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LÄNDER auswirkungen von studiengebühren ein vergleich der bundesländer nach studierenden-

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LÄNDER auswirkungen von studiengebühren ein vergleich der bundesländer nach studierenden-
LÄNDERCH ECK
lehre und forschung im föderalen wettbewerb
september 2010
auswirkungen von studiengebühren
ein vergleich der bundesländer nach studierendenzahlen und ihrer sozialen zusammensetzung
Im Vergleich der Bundesländer mit und
ohne Studiengebühren lassen sich kaum Belege für eine abschreckende Wirkung der Gebühren finden. Das gilt sowohl für zahlen-
mäßige Veränderungen bei den Studieren-
den als auch für die Entwicklung der sozialen Zusammensetzung.
Unter den westdeutschen Ländern ist
Hamburg der Gewinner des Länderchecks.
Hamburg konnte sowohl mehr Studierende
insgesamt anziehen als auch die Beteiligung
finanziell schlechter gestellter oder bil-
dungsferner Gruppen verbessern – trotz Studiengebühren. Kein anderes westdeutsches
Land schneidet so gut ab wie die Hansestadt.
Eine negative Studierendenentwicklung
zeigt sich in drei Bundesländern. Neben Bre-
men und Rheinland-Pfalz zählt Niedersachsen als einziges Gebührenland zu den Verlie-
rern des Länderchecks.
Die ostdeutschen Bundesländer schnei-
den – auch aufgrund anderer Ausgangsbedingungen – insgesamt gut ab. Besonders
bei der sozialen Zusammensetzung können
sie Ungleichheiten abbauen und zum Wes­
ten aufschließen. Thüringen und Branden-
burg sind neben Hamburg die Länder mit
der positivsten Studierendenentwicklung in
Deutschland.
www.laendercheck-wissenschaft.de
di e wi rku ng von stu d i e n g e b ü h r e n
e rge bn isse u n d meth o d e n d e s l ä n d e rc h e c ks
di e be deutu ng von
stu di e nge bü h re n
rigen sozioökonomischen Hintergrund
würden seltener den Weg an die Hoch-
Forschung und Lehre an Hochschulen
schulen finden. Dem halten Befürworter
in Deutschland müssen ausreichend fi-
entgegen, dass mit den Studiengebüh-
nanziert werden. Pro Studierenden und
ren die Studienbedingungen verbessert
Jahr stellt die öffentliche Hand über
werden könnten. Gerade dadurch könn-
7.200 Euro als Grundmittel für die
ten Studieninteressierte zur Aufnahme
Hochschulen bereit. Der Staat, insbe-
eines Studiums bewegt werden. Zudem
sondere die Bundesländer, ist damit der
würden Ausgleichsmechanismen wie
entscheidende Akteur bei der Finanzie-
Studienkredite eine negative Wirkung
rung der Hochschulen. Doch seit dem
der Gebühren verhindern.
Jahr 2006 beteiligen einige Bundesländer auch die Studierenden mit bis zu
1.000 Euro an den Kosten der Ausbil-
zi e lkon fli kt i n de r
bi ldu ngspoliti k?
dung. Für Langzeitstudierende fallen
St i f t e rv e r ba n d
mitunter noch höhere Gebühren an. Da-
Die Bildungspolitik verfolgt in Bezug auf
durch trugen die Studierenden im Jahr
die Hochschulen zwei erklärte Ziele: Ers-
2008 1,2 Mrd. Euro zur Finanzierung
tens die Qualität bei Forschung und Leh-
der Hochschulen bei, drei Mal mehr als
re weiter zu verbessern, was auch einer
noch zwei Jahre zuvor. Der Finanzie-
besseren finanziellen Ausstattung der
rungsbeitrag der Studierenden stieg da-
Hochschulen bedarf, und zweitens mehr
mit auf knapp 7% aller Hochschulein-
junge Menschen, insbesondere aus sozial
nahmen an. Studiengebühren, obwohl
schwächeren Gruppen, für ein Studium
nur in einigen Bundesländern einge-
zu gewinnen. Studiengebühren stehen in
führt, sind damit eine fast ebenso wich-
dem Verdacht, dem ersten Ziel zu dienen,
tige Einnahmequelle geworden wie
doch dem zweiten entgegenzustehen. Da
Dritt­mittel der gewerblichen Wirtschaft
nur sieben der 16 Bundesländer allge-
(1,2 Mrd. Euro) oder der Deutschen For-
meine Studiengebühren zumindest zeit-
schungsgemeinschaft (1,6 Mrd.).
weise eingeführt haben, kann deren Wir-
Gegen die Einführung von Studien-
kung im föderalen Wettbewerb um die
gebühren führen Kritiker an, dass in der
besten Studienbedingungen gut unter-
Folge weniger junge Menschen ein Stu-
sucht werden. Der Ländercheck geht der
dium begännen, weil sie es sich nicht
Frage nach, ob eine abschreckende Wir-
mehr leisten können oder wollen. Insbe-
kung von Studiengebühren im Länder-
sondere Jugendliche mit einem schwie-
vergleich festzustellen ist.
Seite 2 L ändercheck
D i e Wi r k u n g v o n St u d i e n g e b ü h r e n
au fbau u n d i n di katore n
Der Ländercheck untersucht eine
e rste e rge bn isse
Aktuell ist über die Hälfte der Studieren-
mögliche abschreckende Wirkung von
Eine abschreckende Wirkung von Studi-
den in Deutschland von allgemeinen
Studiengebühren in den zwei Bereichen:
engebühren ist im Vergleich der Bundes-
Studiengebühren betroffen. Zu den Län-
• Studierendenentwicklung insgesamt
dern mit allgemeinen Studiengebühren
zählen
Baden-Württemberg,
Bayern,
Niedersachsen und Hamburg. In der
und
länder nicht zu erkennen. Zwar lassen
sich deutliche Unterschiede zwischen
• soziale Zusammensetzung der
Studierendenschaft.
den Bundesländern bei der Entwicklung
von Studierendenzahlen und der sozia-
Analyse werden das Saarland, das die
Für die Bewertung in den beiden Kate-
len Zusammensetzung ausmachen. Vor-
Gebühren jedoch ab dem Sommerse-
gorien greift der Ländercheck eine Aus-
teilhafte und nachteilige Entwicklungen
mester 2010 abgeschafft hat, und Nord-
wahl von Indikatoren auf. Die Indika-
treffen aber Gebührenländer und Län-
rhein-Westfalen, das eine Abschaffung
toren sind so konzipiert, dass sie die re-
der ohne allgemeine Studiengebühren
plant, ebenfalls als Gebührenländer be-
lative Position der Bundesländer abbil-
in ähnlichem Maße.
trachtet. Hessen, das ab dem Winterse-
den und damit Erfolge, Versäumnisse
Bei der Entwicklung der Studieren-
mester 2007/08 nur ein Jahr lang Ge-
und Herausforderungen im föderalen
den zählen sogar die Gebührenländer
bühren erhoben hat, zählt dagegen
Wettbewerb bei Studierendenentwick-
Hamburg und das Saarland zur Spitzen-
nicht als Gebührenland.
lung und sozialer Zusammensetzung
gruppe. Auch bei der Entwicklung der
Für die Analyse im Ländervergleich
der Studierenden aufzeigen. Die Indika-
sozialen Zusammensetzung der Studie-
wird der Zeitraum 2005/06 bis 2008/09
toren werden von vielen Faktoren beein-
renden schneidet Hamburg gut ab. Da-
untersucht. Die Einführung von Studi-
flusst: der demographischen Entwick-
mit bildet die Hansestadt zusammen mit
engebühren erfolgte zwischen 2006 und
lung, der Entwicklung auf dem Lehrstel-
den ostdeutschen Bundesländern Bran-
2007. Über mehrere Jahre verzögerte
len- und Arbeitsmarkt und aus politi-
denburg und Sachsen das Spitzentrio,
Auswirkungen werden somit in der Un-
schen
resultierende
das in beiden Kategorien überdurch-
tersuchung nicht erfasst. Die erhofften
Entwicklungen wie die doppelten Abi-
schnittlich gut abschneidet. Problemati-
positiven Effekte der Gebühren auf die
turjahrgänge oder die Veränderung der
scher zeigt sich die Entwicklung in den
Entscheidungen
Studienbedingungen werden im Länder-
Anzahl der Studienplätze. Der Länder-
beiden gebührenlosen Ländern Bremen
check nicht untersucht. Ob Studienge-
check untersucht, ob unabhängig von
und Rheinland-Pfalz sowie in Nieder-
bühren wirklich zu mehr Einnahmen
diesen Faktoren Studiengebühren einen
sachsen. Niedersachsen ist das einzige
und nicht zu späteren Einsparungen bei
entscheidenden Einfluss auf die Ent-
Gebührenland, das sowohl bei der Stu-
der öffentlichen Finanzierung führen
wicklung der Studierendenzahlen und
dierendenentwicklung
oder ob das Versprechen eingehalten
die soziale Zusammensetzung der Stu-
auch bei der sozialen Zusammensetzung
wird, fehlende Studiengebühren über
dierenden haben.
unterdurchschnittlich abschneidet.
mehr öffentliche Mittel auszugleichen,
kann erst langfristig beantwortet werden.
