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– Können Gesamtschulen dazu beitragen Bildungsentscheidungen am Ende der neunten Jahrgangsstufe

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– Können Gesamtschulen dazu beitragen Bildungsentscheidungen am Ende der neunten Jahrgangsstufe
ID: 103 / B 04 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Bildungsgerechtigkeit/ Migration
Stichworte: Bildungsentscheidungen, soziale Herkunftseffekte, Hauptschulabschluss, Gesamtschule
Bildungsentscheidungen am Ende der neunten Jahrgangsstufe – Können Gesamtschulen dazu beitragen
soziale Herkunftseffekte zu reduzieren?
Jennifer Lorenz, Tobias C. Stubbe
Georg-August-Universität Göttingen, Deutschland
Zahlreiche Studien belegen, dass die soziale Herkunft im deutschen Bildungssystem eine entscheidende Rolle spielt und Kinder
aus sozial weniger privilegierten Familien systematisch benachteiligt werden (z.B. Ehmke & Jude, 2010). Durch die
Mehrgliedrigkeit des deutschen Bildungssystems werden insbesondere die an Bildungsübergängen wirkenden sekundären
Herkunftseffekte begünstigt (z.B. Müller-Benedict, 2007). Während der erste Übergang nach der Primarstufe und dessen
Zusammenhang mit der sozialen Herkunft bereits umfassend dokumentiert sind, wurde späteren Übergängen am Ende der
Sekundarstufe I bislang weniger Beachtung geschenkt (z.B. Trautwein, Nagy & Maaz, 2011). Vereinzelte Studien zu diesen
Übergängen legen jedoch nahe, dass auch dort soziale Herkunftseffekte zum Tragen kommen (z.B. Schuchart & Maaz, 2007)
In der wissenschaftlichen Diskussion werden verschiedene Möglichkeiten benannt, den sozialen Disparitäten im deutschen
Bildungssystem entgegenzuwirken. Um die für Bildungsentscheidungen zentralen sekundären Herkunftseffekten zu reduzieren,
wird häufig die Öffnung des Schulsystems bzw. der Abbau von Selektionsstufen diskutiert (z.B. Müller-Benedict, 2007).
Bezugnehmend auf die im internationalen Vergleich erfolgreichen Schulsysteme skandinavischer Staaten, werden dabei auch
sogenannte Einheitsschulen diskutiert, die zur Chancengerechtigkeit beitragen könnten (Bacher, 2007; Schulministerium NRW,
2013). Mit der in den 1970er Jahren eingeführten Gesamtschule besteht in Deutschland eine Schulform in der die
zugrundeliegende Idee einer möglichst langen gemeinsamen Beschulung bereits umgesetzt wird. Aufgrund der Integration
verschiedener Bildungsgänge und der damit entfallenden Festlegung auf ein Schulniveau beim Übergang von der Grundschule,
bietet die Gesamtschule die Möglichkeit exemplarisch zu betrachten, was die vieldiskutierte Öffnung des Schulsystems bedeuten
kann. So kann anhand dieser Schulform geprüft werden, ob eine längere gemeinsame Beschulung bzw. eine flexiblere
Schulstruktur mehr soziale Chancengerechtigkeit bedeuten. Wäre dies der Fall, sollten sich am Ende der neunten
Jahrgangsstufe, wenn die Entscheidung, weiter zur Schule zu gehen oder die Schule mit dem Hauptschulabschluss zu verlassen
ansteht, an Gesamtschulen im Vergleich zu Hauptschulen des dreigliedrigen Schulsystems weniger Effekte der sozialen Herkunft
zeigen.
Ziel dieses Beitrages ist es am Beispiel von Gesamtschulen zu zeigen, ob der Einfluss der sozialen Herkunft auf die
Bildungsentscheidung nach der neunten Jahrgangsstufe durch die Öffnung des Schulsystems und den Abbau von
Selektionshürden reduziert werden kann. Hierzu wird die Wirkung von Herkunftseffekten auf die Entscheidung an Gesamtschulen
und Hauptschulen verglichen.
Für die empirischen Analysen werden Daten von Schülerinnen und Schülern sowie von deren Eltern der Startkohorte 4 des
nationalen Bildungspanels (NEPS; Blossfeld, Roßbach & von Maurice, 2011) genutzt. Die Daten werden mithilfe des Pakets mice
(van Burren & Groothuis-Oudshoorn, 2011) in R (R Development Core Team, 2015) multipel imputiert. Zur Überprüfung der
Forschungsfragen werden logistische Regressionsanalysen unter Berücksichtigung der Mehrebenenstruktur der Daten
durchgeführt. Als abhängige Variable wird die Entscheidung nach der neunten Jahrgangsstufe weiter zur Schule zu gehen oder
die Schule zu verlassen betrachtet. Die soziale Herkunft wird nach Bourdieu (1983) als ökonomisches (Einkommen, höchster
Berufsabschluss der Eltern), kulturelles (Anzahl der Bücher im Haushalt, höchster Bildungsabschluss der Eltern) und soziales
Kapital (Unterstützungsverhalten der Eltern, soziales Netzwerk der Eltern) einbezogen. Erste Analysen zeigen, dass die
Entscheidung nach der neunten Jahrgangsstufe weiter zur Schule zu gehen an Hauptschulen Zusammenhänge mit der sozialen
Herkunft aufweist. An Gesamtschulen hingegen finden sich keine Herkunftseffekte, dafür ist dort, anders als an Hauptschulen,
die nach der Primarstufe erhaltene Schulempfehlung statistisch von Bedeutung. Schülerinnen und Schüler, die eine
Hauptschulempfehlung erhalten hatten, haben demnach an Gesamtschulen geringere Chancen weiter zur Schule zu gehen als
solche mit anderen Empfehlungen.
ID: 105 / H 01 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Sonstiges
Stichworte: Forschungskompetenzen, Forschungsorientierte Lehre, Kompetenzmodellierung, Faktorenanalysen
Die faktorielle Validierung des F-Komps - Ein Fragebogen zur Erfassung studentischer
Forschungskompetenzen auf Grundlage des RMRK-W-Modells an der Freien Universität Berlin
Franziska Böttcher, Felicitas Thiel
Freie Universität Berlin, Deutschland
Studentische Forschungskompetenzen können gezielt im Rahmen forschungsorientierter Lehre (FoL) gefördert werden. Mit FoL
ist das Anliegen verbunden, den Research-Teaching-Nexus (Brew, 2006; Griffiths, 2004; Healey, 2005) durch die Entwicklung
forschungsorientierter Lehr-Lern-Arrangements zu stärken. Studierende erhalten darin die Möglichkeit, an aktuellen
Forschungsprojekten teilzuhaben.
In der vorliegenden Studie wurde ausgehend von der pragmatischen Wissenschaftstheorie (Butts 1991; Dewey 1938; Mittelstraß
1991) ein generisches Kompetenzmodell (RMRK-W-Modell; Thiel & Böttcher, 2014) mit theoretisch trennscharfen Dimensionen
entwickelt: Recherche-, Methoden-, Reflexions- und Kommunikationskompetenzen sowie Fachliches Wissen. Zu diesen
Dimensionen wurden wiederum Facetten operationalisiert. Auf Grundlage des RMRK-W-Modells, das studentische
Forschungskompetenzen
fachkulturübergreifend
modelliert,
wurde
ein
Fragebogen
entwickelt,
der
diese
Forschungskompetenzen entsprechend der Dimensionen abbildet. Das Ziel der vorliegenden Studie ist die faktorielle Validierung
des „Fragebogens zur Erfassung studentischer Forschungskompetenzen“ (F-Komp), einem Instrument das zur Evaluation von
FoL genutzt werden soll.
Der F-Komp wurde anhand einer Stichprobe, bestehend aus N = 392 Bachelor- (27%), Master- (68%) und
Promotionsstudierenden (4%) in Studiengängen der Natur- (7%), Agrar- (12%) und Sozialwissenschaften (81%), erstmalig
eingesetzt. Mit konfirmatorischen Faktorenanalysen wurde die Modellstruktur unter Einsatz des robusten MLR-Schätzers
überprüft. Es konnten fünf Dimensionen identifiziert werden, die den postulierten Dimensionen des Modells entsprechen. Diese
konnten durch Subdimensionen, die sich aus Facetten des Modells ableiten, weiter ausdifferenziert werden. Die Ergebnisse
werden diskutiert.
ID: 107 / A 02 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Unterrichtsentwicklung/
Unterrichtsqualität
Stichworte: Naturwissenschaftliche Praktika, Lehrevaluation, LeKo, Experimentelle Kompetenz, Fragebogen
PraKo: Theoretisch fundierte Lehrevaluation naturwissenschaftlicher Experimentalpraktika: Ergebnisse
der Validierungsstudie
Daniel Rehfeldt, Volkhard Nordmeier
Freie Universität Berlin, Deutschland
(1) Ziel: Seit der Bologna-Reform gehört die regelmäßige, wissenschaftlich fundierte Überprüfung und Entwicklung von Lehre an
der Hochschule zum allgemeinen Konsens (Friedrich, 2005; Hopbach, 2007). Nichtsdestotrotz mangelt es an einer theoretischen
Fundierung der meisten Evaluationsinstrumente und in Folge dessen auch an der Akzeptanz derselben (Csonka et al., 2014).
Es sollte also auf fundierte Evaluationsinstrumente abgezielt werden.
(2) Akademischer Nutzen: Für Vorlesungen und Seminare wurden an der FU Berlin lerntheoretisch fundierte Instrumente zur
Lehrevaluation über alle Fächer konstruiert und validiert (LeKo, Thiel et al., 2012; BEvaKomp, Braun et al., 2008). Speziell LeKo
ersetzt nun erfolgreich und universitätsweit die vorherige, allgemeine Lehrevaluation und gibt den Lehrpersonen Rückmeldung
über deren Lehrkompetenz auf didaktischer und pädagogischer Basis. Für naturwissenschaftliche Praktika fehlt indes ein solches
Instrument.
Naturwissenschaftliche Praktika bilden jedoch den Kern der experimentellen Ausbildung in den Naturwissenschaften (Psillos &
Niedderer, 2002), weshalb gerade dort eine fundierte Lehrevaluation von besonderem Nutzen wäre. Praktika fördern u. a. die
experimentelle Kompetenz (z. B. Schreiber, Theyßen, & Schecker, 2012), eine Schlüsselkompetenz für das weitere Studium und
den späteren Berufsalltag der zukünftigen NaturwissenschaftlerInnen.
Unser Ziel war es daher, einen theoretischen und kompetenzorientierten Rahmen für die Qualität von Praktika und schließlich
ein darauf aufbauendes, ökonomisch nutzbares Instrument zu entwickeln und empirisch zu validieren.
(3) Theoretischer Hintergrund: Mit der Modellierung über das theoretische Modell der Praktikumsqualität fand für die Erfassung
von praktikumsrelevanten Kompetenzen (PraKo) der erste Schritt statt (Rehfeldt, Mühlenbruch, & Nordmeier, 2014). Das Modell
definiert hierbei den relevanten Lern-Output, die Lehrkompetenz der Betreuenden und das Material von Praktika. Zum Output
zählt der Kompetenzzuwachs der Studierenden, etwa bei der experimentellen Kompetenz oder der Fachkompetenz. Die
Lehrkompetenz der Betreuenden umfasst z. B. die Steuerung von Interaktionen in der Praktikumsgruppe. Die Material-Dimension
schließlich beschreibt die Medien und Organisation des Praktikums, etwa die Qualität des anleitenden Praktikumsskripts.
(4) Methoden: Die Konstrukte wurden über Selbsteinschätzungs-Likertskalen erhoben, wie bereits bei LeKo und BEvaKomp
geschehen. Die Operationalisierung wurde in 140 Items in 40 Skalen teils adaptiv, teils theoriegeleitet und teils induktiv
vorgenommen. Auf Grund der hohen Itemanzahl wurde das Instrument in zwei Fragebögen PraKo A und PraKo B eingeteilt.
Nach der darauffolgenden Inhaltsvalidierung der Items, u. a. mit fünf ExpertInnen aus den verschiedenen Naturwissenschaften,
wurde in bisher 16 Grundpraktika verschiedener Fächer bundesweit empirisch pilotiert.
(5) Datenquellen: Für die faktorielle Validierung der beiden Instrumente wurden Daten von Physik-, Biologie und ChemieStudierenden verwendet (N_A = 329, N_B = 242). Die Erhebung fand direkt in den jeweiligen Praktika statt. Diese bildete die
Grundlage für die explorative Faktorenanalyse.
(6) Ergebnisse: In den beiden EFA der induktiv konstruierten Skalen von PraKo A und B zeigen sich inhaltlich gut interpretierbare
Lösungen. Der PraKo A zeigt beim EM-imputierten Datensatz eine 15-Faktor-Lösung bei 68 Items. Die Itemanalyse zeigt fünfzehn
reliable Skalen, wie Fachwissen (Praxis) oder Messungen durchführen (αs > .79) mit trennscharfen Items.
Der PraKo B zeigt eine 8-Faktor-Lösung mit keinen substanziellen Nebenladungen bei 37 Items, acht Items wurden wegen
schlechter Kennwerte (Kommunalitäten, Trennschärfen, Doppelladungen, etc.) entfernt, ohne die Inhaltsvalidität stark zu
tangieren. Die Itemanalyse zeigt acht reliable Skalen, wie Verständnis überprüfen oder Skriptqualität (αs > .80) mit trennscharfen
Items.
Weitere Validierungsschritte umfassen eine konfirmatorische Faktorenanalyse zur Stützung der faktoriellen Validität, eine
Kreuzvalidierung über Kompetenztests (konvergente Konstruktvalidierung), sowie Zufriedenheitsskalen (divergente
Konstruktvalidierung).
Der PraKo ist daher erfolgreich validiert und einsatzbereit für naturwissenschaftliche Praktika.
ID: 108 / D 04 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Gesundheit/ Stress/ Belastung
Stichworte: Bildungsbiografie, Religiösität, Stress, oping
Religiosität als Ressource? Eine empirische Studie zur Rekonstruktion von Bildungsbiographien junger
Akademiker/inn/en mit türkisch-muslimischem Migrationshintergrund
Barbara Thies, Züleyha Özcan
TU Braunschweig, Deutschland
Der Bildungsbericht 2014 zeigt, dass Kinder aus Familien mit türkischem Migrationshintergrund einem überdurchschnittlichem
Bildungsrisiko ausgesetzt sind, etwa die Hälfte der 30 bis unter 35-jährigen türkisch-stämmigen Personen haben keinen
beruflichen Abschluss erlangt (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2014). Im Generationsvergleich hingegen zeigt sich ein
Anstieg des Bildungsniveaus, aktuell vor allem im tertiären Bildungsbereich (Anstieg an Immatrikulationen um 13 Prozent relativ
zu 2012, Anteil an Studierenden mit türkischem Migrationshintergrund 8.4 % in 2014, relativ zu 4.2 % in 2012). Somit stellt sich
die Frage, wie die Bildungsbiografien erfolgreicher türkisch-stämmiger Migrant/inn/en verlaufen (s.a. Tepecik, 2011). Barz, Barth,
Cerci-Thoms, Dereköy, Först, Le und Mitchnik (2015) fokussieren – ähnlich wie Tepecik im Gegensatz zu älteren Studien die
spezifischen Chancen und Ressourcen dieser Teilpopulation (u.a. Mehrsprachigkeit, Aufstiegsambitionen, Leistungsorientierung,
Frustrationstoleranz) und zeigen, dass Bildung bei fast allen Befragten mit Migrationshintergrund und in deren Elternhäusern
einen zentralen Wert darstellt. Weitere Studien zeigen, dass sich besonders türkisch-stämmige Migrant/inn/en zu ihrer
Religionszugehörigkeit und zu religiösen Überzeugungen bekennen (u.a. Boos-Nünning, Karakasoglu, 2005, s.a. Weiss &
Wittmann-Roumi Rassouli, 2007). Von daher stellt sich die Frage, ob Religiosität bzw. das Ausüben religiöser Praxen Einfluss
auf die Bildungsbiografien türkisch-stämmiger Migrant/inn/en hat.
In der vorliegenden Studie wird davon ausgegangen, dass der Migrationshintergrund im Verlauf der Bildungsbiografien und dem
Kontakt mit Bildungsinstitutionen einen (kontinuierlichen) Stressor (im Sinne der Transaktionalen Stresstheorie, Lazarus &
Folkman, 1984) darstellen kann. Es soll von daher untersucht werden, welche Ressourcen bzw. Coping-Strategien türkischmuslimische Akademiker/inn/en während ihres Bildungsverlaufs (erfolgreich) nutzen konnten und ob Religiosität eine davon ist.
Die Datenerhebung erfolgt über die narrative Rekonstruktion der Bildungsbiografien (Planung, Durchführung und Erstauswertung
im Sinne der narrativen Interviewtechnik nach Schütze, 1983, s.a. Küsters, 2006) von Akademiker/inn/en mit türkischmuslimischem Migrationshintergrund (N = 8). Innerhalb dieser hochselektiven Stichprobe sollten die Proband/inn/en hinsichtlich
ihrer religiösen Überzeugungssysteme maximal variieren von (a) religiös- (teilweise) praktizierend, über (b) eher religiös- nicht
bzw. selten praktizierend, bis (c) nicht religiös - kein Bezug zur islamischen Religion. Um den spezifischen Effekt der religiösen
Überzeugungen eruierbar zu machen, wurden die Proband/inn/en anhand weiterer Merkmale konstant gehalten, alle sind in
Deutschland geboren oder als Jugendliche eingewandert, leben mindestens in der zweiten oder dritten Generation in der BRD,
haben mindestens einen Teil ihrer Schullaufbahn in Deutschland absolviert, verfügen über einen akademischen Bildungsgrad
und sind berufstätig. Neben klassischen Einzelfallanalysen erfolgt die Auswertung des Materials mit einem auf den
Grundannahmen der transaktionalen Stresstheorie (s.o.) basierendem deduktiven Kategoriensystem (mit den Oberkategorien:
stressinduzierende Faktoren, primäre und sekundäre Bewertung, potentiell nutzbare Bewältigungsstrategien). Die religiösen
Praxen werden im Rahmen der Bewältigungsstrategie „positive Grundeinstellung“ (‘positive beliefs‘, Lazarus & Folkman, 1984)
kodiert.
Insgesamt zeigt sich, dass alle Befragten mit Belastungssituationen im Bildungsverlauf konfrontiert wurden, die sich auf ihren
Migrationshintergrund beziehen (erste Konfrontationen erleben mit einer Ausnahme alle Befragten bei den Empfehlungen der
weiteren Schullaufbahn). Die Einzelfallanalysen zeigen weiterhin, dass türkisch-muslimische Akademiker/inn/en sich
Mehrfachbelastungen ausgesetzt fühlen (s.a. Uslucan, 2005). Die erlebten Stressoren im Bildungsalltag sind eher homogen
(Migrationshintergrund, religiöse Zugehörigkeit, finanzielle Lage, Sprachprobleme, äußeres Erscheinungsbild). Die
Religionszugehörigkeit hat demnach durchaus eine stressinduzierende Funktion. Dabei scheint die Wahrnehmung der
Religionszugehörigkeit als Stressor bedeutend von der religiösen Einstellung der Befragten abhängig zu sein. Die Befragten mit
mäßiger religiöser Überzeugung (b) beispielsweise empfinden die Religionszugehörigkeit nur dann als Belastung, wenn sie damit
direkt konfrontiert werden. Allerdings nutzen sie religiöse Praktiken (z. B. Gebete) als Ressource, beispielsweise vor und während
Prüfungssituationen.
Die stark Religiösen hingegen empfinden massivere Benachteiligungen aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit und sehen sich
einer ständigen Konfrontation mit der Gesellschaft ausgesetzt. Allerdings nutzen gerade diese Befragten ihre Religiosität in
vielfältiger Weise als Ressource und setzen sie effektiv zur Stressbewältigung ein. Auch nehmen sie ihre Religiosität selbst als
wesentliche Ressource wahr, durch die sie ihre Bildungslaufbahn erfolgreich absolvieren konnten.
ID: 109 / B 16 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lernen mit Computer und
neuen Medien
Stichworte: ICILS 2013, computer- und informationsbezogene Kompetenzen, Lesekompetenz
Zum Kompetenzvorsprung der Mädchen im Bereich der computer- und informationsbezogenen
Kompetenzen – unerwarteter Bildungserfolg oder eine Frage der Lesekompetenz?
Birgit Eickelmann, Kerstin Drossel
Universität Paderborn, Deutschland
Ein zentrales Ergebnis der IEA-Studie ICILS 2013 (International Computer and Information Literacy Study; Bos, Eickelmann,
Gerick et al., 2014) ist, dass Mädchen in Deutschland signifikant höhere Kompetenzstände im Bereich der computer- und
informationsbezogenen Kompetenzen aufweisen als Jungen und weiterhin in keinem Land Jungen besser als Mädchen
abschneiden (Lorenz, Gerick, Schulz-Zander & Eickelmann, 2014). Nicht zuletzt unter Berücksichtigung des guten Abschneidens
von Mädchen in Lesetests und vor dem Hintergrund von Affinitäten des Teilkonzeptes der Information Literacy zum Bereich der
Lesekompetenz (vgl. ALA, 1989; Fraillon, Ainley & Schulz, 2013) liegt zur Erklärung dieses möglicherweise zunächst
überraschenden Bildungserfolges der Mädchen einerseits die Vermutung nahe, dass sich hier mögliche konstruktspezifische
Zusammenhänge abbilden. Andererseits kann eine mögliche Erklärung sein, dass Lesekompetenz oftmals als Basiskompetenz
bezeichnet wird (Hohn, Schiepe-Tiska, Sälzer & Artelt, 2013) und sich empirisch besonders für den Sekundarschulbereich hohe
Korrelationen zu Kompetenzen in anderen (bereichsspezifischen) Domänen zeigen (OECD, 2014). Nicht erforscht ist bisher
hingegen der Zusammenhang der Lesekompetenz mit ICT-Literacy (Information and Communication Technologies; vgl. u.a. ETS,
2002) oder wie mit der Studie ICILS 2013 konzeptioniert und erfasst, den computer- und informationsbezogenen Kompetenzen
(Computer and Information Literacy, CIL; vgl. Fraillon et al., 2014; Eickelmann, Bos, Gerick & Kahnert, 2014). Diese Kompetenzen
nehmen im Verständnis der Studie in unserer Informations- zur Wissensgesellschaft einen zentralen Stellenwert ein und sind als
bereichsübergreifende Schlüsselkompetenzen einzuordnen, die die Fähigkeiten umfassen, digital vermittelte Informationen
auszuwählen, zu verstehen, zu nutzen und zu kommunizieren (Eickelmann et al., 2014). Mit der ICILS 2013 wurde dieser
Kompetenzbereich erstmalig im internationalen Vergleich in der Kohorte der Achtklässlerinnen und Achtklässler untersucht und
computerbasiert getestet. Die Erforschung von Zusammenhängen zwischen CIL und Lesekompetenz wird durch eine nur in
Deutschland realisierte nationale Erweiterung eines Lesetests (LGVT 6-12; Lesegeschwindigkeits- und -verständnistest;
Schneider, Schlagmüller & Ennemoser, 2007) ermöglicht, der in der nationalen Kohorte der Achtklässlerinnen und Achtklässler
am Testtag zusätzlich eingesetzt wurde.
