eines bevorzugt günstigen Preises bei der Umwandlung von Schuldtiteln
eine überdurchschnittliche Gewinnbeteiligung in Aussicht. In einem Szenario moderater Ertragsaussichten dagegen verspricht der Vertrag dem Finanzier einen nur relativ bescheidenen Rückfluß in
Höhe des vereinbarten Fixbetrages. Eine Umwandlung der Titel in Beteiligungsanteile ist aufgrund
des nun als verhältnismäßig hoch erscheinenden Preises für den Investor dann eher ungünstig. Die
Finanzierungsgesellschaft bevorzugt es, die Schuldtitel als Versicherung gegen einen Nettoverlust im
Falle des drohenden Konkurses weiter als solche zu halten.
145
146
Die Identität des Investors ist dabei unerheblich. Das gleiche Problem stellt sich, wenn der Erstinvestor seine Bindung an
das Unternehmen auch in weiteren Finanzierungsrunden bestätigt.
Diese Ausführungen gelten allgemein und sind ebenso auf die zweiseitige Anreizproblemtatik zwischen Unternehmer
und Finanzier zu übertragen.
85
· Es besteht ein großer Bedarf an „intelligentem“ Kapital, wodurch eine starke Komplementarität
zwischen Beratungs- und Finanzierungsfunktion der Wagnisfinanziers begründet wird. Wagnisfinanziers bieten beide Leistungen als Gesamtpaket an.
· Ein Wagnisfinanzier hat jedoch nur bedingt einen Anreiz zur Beratung, da er zwar die gesamten Kosten aus dieser Tätigkeit tragen muß, aber je nach Maßgabe des zugrunde liegenden
Finanzierungsvertrages in unterschiedlicher Weise an den durch die Beratung zusätzlich erwirtschafteten Erträgen zu partizipieren vermag.
· Die Implementierung wandelbarer Titel gewährleistet, daß ein Wagnisfinanzier auch tatsächlich seiner Beratungspflicht über die gesamte Finanzierungsdauer nachkommt, jedoch nur
dann interveniert, wenn der Nettonutzen hieraus für das Unternehmen auch im Hinblick auf
das Verlangen des Gründers nach der eigenständigen Unternehmensleitung positiv ist.
Die ökonomische Literatur diskutiert die Notwendigkeit einer konstruktiven Einflußnahme durch die
Beteiligungsgesellschaft sowohl auf den strategischen wie auch den operativen Bereich des Unternehmens. Über den Effekt bestehen jedoch unterschiedliche Auffassungen. Im Gegensatz zu Repullo
und Suarez mißt z.B. Marx147 der Gründerpersönlichkeit durch ihre Einbindung in die Entwicklung
und Umsetzung einer innovativen Idee insbesondere im Hinblick auf die Realisierung hoher Ertragschancen ein sehr viel größeres Gewicht bei als der Finanzierungsgesellschaft. Im Zuge der Erfüllung
ihrer Kontrollfunktion bleibt diese in ihrer Wirkung auf den Unternehmenserfolg lediglich auf die
Abwendung eines Mißerfolges im Sinne der Sicherung eines minimalen Nettoertrages beschränkt. Sie
schreitet als Feuerwehr ein, um plötzlich drohende Verluste abzuwenden. Es wird unmittelbar deutlich, daß die Bindung der Gründerpersönlichkeit an das Unternehmen durch die projektspezifische
Investition in Humankapital sehr viel stärker ausgeprägt ist als die der Finanzierungsgesellschaft und
ihr daher ein beachtlicher persönlicher Nutzen aus der Realisierung des Projektes erwächst. Dieser
Teil des privaten Nutzens wird von der Gesellschaft in ihrem Entscheidungskalkül nicht internalisiert,
umgekehrt aber verursacht der Gesellschaft die Ausübung ihrer Beratungsfunktion Kosten. Verträge
aber sind unvollständig in dem Sinne, daß sie die Verteilung von Unternehmenserträgen nicht in
Abhängigkeit von Aktionen der Einflußnahme und Kontrolle bestimmen können. In Abwägung der
Präferenzen der Gründerpersönlichkeit für die selbständige Betreuung des Innovationsprozesses generiert die Kreditfinanzierung für die Finanzierungsgesellschaft einen zu starken Anreiz zur Intervention. Dagegen ist der Anreiz zur Intervention im Rahmen einer reinen Beteiligungsfinanzierung aufgrund der Splittung eines möglichen Liquidationswertes unter den Anteilseignern zu gering. Da beide
Komponenten der Kredit- und der Beteiligungsfinanzierung in der Finanzierungsform wandelbarer
Titel zusammengeführt werden, schafft die Wandelanleihe als optimaler Finanzierungsvertrag eine
86
Balance zwischen dem Anreiz der Gesellschaft zur Intervention und dem Bestreben des Unternehmers
nach selbständiger Leitung und eigenständiger Entscheidungsfindung in den operativen Belangen des
Unternehmens.
4.4.2
Vertragliche Ausgestaltung zwischen Wagnisfinanzier und
Investoren
Der Markt für Wagniskapital ist in seiner Existenz von der Bereitstellung eines hinreichend großen
Angebots an Investitionsmitteln abhängig. Ohne diese Mittel können Unternehmensgründungen nicht
finanziert werden. Ihre Umsetzung unterbleibt und die Innovationskraft einer Wirtschaft wird im Verbund mit den damit einhergehenden negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt geschwächt. Die
Kapitalaquisitation ist Aufgabe der Wagniskapitalgesellschaften, die damit die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage nach Risikokapital schließen. Kapitalanleger werden sich aber nur dann dem
Risikokapitalmarkt zuwenden, wenn ihr Vertrauen in den Markt und zu den einzelnen Gesellschaften
hinreichend groß ist und die Ertragsaussichten trotz des zugrunde liegenden hohen Risikos als lukrativ
erscheinen.
Einen prägnanten Überblick über die Problematik im Verhältnis zwischen einer Wagniskapitalgesellschaft und der Institution ihrer Kapitalanleger gibt Barry.148 Eine ausführliche Beschreibung der
potentiellen Konflikte zwischen beiden Institutionen ist in Sahlman zu finden.149 Gegenstand beider
Darstellungen ist die Ausarbeitung eines Kontraktes, der diesen Konflikten Rechnung trägt. Die
Kapitalgeber sind dazu angehalten, dem Finanzinermediär die geeigneten Anreize zur interessenkonformen Verwaltung der von ihnen bereitgestellten Vermögenswerte unter Verfolgung gewinnmaximierender Investitionsstrategien zu vermitteln. Nur dann wird sich ein Kapitalgeber guter Ertragsaussichten im Hinblick auf das eingesetzte Kapital sicher sein können. Unterschiede in der Kompetenz
und Qualität der angebotenen Dienstleistungen einer Finanzierungsgesellschaft erfordern zusätzlich
eine aktive Auswahl unter mehreren potentiellen Gesellschaften.
Wagniskapitalgesellschaften investieren in eine Reihe von Unternehmensgründungen, welche den
Investoren zum Zeitpunkt der Bereitstellung ihrer Mittel nicht bekannt sind. Geringe Erträge können
dann einerseits das Ergebnis eines stochastischen Prozesses sein, der durch das Management der
Wagniskapitalgesellschaft selbst nicht beeinflußbar ist. Andererseits aber kann ein Verfall in der
Rendite auch grundlegende Defizite in der Kompetenz und dem Engagement der Wagniskapitalgesell-
147
148
149
Siehe Marx (1998).
Siehe Barry (1994): 10.
Siehe Sahlman (1990).
87
schaft widerspiegeln. Im Kontext der Wagnisfinanzierung wird das bestehende Anreizproblem durch
den hohen Grad an asymmetrischer Informationsverteilung in Bezug auf die Auswahl und Entwicklung der getätigten Investitionsprojekte zwischen der Wagniskapitalgesellschaft als „insider“ und
einer Reihe von Kapitalgebern als „outsider“ verschärft. In der Wahrnehmung und Durchsetzung
ihrer Interessen stehen die einzelnen Investoren dabei einem grundsätzlichen Koordinations- und
Trittbrettfahrerproblem gegenüber.
· Da es sich auch bei den Wagnisfinanziers primär nur um Intermediäre handelt, die im Auftrag
einer Vielzahl von Einzelinvestoren handeln, müssen die Anleger explizit sicherstellen, daß
Wagnisfinanziers ihre verschiedenen Funktionen bei der Auswahl, Kontrolle und Beratung von
Investitionsprojekten gewissenhaft und engagiert ausfüllen.
· Die Instrumente, die den Investoren dabei zur Verfügung stehen, um der Gefahr des moralischen Risikos adäquat zu begegnen, können im Grunde auf die Anreizmechanismen zurückgeführt werden, welche zuvor schon im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Finanzier und
finanzierten Unternehmen analysiert wurden.
Darunter ist die spezifische Ausgestaltung der Vergütungsmodalitäten für die Manager des Wagnisfonds ebenso zu subsumieren wie die Festlegung der vertraglich geltenden Modalitäten im Hinblick
auf den Zufluß und die Bindung von Kapitalmittel. Die Form der Eigenbeteiligung durch die Wagniskapitalgesellschaft ergänzt das Vertragswerk zusammen mit den Bestimmungen, welche die Zuteilung
von Erträgen regeln. Die impliziten Mechanismen zur Gewährleistung von Anreizkompatibilität werden durch die Implementierung expliziter Kontroll- und Informationsinstrumente komplettiert.
Im Rahmen ergebnisorientierter Vergütungsschemata wird gewöhnlich eine mäßige, wenn auch angemessene Grundvergütung in Abhängigkeit des Investitionsvolumen festgesetzt. Zugleich partizipiert
ein Fondsmanager jedoch am Erfolg der Anleger, indem ihm ein fester prozentualer Anteil an den
durch ihn erwirtschafteten Erträgen zufällt.150 Zusätzlich können weitergehende Restriktionen bezüglich der Zuteilung einer Gewinnbeteiligung an die Wagniskapitalgesellschaft erlassen werden: So ist
es etwa möglich, den Anlegern bis zur Höhe ihrer kumulierten Kapitalbindung eine besondere
Seniorität in ihren Ansprüchen einzuräumen. Nur wenn der vertraglich vereinbarte Gewinnanteil der
Anleger hinreichend groß ist, um einen Nettoverlust auszuschließen, ist es der Finanzierungsgesellschaft unter den vereinbarten Regelungen erlaubt, ihre Ansprüche geltend zu machen. Solange diese
150
Die Höhe der Basisvergütung ist nach Sahlman (1990) in den USA in den meisten Fällen mit 2,5 Prozent des verwalteten
Kapitals jährlich zu beziffern. Die Höhe der Gewinnbeteiligung variiert gewöhnlich zwischen 15 Prozent und 30 Prozent
und beträgt in der Mehrzahl der Fälle etwa 20 Prozent.
88
Bedingung nicht erfüllt ist, fließen die aus dem Abschluß einzelner Projekte realisierten Gewinne
alleine den Investoren zu.
Dabei erfolgen die Zahlungsströme durch die Investoren wellenartig, was die Entwicklung eines Portfolios aus einer Vielzahl von Gründungsunternehmen über mehrere Phasen hinweg reflektiert. Den
Investoren wird damit zugleich implizit die Option eingeräumt, bei offensichtlichem Mißmanagement
der Beteiligungsgesellschaft weitere Zahlungen zu verweigern und damit die Höhe ihrer Verluste zu
begrenzen. Dennoch ist es unerläßlich, daß die ultimative Kontrolle über den Investitionsablauf alleine bei der Wagniskapitalgesellschaft liegt, die sich gegenüber einer Gesamtheit von Einzelinvestoren
zu verantworten hat und sich daher vor dem Abruf von Investitionsmittel einzelner Kapitalgeber aus
anderen nicht im Verantwortungsbereich der Gesellschaft selbst liegenden Gründen schützen muß.
Die Zurückhaltung von vertraglich festgeschriebenen Finanzmittel ist daher mit erheblichen Sanktionen verbunden. Bereits in spezifischen Projekten gebundene Gelder können in der Regel der Gesellschaft zumindest unmittelbar nicht wieder entzogen werden. Unter Umständen geht eine Zahlungsverweigerung sogar mit dem Teilverlust der zu diesem Zeitpunkt bereits getätigten Zahlungen und den
damit assoziierten Gewinnbeteiligungsansprüchen einher.
Eine Wagniskapitalgesellschaft verfügt im allgemeinen über bessere Informationen über die verschiedenen Anlagemöglichkeiten in Unternehmensgründungen sowie über deren Qualität und Ertragsaussichten. Um eine Ausbeutung von Investitionsfonds zu den eigenen Gunsten zu verhindern, wird in
der Regel das persönliche Engagement einer Wagniskapitalgesellschaft an einem geförderten Projekt
außerhalb des eingebundenen Investmentfonds ausgeschlossen bzw. auf Verträge unter identischen
Konditionen beschränkt. Im Gegensatz dazu ist es als durchaus positiv zu bewerten, wenn sich eine
Wagniskapitalgesellschaft im Rahmen des gegründeten Investmentfonds finanziell beteiligt und sie
damit bei Mißerfolgen gleich jedem anderen Investor in Höhe ihres eingesetzten Kapitals haftet.151
· Besondere Bedeutung im Auswahlprozeß der Kapitalanleger kommt der Reputation eines
Finanzintermediärs zu.
Investitionsfonds erstrecken sich daher über einen klar zuvor vertraglich abgegrenzten Zeitraum, oftmals zwischen sieben bis zehn Jahren. Nach Ablauf der Fondslaufzeit ist die Wagniskapitalgesellschaft gehalten, den Fonds aufzulösen und die erwirtschafteten Erträge an die Anleger auszubezahlen.
Auf der Basis von Sonderregelungen kann der Finanzierungsgesellschaft aufgrund von wirtschaftlichen Notwendigkeiten in Ausnahmefällen das Recht zu einer eng definierten Verlängerung der
151
In den USA ist eine Eigentbeteiligung der Finanzierungsgesellschaft an dem durch sie verwalteten Fonds in Höhe von 1
Prozent branchenüblich: siehe Sahlman (1990).
89
Fondslaufzeit eingeräumt werden.152 Wichtig ist jedoch, daß sich der Erfolg des Fonds schließlich
anhand der Verzinsung des eingesetzten Kapitals deutlich erkennen läßt. Hierauf muß die Finanzierungsgesellschaft ihr Augenmerk richten, will sie sich auch in Zukunft auf dem Gebiet der Wagnisfinanzierung einen guten Namen erwerben bzw. einen solchen behalten. Automatisch werden
spätestens zu diesem Zeitpunkt eventuelle Konflikte in der Verteilung von Erträgen aus einzelnen
Investitionen aufgehoben. Gewöhnlich erfolgt sogar eine Auszahlung von Gewinnüberschüssen unmittelbar nach Abschluß der einzelnen Projekte. Die Gewinnaufteilung erfolgt in Form liquider
Finanzmittel oder in Form von Werttiteln. Frei gewordene Mittel stehen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen daher i.d.R. nicht mehr für Refinanzierungen in alternative Einzelprojekte zur Verfügung. Die Investoren entscheiden dann selbst über eine erneute Anlagemöglichkeit im Rahmen eines
weiteren Investmentfonds derselben Wagniskapitalgesellschaft oder sie wenden sich eben einer Konkurrentin zu, der sie ihr Vermögen lieber anvertrauen möchten.
Investoren haften nur in Höhe des von ihnen angelegten Kapitals. Die Verantwortung für die Investitionsstrategie liegt alleine bei der Finanzierungsgesellschaft mit unbeschränkter Haftung.153 Es obliegt
alleine der individuellen vertraglichen Vereinbarung, die Informations- und Rechenschaftslegung
während der Fondslaufzeit zu bestimmen. Hierzu kann beispielsweise auch die Institutionalisierung
von Beratungsgremien unter Repräsentation der Kapitalgeber dienen. Dies wird durch einen großen
Anteil an wenigen großen institutionellen Anlegern, wie sie etwa die Pensionsfonds in den USA darstellen, erleichtert. Die grundlegende Vorraussetzung für eine beiderseitige Zufriedenheit ist jedoch,
daß Investoren und Finanzierungsgesellschaften Investmentfonds im Hinblick auf genau definierte
Bereiche von Investitionstätigkeit gründen, um sowohl den Präferenzen der Investoren als auch den
Kompetenzen der Finanzierungsgesellschaften in der spezifischen Ausrichtung ihrer Anlagestrategien
Rechnung zu tragen. Auf dieser Grundlage ist es möglich, modifizierte Verträge auszuhandeln. Die
Branchenzugehörigkeit zu fördernder Unternehmen, deren Entwicklungsstadium und das zugrunde
liegende Risiko einer Investition bilden dabei eine zentrale Determinante in der Vertragsausgestaltung: Risikoreichere Investmentfonds erfordern bspw. großzügigere Vergütungsmodalitäten sowohl
im Hinblick auf die Basisvergütung als auch im Hinblick auf den ergebnisabhängigen Anteil, um das
Engagement der am Unternehmenserfolg beteiligten Akteure zu stärken und die Erfolgschancen des
Projektes zu steigern.
152
153
Zumeist kann die Laufzeit um maximal drei Jahre verlängert werden, wobei jährlich über eine weitere Verlängerung zu
entscheiden ist. Eine Einbeziehung der Anleger muß dabei nicht ausgeschlossen sein.
In der Regel ist in der Realität die unbeschränkte Haftbarkeit einer Wagniskapitalgesellschaft nicht von Bedeutung, da sie
gewöhnlich keine Verbindlichkeiten über die ihr zur Verfügung stehenden Mittel hinaus eingeht.
90
4.5
Erfolgsdeterminanten einer Wagniskapitalgesellschaft im Überblick
4.5.1
Problemfelder
Im Wege der Finanzierung von Gründungsinvestitionen entstehen eine Reihe von Konfliktfeldern in
der Beziehung zwischen einem Finanzier und einem Firmengründer:
· Problem der Negativauslese:
Für eine Wagniskapitalgesellschaft stellt es eine besondere Herausforderung dar, unter allen
Finanzierungsanträgen die aussichtsreichsten Geschäftspläne auszusortieren.
· Problem des moralischen Risikos auf Seiten des Firmengründers:
Die Wagniskapitalgesellschaft muß sicherstellen, daß sich der Unternehmer mit seiner ganzen
Kraft bei der Umsetzung seiner Geschäftsidee engagiert und dabei Investitionsmittel nicht verschwendet oder für private Zwecke veruntreut.
Die Wagniskapitalgesellschaft muß ferner sicherstellen, daß Projekte, die jede Aussicht auf Erfolg
verlieren, frühzeitig gestoppt werden und Ressourcen für andere Investitionen zur Verfügung
stehen. Die Wagniskapitalgesellschaft darf zugleich jedoch nicht der Gefahr unterliegen, aussichtsreiche Projekte vorzeitig zu stoppen. Beide Fälle sind grundsätzlich denkbar.
· Problem des moralischen Risikos auf Seiten der Wagniskapitalgesellschaft:
Der Firmengründer muß sicherstellen, daß die Finanzierungsgesellschaft ihre Mitverantwortung
für den Erfolg des Unternehmens durch ihren eigenen produktiven Beitrag zur Unternehmensentwicklung aktiv wahrnimmt, ihm mit der Vermittlung von Kontakten zur Seite steht und ihn dort,
wo notwendig und hilfreich, beratend unterstützt.
4.5.2
Instrumente
Um einen möglichst reibungslosen und gleichzeitig an Effizienzkriterien orientierten Finanzierungsablauf zu gewährleisten, stehen den Vertragsparteien verschiedene Instrumente zur Verfügung:
· Instrumente zur Überwindung des Problems der Negativauslese:
Vertragsausgestaltung: Die Wagniskapitalgesellschaft muß versuchen, im Wege ihrer Vertragsverhandlungen durch Vorschlag spezifischer Vertragsklauseln eine Selbsteinordnung potentieller
Gründer im Hinblick auf ihre eigene Erfolgszuversicht zu erreichen. Die besten Unternehmer müssen auch tatsächlich einen Anreiz haben, sich an die Wagniskapitalgesellschaft zu wenden, die
wenig überzeugenden sollten es aber erst gar nicht versuchen. Potentielle Gründer, die bereit
sind, bspw. der Vereinbarung einer Exklusivitätsklausel oder einer „buyout“-Option der Wagniskapitalgesellschaft zuzustimmen, bringen damit implizit ihre Zuversicht gegenüber dem von ihnen
zur Disposition gestellten Geschäftsplan zum Ausdruck. Unter diesen Bedingungen ist es der Beteiligungsgesellschaft dann möglich, dem Unternehmer eine verhältnismäßig hohe Vergütung in
Form eines Fixgehaltes und einer relativ hohen Gewinnbeteiligung zuzugestehen. Unternehmern
dagegen, die solchen Vertragsvereinbarungen nicht zustimmen, die auf die Sicherung des durch
91
die Finanzierungsgesellschaft investierten Kapitals ausgerichtet sind, kann die Beteiligungsgesellschaft nur relativ unattraktive Angebote im Hinblick auf ihr Einkommen aus dem Unternehmen unterbreiten.
Qualitätsindikatoren: Die Wagniskapitalgesellschaft muß sich in ihrer Beurteilung von Geschäftsplänen sehr stark an Qualitätsindikatoren orientieren, die sie als ein Signal hinsichtlich der
Charakteristika sowohl des Firmengründers wie auch seiner Geschäftsidee interpretieren kann:
° Qualität der Geschäftsplanung: Vollständigkeit, Analysetiefe und Stringenz, formale und rechnerische Qualität
° Qualität der Geschäftsidee: Erfahrung in Forschung und Entwicklung, Patente, Labortests,
Produktmodell etc.
° Funktionale Erfahrung des Gründers in Planung/Strategie, Finanzen/Controlling und Marketing/Vertrieb: Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Existenzgründerseminare, Berufserfahrung, Branchenkenntnisse etc.