St i f t e rv e r ba n d
Seite 3 L ändercheck
D i e Wi r k u n g v o n St u d i e n g e b ü h r e n
insgesamt
als
stu di e re n de n e ntwic k lu n g
weniger studierende aufgrund von studiengebühren?
stu di e nge bü h re n u n d stu di e re n de nzah le n: n egative
e ffe kte n icht nachwe isbar
Indikatoren und Gewichtung
Im Jahr 2009 begannen in Deutschland
I.4 Wanderungsbewegungen, 2005–2008 (20 %)
über 420.000 Studierende ein Studium.
I.1 Studierendenzahl, 2005–2009 (20 %)
I.2 Studienanfängerquoten, 2005–2008 (20 %)
I.3 Übergangsquoten, 2005–2008 (20 %)
I.5 Ausländische Studierende, 2005–2008 (20 %)
Das waren etwa 66.000 mehr als 2005,
dem Jahr, in dem durch das Urteil des
vorn, gefolgt von den Gebührenländern
Bundesverfassungsgerichts die länder-
Hamburg und dem Saarland sowie Ber-
weise Einführung allgemeiner Studien-
lin, Hessen und Thüringen. Sachsen-
gebühren ermöglicht wurde. Die relati-
Anhalt und Schleswig-Holstein entwi-
ve Zunahme ist in den Ländern, die ak-
ckelten
sich
unterdurchschnittlich.
tuell Gebühren erheben, ähnlich hoch
Schlusslicht ist das Gebührenland Nie-
wie in den Nicht-Gebührenländern,
dersachsen. Die drei großen Gebühren-
nämlich 11% und 12%. Auch die Zahl
länder
der Studierenden insgesamt hat sich na-
und Nordrhein-Westfalen befinden sich
Baden-Württemberg,
hezu gleich entwickelt. Im Vergleich der
im Mittelfeld. Gebührenländer und
Bundesländer mit und ohne Gebühren
Nicht-Gebührenländer verteilen sich
lassen sich also auf den ersten Blick kei-
also in ähnlicher Weise auf die einzel-
ne Unterschiede bei der Studierenden-
nen Bewertungskategorien. Ein klarer
entwicklung feststellen.
Zusammenhang zwischen Studieren-
Dennoch gilt: Zwischen den einzelnen Ländern gibt es große Unterschiede.
denentwicklung und Studiengebühren
ist nicht erkennbar.
Deshalb untersucht der Ländercheck
die Indikatoren Studierendenzahlen,
Studienanfänger- und Übergangsquoten sowie Wanderungsbewegungen
zwischen den Bundesländern und Zuzug aus dem Ausland. Die Teilbetrachtung dient dem Ziel festzustellen, ob
sich die Gebührenländer doch mehrheitlich anders entwickeln als die Mehrzahl der Nicht-Gebührenländer.
In einer Gesamtbetrachtung der fünf genannten Indikatoren liegt Brandenburg
St i f t e rv e r ba n d
Bayern
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St u d i e r e n d e n e n t w i c k l u n g
me h r stu di e nan fänge r
auch i n ge bü h re n län de rn
Demografie und bildungspolitische
Rahmenbedingungen wie Studienplatz-
In den meisten Bundesländern hat die
angebote und der Anteil derjenigen eines
Zahl der Studierenden zwischen 2005
Jahrgangs, der überhaupt eine Hoch-
und 2008 zugenommen, nur in zwei
schulzugangsberechtigung erwirbt, be-
Ländern ist sie gesunken. Die Unter-
stimmen ganz wesentlich die Entwick-
schiede zwischen den Ländern sind da-
lung der Studierendenzahlen. Ein weite-
bei groß. Während in Brandenburg die
rer Faktor ist die individuelle Studien­
Zahl der Immatrikulierten seit 2005 um
entscheidung, die von persönlichen Le-
fast 20 % gestiegen ist, verzeichnet Bre-
benszielen, dem sozialen Umfeld, der
men einen Rückgang von knapp 12 %.
Attraktivität der Studiengänge, späteren
Sehr positiv hat sich die Zahl der Studie-
Berufsaussichten, aber auch den Kosten
renden auch in den Gebührenländern
eines Studiums – einschließlich der Stu-
Saarland (+17 %) und Baden-Württem-
diengebühren – abhängt.
berg (+13 %) entwickelt. Zu den Schluss­
Ein Maß für die Studierendenent-
­­lichtern zählt aber auch Niedersachsen
wicklung, das demografische Verände-
(-5 %), das ebenfalls Studiengebühren
rungen bei dieser Entwicklung weitge-
erhebt.
hend herausrechnet, ist die Studienan-
Wie sich die Studierendenzahlen in
fängerquote. Sie misst, wie hoch der An-
einem Bundesland verändern, hängt
teil der Studienanfänger an dem entspre-
insbesondere von vier Faktoren ab:
chenden Altersjahrgang der Bevölkerung
(1) Wie verläuft die demografische Ent-
durchweg niedriger als im Süden.
ist. Die Studienanfängerquote variiert je
Zeitgleich mit Einführung der Stu-
wicklung, also sind nachfolgende
nach Studienort deutlich. In den Stadt-
diengebühren ließ sich in den meisten
Jahrgänge stärker oder schwächer
staaten kommen auf 100 Jugendliche der
betroffenen Ländern ein Rückgang der
besetzt?
(2) Wie viele Jugendliche erwerben eine
Studienberechtigung?
(3) Wie viele davon beginnen ein Studi-
entsprechenden Altersgruppe zwischen
Studienanfängerquoten beobachten. Be-
54 (Berlin) und 70 (Bremen) Personen,
sonders auffällig war diese Entwicklung
die an einer Hochschule eingeschrieben
in Nordrhein-Westfalen, wo die Quote
sind. Diese hohe Quote hat auch damit
innerhalb eines Jahres um über drei Pro-
zu tun, dass viele Jugendliche aus ländli-
zentpunkte
(4) Wie viele Studienanfänger kommen
chen Gebieten in die Städte ziehen, um
scheinen diese Effekte eher Einmaleffek-
aus anderen Ländern (national und
dort ein Studium aufzunehmen. Im übri-
te zu sein, die nicht den Trend zu höhe-
international) bzw. wählen einen
gen Bundesgebiet fällt ein Nord-Süd Ge-
ren Studierendenzahlen insgesamt bre-
Studienort außerhalb des Heimat-
fälle auf. In den nördlichen Bundeslän-
chen. Zwei Jahre nach Einführung der
landes?
dern sind die Studienanfängerquoten
Gebühren lagen die Quoten in allen
um?
St i f t e rv e r ba n d
Seite 5 L ändercheck
zurückging.
St u d i e r e n d e n e n t w i c k l u n g
Allerdings
stu di e re n de n e ntwic k lu n g
Ländern wieder über dem alten Stand (s.
Abb.). So zählen im Zeitraum 2005 bis
2008 zwei Gebührenländer zu den Ge-
bran de n bu rg, hambu rg
u n d be rli n ste ige rn ü be rgangsquote am me iste n
winnern bei der Studienanfängerquote.
Gut 40% eines Jahrgangs beginnen ak-
In Hamburg stieg die Quote um fast
tuell ein Studium. Doch nur ein Teil ei-
zehn Prozentpunkte auf 63,8 %, in Ba-
nes Jahrgangs ist überhaupt berechtigt,
den-Württemberg um knapp acht Punk-
ein Studium zu beginnen. Die so ge-
te auf 47,2%. Dort ist allerdings mit der
nannte Übergangsquote misst deshalb,
Umwandlung der ehemaligen Berufs-
wie gut das Potential der Studienberech-
akademien in die Duale Hochschule ein
tigten ausgeschöpft wird. Ein veränder-
Sondereffekt zu berücksichtigen. Aller-
tes Verhalten, etwa Studienverzicht we-
dings zählen auch drei Gebührenländer
gen Studiengebühren, lässt sich an die-
zu der Gruppe mit der schlechtesten
sem Indikator sehr rasch ablesen. Im
Entwicklung. Bayern, Niedersachsen
Jahr 2008 lag diese Quote (Studienbe-
und Nordrhein-Westfalen konnten ihre
ginn im Jahr des Erwerbs der Studienbe-
Studienanfängerquote kaum steigern.
rechtigung) wieder auf dem Wert von
Die Wachstumsfaktoren in Mecklen-
2005, nämlich bei rund 36%. Im Laufe
burg-Vorpommern (+4,5 Prozentpunk-
der Jahre nach Erwerb der Studienbe-
te) und Sachsen-Anhalt (+1,8) beruhen
rechtigung steigt dieser Wert noch deut-
auf doppelten Abiturjahrgängen, die von
lich an, etwa auf rund zwei Drittel drei
der Verkürzung auf 12 Schuljahre her-
Jahre später. Am meisten gesteigert ha-
rühren. Beide Länder landen trotz dieses
ben die Quote Brandenburg, Hamburg
Extraeffekts nur im Mittelfeld bei der Be-
und Berlin. Die Quote verbesserte sich
wertung der Studienanfängerquote.
in diesen drei Ländern jeweils um zwei
bis drei Prozentpunkte. Länder mit Studiengebühren schneiden nicht besser
oder schlechter ab, als Länder ohne Studiengebühren. Ein Knick nach Einführung der Gebühren wurde wie bei den
Studienanfängerquoten in den Folgejahren rasch ausgeglichen.