Mit diesem Beitrag wird ausgehend von der eingangs ausgeführten Beobachtung unter Einbezug des national ergänzten
Lesetests auf der Grundlage der nationalen und repräsentativen ICILS-2013-Schülerdaten der Frage nachgegangen, inwieweit
die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen mit der Leseleistung von Jungen und Mädchen zusammenhängen.
Zudem wird entlang des theoretischen Rahmenmodells der Studie (vgl. Eickelmann et al., 2014) untersucht, wie sich der
Zusammenhang unter Kontrolle verschiedener Schülervariablen, wie beispielsweise dem sozioökonomischen Status, dem
Migrationshintergrund, der Selbstwirksamkeitserwartung, der Dauer der Computererfahrung und der kognitiven Fähigkeiten,
verhält.
Zur Beantwortung der Forschungsfrage, werden jeweils für Mädchen und Jungen multiple Regressionsmodelle berechnet
(Pedhazur, 1997). Dabei steht für die für Deutschland repräsentative Stichprobe für die Achtklässlerinnen und Achtklässler neben
den computer- und informationsbezogenen Kompetenzwerten (N=2.225) auch die mittels LGVT 6-12 erhobene Leseleistung zur
Verfügung (N=2.167).
Die Ergebnisse zeigen zunächst erwartungskonform, dass Mädchen signifikant höhere Leistungswerte als Jungen in dem
eingesetzten Lesetest erzielen. Hinsichtlich der Kernfragestellung dieses Beitrags wird weiterhin ersichtlich, dass die
Leseleistung sowohl für die Mädchen als auch für die Jungen in einem signifikanten Zusammenhang mit den computer- und
informationsbezogenen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler steht, wobei die Lesekompetenz bei den Mädchen mit 19
Prozent mehr zur Varianzaufklärung der computer- und informationsbezogenen Kompetenzen beiträgt als bei den Jungen (15%).
Auch unter Kontrolle der vorgenannten Schülervariablen, die, abgesehen von den kognitiven Fähigkeiten, kaum zur
Varianzaufklärung in den computer- und informationsbezogenen Kompetenzen beitragen, bleibt die Leseleistung sowohl bei den
Mädchen als auch bei den Jungen ein signifikanter Prädiktor der computer- und informationsbezogenen Kompetenzen. Anders
als bei den Jungen, spielen zumindest für die Mädchen auch unter Berücksichtigung der Lesekompetenz und der kognitiven
Fähigkeiten die Dauer der Computererfahrung sowie der Bildungsabschluss der Eltern eine Rolle. Für die Jungen erweist sich
hingegen der sozioökonomische Hintergrund (HISEI) als relevant.
ID: 111 / A 02 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Lehrer(aus)bildung
Stichworte: Studienerfolg, Online-Self-Assessment, OSA, Studienabbruch
Nicht-kognitive Prädiktoren für den Studienerfolg im Lehramt Physik
Nikola Schild, Daniel Rehfeldt, Volkhard Nordmeier
Freie Universität Berlin, Deutschland
Ziel: Bundesweit lassen sich in den Studiengängen Physik und Physik Lehramt hohe Abbruchquoten verzeichnen. Dies bedeutet
einerseits für die Studierenden einen persönlichen Rückschlag – nicht nur in Form von Zeit- und Einkommensverlust – als auch
einen wirtschaftlichen Verlust und eine Fehl-investition von Seiten der Universität (Schiefele et al., 2007). Daher besteht das Ziel
des Forschungsprojekts HeLP! darin, ein validiertes Instrument auf Vorhersagekraft zum Studienerfolg zu überprüfen und diese
Ergebnisse in Form eines Online-Self-Assessments auf Studieninteressierte anzuwenden.
Theoretischer Hintergrund: Die theoretische Grundlage für das Vorhaben bildet das Studienerfolgsmodell von Thiel et al.
(2008), adaptiert von Albrecht et al. (2011). Dieses Modell unterscheidet kategorisch in verschiedene Einflussdimensionen, die
zum Studienerfolg oder Studienmisserfolg führen können. Eine Ursache für die niedrige Studienerfolgsquote ist die mangelnde
Passung zwischen Erwartungen der Studieninteressierten und Studienrealität. Dies lässt sich vor allem auf eine mangelnde
Informiertheit zu Studienbeginn zurückführen (Albrecht et al., 2011). Eine weitere Ursache für einen Studienabbruch sind die
inhaltlichen Studienanforderungen (Albrecht et al., 2011), was sich auf mangelnde kognitive Fähigkeiten zurückführen lassen
könnte.
Fragestellung: Hieraus ergibt sich die Fragestellung: Inwieweit lässt sich Hochschulerfolg im Lehramt Physik und im Fach Physik
im Rahmen des modifizierten Modells vorhersagen?
Methoden: Für die Weiterentwicklung des Studienerfolgsmodells in ein Vorhersagemodell soll im Rahmen einer
Längsschnittstudie die Vorhersagekraft verschiedener Prädiktoren zum tatsächlichen Studienerfolg überprüft werden. Hier wird
in kognitive- und nicht-kognitive Prädiktoren unterteilt.
Als kognitive Prädiktoren für einen Studienabbruch werden mathematisches und physikalisches Vorwissen angenommen. Hierzu
wurde bereits ein Leistungstest konzipiert, pilotiert und RASCH-validiert.
Als nicht-kognitive Prädiktoren wurden studienerfolgskritische Verhaltensweisen (Studienwahlkriterien, Lernverhalten, Kontakte
zu KommilitonInnen, Mediennutzung, Informiertheit vor dem Studium, etc.) näher betrachtet. Die relevanten Verhaltensweisen
wurden durch Expertenratings gestützt und durch kognitive Interviews mit Mitgliedern der Zielgruppe (Studierende der Physik im
Lehramt) überarbeitet. Zur Validierung des Fragebogens wurden bundesweit Studierende des Lehramts Physik und des Fachs
Physik im zweiten Fachsemester befragt. Die daraus gewonnenen Daten wurden mit einer explorativen Faktorenanalyse (EFA)
auf ihre faktorielle Struktur überprüft und diese anschließend mit einer konfirmatorischen Faktorenanalyse (CFA) bestätigt.
Da seit einigen Jahren an der Freien Universität Berlin bereits eine Längsschnittstudie zur Studienzufriedenheit durchgeführt
wird, die in Form eines Fragebogens vorliegt, wurde, aus ökonomischen Gründen hier ebenfalls das Fragebogenformat gewählt.
Ergebnisse: Die RASCH-Analyse der Ergebnisse des kognitiven Leistungstest hat zufriedenstellende Ergebnisse geliefert.
Im Rahmen der EFA (N = 292) konnten 10 Faktoren identifiziert werden. In der Analyse zeigte sich, dass es sich bei 19 der Items
um Einzelindikatoren zum Studienerfolg handelt, da keine nennenswerten Korrelationen mit anderen Items auftraten. Aufgrund
von starken Boden- und Deckeneffekten wurden vier weitere Items aus der Analyse ausgeschlossen. Die Verbliebenen 36 Items
konnten auf 10 latente Variablen zurückgeführt werden und ergaben eine saubere Faktorstruktur.
Ausblick: Um die Gültigkeit der Faktorstruktur zu überprüfen, muss der Datensatz der zweiten Hälfte der Stichprobe einer CFA
unterzogen werden. Sollten sich die gefundenen Konstrukte bestätigen lassen, läge dann ein faktoriell validiertes Instrument zur
Messung von Studienabbruch im Rahmen des nicht-kognitiven Anteils vor. Der validierte kognitive und nicht-kognitive Teil sind
Bestandteil der Erhebungen des Wintersemesters 15/16 bei StudienanfängerInnen. Eine erneute Befragung drei Semester später
ermöglicht dann, den Studienerfolg im Rahmen eines Regressionsmodells vorhersagen zu können.
ID: 113 / E 04 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Soziologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Methoden der empirischen Bildungsforschung, Motivation und Emotion
Stichworte: Neue Steuerung und Bildungsgerechtigkeit, Vertrauen, Soziale Netzwerkanalysen, Validität, Mixed Methods
Bedeutung von Vertrauen bei der Etablierung von Bildungskooperationen im formalen und non-formalen
Bildungsbereich: Analyse der Wechselwirkungen zwischen institutionellen und individuellen Faktoren
anhand Sozialer Netzwerkanalysen
Nina Kolleck, Luise von Keyserlingk, Marc-Christian Schäfer
Freie Universität Berlin, Deutschland
Der Beitrag diskutiert die Bedeutung von Vertrauen bei der Etablierung von Bildungsinitiativen sowie die Möglichkeiten und
Grenzen der Validität in der methodenkombinierenden Sozialen Netzwerkanalyse (SNA). Präsentiert werden erste Ergebnisse
des Drittmittelprojekts „Reallabor RuhrFutur“. Dieses greift auf unterschiedliche methodische Verfahren der SNA zurück, um die
Etablierung der Bildungsinitiative „RuhrFutur“ vom frühkindlichen über den schulischen zum hochschulischen Bereich zu
analysieren. Die Bildungsinitiative RuhrFutur wurde gemeinsam von der Stiftung Mercator, der RuhrFutur GmbH sowie dem Land
NRW initiiert. Die Leitziele der Initiative sind 1) bestmögliche individuelle Förderung der Bildungsrezipienten, 2) Etablierung
durchgängiger Sprach- und Ausdrucksbildung, 3) Entwicklung eines Modells erfolgreicher inter- und intrakommunale
Kooperation, 4) Gestaltung gelingender Kooperationen von Schulen und Hochschulen sowie 5) die Angleichung der
Studienerfolgsquote von Studierenden mit bildungsfernem und -nahem Hintergrund.
Im Rahmen des Vortrags sollen erste Antworten auf die Frage geliefert werden, welche Bedeutung Vertrauen und soziale
Netzwerke bei der Etablierung des bildungspolitischen Vorhabens „RuhrFutur“ besitzen. Auf der theoretischen Ebene wird dabei
auf Annahmen der Netzwerkforschung zurückgegriffen, nach denen die Beziehungsstrukturen sowie die Eigenschaften des
Umfeldes eines Individuums in empirischen Analysen zentral zu berücksichtigen sind. Netzwerktheoretischen Ansätzen gelingt
es, den Begriff des Sozialkapitals (Bourdieu 1983; Coleman 1988) zu operationalisieren, somit die Wechselwirkungen zwischen
Akteuren und Strukturen zu erfassen und die reziproken Interpretations- und Konstruktionsprozesse sowie die sich aus
strukturellen Positionen ergebenden individuellen Handlungsoptionen zu integrieren. Methodische Operationalisierungen dieser
theoretischen Annahmen stoßen zugleich auf Validitätsprobleme (vgl. Bien 1983). Diese beziehen sich in der eher quantitativ
ausgerichteten SNA insbesondere auf die Rücklaufquote, die für gesamtnetzwerkanalytische Untersuchungen besonders
bedeutsam ist. Die qualitative Netzwerkforschung stößt hingegen vice versa auf die Schwierigkeit, Wechselwirkungen zwischen
Akteuren und Strukturen rekonstruieren zu wollen, ohne jedoch Strukturen valide und nachvollziehbar erfassen zu können.
Auf der methodischen Ebene greift der Beitrag sowohl auf quantitative als auch auf qualitative Verfahren zurück: Implementiert
wird ein „sequential mixed design“ (Creswell 2005; Onwuegbuzie & Johnson 2006; Tashakkori & Teddlie 1998). Qualitative und
quantitative Erhebungen und Analysen werden parallel durchgeführt, wobei Daten, die in einer Phase des Projektes gesammelt
wurden, als Grundlage für weitere, konsekutive Phasen verwendet werden, um gleichermaßen eine Validierung des Vorgehens
wie der empirischen Ergebnisse und theoretischen Implikationen zu unterstützen. Für die Datenerhebung greifen wir auf
Techniken der egozentrieren Netzwerkanalyse sowie auf qualitative Interviews und Netzwerkkarten zurück. Im Sinne der
egozentrierten Netzwerkanalyse geht es dabei um die Abbildung der Netzwerkgrenzen, die mithilfe von Namensgeneratoren
ermittelt werden. Namensinterpretatoren werden eingesetzt, um Informationen über die Eigenschaften der genannten
Kontaktpersonen bzw. den Kontext der Beziehungen zu gewinnen. Darüber hinaus werden Fragen nach den Beziehungen
zwischen den Kontaktpersonen gestellt. Die Erhebung von Vertrauen erfolgt u.a. auf der Basis validierter Skalen zur Messung
generalisierten und relationalen Vertrauens (u.a. Kramer 1999; Yamagishi 1986; Yamagishi & Sato 1986). Für die quantitative
Datenanalyse greifen wir sowohl auf Verfahren der Gesamtnetzwerkanalyse als auch auf traditionellere statistische Verfahren,
wie die konfirmatorische Faktorenanalyse und die Mehrebenenanalyse zurück. Qualitative Daten werden anhand der qualitativen
Inhaltsanalyse interpretiert.
Vorläufige Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass Vertrauen eine wichtige Funktion bei der Etablierung von
Bildungsinitiativen besitzt. Während die positive Auswirkung von Vertrauen auf Kooperationen in schulischen Kontexten bereits
aufgezeigt werden konnte (Katz & Earl 2010, Tschannen‐Moran 2001), berücksichtigt der Beitrag auch die Kooperationen von
Schulen mit Akteuren der frühkindlichen Bildung, der Hochschule sowie der kommunalen Bildungsträger. Dabei zeigt sich, dass
das Verhältnis von generalisiertem und relationalem Vertrauen ein bislang vernachlässigtes Phänomen darstellt, dessen Analyse
einen vielversprechenden Beitrag zum Forschungsstand verspricht. Zugleich tragen Mixed-Methods-Designs, über den Einsatz
validierter Skalen zur Messung von Vertrauen hinaus, zur Validität der Vertrauensforschung im Bereich der SNA bei.
ID: 114 / B 17 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Methoden der empirischen Bildungsforschung, Sonstiges
Stichworte: Impulsivität, Barratt Impusiveness Scale, Kurzskala, Pilotierung, Faktorenstruktur
Psychometrische Evaluation einer Kurzskala zur Messung von Impulsivität (BIS-15)
Dorothea Krampen1, Karl Schweizer2, Siegbert Reiß3, Andreas Gold1
1
Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Psychologie, Abteilung Pädagogische Psychologie; 2Goethe-Universität
Frankfurt am Main, Institut für Psychologie, Arbeitsstelle für Evaluationsmethodik; 3Goethe-Universität Frankfurt am Main,
Institut für Psychologie, Abteilung Psychologische Methodenlehre, Evaluation und Forschungsmethodik
Wenn Verhalten weniger durch Impulsivität, sondern durch ein höheres Maß an Selbstkontrolle geprägt ist, sind damit Vorteile in
einer ganzen Reihe lern- und leistungsbezogener Ergebnisvariablen verbunden. Impulsivität stellt ein relativ stabiles individuelles
Merkmal dar, dessen Einfluss auf zahlreiche wichtige Lebensbereiche dokumentiert ist, darunter Bildung, Arbeit, soziale
Anpassung und Gesundheit (Olmstead, 2014). Verstanden wird Impulsivität als Prädisposition zu schnellen, unüberlegten
Reaktionen auf internale oder externale Reize, ohne Beachtung negativer Konsequenzen dieser Reaktionen für sich selbst oder
für andere. Es handelt sich um ein multidimensionales Konstrukt, das verschiedene Aspekte des Denkens, Fühlens und Handelns
umfasst. Dementsprechend sind die Möglichkeiten zur Erfassung von Impulsivität vielfältig. Neben Aufgaben zur
Antworthemmung und Entscheidungsfindung werden vor allem Selbstauskunftsfragebögen eingesetzt. Die Barratt Impulsiveness
Scale, die aktuell in elfter Revision vorliegt (BIS-11; Patton, Stanford & Barratt, 1995), ist dabei eines der am häufigsten
angewandten Verfahren für Erwachsene. Die 30 Items des Fragebogens lassen sich drei Faktoren zweiter Ordnung
(aufmerksamkeitsbasierte Impulsivität, motorische Impulsivität und nichtplanende Impulsivität) und sechs Faktoren erster
Ordnung (Aufmerksamkeit, motorische Impulsivität, Selbstkontrolle, kognitive Komplexität, Perseveranz, kognitive Instabilität)
zuweisen. Bislang konnte diese Faktorenstruktur allerdings nur unzureichend repliziert werden (z. B. Preuss et al., 2008; Stanford
et al., 2009; Vasconcelos, Malloy-Diniz & Correa, 2012). Spinella (2007) legte eine aus 15 Items der BIS-11 bestehende
englischsprachige Kurzversion vor (BIS-15), mit der sich die Faktoren zweiter Ordnung zuverlässig identifizieren ließen. Kurzund Langversion korrelierten zudem hoch miteinander, weshalb die BIS-15 als ökonomische Alternative zur BIS-11 betrachtet
werden kann, die vergleichbare psychometrische Kennwerte liefert (Meule, Vögele & Kübler, 2011; Spinella, 2007). Da im
deutschsprachigen Raum kaum hinreichend evaluierte Kurzskalen zur Erfassung von Impulsivität existieren und darüber hinaus
die Befundlage zur Faktorenstruktur gemeinhin uneinheitlich ist, wurde zunächst eine deutsche Übersetzung der BIS-15 gemäß
den Empfehlungen der International Test Commission (2005) angefertigt und anschließend pilotiert. Es wurde erwartet, dass sich
eine ähnliche, dreifaktorielle Struktur wie bei Spinella (2007) zeigt. Die Pilotierungsstichprobe setzte sich aus N = 162
Studierenden verschiedener Fachbereiche an mehreren Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen.
Die Studierenden wurden per E-Mail für die Onlinebefragung rekrutiert. Das durchschnittliche Alter der Teilnehmenden betrug
25.1 Jahre (SD = 6.3); 78 Prozent waren weiblich. Zur explorativen Analyse der Faktorenstruktur wurde in Übereinstimmung mit
dem bisherigen Vorgehen (Patton et al., 1995; Spinella, 2007) eine Hauptkomponentenanalyse mit obliquer Rotation
durchgeführt. Cronbachs Alpha wurde zur Beurteilung der internen Konsistenz berechnet. Die Faktorenanalyse führte zu einer
dreifaktoriellen Lösung mit insgesamt 50.1 Prozent erklärter Varianz, wobei die Anzahl der extrahierten Faktoren durch eine
Parallelanalyse (Horn, 1965) zusätzlich gestützt werden konnte. Im Vergleich zeigten die durchweg unauffälligen Faktorladungen
eine weitgehende Entsprechung zur englischsprachigen Version. Die interne Konsistenz der Gesamtskala war mit .80
zufriedenstellend; die Werte für die aus vier bis sechs Items bestehenden Subskalen lagen bei .59 (nichtplanende Impulsivität),
.66 (motorische Impulsivität) und .71 (aufmerksamkeitsbasierte Impulsivität). Damit erscheint die BIS-15 zur Erfassung von
Impulsivität im deutschsprachigen Raum zunächst prinzipiell geeignet, insbesondere bei Verwendung der Gesamtskala. Die von
Spinella (2007) gefundene Faktorenstruktur konnte bestätigt werden, obgleich wenige Items anderen Faktoren zugeordnet
wurden, was inhaltlich jedoch durchaus plausibel anmutet. Die deutsche Kurzskala soll mittelfristig Bestandteil einer Testbatterie
werden, die unter anderem die – üblicherweise nur moderaten (Enticott, Ogloff & Bradshaw, 2006; Reynolds, Ortengren, Richards
& de Wit, 2006) – Zusammenhänge zwischen verschiedenen Maßen der Impulsivität beleuchten und mithin zur Schärfung des
Konstrukts beitragen soll. Erst einmal sind jedoch weitere Schritte der Validierung erforderlich. Vor dem Hintergrund der
prädiktiven Validität von Impulsivität speziell auch auf klinisch relevante Variablen (Dilling, 2005), wird die Kurzskala zurzeit in
einer psychiatrischen Stichprobe eingesetzt. Mit Vorliegen einer ausreichend großen (Gesamt-)Stichprobe gilt es die
Faktorenstruktur außerdem konfirmatorisch zu prüfen.
ID: 116 / C 04 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Soziologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Genderforschung
Stichworte: Leistungsentwicklung, Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen, Unterschiede nach Migratiosnhintergrund,
Längsschnittdatenanalyse
Welchen Einfluss hat die Grundschulzeit auf die Entwicklung der Rechenkompetenz nach Geschlecht
und Migrationshintergrund? Eine Paneldatenanalyse von der Vorschule bis in die 3. Klasse.
Franziska Schmidt1,2,3
1
Goethe-Universität Frankfurt, Deutschland; 2Center for Individual Development and Adaptive Education of Children at Risk
(IDeA); 3Mannheimer Zentrum für europäische Sozialforschung (MZES - Uni Mannheim)
Einleitung und Forschungsstand
Die Bildungsungleichheit ist ein viel diskutiertes Thema. Unterschiedliche Leistungsentwicklungen zwischen unterschiedlichen
sozialen Gruppen stehen immer wieder im Mittelpunkt der Diskussion. Vor allem wann erste Unterschiede zu erkennen sind und
wie sie sich über die Zeit entwickeln. Denn frühe Leistungsunterschiede können meistens im späteren Bildungsverlauf nur noch
schwer ausgeglichen werden.
Im deutschen Schulsystem sind es besonders Kinder mit Migrationshintergrund, die im Vergleich zu einheimischen Kindern
schlechtere Leistungen aufweisen (z.B. Ditton et al. 2005; Nauck 1994). Bisherige Studien konnten belegen, dass sowohl im
Vorschulalter, als auch während der Grundschulzeit Leistungsunterschiede im Bereich des Rechnens bestehen (z.B. Becker und
Biedinger 2006; Schwippert et al. 2003). Zudem zeigt sich, dass anfängliche Leistungsunterschiede zwischen den ethnischen
Gruppen während der Primarstufe nicht ausgeglichen werden, sondern die Leistungsdifferenzen auch am Ende der
Grundschulzeit bestehen bleiben (Mehringer und Herwarzt-Emden 2013).
Daneben lassen sich Leistungsunterschiede zwischen Mädchen und Jungen bestätigen. Die bisherige Forschung zeigt, dass im
Allgemeinen Mädchen in naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern schlechter abschneiden als Jungen (Baumert et al.
1997). In Bezug auf existierende Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern im Vorschulbereich fallen die bisherigen
Forschungsergebnisse unterschiedlich aus. Ebenso uneinheitlich sind die Ergebnisse, die sich auf die Zeit während der
Grundschule beziehen. Einige sprechen für Geschlechterunterschiede bereits zu Beginn der Grundschulzeit, andere wiederum
erst für Unterschiede im späteren Schulverlauf (Hyde et al. 1990; Mücke und Schründer-Lenzen 2008).