Syndizierung: Die Wagniskapitalgesellschaft kann ihre Unsicherheit über die Qualität einer Geschäftsidee durch das Urteil einer weiteren Finanzierungsgesellschaft im Wege der Syndizierung
reduzieren. Um dem besonderen Risiko einer Gründungsinvestition Rechnung zu tragen, sollten
Wagnisfinanziers in der Evaluation der Ertragsaussichten eines Projektes regelmäßig einen hohen
Diskontierungssatz von zwischen 40 bis zu 60 Prozent zugrunde legen.154
· Instrumente zur Überwindung des Problems des moralischen Risikos (Firmengründer):
Vergütung: Der Firmengründer erhält eine nur mäßige, wenn auch grundsätzlich angemessene
Grundvergütung. Einen Hauptteil seines Einkommens erzielt er im Wege eines gewinnabhängigen
Beteiligungsentgeltes, durch das er am Erfolgsrisiko des Unternehmens signifikant beteiligt wird.
° Je höher das Geschäftsrisiko eines Gründungsvorhabens ist und je entscheidender der Erfolg
spezifisch von der Gründerperson abhängig ist, umso stärker ist der Firmengründer an diesem
Risiko zu beteiligen.
° Dies kann auch durch eine Eigenbeteiligung des Gründers an der Investitionsfinanzierung geschehen.
Kontrolle: Der Wagniskapitalgesellschaft obliegt die Aufgabe, im Auftrag einer Vielzahl von Einzelinvestoren die Leistung des Unternehmers zu überwachen und eine fortwährende Evaluation
der Unternehmensentwicklung durchzuführen:
° Prüfung von Geschäftsberichten
° Repräsentation in den Organen des Unternehmens (Aussichtsrat)
Nicht-vertragskonformes Verhalten oder mangelnde Kooperationsbereitschaft werden mit harten
Sanktionsmaßnahmen wie z.B. dem Verlust von Unternehmensanteilen geahndet. Bedeutende Vertragsklauseln stellen in diesem Zusammenhang die “buyout“ Option der Finanzierungsgesellschaft und die Vereinbarung eines Exklusivitätsrechts des Wagnisfinanziers an der Finanzierung
dar.
Finanzierungsablauf: Abgestimmt auf ein spezifisches Projektvorhaben stellt die Beteiligungsgesellschaft einen Finanzierungsablauf auf. Dabei erfolgt die Bereitstellung von Investitionsmitteln wellenartig und nur dann, wenn zuvor wohl definierte Zwischenziele erreicht wurden.
Finanzierungsstruktur: Eine adäquate Finanzierungsstruktur bestehend aus einer Kombination
von Beteiligungs- und Kreditfinanzierung führt unter der Einbeziehung von Wandlungsmöglichkeiten zu effizienten Investitionsentscheidungen. Die Ausgestaltung erfolgt derart, daß auf der einen
154
Siehe Sahlman (1990): 511.
92
Seite der Unternehmer nicht der Gefahr des moralischen Risikos unterliegt. Auf der anderen Seite
jedoch darf ein Finanzierungsstopp aus ökonomischer Sicht nicht ungerechtfertigt und daher zu
früh, aber auch nicht zu spät erfolgen:
° Je höher die Unsicherheit über den Firmenwert und die Erfolgsaussichten des Projektes ist,
umso stärker muß sich der Wagnisfinanzier solcher Finanzierungsformen bedienen, die ein
Wandlungsrecht von Fremdkapital oder fremdkapitalnahen Ansprüchen in Eigenkapital im
engeren Sinne enthalten. Der Wandlungspreis kann in Abhängigkeit der Ertragsentwicklung
des Unternehmens vereinbart werden.
° Je stärker sich Investitionen in physischen Kapitalgütern oder sonstigen meßbaren und vermarktungsfähigen Werten niederschlagen, umso höher ist der eventuelle Liquidationswert eines
Unternehmens und umso stärker sollte die Finanzierungsgesellschaft auch von dem Instrument
der Kreditfinanzierung Gebrauch machen.
° Mögliche Abfindungszahlungen, die bei der Realisierung der „buyout“-Option anfallen, müssen bei der Ausgestaltung der Finanzierungsstruktur Berücksichtigung finden: eine effiziente
Form bietet in der praktischen Umsetzung das „vesting“. Im Wege des „vesting“ werden dem
Unternehmer Unternehmensanteile erst über die Zeit hinweg und u.U. nur in Abhängigkeit der
positiven Projektentwicklung übertragen. Macht die Beteiligungsgesellschaft aufgrund wirtschaftlicher Erfordernisse aber von ihrem Recht der Unternehmensübernahme im Rahmen ihrer vertraglich zugesicherten „buyout“-Option Gebrauch, so können die bis zu diesem Zeitpunkt bereits übertragenen Anteile als eine Art der Abfindungszahlung interpretiert werden.
Darüber hinaus besteht hinsichtlich dieser Anteile häufig ein Rückkaufrecht für die Beteiligungsgesellschaft.
Entscheidungsbefugnisse: Entscheidungsbefugnisse werden unabhängig von den Kapitalmehrheitsverhältnissen im Unternehmen festgelegt:
° Es wird ein Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte definiert.
° Der Wagniskapitalgesellschaft kommen weitgehende Mitspracherechte bei der Besetzung von
Schlüsselpositionen zu.
° Der Vertrag definiert die Bedingungen, unter denen die durch den Wagnisfinanzier angestrebte
Desinvestition seiner Anteile erfolgt. Die Ausgestaltung der Kapitalstruktur und die Operationalisierung von Wandlungsrechten können hier helfen, effiziente Entscheidungen über die Art
der Desinvestition zu treffen und den Preis von Unternehmensanteilen adäquat zu bestimmen.
· Instrumente zur Überwindung des Problems des moralischen Risikos (Finanzier):
Finanzierungsstruktur: Die Finanzierungsstruktur bestimmt gleichzeitig die Motivation des
Finanziers, sich im Unternehmen aktiv zu engagieren und seine Entwicklung voranzutreiben. Auch
hier kommt in der Festlegung der Kapitalstruktur der Operationalisierung von Wandlungsrechten
eine herausgehobene Bedeutung zu.
4.5.3
Gesellschaftsprofil
Wagniskapitalgesellschaften sind grundsätzlich in unterschiedlicher Weise dazu in der Lage, Finanzierungsverträge abgestimmt auf spezifische Gründungsvorhaben auszuhandeln und die ihnen zufallenden Aufgaben bei der Projektumsetzung in angemessener Form auszufüllen. Erfolgreiche Wagniskapitalgesellschaften verfügen über eine große Erfahrung auf ihrem Tätigkeitsgebiet. Gewisse Eigenschaften in der strategischen Ausrichtung und Geschäftspolitik von Finanzierungsgesellschaften er-
93
leichtern es diesen, sich profunde Kenntnisse auf dem Gebiet der Wagnisfinanzierung anzueignen und
diese in effizienter Weise umzusetzen:
· Spezialisierung
Durch eine Spezialisierung kann sich die Wagniskapitalgesellschaft im Laufe der Zeit Lernkurveneffekte zu Nutze machen. Sie verfügt über eine tiefere Kenntnis der Marktgegebenheiten und
kann sich in einem eng definierten Marktsegment ein dichtes Netz an Kontakten und Geschäftsverbindungen aufbauen. In Folge genießt die Wagniskapitalgesellschaft in diesem Segment eine hohe
Reputation bei der Finanzierung junger Unternehmen.
Eine Spezialisierung kann erfolgen:
° im Hinblick auf bestimmte Finanzierungsphasen
° im Hinblick auf bestimmte Branchen
° im Hinblick auf bestimmte Regionen
· Fondsmanagement
Fondsmanager, die über eine langjährige Berufserfahrung in leitender Position in einem
Unternehmen verfügen und um die technischen aber auch um die praktischen Probleme und
kaufmännischen Zusammenhänge in einer spezifischen Branche wissen, ist es leichter möglich,
Geschäftspläne zu bewerten und auf die während der Projektumsetzung erwachsenden
Hindernisse gezielt einzugehen und eine profunde Beratung anzubieten.
Fondsmanager sammeln zusätzliche Erfahrungswerte, indem sie bei der Betreuung verschiedener
Gründungsvorhaben involviert sind. Allerdings nimmt mit der steigenden Anzahl von
Unternehmen die Betreuungsintensität zwingend ab. Erfahrungsgemäß kann ein Fondsmanager
das Management für etwa fünf Beteiligungen übernehmen.155
· Größe und Alter
Größeneffekte treten auf, wenn die durchschnittlichen Kosten in der Produktion und Distribution
eines Produkts oder einer Dienstleistung mit zunehmendem Volumen sinken. In Bezug auf eine
Wagniskapitalgesellschaft umfassen Produktion und Distribution die Aquirierung von Kapital, die
Entwicklung einer anreizkompatiblen Vertragsstruktur, die Kontrolle von Investitionsprojekten,
die Rechenschaftslegung gegenüber den Kapitalanlegern und die Verteilung der Erträge.
Wagniskapitalgesellschaften, die zu einem Zeitpunkt mehrere Fonds verwalten, können im
Management der einzelnen Fonds zusätzlich auf die Erfahrungen aus den jeweils anderen Fonds
zurückgreifen und von den Erfolgen wie auch Mißerfolgen der Einzelprojekte lernen und
profitieren.
Es ist daher wahrscheinlicher, daß sich gerade eine im Segment der Wagnisfinanzierung über
lange Jahre hinweg etablierte Finanzierungsgesellschaft all diese Vorteile zu Nutze machen kann,
dadurch eine hohe Reputation erlangt und sich in ihrer Tätigkeit, gemessen an der Rendite der von
ihr verwalteten Fonds, als sehr erfolgreich präsentiert.
155
Aussage verschiedener Beteiligungsgesellschaften. Diese Zahl ist im Einzelfall dann natürlich abhängig vom Risikograd
der Beteiligungen und der damit verbundenen Betreuungsintensität.
94
5. Makroökonomische Auswirkungen von Wagniskapital
Eine der ersten Untersuchungen mit Blickrichtung auf die Gründung technologieorientierter Unternehmen wurde bereits 1977 von Arthur D. Little156 verfaßt. Als Ergebnis seiner Studie konnte Little
eine für die USA im Vergleich zu Westdeutschland und Großbritannien um die Größenunterschiede
der Volkswirtschaften bereinigte überdurchschnittliche und weitaus stärker ausgeprägte Gründertätigkeit feststellen. Unter anderen Einflußfaktoren betonte der Verfasser die bessere Entwicklung des
Risikokapitalmarktes und die damit verbundene Verfügbarkeit von Wagniskapital zur Finanzierung
von Unternehmensgründungen als eine wichtige Ursache für das aufgezeigte Gefälle in den Gründungsanstrengungen der verschiedenen Ländern.
· Heute ist festzustellen, daß die USA gerade in denjenigen Industrien eine führende Position
einnimmt, für welche Wagniskapital aufgrund der industriespezifischen Charakteristika eine
natürliche Form der Finanzierung darstellt. Europa und insbesondere Deutschland hinken dagegen in der Entwicklung gerade in diesen Branchen hinterher.157
Zu nennen sind vor allen anderen die Bereiche der Biotechnologie und der Computertechnologie.
Viele gute Ideen, die ursprünglich in Europa geboren wurden, werden häufig in den USA weiterentwickelt und vermarktet.
Eine Studie des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken158 aus dem Jahr
1998 über Jungunternehmen in Deutschland bestätigt die herrschende Meinung, daß die mangelnde
Verfügbarkeit von Kapital insbesondere für junge Unternehmen eine Barriere zur Umsetzung neuer,
innovativer Produktionen und Dienstleistungen darstellt.
· Für 49 Prozent der befragten Existenzgründer bedeutete die Finanzierung und die Beschaffung
des Startkapitals eines der größten Probleme im Vorfeld und im Verlauf der Gründungsphase.
Ist die Gründungsphase abgeschlossen, so beklagen immer noch 44 Prozent aller Existenzgründer
gravierende Probleme in der Finanzierung. Durch die empirische Forschung wird nachgewiesen, daß
in der Tat junge und kleine Unternehmen finanziellen Beschränkungen ausgesetzt sind.159 Wagniskapital kann hier eine für kleine und mittlere Unternehmen mit einem hohen Wachstumspotential bedeutende Quelle langfristiger Finanzierung bedeuten. Als Motor zur Generierung, Adoption und Diffusion technologischer Innovationen schaffen schnell wachsende Unternehmen, die durch Wagniskapital
156
157
158
159
Siehe Little (1977).
Siehe Black und Gilson (1998).
Siehe Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (1998).
Siehe u.a. Harhoff et al. (1996).
95
finanziert werden, qualifizierte und gut bezahlte Arbeitsplätze und tragen damit signifikant zur Entlastung der Arbeitsmärkte bei. Aus diesen Gründen ist die Verfügbarkeit von Wagniskapital ein wichtiger Faktor für Wachstum und wirtschaftliche Erneuerung. In diesem und dem folgenden Kapitel werden die Auswirkungen junger, kleiner und mittlerer Unternehmen auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und die dauerhafte Bekämpfung der Arbeitslosigkeit diskutiert. Dabei werden insbesondere auch
regionale Aspekte und ihre Bedeutung für die Standortwahl junger Unternehmen beleuchtet.
Analysiert man Neugründungen von Unternehmen und spricht man über die Beschäftigungsentwicklungen in jungen, kleinen und mittleren Unternehmen, so muß man sich dabei folgender Fakten bewußt sein:
·
Großbetriebe streben zunehmend eine Verschlankung in ihren Produktionslinien an, indem sie
im Rahmen von „Outsourcing“ viele Tätigkeiten auslagern. Dadurch eröffnen sich gerade für
Neugründungen mit einer hohen Flexibilität neue Aktionsbereiche. Gleichzeitig wird jedoch in
den Großbetrieben Beschäftigung abgebaut. Infolgedessen werden einige schrumpfende Betriebe nun einer tieferen Größenkategorie zugeordnet. Vor diesem Hintergrund muß man die Beschäftigungsentwicklung in der deutschen Wirtschaft relativieren, wenn zwischen 1996 und
1998 im Bereich der Großbetriebe ein Beschäftigungsrückgang um etwa 580.000 und in mittleren um etwa 145.000 zu beklagen ist. Dagegen erhöhte sie sich die Anzahl der Beschäftigten in
den kleinen Firmen mit 1 bis 9 Beschäftigten um mehr als 60.000.
·
Der Anteil Scheinselbständiger an den statistisch ausgewiesenen Selbständigen ist groß und
beträgt Schätzungen zufolge im Saarland bspw. etwa 16,6 Prozent .160
·
Statistische Probleme erschweren die Analyse durch den Gebrauch uneinheitlicher Definitionen
und durch die unterschiedliche Abgrenzung in den Begrifflichkeiten Unternehmen/ Betrieb/ Betriebsstätte. Die Ergebnisse aus Querschnitts- und Zeitreihenanalysen sind nur bedingt miteinander vergleichbar.
5.1
Allgemeine Entwicklung wagnisfinanzierter Unternehmen im Überblick
Das Potential wagnisfinanzierter Unternehmen ist herausragend. Dies zeigt ein Vergleich betriebswirtschaftlicher Kennzahlen wagnisfinanzierter Unternehmen mit den Jahresabschlüssen etablierter
160
Siehe Arbeitskammer des Saarlandes (1997): Danach sind von etwa 36.000 registrierten Selbständigen etwa 6.000 der
Scheinselbständigkeit zuzuordnen.
96
Unternehmen, wie er von Coopers&Lybrand in zwei Studien durchgeführt wurde.
In einer ersten, europaweit angelegten Studie161 wurden Daten für 500 wagnisfinanzierte, überwiegend junge und kleine Unternehmen aus 12 Ländern erhoben. 48 Prozent der befragten Unternehmen
waren zum Erhebungszeitpunkt weniger als 5 Jahre alt. 39 Prozent gaben eine Beschäftigung von
unter 50 Beschäftigten an, weitere 39 Prozent von zwischen 50 und 499 Beschäftigten. Der durchschnittliche von Beteiligungsgesellschaften an einem Unternehmen gehaltene Anteil lag bei 46 Prozent, in 39 Prozent der Fälle waren es sogar über 50 Prozent. Tab. 5.1 stellt die wirtschaftlichen Eckdaten dieser Unternehmen denen der ”Top 500” europäischer Unternehmen gegenüber:
Tabelle 5.1: Entwicklung europäischer Unternehmen zwischen 1991-1995
Wagnisfinanzierte
Unternehmen
Top 500 europäische
Unternehmen
STATISTISCHE DATEN (DURCHSCHNITT PRO JAHR)
% Umsatzwachstum
35
14
% Beschäftigungszuwachs
15
2
% Investitionszuwachs
25
-
% Exportzuwachs
30
-
% FuE-Ausgaben/Umsatz
8,6
1,3
EINSCHÄTZUNG DER FINANZIERTEN UNTERNEHMEN
% ”Wagniskapital war bedeutend oder wichtig”
72
-
% ”Beschäftigung höher als ohne Wagniskapital”
57
-
% ”Investitionen höher als ohne Wagniskapital”
58
-
% ”Ohne Wagnsikapital würde das Unternehmen
nicht existieren oder würde sich langsamer
entwickeln”
81
-
Quelle: Coopers&Lybrand (1997).
Die Tab. 5.2 präsentiert die Datenauswertung für 216 mit Risikokapital finanzierte Unternehmen in
Deutschland. 30,5 Prozent der Unternehmen hatten weniger als 50 und 57,7 Prozent zwischen 50 und
499 Beschäftigte.162 Das Beteiligungsvolumen belief sich insgesamt auf 921 Mio. DM. Die Referenzgruppe bilden die in den Statistiken der Deutschen Bundesbank und des Bundesministeriums für
Wirtschaft ausgewiesenen 62.000 westdeutsche Unternehmen.
161
162
Siehe Coopers&Lybrand (1997).
Siehe Coopers&Lybrand (1998).
97
Tabelle 5.2: Entwicklung deutscher Unternehmen
Wagnisfinanzierte
Unternehmen
Alle Unternehmen*
STATISTISCHE DATEN (DURCHSCHNITT PRO JAHR)
% Umsatzwachstum a)
4,7
0**
% Beschäftigungszuwachs c)
4,3
-1,3**
% Umsatzrendite vor Steuern b)
2,8
2,4
% Investitionen / Umsatz d)
5,3
4,4***
% Exportquote c)
23,6
-
% Eigenkapitalquote b)
27,2
17,9
EINSCHÄTZUNG DER FINANZIERTEN UNTERNEHMEN
% ”Wagniskapital war bedeutend oder wichtig”
91,7
-
% ”Beschäftigung höher als ohne Wagniskapital”
51,9
-
% ”Investitionen höher als ohne Wagniskapital”
65
-
78,7
-
% ”Ohne Wagniskapital würde das Unternehmen
nicht existieren oder würde sich langsamer
entwickeln”
a)
1993-1995,
b)
1992-1995,
c)
1992-1996,
d)
1992-1994
*
Ergebnisse von 62.000 westdeutschen Unternehmen laut Statistiken der Deutschen Bundesbank und des Bundesministeriums für Wirtschaft
** Diese Angabe erklärt sich durch einen starken Umsatzrückgang in Höhe von 5,0 Prozent im Jahr 1993.
*** Berechnungen der Bundesanstalt für Arbeit für deutsche Unternehmen insgesamt
**** Unternehmen nach den Daten vom Statistischen Bundesamt über Unternehmen in der Größenklasse von 200 bis 499
Beschäftigten
Quelle: Coopers&Lybrand (1998).
· Wagnisfinanzierte Unternehmen expandieren mit einer über die Jahre hinweg durchschnittlich
zwei- bis dreimal so großen Umsatzentwicklung weit stärker als andere Unternehmen. Trotz
höherer Ausgaben für Investitionen erzielen sie mit einer durchschnittlichen Umsatzrendite von
2,8 Prozent in den Jahren zwischen 1992-1995 höhere Erfolge als die Mehrheit der Unternehmen und sind daher ertragsstärker.
Wagnisfinanzierte Unternehmen verfügen über eine außerordentliche gute Eigenkapitalausstattung.
Etwa 79 Prozent der befragten Unternehmen machten dabei als Angabe, daß die Entwicklung des
Unternehmens ohne die Verfügbarkeit von Risikokapital und die Unterstützung durch die Beteiligungsgesellschaften langsamer verlaufen wäre oder sie sich sogar auf eine Liquidation hätten einstellen müssen.
98
5.2
Überlebenswahrscheinlichkeit wagnisfinanzierter Unternehmen
5.2.1
Theoretische Grundlagen
Ein allgemeingültiger theoretischer Erklärungsansatz, der das Wachstum bzw. die Überlebenswahrscheinlichkeit junger Unternehmen charakterisiert, existiert nicht. Daher müssen bestehende Modelle
der Industrieökonomik mit denen der Organisations- und Arbeitsmarktforschung verknüpft und um
die insbesondere für innovative Unternehmen relevanten Aspekte erweitert werden.
1) Industrieökonomische Ansätze: Die Industrieökonomik erklärt das Wachstum und die Überlebenswahrscheinlichkeit von Unternehmen mit marktstrukturellen, lerntheoretischen und spieltheoretischen Ansätzen. Marktstrukturelle Ansätze diskutieren dabei die Frage nach der optimalen bzw.
mindestoptimalen Unternehmensgröße163, die Existenz von Markteintritts- und Marktaustrittsbarrieren sowie Aspekte der Technologieintensität164. Die lerntheoretischen Erklärungsansätze gehen
auf Jovanovic165 zurück. Es wird ein Lernprozeß modelliert, nach dem Unternehmen erst im Zeitablauf nach ihrem Markteintritt Informationen über die Effizienz ihrer Produktionsstrukturen gewinnen, was sowohl das Wachstum wie auch die Erfolgswahrscheinlichkeit von Unternehmen
beeinflußt. So würden bspw. kleine Firmen größere Wachstumsraten aufweisen, zugleich wäre jedoch ihre Überlebenswahrscheinlichkeit geringer. Spieltheoretische Ansätze analysieren die Investitions- und Liquidationsentscheidung von Unternehmen unter besonderer Berücksichtigung
strategischer Aspekte.166 Andere Modelle erklären die Effizienz von Unternehmen bspw. durch ihre Innovationskraft, ihren Standort sowie durch industrie- und technologiespezifische Charakteristika.