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St u d i e r e n d e n e n t w i c k l u n g
ke i n e flucht aus
ge bü h re n län de rn
Zum Zeitpunkt der Datenerhebung
2008 hatten zehn von sechzehn Bundesländern keine allgemeinen Studiengebühren erhoben. Um Studiengebühren
zu vermeiden, war es also möglich, an
eine Hochschule in einem gebührenfreien Land zu wechseln oder einen Wechsel in ein Gebührenland zu vermeiden.
Wenn Studiengebühren eine stark abschreckende Wirkung entfalten, müsste
zumindest der Zuzug in die Gebührenländer abgenommen haben.
Bisher vorliegende Daten zu den
Wanderungsbewegungen der Studierenden lassen diesen Schluss nicht zu.
Denn in vier der sechs Gebührenländer
hat sich der Wanderungssaldo zwischen
2005 und 2008 verbessert. Der Wande-
rungssaldo oder der »Nettoimport« von
Nordrhein-Westfalen haben ihr Wande-
rungssaldo beschreibt die Differenz zwi-
Studierenden, die Berlin über seine Lan-
rungsplus ausgebaut, in Schleswig-Hol-
schen Studierenden eines Landes (ohne
deskinder hinaus ausbildet. Die Import-
stein und Baden-Württemberg ist das
zugewanderte Bildungsausländer) und
quote betrug damit 17,7%. Typischer-
Wanderungsminus gesunken. Kaum
denjenigen, die in diesem Land die
weise wandern Studierende eher in die
Veränderungen gab es in Bayern, eine
Hochschulzugangsberechtigung erwor-
Städte, deshalb haben die drei Stadtstaa-
Verstärkung des negativen Saldos dage-
ben haben und in Deutschland studie-
ten das größte Wanderungsplus, wäh-
gen nur in Niedersachsen. Eine Flucht
ren. Dieser Saldo kann groß sein. Im
rend die sie umgebenden Flächenländer
aus den Gebührenländern oder ein
Jahr 2008 waren beispielsweise über
Brandenburg, Schleswig-Holstein und
Rückgang der Zuwanderung dorthin ist
117.000 Studierende aus Deutschland
Niedersachen das größte Wanderungs-
also nicht festzustellen.
an Berliner Hochschulen eingeschrie-
minus aufweisen. Vor Einführung der
ben. Doch nur 93.000 junge Berliner
Studiengebühren lag der Wanderungs-
studierten in Berlin oder einer Hoch-
saldo aller heutigen Gebührenländer bei
schule eines anderen Bundeslandes. Die
rund -9.000. Bis 2008 hat es sich auf
Differenz von 24.000 ist der Wande-
etwa -5.000 reduziert. Hamburg und
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St u d i e r e n d e n e n t w i c k l u n g
stu di e re n de n e ntwic k lu n g
ausländer kommen seltener
– auch i n ge bü h re n län de r
Dass Studiengebühren in Deutschland keinen deutlichen Effekt auf aus-
Lange galt die Gebührenfreiheit als
ländische Studieninteressenten haben,
Standortvorteil der deutschen Hoch-
dürfte damit zu tun haben, dass alterna-
schulen im Wettbewerb um gute auslän-
tive Zielländer oft ebenfalls Studienge-
dische Studierende, die sich keine ho-
bühren erheben. Lediglich in Skandina-
hen Gebühren leisten können oder wol-
vien verlangen die Hochschulen in der
len, wie sie an vielen Universitäten an-
Regel keine Studiengebühren. In den
derer Länder anfallen. Tatsächlich ist
wichtigsten Zielländern für angehende
der Anteil von Studienanfängern, die
Akademiker, Großbritannien und den
aus dem Ausland für ein Studium nach
USA, liegen die Gebühren dagegen oft
Deutschland kommen, zwischen 2006
im fünfstelligen Bereich und damit um
und 2009 bundesweit leicht zurückge-
ein Vielfaches über den Gebühren in
gangen – von 15,6 % auf 14,7 % aller
Deutschland.
Studienanfänger. Dies ist jedoch kein
Trend, der die Gebührenländer in besonderem Maße trifft. So konnte Hamburg sogar mehr Ausländer an die heimischen Hochschulen locken, Nordrhein-Westfalen konnte den Anteil immerhin konstant halten. Die anderen
Gebührenländer entwickelten sich hier
unterdurchschnittlich.
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St u d i e r e n d e n e n t w i c k l u n g
meinung
stu d i e nve rzicht wege n stu di e nge bü h re n?
Die HIS Hochschul-Informations-System GmbH hat 2006 Studienberechtigte aus allen
Bundesländern zu möglichen persönlichen Konsequenzen aus der Einführung von
Studiengebühren befragt. Die Befragten äußerten sich ein halbes Jahr, nachdem sie die
Hochschulzugangsberechtigung, in den meisten Fällen das Abitur, erworben hatten.
Rund 5% sagten aus, bei Studiengebühren ganz auf ein Studium zu verzichten oder den
Verzicht zu erwägen, obwohl sie gerne studieren würden. Auf der Basis dieser Zahlen
schätzt HIS, dass 6.000 bis 18.000 Studienberechtigte durch Studiengebühren tatsächlich von einem Studium abgehalten werden. Weitere 6% im Durchschnitt gaben an,
sich auf jeden Fall eine Hochschule ohne Gebühren zu suchen. Im Ländervergleich ist
auffällig, dass Befragte aus Ländern, die keine Studiengebühren einführen wollten, viel
häufiger angaben, Konsequenzen aus einer Einführung von Studiengebühren zu ziehen,
als in Ländern, in denen Gebühren konkret geplant waren. Konkret vor die Entscheidung
gestellt, scheinen also letztendlich andere Gründe die Studien(ort)wahl stärker zu beeinflussen als mögliche Gebühren.
St i f t e rv e r ba n d
Seite 9 L ändercheck
St u d i e r e n d e n e n t w i c k l u n g
se le ktive e ffe kte von stu d i e n g e b ü h r e n
wi e ve r än de rt sich d i e s oz i a l e z u sam m e n s e tz u n g ?
i n di katore n fü r soziale
zusamme nsetzu ng
Das Kapitel 1 hat gezeigt, dass die Einführung von Studiengebühren die Ent-
Indikatoren und Gewichtung
I.6 BAföG-Empfänger, 2006–2009 (33 %)
I.7 S
tudierende »niedriger oder mittlerer sozialer
Herkunft«, 2006–2009 (33 %)
I.8 Bildungsinländer, 2006–2009 (33 %)
wicklung der Studierendenzahlen insgesamt nicht nachteilig beeinflusst hat. In
Wenn Studiengebühren einen nen-
diesem Kapitel wird untersucht, ob es
nenswerten Effekt auf die soziale Zu-
Anhaltspunkte dafür gibt, dass sich Stu-
sammensetzung der Studierenden ha-
diengebühren negativ auf die soziale Zu-
ben, dann müsste der Faktor »Einfüh-
sammensetzung der Studierenden aus-
rung von Studiengebühren« die anderen
wirken. Dies wäre der Fall, wenn der
Faktoren überlagern. Die soziale Zusam-
Anteil von Studierenden aus einkom-
mensetzung der Studierenden müsste
mensschwachen Haushalten, mit niedri-
sich in Gebührenländern hin zu mehr
ger oder mittlerer sozialer Herkunft oder
Studierenden mit vermögenden Eltern,
mit Migrationshintergrund an den Hoch­
aus gehobenen Schichten und ohne Mi-
­schulen abnähme.
grationshintergrund entwickeln.
Eine solche Veränderung der Stu-
Für die Analyse der sozialen Zu­
dierendenschaft kann ganz unterschied-
sammensetzung der Studierendenschaft
liche Ursachen haben. So werden die
werden drei Indikatoren herangezogen:
Indikatoren zur sozialen Herkunft der
die Entwicklung des Anteils 1.) der
Studierenden durch die kontinuierlich
Empfänger von Leistungen nach dem
ablaufenden gesellschaftlichen Prozesse
Bundesausbildungsförderungsgesetz
beeinflusst, wie die Entwicklung des Bil-
(BAföG), 2.) der Studierenden niedriger
dungsstandes oder der sozialversiche-
und mittlerer sozialer Herkunft und 3.)
rungspflichtigen Beschäftigung der Be­
der
völ­kerung. Einwanderungsprozesse wie
werden positiv beurteilt, wenn sie zwi-
Bildungsinländer.
auch gesetzliche Regulierungen in der
schen 2006 und 2009 ihren Anteil an
Zuwanderungspolitik wirken sich maß-
Studierenden aus diesen Gruppen erhö-
geblich auf die Entwicklung und Zusam-
hen und damit die soziale Selektion in
mensetzung der Studierenden mit Mi­
ihrem
grationshintergrund aus. Diese Faktoren
konnten.
können auch für die einzelnen Bundes-
Bundesländer
Bildungssystem
vermindern
Von den sechs Gebührenländern er-
länder ganz unterschiedlich große Be-
reicht Hamburg die Spitzengruppe. Bay-
deutung erlangen.