Fragestellung
Meist werden diese beiden Ungleichheitsdimensionen in der Bildungssoziologie allerdings separat betrachtet. Dieser Beitrag
stellt Geschlecht und Migrationshintergrund gleichermaßen in den Mittelpunkt der Betrachtung und betont damit eine höhere
Komplexität von Bildungsungleichheit. Die bisherige Forschung soll mit dieser Untersuchung erweitert werden und folgende
Fragen sollen hierbei geklärt werden:
Inwieweit haben die beiden Faktoren Migrationshintergrund und Geschlecht einen Einfluss auf die Schlüsselkompetenz Rechnen
vor und während der Grundschulzeit? Welche konkrete Rolle spielt der Besuch der Grundschule, kommt es zu einer Anpassung
potenzieller Unterschiede oder verstärken sie sich über die Zeit?
Im Fokus dieser Fragen steht dabei nicht nur, wie der Migrationshintergrund und das Geschlecht einzeln wirken, sondern auch
ob beide einen gemeinsamen Einfluss haben und interagieren.
Daten und Methoden
Für die Analyse werden die Daten des DFG-geförderten Forschungsprojektes „Erwerb von kulturellen und sprachlichen
Kompetenzen von Migrantenkindern und der Übergang nach der vierten Klasse“ (ESKOM-Ü4) verwendet. Die Stichprobe umfasst
jeweils zur Hälfte Familien mit und ohne türkischen Migrationshintergrund. Aufgrund der Längsschnittstruktur der Daten können
die Leistungen der Kinder im Zeitverlauf betrachtet werden. Zur Analyse der Entwicklung der Rechenkompetenz werden FixedEffects Modelle gerechnet. Diese werden mit heterogenen Wachstumskurven ergänzt, wodurch die individuellen Leistungskurven
der Kinder berücksichtigt werden können.
Ergebnisse
Erste Ergebnisse zeigen, dass die Zeit in der Schule einen signifikanten positiven Einfluss auf die individuelle
Leistungsentwicklung hat. Für Kinder mit türkischem Migrationshintergrund ist dieser positive Schuleinfluss im Vergleich zu
Kindern ohne Migrationshintergrund erhöht und sie erfahren einen stärkeren Leistungszuwachs mit jedem weiteren Jahr, das sie
in der Schule verbringen. Bezogen auf das Geschlecht ist der generelle Leistungszuwachs im Rechnen bei Mädchen im Vergleich
zu den Jungen abgeschwächt. Geschlecht und Migrationshintergrund interagieren nicht. Beide Ungleichheitsdimensionen wirken
unabhängig voneinander auf die Entwicklung der Rechenleistung während der Grundschulzeit. Bei der nach
Migrationshintergrund getrennten Betrachtung der Rechenkompetenzentwicklung finden sich Nachteile auf Seiten der Mädchen
mit türkischem Migrationshintergrund. Einheimische Kinder weisen dagegen keinen signifikanten Unterschied in der
Leistungsentwicklung zwischen Jungen und Mädchen auf.
Fazit
Vorerst kann festgehalten werden, dass sich die Entwicklung der mathematischen Kompetenz nach Migrationshintergrund
unterscheidet und sich Geschlechterunterschiede bereits im frühen Bildungsverlauf zeigen. Die Unterschiede bleiben bis in die
3. Klasse bestehen. Die Grundschulphase hat vor allem für Kinder mit Migrationshintergrund einen positiven Einfluss auf die
Entwicklung der Rechenleistung. Jungen scheinen vom Besuch der Grundschule mehr zu profitieren als Mädchen.
ID: 118 / A 14 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Bildungsgerechtigkeit/ Migration
Stichworte: Bildungslaufbahnen, Bildungsungleichheiten, soziale Herkunft, Geschlecht, Migrationshintergrund
Wer profitiert von Durchlässigkeit zwischen Schultypen? Bildungsungleichheiten in Luxemburg
Susanne Backes, Andreas Hadjar
Universität Luxemburg, Luxemburg
Das luxemburgische Bildungssystem ist ähnlich wie die Bildungssysteme der deutschen Bundesländer oder der deutschsprachigen Kantone der Schweiz durch einen hohen Grad an Stratifizierung im Sinne externer Differenzierung gekennzeichnet.
Auch in stratifizierten Systemen gibt es bis zu einem bestimmten Ausmaß Mobilität, d.h. einen gewissen Grad an Durchlässigkeit
zwischen den einzelnen parallelen Schulformen bzw. -wegen.
Forschungsproblem und Fragestellung: Im Rahmen des Vortrags wird der Frage nachgegangen, ob sich im Hinblick auf diese
Form der Durchlässigkeit auch Bildungsungleichheiten, d.h. systematische Variationen im Bildungserwerb entlang der
Ungleichheitsachsen der sozialen Herkunft, der Geschlechtszugehörigkeit und des Migrationshintergrunds zeigen. Adressiert
wird damit, ob durch Schulformwechsel Platzierungsdisparitäten tendenziell vergrößert werden, da bereits Begünstigte vermehrt
von dieser ‚Option‘ Gebrauch machen oder ob aufgrund von z.B. Sättigungseffekten und einem nachlassenden elterlichen
Einfluss Platzierungsdisparitäten tendenziell verkleinert werden und somit Schulformwechsel Raum geben für erwartungswidrige
Bildungsverläufe.
Theoretischer Hintergrund: Den generellen theoretischen Rahmen der Untersuchung von Ungleichheiten in Bildungsverläufen
und Schulformwechsel bilden ungleichheitssoziologische Überlegungen in Anschluss an das Konzept der primären und
sekundären Herkunftseffekte von Boudon (1974), das zum einen die Schulleistungen und deren Bestimmungsfaktoren und zum
anderen Bildungsentscheidungen – hier bestimmte Möglichkeiten des Schulformwechsels zu nutzen – ins Zentrum der
theoretischen Betrachtung rückt. Dieses theoretische Konzept wird auch auf Effekte der ethnischen Herkunft
(Migrationshintergrund) und von Geschlechtereffekten angewendet.
Methode: Der Frage nach den Profiteuren der Durchlässigkeit wird auf Basis eines amtlichen luxemburgischen Paneldatensatzes,
der Informationen zum Bildungsverlauf von Sekundarschüler/innen im luxemburgischen Schulsystem (Vollerhebung aller
staatlichen Schulen) enthält, nachgegangen. Zur Analyse der Forschungsfrage werden Wechselhäufigkeiten nach Geschlecht,
Migrationshintergrund und sozialer Herkunft in den Blick genommen. Zum anderen werden binär-logistische Regressionsmodelle
hinsichtlich der Wahrscheinlichkeiten bestimmter Schulformwechsel und Übergänge geschätzt.
Ergebnisse: Hinsichtlich der verschiedenen Wechsel zeigt sich, dass offenbar wiederum die beim ersten Übergang begünstigten
Gruppen stärker von Möglichkeiten zum Schul-/Schulformwechsel profitieren können. Während Risikogruppen im
Bildungssystem – insbesondere sozioökonomisch-benachteiligte Schichten und Jungen – neben Stabilität auf niedrigeren
Schullaufbahnen Abwärtsmobilität erleben, weisen die entsprechend begünstigten Schichten häufiger stabile Schullaufbahnen
auf höheren Schulwegen auf oder erleben Aufwärtsmobilität. Bezüglich des Migrationshintergrundes zeigen sich differentielle
Mobilitätsmuster, die je nach Sprachgruppen und betrachteter Systemschwelle disparitätsmindernd oder disparitätssteigernd
ausfallen. Insgesamt legen die Befunde den Schluss nahe, dass Durchlässigkeit in diesem Zuschnitt tendenziell
ungleichheitsreproduzierend wirkt.
ID: 120 / F 01 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Soziologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration
Stichworte: Ability Tracking, Educational Systems; Educational Inequality
Is Ability Tracking Really Responsible for Educational Inequalities? A Comparison between Country
States in Germany
Hartmut Esser1, Ilona Relikowski2
1
Universität Mannheim/Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung, Deutschland; 2Universität Bamberg
It is widely taken for granted that (early) ability tracking increases the impact of social origin on achievement in (lower) secondary
education, but without gains in the overall level (Hanushek und Wößmann 2006; Wößmann 2009; van de Werfhorst und Mijs
2010; Betts 2011; Müller and Kogan 2011). We call these and similar findings the standard result. This contribution addresses
the question of whether this common conviction is really correct. The various deviations and inconsistencies of the standard result
obtained from analyses that use other approaches and data bases form the starting point (cf. Marks 2005; Waldinger 2006;
Dronkers, van der Velden aund Dunne 2012; Merry 2013; Bol, Witschke, van de Werfhorst und Dronkers 2014: 20ff.; Marks 2014;
Ruhose and Schwerdt 2015). On the basis of a general theoretical model, the Model of Ability Tracking, we specify the
preconditions for identifying the effects of ability tracking (cf. Esser 2015, section 3). These include considering the school level
as well as cognitive abilities prior to ability tracking at the end of elementary school. Both conditions aren’t included in common
analyses using PISA data, which form the mostly used basis also of the standard result. As a consequence, effects of social
origin have probably been systematically overestimated and those of cognitive abilities (individual and school related) haven’t
been detected in the respective studies at all. Because PISA data are lacking information on cognitive abilities in the institutional
sorting at the end of primary school and no other appropriate data set to compare educational systems between countries is
available, these assumptions hve to be tested with another data base. We use the BIKS-study and the NEPS, both constituting
panel studies covering the process of ability tracking after elementary school and the development of achievements later on up
to grade 6. Both studies allow using the different levels of strictness of the institutional rules concerning ability tracking in different
country states in Germany (Bavaria and Hesse for BiKS, all 16 country states for NEPS) varying in rules of tracking faccording to
the typology developed by von Below (2006). The results, using different techniques of panel analysis (like fixed effect- or hybridmodels for three-level-multi-level-models with cross-level-interactions, applying multiple imputation of missing data and
robustness checks among others by a simulated data set) support the central presumptions of the Model of Ability Tracking: If
school effects of ability composition on the one hand and prior individual abilities on the other hand were taken into account, all
effects of a reinforcement of social origin by (strict) ability tracking disappear and increases in effects of ability composition and
between-school-variance of schools on achievement are observed just in those country states with an especially strict rule for
ability tracking (like Bavaria compared to Hesse in the BiKS-study and/or country states with more traditional vs more liberal rules
of tracking in the NEPS). Applying, however, the misspecifications of the standard approach (and other approaches using PISA
as data base) to these data, one again obtains their misleading findings, which disappear by approaching the analyses to the
specifications of the Model of Ability Tracking. Some limitations of the used studies, like the restriction to the German context,
and perspectives for tests of the model also in an international conduct are discussed.
ID: 122 / D 01 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: Mixed Methods, Gütekriterien qualitativer und quantitativer Sozialforschung, Bildungsverläufe
Perspektiven auf Validität in der methodenkombinierenden Bildungsforschung
Nina Kolleck1, Doren Prinz2
1
Freie Universität Berlin, Deutschland; 2Universität Hamburg, Deutschland
Obgleich seit einigen Jahren zunehmend über Standards zur Qualitätssicherung in der empirischen Bildungsforschung diskutiert
wird, sind deutliche Unterschiede zwischen qualitativen und quantitativen Perspektiven auf diesem Gebiet zu verzeichnen. Die
Frage danach, was Validität ist und welche Konzepte aktuell von Bedeutung sind, wird qua methodologischer und methodischer
Verankerung sehr heterogen beurteilt. Für die quantitative Forschung lässt sich feststellen, dass es starke Veränderungen des
Validitätskonzeptes gegeben hat, dieses jedoch im deutschsprachigen Raum – anders als in der internationalen Diskussion –
seit vielen Jahren als relativ stabil gilt (vgl. Frey 2014).
Im Rahmen qualitativer empirischer Arbeiten hingegen wird die Debatte um Gütekriterien - und insbesondere um Validität kontrovers geführt und stellt sich dreigliedrig dar. Vertreter radikal-konstruktivistischer und postmoderner Perspektiven lehnen
meist jede Form der Bewertung qualitativer Forschung anhand allgemeiner Kriterien ab. Dem gegenüber stehen Versuche,
Gütekriterien aus der quantitativen Forschung auf qualitative Verfahren zu übertragen (vgl. u.a. Mayring 2012). Darüber hinaus
werden Verfahren zur Validierung qualitativer und triangulativer Methoden entwickelt, die sich weniger an den Differenzen
zwischen dem qualitativen und quantitativen Forschungsparadigma orientieren, als differenzierte und je nach
Forschungsgegenstand bzw. Methodik variable Gütekriterien zu skizzieren (Johnson et al. 2007). Ausgehend von einer letzten
Perspektive wird eine doppelte Gegenstandsangemessenheit im Hinblick auf Gütekriterien hervorgehoben.
Gerade für Mixed Methods-Ansätze, die auf qualitative und quantitative Verfahren zurückgreifen, stellt sich vor diesem
Hintergrund die Frage nach Forschungsstandards und möglichen Rahmungen. Im Rahmen des Beitrags wenden wir uns der
Qualitätssicherung in der Bildungsforschung zu und beziehen diese auf methodenkombinierende Forschungsdesigns. Präsentiert
werden Ergebnisse aus zwei Projekten, die sich anhand quantitativer und qualitativer Verfahren u.a. den folgenden Fragen
zuwenden,
1. Wie interagieren institutionelle und individuelle Faktoren, wenn Bildungsprozesse über die Lebensspanne anhand von
Bildungslandschaften unterstützt werden sollen?
2. Welche Kompetenzen sind für beruflich erfolgreiches Handeln erforderlich und lassen sich dabei (disziplinübergreifende)
generische Kompetenzen identifizieren?
Zur Beantwortung der ersten Frage wird auf vorläufige Ergebnisse quantitativer und qualitativer sozialer Netzwerkanalysen
zurückgegriffen, in deren Rahmen die Etablierung innovativer Bildungsvorhaben im Kontext von Bildungslandschaften analysiert
werden. Dabei werden insbesondere die Motivation für die Beteiligung von Bildungsakteuren an solchen innovativen
Bildungsvorhaben, das generalisierte und spezifische Vertrauen der in Bildungskooperationen involvierten Akteure sowie der
Einfluss von Akteuren im Zuge der Implementierung von Bildungsinnovationen eruiert.
Bei der Beantwortung der zweiten Frage greifen wir auf Ergebnisse eines weiteren Drittmittelprojektes zurück, in dem relevante
Arbeitsplatzanbieter für Absolvent(inn)en erziehungswissenschaftlicher Studiengänge nach den von ihren Beschäftigten zu
erfüllenden Aufgaben befragt wurden. Zielsetzung der qualitativen Interview-Studie war die Ableitung heterogener
Anforderungstypen. Diese wurden mit den Ergebnissen einer Befragung von Hochschulabsolventinnen und
Hochschulabsolventen verknüpft, in denen die Arbeitsaktivitäten hochqualifizierter (erziehungswissenschaftlicher) Fachkräfte
durch Analysen der DZHW -Absolventenpanelbefragungenin verschiedenen Phasen der Berufsbiographie analysiert wurden.
Die Ergebnisse und Forschungsdesigns der beiden Studien werden in dem Vortrag kritisch hinsichtlich der Berücksichtigung von
Gütekriterien in der methodenkombinierenden Bildungsforschung und aus der Perspektive der quantitativen und der qualitativen
Forschung beleuchtet. Dabei werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der jeweiligen Perspektiven eruiert, Möglichkeiten
der Übertragbarkeit sowie der Modifikation der unterschiedlichen Perspektiven und Verfahren der Überprüfung
sozialwissenschaftlicher Gütekriterien ausgelotet und es werden Anwendungsbeispiele anhand aktueller empirischer
Forschungsprojekte aufgezeigt bzw. kritisch vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Validitätskonzepte diskutiert. Insgesamt
weisen Ergebnisse der beiden Studien darauf hin, dass der kombinierte Einsatz quantitativer und qualitativer Verfahren in der
Bildungsforschung den Umgang mit Validitätsproblemen unter klar zu definierenden Voraussetzungen unterstützen kann.
ID: 123 / A 14 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Schulentwicklung, Trainings- und Evaluationsforschung
Stichworte: Ganztagsschule, Effektivität, Kompetenzentwicklung, Bildungsungleichheit, Schulentwicklung
Effekte nachmittäglicher Betreuung und Förderung auf sprachliche Leistungsmaße
Isa Steinmann, Rolf Strietholt, Wilfried Bos
Institut für Schulentwicklungsforschung, TU Dortmund, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Ein Mehr an Zeit, die in der Schule verbracht wird, muss nicht automatisch zu einem höheren Leistungsniveau und geringeren
herkunftsbedingten Disparitäten führen. Während die Kultusministerkonferenz diese beiden Ziele mit der zeitlichen Ausdehnung
von Beschulung in den Nachmittag verbindet (KMK, 2002), so häufen sich zunehmend Forschungsbefunde, die das Erreichen
dieser Ziele in Frage stellen (z.B. Radisch, Klieme & Bos, 2006; Holtappels, Radisch, Rollett & Kowoll, 2010; Strietholt, Manitius,
Berkemeyer & Bos, 2015; Holtappels & Heerdegen, 2005; Bellin & Tamke, 2010; Bellin & Wegner, 2010; Reinders et al., 2011).
Vor diesem Hintergrund rücken zunehmend spezifische Ausgestaltungsmerkmale nachmittäglicher Betreuung und Förderung
und deren Zusammenspiel in den Fokus (vgl. Radisch, 2009; Holtappels & Rollett, 2009; Willems et al., 2014; Holtappels, 2014).
Dabei wird betont, dass nicht formale Kriterien, wie beispielsweise das Etikett „Ganztagsschule“, sondern tatsächliche
Ausgestaltungsmerkmale nachmittäglicher Betreuung und Förderung bedeutsam sind, also beispielsweise die Ausrichtung auf
nachmittägliche Freizeit- und Sportangebote oder auf rhythmisierten, fachlichen Unterricht.
Fragestellung
Das Ziel der Studie ist es, zu untersuchen, welchen Effekt konkrete Ausgestaltungsmerkmale nachmittäglicher Betreuung und
Förderung auf 1.) den sprachlichen Leistungszuwachs, 2.) den Zusammenhang zwischen sozialem Hintergrund und sprachlichen
Leistungen und 3.) den Zusammenhang zwischen Migrationshintergrund und sprachlichen Leistungen haben. Hierzu werden
Paneldaten der neunten Jahrgangsstufe genutzt.
Methode
Die Studie basiert auf Daten der "Deutsch Englisch Schülerleistungen International" (DESI) Studie (Klieme, 2012; Klieme & Beck,
2007), einer längsschnittlichen und für Deutschland repräsentativen Untersuchung, die den Kompetenzstand von
Neuntklässlerinnen und -klässlern in Deutsch und Englisch zu Beginn und Ende des Schuljahrs 2003/04 untersuchte. Die
effektive Stichprobe besteht, nach Ausschluss der Schulen die nicht an der Schulleitungsbefragung teilgenommen haben, aus
184 Schulen und 8.938 Schülerinnen und Schülern.
Als abhängige Variablen werden die zu beiden Zeitpunkten durchgeführten Kompetenztests herangezogen: im Bereich Deutsch
die Sprachbewusstheit, das Leseverstehen, sowie die Textproduktion (Pragmatik und Systematik) und im Englischen die
Textrekonstruktion (C-Test). Auf Ebene der unabhängigen Variablen wird die wöchentliche Häufigkeit der Angebote von reinen
Betreuungs- und Freizeitangeboten, Hausaufgabenhilfe, tatsächlichem rhythmisierten Ganztagsunterricht oder spezifischen
fachlichen Arbeitsgemeinschaften betrachtet. Der sozioökonomische Status wird über den HISEI (Highest International SocioEconomic Index of Occupational Status; Ganzeboom, De Graaf & Treiman, 1992) operationalisiert. In Bezug auf den
Migrationshintergrund kontrastieren wir Jugendliche, deren Eltern beide im Ausland geboren wurden und Jugendliche, von denen
ein oder beide Elternteile in Deutschland geboren wurden.
Im Rahmen von Mehrebenenanalysen regressieren wir den Leistungszuwachs in den unterschiedlichen sprachlichen Domänen
auf die unterschiedlichen Merkmale der nachmittäglichen Angebote in Betreuung und Förderung, um zu überprüfen, ob diese
einen positiven Einfluss auf das Leistungsniveau haben. Wir analysieren den Effekt nachmittäglicher Angebote auf
herkunftsbedingte Ungleichheit, indem wir den Zusammenhang von Hintergrundmerkmalen und individuelle Kompetenzen als
Random Slopes modellieren; diese regressieren wir ebenfalls auf die Merkmale der nachmittäglichen Betreuung und Förderung.
Ergebnisse
Die Analysen zeigen, dass in den Leistungsentwicklungen in den Kompetenzdomänen kein signifikant von null verschiedener
Effekt der Angebotsstrukturen auf Schulebene zu verzeichnen ist. Es liegen zwar Unterschiede zwischen den Schulen vor, diese
Varianz wird jedoch nicht durch die von uns betrachteten Ganztagsmerkmale aufgeklärt. Weder lernen Schülerinnen und Schüler
an Schulen mit den verschiedenen nachmittäglichen Angeboten innerhalb des Schuljahres mehr hinzu, noch wird hier die
Bildungsungleichheit in Bezug auf den Migrationshintergrund oder den sozialen Status reduziert, sobald die Vorleistung
berücksichtigt wird. Zwar schneiden sowohl Schülerinnen und Schüler mit einem niedrigeren HISEI, als auch solche, deren Eltern
beide im Ausland geboren wurden, zu Beginn der neunten Jahrgangsstufe schlechter ab; diese Unterschiede werden innerhalb
des Schuljahres jedoch auch an Schulen mit häufigen Ganztagsangeboten nicht geringer.
ID: 125 / A 04 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Wirtschafts- und Berufspädagogik
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung, Hochschulbildung, Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: Testmotivation, Hochschule, Validität, Domäne Wirtschaft, Testheftdesign
Der Zusammenhang der Testmotivation von Studierenden mit der Lösung von standardisierten
Fachtestaufgaben zum internen Rechnungswesen im Hochschulstudium
Sebastian Brückner, Olga Zlatkin-Troitschanskaia, Manuel Förster, Susanne Schmidt, Roland Happ
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Deutschland
Die Erfassung des Fachwissens von Studierenden in der zentralen wirtschaftswissenschaftlichen Studiensubdomäne des
internen Rechnungswesens (ReWe) wurde in den letzten Jahren durch eine Reihe von Testentwicklungen forciert (ZlatkinTroitschanskaia et al., 2014; Fritsch et al., 2015). Im Rahmen umfangreicher Validierungsstudien wurde gezeigt, dass es den
Testinstrumenten überwiegend gelingt, die im Konstrukt spezifizierten kognitiven Facetten reliabel zu erfassen. Zugleich wurde
jedoch deutlich, dass bei der freiwilligen Beantwortung solcher Low-Stakes-Tests, affektive und insb. testmotivationale
Dispositionen der Testteilnahme und –beantwortung einen wesentlichen Einfluss auf die Testwerte haben (z.B. Cole et al., 2008;
Leighton, 2015). Neben dem Fachwissen wird auch die Bereitschaft, die einzelnen Testaufgaben mit einem bestimmten
Engagement zu beantworten in den Testwerten erfasst (z.B. Eklöf, 2006; Wise & DeMars, 2005). Mit Blick auf die Validität der
Messung gilt es zu kontrollieren, inwieweit solche Dispositionen die Testwerte verzerren könnten. So kann – auch vor dem
Hintergrund der Befunde aus dem sekundären Bereich (z.B. Pomplun & Richie, 2004) - angenommen werden, dass je länger ein
Test dauert und je herausfordernder die Aufgabenstellungen sind, umso sensitiver zeigen sich die Ausprägungen der Testwerte
gegenüber einer Veränderung (test)motivationaler Dispositionen der Probanden.