2) Ansätze der Organisationsforschung: Neben anderen ist insbesondere auf die „Theorie der
Gründungscharakteristika“ hinzuweisen. Es wird unterstellt, daß die Überlebenswahrscheinlichkeit
eines Unternehmens unmittelbar durch die zugrunde liegenden Gründungscharakteristika und
Gründungsbedingungen beeinflußt wird.167 Die im Rahmen der theoretischen Modellansätze abgeleiteten Erklärungsfaktoren lassen sich in drei Hauptkategorien unternehmensspezifischer, gründungsspezifischer und unternehmensexterner Faktoren unterteilen.168
3) Arbeitsmarkttheoretische Ansätze: Unter anderem werden die Determinanten der Auflösungsentscheidung selbständiger Erwerbspersonen analysiert. Dabei kann gezeigt werden, daß das Hu-
163
164
165
166
167
168
Siehe Williamson (1981).
Siehe Porter (1979), Gort und Klepper (1982) sowie Mata und Portugal (1994).
Siehe Jovanovic (1982).
Siehe Ghemawat und Nabeluff (1985 und 1990), Fudenberg und Tirole (1986) und Whinston, (1988).
Siehe Stichcombe (1965), Carroll (1984), Brüderl, Preisendörfer und Ziegler (1996).
Siehe Nerlinger (1998): 188 f.
99
mankapital des Gründers positiv mit der Überlebenswahrscheinlichkeit des gegründeten Unternehmens korreliert.169
5.2.2
Determinanten der Überlebenswahrscheinlichkeit
In den letzten Jahren zogen kleine und mittlere Unternehmen verstärkt die Aufmerksamkeit von Wissenschaft und Politik auf sich. Zweifel an der wirtschaftlichen Überlegenheit von Großunternehmen
kamen auf. Nach der industriellen Revolution am Ende des 19. Jahrhunderts stehen die Industrieländer nun wieder an der Schwelle eines zweiten großen Strukturwandel, im Zuge dessen sich eine
Transformation von einer durch Produktions- und Industriestrukturen geprägten Wirtschaftskultur hin
zu einer Informations- und Wissensgesellschaft vollzieht. Bei der dynamischen Anpassung an die
veränderten Bedürfnisse von Wirtschaft und Gesellschaft gelten kleine und mittlere Unternehmen als
Hoffnungsträger, den wirtschaftlichen Übergang mit der Schaffung und Verbreitung neuer Technologien zu bewältigen, den Anstieg der Arbeitslosigkeit zu begrenzen und auf ein für die Gesellschaft
erträgliches Niveau zurückzuführen. Als Musterbeispiele richtet man den Blick auf die USA und die
Erfolge einiger junger innovativer Unternehmen, welche die Innovationskraft der US-amerikanischen
Wirtschaft stärken und einen positiven Einfluß auf die Beschäftigung ausüben konnten.170
Aber nicht alle Gründungen sind erfolgreich. Unternehmensgründungen stellen aus volkswirtschaftlicher Sicht Experimente dar, die nur bei positivem Ausgang zusätzliche Beschäftigung schaffen und
das Angebot an innovativen Produkten und Dienstleistungen erweitern. Wirtschaftspolitik sollte also
nicht nur einseitig auf die Anzahl der Neugründungen abstellen, sondern auch die Insolvenzursachen
bekämpfen. Um dies tun zu können, muß man zunächst die Ursachen für Erfolg und Mißerfolg sowie
die Wachstumsdeterminanten junger Unternehmen erforschen.
Empirische Untersuchungen über die Überlebenswahrscheinlichkeit von Unternehmen und ihrer Determinanten werden intensiv seit den achziger Jahren angestrengt. Einen guten Überblick über die
Ergebnisse der einzelnen Studien findet man im Rahmen einer jüngeren Arbeit von Woywode.171
Nach ihm lassen sich die Arbeiten schematisch in die drei in Abschnitt 5.2.1 genannten Gruppen einteilen:
· Industriespezifische Erfolgsfaktoren: Aus den industrieökonomisch motivierten Arbeiten ergeben sich als die wichtigsten Determinanten der Überlebenswahrscheinlichkeit das Industriewachs-
169
170
171
Siehe Preisendörfer und Voss (1990), Bates (1985 und 1990), Brüderl, Preisendörfer und Ziegler (1992 und 1993).
Siehe z.B. Kulicke et al. (1993).
Siehe Woywode (1998): 79-116.
100
tum der vergangenen Jahre (+)172, die Anzahl der Neugründungen (-), die Technologie- und Innovationsintensität in einer Branche (-) sowie die Höhe der minimalen Effizienzgröße
(-).173
· Unternehmensspezifische Erfolgsfaktoren: Aus den organisationstheoretischen Ansätzen gehen
als signifikante Faktoren die Größe (+) und das Alter (+/-) des Unternehmens hervor.174 In der Arbeit von Mata und Portugal fällt die hoch signifikante negative Größenabhängigkeit der Insolvenzrate von Unternehmen auf. In Audretsch ist diese Abhängigkeit dagegen nur schwach ausgeprägt.
Im Hinblick auf das Unternehmensalter erweist sich die Hypothese einer nicht monotonen Abhängigkeit der Insolvenzrate als richtig, indem die Liquidationswahrscheinlichkeit neu gegründeter
Unternehmen in ihrer Anfangsphase zunächst ansteigt, mit zunehmendem Unternehmensalter dann
aber wieder sinkt.
Ebenfalls von Bedeutung für das Ausmaß der Insolvenzgefahr sind die Eigentümerstruktur und die
Rechtsform des Unternehmens. Befindet sich eine Neugründung im Eigentum eines oder
mehrerer anderer Unternehmen, so macht dies einen Marktaustritt wahrscheinlicher.175 Umgekehrt
aber kann nachgewiesen werden, daß Nachfolgeunternehmen, die auf dem Geschäftsbetrieb bereits bestehender Unternehmen aufbauen können, eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit aufweisen als Neulinge.176 Ferner kann nachgewiesen werden, daß eine beschränkte Haftungsform
eine signifikant höhere Insolvenzwahrscheinlichkeit begründet.177
· Personenspezifische Erfolgsfaktoren: Die arbeitsmarkttheoretischen Ansätze bekräftigen den
positiven Einfluß, welche das Humankapital des Gründers auf die Überlebenswahrscheinlichkeit
einer Unternehmensgründung hat. Dabei sind die generellen Fertigkeiten gemessen an Alter des
Gründers und Dauer seiner Ausbildung ebenso maßgebend wie auch die spezifischen Fähigkeiten, welche sich der Unternehmer über die Jahre hinweg durch die Berufsausübung erwerben
konnte.178 Branchenspezifische Erfahrung, Gründungserfahrung und Managementerfahrung
sind demnach Faktoren, die positiv mit der Überlebenswahrscheinlichkeit von Unternehmen korreliert sind. Andere Merkmale des Unternehmers wie z.B. seine Risikobereitschaft, sein Selbstvertrauen, sein Leistungswille, seine Motivation, sein Verhandlungsgeschick und andere mehr sind
172
173
174
175
176
177
178
Die Vorzeichen in Klammern geben die Korrelation zwischen der aufgeführten Variable und der Überlebenswahrscheinlichkeit einer Neugründung an: (+) für eine positive Korrelation, (-) für eine negative Korrelation.
Siehe z.B. Audretsch (1995) für die USA oder Mata et. Al. (1995) für Portugal.
Siehe bspw. Wagner (1992) oder Brüderl, Preisendörfer und Ziegler (1992).
Siehe bspw. Audretsch (1995) für die USA.
Siehe Dune, Roberts und Samuelson (1989) für die USA.
Siehe Woywode (1998). Dieses Ergebnis bestätigt die theoretischen Ausführungen zur bestehenden Anreizproblematik
im Hinblick auf den Unternehmensgründer in Kapitel 4.
Siehe u.a. Preisendörfer und Voss (1990), Bates (1985 und 1990) für die USA sowie Brüderl, Preisendörfer und Ziegler
(1992 und 1993). Sie alle bestätigen eine positive Korrelation zwischen dem Humankapital des Gründers und der Überlebenswahrscheinlichkeit eines Unternehmens.
101
dagegen nur schwer meßbar, aber dennoch von Relevanz. Holtz-Eakin, Joulfaian und Rosen179 zeigen außerdem, daß die Wahrscheinlichkeit für einen Verbleib in der Selbständigkeit positiv auch
von der Höhe des Vermögens des Unternehmers beeinflußt wird.180
Im Gegensatz z.B. zu den USA existieren für Deutschland nur einige wenige empirische Studien, welche die Markteintritts- und Marktaustrittsprozesse junger Unternehmen zum Gegenstand haben. Auf
Unternehmensgründungen in Deutschland beziehen sich von den bisher zitierten Arbeiten die Analysen von Wagner und von Brüderl, Preisendörfer und Ziegler. Eine der wohl jüngsten Arbeiten auf
diesem Gebiet stammt von Woywode. Sie unterscheidet sich von den zuvor genannten Arbeiten jedoch insofern, als daß der Autor zwischen freiwilligen Unternehmensschließungen und Insolvenzen
unterscheidet. Bereits hieran wird deutlich, daß im Hinblick auf die bestehenden Arbeiten Unterschiede in der Methodik, den zugrunde liegenden Daten und den vorgenommenen Abgrenzungen in
der Konstruktion der Variablen die Vergleichbarkeit der Ergebnisse erheblich erschweren.
Wagnisfinanzierung richtet sich konzeptionell gerade auf innovative Unternehmensgründungen.
Systematische empirische Untersuchungen über das Markteintritts- und Marktaustrittsverhalten junger
innovativer Unternehmen bestehen kaum. An vorderster Stelle ist die begleitende Evaluation zu den
vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie geförderten Modellversuchen zu nennen, wie sie bspw. von Kulicke et al.181 für das Programm „Technologieorientierte
Unternehmensgründungen“ durchgeführt wurde. Im Rahmen der durchgeführten Förderprogramme
ergibt sich in bezug auf die Überlebenswahrscheinlichkeit junger innovativer Unternehmen ein durchaus positives Bild. Von den 317 Firmen, die bis 1991 ihre Entwicklungsphase abschließen konnten,
scheiterten 14 Prozent durch Konkurse und stille Liquidationen. Weitere 12 Prozent der Unternehmen
waren nicht dazu in der Lage, ein vermarktungsfähiges Produkt zu entwickeln.
Abbildung 5.1:
179
180
181
Holtz-Eakin, Joulfaian und Rosen (1994) für die USA.
Zum einen ist es ihm möglich, Liquiditätsengpässe mit Hilfe seines Privatvermögens zu bewältigen. Zum anderen fühlt
sich der Gründer hoch motiviert, soweit er auch mit seinem Privatvermögen haftet. Auch ist er aus seinem Privatbereich
den Umgang mit Finanzmitteln und adäquaten Anlagestrategien gewohnt.
Siehe Kulicke et a. (1993).
102
Anteil überlebender Unternehmen
100
90
80
70
60
% 50
40
30
20
10
0
100
95,8
87,55
80,4
93,4
80,3
73,4
74,7
67,1
überlebende
Innovatoren
überlebende
NichtInnovatoren
1
2
3
4
5
Jahr
Quelle: Brüderl, Bühler und Ziegler (1993): 524f.
Brüderl, Bühler und Ziegler182 untersuchen die Sterberaten junger Unternehmen in der Region Oberbayern und München und beziehen sich damit auf Daten der „Münchner Gründerstudie“, welche sich
auf Angaben von 7.584 innovativen und 18.425 nicht-innovativen Unternehmen erstreckt. Wie Abb.
5.1 verdeutlicht, weisen junge Innovatoren im Vergleich zu Nicht-Innovatoren eine geringere Sterberate auf. Nach Brüderl, Preisendörfer und Ziegler183 ist die Überlebenswahrscheinlichkeit innovativer
Unternehmen um 5 Prozent höher als die ”normaler” Unternehmen. Die größere Marktbeständigkeit
innovativer Unternehmen gegenüber nicht-innovativen Unternehmen wird auch durch andere Arbeiten
bestätigt. Nach Hunsdiek und May-Strobl184 scheiterten so z.B. 80,7 Prozent der Unternehmen, die auf
das Erkennen und die Beseitigung bestehender Marktdefizite bei der Versorgung bereits vorhandener
Produkte ausgerichtet waren, innerhalb der ersten 7 Jahre. Dagegen scheiterten nur 11,5 Prozent bzw.
3,8 Prozent der Gründungen mit Innovationen im weiteren bzw. engeren Sinn.185
· Die Überlebenswahrscheinlichkeit innovativer Unternehmen ist in etwa zwischen 5 bis 8 Prozent höher als die nicht-innovativer Unternehmen.
· Allerdings ist der Anteil der pro Jahr gegründeten innovativen Unternehmen an allen Gründungen in Deutschland relativ gering und beträgt in Abhängigkeit der zugrunde liegenden Datenbasis und Begriffsdefinition nur zwischen 5 bis 15 Prozent.186
Wenngleich in den achziger bis zu Beginn der neunziger Jahre ein anhaltender Anstieg in den Gründungszahlen innovativer Unternehmen zu verzeichnen war, so wurde dieser in den Jahren 1988 und
182
183
184
185
186
Siehe Brüderl, Bühler und Ziegler (1993).
Siehe Brüderl, Preisendörfer und Ziegler (1996).
Siehe Hunsdiek und May-Strobl (1986).
Zu den Innovationen im engeren Sinn zählen die Anwendung neuer Verfahren und das Angebot neuer Produkte. Innovationen im weiteren Sinn stellen bspw. Neuerungen in den Verkaufsformen, organisatorische Neuerungen oder ähnliches
dar. Siehe Hunsdiek und May-Strobl (1986): 116.
Siehe Nerlinger (1998).
103
1989 durch einen leichten Rückgang unterbrochen. Im Anschluß an den in Folge der deutschen Wiedervereinigung eingetretenen Gründungsboom sank die Zahl neugegründeter innovativer Firmen im
Verarbeitenden Gewerbe erneut, während gleichzeitig die Zahl der Marktaustritte zunahm.
Durch die Finanzierung innovativer Unternehmensgründungen kann die Wagnisfinanzierung einen
produktiven Beitrag zum Strukturwandel und zur Stärkung der Wirtschaftskraft leisten. Sie tragen
durch ihre Arbeit dazu bei, die Erfolgschancen einer Unternehmensgründung zu erhöhen, indem sie
bestehende Humankapitaldefizite insbesondere in den Bereichen Branchenerfahrung, Gründungserfahrung und Managementerfahrung helfen zu überwinden und eine auftretende Eigenkapitallücke mit
dem Angebot von risikotragendem Kapital schließen.187 So liegt es nahe, auch die Höhe der als Startkapital verfügbaren Finanzressourcen als eine erklärende Größe für die Überlebenswahrscheinlichkeit
von Gründungen mit in die empirische Analyse einzubeziehen.188 Die Hypothese einer positiven Abhängigkeit wird bestätigt. Harhoff belegt ferner, daß kleine Firmen tatsächlich finanziellen Beschränkungen ausgesetzt sind und unterstreicht damit implizit den Mangel an risikotragendem Kapital. Mit
der Bereitstellung von risikotragendem Kapital ist gleichzeitig aber eine intensive Wahrnehmung der
Kontrollfunktion verbunden. Da den einzelnen Anteilseignern in einem relativ breit gestreuten Eigentümerkreis jedoch oftmals die Anreize zur Kontrollausübung fehlen und sich zumeist unüberwindbare
Koordinationsprobleme bei der Wahrnehmung ihrer Eigentümerpflichten ergeben, verfügt eine Wagnisfinanzierungsgesellschaft gerade diesbezüglich über vergleichsweise große Vorteile in der Finanzierung von Gründungsinvestitionen. Dies wird durch mehrere Studien bekräftigt, welche die Einflüsse der Eigentümer- und Kontrollstruktur auf den Unternehmenserfolg analysieren.189
5.3
Beschäftigung
In enger Verbindung zu Wachstum und Überlebenswahrscheinlichkeit wagnisfinanzierter Unternehmen steht die Frage nach der Beschäftigungsentwicklung in den Unternehmen. Die Debatte über das
Potential kleiner und mittlerer Unternehmen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze reicht bis auf eine
Arbeit von David Birch190 Ende der siebziger Jahre zurück. Nach ihm wurden in den USA zwischen
1969 und 1976 etwa zwei Drittel der 6,7 Millionen neuen Arbeitsplätze von Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten geschaffen. Auf den positiven Einfluß junger innovativer Unternehmen auf
die Beschäftigung, das Wachstum und den technischen und wirtschaftlichen Wandel in einer Volks-
187
188
189
Als Fallstudien kanne so z.B. AIXTRON dienen, die seit 1989 u.a. mit Hilfe einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft finanziert wird und mit der Etablierung des Neuen Marktes den Sprung an die Börse schaffte. (Quelle: eigene Befragung) Andere Fallstudien finden sich in Pfirrmann, Wupperfeld und Lerner (1997).
Siehe z.B. Bates (1990) oder Almus und Nerlinger (1998).
Siehe u.a. Demsetz und Lehn (1985), Leech und Leahy (1991), Harhoff und Stahl (1995) oder Almus und Nerlinger
(1998).
104
wirtschaft weisen auch Kulicke et al.191 oder Storey und Tether192 hin. Nach einem Bericht der Europäischen Investment Bank193 leisteten die kleinen und mittleren Unternehmen innerhalb der EU den
größten Beitrag zur Netto-Arbeitsplatzschaffung während der vergangenen zehn Jahre. Viele Autoren
bleiben jedoch skeptisch und betonen, daß neben der Schaffung von Arbeitsplätzen durch Unternehmenschließungen gleichzeitig viele Arbeitsplätze wieder vernichtet werden.194 Vor diesem Hintergrund muß der verstärkte Einsatz wertvoller Ressourcen erneut hinterfragt werden. Ferner wurde empirisch nicht oder nur unzureichend die Frage nach dem Grad der Komplementarität in der Beziehung
zwischen Unternehmensneugründungen und bereits existierenden Unternehmen erforscht. Verdrängen
Unternehmensgründungen nämlich existierende Unternehmen aus dem Markt, so tritt durch die
Arbeitsplatzschaffung durch Neugründungen lediglich eine Kompensation für die Vernichtung von
Arbeitsplätzen an anderer Stelle ein. Nach Nerlinger195 ist dies in Deutschland im Dienstleistungsbereich der Fall.
In fast allen Industrieländerm wurden empirische Untersuchungen über die Rolle junger innovativer
Unternehmen im Hinblick auf die Beschäftigungsentwicklung und das wirtschaftliche Wachstum
durchgeführt. Ihre Ergebnisse sind unbefriedigend.196 Sie variieren in der Begriffsabgrenzung ”kleine
und mittlere Unternehmen”, in der Methodik, im Datenmaterial und den Zielsetzungen. Allgemeingültige Aussagen über die Beschäftigungseffekte können daher nicht getroffen werden. Im folgenden
werden empirische Untersuchungen für Westdeutschland vorgestellt. Im Gegensatz zu allgemein gehaltenen Studien wie die von Boeri und Cramer197 konzentrieren sich andere in ihrer Analyse nur auf
spezifische Aspekte der Beschäftigungswirksamkeit von Gründungen.198 Andere Studien wiederum
sind in ihrem Umfang auf Unternehmen einer bestimmten Region begrenzt.199
Boeri und Cramer200 zeigen, daß die zyklischen Fluktuationen in den Beschäftigtenzahlen ursächlich
vor allem auf die Kontraktion bzw. Expansion der existierenden Unternehmen zurückzuführen sind.
Dagegen steht der Markteintritt neuer Unternehmen hinter der Trendkomponente des Beschäftigungswachstums zurück. Nach Schätzung von Boeri und Cramer überleben die ersten zehn Jahre nach
Gründung etwa 40 Prozent der Firmen. Durchschnittlich wachsen Neugründungen in diesen zehn
190
191
192
193
194
195
196
197
198
199
200
Siehe Birch (1979).
Kulicke et al. (1993).
Siehe Storey und Tether (1996).
Siehe European Investment Bank (1998).
Siehe Davis, Haltiwanger und Schuh (1993 und 1996).
Siehe Nerlinger (1998).
Siehe Storey und Tether (1996).
Siehe Boeri und Cramer (1992).
So treffen die folgenden Arbeiten eine Unterscheidung zwischen innovativen und nicht innovativen Unternehmen: siehe
z.B. Nerlinger (1995), Licht und Nerlinger (1997), Nerlinger (1998), Almus und Nerlinger (1998), Kulicke (1987) oder
Kulicke et al. (1993). Dem Beschäftigungseffekt staatlicher Förderung von Unternehmensgründungen messen besonderes
Gewicht Kulicke et al. ein: siehe Kulicke et al. (1993).
Siehe Brüderl, Preisendörfer und Ziegler (1993).
Siehe Boeri und Cramer (1992).
105
Jahren auf das 2,3 bis 2,5fache. Die Unternehmensgröße wird dabei durch die Anzahl der Beschäftigten operationalisiert.
Licht und Nerlinger201 warnen vor überzogenen Erwartungen, welche Wissenschaft und Politik an
kleine Unternehmen mit weniger als 50 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten richten. Dazu stellen sie die Anzahl der Arbeitsplätze, die in der Periode von 1979 bis 1992 durch die Neugründung
kleiner Firmen entstanden, der Anzahl der Arbeitsplätze, die im gleichen Zeitraum durch Schließungen kleiner Firmen verlorengingen, gegenüber.
· Der Nettobeschäftigungszuwachs ist positiv in den Bereichen der Spitzentechnik und der höherwertigen Technik sowie im technologieintensiven Dienstleistungssektor. Im nichttechnologieintensiven Verarbeitenden Gewerbe kam es dagegen zu einem Nettobeschäftigungsverlust.
Die Ergebnisse bestätigen damit die Ergebnisse einer früheren Studie von Nerlinger202, die darüber
hinaus jedoch die allgemein geringe Beschäftigung in den technologieintensiven Industrien hervorhebt.