ern, Nordrhein-West­falen und das Saarland landen im Mittelfeld. Zwei Bundes-
St i f t e rv e r ba n d
Seite 10 L ändercheck
S e l e k t i v e E f f e k t e v o n St u d i e n g e b ü h r e n
länder, Niedersachsen und Baden-Württemberg, schneiden unterdurchschnittlich ab.
bafög-empfänge r von ge bü h re n n icht abgesch reckt
Damit sich auch Kinder von Eltern mit
Unter den Nicht-Gebührenländern
niedrigen Einkommen ein Studium fi-
entwickeln sich besonders die ostdeut-
nanzieren können, wurde 1971 das
schen Bundesländer positiv; Spitzenrei-
BAföG eingeführt. Das BAföG sichert
ter des Gesamtratings ist Sachsen-An-
Studierenden aus finanziell schlechter
halt. Bei den westdeutschen Nicht-Ge-
gestellten Elternhäusern die Studienfi-
bührenländern gibt es Licht und Schat-
nanzierung. Die BAföG-Quote, also der
ten. Während Schleswig-Holstein gut
Anteil der BAföG-Empfänger an allen
abschneidet, vergrößert sich die soziale
Studierenden, kann aus ganz verschie-
Selektion an den Hochschulen in Rhein-
denen Gründen stark schwanken, bei-
land-Pfalz, Bremen und Berlin, wobei
spielsweise weil sich aufgrund von Ge-
Bremen das schlechteste Ergebnis aller
setzesänderungen oder sozialen Ent-
Bundesländer erzielt. Im Folgenden
wicklungen die Anzahl der Anspruchs-
werden die drei Indikatoren beginnend
berechtigten vergrößert oder verkleinert.
mit den BAföG-Empfängern im Einzel-
So ging die BAföG-Quote von 33 Pro-
nen untersucht.
zent im Jahr 1991 auf 19 Prozent 1997
zurück. Seit 2003 ist die BAföG-Quote
jedoch relativ konstant bei 23 Prozent
oben und unten. In Hamburg stieg die
geblieben. Wenn die Vermutung stimmt,
Anzahl der BAföG-Empfänger trotz Stu-
dass die Einführung von Studiengebüh-
dienbeiträgen um 15 Prozentpunkte an,
ren insbesondere Kinder aus einkom-
im Saarland ging die Quote dagegen um
mensschwachen Haushalten vom Studi-
7 Prozentpunkte zurück. In den Nicht-
um abhält, müsste sich der Anteil der
Gebührenländern schwanken die Verän-
BAföG-Empfänger in den Gebührenlän-
derungen zwischen +9 Prozentpunkten
dern zwischen 2006 und 2009 negativ
(Schleswig-Holstein) und -7 Prozent-
entwickeln.
punkten (Mecklenburg-Vorpommern).
Das ist jedoch nicht zu beobachten.
Aus der Entwicklung der BAföG-Quote
Wie im bundesdeutschen Durchschnitt
in den Bundesländern lässt sich daher
bleibt der Anteil der BAföG-Empfänger
keine abschreckende Wirkung von Stu-
in vier der sechs Gebührenländer beina-
diengebühren auf Kinder aus einkom-
he unverändert. Mit dem Saarland und
mensschwachen Elternhäusern ablesen.
Hamburg gibt es unter den Gebührenländern jeweils einen Ausreißer nach
St i f t e rv e r ba n d
Seite 11 L ändercheck
S e l e k t i v e E f f e k t e v o n St u d i e n g e b ü h r e n
se le ktive e ffe kte von stu d i e n g e b ü h r e n
me h r stu di e re n de
aus bi ldu ngsfe rn e n
e lte rn häuse rn
kunft« lassen aufgrund dieser Konstruktion insbesondere Rückschlüsse auf die
Bildungsnähe oder -ferne der Elternhäu-
Die Studienfinanzierung kann nicht nur
ser zu. Nur mittelbar lässt sich mit dem
bei niedrigen, sondern auch bei mittle-
Indikator etwas über die Einkommens-
ren Einkommen der Eltern ein Problem
situation der Eltern aussagen, denn Bil-
darstellen, da mittlere Einkommen nur
dungsferne ist nicht mit niedrigem Ein-
wenig staatliche Unterstützungsleistun-
kommen und Bildungsnähe nicht mit
gen erhalten. So haben Familien mit
hohem Einkommen gleichzusetzen. In
niedrigen Einkommen Anspruch auf
den beiden unteren sozialen Herkunfts-
BAföG-Leistungen. Gutsituierte Eltern
gruppen liegen die Anteile der BAföG-
profitieren – obwohl gerade für sie die
Empfänger bei 57% (»niedrige soziale
Studienfinanzierung ihrer Kinder kein
Herkunft«) resp. 42% (»mittlere soziale
Problem sein sollte – substanziell von
Herkunft«), sodass etwa die Hälfte der
kindbezogenen Steuervergünstigungen.
Studierenden aus den beiden unteren
Allein Familien mit Einkommen nur
sozialen Gruppen aus einkommens-
knapp oberhalb der BAföG-Grenze er-
schwachen Elternhäusern stammt.
reichen beide staatlichen Zuwendungen
Die Anteile der unterschiedlichen
nicht. Dies wird auch als »Mittelstands-
sozialen Gruppen an den Studierenden
loch« der Studienfinanzierung bezeich-
haben sich von 1982 bis 2006 kontinu-
zusammenhängen. Im Jahr 2005 nah-
net.
ierlich verschoben. Dies ist unter ande-
men 65% der Beamten- und 83% der
Die Entwicklung der Bildungsbetei-
rem darauf zurückzuführen, dass die
Akademikerkinder ein Studium auf,
ligung von niedrigen und mittleren ge-
Elterngenerationen zunehmend höhere
aber nur 17% der Arbeiter- und 23% der
sellschaftlichen Schichten untersucht im
schulische und berufliche Abschlüsse
Nichtakademikerkinder.
Detail die Sozialerhebung des Studen-
erreicht haben. So hat sich der Anteil
Die Entwicklung von 2006 bis 2009
tenwerks, die alle drei Jahre durchge-
der Studierenden aus der Herkunfts-
zeigt, dass sich dieser Trend zu Lasten
führt wird. Sie arbeitet mit einer Klassifi-
gruppe »hoch« in diesem Zeitraum von
der bildungsfernen Schichten trotz Ein-
kation von vier sogenannten »sozialen
17% auf 38% mehr als verdoppelt. Dies
führung von Studiengebühren nicht
Herkunftsgruppen« (»hoch«, »geho-
ging zu Lasten der beiden unteren
fortgesetzt hat. Im Gegenteil: Zum ers-
ben«, »mittel« und »niedrig«), in die
Schichten »mittel« und »niedrig«, deren
ten Mal seit 1982 hat sich der Anteil der
die Merkmale »höchster schulischer Ab-
Studierendenanteil von 57% auf 38%
Studierenden hoher sozialer Herkunft
schluss der Eltern«, »höchster berufli-
zurückging. Die Sozialerhebungen zei-
verringert. Im Gegenzug stieg sowohl
cher Abschluss der Eltern« und »Stel-
gen, dass die soziale Herkunft und die
der Anteil der Studierenden niedriger
lung der Eltern im Beruf« einfließen.
Erlangung eines höheren Bildungsab-
sozialer Herkunft wie auch der Studie-
Diese Indikatoren zur »sozialen Her-
schlusses in Deutschland besonders eng
renden mittlerer sozialer Herkunft an.
St i f t e rv e r ba n d
Seite 12 L ändercheck
S e l e k t i v e E f f e k t e v o n St u d i e n g e b ü h r e n
Dieser Trend ist in elf der sechzehn
kunft um drei Prozentpunkte, in Baden-
dern ganz unabhängig von der Erhe-
Bundesländer zu beobachten, darunter
Württemberg und Rheinland-Pfalz um
bung von Studiengebühren sowohl po-
auch in den Gebührenländern Bayern,
einen Prozentpunkt. In Hessen bleibt
sitive wie auch negative Entwicklungen
Nordrhein-Westfalen, Hamburg und im
das Verhältnis zwischen oberen und un-
gibt, entwickelt sich der Osten im Sinne
Saarland. Die größten Zuwächse in den
teren sozialen Gruppierungen stabil.
einer verminderten sozialen Selektion
einheitlich positiv.
niedrigen und mittleren Herkunftsgrup-
di e ost-west-sch e re
sch li esst sich
der sozialen Herkunftsgruppen lässt
Anhalt stiegen die Anteile von Studie-
West- und ostdeutsche Bundesländer
Auswirkung von Studiengebühren auf
renden der unteren sozialen Herkunfts-
weisen eine signifikant unterschiedliche
die soziale Selektion der Studierenden
gruppen um zehn Prozentpunkte, in
soziale Zusammensetzung und Entwick-
ableiten. In einigen Gebührenländern
Mecklenburg-Vorpommern
lung ihrer Studierendenschaft auf. In
verändert sich die soziale Zusammenset-
Saarland um jeweils acht Prozentpunkte.