Das Ziel des vorliegenden Beitrags ist es zu analysieren, inwieweit Testwerte von Aufgaben mit varrierenden kognitiven
Anforderungen, die durch das im Projekt WiWiKom spezifizierte Modell spezifiziert wurden (s. Zlatkin-Troitschanskaia et al.,
2014), durch testmotivationale Dispositionen determiniert werden.
Aufgrund seiner vielfältigen und v.a. mathematischen Anforderungen stellt das interne ReWe gegenüber anderen
wirtschaftswissenschaftlichen Inhaltsbereichen eine vergleichsweise komplexe Subdomäne dar (Preiss, 2005). Spiegelt sich
diese Komplexität auch in den Testaufgaben wieder, so ist anzunehmen, dass Aufgaben mit variierenden Anforderungen
Unterschiede in den Testwerten in den einzelnen Bearbeitungsphasen elizitieren. Um diese Annahme zu überprüfen wurden 20
Testaufgaben zum internen ReWe, die im Projekt WiwiKom übersetzt und nach den Test Adaption Guidelines (ITC, 2005) und
den Standards for Educational and Psychological Testing (AERA et al., 2014) u.a. mittels Curriculaanalysen, Experteninterviews,
Onlineratings, kognitiven Interviews mit Studierenden und in vier Feldstudien (N=10.217) an über 40 Standorten bundesweit
adaptiert, weiterentwickelt und hinsichtlich der Kriterien „Inhalt“, „Antwortprozesse“, „interne Struktur“ und „Beziehung zu anderen
Variablen“ umfassend validiert wurden (Zlatkin-Troitschanskaia et al., 2014) in einem Testheftdesign (Youden-Square-Design)
mit drei Positionen eingesetzt (Frey et al., 2009). Durch die Randomisierung der Testhefte war es möglich, identische Aufgaben
zu verschiedenen Bearbeitungspositionen hinsichtlich Abweichungen in den Lösungshäufigkeiten zu analysieren und
Rückschlüsse über die Sensitivität der Testwerte einzelner Aufgabengruppen gegenüber Veränderungen testmotivationaler
Dispositionen der Probanden zu ziehen. Aufgaben, die stärker von diesen Dispositionen (mit)beeinflusst werden, weisen dies in
einem stärkeren Rückgang erfolgreicher Aufgabenlösungen aus, während Aufgaben, die robust gegenüber diesen
Veränderungen sind, eine geringere Änderung in den Aufgabenlösungen zeigen.
Die hier präsentierten Befunde basieren auf einem Teildatensatz aus WiWiKom, der bei 3.783 Studierenden an 23 Hochschulen
(15 Universitäten und 8 Fachhochschulen) bundesweit erhoben wurde. Die 20 Aufgaben wurden hierbei anhand von zwei
Kriterien hinsichtlich ihrer kognitiven Anforderungen beschrieben: (1) algorithmische Anforderungen mit zwei Ausprägungen:
mathematische vs. sprachliche Anforderungen sowie (2) graduelle Memorierungsleistung mit zwei Ausprägungen: Erinnern und
Verstehen vs. Anwenden und Analysieren.
Die Befunde zeigen, dass die Lösungshäufigkeiten von Aufgaben, wenn sie an der dritten Position in einem Testheft angeordnet
sind, gegenüber der ersten und zweiten Position absinken. Im Rahmen von Low-Stakes-Testungen als erwartungskonform
geltend, bedeutet dies, dass Aufgaben am Testanfang häufiger erfolgreich gelöst werden als am Testende. Dies kann generell
als Indiz dafür gewertet werden, dass die Testmotivation auch in diesem Fachtest eine wesentliche Rolle spielt. Inwieweit dieser
Effekt mit den unterschiedlichen kognitiven Anforderungen der Aufgaben variiert, wird aktuell u.a. in mehrebenenanalytischen
IRT-Modellen untersucht und in dem Vortrag vorgestellt sowie die daraus folgenden Implikationen für die Validität der Messung
auch unter dem Aspekt einer proximalen Erfassung der Testmotivation diskutiert.
ID: 126 / A 04 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie, Wirtschafts- und Berufspädagogik
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Berufliche Bildung
Stichworte: Arbeitsethos, lebenslanges Lernen, biografische Berufsorientierungen, problematische Bildungskarrieren,
autobiografisch-narrative Interviews
Arbeitsethos als Katalysator für lebenslanges Lernen bei deutschen und englischen Kfz-Mechatronikern
mit problematischen Bildungskarrieren
Erika Gericke
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Deutschland
Im Rahmen der qualitativen Vergleichsstudie Biografische Berufsorientierungen von Kfz-Mechatronikern in Deutschland und
England ist für die aktuelle GEBF-Haupttagung insbesondere das Ergebnis interessant, dass ein stark ausgeprägtes Arbeitsethos
als Katalysator für lebenslanges Lernen bei Kfz-Mechatronikern mit problematischen Bildungskarrieren wirkt.
Theoretischer Hintergrund und Forschungsfragen
Ausgangspunkt für die Studie waren zwei makrogesellschaftliche Entwicklungen: die gesteigerte Individualisierung und die
rasante Technologieentwicklung in der Automobilbranche. Die gesteigerte Individualisierung entspringt (nach Beck 1986c, 2003)
der Auflösung traditioneller Bindung sowie dem Verlust traditioneller Sicherheit, aber auch der Freisetzung des Individuums.
Diese Veränderungen wirken sowohl auf die private Lebenswelt als auch die Berufswelt, d.h. erwerbssystemische Effekte wie
flexibilisierte Erwerbsverläufe, die sich durch verschiedene, zum Teil auch parallel verlaufende Ausbildungs-, Arbeits- und
Erwerbslosigkeitsphasen auszeichnen, sind sichtbar. Das Individuum bzw. der Erwerbstätige ist stärker gefordert (Stichwort
Arbeitskraftunternehmer nach Voss/Pongratz 1998). Zudem stellt die rasant fortschreitende Technologieentwicklung permanent
neue Anforderung an Erwerbstätige – insbesondere in Technikberufen. Mit Blick auf diesen makrogesellschaftlichen Kontext
stellte sich die Frage:
Welche biografischen Berufsorientierungen entwickeln Kfz-Mechatroniker in Deutschland und England?
Orientierungen werden auch durch institutionelle Strukturen geprägt, gefördert bzw. verhindert. Im Rahmen der Studie wurde der
Fokus auf die Rolle des nationalen Berufsausbildungssystems gelegt und gefragt:
Welche Rolle spielt eine berufsorientierte (Deutschland) und eine fragmentierte (England) Berufsausbildung hinsichtlich der
Entwicklung der biografischen Berufsorientierungen?
Methode
Beide Forschungsfragen zielten auf die Rekonstruktion des Zusammenspiels von Biografie und Beruf ab, da sich biografische
Berufsorientierungen im beruflichen Handeln zeigen. Es wurden biografische Ressourcen, berufsbiografische
Orientierungsprozesse und Handlungsstrategien rekonstruiert. Biografie wird verstanden als theoretisches „Konzept, [welches]
strukturell auf der Schnittstelle von Subjektivität (Mikroebene) und gesellschaftlicher Objektivität (Makroebene) angesiedelt [ist]“
(Krüger/ Marotzki 2006:8). Es kamen biografieanalytische Forschungsmethoden zum Einsatz, da sie die Rekonstruktion dessen,
wie ein Subjekt äußere Ereignisse erlebt und interpretiert und wie sich dies in dessen lebensgeschichtlichen Darstellung
abgelagert hat, ermöglichen (vgl. Jakob 2010, Schulze 2006).
Es wurden elf autobiografisch-narrative Interviews (vgl. Schütze 1981) mit deutschen und englischen Kfz-Mechatronikern
durchgeführt, die durchschnittlich zwei Stunden dauerten und in zwei sozio-ökonomisch vergleichbaren Städten stattfanden.
Diese Interviews wurden zweifach ausgewertet. Zum einen wurde die Narrationsanalyse (vgl. Schütze 1981, 1983) genutzt, um
den Entwicklungsprozess der biografischen Berufsorientierungen rekonstruieren zu können. Zum anderen wurde nach der
Grounded Theory (vgl. Strauss/Corbin 1996) kodiert, um die biografischen Berufsorientierungen klar herauszuarbeiten. Erst
nachdem beide Analyseergebnisse miteinander in Beziehung gesetzt worden waren, konnten Muster biografische
Berufsorientierungen sowie die Wahrnehmung nationalen institutioneller Strukturen rekonstruiert werden.
Zunächst wurden die deutschen und englischen Fälle separat analysiert und untereinander verglichen. Erst im Anschluss erfolgte
der deutsch-englische Vergleich. Dadurch wurde das Entgegenwirken des methodologischen Nationalismus‘ sichergestellt.
Ergebnisse
Auf der empirischen Ergebnisebene wurden drei Ergebnisse erzielt. Erstens konnten drei Muster biografischer
Berufsorientierungen rekonstruiert werden, die sowohl für die deutschen, als auch die englischen Kfz-Mechatronikern gültig sind
– obschon nationale Eigenheiten sichtbar wurden. Zweitens konnte nationenspezifisch die Wahrnehmung der zur Verfügung
stehenden institutionellen Strukturen rekonstruiert werden. Drittens war es möglich Zusammenhänge zwischen den nationalen
Eigenheiten in den Mustern der biografischen Berufsorientierungen und den nationalen Wahrnehmungen der institutionellen
Strukturen zu erkennen. (vgl. Gericke 2014)
Bezogen auf das Tagungsthema – Bildungserfolg unter schwierigen Bildungsbedingungen und Lebensspannenperspektive –
zeigte sich in der Studie, dass ein ausgeprägtes Arbeitsethos bei den deutschen und englischen Kfz-Mechatroniker mit
problematischen Bildungskarrieren als Katalysator für das lebenslange Lernen diente.
Im Rahmen des Vortrags werden zwei Eckfälle – ein deutscher und ein englischer Kfz-Mechatroniker – vorgestellt, die
exemplarisch für Kfz-Mechatroniker mit schwierigen Bildungsverläufen stehen. Herkunftsfamilie, Schulkarriere und
Berufsausbildung sowie die zur Verfügung stehenden biografischen Ressourcen und die Entwicklungsrisiken werden als
Markierungen für problematische Bildungskarrieren herangezogen. Des Weiteren wird aufgezeigt, wie ein ausgeprägtes
Arbeitsethos als Antrieb für lebenslanges Lernen entwickelt und wie mit Behinderungen bzgl. des Auslebens des Arbeitsethos‘
umgegangen wird.
ID: 127 / H 01 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Lernen mit Computer und neuen Medien, Motivation und Emotion
Stichworte: ICT-Umgebung, Zielorientierungen, Strategiewahl
Können induzierte Zielorientierungen smarte Bearbeitungswege in ICT Umgebung begünstigen?
Lena Engelhardt1, Frank Goldhammer1,2, Johannes Naumann3,1, Katja Hartig3
1
Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Frankfurt am Main; 2Zentrum für internationale
Bildungsvergleichsstudien; 3Goethe-Universität Frankfurt am Main
In ICT (Informations- und Kommunikationstechnologie)-Umgebungen können Ziele auf verschiedenen Wegen erreicht werden.
Muss vor der Fertigstellung einer Präsentation beispielsweise die Fußzeile angepasst werden, kann dies entweder manuell in
iterativen Schritten auf jeder Folie erfolgen oder über das Menü in einem einzigen Schritt, was nicht nur weniger zeitaufwändig
sondern auch weniger fehleranfällig ist. Eine solche Strategie, die sich die Technik für eine effizientere Bearbeitung zunutze
macht (vgl. Bhavnani, Peck, & Reif, 2008; Carroll & Rosson, 1987), wird im Folgenden als „smart“ bezeichnet. Doch selbst
erfahrene Computernutzer wenden nicht immer smarte Strategien an (Bhavnani & John, 2000). Eine mögliche Erklärung ist, dass
hierarchiehöhere Ziele (bspw. die Präsentation schnell zu versenden) die Nutzung einer effizienten Strategie verhindern können
(vgl. Charman & Howes, 2003). In dieser Studie wird untersucht unter welchen Bedingungen 15-jährige die Fußzeilen in einer
simulierten Umgebung auf dem smarten Bearbeitungsweg ändern. Angelehnt an das 2x2 Schema von Elliot und McGregor (2001)
erhielten die Schüler Instruktionen, die entweder ein Lernziel (das Lernen neuer Inhalte) oder ein Leistungsziel (die Aufgabe
schnell lösen) induzierten. Orthogonal hierzu wurde entweder ein Annäherungsziel (Freude am Lernen bzw. dem Lösen der
Aufgabe) oder ein Vermeidungsziel (Angst davor, die Aufgabe nicht zu lösen oder nichts zu lernen) induziert. Basierend auf
Vorhersagen aus Theorie (Dweck, 2000) und auf empirischen Befunden (Ames & Archer, 1988; Elliott & Dweck, 1988; Lau &
Nie, 2008) wird vermutet, dass eine induzierte Lernzielorientierung auf das Lernen neuer Inhalte fokussiert und die
Wahrscheinlichkeit einer smarten Aufgabenbearbeitung erhöht, verglichen mit einer induzierten Leistungszielorientierung (H1).
Es wird zudem vermutet, dass auch Ziele im Sinne einer Persönlichkeitseigenschaft die Wahrscheinlichkeit einer smarten
Bearbeitung erhöhen. Analog wird hier ein positiver Einfluss der Lernzielorientierung, aber kein Einfluss der
Leistungszielorientierung erwartet (Sujan, Weitz, & Kumar, 1994; VandeWalle, Brown, Cron, & Slocum, 1999; H2). Obwohl
Erfahrung keine hinreichende Voraussetzung für effiziente Bearbeitung darstellt (Bhavnani & John, 2000), wird vermutet, dass
individuelles aufgabenspezifisches Wissen (Sweller, 2008) sowie ICT-Fertigkeiten dennoch eine notwendige Voraussetzung
darstellen und die Wahrscheinlichkeit einer smarten Bearbeitung dann erhöhen, wenn auch die induzierte Zielorientierung die
Wahrscheinlichkeit einer smarte Bearbeitung erhöht (H3).
Die Stichprobe bestand aus 277 15-jährigen Schülerinnen und Schülern, die randomisiert den vier Instruktionsbedingungen
zugeteilt wurden. ICT-Fertigkeiten wurden mit einem verhaltensbasierten Test gemessen, individuelle Zielorientierungen sowie
aufgabenspezifisches Wissen wurden über Fragebogen erfasst.
Logistische Regressionen ergeben, dass sich die Wahrscheinlichkeit einer smarten Bearbeitung erhöhte, wenn die Instruktion
Vermeidungsziele und nicht Annährungsziele induzierte (β = 0.71, p = .023) und nicht wie erwartet Lern- im Vergleich zu
Leistungsziele (H1). Ein positiver Einfluss von individuellen Lernzielen auf einen smarten Bearbeitungsweg zeigte sich nur für
Annährungs-Lernziele (β = 0.47, p = .034), jedoch nicht für Vermeidungs-Lernziele (H2) und wie erwartet nicht für die beiden
Leistungszielorientierungen. ICT-Fertigkeiten erhöhten wie erwartet smartes Bearbeitungsverhalten (H3) bei einer induzierten
Vermeidungszielorientierung (β = 1.20, p < .001) aber nicht Annährungszielorientierung (β = 0.52, p < .086). Ist
aufgabenspezifisches Wissen vorhanden, führten eher induzierte Vermeidungs- als Annährungsziele zu einer smarten
Aufgabenbearbeitung (χ² (1) = 4.25, p = .039).
Die Ergebnisse untermauern die Vermutung, dass geeignete Instruktionen das Verhalten von Schülern bei der Bearbeitung von
ICT-Aufgaben beeinflussen können. Anstelle eines Vorteils für instruktionsinduzierte Lern- vs. Leistungszielorientierung, zeigten
sich Vorteile für instruktionsinduzierte Vermeidungs- vs. Annährungsziele. Bei persönlichen Lernzielen erhöhten AnnährungsLernziele die Wahrscheinlichkeit einer smarten Bearbeitung. Konsistent zu den Ergebnissen von H1 stellten induzierte
Vermeidungsziele einen begünstigenden Faktor für eine smarte Aufgabenbearbeitung in Kombination mit höheren ICTFertigkeiten und aufgabenspezifischen Wissen dar. Umgebungsinduzierte Zielorientierungen können aber auch mit persönlichen
Zielorientierungen interagieren (Murayama & Elliot, 2009), weshalb in weiteren Analysen untersucht werden soll, ob sich auch
bestimmte Kombinationen von erhaltener Instruktion und persönlicher Zielorientierung auf das Bearbeitungsverhalten auswirken.
ID: 128 / B 13 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Sonstiges
Stichworte: evidenzbasierte Praxis; Kooperationen; Interviews; Transfer
Hindernisse in der Kommunikation zwischen Bildungsforschung und Schulpraxis und deren
Überwindung im Rahmen von Wissenschaft-Praxis-Kooperationen – Ergebnisse einer Interviewstudie
Ulrike Hartmann, Jasmin Decristan
Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Deutschland
Hintergrund
Seit etwa fünfzehn Jahren erfährt das Thema einer evidenzbasierten Bildungspraxis erhöhte Aufmerksamkeit in
Bildungsforschung und Bildungspolitik. Unter diesem Begriff wird im weitesten Sinne verstanden, dass bewährte Theorien und
einschlägige wissenschaftliche Befunde beim professionellen Handeln (z.B. von Lehrkräften) situationsangemessen
berücksichtigt werden (Bauer, Prenzel & Renkl, 2015).
In der Bildungsforschung ist eine rege Debatte über Evidenzbasierung im Bildungsbereich entbrannt. Häufig wird bemängelt,
dass wissenschaftliche Befunde von der Praxis nur mit großer Verzögerung aufgegriffen werden (Gräsel, 2010). Von Kritikern
wird angezweifelt, dass Befunde der empirischen Bildungsforschung einen unmittelbaren Nutzen für die pädagogisch tätigen
Fachkräfte entfalten können (z.B. Hammersley, 2013). Die Debatte wird vornehmlich auf konzeptioneller und metatheoretischer
Ebene geführt. Erst in den letzten Jahren wurden vermehrt empirische Zugänge entwickelt, die sich den Gründen für den oftmals
unzureichenden Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis widmen. So haben bspw. Hetmanek und Kollegen (2015)
die bei Lehrkräften verfügbaren Kompetenzen zur Auswahl und Bewertung empirischer Studien untersucht.
Neben den Hindernissen für den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Schulpraxis wird diskutiert, in welcher Weise er
stattfindet. Häufig impliziert das Leitmotiv evidenzbasierter Bildungspraxis, dass Wissenschaft primär als Sender von Evidenz
agiert, und die Bildungspraxis als Empfänger/Nutzer wissenschaftlicher Befunde fungiert. Penuel et al. (2015) schlagen ein
alternatives Modell vor, das Wissenschaft und Praxis als potentielle Partner ansieht, die miteinander in Kontakt treten können
und somit wechselseitig voneinander lernen können. Sie greifen in ihrem Modell auf das Konzept des boundary crossings
(Akkerman & Bakker, 2011) zurück, einem Konzept aus der kulturhistorischen Lerntheorie. Für den Kontext von WissenschaftPraxis-Kooperationen bedeutet dies, dass Lernen dann stattfindet, wenn bestehende Grenzen zwischen Wissenschaft und
Schulpraxis im direkten Kontakt überwunden werden können. Für die Akteure geht diese Überwindung zunächst mit Gefühlen
von Unsicherheit einher, beinhaltet jedoch das Potential, durch neu entwickelte Routinen Wissenschaft und Praxis näher
aneinander heranzuführen.
Die vorliegende empirische Studie schließt an diese Debatte an. Es soll gezeigt werden, welche Herausforderungen die
Forderung nach Evidenzbasierung an beide Akteursgruppen stellt. Weiterhin werden anhand der Interviewauszüge boundary
crossings im Sinne von Akkerman & Bakker (2011) nachgezeichnet.
Methode
Im Frühjahr 2015 wurden halbstandardisierte Interviews mit zehn BildungsforscherInnen und zehn Lehrkräften geführt. Die
Personen wurden nach Herausforderungen befragt, mit denen sie sich bei der Vermittlung bzw. Aufnahme wissenschaftlicher
Erkenntnisse in die Schulpraxis konfrontiert sehen. Zudem wurden Situationen exploriert, in denen es direkten Austausch
zwischen den beiden Akteursgruppen gibt. Die Auswertung der Transkripte erfolgt mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach
Mayring, basierend auf den in der Literatur genannten Hindernissen für den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die
Schulpraxis, ergänzt um eine induktive Kategorienbildung.
Ergebnisse
Es werden zunächst Hindernisse aufgezeigt, die bei der Vermittlung und der Aufnahme wissenschaftlicher Erkenntnisse in beiden
Akteursgruppen bestehen. Die Hindernisse, die von Personen beider Gruppen genannt werden, lassen sich in fünf Kategorien
unterteilen. 1. die vorhandenen bzw. mangelnden Ressourcen, z.B. zeitliche, strukturelle oder individuelle. 2. Probleme der
Passung von Wissenschaft und Schulpraxis, z.B. eine mangelnde inhaltliche Passung von wissenschaftlichen Befunden und
praktischem Nutzen, unterschiedliche Anreizsysteme und Zeithorizonte. 3. das Fehlen geeigneter Formate für Kommunikation
und Austausch. 4. emotionale und motivationale Aspekte. Als fünfte Kategorie von Hindernissen wird die Annahme eines linearen
Transfers mit der Wissenschaft als Sender und der Schulpraxis als Empfänger wissenschaftlicher Erkenntnisse genannt. Diese
ersten empirischen Befunde schließen an die konzeptuell geführten Debatten zur Evidenzbasierung im Bildungsbereich an.
Weiterhin werden Interviewauszüge analysiert, die Kooperationen zwischen Wissenschaft und Schulpraxis beinhalten. An den
Textstellen lässt sich zeigen, dass im direkten Austausch beider Gruppen nicht ausschließlich eine einseitige Weitergabe
wissenschaftlicher Evidenz an die Schulpraktiker stattfindet, sondern dass ein wechselseitiger Austausch auf Augenhöhe
stattfindet, von dem beide Seiten profitieren. Beispiele für boundary crossings werden vorgestellt, die Herausforderungen und
Potentiale illustrieren, wenn Wissenschaft und Praxis miteinander in Kontakt treten.