Die aktuellen Studien von Nerlinger203 sowie Almus und Nerlinger204 werden näher vorgestellt. Untersucht wurden selbständige Unternehmensgründungen in technologieintensiven und in nichttechnologieintensiven Wirtschaftszweigen des Verarbeitenden Gewerbes, die zwischen dem 1.1.1989
und dem 31.12.1996 in Westdeutschland entstanden. Die Ergebnisse der multivariaten Analysen zeigen, daß die Beschäftigtenzahlen bei jungen Innovatoren schneller wachsen als bei Unternehmen mit
traditionellen Produkten, nachdem sie für andere Einflußfaktoren auf das Beschäftigungswachstum
kontrollieren:
201
202
203
204
Siehe Licht und Nerlinger (1997).
Siehe Nerlinger (1995).
Siehe Nerlinger (1998).
Siehe Almus und Nerlinger (1998).
106
Tabelle 5.3: Faktoren des Beschäftigungswachstums in einer Firma
GRUPPE
1. Unternehmensspezifische
Faktoren
2. Gründerspezifische
Faktoren
3. Unternehmensexterne
Faktoren
FAKTOR
EINFLUß
LITERATUR
Alter
-
Jovanovic (1982), Evans
(1987a, 1987b), Hall (1987)
Markteintrittsgröße
-
dtto
Haftungsbeschränkte
Rechtsform
+
Stiglitz und Weiss (1981),
Harhoff und Stahl (1995)
Beteiligungen externer
Unternehmen
+
Variyam und Kraybill
(1992), Nerlinger (1998)
Diversifiziertes Produktspektrum
+
Nerlinger (1998)
Humankapital des
Gründers
+
dtto
Teamgründung
+
Eisenhardt und Schoonhoven
(1990), Reynolds (1993),
Storey (1994)
+/- a)
North und Smallbone (1993),
Storey (1994)
Verdichtungsgrad des
Standortes
Regionales Lohnniveau
a)
-
Rees und Stafford (1986),
Oakey (1994)
Die Vorteile verdichteter Standorte schlagen ab einem kritischen Verdichtungsgrad in Nachteile um.
Quelle: Almus und Nerlinger (1998): 4-5.
Die Ergebnisse unterschiedlicher Schätzungen deuten darauf hin, daß Unternehmen gemessen an der
Beschäftigtenzahl mit einer suboptimalen Größe gegründet werden. Sie wachsen daher schnell, bis sie
eine mindestoptimale Größe erreichen. Der Anstieg der Wachstumsraten erstreckt sich über etwa drei
Jahre, bei nicht-innovativen Unternehmen über etwas weniger als drei Jahre. Danach verlangsamt sich
bzw. stoppt das Wachstum.
· In den ersten Jahren nach ihrer Gründung verzeichnen Unternehmen hohe Wachstumsraten
mit positiven Beschäftigungseffekten, die mit dem Alter jedoch abnehmen.
· Dieses Ergebnis stimmt mit vielen anderen empirischen Untersuchungen überein, die zeigen,
daß kleine bzw. junge Unternehmen schneller wachsen als große bzw. etablierte Unternehmen.205
Allerdings hat die Beteiligung externer und i.d.R. etablierter Unternehmen einen positiven Einfluß auf
das Beschäftigungswachstum junger Unternehmen. Auch die Hypothese eines schnelleren Wachstums
107
haftungsbeschränkter Unternehmen findet durch die empirische Forschung Bestätigung. Unternehmen
mit beschränkter Haftung neigen zur Investition in risikoreichere Projekte mit höheren Renditeerwartungen. Projekte dieser Art würden nicht realisiert, müßte der Unternehmer mit dem eigenen Vermögen haften. Dagegen kann man die Hypothese eines positiven Einflusses von Teamgründungen in den
innovativen Branchen nicht aufrechterhalten. Im Hinblick auf die Bedeutung des Humankapitals des
Gründers als Einflußfaktor des Beschäftigungswachstums wurde eine Unterscheidung in technische
und in betriebswirtschaftliche Kenntnisse getroffen. Dabei kann nur im Hinblick auf die technischen
Kenntnisse ein signifikant positiver Effekt nachgewiesen werden. Ein anderes Bild ergibt sich jedoch,
wenn man sich in der Betrachtung auf die Bereiche der Spitzentechnik und der technologischen
Dienstleistungen beschränkt, wo kaufmännischem bzw. betriebswirtschaftlichem Know-how ein zum
technischen Wissen des Gründers komplementärer Charakter und damit eine erhebliche Bedeutung in
der Unternehmensentwicklung insgesamt zukommt.206
Tab. 5.4 präsentiert einen Überblick über die Entwicklung der 1989/90 in drei nach der Technologieintensität des zugehörigen Wirtschaftszweiges differenzierte Klassen der Spitzentechnik, der Höherwertigen Technik und der nicht-technologieintensiven Wirtschaftszweige des Verarbeitenden Gewerbes gegründeten Unternehmen.
· Es zeigt sich einerseits, daß die überlebenden Unternehmen ihre Beschäftigtenzahlen innerhalb
der ersten sieben Jahre durchschnittlich ungefähr verdoppelten. Andererseits ist jedoch festzustellen, daß nur etwa die Hälfte aller Gründungen am Ende des Beobachtungszeitraumes noch
operativ tätig ist.
Geringfügig höhere Überlebensraten können dabei den innovativen Gründungen zugesprochen werden. Dadurch konnten in den technologieintensiven Sektoren Arbeitsplatzverluste durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze überkompensiert werden und man verzeichnete insgesamt ein Beschäftigungswachstum. 75 Prozent aller Gründungen finden jedoch in nicht-technologieintensiven Sektoren
statt. Hier aber ist aufgrund der hohen Insolvenzraten im Zeitverlauf ein Rückgang im aggregierten
Beschäftigungsniveau zu beklagen. Aufgrund der Dominanz nicht-technologieintensiver Gründungen
kann das Beschäftigungsniveau, wie es zum Gründungszeitpunkt in allen drei Klassen insgesamt bestand, über die Jahre hinweg nicht aufrechterhalten werden. Der tatsächliche Beitrag von Neugründungen zur Entlastung der Arbeitsmärkte fällt damit geringer aus, als es zunächst einmal scheinen
mag. Der Grund mag in der mangelnden Innovationskraft und der ungenügenden Technologieausrich-
205
206
Siehe Wagner (1992) oder Evans (1987a und 1987b) und Harhoff und Stahl (1995).
Siehe Nerlinger (1998).
108
tung der Unternehmen liegen. Diesem Umstand müssen die Wagniskapitalgesellschaften wie aber
auch die staatlichen Förderprogramme bei der Auswahl von Projekten Rechnung tragen.
Tabelle 5.4: Entwicklung der 1989/90 gegründeten Unternehmen
ST
HT
NT
Anzahl der Gründungen (1989/1990)
979
1.449
7.220
Durchschnittliche Beschäftigtenzahl
3,8
4,2
4,0
Beschäftigte insgesamt (1989/1990)
3.720
6.086
28.880
519
787
3.560
Durchschnittl. Jährliche Wachstumsrate (in %)
10,47
10,49
8,44
Durchschnittl. Größe (1996)
7,63
8,44
7,05
Beschäftigte insgesamt (1996)
3.960
6.645
25.109
Beschäftigungsveränderung (1989/90 bis 1996)
+240
+559
-3.771
Überlebende Unternehmen (1996)
ST - Spitzentechnik
HT - Höherwertige Technik
207
NT - Nicht-technologieintensive Wirtschaftszweige des Verarbeitenden Gewerbes
Quelle: Almus und Nerlinger (1998): 18.
Aus ihrer Analyse ziehen Almus und Nerlinger selbst folgende Schlußfolgerung: ”Bei der Bewertung
der Beschäftigungseffekte junger innovativer Unternehmen ist allerdings zu berücksichtigen, daß
diese Effekte, zumindest innerhalb der ersten Lebensjahre, eher marginal sind und kurzfristig nicht
zur Lösung des gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsproblems beitragen können. Dagegen können
die Effekte auf regionaler Ebene erheblich sein, insbesondere dann, wenn die Zahl innovativer Unternehmensgründungen vor Ort hoch ist oder wenn es sich bei den jungen innovativen Unternehmen um
Unternehmen, wie z.B. SAP, handelt, die jedoch vor dem Hintergrund der Ergebnisse der vorgenommenen Wachstumsanalysen die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen darstellen.“
· Die Bedeutung junger innovativer Unternehmen liegt demnach aus ökonomischer Sicht vielmehr auf regionaler Ebene, wo sich die Beschäftigungseffekte durchaus bemerkbar machen
können.
207
Zur Auflistung der Wirtschaftszweige, die den betreffenden Gruppe zugeordnet werden, siehe Almus und Nerlinger
(1998): 25.
109
Betrachtungsgegenstand der Studie von Kulicke et al.208 sind ausschließlich innovative, staatlich geförderte Unternehmen. Die Autoren beobachten erhebliche Varianzen in der Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung der befragten Unternehmen. Gemessen am Erfolgsgrad der Unternehmen nehmen
sie eine Zuordnung in eine von drei unterschiedlichen Gruppen vor.209 Unternehmen der ersten Gruppe erreichten durchschnittlich über 45 Mitarbeiter, Unternehmen der zweiten und dritten Gruppe
knapp über 10.
1) Erfolgreiche junge Technologieunternehmen (JTU): 17 Unternehmen
Das Unternehmenswachstum liegt deutlich über dem Durchschnitt aller betrachteten
JTU, die geförderten Ziele wurden erreicht.
2) Mittlere Gruppe der JTU: 44 Unternehmen
Nicht überdurchschnittlich erfolgreiche Firmen, planmäßige Unternehmensentwicklung.
3) Nicht erfolgreiche JTU: 30 Unternehmen
Die geförderten Ziele wurden deutlich nicht erreicht.
Allgemeingültige Aussagen können auf Basis dieser Studie allerdings nicht gemacht werden, da sich
die Entwicklung staatlich geförderter und nicht geförderter Unternehmen signifikant voneinander
unterscheidet. So zeigen bspw. Brüderl, Preisendörfer und Ziegler210 anhand der Daten der „Münchner
Gründerstudie“ Unterschiede in der jeweiligen Insolvenzrate auf. Während von den nicht geförderten
Betrieben nach zwei Jahren noch 77,6 Prozent und nach fünf Jahren noch 61,8 Prozent aktiv sind, sind
es im Hinblick auf die staatlich (mit zinsbegünstigten Krediten) geförderten Betrieben nach zwei
Jahren noch 98 Prozent und nach fünf Jahren noch 96,6 Prozent. Es können jedoch weder Unterschiede in bezug auf das Beschäftigungswachstum noch in bezug auf die Umsatzentwicklung nachgewiesen werden.
Ihr Hauptaugenmerk richten Brüderl, Bühler und Ziegler auf die Abgrenzung in der Beschäftigungsentwicklung innovativer gegenüber nicht-innovativer Unternehmen. Die Autoren weisen nach, daß
junge innovative Unternehmen überdurchschnittlich schnell wachsen. Die Zahl der Beschäftigten
stieg in den innovativen Unternehmen innerhalb der ersten fünf Jahre um 85 Prozent an, während sie
sich in den nicht-innovativen Unternehmen nur um 22 Prozent erhöhte (siehe Abb. 5.2). Demnach
kann für die Gruppe der innovativen Unternehmen eine positive Netto-Beschäftigungsänderung211 in
Höhe von +63 Prozent von 17.277 auf 28.145 Beschäftigte aufgezeigt werden. Für die Gruppe der
208
209
210
211
Siehe Kulicke et al. (1993).
Siehe Kulicke et al. (1993): 145.
Siehe Brüderl, Preisendörfer und Ziegler (1993).
Die Netto-Beschäftigungsänderung ergibt sich aus dem Beschäftigungszuwachs minus den Arbeitsplatzverlusten der aus
dem Markt austretenden und schrumpfenden Unternehmen.
110
nicht-innovativen Unternehmen aber ist die Netto-Beschäftigungs-änderung mit - 6 Prozent von
36.251 auf 34.188 Beschäftigte negativ. Insgesamt wurden jedoch nur 29 Prozent der Neugründungen
als innovativ klassifiziert.
Abbildung 5.2: Beschäftigungsdynamik
Beschäftigungsdynamik
Entwicklung der Beschäftigtenzahlen pro Betrieb
Beschäftigte pro Betrieb
5
5
4,5
4
3,9
3
3,2
2,7
2
2,8
2,7
2,6
2,4
2,3
innovative U.
nicht-innovative
U.
1
0
1
2
3
4
5
Jahr
Quelle: Brüderl, Bühler und Ziegler (1993): 524 f.
Ähnlich wie die Arbeit von Brüderl, Bühler und Ziegler ist auch die Arbeit von Wagner212 regional
begrenzt und stützt sich ausschließlich auf Daten für das Verarbeitende Gewerbe in Niedersachsen.
Die Studie weist darauf hin, daß sowohl die Brutto-Arbeitsplatzschaffung als auch die Arbeitsplatzvernichtung mit der Größe der Firma sinkt. Eine systematische Beziehung zwischen der NettoArbeitsplatzschaffung und der Firmengröße kann aus der Studie nicht abgeleitet werden. Einem solchen Zusammenhang widersprechen die Beobachtungen der zweiten Klassifikation. Die Ergebnisse
werden in den Tab. 5.5 aufbereitet:
212
Siehe Wagner (1995).
111
Tabelle 5.5: Durchschnittliche Raten der Arbeitsplatzschaffung und Arbeitsplatzvernichtung für das
Verarbeitende Gewerbe in Niedersachsen, 1978-1993, in Prozent der Anfangsbeschäftigung
· Klassifizierung nach der Zahl der Beschäftigten im Basisjahr
· Klassifizierung nach der Zahl der Beschäftigten im Basisjahr und im folgenden Jahr
Größe
(Zahl der
Beschäftigten)
Schaffung von
Arbeitsplätzen
BRUTTO
1-19
14,66
12,12
20-49
9,00
50-99
Vernichtung von
Arbeitsplätzen
Schaffung von
Arbeitsplätzen
NETTO
Anteil an der Beschäftigung
-13,98 -15,64
0,67
-3,52
3,51
3,50
9,32
-8,00
-8,21
1,00
1,11
8,78
8,61
6,59
7,06
-6,51
-6,66
0,08
0,40
9,13
9,05
100-249
5,52
5,42
-5,27
-5,40
0,24
0,02
15,14
15,16
250-499
4,45
4,35
-4,79
-4,81
-0,34
-0,46
13,66
13,60
500-999
3,31
3,35
-4,57
-4,46
-1,26
-1,15
11,97
12,15
1000-2499
2,65
3,52
-4,93
-4,71
-2,28
-1,19
12,23
12,38
2500-4999
1,19
1,27
-4,75
-4,26
-3,56
-2,99
5000+
1,67
1,66
-2,51
-2,53
-0,84
-0,88
25,58* 25,55*
* für die letzten zwei Zeilen zusammen
Quelle: Wagner (1995).
· Die empirischen Untersuchungen zeigen, daß innovative Unternehmensgründungen überdurchschnittliche Wachstumsraten und unterdurchschnittliche Liquidationswahrscheinlichkeiten aufweisen und damit einen produktiven Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen leisten.
Dabei dürfen die multiplikativen Effekte, welche von diesen Unternehmen auf die Beschäftigungsentwicklung in weiteren Unternehmen ausgehen, nicht außer Acht bleiben. Für nichtinnovative Gründungen trifft dies nicht zu.
· Allerdings ist in Deutschland die Zahl neugegründeter Betriebe in innovativen Branchen vergleichsweise zu gering.
Wie bereits in Abschnitt 5.1 ausgeführt wurde, erzielen nach den Studien von Coopers&Lybrand
wagnisfinanzierte Unternehmen sehr hohe Beschäftigungszuwächse. Für Deutschland wurde eine
Zuwachs in der Beschäftigung um etwa 4 Prozent213, für Europa um 15 Prozent214 und für die USA um
sogar 41 Prozent215 pro Jahr errechnet. 57 Prozent der befragten, mit Wagniskapital finanzierten Unternehmen in Europa gaben an, daß die Beschäftigung ohne die Verfügbarkeit von Wagniskapital
213
214
Coopers&Lybrand (1998).
Coopers&Lybrand (1997).
112
niedriger wäre.216 Diese Zahlen zeichnen ein sehr positives Bild von der gewichtigen Bedeutung der
Wagnisfinanzierung im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen. Allerdings ist anzumerken,
daß sich diese Studien ausschließlich auf die überlebenden Gründungsbetriebe beziehen und dadurch
Beschäftigungsverluste durch Schließungen unberücksichtigt lassen. Die Repräsentativität der Stichprobe ist zu hinterfragen, da Unternehmen per Fragebogen befragt wurden und die Rücklaufquote sich
aber nur auf etwa 43 Prozent in Deutschland, 23 Prozent in Europa und 14 Prozent in den USA belief.
· Investitionen, die im Wege der Wagnisfinanzierung erfolgen, kann in der Tat ein positiver Effekt auf die Beschäftigungsentwicklung der Unternehmen insbesondere in innovativen Wirtschaftszweigen zugeschrieben werden. Dieser Effekt ist dabei keineswegs temporärer Natur,
sondern bleibt über die Zeit hinweg erhalten.
Dies wird durch eine empirische Studie von Hellmann und Puri217 belegt. Damit leistet die Wagnisfinanzierung als Institution einen eigenständigen Beitrag zum Beschäftigungswachstum. Deutsche Beteiligungsgesellschaften konzentrieren sich jedoch überwiegend auf traditionelle Industrien und Firmen in späteren Entwicklungsphasen. Signifikante positive Beschäftigungseffekte sind aus diesem
Grunde eher zweifelhaft. Umso bedeutender ist in Deutschland die Rolle der öffentlichen Hand bei
der Finanzierung innovativer Unternehmensgründungen. Öffentliche Kapitalgeber unterstützen junge
innovative Unternehmen finanziell oder versuchen mit Hilfe öffentlicher Transfers private Beteiligungsgesellschaften im Verbund mit verschiedenen Programmen zur Haftungsbeschränkung zu veranlassen, selbst die Finanzierung innovativer Unternehmensgründungen zu forcieren und diesen in ihrem eigenen Portfolio ein größeres Gewicht beizumessen.
5.4
Innovationskraft wagnisfinanzierter Unternehmen
Innovative Unternehmensgründungen tragen zu mehr Beschäftigung in einer Ökonomie bei. Die Wirtschaftskraft eines Landes ist eng mit der Innovationskraft seiner Unternehmen verbunden. Die Wagnisfinanzierung nach US-amerikanischem Leitbild ist konzeptionell auf die Finanzierung von Gründungsinvestitionen in innovativen Branchen ausgerichtet. Die Wagnisfinanzierung trägt zur Erhöhung
der Eigenkapitalquote junger Unternehmen bei und verschafft diesen damit einen größeren finanziellen Spielraum zur Intensivierung ihrer Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen. Am Ende dieses
Prozesses steht schließlich ein neues wettbewerbsfähiges Produkt. Der folgende Abschnitt soll sich
nun mit der Rolle der Wagnisfinanzierung im Hinblick auf die Innovationskraft junger und kleiner
215
216
National Venture Capital Association (1997).
Coopers&Lybrand (1998).
113
Unternehmen auseinandersetzen. Insbesondere soll auf die Frage nach den primären Quellen innovativer Ideen, den Transfermechanismen und der Rolle des Staates in diesem Zusammenhang eingegangen werden.
Eine breite theoretische Literatur beschäftigt sich mit dem Problem der optimalen Intensität von Forschung und Entwicklung (FuE) und versucht den Effekt von FuE-Anstrengungen auf Innovationen
und Wachstum zu modellieren. Als Fazit ist festzuhalten, daß unter gesellschaftlichen Gesichtspunkten das Niveau privater Investitionen in FuE zu gering ist. Ursachen hierfür sind bspw. der unzureichende Schutz geistigen Eigentums oder bestehende Spillover-Effekte, in Folge derer Wirtschaftssubjekte von den FuE-Anstrengungen anderer Unternehmen und Institutionen zu profitieren vermögen,
ohne dafür jedoch einen Preis zahlen müssen.218 In dieser Tradition betonen im Zusammenhang mit
der Generierung von Wissen neuere Arbeiten das Moment der Nicht-Rivalität und die beschränkte
Ausschließbarkeit.219 „Nicht-Rivalität“ bezieht sich auf die Nutzung vorhandenen Wissens. Eine breite Anwendung vorhandenen Wissens ist demnach gesellschaftlich wünschenswert. Während die Kosten der Generierung einmalig sind, kann durch eine breite Nutzung dieses Wissens die Anzahl derer,
die davon profitieren, maximiert werden. Für den Innovator sind seine Forschungsanstrengungen jedoch nur dann lohnenswert, wenn er ein Exklusivrecht an der Vermarktung einer neuen Idee inne hat
und andere von dem Ergebnis seiner Forschung u.U. ausschließen kann, sofern er hierfür keine Gegenleistung erhält. Dies ist jedoch nicht immer gewährleistet und wird unter dem Begriff der „beschränkten Ausschließbarkeit“ verstanden. Anand und Galetovic220 weisen darauf hin, daß sich das
im Wege kostspieliger Forschung in einer Firma erworbene Wissen primär im Humankapital der Forscher manifestiert und damit nur bedingt als ausschließliches Eigentum der Firma deklariert und angesehen werden kann. Es sei schwierig, Eigentumsrechte über dieses Wissen zu begründen und durchzusetzen.
Jones und Williams221 sichten die empirische Literatur im Hinblick auf die FuE-Ausgaben privater
Unternehmen in den USA. Als Ergebnis ihrer Recherche halten sie fest, daß die FuE-Ausgaben privater Unternehmen nur etwa ein Viertel des sozial optimalen Niveaus betragen, woraus unmittelbar die
allgemein anerkannte Begründung der öffentlichen Forschung und der staatlichen Intervention zur
Schaffung von Anreizen für private FuE resultiert. In allen industrialisierten Ländern engagiert sich
der Staat mehr oder weniger im Bereich der Forschung. Allerdings schafft die Forschung alleine weder Innovationen noch Wachstum. Dazu müssen Transfermechanismen in Gang gesetzt werden, wel-
217
218
219
220
221
Siehe Hellmann und Puri (1998).