den fünf ostdeutschen Bundesländern
zung überdurchschnittlich positiv, in
Mit dem Saarland (50%) und Hamburg
ohne Berlin lag der Anteil der Studieren-
anderen im Bundesdurchschnitt. Am
(44%) haben zwei Gebührenländer die
den »hoher« oder »gehobener« Her-
schwächsten schneidet mit Bremen ein
pen können jeweils zwei Gebührenländer und zwei Nicht-Gebührenländer
verzeichnen: In Hamburg und Sachsen-
und
im
Aus der Analyse der Entwicklung
sich damit keine allgemein negative
höchsten Studierendenanteile aus unte-
kunft im Jahr 2006 bei 68 Prozent; nur
Nicht-Gebührenland ab. Mit Nieder-
ren sozialen Schichten.
gut 32 Prozent der Studierenden kamen
sachsen und – in abgeschwächter Form
Ganz gegen den Trend entwickelt
aus den beiden unteren sozialen Grup- – Baden-Württemberg können jedoch
sich die Zusammensetzung der Studie-
pen. Im Westen war die soziale Zusam-
auch zwei große Gebührenländer keine
renden im Bundesland Bremen. Der An-
mensetzung ausgeglichener. Dort betrug
Fortschritte bei der sozialen Zusammen-
teil der Studierenden der unteren sozia-
das Verhältnis etwa 60 zu 40. Drei Jahre
setzung ihrer Studierenden vorweisen.
len Gruppen geht zu Gunsten der »ge-
später, im Jahr 2009, haben sich die Ost-
hobenen« und der »hohen« Herkunfts-
länder deutlich den Westländern ange-
gruppe um sechs Prozentpunkte zurück;
nähert. Studierende mittlerer und nied-
allerdings von einem sehr hohen Niveau
riger sozialer Herkunft waren 2009 um
aus (49% im Jahr 2006). Bremen ist mit
vier (Sachsen) bis zehn (Sachsen-An-
diesem Rückgang das Schlusslicht unter
halt) Prozentpunkte häufiger in der ost-
den 16 Bundesländern. Eine negative
deutschen Studierendenschaft vertreten
Entwicklung verzeichnen neben Bre-
als 2006. Mit einem Anteil von 39 Pro-
men die beiden Gebührenländer Nie-
zent sind Studierende der unteren sozia-
dersachsen und Baden-Württemberg
len Gruppen nun beinahe genauso häu-
sowie Rheinland-Pfalz. In Niedersach-
fig an ostdeutschen Hochschulen anzu-
sen sinkt der Anteil der Studierenden
treffen wie an westdeutschen (41 Pro-
niedriger und mittlerer sozialer Her-
zent). Während es also in den Westlän-
St i f t e rv e r ba n d
Seite 13 L ändercheck
S e l e k t i v e E f f e k t e v o n St u d i e n g e b ü h r e n
se le ktive e ffe kte von stu d i e n g e b ü h r e n
bi ldu ngsi n län de r:
ke i n e auswi rku nge n von
ge bü h re n e rke n n bar
Etwa die Hälfte der Bildungsinländer kommt aus europäischen Staaten
außerhalb der EU. Darunter stammen
Wird über die soziale Selektion im Bil-
aus der Türkei rund 15.000 Personen,
dungswesen gesprochen, so stehen ne-
aus den Staaten des früheren Jugoslawi-
ben einkommensschwachen und bil-
ens etwa 7.000 und aus der Ukraine
dungsfernen Haushalten als dritte Grup-
und der russischen Föderation jeweils
pe Migranten im Fokus der öffentlichen
über 2.000 Studierende. Die Mitglieds-
Diskussion. Um diese Gruppe nähe-
länder der EU stellen weitere 30% der
rungsweise zu erfassen, weist die offizi-
Bildungsinländer, sodass nur 20% der
elle Statistik Personen mit ausländischer
Bildungsinländer Wurzeln außerhalb
deutschem
Europas haben. In dieser Gruppe sind
Schulabschluss als »Bildungsinländer«
die Asiaten mit rund 9.000 Studieren-
gesondert aus. Allerdings bildet die
den am stärksten vertreten. Aus Afrika
Gruppe der »Bildungsinländer« nur ei-
und Amerika stammen nur jeweils gut
nen Teil der Personen mit Migrations-
1.000 Bildungsinländer.
Staatsangehörigkeit
und
hintergrund ab. Weder Migranten, wel-
Historisch bedingt weisen west-
che mittlerweile die deutsche Staatsan-
und ostdeutsche Bundesländer eine sehr
gehörigkeit besitzen, noch Migranten,
unterschiedliche Verteilung der Bil-
die ihre Hochschulzugangsberechtigung
dungsinländer auf. Während in den
15% und 33% die ersten fünf Plätze.
im Ausland erworben haben, werden
Hörsälen der ostdeutschen Hochschu-
Brandenburg hat mit seiner Lage im
dadurch erfasst. Daher lässt die offizielle
len ohne Berlin nur ein Prozent Bil-
Umfeld Berlins mittlerweile einen dop-
Statistik nur Teilaussagen zum Studier-
dungsinländer sitzt, sind es in den West-
pelt so hohen Anteil an Bildungsinlän-
verhalten dieser Gruppe zu.
ländern über drei Prozent. Spitzenreiter
dern wie die anderen ostdeutschen Bun-
In Deutschland studieren knapp
ist Hessen mit knapp fünf Prozent. In
desländer. Es erreicht damit erstmals
60.000 Bildungsinländer, das sind drei
den fünf ostdeutschen Bundesländern
das Niveau von Schleswig-Holstein,
Prozent aller Studierenden. Zwischen
studieren insgesamt knapp 3.000 Bil-
dem westdeutschen Land mit dem nied-
2006 und 2009 blieb diese Zahl kons-
dungsinländer, etwa so viele wie in
rigsten Anteil an Bildungsinländern.
tant auf diesem Niveau. Da sich im glei-
Rheinland-Pfalz.
In den westdeutschen Bundeslän-
chen Zeitraum die Anzahl aller Studie-
Ausgehend von ihrem besonders
dern verläuft die Entwicklung unein-
renden erhöht hat, ist der Anteil der
niedrigen Niveau konnten die Ostländer
heitlich. An der Spitze der westdeut-
Bildungsinländer an allen Studierenden
die Anzahl an Bildungsinländern in den
schen Länder stehen mit dem Saarland
leicht rückläufig.
St i f t e rv e r ba n d
letzten drei Jahren erheblich steigern.
und Bayern zwei Gebührenländer. Sie
Im Bundesländervergleich belegen die
konnten die Anzahl ihrer Bildungsinlän-
fünf Länder mit Zuwächsen zwischen
der um acht Prozent bzw. zehn Prozent
Seite 14 L ändercheck
S e l e k t i v e E f f e k t e v o n St u d i e n g e b ü h r e n
steigern. Auch an den gebührenlosen
Für die Gruppe der Studierenden
bührenländer ab. So kann das Saarland
rheinland-pfälzischen Hochschulen stu-
mit Migrationshintergrund, wie sie sich
trotz Studiengebühren die Anzahl an
dierten 2009 fast acht Prozent mehr Bil-
in der Kategorie der »Bildungsinländer«
Bildungsinländern stärker steigern als
dungsinländer als 2006. Den größten
darstellt, lässt sich damit eine negative
das benachbarte Rheinland-Pfalz. Bre-
Verlust an dieser Studentengruppe ver-
Auswirkung von Studiengebühren nicht
men verliert ohne Studiengebühren pro-
zeichnen die Stadtstaaten Bremen und
belegen. Die größten Unterschiede in
zentual mehr Bildungsinländer als Nie-
Berlin. Sie verlieren zwischen sieben
der Entwicklung von studierenden Bil-
dersachsen mit Studiengebühren. Das
und zwölf Prozent dieser Studierenden,
dungsinländern sind zwischen ost- und
gute Abschneiden der ostdeutschen Län-
obwohl beide keine Studiengebühren
westdeutschen Bundesländern festzu-
der wirkt sich im Ländervergleich aller-
erheben. Für Berlin liegt die Schlussfol-
stellen. Die ausgeprägten Zuwächse im
dings so aus, dass sich die Gebührenlän-
gerung nahe, dass die Bildungsinländer
Osten sind in erster Linie den historisch
der nur in der Mittel- und Schlussgrup-
verstärkt im brandenburgischen Um-
unterschiedlichen Einwanderungsstruk-
pe wiederfinden.
land ein Studium aufnehmen.
turen geschuldet. Im Westen schneiden
Gebührenländer besser als Nicht-Ge-
lu p e
stu d i e n ge bü h re n i n n rw –
au s n a h me n von de r rege l
Im Auftrag des Landesministeriums für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie haben Stifterverband und Studentenwerk in einer gemeinsamen Studie die
Verwendung von Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen untersucht. 29 von insgesamt 33 staatlichen Hochschulen des Landes erheben Studiengebühren. Obwohl die
Hochschulen selbst über die Höhe bestimmen können, wird nur in sechs Fällen nicht
der Höchstbeitrag von 500 Euro fällig. Vom Sommersemester 2008 bis zum Sommersemester 2009 wurden so rund 309 Millionen Euro eingenommen, die den Hochschulen
unmittelbar zur Verfügung standen. Doch nicht alle Studierenden müssen die Gebühren auch bezahlen. Jeder fünfte ist von der Gebührenpflicht ausgenommen oder befreit.