ID: 131 / A 02 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: Metamodeling Knowledge, Modelle, Beispielaufgaben, Intervention
Einfluss von fachwissenschaftlichen Informationen auf das Lernen von Metamodeling Knowledge mit
Beispielaufgaben
Anja Czeskleba, Philipp Schmiemann
Universität Duisburg-Essen, Deutschland
Modelle sind zentrale Bestandteile des Biologieunterrichts. Dennoch verfügen Schülerinnen und Schüler größtenteils lediglich
über ein basales Verständnis von Modellen und Modellbildung (u. a. Grünkorn, Upmeier zu Belzen, & Krüger, 2014). Empirisch
ist zudem bislang nur wenig untersucht, wie Modellkompetenz im Unterricht effektiv gefördert werden kann. Aktuellen Ansätzen
zur Förderung ist gemein, dass sie der Vermittlung von Metawissen über Modelle und Modellbildung (Metamodeling Knowledge;
MMK) eine entscheidende Rolle im elaborierten Umgang mit Modellen zusprechen (z. B. Schwarz et al., 2009; Upmeier zu Belzen
& Krüger, 2010). MMK umfasst dabei Wissen über Natur, Zweck und Testkriterien von Modellen.
Verschiedene Untersuchungen deuten darauf hin, dass das domänenspezifische Vorwissen über das modellierte Phänomen
einen wichtigen Faktor beim Erlernen von MMK-Inhalten darstellt (vgl. Schwarz et al., 2009). Relevant für einen effektiven
Unterricht ist zudem die Kenntnis, inwiefern sich Fachinformationen und der Zeitpunkt ihrer Vermittlung – der ja insbesondere für
der Planung von Unterricht wichtig ist – den Lernerfolg im Bereich MMK beeinflussen. In dieser Studie wurde daher untersucht,
inwieweit sich der Vermittlungszeitpunkt von Informationen zum fachwissenschaftlichen Inhalt des Modells auf den Lernerfolg im
Bereich MMK sowie auf die Lernstrategien der Probanden auswirkt.
Folgende Fragen werden in dieser Studie untersucht:
FF1: Inwiefern beeinflussen Informationen zum fachwissenschaftlichen Inhalt eines Modells sowie der Zeitpunkt, zu dem diese
den Lernenden zugänglich gemacht werden, den Lernerfolg im Bereich MMK?
FF2: Inwiefern unterscheiden sich die Lernenden in ihren Lernstrategien beim Lernen von MMK in Abhängigkeit vom Zeitpunkt,
zu dem ihnen Informationen über den fachwissenschaftlichen Inhalts des Modells zugänglich gemacht werden?
Die Studie erfolgte im Pre-Post-Design (N = 320; Jhg. 5/6). Als Lernmaterial für die Intervention wurden Beispielaufgaben
(Atkinson, Derry, Renkl, & Wortham, 2000) genutzt. Der Lernzuwachs wurde durch MC-Aufgaben erhoben (Modell-Skala: 25
Items; α = .84 / BKL-Skala: 18 Items; α=.72). Die Probanden wurden gleichmäßig auf drei Lerngruppen verteilt und erhielten
identische Beispielaufgaben zum Thema Metamodeling Knowledge. Variiert wurde der Zeitpunkt, zu dem fachwissenschaftliche
Informationen (Blutkreislauf; BKL) zu Verfügung gestellt wurden: E1 erhielt die Informationen zum Blutkreislauf vorab und lernte
anschließend zu MMK. Bei E2 waren die BKL-Informationen in die Beispielaufgaben integriert. Die Kontrollgruppe (KG) erhielt
keine Informationen zum Blutkreislauf, sondern zu einem nicht themenrelevanten Inhalt vorab. Der Lernzuwachs wurde durch
Varianzanalysen berechnet. Die Lernstrategien (Selbsterklärungen) wurden mit Protokollen Lauten Denkens erhoben und in einer
Substichprobe mit Hilfe eines Kategoriensystems inhaltsanalytisch ausgewertet (n = 24).
Die Versuchsgruppen unterscheiden sich nicht bezüglich ihres Vorwissens (weder BKL noch MMK). Aber der
Vermittlungszeitpunkt des Fachwissens beeinflusst den Lernerfolg im Bereich Metamodeling Knowledge: Integriert Lernende
(E2) zeigen einen höheren Lernerfolg im Bereich MMK als sequentiell Lernende (E1; p < .001; d = 0,52). In den Analysen der
Lernstrategien zeigen sich unterschiedliche Muster der verwendeten Lernstrategien in den verschiedenen Versuchsgruppen.
Beispielsweise arbeiten Probanden aus Treatments E2 deutlich intensiver mit den Lernmaterialien als Probanden der E1. Diese
beziehen sich bei der Bearbeitung eher auf ihr Vorwissen.
Eine integrierte Vermittlung erleichtert den Probanden das Erlernen von MMK. Sehr wahrscheinlich weil das erforderliche
Fachwissen an den notwendigen Stellen bereitgestellt bekommen. Dadurch werden die beiden Bereiche sinnvoll und
lernförderlich miteinander verknüpft, ohne zusätzliche kognitive Ressourcen (Sweller, Merrienboer, & Paas, 1998) zu
beanspruchen. Für den Schulunterricht ist daher eine zeitgleiche Vermittlung von Fachwissen und Metamodeling Knowledge zu
empfehlen.
ID: 133 / C 02 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Didaktik Mathematik, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, Unterrichtsentwicklung/
Unterrichtsqualität
Stichworte: Kognitive Aktivierung, videobasierte Onlinefortbildung, Mathematiklehrkräfte, eigene und fremde Unterrichtsvideos
Erwerb von Professionswissen zur kognitiven Aktivierung anhand eigener und fremder
Unterrichtsvideos – eine videobasierte Onlinefortbildung
Petra Richey1, Marc Kleinknecht2, Thorsten Bohl1, Timo Leuders3
1
Universität Tübingen, Deutschland; 2Technische Universität München, Deutschland; 3Pädagogische Hochschule Freiburg,
Deutschland
Kognitive Aktivierung gilt als zentrales Unterrichtsmerkmal für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand und
für die Leistungsentwicklung der Schülerinnen und Schüler. Ein positiver Zusammenhang von kognitiver Aktivierung und dem
Lernzuwachs der Schülerinnen und Schüler wurde in vielen Studien belegt; ebenfalls belegt ist die seltene Realisierung kognitiver
Aktivierung im Unterricht leistungsschwächerer Schülerinnen und Schüler (u.a. Bohl et al. 2012). In der COACTIV-Studie konnte
zudem festgestellt werden, dass das Ausmaß an kognitiver Aktivierung im Unterricht allein auf das fachdidaktische
Professionswissen der Lehrkräfte zurückzuführen ist (Baumert & Kunter, 2011), das bei Lehrkräften leistungsschwächerer
Schülerinnen und Schüler bedingt durch den Lehramtszugang deutlich schwächer ausgeprägt ist (u.a. Baumert & Kunter, 2011).
Für die Erfassung und Erweiterung des situations- und kontextgebundenen Professionswissens stellen Unterrichtsvideos ein
geeignetes Medium dar (u.a. Krammer & Reusser 2005), wobei die Arbeit mit eigenen oder fremden Videos unterschiedliche
motivationale, emotionale und kognitive Prozesse initiiert (u.a. Kleinknecht & Schneider 2013), die bisher nicht hinreichend
untersucht worden sind.
Daher wurde im DFG-Projekt „Erwerb von Professionswissen zur kognitiven Aktivierung anhand eigener und fremder
Unterrichtsvideos“ eine Onlinefortbildung für Mathematiklehrkräfte leistungsschwächerer Schüler/innen erprobt. In einem quasiexperimentellen Design (N=88) wurde untersucht, ob das Wissen zur kognitiven Aktivierung durch eine videobasierte Intervention
erweitert werden kann und wie sich der Medientyp auf den Wissenszuwachs, auf motivationale, emotionale und kognitive
Prozesse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie auf die Zufriedenheit mit der Fortbildung und die selbsteingeschätzte
Wirksamkeit der Fortbildung auswirkt. Um den Wissenszuwachs auf die videobasierte Intervention zurückführen zu können,
wurde eine Kontrollgruppe eingesetzt. Um die Effekte eigener und fremder Unterrichtsvideos zu identifizieren, wurden die
Merkmale des Mediums variiert: Das Professionswissen zur kognitiven Aktivierung wurde durch acht Videovignetten mit
Sequenzen eines fremden Unterrichtsvideos vor und nach der Intervention erfasst und durch Informationstexte zur kognitiven
Aktivierung sowie durch acht Sequenzen des eigenen oder eines fremden Unterrichtsvideos erweitert.
Hinsichtlich des Medientyps bestehen geringe, überwiegend nicht signifikante Unterschiede zugunsten der Arbeit mit dem
eigenen Video auf motivationale, emotionale und kognitive Prozesse sowie auf die Zufriedenheit mit der Fortbildung und die
selbsteingeschätzte Wirksamkeit. Der Wissenszuwachs (Pre-Post-Test) wird zurzeit analysiert. Entsprechend des Designs
wurden abhängige Daten in den verschiedenen Gruppen erhoben. Nach einer inhaltsanalytische Auswertung der offenen Fragen
des Pre-Post-Tests sind daher Varianzanalysen mit Messwiederholung zur Identifikation von Haupt- und Interaktionseffekten
(ANOVA) geplant sowie hierarchisch lineare Modelle, da im Pre-Post-Test mehrere Videovignetten pro Person verwendet wurden
und sich das Vorhaben insofern als sog. cluster non-randomized trial auffassen lässt.
Durch die Ergebnisse des Projekts werden weitere Befunde zur Wirkung eigener und fremder Videos sowie zur Wirkung,
Annahme und Durchführung von Onlinefortbildungen erzeugt, um neben dem geeigneteren Medientyp ebenfalls zu ermitteln, ob
Onlinefortbildungen eine geeignete Alternative zu herkömmlichen Fortbildungen darstellen.
ID: 134 / H 01 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, Schulentwicklung, Unterrichtsentwicklung/
Unterrichtsqualität
Stichworte: Unterrichtsqualität, Schuleffektivität, Mathematik, Naturwissenschaften, Längsschnitt
Unterrichtsqualität und bildungsbezogene Ungleichheiten hinsichtlich des Kompetenzzuwachses in
Mathematik und Naturwissenschaften – Vertiefende Analysen zu Cross-Level-Effekten an Grundschulen
in Deutschland
Mario Vennemann1, Birgit Eickelmann1, Heike Wendt2, Drossel Kerstin1
1
Universität Paderborn, Deutschland; 2Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS), TU Dortmund, Deutschland
Ein vielbeachteter Befund der empirischen Bildungsforschung der letzten Jahre ist, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler im
selben Maße von Schule und Unterricht profitieren. Für die Sekundarstufe I ist aus vertiefenden PISA-Analysen (PISA-I-Plus; vgl.
Prenzel et al., 2006) bekannt, dass beispielsweise etwa ein Drittel der 15-jährigen Jugendlichen im Laufe eines Schuljahres
mathematische bzw. naturwissenschaftliche Kompetenzen nicht weiterentwickelt und dass neben individuellen
Hintergrundmerkmalen Faktoren der Unterrichtsqualität mit der Kompetenzentwicklung in den betrachteten Domänen in
Zusammenhang stehen (Ehmke, Blum, Neubrand, Jordan & Ulfig, 2006; Senkbeil, 2006). Für den Primarbereich lagen in Bezug
auf die Kompetenzentwicklung über einen längeren Zeitraum lediglich vereinzelte Studien mit regionalem Bezug vor, die eine
Überprüfung dieses Sachverhalts auch für Grundschülerinnen und Grundschüler ermöglichten (u.a. SCHOLASTIK, vgl. Helmke
& Weinert, 1997; ELEMENT, vgl. Lehmann & Lenkeit, 2008 etc.). Mit der ADDITION-Studie (A Dynamic Effective Knowledge
Base for Quality in Education), die von der European Science Foundation (ESF) gefördert wird, wird jedoch eine Untersuchung
vorgelegt, mit der die Fragestellung nach der Relevanz der Unterrichtsqualität für die mathematische und naturwissenschaftliche
Kompetenzentwicklung von Grundschülerinnen und Grundschülern auf Grundlage einer repräsentativen Datenbasis, in
längsschnittlicher Perspektive und mit Instrumenten aus der Trends in International Mathematics and Science Study (TIMSS)
bearbeitet wird (vgl. Creemers et al., 2013). Im Rahmen der ADDITION-Studie wurden in Deutschland die mathematischen und
naturwissenschaftlichen Kompetenzen von Grundschulkindern in einer repräsentativen Schulstichprobe (N = 54) zu zwei
Messzeitpunkten (Anfang und Ende der vierten Klassenstufe) gemessen. Ergänzt wurde die Datenbasis weiterhin durch einen
Schülerfragebogen, durch den u.a. Dimensionen der Unterrichtsqualität (z.B. effektive Nutzung von Unterrichtszeit,
Strukturiertheit etc.; vgl. Creemers & Kyriakides, 2008) sowie individuelle und familiäre Merkmale der Grundschülerinnen und
Grundschüler erfasst wurden.
Auf der Grundlage der ADDITION-Datenbasis wird mit dem vorliegenden Beitrag die oben beschriebene Forschungslücke zur
Untersuchung von Faktoren zur Kompetenzentwicklung von Grundschulkindern im Laufe des vierten Schuljahres fokussiert. Der
vorliegende Beitrag bearbeitet dazu die folgenden forschungsleitenden Fragestellungen:
1. Ob und inwieweit wirken sich verschiedene, durch Grundschülerinnen und Grundschüler wahrgenommene Merkmale von
Unterrichtsqualität auf die Kompetenzentwicklung in Mathematik und Naturwissenschaften im Verlauf eines Schuljahres auch
unter Kontrolle zentraler Hintergrundmerkmale aus?
2. Inwieweit wird der Zusammenhang zwischen individuellen Hintergrundmerkmalen und der Kompetenzentwicklung durch die
Dimensionen der Unterrichtsqualität moderiert?
Mittels hierarchisch-linearer Modelle (HLM, vgl. Raudenbush & Bryk, 2002) wird zur Beantwortung der Fragestellungen zunächst
untersucht, inwieweit verschiedene, im Rahmen von ADDITION erfasste Merkmale von Unterricht dazu beitragen, die
mathematischen bzw. natur-wissenschaftlichen Kompetenzen von Grundschulkindern auch unter Kontrolle zentraler
Hintergrundmerkmale und des mathematischen bzw. naturwissenschaftlichen Vorwissens vorherzusagen (Random Coefficient
Modelle) und ob zudem differentielle Effekte festgestellt werden können (Random Slope Modelle). Die für den vorliegenden
Beitrag durchgeführten Analysen werden mit Mplus7 (vgl. Muthén & Muthén, 2012) unter Berücksichtigung der komplexen
Stichprobe und der hierarchischen Datenstruktur durchgeführt.
Die Mehrebenenanalysen zeigen, dass unter Kontrolle individueller Hintergrundmerkmale und des Vorwissens kein
eigenständiger Effekt der Unterrichtsqualität für die mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzentwicklung im Laufe
eines Schuljahres nachgewiesen werden kann (Forschungsfrage I). Vielmehr können zur Aufklärung von Unterschieden in der
mathemati-schen und naturwissenschaftlichen Kompetenzentwicklung individuelle Merkmale wie das Vor-wissen, der
Migrationshintergrund oder das kulturelle Kapital der Schülerinnen und Schüler her-angezogen werden (R2L1 = .46 bzw. .45).
Hinsichtlich differentieller Effekte zeigen die spezifi-zierten Cross-Level-Effekte zudem, dass beispielsweise an Schulen, an
denen der Zusammenhang zwischen den Hintergrundmerkmalen der Schülerinnen und Schüler zwischen Schülern signifikant
variiert und weiterhin an Schulen, an denen die Schülerinnen und Schüler das Zeitma-nagement ihrer Lehrkräfte im Mittel hoch
einschätzen, der Zusammenhang zwischen naturwissenschaftlicher Kompetenzentwicklung und dem Migrationshintergrund
höher ausfällt als an Schulen, an denen das Zeitmanagement im Mittel weniger hoch eingeschätzt wird (Forschungsfrage II). Im
Beitrag werden weitere Cross-Level-Effekte vertiefend untersucht und vor dem Hintergrund des Beitrages der empirischen
Bildungsforschung zur Qualitätsentwicklung im deutschen Schulsystem diskutiert.
ID: 135 / B 17 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Motivation und Emotion
Stichworte: Need for Cognition, Investment Traits, Studienerfolg, Studienzufriedenheit, Studienleistung
Freude am Studium ohne Freude am Denken? Die Bedeutung von Need for Cognition für Studienerfolg
und Studienerleben
Julia Grass, Anja Strobel
Technische Universität Chemnitz, Deutschland
Einleitung. Mit dem Investment-Trait Need for Cognition (NFC, Cacioppo & Petty, 1982) werden systematische interindividuelle
Unterschiede von Personen in der Neigung beschrieben, Freude an kognitiv komplexen Aufgaben zu erleben und Aufwand in
deren Bearbeitung zu investieren. NFC weist enge Verbindungen zu individuellen Unterschieden in der Informationsverarbeitung
auf: Höheres NFC geht mit zentralerer Verarbeitung, der Berücksichtigung vielseitiger Informationen bei der Meinungsbildung
sowie einer stärkeren Elaboration von Denkinhalten einher (vgl. Cacioppo, Petty, Feinstein & Jarvis, 1996). Als motivationales
Merkmal ist es von kognitivem Potential abgrenzbar: Die Zusammenhänge zu Intelligenz liegen maximal im mittleren Bereich.
Verschiedene Studien stellten in der Vergangenheit Bezüge von NFC zu akademischen Leistungen her. So fanden sich negative
Zusammenhänge mit schulischem Underachievement (Preckel, Holling & Vock, 2006) oder schulischer Klassenwiederholung
(Bertrams & Dickhäuser, 2009), positive Zusammenhänge wiederum mit Schulnoten (z.B. Preckel, 2014). Richardson, Abraham
und Bond (2012) fanden in einer Metaanalyse kleine positive Zusammenhänge von NFC zur Studien-Durchschnittsnote. NFC
zählte gemeinsam mit Gewissenhaftigkeit und Prokrastination zu den drei stärksten Prädiktoren im Bereich der Persönlichkeit.
Fragestellung. Während in bisherigen Studien zur Vorhersage akademischen Erfolgs maßgeblich die Leistung im Studium als
Indikator für Erfolg genutzt wurde, wurde das Studienerleben nur wenig in die Betrachtung einbezogen (vgl. Trapmann, Hell, Hirn
& Schuler, 2007). Neben der Vorhersage von Leistung liegt jedoch nahe, dass NFC auch beeinflusst, auf welcher Grundlage
Studienbewerber sich für ein Studium entscheiden, welche Emotionen sie bei der Beschäftigung von häufig komplexen
Studieninhalten empfinden und welche Motivation sie auch bei Leistungsrückschlägen für ihr Studium aufbringen. Die vorgestellte
Studie verfolgte deshalb das Anliegen, NFC umfassend als Prädiktor von Studienleistung und Studienerleben zu betrachten.
Vorgehen. In einer breiten Studierendenstichprobe (N = 396, M = 24.08 ± 4.72 Jahre) verschiedener Fachrichtungen wurden
Studienleistungen, Studienzufriedenheit, Abbruchgedanken und die voraussichtliche Einhaltung der Regelstudienzeit erhoben.
Weiterhin wurde retrospektiv erfasst, ob jemals ein Studium/eine Ausbildung abgebrochen oder das derzeitige Studium
unterbrochen wurde. Diese Kriterien wurden gemeinsam mit NFC und weiteren etablierten Persönlichkeitsmerkmalen zur
Vorhersage von Studienerfolg per Onlineerhebung erfasst.
Ergebnisse. Es fanden sich erwartungsgemäß Zusammenhänge mit NFC um r = .20 für verschiedene Aspekte von
Studienleistungen. Zusammenhänge von NFC mit darüber hinaus einbezogenen Erfolgskriterien waren r = .38 für
Studienzufriedenheit, r = .18 für Abbruchgedanken und r ≈ .10 mit einem früheren Ausbildungs-/Studienabbruch oder einer
Studienunterbrechung.
Zur Beurteilung der Bedeutsamkeit von NFC für die Vorhersage von Studienerfolg wurden Regressionen (Einschlussmethode)
für die Kriterien Studienleistungen, Studienzufriedenheit und Abbruchgedanken berechnet. Für eine möglichst aussagekräftige
Vorhersage wurden neben den Prädiktoren auch relevante Kriterien einbezogen, wenn eine wechselseitige Beeinflussung
nahelag (z.B. Studienleistungen zur Vorhersage der Studienzufriedenheit). Dabei zeigte sich NFC als bedeutsamer Prädiktor für
Studienzufriedenheit. Für die Vorhersage von Studienleistungen und Abbruchgedanken war NFC zunächst kein signifikanter
Prädiktor. Für eine differenzierte Betrachtung wurden deshalb vermittelnde Zusammenhänge untersucht. Der Effekt von NFC auf
Studienleistungen wurde durch den Zusammenhang mit Studienzufriedenheit und Schulleistungen vermittelt, während
maßgeblich Studienzufriedenheit die Assoziation von NFC mit Abbruchgedanken vermittelte.
Schlussfolgerung. Die Ergebnisse zeigen, dass NFC nicht nur akademische Leistungen vorhersagt, sondern vor allem auch ein
bedeutsamer Prädiktor für die Studienzufriedenheit ist. Da die Zufriedenheit wiederum maßgeblich bestimmt, ob Personen ein
Studium abschließen und ob Sie später auch längerfristig in ihrem Berufsfeld arbeiten, wird einmal mehr die Bedeutung von NFC
im Zusammenhang mit Studienerfolg offenbar. Diese legt zum Beispiel nahe, NFC neben Schulleistungen zur Auswahl von
Studienbewerbern einzubeziehen bzw. sich um die Förderung von NFC zu bemühen.
ID: 137 / A 14 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Soziologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Hochschulbildung
Stichworte: ErstakademikerInnen; Studieneingangsphase; Bildungsungleichheit
Wie unterscheiden sich die Bildungsvoraussetzungen von ErstakademikerInnen beim Studienstart und
wie wirken sich diese in der Studieneingangsphase aus?