Allgemein spricht man in der Literatur vom „öffentlichen Gut-Charakter“ von FuE-Anstrengungen: Siehe z.B. Arrow
(1962).
Siehe Romer (1990).
Siehe Anand und Galetovic (1998).
Siehe Jones und Williams (1997).
114
che gezielt die Kommerzialisierung der hervorgebrachten Forschungsergebnisse im Auge haben. Gerade aber hier glaubt die Europäische Kommission222 ein Europa-spezifisches Problem identifiziert zu
haben: ”Eine wesentliche Schwäche Europas ist (demnach) seine mangelnde Fähigkeit, seine Forschungsergebnisse und technologische Kompetenz in Innovationen und Wettbewerbsvorteile umzusetzen.” In den USA dagegen richteten z.B. Universitäten effizient arbeitende Lizenzbüros ein, welche
als Schnittstelle zwischen Universitäten und Markt die Kommerzialisierung von Erfindungen vorantreiben und umgekehrt die Forschung finanziell unterstützen. Damit haben die Universitäten einen
wesentlichen Anteil an Firmengründungen und Innovationen.
Die zunehmende Komplexität neuer Technologien bedingt es, daß Unternehmen auch auf externes
Wissen an Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen zurückgreifen. Dabei ist die Adoption
und Diffusion von technologischem Know-how davon abhängig, inwieweit die Unternehmer bei der
Unternehmensgründung über Kontakte zu FuE-Einrichtungen verfügen. Welche Technologiequellen
die Gründer überwiegend nutzen, dies ergibt sich i.d.R. aus der Historie des Gründers und seinem
früheren Beschäftigungsfeld. Es ist wichtig zu erkennen, daß das für die Forschung relevante Wissen
in regional differenzierter Form vorliegt und die regionale Nähe von FuE-Einrichtungen aufgrund der
Bedeutung informeller Kontakte und persönlicher Beziehungen eine große Rolle spielt.223 Mit der
Kooperationserfahrung der Unternehmen verliert dann die räumliche Entfernung, innerhalb derer
Unternehmen Kontakte pflegen und technologisches Know-how kommunizieren können, als kritischer
Einflußfaktor der Innovationskraft an Bedeutung.224
· Aufgrund externer Effekte liegen die FuE-Anstrengungen privater Wirtschaftsakteure weit
unter ihrem gesellschaftlich optimalen Niveau, was eine Argumentationsbasis für die staatliche
Intervention und die öffentliche Förderung von FuE bietet.
· Das für die Forschung relevante Wissen liegt in regional differenzierter Form vor. Die regionale Nähe von FuE-Einrichtungen spielt aufgrund der Bedeutung informeller Kontakte und persönlicher Beziehungen eine große Rolle.
· Der Technologietransfer von öffentlichen Forschungseinrichtungen wird jedoch entscheidend
durch die eigenen FuE-Aktivitäten der Unternehmen begünstigt.
Technologietransfer zwischen öffentlichen Forschungseinrichtungen und privaten Unternehmen ist
am erfolgreichsten, wenn er in gezielten und gut organisierten, kollaborativen Forschungsprojekten
verankert ist.225 Zu einer weiteren Diffusion technologischen Know-hows kommt es über den Absatz
222
223
224
225
Siehe European Commission (1995): 6.
Siehe Beise und Spielkamp (1996).
Siehe Beise und Spielkamp (1996).
Siehe z.B. Bloedon und Stokes (1994).
115
der Produkte. Das Betreiben von FuE durch öffentliche Einrichtungen kann nach Acs und
Audretsch226 jedoch keineswegs als ein Substitut zu den FuE-Anstrengungen der Unternehmen selbst
gelten, sondern diese nur als Komplement ergänzen. So wächst die Zahl der Innovationen in einer
Branche mit den in der Branche getätigten Ausgaben in den Bereichen FuE - wenngleich auch mit
fallender Rate. Mit der zunehmenden Konzentration in einem aus nur noch wenigen Großunternehmen strukturierten Marktsegment aber verringert sich Innovationskraft der Branche.
In zahlreichen empirischen Studien wird die Sichtweise Schumpeters227, wonach nennenswerte Innovationen aufgrund größenbedingter Vorteile im wesentlichen von großen Unternehmen stammen,
widerlegt.228 Im Gegenteil, kleine und mittlere Unternehmen führen intensive Innovationsaktivitäten
durch und leisten einen wichtigen Beitrag zur Adoption und Diffusion von technologischem Knowhow. Dieses trifft nach Nerlinger insbesondere für junge innovative Unternehmen zu, „die aufgrund
ihrer Größe und technologischen Kompetenz flexibel auf Innovationsideen aus der Wissenschaft reagieren können und häufig revolutionäre neue Technologien (...) bereits in einer frühen Entwicklungsphase aufgreifen.“
Mehrere empirische Untersuchungen setzen sich mit der Rolle junger innovativer Unternehmen und
ihrem Beitrag zur Innovationskraft der deutschen Wirtschaft auseinander.229 Beise und Stahl230 befragten 2.300 Unternehmen in Deutschland, ob sie in den Jahren 1993-1995 Innovationen eingeführt hatten, die ohne öffentliche Forschung nicht oder nur mit einer zeitlichen Verzögerung von mehr als
einem Jahr hätten entwickelt werden können.231 Knapp 9 Prozent aller innovativen Firmen bestätigten,
daß sie Ergebnisse öffentlicher Forschung genutzt hatten. Die Produkte, die auf der Basis öffentlicher
Forschung entwickelt wurden, machten einen Anteil von etwa 5 Prozent an den Verkäufen von Produktinnovationen aus. Die wichtigste Quelle für die Entwicklung neuen Wissens sind für die Unternehmen die Universitäten. Der Technologietransfer von öffentlichen Forschungseinrichtungen wird
jedoch entscheidend durch die eigenen FuE-Aktivitäten der Unternehmen begünstigt.
Kulicke et al.232 befragten 83 junge innovative Unternehmen. Knapp 800 der insgesamt 3.400 in Vollzeitäquivalente umgerechneten Beschäftigten sind mit FuE-Tätigkeiten betraut. 72 Prozent der Unternehmen geben mehr als 10 Prozent ihres Umsatzes für FuE aus. Hunsdiek233 ermittelte, daß der Anteil
der FuE-Ausgaben am Umsatz bei innovativen Unternehmen im ersten Jahr 53,2 Prozent, im zweiten
Jahr 33,7 Prozent, im fünften Jahr 7,8 Prozent und im sechsten Jahr 7,2 Prozent beträgt. Nerlinger234
226
227
228
229
230
231
232
233
234
Siehe Acs und Audretsch (1988).
Siehe Schumpeter (1942).
Siehe u.a. Acs und Audretsch (1992).
Siehe Kulicke (1987), Hunsdiek (1987), Kulicke et al. (1993), Licht und Nerlinger (1997), Nerlinger (1998), Beise und
Stahl (1998).
Siehe Beise und Stahl (1998).
Dieselbe Frage stellte Mansfield Unternehmen in den USA und kam zu ähnlichen Ergebnissen: Siehe Mansfield (1991).
Siehe Kulicke et al. (1993).
Siehe Hunsdiek (1987).
Siehe Nerlinger (1998).
116
vergleicht die Innovationsaufwendungen innovativer und nicht-innovativer Unternehmen nach ihrem
Unternehmensalter:
Abbildung 5.3:
Innovationsaufwendungen/Mitarbeiter
nach Unternehmensalter
(Westdeutschland 1993, Verarbeitendes Gewerbe)
Innovationsaufwendungen
pro Mitarbeiter (DM)
25000
20000
15000
10000
Alle
Unternehmen
5000
Innovative
Unternehmen
0
0-3
3-7
7-10
10-20
20+
Alter
Quelle: Nerlinger (1998): 52.
Welche spezifische Bedeutung kommt jedoch der Wagnisfinanzierung im Hinblick auf die Innovationskraft von Unternehmen zu? Kortum und Lerner235 gehen dieser Frage explizit am Beispiel der USamerikanischen Wirtschaft nach und analysieren den Einfluß von Wagniskapital auf die Innovationsrate der Unternehmen. Ihrer Analyse liegen Daten aus zwanzig verschiedenen Industrien der Jahre
1965-1992 zugrunde. Ihrer Einschätzung nach können bis zu 20 Prozent der innovativen Tätigkeit
amerikanischer Unternehmen auf die spezifische Finanzierungsform der Risikokapitalfinanzierung
zurückgeführt werden. Als Maß für die Innovationskraft beziehen sich die Autoren auf die Patentrate
der Unternehmen.236
· Kortum und Lerner weisen nach, daß sich die Patentrate in einer Industrie mit der zunehmenden Verbreitung der Wagnisfinanzierung in dieser Industrie in Verbindung mit einer intensiveren Aktivität von Beteiligungsgesellschaften wesentlich erhöht.
Hellman und Puri237 stützen ihre Analyse auf Daten von 175 Neugründungen im Bereich der Hochtechnologie mit einem Lebensalter von unter 10 Jahren und mit mehr als 10 Mitarbeitern. Alle Unter-
235
236
237
Siehe Kortum und Lerner (1998).
Die Verwendung der Patentrate als ein Maßstab für Innovationen weist sowohl Vor- als auch Nachteile auf: siehe auch
Griliches (1990). Aufgrund der Quantität und der Zugänglichkeit der verfügbaren und nach Industrien aufgeschlüsselten
Daten erweisen sich Patente jedoch als Informationsquelle insgesamt für die Analyse von Innovationsprozessen als geeignet. Kortum und Lerner betonen jedoch vor dem Hintergrund der spezifischen wirtschaftspolitschen Rahmenbedingungen eines Landes die beschränkte Übertragbarkeit ihrer Ergebnisse auf andere Länder.
Siehe Hellman und Puri (1998).
117
nehmen im Datensatz haben ihren Standort im Silicon Valley. Auch Hellman und Puri weisen jedoch
explizit auf die beschränkte Übertragbarkeit ihrer Ergebnisse auf Unternehmen außerhalb von Silicon
Valley als eine Region mit einer Ausnahmestellung bezüglich der allgemein günstigen Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Aktivität hin. Die Autoren unterscheiden die befragten Firmen in zwei
Hauptgruppen:
1)
Firmen mit innovativen Strategien:
Erschließung neuer Märkte oder
radikale Innovation in bestehenden Märkten
2)
Firmen mit imitativen Strategien:
Produktdifferenzierung
Sie stellen fest, daß innovative Unternehmen einen schnelleren Zugang zu Risikokapital finden und
mit einer größeren Wahrscheinlichkeit durch Risikokapital finanziert werden als imitative. Für beide
Unternehmensklassen zusammen kann man festhalten, daß die Finanzierung in Form von Risikokapital durch Beteiligungsgesellschaften die Markteinführung neuer oder differenzierter Produkte beschleunigt, dieser Effekt aber in der Klasse innovativer Unternehmen besonders stark ausgeprägt ist.
Handelt es sich um ein innovatives Unternehmen, so können die Autoren nachweisen, daß es mit Hilfe der Wagnisfinanzierung bereits in einer frühen Phase der Entwicklung zu einem forcierten Wachstum des Unternehmens und zur Begründung großer Gesellschaften kommt.
· Es ist durch empirische Evidenz belegt, daß Wagniskapital die Markteinführung neuer Produkte beschleunigt.
· Im Hinblick gerade auf innovative Unternehmen kommt es durch die Wagnisfinanzierung bereits sehr früh zu einem forcierten Wachstum.
Abschließend läßt sich festhalten, daß aufgrund der unzureichenden Forschungsanstrengungen privater Unternehmen den öffentlichen Einrichtungen im Bereich der FuE und insbesondere den Universitäten eine besondere Bedeutung zukommt. Dabei wird der Technologietransfer von öffentlichen Forschungseinrichtungen durch die eigenen FuE-Aktivitäten der Unternehmen begünstigt. Es wird durch
empirische Evidenz belegt, daß die Wagnisfinanzierung entscheidend dazu beiträgt, das Wachstum
und die Innovationskraft von Unternehmen zu stärken. Der Einfluß von Beteiligungsgesellschaften
muß vor dem Hintergrund der Forschungsergebnisse insbesondere für innovative Unternehmen als
besonders nachhaltig angesehen werden. Anand und Galetovic238 liefern in ähnlicher Weise wie bereits vor ihnen Hellmann239 ein theoretisches Konzept zur Rationalisierung, unter welchen Umständen
die Finanzierung von FuE im Wege der Beteiligung einer Wagniskapitalsgesellschaft erfolgen soll
und auch möglich ist. Soweit die Forschungsergebnisse ausreichend überprüfbar und auch durch die
Beteiligungsgesellschaft beobachtbar sind, wird die Forschungsetappe mit Hilfe von Wagniskapital
238
239
Siehe Anand und Galetovic (1998).
Siehe Hellmann (1997).
118
finanziert. Kann die Beteiligungsgesellschaft umgekehrt aber nicht verhindern, daß ihr die Firma die
mit ihrer finanziellen Hilfe gewonnenen Forschungsergebnisse vorenthält und die weitere Produktentwicklung eigenständig weiterverfolgt, so kommt eine Wagnisfinanzierung i.d.R. nicht zustande.
Eine Alternative würde dann eine Kooperation mit einem anderen Unternehmen bieten, welche umso
attraktiver für die beiden Firmen ist, je größer die mit der Forschung verbundenen Spillover-Effekte
und die realisierbaren Kostenvorteile relativ zur Wagnsifinanzierung sind. Nicht in allen Fällen aber
wird Forschung betrieben und scheitert nicht selten an der Finanzierungsbereitschaft externer Quellen.
6. Regionale Bedeutung von Wagniskapital: Das Saarland
6.1
Das Phänomen regionaler Konzentrationserscheinungen
Eine hohe Rate von Unternehmensgründungen ist der Motor für mehr Innovation, schnelleres Wachstum und Beschäftigung in der Gesamtwirtschaft. Warum aber ist es für Regionen mit einem Strukturdefizit und ungünstigen Ausgangsbedingungen so schwierig, den Prozeß zu starten? Die Antwort liegt
darin, daß Unternehmensgründungen eine starke, natürliche Tendenz haben, sich auf bereits existierende Kerngebiete wirtschaftlicher Aktivität zu konzentrieren, während Randgebiete vernachlässigt
werden. Ein jedermann einsichtiges Beispiel mag sein, daß Kneipen und Restaurants sich in ganz
bestimmten Stadtvierteln massieren, während sich in anderen Stadtteilen kaum eine nennenswerte
Szene entwickelt. Die Kunden bevorzugen eben ein vielfältiges und auf jeden Geschmack abgestimmtes und spezialisiertes Angebot auf engstem Raum.
Die Volkswirtschaftslehre beschäftigt sich unter dem Stichwort „Neue Wirtschaftsgeographie“ mit
den Ursachen solcher regionalen Konzentrationstendenzen.240 Schon Marshall241 beschrieb 1890 die
drei wesentlichen Faktoren, welche sich für eine Begünstigung der geographischen Konzentration
wirtschaftlicher Aktivität verantwortlich zeichnen:
·
Verfügbarkeit von hoch spezialisierten Arbeitskräften
·
Existenz spezialisierter Industrien mit maßgeschneiderten und kostengünstigen Vorprodukten
·
„knowledge-spillovers“ aufgrund der konzentrierten Forschungsaktivität innerhalb einer
Branche in Verbindung mit der Zugangsmöglichkeit zu öffentlichen Forschungseinrichtungen
Aus allen drei Gründen tendiert wirtschaftliche Aktivität zur Ballung und Konzentration. Beispielhaft
für die Entstehung solcher Wirtschaftszentren ist sicherlich Silicon Valley. Aufgrund der positiven
240
241
Siehe z.B. Krugman (1991), Krugman und Venables (1995), Matsuyama (1995) und Stahl (1997).
Siehe Marshall (1890).
119
Externalitäten anderer Unternehmen und Einrichtungen können so auch Neugründungen oder Neuansiedlungen eine stimulierende Wirkung auf die eigene unternehmerische Aktivität allgemein und ihre
Forschungsanstrengungen im besonderen erwarten. Mit dem Zustrom und der Gründung weiterer
Unternehmen werden sodann kumulative Prozesse induziert, welche die wirtschaftliche Entwicklung
der Region weiter forcieren. Solche kumulativen Prozesse wirken selbstverstärkend und tendieren
dazu, die Attraktivität eines Standortes weiter zu zementieren. Randgebiete mit Strukturproblemen
haben es dagegen schwer, sich den Sogkräften der Kerngebiete entgegen zu stemmen und eine sich
selbst tragende Welle von Unternehmensgründungen zu starten.
Ungeachtet der objektiven Vor- und Nachteile einer Region bestehen oftmals aber auch nur unzureichende Informationen über die Bedingungen lokaler Märkte. Aus der Standortwahl ähnlicher Wirtschaftsakteure schließen Unternehmen dann auf günstige regionale Bedingungen und legen diese
Beobachtung der eigenen Entscheidung bei ihrer Standortwahl zugrunde. Nerlinger242 macht dabei
deutlich, daß die räumliche Nähe wirtschaftlicher Aktivität auf der einen Seite zwar positive Externalitäten generiert, an denen jedes Unternehmen zu partizipieren vermag. Auf der anderen Seite jedoch
führt Agglomeration gleichzeitig zu mehr Wettbewerb gerade auch auf den Faktormärkten und verstärkt den Konkurrenzdruck auf die Produktanbieter. Nach der Analyse von Nerlinger präferieren
Unternehmen Standorte, die durch eine Konzentration von Unternehmen mit ähnlichen Produktionsund Innovationsschwerpunkten charakterisiert sind. Solche Regionen verfügen im allgemeinen über
eine ausgezeichnete forschungsinfrastrukturelle Ausstattung, ein dichtes Netz an verkehrs- und kommunikationstechnischen Infrastrukturleistungen und zeichnen sich darüber hinaus durch ein breites
Angebot hoch qualifizierter Arbeitskräfte aus. Andere Standortfaktoren bilden u.a. regionalspezifische
Regulierungsbeschränkungen, das regionale Lohnniveau wie auch die Höhe regional geltender Steuersätze. Erreicht die Konzentration dann ein kritisches Niveau, so überwiegen die Nachteile der Konzentration. Der Wettbewerbsdruck steigt ebenso wie die Preise für die Produktionsfaktoren Arbeit und
Land. Aufgrund der ansteigenden Umweltverschmutzung kann es zu zusätzlichen Auflagen für Unternehmen kommen. Unternehmen ziehen es dann vor, sich in den angrenzenden Gebieten oder sogar in
der Peripherie anzusiedeln.
Erst wenn eine kritische Masse an wirtschaftlicher Aktivität erreicht ist, werden die Sogkräfte der
Agglomeration wirksam. Nerlinger243 untersucht in diesem Zusammenhang die Gründungsaktivitäten
für vier Gruppen von Unternehmen in der Spitzentechnik, der höherwertigen Technik, dem nichttechnologieintensiven Verarbeitenden Gewerbe und dem technologieintensiven Dienstleistungsgewerbe in 327 westdeutschen Kreisen unter Ausschluß von West-Berlin. Das Ergebnis der Studie un-
242
243
Siehe Nerlinger (1998).
Siehe Nerlinger (1998).
120
terstreicht damit die dominante Rolle der regionalen Infrastrukturausstattung als ein bedeutender
Standortfaktor für die Ansiedlung innovativer Unternehmen:
· Der kritische Verdichtungsgrad, ab dem die Vorteile der Konzentration wirtschaftlicher Aktivität zur Entfaltung kommen und die regionale Wirtschaftsentwicklung eine Eigendynamik gewinnt, die es der Region ermöglicht, sich als ein wirtschaftliches Kerngebiet zu etablieren, liegt
für innovative Unternehmen deutlich höher als für nicht-innovative Unternehmen.
· Vor dem Hintergrund dieser Ballungstendenzen sehen sich Gebiete mit großen Strukturdefiziten in der Bewältigung eines Strukturwandels ungemein großen Schwierigkeiten ausgesetzt. Nur sehr langsam und mit großen Anstrengungen können strukturelle Defizite, wie sie
z.B. im Saarland bestehen, beseitigt werden. Schnelle Erfolge sind daher auch von öffentlichen
Fördermaßnahmen nicht zu erwarten, auch wenn sie notwendig sind, um den Prozeß in Gang
zu bringen.
Die Schaffung hochqualifizierter und sicherer Arbeitsplätze setzt Ausdauer voraus und bedarf eines
langen Atems. Dies wird durch die weiteren Einzelergebnisse der Studie unterstrichen. So sind für die
Ansiedlung von Unternehmen in der Spitzentechnik stark verdichtete Regionen von Vorteil. Innovative Dienstleistungsunternehmen verzeichnen gerade in den an die Agglomerationen unmittelbar angrenzenden Gebieten hohe Wachstumsraten. Diese Standorte weisen gegenüber den Agglomerationen
einige Vorteile wie z.B. im Hinblick auf die Preise für Gewerbeflächen und geringere Überfüllungseffekte auf. Gleichzeitig können Unternehmen die Infrastruktur der Ballungszentren nutzen. Für weiter entfernt gelegene Gebiete trifft dies dagegen nicht mehr zu. Die regionale Nachfrage spielt in der
Standortentscheidung von Gründern innovativer Unternehmen nur eine weit untergeordnete Rolle. Im
Gegensatz zu nicht-innovativen Unternehmen und den Anbietern von Dienstleistungen ist ihr Absatz
zumeist auf die nationalen und internationalen Märkte hin ausgerichtet.
Tab. 6.1 umfaßt Daten für das Gründungsaufkommen in technologieintensiven Wirtschaftszweigen
aufgefächert nach Bundesländern. Dabei ist die Dominanz von Nordrhein-Westfalen, Bayern und
Baden-Württemberg, auf die alleine mehr als zwei Drittel der gesamten innovativen Gründungen entfallen, klar ersichtlich. Zur Vergleichbarkeit der Gründungsintensität, wie sie in den einzelnen Bundesländern gemessen in Absolutwerten zu beobachten sind, müssen die Gründungszahlen jedoch um
die Größe des jeweiligen Bundeslandes gemessen an der Anzahl der Erwerbspersonen bereinigt werden. Gemessen an der relativen Gründungsintensität werden im Vergleich zum Bundesdurchschnitt im
Saarland und Niedersachsen weitaus weniger und in Hamburg und Bayern weitaus mehr Unternehmen pro Erwerbsperson gegründet.