Diese Quote ist über die Zeit stabil. Doch zwischen den Hochschulen gibt es große
Unterschiede. Der Anteil der Gebührenbefreiten schwankt zwischen 28 Prozent und 10
Prozent. Von Studiengebühren ausgenommen sind Studierende, die einen Promotionsstudiengang belegen, beurlaubt sind oder ein Praxis- oder Auslandssemester wahrnehmen. Befreit waren u.a. Studierende mit minderjährigen Kindern, Studierende, die als
gewählte Vertreter in Organen der Hochschule mitwirken oder Studierende mit Behinderung oder schwerer Erkrankung. Über die Verwendung der Studiengebühren sagt die
Untersuchung auch etwas aus: Die Gebühren werden im Sinne des Gesetzes zweckgemäß, aber wenig phantasievoll verwendet. Ziel der Einführung von Studiengebühren ist
die Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen.
St i f t e rv e r ba n d
Seite 15 L ändercheck
S e l e k t i v e E f f e k t e v o n St u d i e n g e b ü h r e n
fazit
ke i n e absch recke n de w i r ku n g vo n lich langsamer als in anderen Bundes-
rien überdurchschnittlich ab und lässt
ländern. Im Ländercheck finden sich je-
viele Nicht-Gebührenländer in seiner
doch keine Hinweise darauf, dass kriti-
Studierendenentwicklung hinter sich.
sche Entwicklungen dieser Art in den
Worauf genau der Erfolg der Hamburger
Gebührenländern häufiger als im übri-
zurückzuführen ist, lässt sich in diesem
gen Bundesgebiet zu finden sind.
Ländercheck nicht klären. Im Sommer
Um die Auswirkungen von Studien-
2008, also direkt vor dem zweiten Un-
gebühren zu untersuchen, wurden im
tersuchungszeitpunkt dieser Studie, hat
Ländercheck acht Kennzahlen vergli-
der damals neu gewählte Hamburger Se-
chen. Jedes Land konnte in den acht
nat jedoch eine außergewöhnliche Neu-
Kennzahlen zwischen null und vier
regelung der Studiengebühren beschlos-
Punkten erreichen. Im Durchschnitt er-
sen, die bislang einzigartig in Deutsch-
reichten die Gebührenländer 1,9 Punk-
land ist: Die Gebühren können nachge-
te, die Nicht-Gebührenländer lagen mit
lagert, also erst bei Berufseintritt, be-
2,0 Punkten nur unwesentlich darüber.
zahlt werden. Die Gebühren werden zu-
Gravierende Unterschiede zwischen Ge-
dem erst ab einem Jahreseinkommen
bührenländern und Nicht-Gebühren-
von 30.000 Euro fällig. Diese Stundung
ländern lassen sich also anhand der vor-
der Gebühren ist bei Studierenden äu-
liegenden Indikatoren nicht belegen.
ßerst beliebt: Sie wird von knapp der
Eine weiter aufgefächerte Analyse
Hälfte der gebührenpflichtigen Hamburger Studenten genutzt.
In Deutschland steigen die Studien-
zeigt, dass die Ostländer wesentlich für
anfängerzahlen ebenso wie der Anteil an
das gute Abschneiden der Nicht-Gebüh-
Studierenden mit einem schwierigen so-
renländer
Die
Studiengebühren eingeführt, die inter-
zioökonomischen Hintergrund. Die Be-
Nicht-Gebührenländer West kommen
national derzeit verstärkt diskutiert
verantwortlich
sind.
Hamburg hat damit eine Form der
fürchtungen einer gegenteiligen Ent-
nämlich im Durchschnitt lediglich auf
wird. In Großbritannien wird erwogen,
wicklung, die mit der Einführung von
1,7 Punkte und liegen damit hinter den
Studiengebühren
Studiengebühren
Gebührenländern im Westen. Die Ost-
und Hochschulabsolventen stattdessen
verbunden
waren,
ganz
abzuschaffen
scheinen sich also insgesamt nicht zu
länder schaffen dafür im Schnitt 2,3
über eine erhöhte Einkommensteuer an
bewahrheiten. Doch unabhängig von
Punkte und ziehen die gebührenfreien
den Kosten ihres Studiums zu beteiligen.
der Gebührenerhebung sind die Unter-
Westländer in der Gesamtbilanz mit
Das Hamburger Modell, bei dem Studie-
schiede zwischen den Bundesländern
nach oben.
rende erst zahlen, wenn sie vom Studi-
groß. In einigen Ländern öffnet sich die
Als Vorbild für die Gebührenländer
um auch profitieren, könnte sich, auch
soziale Schere an den Hochschulen wei-
kann Hamburg dienen. Es schneidet in
angesichts der Ergebnisse dieses Länder-
ter, Studierendenzahlen wachsen deut-
den meisten der untersuchten Katego­
checks, als Königsweg in der augen-
St i f t e rv e r ba n d
Seite 16 L ändercheck
Fa z i t
stu di e nge bü h re n im l ä n d e rve rg l e i c h
blicklichen Diskussion über Studiengebühren anbieten.
Aber auch die meisten anderen Ge-
In dieser Studie wurde nicht die
schreckende Wirkung der Gebühren für
Frage untersucht, ob Studiengebühren
ein Studium ist im Ländervergleich
positive Wirkungen entfalten, etwa ob
nicht zu erkennen. Dies gilt zumindest
bührenländer haben es geschafft, ihre
sich damit die finanzielle Ausstattung
für die aktuelle Höhe von maximal
Gebührenerhebung so auszugestalten,
der Hochschulen nachhaltig verbessert.
1.000 Euro pro Jahr, die im internationa-
dass sie genauso viele Studierende aus
Verbesserungen bei Lehre und Studien-
len Vergleich sicher als moderat anzuse-
allen sozialen Gruppen anziehen wie
bedingungen können Studiengebühren
hen ist. Die Länder sollten deshalb statt
Nicht-Gebührenländer. Dieses Ziel wur-
nur bewirken, wenn die Steigerung des
über eine Abschaffung eher über eine
de auf ganz unterschiedlichen Wegen
Anteils privater Mittel auch in Zukunft
gerechte und effiziente Ausgestaltung
erreicht. Beispielsweise liegt in Nord-
nicht durch Einsparungen der öffentli-
des Gebührensystems nachdenken.
rhein-Westfalen die Grenze, bis zu der
chen Hand nivelliert wird. Die Entwick-
sich Studierende im Rahmen eines
lung der Hochschulfinanzierung muss
BAföG-Darlehens und für Studienge-
deshalb auch in Zukunft kritisch beglei-
bühren verschulden müssen, bereits bei
tet werden. Weiterer Untersuchungsbe-
10.000 Euro oder 1.000 Euro pro Se-
darf besteht darin, festzustellen, wie sich
mester, in anderen Gebührenländern
die nichtmonetären Ziele der Einfüh-
liegt sie bei 15.000 Euro. An nordrhein-
rung von Studiengebühren erfüllen.
westfälischen Hochschulen ist ebenfalls
Nehmen Beteiligung und Identifikation
ein Preiswettbewerb unter den Hoch-
der Studierenden an und mit ihrer
schulen zu beobachten: Längst nicht alle
Hochschule zu, da ein geleisteter finan-
Hochschulen nehmen den Höchstbei-
zieller Beitrag auch mit Mitspracherech-
trag von 500 Euro und können sich da-
ten verbunden ist? Steigt die Studien-
mit zum Beispiel in sozial schwächeren
motivation, weil nur dasjenige, das et-
Regionen profilieren. Baden-Württem-
was kostet auch etwas wert ist, und
berg hat eine großzügige Befreiungsre-
werden Abschlüsse eher in der Regelstu-
gelung für Geschwister eingeführt, wie
dienzeit erreicht?
sie vorher bereits in Bayern bestand.
Einzig Niedersachsen schneidet von
den
Gebührenländern
unterdurch-
Zusammenfassend gilt: Die Gebührenländer sind für Studierende genauso
attraktiv
wie
Nicht-Gebührenländer.
schnittlich ab. Hochschulen und Politik
Unterschiede zwischen den Ländern bei
sollten dort die weitere Entwicklung be-
Studierendenentwicklung und sozialer
obachten und gegebenenfalls Maßnah-
Zusammensetzung lassen sich kaum auf
men ergreifen, um die Attraktivität der
die Einführung von allgemeinen Studi-
Landeshochschulen zu steigern.
engebühren zurückführen. Eine ab-
St i f t e rv e r ba n d
Seite 17 L ändercheck
Fa z i t
die historie der studiengebühren in deutschland
Nordrhein-Westfalen,
Niedersachsen
Die erste Form von Studiengebühren in
Baden-Württemberg,
der Bundesrepublik waren Hörergelder,
Hessen, Saarland, Hamburg, Bayern
und Hamburg, wobei die neue nord-
die bis zum WS 1970/71 in Höhe von
und Sachsen vor Gericht, die darin ei-
rhein-westfälische Regierung ebenfalls
120 bis 150 DM pro Semester existier-
nen unzulässigen Eingriff des Bundes in
die Abschaffung der Studiengebühren
ten. Danach wurden in Deutschland 35
die Gesetz­gebungskompetenz der Län-
angekündigt hat.