Matthias Böttcher, Alexander Balko, Meike Scharfenort, Marc Wietzke
Westfälische Hochschule Gelsenkirchen Bocholt Recklinghausen
Mit der Einführung von Bachelor- und Masterabschlüssen war die Erwartung verbunden, verstärkt Studienberechtigte aus nichtakademischen Elternhäusern zur Aufnahme eines Studiums zu bewegen. Forschungsbefunde zeigen, dass dies bisher kaum
gelungen ist (Maaz 2006; Schindler & Reimer 2010). So nehmen 77 von 100 Kindern aus Akademikerfamilien ein Studium auf,
jedoch „landen“ nur 23 von 100 Kindern aus Nicht-Akademikerfamilien an einer Hochschule (Middendorff et al. 2013). Nur wenig
Aufmerksamkeit wurde der Frage gewidmet, ob sich soziale Unterschiede auch im Hinblick auf den Studienerfolg beobachten
lassen. Es ist zu vermuten, dass sich Kindern aus Nicht-Akademikerfamilien, die tatsächlich ein Studium aufnehmen, im Vergleich
zu StudienanfängerInnen aus einem akademischen Elternhaus größere Barrieren für einen erfolgreichen Studienabschluss
stellen. Neben geringen fachlichen Kenntnissen, die auf die Erlangung der Studienberechtigung über alternative Wege
zurückzuführen sind (Schindler 2014; Schindler 2012), dürften hierbei fehlende Vorbilder sowie Informationslücken über den für
Erstakademiker neuen „Kosmos Hochschule“ eine Rolle spielen. Der vorliegende Beitrag widmet sich der Frage, welche
Zusammenhänge zwischen der Bildungsherkunft von Bachelorstudierenden und dem Studienerfolg bestehen. Als Studienerfolg
wird dabei der Verbleib im Studium nach dem ersten Fachsemester definiert. Die Fokussierung auf diesen Zeitraum ergibt sich
dadurch, dass der Studienstart entscheidend ist für den späteren Verlauf des Studiums.
Bei der Erklärung von Bildungsungleichheiten werden primäre und sekundäre Effekte der sozialen Herkunft unterschieden
(Boudon 1974). Primäre Effekte bezeichnen alle Faktoren, die dazu führen, dass Personen unterschiedlicher sozialer Schichten
unterschiedliche Kompetenzen erlangen. Solche interindividuellen Leistungsunterschiede werden auf eine unterschiedliche
Ressourcenausstattung zurückgeführt (Boudon 1974; Erikson & Jonsson 1996). Sekundäre Effekte entstehen, wenn trotz
gleichen Leistungsniveaus unterschiedliche, von der sozialen Herkunft abhängige Bildungsentscheidungen getroffen werden.
Eine solche Entscheidung hinsichtlich eines möglichen Studienabbruchs insbesondere in der Studieneingangsphase könnte in
Anlehnung an Boudon auch von der sozialen Herkunft beeinflusst werden, da die Kosten-Nutzenerwartung eines erfolgreich
abgeschlossenen Studiums unterschiedlich ist.
Vor dem Hintergrund dieser theoretischen Überlegungen sollen folgende Fragestellungen beantwortet werden: (1) Wie
unterscheiden sich die Eingangsvoraussetzungen von Erstakademiker- und Akademikerkindern? (2) Unterscheidet sich der
Studienverlauf von Studierenden aus nicht-akademischen Elternhäusern und inwieweit ist dieses auf unterschiedliche
Eingangsvoraussetzungen zurückzuführen?
Für diesen Beitrag wurde der Studienverlauf der Studieneingangskohorte 2014/15 der Westfälischen Hochschule untersucht.
BildungsaufsteigerInnen spielen für die Hochschule eine besondere Rolle, da die drei Hochschulstandorte in Regionen liegen, in
denen der Bevölkerungsanteil mit akademischem Abschluss deutlich geringer ist als in anderen Städten und Kreisen NordrheinWestfalens (IT NRW 2014a) und der Studierendenanteil aus dem räumlichen Umfeld der Hochschule sehr hoch ist (IT NRW
2014b). Eine im Rahmen der Immatrikulation durchgeführte Umfrage ergab, dass von den gut 2.100 StudienanfängerInnen im
WS 2014/15 knapp 70% aus Nichtakademiker-Familien stammen.
Eine Analyse des Bildungshintergrunds der StudienanfängerInnen bestätigt, dass ErstakademikerInnen mit tendenziell
ungünstigeren Voraussetzungen an die Hochschule gelangen. Von den ErstakademikerInnen hatten vor dem Studium ca. 41%
das Abitur erworben (N= 1393), während es bei der Vergleichsgruppe 55% waren (N=729). Trotz dieser ungünstigen
Bildungsvoraussetzungen scheinen ErstakademikerInnen ähnlich erfolgreich im Studium zu sein, wie StudienanfängerInnen aus
akademischen Elternhäusern. Die Analyse wird anhand von Prozessdaten vorgenommen, wobei die betrachtete
Studienanfängerkohorte die Grundgesamtheit darstellt. Um unterschiedliche Studienabbruchquoten hinsichtlich des
Erstakademikerstatus zu kontrollieren, gibt ein logistisches Modell nicht hinreichend valide Schätzer wider, da die
Studienabbruchquote stark nach besuchtem Studiengang variiert. Um diesen Differenzen zu begegnen wurde ein logistisches
Mehrebenenmodell gerechnet, das der Varianz der Abbruchquoten in den einzelnen Studiengängen Rechnung trägt (vgl. Gelman
& Hill 2009). Zusätzlich zum Erstakademikerstatus wurden als Kovariablen Geschlecht, Alter, Migrationshintergrund und Art der
HZB in das Modell aufgenommen. Hierbei ergab sich bei den fixen Effekten, dass Erstakademiker nur eine geringfügig höhere
Wahrscheinlichkeit (7%) hinsichtlich eines Studienabbruchs aufweisen, wohingegen andere Kovariablen einen deutlich stärken
Einfluss auf das Studienabbruchrisiko ausüben.
ID: 138 / H 01 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lehrerexpertise
Stichworte: teachers' decision making, stereotypical beliefs, formal decision rules, theoretical knowledge, accuracy
Theoretical knowledge and formal decision rules: Can we reduce bias in orientation decisions?
Ineke Pit-ten Cate1, Sabine Krolak-Schwerdt1, Thomas Hörstermann1, Sabine Glock2
1
University of Luxembourg; 2Bergische Universität Wuppertal
In Luxembourg and Germany, entry into secondary school is based on an orientation process, whereby teachers play a key role
in deciding which track would be most suitable for the student. Although the orientation should be based on academic
achievement, research has shown non-achievement-related variables to influence decisions. Particularly in Luxembourg, ethnic
minority students are underrepresented in the highest track, even after controlling for academic achievement. This disadvantage
might be partially due to teachers’ stereotypical beliefs, which might bias teachers’ orientation decisions. Decisions result from a
cognitive process which involves both the search for information and the application of (implicit) rules regarding the use of such
information. This information integration may infer a balanced weighing of cues, however stereotypical beliefs might affect these
processes.
One strategy to reduce bias is to provide theoretical knowledge on judgment formation and training under feedback conditions.
Another strategy is to apply formal decisions rules on the weighted integration of information. Such rules contain a defined
weighting of the key information that teachers use in the decision making process.
This study aimed to evaluate the effect of training modules concerning the above mentioned strategies to reduce disadvantages
for ethnic minority students in orientation decisions. Using an experimental pre-post design, we investigated the effect of training
on the reduction of bias in orientation decisions, especially bias against ethnic minority students. We delivered separate
workshops on theoretical knowledge and the application of decision rules to experienced teachers (N=9 and N=21, respectively).
Teachers were asked to make orientation decisions for students based on vignettes before and after the workshops.
In the first workshop, we introduced theoretical models of judgment formation and gave teachers feedback concerning their
orientation decisions and student related inferences. We presented an overview of theories regarding decision making and
accuracy, and discussed factors and conditions affecting the application of different information processing strategies. Then,
teachers interactively developed strategies for making orientation decisions, which they applied under feedback conditions. The
second workshop focused on the application of formal rules on the weighted integration of student information. We devised a
computerized training module comprising of four different stages, in which teachers first rated the relevance of different student
attributes for the orientation decision. Subsequently, individual decision rules were computed, reflecting an optimized prediction
in accordance with the teacher’s intended decision making strategy. Then teachers made orientation decisions after which they
received immediate feedback about the concordance between the predicted and actual decision.
We analyzed the orientation decision accuracy using a 2×2×2 mixed ANOVA, with type of workshop (theory vs. formal rules)
varying between participants and student ethnicity (minority vs. majority) and intervention (before and after workshop) varying
within participants. Although results showed no significant main effects for ethnicity or intervention, a significant ethnicity ×
intervention interaction effect was found, F(1,28)=8.14, p<.01, Eta-squared=0.23. Before the workshops, teachers’ orientation
decisions were less accurate for ethnic minority students, whereas after training this bias disappeared. Teachers became only
more accurate in their decisions for ethnic minority students. Results were independent of the type of workshop.
Disadvantages for ethnic minority students in teachers’ orientation decisions can be reduced by training. In line with the intention
of the workshops, the disproportionally high rate of decision errors for ethnic minority students before the workshops was
eliminated and in line with error rates for ethnic majority students after the workshop. Thus, increasing awareness of effects of
stereotypical beliefs on judgments, either via theoretical knowledge or the systematic application of formal decisions rules, can
successfully reduce differences in decisions for ethnic minority and majority students, promoting equal decision accuracy for all
students.
ID: 142 / E 02 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Didaktik Deutsch
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Lese- und Sprachförderung
Stichworte: phonological awareness, verbal working memory, long term memory, mixed-ability classroom, language training
Language Acquisition Training in a Classroom Setting
Ora Melles, Marianne Schuepbach
Uni Bamberg, Schweiz
Theoretical Background
Based on recent surveys, half of all Swiss school children undergo therapy in an effort to solve learning problems (Baumann &
Alber, 2011). These forms of treatment take place either during or after school time. The purpose of this study was to trace the
effects of a language therapy program created by the University of Zurich Language Pathology department for individual children
with more severe language acquisition disabilities, on normally developed 3rd grade students attending Swiss schools. Cognitive
Language Acquisition Training in the Classroom (CLAT) aims at strengthening the verbal working memory and long-term memory
of the participants. Insights can assist in developing language learning material, individualized training programs and as a tool for
improving language acquisition capacity within a classroom setting.
Most language training programs are devoted to improving the literacy skills of children who exhibit poor language skills. For
instance, in a study by the UK National Reading Panel, only four of the 14 language programs compared were devoted to
improving the literacy skills within a class setting (Torgerson, Brooks, & Hall, 2006). CLAT is unique as it is administered in a
mixed-ability classroom setting to children of school age. Due to its multi-dimensional nature, CLAT tailors itself to the unique
language learning skills of a wide range of students.
Research Questions
1. What impact will CLAT in a classroom setting have on Phonological Awareness and Phonological Memory in respect to the
development of
• vocabulary acquisition?
• rhyme identification?
• grammar proficiency?
• spelling ability ?
2. What impact will CLAT in a classroom setting have on students´ attention and concentration?
Method
Participants in this research included 277 students (136 females, 141 males) in 3rd grade. Sixteen classrooms from eight Swiss
public schools participated in this quasi-experimental study; eight classes took part in the intervention program and eight parallel
classes participated as control subjects. Teachers were asked about their school program to insure that similar material was
covered in each parallel class. Intervention group teachers were given an initial introduction and training of CLAT prior to the start
of the intervention. The CLAT program consisted of 60 sentences and explanatory illustrations. Each sentence was to be practiced
in five steps, daily for a 12 week period. Administration of CLAT took approximately 20 minutes per school day. The assessment
tool for the evaluation of the intervention study was adapted from two sources: First, the Allgemeiner Deutscher Sprachtest
(Steinert, 2004) which consisted of four parts related to language acquisition in a classroom setting: vocabulary, rhyme, grammar
and spelling. Second, a fifth part, evaluated through The Star Counting Test (de Jong, 1990; de Jong, personal communication,
October 30, 2013), placed additional demands on the attention capacity and the ability to activate and inhibit processes in working
memory. The evaluation was conducted at three time points: Initially, before the program began, one week after the program was
completed and finally, four months later. The five aspects of language acquisition and attention capacity were then compared
within and between classrooms. Analysis of variances with repeated measurement were performed on the spelling and
vocabulary sections to determine the specific mechanisms affected by the program.
Results
Preliminary findings show that the intervention group showed significant improvements during and directly after administration of
CLAT in the classroom with respect to vocabulary acquisition, rhyme identification, grammar proficiency and spelling ability.
Additionally, there were significant long-term improvements after administration of CLAT in the classroom with respect to
vocabulary acquisition, grammar proficiency and spelling ability. However, there were no significant improvements after the
administration of CLAT in the classroom with respect to concentration and attention.
ID: 143 / B 03 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: IRT, Validität, Reliabilität, Dimensionalität
Eindimensionale Auswertung mehrdimensionaler Tests
Steffen Brandt
Art of Reduction, Kiel
Eine grundsätzliche Annahme der Item Response Theorie (IRT) ist die zur Dimensionalität eines Tests. Es gilt, dass ein Test
eindimensional sein muss, um eindimensional ausgewertet werden zu können. Praktische Zwänge führen jedoch häufig dazu,
dass diesem Grundsatz widersprochen wird. Im Programme for International Student Assessment (PISA), zum Beispiel, wird für
Mathematik einerseits ein eindimensionaler Leistungswert berechnet, andererseits wird der Test jedoch auch mehrdimensional
für vier Subskalen, oder Subdimensionen, ausgewertet (OECD, 2012). Dieser Widerspruch findet sich in gleicher Weise bei
anderen Tests und auch bei anderen Studien, wie der Trends in International Mathematics and Science Study (TIMSS) und der
Progress in International Reading Literacy Study (PIRLS) (Martin & Mullis, 2012). Auffallend ist, dass in keinem der genannten
Fälle, das Problem diskutiert wird. Einen anderen Ansatz zur Auswertung verfolgt die in den USA bekannteste
Schulleistungsstudie, das National Assessment of Educational Progress (NAEP). Hier werden mehrdimensionale Subskalen
durch die Berechnung eines gewichteten Mittelwerts zusammengefasst (Allen, Carlson, & Donoghue, 2001).
Dass diese großen, sehr bekannten Studien unterschiedliche Ansätze in diesem sehr wichtigen Punkt verfolgen kann bereits als
erstes Indiz dafür angesehen werden, dass beide Ansätze Vor- aber auch Nachteile mit sich bringen. Im ersten Teil des Vortrags
werden daher zunächst anhand verschiedener Gesichtspunkte die Unterschiede verdeutlicht. Wichtige Aspekte sind hierbei die
unterschiedliche Gewichtung der Leistungswerte, die Berücksichtigung der Annahme der lokalen Unabhängigkeit der Aufgaben,
die adäquate Schätzung der Reliabilität sowie auch die Validität der berechneten Leistungswerte.
Im Anschluss daran wird ein IRT-Modell vorgeschlagen, das als eine Art Kombination der beiden Ansätze betrachtet werden
kann: das Generalisierte Subdimensionsmodell (GSM; S. Brandt, 2012). Im GSM wird die Schätzung des mehrdimensionalen
IRT-Modells so restringiert, dass zusätzlich zur Schätzung der mehrdimensionalen Leistungswerte auch ein eindimensionaler
Leistungswert geschätzt wird, der dem eines gewichteten Mittelwerts über die Subdimensionen entspricht. Nach einer kurzen
Darstellung von zwei Anwendungsbeispielen (Steffen Brandt & Duckor, 2013; Steffen Brandt, Duckor, & Wilson, 2014) wird eine
Einordnung des Modells in Bezug zu anderen bereits bestehenden Modellen gegeben und ein Ausblick auf die zukünftige
Anwendung gegeben.
ID: 145 / A 02 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: Lösungsbeispiel, Segmenting, Selbsterklärungsprompts, Cognitive Load
Einfluss von Segmenting und Selbsterklärungsprompts auf den Lernerfolg beim Lernen mit
Lösungsbeispielen im Chemieunterricht der Sekundarstufe I
Katrin Schüßler1, Jenna Koenen2, Elke Sumfleth1
1
Universität Duisburg-Essen, Deutschland; 2Humboldt-Universität zu Berlin
Theoretischer Hintergrund
Lernen mit Lösungsbeispielen zeigt besonders während des anfänglichen Wissenserwerbs in einer Domäne positive Ergebnisse
(worked example principle, Renkl, 2005). Selbsterklärungsprompts sind hierbei von zentraler Bedeutung (Renkl, 2014), da
Lernende mehrheitlich spontan keine Selbsterklärungen generieren (Renkl, 1997; Stark, 1999).
Neben dem self-explanation principle (Wylie & Chi, 2014) gibt es seine Vielzahl weiterer Designprinzipien, für die Entwicklung
von Lernmaterialien (Cognitive Theory of Multimedia Learning, Mayer, 2009; 2014) und Lösungsbeispielen (Renkl, 2013; 2014),
die darauf zielen die kognitive Belastung durch essential processing, generative processing und extraneous processing sinnvoll
zu balancieren. Eine Möglichkeit mit der kognitiven Belastung durch die Verarbeitung des Lernmaterials umzugehen, besteht
darin, die zu lernenden Informationen in Abschnitte zu unterteilen, die der Lernende nacheinander bearbeiten kann (segmenting
principle, Mayer, 2009; meaningful building blocks principle, Gerjets, Scheiter, & Catrambone, 2006; Renkl, 2013). Obwohl
einzelne Designprinzipien allein bereits große positive Effekte auf den Lernerfolg aufweisen (segmenting principle: dMedian =
.98, Mayer, 2009), nimmt Renkl (2014) an, dass Selbsterklärungsprompts für erfolgreiches Lernen mit Lösungsbeispielen
erforderlich sind, weil diese eine tiefere Verarbeitung anregen, während er anderen Designprinzipen einen eher organisierenden
Charakter zuschreibt.
Vorstudie
In einer ersten Studie (N = 138, M = 14.28 Jahre (SD = .66), 55.10 % weiblich) wurde der Lernerfolg von Lernenden der
Jahrgangsstufe neun an Gymnasien in NRW beim Lernen mit segmentierten Lösungsbeispielen und drei unterschiedlichen
Promptingmaßnahmen verglichen (nG1 = 45, nG2 = 46, nG3 = 47). Nach der Intervention zeigten sich zwar ein deutlicher
Lernzuwachs vom Prä- zum Post-Zeitpunkt für alle Lernenden (t(137) = 15.44, p ˂ .001, d = 1.23) aber kein Gruppenunterschied
(ANOVA mit Post-hoc (LSD), F(2, 135) = 0.15, p = .858, ηp2 = .002).
Fragestellung
Ziel einer aktuellen Studie ist es, zum einen zu prüfen, ob der deutliche Lernzuwachs in Studie 1 auf die Prompts zurückzuführen
ist oder ob das Lernmaterial ohne Prompts einen vergleichbaren Lernzuwachs hervorruft. Zum anderen soll, auch aus
ökonomischen Gründen, untersucht werden, ob sich der Lernerfolg von Lernenden, die mit segmentierten Lösungsbeispielen
lernen vom Lernerfolg Lernender, die mit nicht segmentierten Lösungsbeispielen lernen, unterscheidet.
FF1: Inwieweit führt das Lernen mit Lösungsbeispielen mit Selbsterklärungsprompts zu besseren Lernergebnissen als Lernen
mit Lösungsbeispielen ohne Selbsterklärungsprompts?
FF2: Führen segmentierte Lösungsbeispiele zu besseren Lernergebnissen als nicht segmentierte Lösungsbeispiele?
FF3: Führen segmentierte Lösungsbeispiele mit Selbsterklärungsprompts zu besseren Lernergebnissen als segmentierte
Lösungsbeispiele ohne Selbsterklärungsprompts oder nicht segmentierte Lösungsbeispiele mit Selbsterklärungsprompts?
Methode
Im Rahmen einer Interventionsstudie (2x2-Design: Segmenting/Selbsterklärungsprompts) im Prä-, Post-, Follow Up-Design in
neunten und zehnten Klassen an Realschulen und Gymnasien in NRW (N = 470) wurden die Lernenden innerhalb einer Klasse
zufällig einer der vier Interventionsbedingung zugeteilt. Die Intervention erfolgte über drei Wochen im Chemieunterricht. Pro
Termin stand den Lernenden jeweils ein Lösungsbeispiel und 60 Minuten Bearbeitungszeit zur Verfügung. Während der
Bearbeitung wurden mehrmals (Schmeck, Opfermann, van Gog, Paas, & Leutner, 2015) Mental Effort (Paas, 1992) und Item
Difficulty (Kalyuga, Chandler, Tuovinen, & Sweller, 2001) erhoben. Eine Woche vor und nach der Intervention wurde das
Fachwissen (Multiple-Choice Single-Select) erfasst. Zum Follow Up Zeitpunkt, zwölf Wochen nach der Intervention, wird das
Fachwissen erneut erhoben.
Lernmaterial
Bei der Entwicklung der Lösungsbeispiele wurden verschiedene Designprinzipien für Lernmaterialien (Mayer, 2009) und
Lösungsbeispiele (Renkl, 2013; 2014) berücksichtigt. Im Fokus der Lösungsbeispiele liegt das Lösen einer Säure in Wasser und
die dabei ablaufende Protonenübertragung.
Bei den Selbsterklärungsprompts handelt es sich um kleine Anwendungsaufgaben, die die Lernenden lösen sollen, bevor ihnen
auf der nächsten Seite die Musterlösung präsentiert wird (vgl. Stark, 1999).
Ergebnisse
Aufbauend auf der Vorstudie können die Ergebnisse, die zur Tagung vorliegen werden, Hinweise darauf liefern, ob
Lösungsbeispiele mit Selbsterklärungsprompts zu besseren Lernergebnissen führen als segmentierte Lösungsbeispiele. Darüber
hinaus kann die Entwicklung der kognitiven Belastung bei der Bearbeitung der Lösungsbeispiele vorgestellt werden.
ID: 146 / H 04 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Ökonomie, Psychologie, Didaktiken der Geschichte, Philosophie, Religion, Gesellschaftswissenschaften
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Methoden der empirischen Bildungsforschung, Ökonomie und Bildung
Stichworte: Befragung, Einstellung, EU, Studierende, Wirtschaftskrise
Markt vs. Moral? Eine vergleichende Befragung von Studierenden der Wirtschafts- und
Gesellschaftswissenschaften zur Eurokrise
Eva Schweitzer1, Tim Engartner1, Till van Treeck2, Silvia Blum2, Philipp Kortendiek2
1
Goethe-Universität Frankfurt, Deutschland; 2Universität Duisburg-Essen, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Die Entwicklung eines selbstständigen Urteils- und Handlungsvermögens gilt als minimal konsentiertes Ziel politischer Bildung.
Dem liegt die Auffassung zugrunde, dass Mündigkeit und Partizipation im Wesentlichen an die Fähigkeit gekoppelt sind,
gesellschaftliche Diskurse zu verstehen, situativ einzuordnen und mit Blick auf die (potenzielle) persönliche Interessenartikulation
kritisch zu bewerten. Idealtypisch sollen dabei verschiedene Perspektiven und Positionen Berücksichtigung finden, um in der
Zusammenschau und Abwägung von Argumenten zu einer reflektierten und sachlich fundierten Meinungs- bzw. Willensbildung
zu gelangen. Dieser Prozess, der seit dem Beutelsbacher Konsens mit dem Gebot der Kontroversität überschrieben ist, wurde
bisher vor allem angebotsseitig untersucht, etwa mit Blick auf die Planung und Durchführung von Unterrichtseinheiten, die
Darstellung gesellschaftlicher Debatten in der Lehr-Lern-Umgebung oder die Ausgewogenheit von Schulmaterialien.