Tabelle 6.1: Gründungsaufkommen in technologieintensiven Wirtschaftszweigen
121
Westdeutschland, 1989-1996
Bundesland
Zahl der
Gründungen
Absolut
Gründungsdynamik
Relative Gründungsintensität*:
prozentualer
Anteil
1989-92
1993-96
1993-96
1989-92
NordrheinWestfalen
6969
28,2 %
0,99
0,99
1,00
Bayern
5237
21,2 %
1,17
1,11
0,96
BadenWürtemberg
4308
17,4 %
1,04
1,17
1,12
Hessen
2500
10,1 %
1,17
0,93
0,80
Niedersachsen
2247
9,1 %
0,75
0,78
1,04
Rheinland-Pfalz
1210
4,9 %
0,76
0,90
1,19
SchleswigHolstein
841
3,4 %
0,82
0,75
0,92
Hamburg
784
3,2 %
1,17
1,15
0,99
Saarland
332
1,3 %
0,74
0,79
1,06
Bremen
274
1,1%
0,89
1,14
1,29
*Die Relative Gründungsintensität wird folgendermaßen ausgerechnet: G(k)/B(k) / åG(k)/åB(k), wobei G(k) die Zahl der
Gründungen und B(k) die Zahl der Erwerbspersonen im Bundesland k darstellt. Eine unterdurchschnittliche relative Gründungsintensität liegt für ein Bundesland dann vor, wenn der Quotient kleiner als eins ist.
Quelle: Nerlinger (1998): 121.
Im Hinblick auf innovative Unternehmensgründungen schreibt die Regionalökonomik insbesondere
den lokalen Forschungseinrichtungen eine wichtige Rolle zu. Sie prägen die Evolution der regionalen
Industriestruktur und den regional stattfindenden technologischen Wandel. Unternehmen in unmittelbarer Nähe von Forschungseinrichtungen profitieren stärker von der dortigen Forschung als weiter
entfernte Unternehmen. Es wird durch empirische Evidenz belegt244, daß die FuE-Einrichtungen einen
positiven Einfluß auf die Zahl der innovativen Gründungen in einer Region haben. Auch Harhoff245
weist nach, daß die Zahl der Firmengründungen in technologieintensiven Industrien positiv von der
244
245
Siehe Nerlinger (1998). Dabei sind die positiven Spillover-Effekte nicht nur auf den unmittelbaren Kreis beschränkt,
sondern wirken sich auch auf die benachbarten Kreise aus. Berger und Nerlinger analysieren die regionale Verteilung der
Unternehmensgründungen in der Informationstechnik in 328 westdeutschen Kreisen. Als die wichtigsten Faktoren der
beobachteten Konzentrationserscheinungen heben sie die FuE der öffentlichen Forschungseinrichtungen sowie ein
spezialisiertes industrielles Umfeld, das zugleich im Zusammenhang mit einem breiten Angebot an qualifizierten Beschäftigten steht, hervor. Dagegen haben die FuE-Aktivitäten in der Industrie keinen signifikanten Einfluß auf die Standortwahl. Die meisten Gründungen werden in Agglomerationen und dicht besiedelten Regionen getätigt. Deren Bedeutung
aber war in den letzten Jahren stark rückläufig: siehe Berger und Nerlinger (1997).
Siehe Harhoff (1995).
122
regionalen Forschungsaktivität beeinflusst wird. Eine Studie von Kulicke (1987) über Neugründungen
in Deutschland zeigt, daß 70 Prozent der Gründer technologieorientierter Unternehmen vor ihrem
Schritt in die Selbständigkeit in privaten FuE-Laboratorien, Universitäten, Fachhochschulen oder
anderen öffentlichen FuE-Einrichtungen beschäftigt waren. Gleichzeitig identifiziert eine Untersuchung von Picot et al.246 den Wohnort eines Gründers als den wichtigsten Faktor der Standortwahl.
Damit bilden private und öffentliche Forschungseinrichtungen eine wichtige Quelle für die Rekrutierung potentieller Gründerpersönlichkeiten. Zum anderen leisten sie einen produktiven Beitrag zur
Forschung in den Unternehmen und zur erfolgreichen Durchführung einer innovativen Gründung.
Es ist wichtig zu erkennen, daß Agglomerationserscheinungen auch in der Wagniskapitalbranche
selbst auftreten. Wie man am Beispiel von Silicon Valley leicht erkennen kann, kommt es in den USA
in bezug auf Wagniskapital zu einer starken regionalen Konzentration von Angebot und Nachfrage.
Beteiligungsgesellschaften war es über die Zeit hinweg möglich, eng geküpfte regionale Netzwerke
von Kunden, Zulieferern, Kapitalgebern, Managern, Forschungseinrichtungen und Anwälten aufzubauen. Auf diese Kontakte und Geschäftsbeziehungen können sie bei jeder neuen Finanzierung zurückgreifen, ohne dabei weitere Suchkosten oder Transaktionskosten tragen zu müssen. Wagniskapitalgesellschaften in diesen Regionen können effizienter arbeiten und sind ihren Konkurrentinnen aus
anderen Regionen überlegen. Während sie im Hinblick auf ihre Kapitalanleger höhere Renditen zu
erwirtschaften vermögen, können sie andererseits potentiellen Gründern bessere Finanzierungskonditionen anbieten. Durch den eigenen produktiven Beitrag steigern sie die Erfolgsquote der von ihnen
finanzierten Unternehmen.
· Agglomerationskräfte spielen auch auf dem Markt für Wagniskapital eine bedeutende Rolle.
Wagniskapitalgesellschaften in Regionen mit einer hohen Konzentration an Aktivität im Bereich der Wagnisfinanzierung arbeiten effizienter als Konkurrentinnen in anderen Regionen.
Kumulative Kräfte werden freigesetzt und begründen einen sich selbstverstärkenden Prozeß einer lebhaften Gründertätigkeit.
Die Lokalisierungsvorteile, die sich aus einer regionalen Konzentration auch im Markt für Risikokapital ergeben, werden durch eine Studie von Lerner247 bestätigt. Öffentliche Förderprogramme entfalten
in Regionen, die eine starke Durchdringung mit Beteiligungsgesellschaften wie auch mit wagnisfinanzierten Unternehmen aufweisen, eine stärkere Wirkungskraft, die Entwicklung geförderter Unterneh-
246
247
Siehe Picot et al. (1989). Weitere Einflußfaktoren stellen die Kontaktmöglichkeiten zu Universitäten sowie die industrielle Umgebung dar. Obgleich die Absatzmärkte innovativer Unternehmen durch ihre nationale und internationale Ausrichtung charakterisiert sind, sind Kundenbeziehungen und insbesondere persönliche Kontakte zu Großkunden gerade am
Beginn der Geschäftstätigkeit von großem Nutzen. Diesbezüglich zeigt Kulicke, daß große Unternehmen mit mehr als
1000 Angestellten für die Standortentscheidung innovativer Unternehmen von besonderer Bedeutung sind: siehe Kulicke
(1987).
Siehe Lerner (1996).
123
men zu forcieren, als in Regionen, in denen die Industrie für Risikokapital nur schwach entwickelt ist.
Ähnliche Schlüsse lassen sich auch aus der Entstehung der Risikokapitalmärkte in Portugal und Norwegen ziehen.248 Erst nachdem das Marktwachstum durch öffentliche Programme nachhaltig vorangetrieben wurde und sich infolgedessen Industriestandards auch aufgrund der Interaktion einer Vielzahl
von Akteuren entwickelten, konnte schließlich eine kritische Größe und Entwicklungsstufe der Märkte erreicht werden, die auch ohne eine weitere Intervention des Staates eine Fortentwicklung alleine
aus der eigenen wirtschaftlichen Kraft heraus zu garantieren vermochte.
6.2
Die Region Saarland
6.2.1
Strukturwandel und Beschäftigung
Mit etwa 12 Prozent liegt die Arbeitslosenrate im Saarland nach wie vor deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Diese Zahl ist die Folge des verspäteten und nunmehr verstärkten Strukturwandels im
Saarland. Während die Schrumpfung von nicht mehr wettbewerbsfähigen Branchen relativ schnell
vonstatten geht, benötigt die Entwicklung neuer Produktionsstrukturen und damit die Schaffung neuer
Arbeitsplätze längere Zeit. Obwohl dieser Prozeß bereits angestoßen ist, ist der Umstrukturierungsprozeß noch lange nicht abgeschlossen.
Abbildung 6.1:
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach
Wirtschaftsbereichen
Dienstleistungen
Handel und Verkehr
Produzierendes
Gewerbe
Westdeutschland
Land- und
Forstwirschaft,
Saarland
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
%
Die Graphik spiegelt die relative Bedeutung der Sektoren zum Stichtag des 30.6.1997 wider.
Quelle: Arbeitskammer des Saarlandes (1998b).
Ähnlich wie in anderen Industrieländern vollzieht sich in Deutschland und im Saarland im besonderen
ein wirtschaftlicher Wandel der inter- und intrasektoralen Umstrukturierung. Zum einen findet eine
Verlagerung weg vom produzierenden Sektor hin zum Dienstleistungsbereich statt. Zum anderen aber
248
Siehe Jeng und Wells (1998): 36 f.
124
kann eine Strukturanpassung auch innerhalb des produzierenden Sektors nicht ausbleiben. Wie Abb.
6.1 verdeutlicht, hinkt das Saarland in dieser Entwicklung relativ zum Bundesdurchschnitt noch hinterher. Erschwert wird die Lage des Saarlandes aber vor allem durch die existierende, hauptsächlich
auf Branchen mit geringen Entwicklungs- und Wachstumschancen ausgerichtete industrielle Struktur.
Hierzu gehört vor allen anderen der Montanbereich.
Abbildung 6.2:
Beschäftigungsanteil
in %
Anteil der beschäftigten Arbeitnehmer
in der Montanindustrie (in %)
60
50
Saarland
40
Westdeutschland
30
20
10
0
1960
1980
1994
Quelle: ZEW (1998).
Die Dominanz des Montanbereichs - bestehend aus Bergbau, Eisen- und Stahlerzeugung, NichteisenMetallhütten, Gießereien, Ziehereien und Kaltwalzwerke, Stahlverformung, Schlossereien, Schweißereien usw. - hat sich im Saarland innerhalb der letzten Jahrzehnte stark zurückentwickelt. Zwischen
1985 und 1997 wurden in diesem Sektor insgesamt 21.000 Arbeitsplätze freigesetzt. Der Beschäftigtenanteil in der Montanindustrie liegt aber noch immer weit über dem des Bundesgebiets (siehe Abb.
6.2). Auch wenn der Wandel konsequent in Angriff genommen und durchgeführt werden muß, so
kann er sich dennoch nur graduell vollziehen, da der massive Abbau der Monatnindustrie auch andere
Wirtschaftszweige beeinflußt und insbesondere für die Zulieferer und Abnehmer der Branche mit
negativen Konsequenzen auf die eigene wirtschaftliche Tätigkeit verbunden ist. Nach Schätzung der
Arbeitskammer des Saarlandes249 hängen zur Zeit im Saarland insgesamt 35.000 bis 40.000 Arbeitsplätze sowohl direkt als auch indirekt vom Bergbau ab.
Die Zahl der Arbeitslosen erreichte Ende November 1998 im Saarland eine Höhe von 49.815 Erwerbssuchenden, was einer Arbeitslosenquote von 11,9 Prozent entspricht. Dies ist die höchste
Arbeitslosenquote im Vergleich zu allen anderen westdeutschen Flächenländern. Während des vergangenen Jahrzehnts lag die Arbeitslosenquote des Saarlandes fortwährend um zwei bis drei Prozentpunkte über der Arbeitslosenquote von Gesamt-Westdeutschland.
249
Siehe Arbeitskammer des Saarlandes (1997).
125
Abbildung 6.3:
Arbeitslosenquoten im Jahresdurchschnitt
14
12
Prozent
10
8
6
Saarland
4
Westdeutschland
2
1998*
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
0
*November
Quelle: Arbeitskammer des Saarlandes (1998b).
Mit dem Beginn der achziger Jahre kam es zu einer Schwerpunktverlagerung innerhalb der saarländischen Wirtschaft vom produzierenden Sektor hin zum Dienstleistungsbereich. So fiel der Beschäftigtenanteil im produzierenden Gewerbe zwischen 1980 und 1996 von 57,3 auf 44,1 Prozent. Gleichzeitig stieg die beschäftigungspolitische Bedeutung von kleinen und mittleren Unternehmen250 als Arbeitgeber: Während Großunternehmen zwischen 1980 und 1996 netto insgesamt 35.800 Arbeitsplätze
abbauten, stieg die Beschäftigtenzahl im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen um netto
24.800 an. Nichtsdestotrotz besteht in bezug auf den Strukturwandel im Saarland nach wie vor ein
noch erheblicher Nachholbedarf im Vergleich zum restlichen Bundesgebiet. Eine große Rolle bei
diesem Strukturwandel wird den Unternehmensgründungen beigemessen, und insbesondere denen, die
sich auf innovative Produkte und Prozesse konzentrieren. Es ist durch empirische Evidenz belegt, daß
junge Innovatoren mit demselben Kapitaleinsatz mehr Arbeitsplätze schaffen und ihre Forschungsmittel wesentlich effizienter verwenden als Großbetriebe. Klein- und mittelbetriebliche Produktionsstrukturen haben ferner den Vorteil einer stärkeren Diversifizierung und sollten sich robuster gegen
Konjunkturschwankungen erweisen als eine von den Großbetrieben dominierte Wirtschaftsstruktur.
Daher kommt den Existenzgründungen bei der Entwicklung neuer, innovativer Produktionen und bei
der dauerhaften Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch Schaffung hoch qualifizierter Arbeitsplätze
eine entscheidende Bedeutung zu.
Die Tabellen 6.1 und 6.2. verdeutlichen die Beschäftigungsentwicklung im Beobachtungszeitraum
zwischen 1980 und 1996 differenziert nach Firmengröße und Wirtschaftssektoren. Sie bestätigen den
bereits erwähnten Trend, daß kleinere Firmen einerseits und der Dienstleistungssektor andererseits
eine zunehmende Bedeutung für den saarländischen Arbeitsmarkt erlangen.
250
Definiert als Unternehmen mit bis 500 Beschäftigten.
126
Tabelle 6.1: Sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer im Saarland
nach der Firmengröße, zum 30. 6. 1996
Firmen mit
1-99 Beschäftigten
Firmen mit
100-499 Beschäftigten
Firmen mit
500 u. mehr Besch.
Insgesamt
Zahl der
Beschäftigten
in %
Zahl der
Beschäftigten
in %
Zahl der
Beschäftigten
in %
166.496
48,4
81.578
23,7
95.591
27,8
(+6,6 %)
(+2,6%)
(-6,6 %)
343.665
(-3,1 %)
in Klammern prozentuelle Veränderung in der Zahl der Beschäftigten gegenüber 1980
Quelle: Arbeitskammer des Saarlandes (1997).
Tabelle 6.2: Sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer im Saarland
nach Sektoren, zum 30. 6. 1996
Zahl der Beschäftigten
Dienstleistungen
Prod. Gewerbe
Insgesamt
189.188
154.477
343.665
(+26,2%)
(-24,5 %)
(-3,1 %)
in Klammern prozentuelle Veränderung in der Zahl der Beschäftigten gegenüber 1980
Quelle: Arbeitskammer des Saarlandes (1997).
In einer vom ZEW251 durchgeführten Befragung saarländischer Unternehmen wurden vier Wirtschaftsbereiche252 untersucht, die sich vereinfacht als Industrie, Bau, unternehmensnahe Dienstleistungen und sonstige Dienstleistungen klassifizieren lassen. Von insgesamt 2.853 antworteten 568
Unternehmen. In Abb. 6.4. werden die Beschäftigungserwartungen der Unternehmen differenziert
nach den einzelnen Sektoren aufgezeigt. Die Unternehmen wurden dabei entsprechend ihrer Beschäftigtenzahl gewichtet. Insgesamt ergibt sich ein negatives Bild und dies insbesondere für die Beschäftigungserwartungen in Industrie und Baugewerbe. Anbieter unternehmensnaher Dienstleistungen erwarten dagegen zum Teil starke Beschäftigungszuwächse, während Firmen im Bereich sonstiger
Dienstleistungen von einer eher konstanten Beschäftigungslage ausgehen. Innovationsanstrengungen
von Unternehmen stehen mit den geäußerten Erwartungen über die Beschäftigungsentwicklung in
einem durchweg positiven Zusammenhang. Junge Unternehmen erwarten häufiger eine Beschäftigungszunahme als alte Unternehmen. Auch größere Unternehmen sind in ihren Erwartungen über die
Beschäftigungsentwicklung zumeist pessimistisch.
251
Siehe ZEW (1998).
127
Abbildung 6.4: Beschäftigungserwartungen saarländischer Unternehmen
Gewichtung nach Beschäftigtenzahl in Prozent
Beschäftigungserwartungen der saarländischen
Unternehmen 1997 - 1999
Sonstige DL
Unternehmensnahe DL
starke Zunahme
schwache Zunahme
Bau
bleibt konstant
schwache Abnahme
Industrie
starke Abnahme
0%
10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Quelle: ZEW (1998).
6.2.2
Neugründungen im Saarland
Seit Anfang der achziger Jahre ist ein Zuwachs in der Zahl der Selbständigen im Saarland erkennbar.
Im Vergleich zum westdeutschen Bundesdurchschnitt besteht allerdings auch weiterhin ein Defizit an
originären Gründungen (siehe Abb. 6.5). So zählte man im Saarland 1995 nur 30,4 Selbständige pro
1.000 Einwohner, während man in Westdeutschland durchschnittlich 35,8 Selbständige pro 1.000
Einwohner zählte.
· Im Vergleich zum westdeutschen Bundesdurchschnitt besteht ein Defizit an originären Gründungen. In dem Bereich der technologieintensiven Dienstleistungsbranchen befindet sich das
Saarland seit 1994 jedoch erkennbar in einem forcierten Aufholprozeß.
Mit dem Jahr 1996 kam es im technologieorientierten Dienstleistungssektor erstmals zu einer Verkürzung dieses Defizit: Die Gründungsintensität liegt in diesem Bereich seit 1996 über dem westdeutschen Durchschnitt.253
252
253
Für eine genauere Beschreibung siehe ZEW (1998), S. 45 f.
Siehe ZEW (1998):
128
Abbildung 6.5: Unternehmensgründungen pro 100.000 erwerbsfähige Personen
Originäre Gründungen in der Wirtschaft nach
Technologieklassen 1989 - 1996
Gründungen pro
100 000
120
101,5
100
87
Saarland
80
40
20
64,3
BRD West
60
10,3
8,3
50,5
17,8
19,5
0
ST
HT
SVG
TDL
Technologieklassen
ST :
HT :
SVG :
TDL :
Spitzentechnik
Höherwertige Technik
Sonstiges Verarbeitendes Gewerbe
Technologieintensive Diensleistungen
Quelle: ZEW (1998).
6.2.3
FuE und Innovationen
· Eine allgemeine Schwäche der saarländischen Wirtschaft ist vor allem im Bereich der Forschung und Entwicklung zu beklagen.
Dies dokumentieren die Abb. 6.6 - 6.8.254 Unabhängig davon, welchen der drei Indizes man der Analyse zugrunde legt, stets belegt das Saarland unter den westdeutschen Bundesländern den letzten
Platz. Differenziert man zwischen öffentlichen und privaten FuE-Aktivitäten, so ergibt sich für den
öffentlichen Bereich und insbesondere im Hinblick auf die Ausstattung der Hochschulen mit FuEPersonal ein positives Bild. Entsprechendes gilt in bezug auf die durch das Land Saarland getätigten
FuE-Ausgaben. Demnach investiert das Land Saarland im Vergleich zu anderen westdeutschen Ländern überdurchschnittlich in FuE.
254
Siehe Arbeitskammer (1998b).
129
Abbildung 6.6:
FuE-Personal-Index*
141
Baden-Würtenberg
Berlin (West)
141
118
Bayern
Hessen
106
Bremen
104
durchschnittlich
100
Hamburg
100
83
Rheinland-Pfalz
Niedersachsen
78
Nordrhein-Westfalen
75
Schleswig-Holstein
57
SAARLAND
42
0
20
40
60
80
100
120
140
160
*FuE Personal bezogen auf die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
Quelle: Arbeitskammer des Saarlandes (1998b).
Abbildung 6.7:
FuE-Ausgaben-Index*
157
Baden-Würtenberg
Bremen
150
Bayern
132
Berlin (West)
124
Hamburg
120
109
Hessen
durchschnittlich
100
Nordrhein-Westfalen
71
65
Rheinland-Pfalz
Niedersachsen
60
Schleswig-Holstein
50
SAARLAND
31
0
20
40
60
80
100
*FuE Ausgaben (Wirtschaft, Bund, Länder) bezogen auf Wohnbevölkerung
Quelle: Arbeitskammer des Saarlandes (1998b).
Abbildung 6.8:
130
120
140
160
Patentanmeldungen-Index*
Baden-Würtenberg
153
Bayern
145
107
Hessen
durchschnittlich
100
Rheinland-Pfalz
98
Nordrhein-Westfalen
83
Hamburg
82
Berlin (West)
59
Niedersachsen
54
Bremen
39
Schleswig-Holstein
37
SAARLAND
35
0
20
40
60
80
100
120
140
160
*Patentanmeldungen bezogen auf Wohnbevölkerung
Quelle: Arbeitskammer des Saarlandes (1998b).
Reduziert man dagegen den FuE-Ausgaben-Index alleine auf die saarländische Wirtschaft, so erreicht
dieser nur 16 Prozent des westdeutschen Durchschnitts.
· Die Forschungsanstrengungen privater Unternehmen fallen damit weit hinter den westdeutschen Bundesdurchschnitt zurück.