Sachsen-Anhalt,
Jahre lang keine Studiengebühren erho-
der sahen. Das Bundes­verfassungsgericht
Studiengebühren unterliegen in ei-
ben. Ein Grund für die Abschaffung war
gab diesen Ländern im Januar 2005
nigen Bundesländern einer gesetzlich
die soziale Öffnung der Hochschulen im
recht. Somit stand der Einführung von
festgelegten Zweckbindung. So dürfen
Zusammenhang mit den Protesten der
allgemeinen Studiengebühren nichts
Studiengebühren etwa in Bayern aus-
Studentenbewegung und der Einfüh-
mehr im Wege.
schließlich zur Verbesserung der Lehre
rung des BAföG.
Bereits seit dem Wintersemester
und der Studienbedingungen eingesetzt
1993 wurden die Studiengebühren
2006/07 zahlen Studienanfänger in Bay-
werden. Gemeint sind insbesondere die
erneut thematisiert, als der Wissen-
ern, Baden-Württemberg und Nieder-
Verbesserung des Betreuungsverhältnis-
schaftsrat seine 10 Thesen zur Hoch-
sachsen 500 Euro Studiengebühren zu-
ses zwischen Studierenden und Lehren-
schulpolitik veröffentlichte und in einer
sätzlich zu den Verwaltungsgebühren.
den, zusätzliche Tutorien und die Mo-
»11. These« von der »Einführung von
Ab dem Sommersemester 2007 wurden
dernisierung der Bibliotheks- und Laborausstattungen.
Studiengebühren beim Überschreiten
in diesen Bundes­ländern alle Studieren-
einer bestimmten Studiendauer (…) als
den mit 500 Euro pro Semes­ter zur Kas-
politisches Mittel (…)« sprach.
se gebeten. Hamburg, Hessen, Nord-
bu n deslän de rü be rsicht
Baden-Württemberg führte 1998
rhein-Westfalen und das Saarland führ-
Baden-Württemberg: Das Land war
Gebühren für Langzeitstudierende ein.
ten 2007 ebenfalls Studiengebühren
Vorreiter in Sachen Studiengebühren
Die damals rot-grüne Bundesregierung
von in der Regel 500 Euro Höhe ein.
klagte daraufhin vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Einführung der
Seitdem wurden in keinem weiteren
und führte bereits 1998 Langezeitstudiengebühren ein. Zum Sommersemester
einge-
(SS) 2007 wurden allgemeine Studien-
Gebühren und begründete dies mit dem
führt. Hessen dagegen hat bereits nach
gebühren in Höhe von 500 Euro pro Se-
Grundrecht auf freie Bildung. Nach dem
einem Jahr die Studiengebühren wieder
mester für alle Studierenden eingeführt.
Scheitern dieser Verfassungsklage ver-
abgeschafft, im Saarland wurde die Ge-
Bayern: Ab dem SS 1999 wurde in Bay-
bot sie die Erhebung von Gebühren per
bührenerhebung im Juni 2010 einge-
ern eine Gebühr von 1000 DM pro Se-
Bundesgesetz. Im April 2002 beschloss
stellt. Hamburger Studierende müssen
mester für das Zweitstudium erhoben.
der Bundestag die 6. Novelle zum Hoch-
ihre Studiengebühren nicht mehr wäh-
Ab dem Wintersemester (WS) 2005/06
schulrahmengesetz, die die Gebühren-
rend des Studiums, sondern erst danach
kam eine Gebühr von 500 Euro pro Se-
freiheit für das Erststudium festlegte.
zahlen. Aktuell sind es nur noch fünf
mester für Langzeitstudierende hinzu.
Bundesländer, die Studiengebühren er-
Durch die Änderung des bayerischen
heben:
Hochschulgesetzes wurden beide Ge-
Gegen dieses Gesetz zogen wiede­
rum die unions­geführten Bundesländer
St i f t e rv e r ba n d
Bundesland
Studiengebühren
Baden-Württemberg,
Seite 18 L ändercheck
Bayern,
H i sto r i e d e r St u d i e n g e b ü h r e n i n D e u t s c h l a n d
bühren zum SS 2007 durch allgemeine
pro Semester, die zum SS 2007 einge-
eine Studiengebühr von 650 Euro pro
Studiengebühren ersetzt. Diese betragen
führt worden waren.
Semester bezahlen.
an Universitäten und Kunsthochschulen
Hessen: Erstmals nahm das Bundesland
Saarland: Zum WS 2007/08 wurden in
zwischen 300 und 500 Euro und an
Hessen im WS 07/08 500 Euro allgemei-
Saarland Gebühren eingeführt. Die ers-
Fachhochschulen zwischen 100 und
ne Studiengebühren. Das Überschreiten
ten beiden Hochschulsemester kosten
500 Euro. Es besteht eine Befreiung für
der Regelstudienzeit um mehr als vier
300 Euro, jedes weitere Semester 500
Studierende mit Geschwistern, die
Semester kostete 500 Euro im ersten Se-
Euro. Seit SS 2010 ist das Erststudium
ebenfalls an einer gebührenpflichtigen
mester, 700 Euro im zweiten und 900
wieder kostenfrei. Für ein Langzeit-
Hochschule studieren.
Euro in den weiteren Semestern. Hessen
oder Zweitstudium können Hochschu-
Berlin: Es fallen lediglich Verwaltungs-
hat die Erhebung von Studiengebühren
len ab dem WS 2010 wieder Gebühren
gebühren in Höhe von 51 Euro pro Se-
bereits nach einem Jahr (Juni 2008) wie-
bis zu 400 Euro pro Semester erheben.
mester an.
der zurückgenommen.
Brandenburg: Es fallen lediglich Ver-
Mecklenburg-Vorpommern: Das Land
Zweitstudium Gebühren in Höhe von
waltungsgebühren in Höhe von 51 Euro
hat ein gebührenfreies Erststudium be-
300 bis 450 Euro pro Semester erhoben.
pro Semester an.
schlossen. Es fallen lediglich Verwal-
Ein Erststudium ist gebührenfrei.
Bremen: Die regierende Koalition aus
tungsgebühren an.
Sachsen-Anhalt: Wer die Regelstudien-
Sachsen: Seit 2004 werden für ein
SPD und CDU beschloss 2005 das soge-
Niedersachsen: Seit dem WS 2006/2007
zeit um mehr als vier Semester über-
nannte Studienkonten-Gesetz, das für
werden allgemeine Studiengebühren
schreitet, zahlt seit WS 2005/06 500
Studierende, die ihren Erstwohnsitz
von 500 Euro pro Semester erhoben.
Euro/Semester. Davor fallen keine Ge-
nicht in Bremen haben oder die Regel-
Studierende, die die Regelstudienzeit
bühren an.
studienzeit deutlich überschreiten, Ge-
um vier oder mehr Semester überschrei-
Schleswig-Holstein: Es werden keine
bühren in Höhe von 500 Euro vorsieht.
ten, zahlen zwischen 600 und 800 Euro.
Studiengebühren erhoben.
Die »Landeskinderregelung« wurde je-
Nordrhein-Westfalen: Das Land hat im
Thüringen: Hier gelten 500 Euro Lang-
doch durch einen Gerichtsbeschluss ge-
Jahr 2006 allgemeine Studiengebühren
zeitgebühren ab dem Überschreiten der
kippt und 2010 abgeschafft.
eingeführt. Als einziges Bundesland
Regelstudienzeit um vier Semester. Da-
Hamburg: Der Hamburger Senat führte
überlässt es den Hochschulen die Ent-
vor fallen keine Gebühren an.
zum WS 2008/09 ein neues Studienbei-
scheidung, ob und in welcher Höhe (bis
tragsmodell ein, das es ermöglicht, Stu-
max. 500 Euro) sie Studiengebühren er-
diengebühren erst nach dem Studium
heben. Die im Sommer 2010 neuge-
zu zahlen. Die Zahlung muss erst ab ei-
wählte Regierung plant, die Studienge-
nem Jahresgehalt von 30.000 Euro erfol-
bühren abzuschaffen.
gen, die Gebührenhöhe wurde auf 375
Rheinland-Pfalz: Das Land erhebt keine
Euro gesenkt. Vorher galten allgemeine
Studiengebühren. Wer die Regelstudien-
Studiengebühren in Höhe von 500 Euro
zeit deutlich überschreitet, muss jedoch
St i f t e rv e r ba n d
Seite 19 L ändercheck
H i sto r i e d e r St u d i e n g e b ü h r e n i n D e u t s c h l a n d
i n di katore n u n d methodi k
be rech nu ng
de r i n di katore n
e i n z e l­i n d i kato r
kat e g o r i e - u n d
Abweichung vom
Durchschnitt
Anteil an max. Punktezahl
Weit überdurchschnittlich
≥+s
80–100%
sammen. Davon messen fünf die Studie-
Überdurchschnittlich
≥ + V s und < + s
60–79%
rendenentwicklung und drei die soziale
Durchschnittlich
≥ - V s und < + V s
40–59%
Zusammensetzung der Studierenden.
Unterdurchschnittlich
≥ - s und < - V s
20–39%
Weit unterdurchschnittlich
<-s
0–19%
Die
Gesamtbewertung
b e w e rtu n g
des
Länder-
checks zur Wirkung von Studiengebühren setzt sich aus acht Indikatoren zu-
Die Bundesländer werden anhand ihrer
relativen Position bewertet und in fünf
g e samt­b e w e rtu n g
s = Standardabweichung
Gruppen von weit überdurchschnittlich
bis weit unterdurchschnittlich eingeteilt.