Fragestellung
Weit weniger Beachtung hat hingegen die Fragestellung gefunden, wie die Kontroversität von gesellschaftspolitischen Themen
auf der individuellen Wahrnehmungs- und Einstellungsebene rekonstruiert wird. Führt der in der Fachdidaktik vermittelte
Anspruch der Multiperspektivität zu einer pluralistischen Auseinandersetzung mit tagesaktuellen Sachfragen oder überlagern
sozial, medial und disziplinspezifisch verengte Deutungsmuster die politische Meinungsbildung? Falls letzteres zutrifft: Welche
Schemata dominieren das individuelle Urteil? Und welche Randfaktoren erklären mit welchen Konsequenzen eine solche
argumentationshomogene Reflexion?
Methode
Diese Erkenntnisinteressen wurden in einer schriftlichen Befragung von StudienanfängerInnen der Wirtschafts- und
Gesellschaftswissenschaften am Beispiel der europäischen Finanz- und Wirtschaftskrise verfolgt. Die Eurokrise eignet sich in
besonderer Weise als Fallstudie zur Rekonstruktion von einstellungsimmanenter Kontroversität, da sie folgenden zentralen
empirischen Erfordernissen genügt:
(1) Als aktuelles und supranationales Thema zeigt sie im Fluss befindliche, d.h. für die alltägliche politische Teilhabe
exemplarische Einstellungsbildungsprozesse auf, die weder von historisch gewachsenen Überzeugungen noch von nationalen
Partei- oder PolitikerInnen-Bindungen überformt werden.
(2) Die Eurokrise ist hinreichend komplex und inhaltlich mehrdimensional, um verschiedene Perspektiven und Positionen als
Voraussetzung für messbare Kontroversität umfassen zu können.
(3) Sie besitzt eine hohe persönliche Relevanz für Studierende und sollte daher faktisch zur Einstellungsbildung Anlass geben,
da letztere von den wirtschaftlichen, politischen und sozialen Konsequenzen der Krise unmittelbar in ihrem späteren Berufsleben
betroffen sein werden.
(4) Die Eurokrise ging mit massiver Publizität einher, sodass Studierende prinzipiell die Möglichkeit hatten, sich
eigenverantwortlich aus diversen Quellen über jene Thematik zu unterrichten. Für die empirische Erhebung kann daher eine
Präjudizierung der Einstellungsbildung durch eine einseitige Informationsabhängigkeit ausgeschlossen werden.
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien wurden zu Beginn des Wintersemesters 2015/16 mehr als 1.500 StudienanfängerInnen
der Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften an den Hochschulstandorten Duisburg-Essen und Frankfurt am Main befragt.
Diese haben ihren schulischen Werdegang größtenteils gerade erst abgeschlossen, sind mit der Europäischen Union und dem
Euro als Zahlungsmittel aufgewachsen und nehmen ihr Studium nach Beendigung des Bologna-Prozesses auf. Ihr spezifischer
Sozialisations- und Bildungshintergrund erlaubt es einerseits im Fächervergleich zu prüfen, wie multiperspektivisch die Eurokrise
wahrgenommen und bewertet wird und welche soziodemografischen, motivationalen, politischen und bildungsbezogenen
Variablen das Spektrum der Einstellungsformierung andererseits erklären. Dazu kombiniert die zwanzigminütige Befragung
umfangreiche Aussagenbatterien zu den Ursachen, Konsequenzen und Bewältigungsstrategien der Krise mit latenten
Konzeptmessungen zu den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Grundüberzeugungen der Studierenden. Auf diese Weise
wird nicht nur die Kontroversität in der kognitiven Repräsentation der Eurokrise erfasst, sondern auch das Ausmaß der
persönlichen Urteilssicherheit. Die Studie bewegt sich am Schnittpunkt zwischen Ökonomie, Sozialwissenschaften und
Bildungsforschung und leistet einen Beitrag zur empirischen Analyse des einstellungsbezogenen Bildungserfolges.
Ergebnisse
Zum Zeitpunkt der Einreichung wurde die Erhebung an beiden Hochschulstandorten gerade abgeschlossen. Die
Datenauswertung steht noch aus.
ID: 148 / A 01 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Motivation und Emotion
Stichworte: Fortbildung, Fortbildungsteilnahmemotivation, Fortbildungsteilnahme
Motivation von Lehrkräften zur Teilnahme an Fortbildungen und deren Bedeutung für das
Fortbildungsverhalten
Dirk Richter1, Marc Kleinknecht2, Alexander Gröschner3
1
Bergische Universität Wuppertal, Deutschland; 2Technische Universität München; 3Universität Paderborn
Theoretischer Hintergrund
Die Forschung zur Nutzung von Lehrerfortbildungen verweist darauf, dass sich Lehrkräfte stark darin unterscheiden, wie viele
Fortbildungsveranstaltungen sie besuchen und mit welchen Inhalten sie sich beschäftigen (Richter et al., 2013). Diese
Unterschiede lassen sich möglicherweise damit erklären, dass Lehrkräfte aus verschiedenen Gründen und Motivlagen an
Fortbildungen teilnehmen. Aus Sicht der Motivationsforschung kann zur groben Unterscheidung dieser Gründe zwischen
intrinsischer und extrinsischer Motivation differenziert werden (Ryan & Deci, 2000). Von einer intrinsischen Motivation wird dann
gesprochen, wenn Personen aus Freude oder Interesse am Lerngegenstand eine Fortbildung besuchen. Bei einer extrinsischen
Motivation hingegen dient die Fortbildung als ein Mittel, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. In der Forschung zur
Erwachsenenbildung wurde gezeigt, dass sich neben der intrinsischen Motivation verschiedene extrinsische Gründe empirisch
differenzieren lassen (Boshier, 1991). Aktuelle Arbeiten der Lehrerforschung weisen darauf hin, dass diese Gründe auch bei
Lehrkräften identifiziert werden können (Rzejak et al. 2014; Kao et al., 2011). Bislang liegen jedoch keine empirischen Arbeiten
vor, in denen die Motivation zur Teilnahme an Fortbildungen mit dem Fortbildungsverhalten der Lehrkräfte in Beziehung gesetzt
wurde.
Fragestellungen
1. Lässt sich die intrinsische und extrinsische Motivation zur Teilnahme an Lehrerfortbildungen reliabel erfassen?
2. Inwieweit erklärt die intrinsische und extrinsische Motivation zur Teilnahme an Lehrerfortbildungen die Nutzung von
Fortbildungsveranstaltungen?
Methode
Diese Untersuchung basiert auf Daten des IQB-Ländervergleichs 2012, in dem die mathematisch-naturwissenschaftlichen
Kompetenzen von Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe bundesweit ermittelt wurden (Pant et al., 2013). Neben der
Testung der Schülerinnen und Schüler erhielten auch deren Lehrkräfte in den Fächern Biologie, Chemie, Physik und Mathematik
einen Fragebogen, in dem sie Angaben über die Teilnahme an Fortbildungen und über ihre Motivation zur Teilnahme an
Fortbildungen machten. Für die vorliegende Studie wurden insgesamt Angaben von 4053 Lehrkräften einbezogen. Davon
unterrichteten 36.9 Prozent an Gymnasien und 63.1 Prozent an nicht-gymnasialen Regelschulen. Die durchschnittliche
Berufserfahrung lag bei 19.5 Jahren (SD=12.6).
Die Erfassung der intrinsischen und extrinsischen Motivation zur Teilnahme an Fortbildungen erfolgte mit insgesamt 5 Subskalen.
Die intrinsische Motivation („persönliches Interesse“) umfasst insgesamt 3 Items (α = .68). Die extrinsische Motivation wurde in
Anlehnung an bestehende Instrumente (Kao et al., 2011) angepasst und mit 4 Subskalen erfasst: „beruflicher Aufstieg“ (3 Items,
α=.83), „Erweiterung professioneller Kompetenzen“ (4 Items, α=.75), „soziale Kontakte“ (3 Items, α=.80) und „Abwechslung vom
Alltag“ (3 Items, α=.70).
Zur Beantwortung der ersten Fragestellung wurden konfirmatorische Faktorenanalysen durchgeführt, die zur Prüfung der
theoretisch erwarteten Struktur der Motivationsskalen dienten. Für die Untersuchung der zweiten Forschungsfrage wurden
logistische Regressionsanalysen verwendet, in denen die Teilnahme an Fortbildungen (innerhalb von 2 Jahren) durch die
Motivation vorhergesagt wurde. Als abhängige Variable wurde einerseits betrachtet, ob Lehrkräfte überhaupt an Fortbildungen
teilnahmen und andererseits ob sie eine Veranstaltung mit einem fachlichen, fachdidaktischen oder schulorganisatorischen
Schwerpunkt besuchten.
Ergebnisse
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass sich die intrinsische und extrinsische Motivation zur Fortbildungsteilnahme
empirisch in 5 Subskalen abbilden lassen. Ein Vergleich der Subskalen verdeutlicht, dass Lehrkräfte vor allem aus persönlichem
Interesse und zur Verbesserung der professionellen Kompetenzen an Fortbildungen teilnehmen. Andere extrinsische Gründe
wie der berufliche Aufstieg und die Abwechslung vom Alltag bildeten für die Mehrzahl der Lehrkräfte keinen Anlass, eine
Fortbildung zu besuchen. Regressionsanalysen zwischen der Fortbildungsmotivation und dem Fortbildungsverhalten machen
deutlich, dass verschiedene Facetten der Motivation für unterschiedliche Fortbildungsinhalte von Bedeutung sind. Während die
globale Fortbildungsaktivität (mind. 1 Veranstaltung in 2 Jahren besucht) nur durch den Wunsch nach Erweiterung der
professionellen Fähigkeiten erklärt werden konnte, zeigen sich für die Analysen zu Fortbildungen mit spezifischem inhaltlichen
Schwerpunkt differentielle Befundmuster, auf die im Vortrag genauer eingegangen wird. Zusammenfassend verweisen die
Ergebnisse darauf, dass die Motivation zur Teilnahme an Fortbildungen das Fortbildungsverhalten beeinflusst.
ID: 149 / B 17 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Motivation und Emotion
Stichworte: Schulisches Selbstkonzept, Lernfreude, Konzentration, Schulleistungen, Grundschulalter
Zum Zusammenspiel zwischen schulischem Selbstkonzept, Lernfreude, Konzentration und
Schulleistungen im Grundschulalter
Annette Lohbeck1, Gerda Hagenauer2, Barbara Moschner1
1
Universität Oldenburg, Deutschland; 2Universität Bern , Schweiz
Theoretischer Hintergrund: Zwischen Selbstkonzept, lernbegleitenden Emotionen, Lernverhaltensmerkmalen und
Schulleistungen besteht ein enges Zusammenspiel. Dies verdeutlichen vor allem die empirisch gut gesicherten Zusammenhänge
zwischen dem schulischen Selbstkonzept, das sämtliche Bewertungen der schulischen Fähigkeiten umfasst, und fachbezogenen
Interessen (Köller, Trautwein, Lüdtke & Baumert, 2006; Marsh, Trautwein, Lüdtke, Köller & Baumert, 2005), Lernfreude (Faber,
Tiedemann & Billmann-Mahecha, 2011; Götz, Preckel, Zeidner & Schleyer, 2008), Anstrengungsbereitschaft (Trautwein, Lüdtke,
Schnyder & Niggli, 2006) sowie Schulleistungen (Marsh et al., 2015a,b). Nach der Kontroll-Wert-Theorie von Pekrun (2006) wird
angenommen, dass die eigenen wahrgenommenen Fähigkeiten eng mit den Emotionen zusammenhängen, die durch die
Interpretation einer Situation erlebt werden, wobei (1) die subjektive Kontrolle über das Leistungsergebnis (Kontrollkomponente)
und (2) der Wert des Lernergebnisses (Wert-Komponente) eine zentrale Rolle spielen: Eine hohe wahrgenommene Kontrolle
über eine Situation bzw. ein hohes Selbstkonzept geht mit einer besseren Bewältigung dieser Situation und einem besser
kontrollierten Verhalten in dieser Situation einher, woraus angenehme Emotionen wie Lernfreude resultieren können. Studien zu
den Zusammenhängen zwischen dem Selbstkonzept, der Lernfreude, spezifischen Lernverhaltensmerkmalen und
Schulleistungen liegen jedoch bisher vorrangig für das Sekundarstufenalter vor (z. B. Hagenauer & Hascher, 2011; Götz,
Cronjäger, Frenzel, Lüdtke & Hall, 2010). Doch nicht zuletzt im Grundschulalter sind Studien in diesem Kontext von hoher
Relevanz, da sich in dieser Zeit die konstitutiven Entwicklungsprozesse vollziehen (s. Hellmich & Günther, 2011). Die Ergebnisse
der SCHOLASTIK-Studie („Schulorganisierte Lernangebote und Sozialisation von Talenten, Interessen und Kompetenzen“;
Helmke & Weinert, 1997) zeigen z. B., dass das Selbstkonzept und die Lernfreude bei Grundschulkindern eng miteinander
korrespondieren und beide Variablen das Selbstkonzept und die Lernfreude in der nächsten Jahrgangsstufe vorhersagen
(Helmke, 1998). Ähnliche Befunde finden sich unter anderem auch in den internationalen Vergleichsstudien TIMSS (Third
International Mathematics and Science Study; Bos,Tarelli, Bremerich-Vos & Schwippert, 2012) und IGLU (Internationale
Grundschul-Lese-Untersuchung; Bos, Wendt, Köller & Selter, 2012).
Fragestellung: Ausgehend von der Kontroll-Wert Theorie (Pekrun, 2006) ist es das Ziel der vorliegenden Studie, sowohl die
direkten als auch indirekten Zusammenhänge zwischen dem Selbstkonzept, der Lernfreude, der wahrgenommenen
Konzentration und den Schulleistungen von Grundschulkindern in der vierten Jahrgangsstufe genauer zu untersuchen.
Methode: Befragt wurden 178 Grundschulkinder in der vierten Jahrgangsstufe (M = 9.63, SD = .71), wovon 83 Jungen (46.6 %)
waren. Den Kindern wurde ein Fragebogen vorgegeben, in dem sie verschiedene individuelle Merkmale auf einer vierstufigen
Likert-Skala von 0 = „stimmt nicht“ bis 4 = „stimmt genau“ bewerten sollten. Alle Items wurden durch geschulte Testleitende im
Klassenverband laut vorgelesen. Das Selbstkonzept wurde mit fünf Items und die Lernfreude mit vier Items aus dem Fragebogen
zur Erfassung der sozialen und emotionalen Erfahrungen (FEESS) von Rauer und Schuck (2003) erhoben (Selbstkonzept: α =
.73; Lernfreude: α = .84). Die wahrgenommene Konzentration der Kinder wurde anhand der Skala „Konzentration“ aus der
Schülereinschätzliste für Sozial- und Lernverhalten (SSL; Petermann & Petermann, 2014) mit vier Items erfasst (α = .81). Die
Schulleistungen gingen über die Mathematik- und Deutschnoten vom letzten Schulzeugnis der Kinder als gemittelte
Summenscores in die Analysen ein. Zur Überprüfung der Zusammenhänge wurden bivariate Pearson-Korrelationen und latente
Strukturgleichungsmodelle mit Mplus berechnet.
Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigten enge positive Korrelationen zwischen dem Selbstkonzept, der Lernfreude, der
wahrgenommenen Konzentration und den Mathematik- und Deutschnoten der Kinder (.10 ≤ r ≤ .58). In den
Strukturgleichungsmodellen fanden sich jedoch keine direkten Pfade zwischen der Lernfreude und den Schulleistungen sowie
zwischen der wahrgenommenen Konzentration und den Schulleistungen. Dagegen zeigte sich ein direkter Pfad zwischen dem
Selbstkonzept und der wahrgenommenen Konzentration (β =.46). Der höchste direkte Pfad lag zwischen dem Selbstkonzept und
den Schulleistungen (β =.85) vor. Zudem ergab sich ein indirekter Effekt der Lernfreude zwischen dem Selbstkonzept und der
Konzentration, der auf eine Mediatorfunktion der Lernfreude zwischen dem Selbstkonzept und der Konzentration hindeutet.
ID: 152 / B 17 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Gesundheit/ Stress/ Belastung, Motivation und Emotion, Trainings- und Evaluationsforschung
Stichworte: Prüfungsangst, Kontroll- und Wertüberzeugungen, inquiry-based stress reduction
Reduktion von Prüfungsangst durch die Überprüfung angstbedingender Kontroll- und Wertkognitionen
Ann Krispenz, Sebastian Nitsche, Oliver Dickhäuser
Universität Mannheim, Deutschland
Theoretischer Hintergrund: Der Begriff der Prüfungsangst beschreibt einen emotionalen Zustand, der während subjektiv
bedeutungsvoller Prüfungen und anderen Bewertungssituationen erlebt wird. Gerade im Bildungskontext ist Prüfungsangst
aufgrund ihres negativen Einflusses auf die akademischen Leistung und ihrer hohen Prävalenz sehr bedeutsam. Im Fokus der
bisherigen Forschung standen die Entstehungsfaktoren von Prüfungsangst. Nach den Annahmen der Kontroll-Wert-Theorie
(Pekrun & Götz, 2006) lösen nicht die objektiven Prüfungsgegebenheiten selbst, sondern vielmehr die subjektiven Kontroll- und
Werteinschätzungen (appraisals) der Betroffenen deren Prüfungsangst aus. Interventionen zielen daher u.a. auf kognitive
Restrukturierung negativer „irrationaler“ Kontroll- und Wertüberzeugungen ab. Diese Interventionen sind indes oft mit einem
hohen zeitlichen Aufwand verbunden. Eine zeiteffizientere Möglichkeit, negative subjektive Überzeugungen zu überprüfen, ist
die Methode der inquiry-based stress reduction (IBSR), die bereits in anderen Kontexten eingesetzt wurde. IBSR ermöglicht
mithilfe von vier Fragen und den sog. Umkehrungen die Identifikation und Überprüfung von Gedanken, die negativen Affekt und
daher Stress verursachen. Die Wirksamkeit von IBSR wurde bereits mehrmals nachgewiesen (z.B. Smernoff, Mitnik, Kolodner,
& Lev-ari, 2015), bislang ist die Technik aber für Interventionen bei Prüfungsangst unerforscht.
Fragestellung: Die vorliegende Studie untersucht erstmals, ob IBSR bezogen auf eine – jeweils individuell vom Betroffenen
ermittelte – subjektive Kontroll- oder Wertüberzeugung längerfristig Prüfungsangst reduziert.
Methode: Bei Studierenden (N = 158) wurde im Labor die am stärksten angsterzeugende Kontroll- bzw. Wertüberzeugung mit
Blick auf eine anstehenden Prüfung ermittelt. Zudem wurde die Angst erfasst, die diese Überzeugung auslöst (t1). Nach einer
zufälligen Zuweisung zu einer der drei Bedingungen untersuchten die Probanden der Interventionsbedingung mithilfe von IBSR
ihre individuelle angstauslösende Überzeugung. Die Probanden der ersten Kontrollgruppe verfassten ein Gedankenprotokoll
über ihre Reaktionen auf die angstauslösende Überzeugung, während die Probanden der zweiten Kontrollgruppe mittels einer
Abschreibeaufgabe von ihrer angstauslösenden Überzeugung abgelenkt wurden. Anschließend wurde unmittelbar (t2) und zwei
Tage später (t3) erneut erfasst, in welchem Maße die ursprüngliche Überzeugung Angst auslöst.
Ergebnisse: Eine Messwiederholungs-ANCOVA mit der experimentellen Bedingung als between-Faktor, State-Prüfungsangst
als abhängiger Variable und Trait-Prüfungsangst als Kontrollvariable sowie anschließende Kontrastanalysen (t2 & t3) zeigen,
dass sich die Prüfungsangst, welche durch die individuelle Überzeugung ausgelöst wird, in der Interventionsbedingung
unmittelbar nach der Durchführung von ISBR (d.h. zu t2) reduziert und dass dieser Effekt im Vergleich zu den Kontrollgruppen
auch längerfristig (d.h. zu t3) anhält.
Diskussion: Diskutiert werden die praktischen Implikationen und die Limitationen der vorliegenden Studie. Zudem wird ein
Ausblick auf eine zweite Studie gegeben, welche die Anwendung von IBSR in unmittelbarer Nähe zur Prüfung erfasst und die
Limitationen der ersten Studie adressiert.
ID: 154 / A 14 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Soziologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Grundschulbildung
Stichworte: Kinder mit Migrationshintergrund, sprachliche Fähigkeiten, ethnische Bildungsungleichheit
Erklären Unterschiede in (frühen) sprachlichen Fähigkeiten die Schulleitungsunterschiede nach
Migrationshintergrund in der dritten Klasse?
Birgit Becker
Goethe Universität Frankfurt, Deutschland
Einleitung
Kinder mit Migrationshintergrund schneiden im deutschen Bildungssystem durchschnittlich schlechter ab als Kinder ohne
Migrationshintergrund – dies trifft insbesondere auf türkischstämmige Kinder zu. Als eine Hauptursache dafür werden oft fehlende
Deutschkenntnisse genannt.
Theoretischer Hintergrund
Als theoretischer Hintergrund wird ein Ressourcen-Investitions-Ansatz verwendet, basierend auf humankapitaltheoretischen
Überlegungen. Es wird davon ausgegangen, dass Eltern ein prinzipielles Interesse daran haben, in die Fähigkeiten ihrer Kinder
zu „investieren“, sich jedoch je nach Ressourcenausstattung in ihren Möglichkeiten dazu unterscheiden.
Durch den in Deutschland durchschnittlich vorhandenem negativen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status
der Eltern und einem Migrationshintergrund, lässt sich daher auch bereits ein Großteil der Schulleistungsunterschiede nach
Migrationshintergrund durch die unterschiedliche soziale Herkunft der Eltern erklären.
Jedoch kann vermutet werden, dass Kinder mit Migrationshintergrund selbst bei vergleichbarer sozialer Herkunft der Eltern
bezüglich der schulischen Leistungen im Nachteil sind. Eine Ursache dafür kann darin gesehen werden, dass manche der o.g.
elterlichen Ressourcen gesellschaftsspezifisch sind und daher in Migrantenfamilien meist weniger vorhanden sind (z.B. deutsche
Sprachkenntnisse).
Aus den genannten theoretischen Argumenten lässt sich erwarten, dass es bereits in der frühen Kindheit Unterschiede zwischen
Kindern mit und ohne Migrationshintergrund in verschiedenen Kompetenzbereichen vorhanden sind, insbesondere im Bereich
der deutschen Sprache. Es wird vermutet, dass diese Kompetenzunterschiede einen langfristigen Effekt auf die schulischen
Leistungen der Kinder haben, wobei dieser im Bereich Lesen stärker ausfallen sollte als im Bereich Mathematik.
Fragestellung
Die Hauptfragestellung dieses Beitrags ist, inwiefern die unterschiedlichen Leistungen in Mathematik und Lesen in der dritten
Klasse zwischen Kindern mit türkischem Migrationshintergrund und Kindern ohne Migrationshintergrund zurückgeführt werden
können auf Kompetenzunterschiede in der frühen Kindheit und welche frühkindlichen Fähigkeiten hierbei zentral sind (Kognition,
Sprache). Dabei wird die Hypothese aufgestellt, dass insbesondere die frühen Deutschkenntnisse diese
Schulleistungsunterschiede nach Migrationshintergrund erklären können und dies insbesondere im Bereich Lesen.