Kontrolliert nach Unternehmensgröße und Wirtschaftszweigzugehörigkeit255 kann man den saarländischen Unternehmen jedoch unter den Produkt- und Prozeßinnovatoren wie auch unter den Unternehmen mit Marktneuheiten sogar weitaus höhere Anteile zurechnen als Unternehmen anderer westdeutscher Bundesländer. Diese Innovationen werden innerbetrieblich jedoch nur unzureichend umgesetzt
und schlagen sich nicht in einer höheren Produktivität der Unternehmen nieder.256
Im Saarland werden Produktinnovationen im wesentlichen von vier innovationsintensiven Wirtschaftsbereichen getragen:257
1. Im Bereich der Informationstechnik und insbesondere in der Softwareindustrie existieren mittlerweile etwa 70 Firmen, die insgesamt 1.400 Arbeitsplätze bereitstellen. Viele dieser Unternehmen
entstanden als Ausgründung aus einer Hochschule oder Forschungseinrichtung. Es handelt sich um
sogenannte „spin-offs“, die i.d.R. stark von einer öffentlichen Förderung profitieren konnten.
255
256
257
Dies geschieht auf Grundlage der bundesweiten Erhebung des ZEW „Innovationspanel 1996“.
Siehe ZEW (1998).
Siehe Arbeitskammer des Saarlandes (1997).
131
2. Im Bereich des Bergbaus wurden Zulieferer- und Ausrüstungsbetriebe gegründet. Ziel dieser
Gründungen ist v.a. auch die Fortentwicklung der Bergbautechnik, die Suche nach neuen Anwendungsfeldern sowie die Erschließung neuer Absatzmärkte insbesondere auch im Ausland.
3. Im Bereich der Stahlindustrie entstanden Gießerei- und Verformungsindustrien, die sich auf die
Befriedigung spezialisierter Kundenbedürfnisse konzentrieren.
4. In den Bereichen Werkzeug- und Maschinenbau sowie in der Automationstechnik entdeckten Unternehmen Marktnischen, die sie zu ihrem Vorteil nutzen konnten. Unternehmen in diesen Bereichen sind oft auf die Zulieferung der Automobilindustrie ausgerichtet.
· Es fällt auf, daß sich das Saarland in seinem Umstrukturierungsprozeß sehr stark an seinen
bisherigen Kernbereichen orientiert.
Zum einen erleichtert dies den Übergang, da Beschäftigte nicht in die Arbeitslosigkeit entlassen werden müssen, sondern auf Basis ihrer spezifischen Ausbildung und Berufserfahrung in verwandten
Bereichen eingesetzt werden können, gleichzeitig aber mit dazu beitragen, diese Bereiche wettbewerbsfähiger zu gestalten und zu modernisieren. Die temporäre Arbeitslosigkeit kann damit in ihrer
Höhe begrenzt werden.
Gerade Unternehmen der Gruppen 2-4 beschäftigen wenig professionelles FuE-Personal, sind aber
trotzdem hoch innovativ. Ein Nachteil ist jedoch, daß auch diese Arbeitsplätze über einen noch sehr
langen Zeitraum sehr stark von der jetzigen Industrie abhängig sind. Ein konsequenter Wandel in der
Wirtschaftsstruktur des Saarlandes kann damit alleine also nicht erreicht werden, sondern wird eventuell sogar verzögert. Auch wenn sich die saarländische Wirtschaft auf ihre bisherigen Kernkompetenzen stützen muß, um den Übergang in eine moderne Wirtschaftsregion allgemein sozialverträglich
zu meistern, so erscheint der Aufbau neuer Wirtschaftsbereiche in den innovativen Wachstumsbranchen der Dienstleistungen und Informationstechnologie als nur zwei Beispiele mittel- und langfristig dennoch als unbedingt notwendig. So können hoch qualifizierte Arbeitsplätze dauerhaft geschaffen werden.
Qualifizierte Arbeitsplätze in Zukunftsbranchen können durch Existenzgründungen, durch Aquirierung von Unternehmen außerhalb des Saarlandes und durch eine Stärkung der Innovationskraft der
bereits ansässigen jungen und kleinen Unternehmen geschaffen werden. Im Hinblick auf die verschiedenen Standortfaktoren empfinden saarländische Unternehmen am häufigsten die Hochschul- und
Forschungseinrichtungen sowie die Qualifikation der Arbeitskräfte als im Saarland besonders güns-
132
tig.258 Dies gilt jedoch nicht in allen Bereichen. Widersprüchliche Aussagen erhält man insbesondere
für moderne wachstumsstarke Branchen, die im Saarland bislang noch unterrepräsentiert sind. Hier ist
es notwendig, die Attraktivität des Saarlandes als Wirtschaftsstandort wie auch als Lebens- und Arbeitsmittelpunkt nach außen zu kommunizieren und qualifizierte Arbeitskräfte in das Saarland zu
ziehen.
6.2.4
Initiativen der öffentlichen Förderung
Als das größte Hemmnis für Innovationsaktivitäten beklagen saarländische Unternehmen einen
Mangel an Eigenkapital. Dies geben 31 Prozent der vom ZEW befragten Firmen zur Antwort.259
Wagnisfinanzierte Investitionen im Saarland liegen unter dem westdeutschen Durchschnitt. Hierauf
reagierte man im Saarland im November 1998 mit der Gründung der Saarländischen Wagnisfinanzierungsgesellschaft (SWG). Ihr Stammkapital in Höhe von 11 Millionen Mark wurde von der SaarLB
und den Saar-Sparkassen (7 Mio.), dem Genossenschaftssektor (3 Mio.) sowie der TBG260 (1 Mio.)
bereitgestellt. In ihrer strategischen Ausrichtung konzentriert sich die SWG alleine auf die finanzielle
Unterstützung technologieintensiver junger Unternehmen. Ihre Geschäftspolitik unterliegt keinem
politischen Auftrag, wenngleich sie ihre Tätigkeit regional auf das Saarland begrenzt und damit eine
Stärkung der saarländischen Wirtschaft anstrebt und die Schaffung von Arbeitsplätzen im Saarland als
ein Unterziel verfolgt. Primär arbeitet die SWG jedoch gewinnorientiert. Die SWG befindet sich noch
in der Anfangsphase ihrer Tätigkeit.
· Die SWG geht ausschließlich stille Beteiligungen ein, ohne dabei im Regelfall ein aktives Mitspracherecht im Unternehmen auszuüben. Eine intensive begleitende Beratungsleistung wird
durch die SWG selbst nicht erbracht.
Aufgrund der noch mangelnden Erfahrung und der bescheidenen Personalressourcen wäre dies der
SWG zumindest zum gegebenen Zeitpunkt auch nicht möglich. Die aktive Rolle in der Betreuung
einer Gründungsinvestition übernimmt dann nach dem Modell des „Lead-Investors“ eine zweite Beteiligungsgesellschaft, deren Sitz i.d.R. jedoch außerhalb des Saarlandes und u.U. in weiter Entfernung liegt. Damit sind die SWG, die TBG und der „Lead-Investor“ in den meisten Fällen jeweils zu
etwa einem Drittel am Beteiligungsvolumen eines Unternehmens beteiligt.261
Neben der SWG soll auch die Saarländische Kapitalbeteiligungsgesellschaft zu einer Verkürzung der
Eigenkapitallücke saarländischer Unternehmen beitragen. Sie engagiert sich aber nahezu ausschließ-
258
259
260
261
Siehe ZEW (1998).
Siehe ZEW (1998).
Technologie-Beteiligungs-Gesellschaft mbH (siehe Kap. 3.2.7)
Informationen aus einem Gespräch mit der SWG.
133
lich in traditioneller Manier in etablierten Unternehmen. Darüber hinaus unterstützt die öffentliche
Hand und insbesondere das Bundesland Saarland eine Vielzahl weiterer Initiativen, welche auf die
Unterstützung von jungen Unternehmen und Existenzgründungen hin ausgerichtet sind. So bietet
bspw. die Gründungsinitiative Saar262 für Existenzgründer eine kostenlose Beratung an. Das Starterzentrum für Existenzgründungen der Universität des Saarlandes richtet sich mit einem breiten Unterstützungsangebot an Absolventen und wissenschaftliche Mitarbeiter, welche ein eigenes Unternehmen
gründen wollen. Im Vordergrund des Angebots stehen Infrastrukturleistungen sowie qualifizierende
Weiterbildungsmaßnahmen gerade auf betriebswirtschaftlichem Gebiet. Ebenfalls aufzuführen sind
eine Reihe namhafter Forschungseinrichtungen: DFKI - Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, MPI - Max-Planck-Institut für Informatik, ZIP - Zentrum für innovative Produktion,
INM - Institut für neue Materialien, IBMT - Fraunhofer Institut für Biomedizinische Technik, upt Gesellschaft für Umweltkompatible Prozeßtechnik, IzfP - Fraunhofer Institut für zer-störungsfreie
Prüfverfahren, IAI - Institut der Gesellschaft zur Förderung der angewandten Informationsforschung,
IBFI - Internationales Begegnungs- und Forschungszentrum für Informatik, Universität des Saarlandes, Hochschule für Technik und Wirtschaft und andere mehr. Als Technologietransferstellen sind
u.a. zu nennen: Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer - KWT - an der Universität des
Saarlandes, Fachhochschulinstitut für Technologietransfer, Zentrale für Produktivität und Technologie Saar - ZTP.
Unterstützung können junge Unternehmen auch im Rahmen einer Vielzahl von unterschiedlichen
Förderprogrammen des Landes, des Bundes und der EU finden. Nach der Studie des ZEW263 wurden
knapp 20 Prozent der befragten saarländischen Unternehmen von den Förderprogrammen erreicht.
Überraschenderweise kann dabei kein positiver Zusammenhang zwischen einem Mangel an Eigenkapital und der Teilnahme an einem Förderprogramm hergeleitet werden. Die multivariate Analyse bekräftigt dagegen einen signifikant positiven Zusammenhang zwischen der öffentlichen Förderung
durch Landesprogramme auf der einen Seite und Produktinnovationen und Beschäftigungswachstum
auf der anderen Seite.
7. Zusammenfassung und wirtschaftspolitische Implikationen
Eine dynamische Ökonomie erfordert ein hohes Niveau an innovativer Aktivität. Hierzu bedarf es
einer nachhaltigen Gründertätigkeit. Gerade der Markteintritt innovativer Unternehmen ist im Hinblick auf die Schaffung qualifizierter und dauerhaft sicherer Arbeitsplätze von herausgehobener Bedeutung. Um Wirtschaftswachstum zu fördern, ist es also wichtig, dem Prozeß der wirtschaftlichen
262
263
Es beteiligen sich: die Landesregierung, die Zentrale für Produktivität und Technologie Saar (ZPT), die Wirtschaftskammern sowie die Arbeitsverwaltung.
Siehe ZEW (1998).
134
Erneuerung nicht entgegenzustehen und dabei gleichsam auch die schrittweise Substitution von Arbeitsplätzen, die ihre Wettbewerbsfähigkeit über die Zeit hinweg eingebüßt haben, in Kauf zu nehmen. Mißerfolge können dabei nicht ausgeschlossen werden, sondern sind ein unvermeidbarer Teil
des Erneuerungsprozesses. Als Fallstudien tragen sie mit zur Entwicklung von Standards einer erfolgreichen Unternehmensgründung bei. Der Zuwachs an Erfahrung im Umgang mit Gründungsinitiativen beeinflußt die Flexibilität sowohl des Kapital- wie auch des Arbeitsmarktes in einer positiven Weise.
Oft wird in Deutschland eine mangelnde Gründungskultur beklagt. Dies trifft im besonderen auf das
Saarland zu. Unternehmen, die im Hinblick auf Wachstum, Innovation und Arbeitsplätze gesamtwirtschaftlich zwar von großer Bedeutung sind, finden ohne eine öffentliche Förderung nur schwer
einen hinreichenden Zugang zu externem Eigenkapital oder können zunächst nur mit einer öffentlichen Förderung auch auf einzelwirtschaftlicher Ebene rentabel arbeiten. Die Beispiele von Portugal
und Norwegen zeigen, daß es dem Staat durch eine aktive Förderpraxis möglich ist, entscheidend zur
Entwicklung eines effizient funktionierenden Marktes für Risikokapital beizutragen und damit eine
Welle von Unternehmensgründungen auszulösen.264 Den öffentlichen Entscheidungsträgern stehen
hierzu verschiedene Instrumente zur Verfügung, welche in unterschiedlicher Weise dazu geeignet
sind, den Strukturwandel im Wege einer forcierten Gründertätigkeit zu bewältigen. Dabei kommt der
Wagnisfinanzierung durch professionelle und spezialisierte Beteiligungsgesellschaften eine dreifache
Bedeutung zu:
· Mehr Geschäftspläne finden eine Finanzierung und können so realisiert werden. Dabei gelingt es den Wagniskapitalgesellschaften besser als anderen Finanzinstituten,
die wirklich aussichtsreichen Projekte zu identifizieren.
· Die Überlebenswahrscheinlichkeit jeder einzelnen Gründung steigt in Folge der aktiven Beratung und Unterstützung durch die Beteiligungsgesellschaft.
· Das Beschäftigungswachstum wagnisfinanzierter Neugründungen ist weitaus stärker
ausgeprägt als bei anderen Neugründungen: 10 Jahre nach Gründung liegt die
Beschäftigung wagnisfinanzierter Unternehmensgründungen in Abhängigkeit der
Branchenzugehörigkeit um bis zu etwa 100 Prozent über der Beschäftigung nicht
wagnisfinanzierter Gründungen.265
Die Förderpraxis in Deutschland setzt hauptsächlich an der Finanzierungsseite an. Es gibt eine Vielzahl von staatlichen Finanzierungshilfen für Existenzgründungen, die von speziellen Steuerbegünsti-
264
Siehe Jeng und Wells (1998).
135
gungen, subventionierten Darlehen und Bürgschaften bis hin zu Investitionszulagen reichen.266 Ein
Großteil dieser Förderungen hat allerdings nur wenig mit Wagnisfinanzierung zu tun, so wie sie hier
verstanden wird, nämlich als Paket von Eigenkapital und unternehmerischer Beratung. Angesichts der
Kosten für die Steuerzahler muß man sich sogar die Frage stellen, ob an dieser Stelle nicht zu viel
gefördert wird, und ob die Förderung die richtigen Projekte und Unternehmerpersönlichkeiten erreicht. Zwar lindert diese Art der Förderung den Kapitalmangel, leistet aber kaum Hilfe beim Problem
der mangelnden unternehmerischen Erfahrung als eine Hauptursache für vermeidbares, unternehmerisches Scheitern. Subventionen für Existenzgründungen können zwar durch spezielle Schulungsprogramme für Jungunternehmer ergänzt werden, doch können diese von der Anlage her nur allgemeiner
Natur und wenig praxisbezogen sein. Eine begleitende Kontrolle wird nicht geleistet.
Wagniskapitalgesellschaften haben dagegen den unschlagbaren Vorteil, daß sie Finanzierung, Beratung und Kontrolle aus einer Hand anbieten und schon durch die intensive Vorauswahl die erfolgversprechenden Projekte besser identifizieren und von den offensichtlichen Versagern absondern. Da die
Erfolgswahrscheinlichkeit der Unternehmensgründungen und damit der Ertrag der Finanzierungsgesellschaft entscheidend von der Qualität der Beratungs- und Kontrollaufgabe abhängt, hat diese einen
mächtigen Anreiz, diese Aufgaben intensiv wahrzunehmen. Renditeorientierte Finanzierungsgesellschaften sollten besser als Bewilligungsstellen öffentlicher Fördergelder in der Lage sein, Entscheidungen auf der Basis von Effizienzüberlegungen richtig zu treffen. Fondsmanager müssen über eine
signifikante Berufserfahrung in privatwirtschaftlichen Unternehmen verfügen. Der einzel- und gesamtwirtschaftliche Erfolg einer Beteiligungsgesellschaft wird entscheidend von den unternehmerischen Kompetenzen der Beteiligungsgesellschaft und der in der Praxis erprobten Industrieerfahrung
ihres Mannagements geprägt. Der volkswirtschaftliche Vorteil dieser Form von Wagnisfinanzierung
liegt damit in der gezielten Auswahl von erfolgversprechenden Projekten und in der Minimierung der
Verlustwahrscheinlichkeit durch Beratung und Kontrolle. Dadurch wird die Vergeudung von wertvollen Ressourcen wie Kapital und hochqualifizierter Arbeit durch vermeidbare Unternehmenszusammenbrüche so weit wie möglich vermieden.
Ziel der öffentlichen Institutionen muß es also sein, die Wagnisfinanzierung durch private und gewinnorientierte Beteiligungsgesellschaften zu stärken. Im Rahmen öffentlicher Fördermaßnahmen
sollte der Staat daher stets private Finanzierungsgesellschaften einbeziehen, welche Einzelfallentscheidungen treffen und Dienste in der Beratung und Kontrolle anbieten. Eine Umstrukturierung der
öffentlichen Fördermaßnahmen erscheint so aus ökonomischer Sicht als sinnvoll.
265
266
Siehe Hellmann und Puri (1998). Dieses Ergebnis bezieht sich auf Unternehmensgründungen in Silicon Valley. Aufgrund der für Gründungen überaus günstigen Rahmenbedingungen in Silicon Valley ist eine Verallgemeinerung jedoch
nicht ohne weiteres möglich.
Kußmaul und Maier (1998) geben eine systematische Übersicht.
136
· Die Förderpraxis in Deutschland setzt heute hauptsächlich an der Finanzierungsseite an.
· Dagegen sollte die Förderung aber weniger auf die personenbezogene Zuschußförderung der
Gründer ausgerichtet sein, als sich vielmehr auf die Förderung von Unternehmensbeteiligungen mit begleitender Beratung und Kontrolle durch die Beteiligungsgesellschaft konzentrieren.267
Zur Begrenzung von Mitnahmeeffekten sollte der Haftungsfreistellung, wie sie bspw. bereits mit dem
Risikokaptitalprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) institutionalisiert wurde,268 ein
stärkeres Gewicht beigemessen werden. Programme dieser Art tragen zusätzlich zu einer Entlastung
der öffentlichen Haushalte bei und erscheinen als Instrument der öffentlichen Förderung insbesondere
bei Investitionen, die einen vergleichsweise nur geringen Kapitalbedarf aufweisen, als angemessen.
Haftungsfreistellungen fördern damit Risikobereitschaft und unternehmerische Aktivität, während das
für die Durchführung einer Investition notwendige Kapital von privaten Investoren bereitgestellt wird.
Vor dem Hintergrund der staatlichen Bürgschaft ist ihr Ausfallrisiko begrenzt. Damit können sie eine
Finanzierung zu vergleichsweise günstigeren Konditionen anbieten.
Darüber hinaus erscheint es dringend erforderlich, den Markt für Risikokapital auf nationaler wie
auch auf europäischer Ebene durch geeignete Maßnahmen v.a. in der Ausgestaltung des Steuersystems und der institutionellen Rahmenbedingungen zu beleben. Bei der Besteuerung der Beteiligungsgesellschaften muß zunächst einmal dafür gesorgt werden, Steuertransparanz sicherzustellen.
Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, müssen Einkommen und Wertsteigerungen so behandelt
werden, als ob sie direkt den Anteilseignern der Beteiligungsgesellschaft zufließen würden. Der Gesetzgeber ist gehalten, eine steuerliche Zusatzbelastung, die alleine aufgrund der Tatsache beruht,
einen Intermediär einzuschalten, auszuschließen. Während Beteiligungsgesellschaften, die den besonderen Bedingungen des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (UBGG) genügen,
von der Vermögens- und der Gewerbesteuer befreit sind, trifft dies für die Mehrzahl deutscher Beteiligungsgesellschaften nicht zu. Es ist fraglich, ob die umfangreichen Anforderungen an eine Unternehmensbeteiligungsgesellschaft durch die statusspezifischen Vorzüge einer steuerlichen Gleichbehandlung mit direkten Beteiligungen aufgewogen werden können: Unternehmensbeteiligungsgesellschaften machen nur einen Anteil von etwa 15 Prozent aller deutschen Beteiligungsgesellschaften
267
268
So wurde bspw. im Juli 1997 unter dem Namen I-TEC (Innovation and Technology Equity Capital) ein Pilotprojekt
begründet, das finanziert durch den Europäischen Investmentfonds Wagniskapitalgesellschaften unterstützt, die sich in
ihrer Geschäftstätigkeit auf Unternehmen der Technologiebranche und auf frühe Phasen der Finanzierung konzentrieren.
Voraussetzung zu einem Zugang zu diesen Mitteln ist, daß mindestens 25 Prozent des Fondsvolumens in solche Projekte
investiert werden. Ein neues Projekt unter dem Namen „Crea“ soll für Risikokapitalfonds bis Ende 2000 insgesamt 8
Mio. Euro bereitstellen.
Vgl. Kapitel 3.2.7. Ähnliche Programme könnten auch auf Landesebene implementiert werden.
137
aus.269 So sollte eine Liberalisierung in den Anforderungen angestrebt werden. Die Privilegien der
Unternehmensbeteiligungsgesellschaften, die ausnahmslos als Aktiengesellschaft zu führen sind, sollten für ein breites Spektrum an Finanzierungsgesellschaften - auch anderer Rechtsformen wie der
GmbH und GmbH & Co. KG - geöffnet werden.