Die Grenzen für die Einteilung bilden
eine halbe und eine volle Standardabweichung über- und unterhalb des
Durchschnittswertes. Für jeden Indikator wird entsprechend der Gruppe ein
Punktewert für jedes Bundesland ermittelt. Verschiedene Indikatoren werden
dann mit den entsprechenden Punktewerten in den Kategorien der zwei Kapitel zusammengefasst. Deren Bewertung
richtet sich nach dem Anteil der maximal zu erreichenden Punktezahl. In die
Gesamtwertung gehen beide Kategorien
zu jeweils 50% ein.
St i f t e rv e r ba n d
Seite 20 L ändercheck
I n d i k ato r e n u n d M e t h o d i k
di e i n di katore n
I.1 Studierendenzahl, 2005 bis 2009
I.5 Ausländische Studierende, 2005 bis 2008
Meinung: Studienverzicht wegen Studienge-
an allen Studienanfängern in Prozentpunkten im
Anteil der Studienberechtigten im Jahr 2006, die
Veränderung der Zahl deutscher und ausländi-
Veränderung des Anteils der Bildungsausländer
in Prozentpunkten im Zeitraum Wintersemester
Zeitraum 2005 bis 2008.
scher Studierender an deutschen Hochschulen
2005/06 bis 2008/09.
Quelle: Statistisches Bundesamt
I.2 Studienanfängerquoten, 2005 bis 2008
Veränderung des Anteils der Studienanfän-
bühren
bei Studiengebühren einen Studienverzicht oder
den Wechsel an eine gebührenfreie Hochschule
I.6 BAföG-Empfänger, 2006 bis 2009
Veränderung des Anteils von Studierenden, die
nach BAföG gefördert werden, zwischen 2006 und
2009 in Prozentpunkten.
planten, in Prozent.
Quelle: HIS
Lupe: Studienbeiträge in NRW
ger an der altersspezifischen Bevölkerung in
Quelle: Deutsches Studentenwerk/HIS
Anteil der von Studiengebühren ausgenommenen
Sondereinflüsse durch doppelte Abiturientenjahr-
I.7 Studierende »niedriger« und »mittlerer«
len in Prozent im Zeitraum 2007 bis 2009.
Prozentpunkten im Zeitraum 2005 bis 2008;
gänge in Sachsen-Anhalt 2007 und Mecklenburg-
Vorpommern 2008 sowie durch die Anerkennung
sozialer Herkunft
Veränderung des Anteils von Studierenden
der Berufsakademien als Fachhochschulen in
»niedriger« oder »mittlerer« sozialer Herkunft
Quelle: Statistisches Bundesamt
Quelle: Deutsches Studentenwerk/HIS
Baden-Württemberg.
I.3 Übergangsquoten, 2005 bis 2008
Veränderung des Anteils an Personen, die im Jahr
I.8 Bildungsinländer, 2005/06 bis 2008/09
Veränderung der Anzahl der ausländischen Studierenden, die in Deutschland die Hochschulzugangs-
Zeitraum 2005–2008. Sondereinflüsse durch dop-
Wintersemester 2005/06 bis zum Wintersemester
pelte Abiturientenjahrgänge in Sachsen-Anhalt
2007 und Mecklenburg-Vorpommern 2008 sowie
Quelle: Stifterverband/Deutsches Studentenwerk
zwischen 2006 und 2009 in Prozentpunkten.
des Erwerbs der Hochschulzugangsberechtigung
ein Studium beginnen, in Prozentpunkten im
und befreiten Studierenden in Nordrhein-Westfa-
berechtigung erworben haben, im Zeitraum vom
2008/09 in Prozent.
Quelle: Statistisches Bundesamt
durch die Anerkennung der Berufsakademien als
Fachhochschulen in Baden-Württemberg.
Quelle: Statistisches Bundesamt
I.4 Wanderungsbewegungen, 2005 bis 2008
Der Wanderungssaldo ist definiert als Differenz
von Studierenden eines Landes mit Erwerb der
Hochschulzugangsberechtigung in anderen
Bundesländern und Studierenden in anderen Bun-
desländern mit Hochschulzugangsberechtigung
des Landes. Der Indikator misst die Veränderung
des Wanderungssaldos in Prozentpunkten im
Zeitraum 2005 bis 2008.
Quelle: Statistisches Bundesamt
St i f t e rv e r ba n d
Seite 21 L ändercheck
I n d i k ato r e n u n d M e t h o d i k
i n di katore n u n d methodi k
Entwicklung der Studierendenzahlen/Soziale Zusammensetzung der Studierenden
I.1
Studierende,
Veränderung
2005 bis 2009
I.2
Anteil der Studienanfänger,
Veränderung
2005 bis 2008
I.3
Übergangsquoten von
Schule zu
Hochschule,
Veränderung
2005 bis 2008
I.4
Wanderungssaldi der
Studierenden,
Veränderung
2005 bis 2008
in %
I.5
Anteil der
Bildungsausländer,
Veränderung
2005 bis 2008
I.6
Anteil Studierender mit
Förderung
nach BAFöG;
Veränderung
2006 bis 2009
I.7
Anteil
Studierender
„niedriger“
und „mittlerer“ sozialer
Herkunft;
Veränderung
2006 bis 2009
in Prozentpunkten
Baden-Württemberg
13,4
7,7
0, 5
1,2
-3,6
-1
-1
Bayern
8,0
1,5
0, 9
- 0, 1
- 1 ,7
1
3
Berlin
2,1
6,2
2,5
-4,8
1,9
-4
2
Brandenburg
18,9
7, 6
3,4
8,6
- 5 ,7
3
5
Bremen
-11,9
4,4
1,3
0, 8
-1,3
2
-6
Hamburg
8,5
9 ,7
3,0
1,2
0, 5
15
10
Hessen
13,0
3,5
- 0, 5
3,1
- 0, 4
-1
0
Mecklenburg-Vorpommern
1 0, 9
4,4
- 2 ,7
1,2
-3,1
-7
8
Niedersachsen
-5,1
1,4
-1,3
-4,3
-1,8
0
-3
Nordrhein-Westfalen
6,4
0, 1
-1,3
0, 5
0, 0
0
2
Rheinland-Pfalz
8,1
3,3
-1,4
- 1 ,7
- 0, 6
-4
-1
Saarland
1 7,7
5,4
-1,0
9,9
-2,9
-7
8
Sachsen
1,3
2,4
1,6
-1,0
0,7
0
4
Sachsen-Anhalt
1 ,7
5,2
-2,6
- 5 ,7
-2,1
-1
10
Schleswig-Holstein
5,8
1,2
-3,0
1,8
-1,4
9
7
Thüringen
7, 0
5,9
0, 9
2,5
1,8
-2
5
Ungewichteter Durchschnitt
6,6
3,3
0, 0 3
0, 8
-1,2
0, 2
3,3
St i f t e rv e r ba n d
Seite 22 L ändercheck
I n d i k ato r e n u n d M e t h o d i k
I.8
Bildungsinländer im 1.
HS-Semester,
Veränderung
WS 2005/06
bis
WS 2008/09
in %
-4
8
-7
33
-12
-4
2
15
-2
-3
8
10
31
28
0
31
8,3
St i f t e rv e r ba n d
Seite 23 L ändercheck
I n d i k ato r e n u n d M e t h o d i k
lehre und forschung im föderalen wettbewerb
d e r ländercheck w i s s e n s c h a f t
Deutschland ist ein föderaler Bundesstaat. Die staatlichen Verantwortlichkeiten für Bildung und Wissenschaft sind vorrangig bei den 16 Bundesländern verortet. Für den Hochschulbereich hat die Föderalismus-Reform im
Jahr 2006 den Ländern praktisch die Alleinzuständigkeit eingeräumt. Damit
erwächst ein Wettbewerb zwischen den Ländern um die besten Bedingun-
gen für Bildung und Forschung, aber auch eine Verantwortung der Länder
zur Zusammenarbeit und Abstimmung bei nationalen Herausforderungen.
Der Stifterverband-Ländercheck überprüft regelmäßig den Stand und die
Wirkungen des föderalen Wettbewerbs auf unterschiedlichen Feldern der
akademischen Bildungs- und Innovationspolitik und zeichnet Landkarten
Deutschlands, die Orientierungen bieten für politische Standortdebatten.
bisher erschienene ausgaben des ländercheck wissenschaft:
Der lange Weg nach Bologna – wo stehen die Länder bei der Studienreform?
h e rausge be r
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
Barkhovenallee 1, 45239 Essen
Postfach 16 44 60, 45224 Essen
Telefon (02 01) 84 01-0
Telefax (02 01) 84 01-3 01
[email protected]
www.stifterverband.de
autore n
Pascal Hetze, [email protected]
Mathias Winde, [email protected]
mitarbe it
Britta Jansen
g e sta ltu n g
dakato…design.
www.dakato.com
infografik
isotype.com
druck
www.fata-morgana.de
www.laendercheck-wissenschaft.de
Oktober 2009
Wo die Forschungslandschaft blüht – ein Vergleich der Länder nach öffent­
lichen und privaten Wissensinvestitionen
Juni 2010
Fly UP