Da die Erträge der Finanzierungsgesellschaften im wesentlichen erst beim Verkauf der Beteiligungen
an andere Unternehmen oder bei der Börseneinführung realisiert werden, sind insbesondere die
Bestimmungen zur Besteuerung der Wertzuwächse relevant. Steuerliche Nachteile, insbesondere bei
den Gewinnen aus der Veräußerung von Beteiligungen, sind zu beheben. Dazu sollten Ausschüttungen entsprechender Gewinne von der Körperschaftssteuer befreit werden. In der derzeitigen Besteuerungspraxis ist eine solche Befreiung noch nicht vorgesehen, was die Einschaltung einer Beteiligungsgesellschaft als Intermediär gegenüber einer Direktbeteiligung steuerlich schlechter stellt. Für
Beteiligungsgesellschaften sollten daher einfache Regelungen zur Freistellung von der Kapitalgewinnbesteuerung gesetzlich verankert werden. Heute überwiegen jedoch noch die steuerlichen
Nachteile der Beteiligungsfonds als eine alternative Möglichkeit der Kapitalanlage. Steuerliche Begünstigungen und bestehende Sonderabschreibungsmöglichkeiten lassen andere Anlageformen als für
den privaten Kapitalanleger attraktiver erscheinen. Gerade wegen des hohen Risikos von Beteiligungen an neu gegründeten Unternehmen ist aber sicherzustellen, daß sich der Staat nicht nur einseitig an
den Gewinnen beteiligt, sondern auch an den Verlusten. Dem Verlustausgleich kommt daher besondere Bedeutung zu und sollte bei der Kapitalgewinnbesteuerung Berücksichtigung finden.
Um größere Mitnahmeeffekte zu verhindern, müßte allerdings eine Begünstigung von Wertzuwächsen
auf Beteiligungsgesellschaften beschränkt werden. Ferner erscheint eine Eingrenzung des Begünstigtenkreises auf Beteiligungsgesellschaften mit einem hinreichend großen Portfolio an Minderheitsbeteiligungen und einem Gesellschafterkreis aus mehreren unabhängigen Gesellschaften als sinnvoll.
Mitnahmeeffekte durch Holdings werden dadurch weitgehend ausgeschlossen.270 Ob allerdings neben
der gesetzlich verankerten Form der Unternehmensbeteiligungsgesellschaft noch ein weiterer, rechtlich geschützter Begriff der „Wagniskapitalgesellschaft“ eingeführt werden soll, wie es das Bundeswirtschaftsministerium zur genauen Definition des Begünstigtenkreises vorschlägt271, dies bleibt dem
Gesetzgeber überlassen.
· Es besteht ein dringender Bedarf, bei der Besteuerung von Beteiligungsgesellschaften Steuertransparenz sicherzustellen.
269
270
271
Vg. Kapitel 3.2.2.
Siehe Schefczyk (1998): 379.
Siehe BMWi (1997).
138
· Der Staat sollte Wagnisfinanzierungen, die über eine Finanzierungsgesellschaft getätigt werden, den direkt getätigten Wagnisfinanzierungen gleichstellen. Eine Doppelbesteuerung, die alleine auf der Einschaltung eines Intermediärs beruht, ist zu vermeiden.
· Beteiligungsfonds sollten als Kapitalanlage alternativen Anlagemöglichkeiten steuerlich gleichgestellt werden. Darüber hinaus gehende Begünstigungen würden den Beteiligungsgesellschaften die Kapitalaquisition zusätzlich erleichtern.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für Wagnsikapital ist ein aktiver Markt für Unternehmensbeteiligungen, auf dem Beteiligungsgesellschaften am Ende der Investitionsperiode ihre Anteile verkaufen
und die Wertsteigerungen realisieren können. Dazu gehören Spezialbörsen für Ersteinführungen junger Unternehmen wie der jüngst geschaffene „Neue Markt“ an der Frankfurter Börse mit erleichterten
Zugangsbedingungen wie bspw. hinsichtlich des Mindestemissionsvolumens, der Publizitätspflicht
oder des Ausmaßes des Streubesitzes. Gerade für die erfolgreichsten Beteiligungsunternehmen wird
üblicherweise der Weg einer Ersteinführung an der Börse gewählt. Auf europäischer Ebene wird auch
für die Zukunft eine weitere Verbesserung in der Kooperation der nationalen Börsen angestrebt. Dabei wurde durch die Einführung der einheitlichen Währung das Wechselkursrisiko abgeschafft und
damit die Verbindung der Finanzmärkte auch in Folge von mehr Transparenz erleichtert. Daneben
sind Informationsbörsen und Zweitmärkte notwendig, um den Direktverkauf an große Unternehmen
und andere Interessenten zu erleichtern.272 Internet und Electronic Business eröffnen kleinen und mittleren Unternehmen große Chancen. Auf europäischer Ebene ist ferner der Aufbau eines Netzwerkes
für Startkapitalfonds geplant, das den Austausch vorbildlicher Praktiken und Erfahrungen erleichtert
und unterstützt und darüber hinaus Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für Fondsmanager anbietet.
In anderen Ländern wie etwa den USA oder Großbritannien gehören Pensionsfonds zu den größten
Geldgebern für Beteiligungsgesellschaften. In Deutschland könnte der Markt für Beteiligungskapital
belebt werden, wenn die Deckungsmittel für die betriebliche Altersversorgung, die bisher in Form von
Pensionsrückstellungen im Unternehmen verbleiben, auf den Kapitalmarkt gelenkt würden. Zu diesem
Zweck könnte die steuerliche Abzugsfähigkeit von Pensionsrückstellungen aufgehoben und durch
eine einheitliche Abzugsfähigkeit betrieblicher Prämienzahlungen an spezialisierte Finanzinstitute wie
Pensionsfonds und Lebensversicherungen ersetzt werden.273 Gleichzeitig wären die Anlagevorschriften stärker zu liberalisieren, um die Veranlagung in Unternehmensbeteiligungen neben festverzinslichen Wertpapieren und anderen Schuldtiteln zu fördern.
· Die Weiterentwicklung von Spezialbörsen sowie die Etablierung nationaler und europäischer
Informationsbörsen und anderer Netzwerke können in erheblichem Ausmaß zu einer Belebung
272
273
Siehe dazu ausführlich BMWi (1997).
Dieser Vorschlag stammt vom BMWi (1997).
139
des Risikokapitalmarktes und damit zu einer Effizienzsteigerung bei der Finanzierung von Unternehmensgründungen beitragen.
· Auch die verstärkte Ausrichtung privater Pensionsfonds auf den Risikokapitalmarkt als Anlagemöglichkeit kann diesem Zweck dienen. Entsprechende Anreize können durch eine Änderung
in der steuerlichen Behandlung von Pensionsrückstellungen gesetzt werden.
Im Gegensatz zu den bisher aufgeführten Fördermaßnahmen, die nahezu ausnahmslos eine Intervention auf bundesstaatlicher Ebene erfordern, sind die Handlungsmöglichkeiten zur Förderung der
Wagnisfinanzierung durch Beteiligungsgesellschaften auf regionaler Ebene begrenzt. In der Zukunft
wird die Festlegung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen immer mehr auf die europäische
Ebene verlagert werden. Von den oben aufgeführten Maßnahmen können auf Landesebene eigenständig lediglich entsprechende Programme der Haftungsfreistellung implementiert werden. Die Kapitalbeteiligungsgesellschaften in Deutschland investieren aber zumeist erst in späteren Phasen der Unternehmensgründung, nachdem das Unternehmen schon einige Jahre existiert. Da auch die Risikokapitalbranche zur Agglomeration neigt und die Effektivität der Wagnisfinanzierung in Ballungszentren
am größten ist, neigen private Kapitalbeteiligungsgesellschaften i.d.R. dazu, die Finanzierung von
Existenzgründungen in strukturschwachen Gebieten zu meiden. Eine erfolgreiche Unternehmensgründung ist in diesen Gebieten nur mit einem höheren Ressourceneinsatz möglich. Damit kann zumeist
nur eine geringere Rendite des investierten Kapitals erzielt werden. Dieses Defizit in der Frühphasenfinanzierung stellt für Regionen, die sich in einem größeren Strukturwandel befinden, ein nur sehr
schwer und nur mit staatlicher Unterstützung zu bewältigendes Problem dar. Es ist diesen Regionen
nur bedingt möglich, aus eigener Kraft die Wirtschaft anzukurbeln und einen sich selbst tragenden
Prozeß an wirtschaftlicher Aktivität zu starten.
Eine mögliche Abhilfe wäre die Einrichtung von staatlich finanzierten Beteiligungsgesellschaften mit
dem expliziten Auftrag, Wagnisfinanzierung für die ersten Phasen der Unternehmensgründung in der
betreffenden Region bereitzustellen. Diese müßten allerdings ihren Namen wirklich verdienen und
ihre Einflußmöglichkeiten in den Beteiligungsunternehmen aktiv ausschöpfen. Wie sonst kaum ist in
der Wagnisfinanzierung unternehmerische Erfahrung und Managementkompetenz gefragt, damit
durch Auswahl, Beratung und Kontrolle der Beteiligungsunternehmen deren Erfolgswahrscheinlichkeit maximiert wird. Für den Erfolg der staatlichen Beteiligungsgesellschaften ist daher die Qualität
der Fondsmanager und deren eigene, unternehmerische Erfahrung ausschlaggebend. Idealerweise
werden diese von privaten Unternehmensberatungen rekrutiert und deren Anreize durch entsprechende Erfolgsbeteiligungen sichergestellt.
Die Gründung der Saarländischen Wagnisfinanzierungsgesellschaft (SWG) ist sicherlich ein geeigneter Ansatzpunkt. Abgesehen von ihrer regionalen Ausrichtung unterliegt sie keinem öffentlichen Auftrag und arbeitet wie andere private Finanzierungsgesellschaften renditeorientiert. Gemäß ihrer Geschäftpolitik engagiert sich die SWG hauptsächlich in Unternehmen technologieintensiver
140
Branchen. Die SWG nahm erst im vergangenen Jahr ihre operative Tätigkeit auf. Ein schneller Erfolg
der SWG ist daher nicht zu erwarten, sondern wäre vor dem Hintergrund ihrer strategischen Ausrichtung eher als ein negatives Zeichen zu bewerten. Auch ist es der SWG aufgrund der knappen Personalressourcen zum gegebenen Zeitpunkt (noch) nicht möglich, selbst begleitende Beratungsdienstleistungen wahrzunehmen. Diese müssen durch externe Finanzierungsgesellschaften, welche ihren
Geschäftssitz außerhalb des Saarlandes haben, erbracht werden. Gerade aber im Hinblick auf die Kontrolle und Beratung von Unternehmen stellt die räumliche Nähe einen wichtigen Faktor dar, der die
Effektivität dieser Dienstleistungen entscheidend mit beeinflußt. Dies ist durch empirische
Evidenz belegt. Ein kontinuierlicher Ausbau der SWG sollte daher angestrebt werden, um künftig
selbst die Rolle des „Lead-Investors“ ausfüllen zu können. Ihre beiden leitenden Mitarbeiter rekrutierte die SWG zum einen aus dem Finanzdienstleistungssektor und zum anderen aus dem naturwissenschaftlich-technischen Bereich der Privatwirtschaft. Eine Verstärkung der Managementkompetenz der
SWG im Wege der Beschäftigung von weiteren Mitarbeitern, welche über eine langjährige Erfahrung
in einer leitenden Position insbesondere im Management privater Unternehmen verfügen, erscheint
für die Weiterentwicklung der SWG und zur Unterstützung ihrer bereits vorhandenen Ressourcenausstattung an Humankapital jedoch als sinnvoll und ratsam. Der SWG wird es dann besser möglich sein,
in der Rolle des „Lead-Investors“ ihr spezifisches Know-How über die saarländische Wirtschaft und
die im Saarland vorgegebenen Rahmenbedingungen wie auch ihre lokalen Kontakte aktiv umzusetzen
und damit einen produktiven Beitrag zum Erfolg eines Portfolio-Unternehmens zu leisten.
Eine etablierte Wagnisfinanzierungsgesellschaft wird es dann jedoch schwer haben, ihre Kapazitäten
alleine durch die Betreuung von Gründungsinitiativen im Saarland zu erschöpfen. Die SWG befindet
sich allerdings erst in ihrem Aufbau und frühen Wachstum. Indem sie eine aktive Rolle bei der Kontrolle und Beratung saarländischer Unternehmensgründungen wahrnimmt, kann sie zusätzliche Erfahrung und Kompetenz erlangen. In einem späteren Entwicklungsstadium kann sie ihre Geschäftstätigkeit dann eventuell auch auf andere (angrenzende) Regionen ausdehnen, dabei neue Kooperationen
anregen und weitere Kontakte knüpfen, welche für die hiesigen Unternehmensgründungen durchaus
von Vorteil sein können. Im Wege dieser Entwicklung sollte es der SWG dann möglich sein, verstärkt
auf die existierenden Instrumente der Wagnisfinanzierung zurückzugreifen, die sich international in
der Praxis der Wagnisfinanziers zur Unterstützung und Wahrnehmung der drei zentralen Funktionen
einer Beteiligungsgesellschaft, nämlich der Auswahl, Kontrolle und Beratung, bewährt haben. Finanzierungsverträge müssen projektspezifisch ausgestaltet und modifiziert werden. Die verhaltenssteuernde Wirkung der zur Verfügung stehenden Finanzierungsinstrumente der Beteiligungs- und Kreditfinanzierung ist dabei zweckmäßig auszuschöpfen. Dynamische Elemente, wie sie das „vesting“274
beinhalten, schaffen für den Unternehmer zusätzliche motivierende und disziplinierende Anreize.
274
„Vesting“ ist die schrittweise Übertragung von Unternehmensanteilen an den Unternehmer über die Zeit der Projektentwicklung hinweg. Dabei kann die Übertragung von Unternehmensanteilen vom Erfolg des Projektes abhängig gemacht
werden. Für eine detaillierte Analyse siehe Kapitel 4.3.5.
141
Insbesondere sollte von der vertraglichen Verankerung von Wandelrechten in effizienter Art und
Weise Gebrauch gemacht werden. Wie gezeigt werden konnte, stellt der Erwerb von wandelbaren
Titeln ein für eine Beteiligungsgesellschaft mächtiges Instrument dar, das es ihr erlaubt, in Abhängigkeit der spezifischen und tatsächlich realisierten Projektentwicklung auf die Ausgestaltung der Rückzahlungsflüsse und damit auf die Gewinnverteilung, aber auch auf die Zuordnung von Kontroll- und
Entscheidungsbefugnissen Einfluß zu nehmen. Die Ausgabe von wandelbaren Titeln ist dabei keineswegs alleine auf Aktiengesellschaften beschränkt und ist in der US-amerikanischen Praxis der Wagnisfinanzierung ein gebräuchliches Instrument. Andere Vertragsklauseln wie die Vereinbarung von
Exklusivrechten an der Finanzierung eines Projektes oder die Festschreibung einer "buyout“-Option
ergänzen und vervollständigen die Wirkung der unterschiedlichen Finanzierungsformen. Erst mit Hilfe dieser Instrumente ist es der Beteiligungsgesellschaft möglich, die wirklich aussichtsreichen Projekte sicher zu identifizieren und die Erfolgschancen der von ihr finanzierten Projekte zu maximieren.275 Im Wege der typischen stillen Beteiligung aber, wie sie zur Zeit noch von der SWG präferiert
und auch praktiziert wird, ist dies i.d.R. nicht möglich.
Es ist wichtig, die Tätigkeit der SWG durch flankierende Maßnahmen zu unterstützen. Gerade von
Forschungseinrichtungen und Universitäten gehen oft wichtige Impulse aus, welche die Gründungsaktivität in einer Region anregen. Forschungszweige, welche in Verbindung mit wachstumsstarken Zukunftsbranchen stehen, sollten ausgebaut werden. Aber auch eine gewisse Vielfalt vermag
die Attraktivität eines Standortes für wichtige Industrien zu erhöhen.276 Zudem ist zu beachten, daß
ein Strukturwandel kein einmaliges Phänomen ist, sondern sich stetig über die Zeit hinweg bzw. in
größeren Wellen vollzieht. Es ist daher wichtig, die Organisationsstrukturen der öffentlichen Forschungseinrichtungen dem Erfordernis anzupassen, auf Änderungen in der Nachfrage nach spezifischen Forschungs- und Ausbildungsleistungen flexibel und zeitnah in Selbstverwaltung und kompetetiv zu anderen Forschungseinrichtungen reagieren zu können. Nur dann stehen auch der Privatwirtschaft qualifizierte Arbeitskräfte mit dem gewünschten Anforderungsprofil zur Verfügung.277 Kann
dieser Bedarf in der nahen Zukunft noch nicht alleine vor Ort gedeckt werden, so ist es notwendig,
qualifizierte Arbeitskräfte von außen in das Saarland zu ziehen.278 Auch diese können durch den
Transfer von wertvollem Know-How zur wirtschaftlichen Entwicklung des Saarlandes und zum Aufbau und zur Vertiefung eines spezialisierten Arbeitsmarktes beitragen. Es ist jedoch empirisch belegt,
daß gerade auch Arbeitsmarktrigiditäten einen Hauptgrund für das Schattendasein der Wagnisfinan-
275
276
277
278
Dabei sollte die Unterstützung durch die Finanzierungsgesellschaft als ein positiver Faktor für die Unternehmensentwicklung und damit für den Gründer selbst betrachtet und auch nach außen kommuniziert werden.
Siehe Büttner (1999).
In der Tat ist es ungemein schwer, Arbeitsplätze für nicht oder nur gering qualifizierte Arbeitskräfte zu schaffen. Unter
anderem sind hierfür asymmetrische Lohnstarrheiten, die hauptsächlich auf die Implementierung von Flächentarifverträgen zurückzuführen sind, als verantwortlich anzuführen. Zwar liegen in vielen Teilen Deutschlands die effektiv gezahlten
Löhne und Gehälter über dem tariflich vereinbarten Niveau, sie sind aber in wirtschaftlichen Notzeiten einzelner Unternehmen oder Unternehmen einer gesamten Region nach unten hin nicht flexibel: siehe Büttner (1999).
So beklagte bspw. die SWG, daß es einem ihrer Portfolio-Unternehmen nicht möglich war, über eine Stellenausschreibung im Saarland qualifizierte Mitarbeiter im Bereich der EDV zu gewinnen.
142
zierung in Europa und in Deutschland darstellen und die Investitionstätigkeit insbesondere in den
frühen Phasen der Unternehmensentwicklung negativ beeinflussen.279 So verhindert das generelle
Problem einer mangelnden Arbeitsmobilität in Deutschland die schnelle Bewältigung auftretender
Strukturprobleme. In den USA dagegen stellt die Wanderung von Arbeitskräften in Reaktion auf eine
Änderung der regionalen Arbeitslosigkeit den dominanten Mechanismus zum Ausgleich von regionalen Ungleichgewichten dar:280 Dabei wird ein negativer Beschäftigungsschock in einer Region bei
einer mittel- und langfristig konstanten Quote der Erwerbsbeteiligung und unveränderten Arbeitslosenrate bis zu 65 Prozent alleine durch Migartion ausgeglichen. Die Erfahrungen aus den USA belegen die herausragende Bedeutung, welche ein intensiver Austausch zwischen den regionalen Arbeitsmärkten für die Bewältigung regionaler Strukturprobleme hat, indem es auf der einen Seite zu
einem „Import“ von Spezialisten in strukturschwache Regionen kommt, auf der anderen Seite aber
freigesetzte Ressourcen mit einem in diesen Regionen nur noch in minderem Maße nachgefragten
Qualifikationsprofil einen starken Anreiz haben, auch an anderen Wirtschaftsstandorten nach einer
Beschäftigung zu suchen.
· Die Gründung einer öffentlich geförderten Wagniskapitalgesellschaft ist eine der wenigen Fördermaßnahmen, mit Hilfe derer ein Bundesland eigenständig die Entwicklung des regionalen
Risikokapitalmarktes durch Beteiligungsgesellschaften und damit die regionale Gründungsaktivität effizient zu unterstützen vermag.
· Die Gründung der Saarländischen Wagnisfinanzierungsgesellschaft (SWG) ist ein geeigneter
Ansatzpunkt der wirtschaftspolitischen Intervention.
· In Zukunft sollten die Kompetenzen der SWG verstärkt ausgebaut werden. Insbesondere erscheint es bedeutsam, zusätzliche Managementkompetenz zu aquirieren. Dann ist es der SWG
besser möglich, ihr spezifisches Know-How über die saarländische Wirtschaft auch als „LeadInvestor“ voll auszuschöpfen und damit selbst einen produktiven Beitrag zur erfolgreichen
Entwicklung ihrer Portfoliounternehmen zu leisten.
279
280
Siehe The Economist /1/15/97), Sahlman (1990) ebenso wie Jeng und Wells (1998).
Siehe Blanchard und Katz (1992). Decressin und Fatás (1995) führen analog zu der von Blanchard und Katz durchgeführten Studie eine Untersuchung für Europa durch. Als Ergebnis ihrer Studie unterstreichen sie im Hinblick auf die Anpassung von Beschäftigungsschocks die stärkere Bedeutung der Änderung in der Erwerbsbeteiligung bspw. durch Vorruhestandsprogramme oder etwa durch einen Rückgang in der Frauenbeteiligung.
143
· Die SWG stellt zum heutigen Zeitpunkt Kapital ausschließlich im Rahmen von stillen Beteiligungen zur Verfügung. Sie verzichtet damit jedoch auf die existierenden und auf die erfolgreiche Realisierung von Firmengründungen ausgerichteten Instrumente, wie sie bspw. wandelbare
Titel als ein mögliches Finanzierungsinstrument darstellen. Diese Instrumente haben sich in
der internationalen Praxis der Wagnisfinanziers bewährt: Die Überlebenswahrscheinlichkeit
und das Beschäftigungswachstum solcher Projekte sind größer als die anderer Gründungen.
Wagnisfinanzierung, die ihren Namen verdient, muß an jenen Engpässen ansetzen, unter denen die
Existenzgründer am meisten leiden und die den Erfolg einer Unternehmensgründung nachhaltig zu
beeinträchtigen drohen: fehlendes Risikokapital und mangelnde unternehmerische Erfahrung. Beteiligungsgesellschaften müssen genügend Managementkompetenz haben, damit sie die häufig vorhandene „Managementlücke“ der Gründer beheben können. Dann kann Wagnisfinanzierung durch Auswahl, Beratung und Kontrolle dazu beitragen, die Erfolgswahrscheinlichkeit und das Wachstum von
neu gegründeten Unternehmen erheblich zu steigern. Gerade für Regionen mit größerem wirtschaftlichen Rückstand könnte eine aktive Wagnisfinanzierung angesichts der Innovationsfähigkeit und der
Wachstumschancen junger Technologieunternehmen den Strukturwandel unterstützen und den Aufholprozeß beschleunigen.
144
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