Daten und Methode
Für die empirischen Analysen werden die Daten des Projektes „Erwerb von sprachlichen und kulturellen Kompetenzen von
Migrantenkindern und der Übergang nach der vierten Klasse“ verwendet. In diesem Projekt wurden ca. 1.000 Kinder aus 30
Städten und Gemeinden im Südwesten Deutschlands ab dem dritten Lebensjahr bis zur vierten Klasse im Längsschnitt verfolgt,
wobei regelmäßig Tests mit den Kindern und persönliche Interviews mit den Eltern stattgefunden haben. Die Hälfte der Stichprobe
besteht dabei aus türkischstämmigen Familien.
In dieser Arbeit werden die Leistungen der Kinder in der dritten Klasse im Lesen (erhoben durch die WLLP) und in Mathematik
(Kurzform des DEMAT 3+) als abhängige Variable verwendet. Die wichtigsten unabhängigen Variablen stellen die Kompetenzen
der Kinder im Alter von 3 Jahren in den Bereichen Kognition und deutscher Wortschatz dar (erhoben mit verschiedenen Untertests
der K-ABC). In späteren Analysen werden zusätzlich auch die Testergebnisse in diesen Bereichen in der dritten Klasse
verwendet.
Als Analysemethode werden OLS-Regressionen verwendet. Um zu bestimmen, wie stark die verschiedenen frühkindlichen und
späteren Fähigkeiten dazu beitragen, den Schulleistungsunterschied zwischen Kinder mit und ohne Migrationshintergrund zu
erklären, wird die khb-Methode verwendet.
Ergebnisse
Erste Ergebnisse zeigen, dass sowohl die kognitiven als auch die sprachlichen frühen Fähigkeiten jeweils einen signifikanten
Zusammenhang mit den schulischen Leistungen in der 3. Klasse aufweisen. Unter Kontrolle dieser frühkindlichen Fähigkeiten
verschwindet der (bivariat vorhandene) Nachteil der türkischstämmigen Kinder in Lesen und Mathematik. Unter zusätzlicher
Kontrolle der kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten in der dritten Klasse verbleibt ein signifikanter Zusammenhang zwischen
den frühen Deutschkenntnissen und der Testleistung im Lesen.
Eine Dekomposition des Effekts des türkischen Migrationshintergrunds zeigt, dass sowohl im Lesen als auch in Mathematik der
Großteil des Nachteils der türkischstämmigen Kinder auf Unterschiede im Bereich der deutschen Sprache zurückgeführt werden
kann. Für die Leistung im Lesen sind dabei die frühkindlichen Deutschkenntnisse ebenso bedeutend wie die Deutschkenntnisse
in der dritten Klasse.
ID: 155 / G 17 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Hochschulbildung
Stichworte: Person-Environment-Fit, selbsteingeschätzte Fähigkeiten, Studienerfolg
Der Zusammenhang zwischen subjektiver Passung und Studienerfolg unter Berücksichtigung
subjektiver Fähigkeiten. Eine Anwendung der Person-Environment-Fit Theorie
Carla Bohndick1, Tom Rosman2, Susanne Kohlmeyer1, Heike Buhl1
1
Universität Paderborn, Deutschland; 2Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID)
Theoretischer Hintergrund
Laut Person-Environment-Fit (PE-Fit)-Theorie führt eine Passung zwischen personalen (z. B. individuellen Fähigkeiten) und
situationalen Bedingungen (z. B. Arbeitsanforderungen) im Arbeitskontext zu Outcomes wie Zufriedenheit, Leistung, Commitment
oder Wohlbefinden (Edwards et al., 2006). Beim subjektivem PE-Fit wird, im Gegensatz zum objektiven PE-Fit, die Passung
zwischen subjektiv wahrgenommenen Anforderungen und subjektiv wahrgenommenen Fähigkeiten betrachtet (Edwards, Caplan
& Van Harrison, 1998). Bei der Messung subjektiven PE-Fits wird zwischen zwei Ansätzen unterschieden: Beim atomistischen
Ansatz werden subjektive Fähigkeiten und Anforderungen getrennt erfasst und anschließend kombiniert (z. B. durch Bildung von
Differenzvariablen), während für den molaren Ansatz die direkten Einschätzungen einer Person über den Fit maßgeblich sind
(Edwards et al., 2006).
Fragestellung
Die Auswirkungen der Passung zwischen personalen und situationalen Bedingungen sind im beruflichen Kontext gut untersucht
(z. B. Kristof‐Brown, Zimmerman & Johnson, 2005), während in Bezug auf den tertiären Bildungsbereich bisher häufiger die
Passung zwischen Interessen und Studienfach (z. B. bei Feldman, Smart & Ethington, 2004) oder die Passung zwischen
Student/-in und Universität (z.B. bei Gilbreath, Kim & Nichols, 2011) betrachtet wurde. Aktuelle Forschung zeigt unter Anwendung
des molaren Ansatzes, dass gerade die Passung zwischen Fähigkeiten und Anforderungen ein guter Prädiktor für die Performanz
im Studium ist (Etzel & Nagy, 2015). Der molare Ansatz hat jedoch den Nachteil einer Konfundierung zwischen
Fähigkeitsselbsteinschätzungen und Fit, da beides in die PE-Fit-Messung einfließt (Edwards et al., 2006). Offen bleibt deswegen,
inwieweit die Erkenntnisse von Etzel und Nagy (2015) über individuelle Fähigkeitsselbsteinschätzungen hinausgehen, für die
bereits Zusammenhänge mit akademischer Leistung bekannt sind (z. B. Chemers, Hu & Garcia, 2001). Es stellt sich also die
Frage, ob die subjektive Passung über die Einschätzungen der eigenen Fähigkeiten hinaus zur Erklärung von Studienerfolg
beiträgt.
Methode
Im Rahmen einer Online-Befragung wurden 693 Studierende (77 % weiblich, M = 6.06 Semester [SD = 3.78], alle Lehramt)
untersucht. Die Studierenden wurden gebeten, allgemeine Anforderungen des Studiums hinsichtlich (1) der eigenen Fähigkeiten
und (2) der Bedeutsamkeit für das Studium jeweils auf einer 5-stufigen Skala einzuschätzen. Inhaltlich handelte es sich um
jeweils drei Bereiche, die von allgemein plausibler Relevanz für das Studium sind: Selbstdisziplin (4 Items, z. B. „genau und
sorgfältig arbeiten“) tiefenorientierte Lernstrategien (4 Items, z. B. „Lernstoff mit Vorwissen, Vorerfahrungen und Praxisbeispielen
verknüpfen“) und wissenschaftliches Arbeiten (4 Items, z. B. „Zeit für Literaturstudium nehmen“). Reliabilitätsanalysen ergaben
gute bis sehr gute Werte (Cronbachs alpha: .81 ≤ α ≤ .88). Zur Ermittlung des PE-Fits bzw. der Passung wurde die Differenz
zwischen Einschätzung der Bedeutsamkeit und Einschätzung der Fähigkeiten (atomistischer Ansatz) gebildet. Die Reliabilität der
resultierenden Variablen war (erwartungsgemäß) niedriger, dennoch aber akzeptabel (alpha: .58 ≤ α ≤ .77). Unter Studienerfolg
werden unterschiedliche Facetten verstanden, z. B. Noten, Studiendauer, Zufriedenheit im Studium und Ähnliches (Hell, Linsner
& Kurz, 2008). Um ein breites Verständnis von Studienerfolg zu berücksichtigen, wurden 3 Studienerfolgskriterien, Note in der
Zwischenprüfung, Studienzufriedenheit (3 Items, α = .85) und selbsteingeschätzte Studienleistung (4 Items, α = .66), erfasst.
Ergebnisse
Zur Überprüfung der Fragestellung wurde auf Strukturgleichungsanalysen zurückgegriffen. Als exogene Variablen enthielt das
Modell sowohl die selbsteingeschätzten Fähigkeiten als auch die Passung (beides als Second-Order-Faktoren); endogene
Variablen waren die drei Studienerfolgskriterien. Modellgütetests ergaben einen guten Modellfit (chi² (449) = 1006.39, CFI = .92,
RMSEA = .04 [95 % CI: .04 – .05]). Es zeigte sich, dass alle drei Studienerfolgskriterien besser von der (um die
selbsteingeschätzten Fähigkeiten kontrollierten) Passung als von den selbsteingeschätzten Fähigkeiten an sich erklärt werden:
Sowohl bei der selbsteingeschätzten Studienleistung als auch bei der Note besteht nur zur Passung ein signifikanter
Zusammenhang. Die Varianzaufklärung fällt relativ hoch aus (10-27 %). Die Ergebnisse sprechen für eine stärkere
Berücksichtigung des subjektiven PE-Fits auch für die theoretische Weiterentwicklung und werden unter Beachtung praktischer
Implikationen diskutiert.
ID: 158 / G 16 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Vorschulische Bildung
Stichworte: Selbstreguliertes Lernen, Vorschulalter, Erfassung des selbstregulierten Lernens
Validierung eines Instruments zur Erfassung selbstregulatorischer Kompetenzen im Vorschulalter
Lisa Dörr, Franziska Prof. Dr. Perels
Universität des Saarlandes, Deutschland
Ziel der berichteten Studie ist es, selbstreguliertes Lernen von Kindern zu fördern und dabei auch die unmittelbaren
Bezugspersonen einzubeziehen, wobei ein besonderer Fokus der durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
geförderten Studie auf der Erfassung selbstregulierten Lernens bei Kindern im Vorschulalter liegt. Der aktuelle Beitrag befasst
sich mit der Überprüfung der CHILD-Checklist (Whitebread et al., 2009) als geeignetem Instrument zur Erfassung der
selbstregulatorischen Kompetenzen fünf- bis siebenjähriger Vorschulkinder. Selbstregulation allgemein meint, dass
Handlungsprozesse eigenständig initiiert, reguliert und reflektiert werden können (vgl. Zimmerman, 1989, 2000). Wird diese
Fähigkeit auf den akademischen Kontext übertragen, spricht man von selbstreguliertem Lernen. Das selbstregulierte Lernen wird
definiert “[…] as the process by which a person generates thoughts, feelings and actions which are systematically oriented toward
achieving one´s goals” (Bembenutty & Karabenick, 2004). Die Fähigkeit, das eigene Lernen selbständig, aktiv und strukturiert zu
organisieren, wird heutzutage hoch eingeschätzt, da sie dem Lernenden erlaubt, sich lebenslang eigenständig Wissen
anzueignen (vgl. Brunstein & Spörer, 2001; Friedrich & Mandl, 1997; Zimmerman, Bonner & Kovach, 1996). Ein möglichst frühes
Heranführen an Selbstregulationsstrategien fördert dabei die Etablierung günstigen Lernverhaltens von Anfang an und soll dazu
beitragen, Kindern bereits im Vorschulalter wichtige Basisressourcen für künftige Lernerfahrungen zu vermitteln (Otto, Perels &
Schmitz, 2011).
Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden eine direkte (Vorschulkindertraining) und zwei indirekte (Eltern- und
Erzieherworkshops) Trainingsmaßnahmen zur Förderung des selbstregulierten Lernens bei Vorschulkindern kombiniert. Um die
Wirksamkeit der Trainingsmaßnahmen evaluieren zu können, sind zielgruppenadaptive Verfahren notwendig, da aufgrund der
fehlenden Schriftsprache der Vorschulkinder keine textbasierten Instrumente angewandt werden können. Deshalb wurde in der
vorliegenden Studie u.a. die CHILD-Checklist als Ratingskala (vgl. Anderson et al., 2003; Whitebread et al., 2009) in adaptierter
Form eingesetzt, mit Hilfe derer sowohl ErzieherInnen als auch Eltern das kindliche selbstregulierte Verhalten einschätzen
konnten (Büttner, Perels & Whitebread, 2011). Diese erfasst die selbstregulatorischen Fertigkeiten der Vorschulkinder über die
Subskalen kognitive, prosoziale, emotionale und motivationale Selbstregulation, entsprechend des Selbstregulationsansatzes
nach Bronson (2000).
Die CHILD-Checklist (Whitebread et al., 2009) wurde zunächst auf ihre testtheoretischen Gütekriterien überprüft und im Sinne
der faktoriellen Validität (vgl. Lienert & Raatz, 1998) die Faktorenstruktur konfirmatorisch untersucht. Als Datengrundlage des
Vorhabens konnten 270 Datensätze von 135 Vorschulkinder (46,3% weiblich) genutzt werden, deren selbstreguliertes Lernens
mit Hilfe der CHILD-Checklist (Whitebread et al., 2009) durch Erzieherinnen und Eltern erfasst wurde.
Die Überprüfung der Reliabilitäten der in der CHILD-Checklist eingesetzten Subskalen ergaben sowohl für die Erzieherinnen als
auch für die Eltern zufriedenstellende bis sehr gute Werte (α = .58 bis .92).
Zur Überprüfung der faktoriellen Struktur wurde eine exploratorische Faktorenanalyse durchgeführt. Die Ergebnisse deuten
daraufhin, dass der CHILD-Checklist (ebd.) ein gemeinsamer Faktor zugrunde liegt. Die Durchführung der Itemanalyse für nur
einen Faktor ergab eine hohe interne Konsistenz für die Gesamtskala (α = .95).
In einem nächsten Schritt wurde diese gefundene einfaktorielle Struktur mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse für die Daten
der ErzieherInnen, sowie für die Eltern überprüft. Beide Modelle lieferten einen zufriedenstellend Fit (ErzieherInnen: χ2 = 63.26,
df = 52, p = .14, RMSEA = .041, CFI = .99, Eltern: χ2 = 43.16, df = 51 p = .77, RMSEA = .00, CFI = 1.0), sowie hohe interne
Konsistenzen (ErzieherInnen: α = .95; Eltern α = .90). Erste Ergebnisse der Studie zeigen, dass für die Zielgruppen der
ErzieherInnen sowie der Eltern eine einfaktorielle Lösung bestätigt werden konnte, was der postulierten Einteilung der CHILDChecklist (ebd.) in die vier Subkomponenten kognitive, prosoziale, emotionale und motivationale Selbstregulation widerspricht.
In einem nächsten Schritt soll das bestätigte einfaktorielle Modell mittels eines multiplen Gruppenvergleichs überprüft werden.
Die gewonnenen Erkenntnisse möchten wir im Rahmen des Vortrages mit dem Fachpublikum diskutieren.
ID: 162 / G 17 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lernen mit Computer und neuen
Medien
Stichworte: Recherchekompetenz, Informationskompetenz, Arbeitsgedächtnis, Cognitive Load Theory, Längsschnittstudie
Personale und situationale Ressourcen als Moderatoren der Entwicklung von Recherchekompetenz bei
Bachelor-Psychologiestudierenden: Eine Längsschnittstudie
Tom Rosman, Anne-Kathrin Mayer, Günter Krampen
Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID), Deutschland
Theoretische Grundlagen und Fragestellungen
Ein kompetenter Umgang mit den zur Verfügung stehenden Quellen und Werkzeugen zur Literaturrecherche
(Recherchekompetenz, als Bestandteil sog. „Informationskompetenz“) wird nicht zuletzt aufgrund seiner Bedeutung für
selbstreguliertes Lernen als entscheidender Faktor für ein erfolgreiches Hochschulstudium angesehen (Brand-Gruwel, Wopereis,
& Vermetten, 2005). Nichtsdestotrotz ist wenig darüber bekannt, welche Rolle situationale und individuelle Ressourcenfaktoren
bei der Entwicklung von Recherchekompetenz spielen.
Hinsichtlich situationaler Faktoren wird insbesondere die Notwendigkeit von Schulungsmaßnahmen hervorgehoben (z. B.
Hochschulrektorenkonferenz, 2012). Obwohl die kurzfristige Wirksamkeit solcher Maßnahmen gut belegt ist (z. B. Leichner,
Peter, Mayer & Krampen, 2014), wurde bisher nicht geprüft, inwiefern solche Maßnahmen auch längerfristig positive Effekte auf
die Entwicklung von Recherchekompetenz haben. Hierbei stellt sich insbesondere die Frage, ob curricular-integrierte
Recherchekompetenz-Lehre (z. B. in einem Seminar zum wissenschaftlichen Arbeiten) aufgrund des höheren Praxisbezugs
stärkere und nachhaltigere Effekte erzeugen als die üblicherweise relativ allgemeinen und domänenunspezifischen 90-minütigen
Bibliotheksschulungen (Fragestellung 1).
Auf der Ebene individueller Faktoren schreibt die cognitive load theory (CLT; Paas, Renkl, & Sweller, 2003) der individuellen
Arbeitsgedächtniskapazität eine Schlüsselrolle zu. Laut CLT wird der Transfer neuer Informationen zum Langzeitgedächtnis bei
einer Überlastung des Arbeitsgedächtnisses gestört. Eine schnelle Überlastung des Arbeitsgedächtnisses ist insbesondere beim
Erwerb von Recherchefertigkeiten anzunehmen, da Studierende nicht nur den Lernprozess (z. B. Erwerb neuer
Recherchestrategien), sondern auch die Informationsrecherche an sich (z. B. Navigieren durch komplexe Datenbankstrukturen)
organisieren und gestalten müssen. Nach Bartholomé und Bromme (2009) kann eine hohe Arbeitsgedächtniskapazität einer
Überlastung des Arbeitsgedächtnisses vorbeugen. Folglich sind positive Effekte der Arbeitsgedächtniskapazität auf die
Entwicklung von Recherchekompetenz Studierender anzunehmen (Fragestellung 2).
Methode
Beide Fragestellungen wurden anhand von Daten einer Längsschnittstudie zur Entwicklung von Wissensnetzwerken bei
Bachelor-Psychologiestudierenden untersucht. Eine Baseline-Messung fand zu Beginn des ersten Semesters statt, drei weitere
Erhebungen wurden jeweils zu Beginn der darauffolgenden Semester durchgeführt. Zum ersten Messzeitpunkt waren die N =
137 Teilnehmer/-innen (82 % weiblich) durchschnittlich M = 20.43 (SD = 2.53) Jahre alt. Mit 16 % vom ersten bis zum letzten
Messzeitpunkt war der Dropout relativ gering und, laut Dropout-Analysen, unsystematisch.
Fachliche
Recherchekompetenz wurde
mit
dem
PIKE-P-Test
(Prozeduraler Informationsrecherchetest für
Psychologiestudierende; Rosman, Mayer & Krampen, 2015), einem Multiple-Choice-Test im Situational-Judgment-Test-Format
(Antwortformat: fünfstufige Likert-Skala), erfasst. Zur Messung von Arbeitsgedächtniskapazität wurde ein heterogenes Set an
verbalen Arbeitsgedächtnisaufgaben herangezogen (Wilhelm, Hildebrandt & Oberauer, 2013). Weiterhin wurden die Teilnehmer/innen befragt, ob sie während der ersten drei Semestern an einer Bibliotheksschulung zum Umgang mit Fachdatenbanken
(Antwortformat: ja/nein) teilgenommen hatten. Zur Erfassung des Ausmaßes an curricular-integrierter RecherchekompetenzLehre wurden die Proband/-innen dazu befragt, inwiefern in einem bestimmten Kleingruppen-Kurs zum wissenschaftlichen
Arbeiten Literaturrecherchen und bibliographische Fertigkeiten behandelt wurden (Antwortformat: fünfstufige Likert-Skala).
Recherchekompetenz wurde zu allen vier Messzeitpunkten geprüft. Arbeitsgedächtniskapazität hingegen wurde am zweiten und
die Daten zur Teilnahme an Schulungsmaßnahmen am dritten (curricular-integrierte Recherchekompetenz-Lehre) bzw. vierten
Messzeitpunkt (Bibliotheksschulungen) erfasst.
Ergebnisse
Zur Datenauswertung wurde auf Mehrebenenanalysen im Rahmen der SPSS(TM) MIXED-Prozedur zurückgegriffen (MLSchätzung; Intercept und Zeitvariable als Zufallsfaktoren; Intercept, Zeitvariable und Kovariaten [Schulungen,
Arbeitsgedächtniskapazität] als feste Faktoren). Wurden sowohl die Bibliotheksschulungen-Teilnahme als auch die Teilnahme
an curricular-integrierter Lehre in ein Modell aufgenommen, ergaben sich lediglich signifikante Effekte curricular-integrierter
Lehre: Je intensiver Recherchekompetenz im Rahmen eines Kurses zum wissenschaftlichen Arbeiten gelehrt wird, umso steiler
ist die entsprechende Wachstumskurve. Wurde zusätzlich Arbeitsgedächtniskapazität in das Modell aufgenommen, ergab sich
auch hier ein signifikanter Effekt: Eine hohe Arbeitsgedächtniskapazität geht mit höheren Wachstumsraten einher. Damit stellen
sowohl curricular-integrierte Recherchekompetenz-Lehre als auch Arbeitsgedächtniskapazität Ressourcenfaktoren dar, die ein
erfolgreiches und nachhaltiges Lernen von Recherchefertigkeiten im Hochschulkontext ermöglichen. Weiterhin geben unsere
Befunde Hinweise darauf, dass situationale Einschränkungen (z. B. wenig Schulungsangebote) durch individuelle
Ressourcenfaktoren (z. B. Arbeitsgedächtniskapazität) zumindest teilweise ausgeglichen werden können.
ID: 163 / A 03 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Didaktik Fremdsprachen
Thematisches Cluster: Fremdsprachenunterricht, Lernen mit Computer und neuen Medien
Stichworte: Englisch, Schreiben, E-Rater, Automated Essay Evaluation
Messung englischer Schreibkompetenzen mit E-Rater: Empirische Werte zu einer zentralen Determinante
des Bildungserfolgs
Maleika Krüger1, Stefan Keller1, Olaf Köller2
1
PH FHNW und Institut für Bildungswissenschaften, Schweiz; 2Leibniz Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und
Mathematik IPN
In diesem Beitrag wird dargestellt, welche Funktionen „Automated Essay Evaluation“ (AEE) bei der Bewertung englischer
Schüleressays übernehmen kann. Die empirische Untersuchung des L2-Schreibens ist deshalb ein Desiderat, weil das
argumentative Schreiben in Englisch heute als zentrale Determinante des Bildungserfolgs auf höheren Schulstufen gesehen wird
(Keller, 2013; Koeller, Knigge & Tesch, 2010).
Zunächst wird die Software „E-rater©“ vorgestellt, welche vom Educational Testing Service“ (ETS, USA) entwickelt wurde, und
welche nun im Rahmen einer Schweizerisch-Deutschen Large-Scale Studie zum ersten Mal auch im deutschsprachigen Raum
eingesetzt werden soll (SNF-DFG Forschungsprojekt MEWS – Measuring English Writing at Secondary Level). E-Rater erfasst
über 40 empirische Textmerkmale mit Hilfe des „Natural Language Processing“ (NLP) und fasst diese zu Kategorien von
Textqualitäten zusammen (Ramineni, Trapani, Williamson, Davey & Bridgeman, 2012a, 2012b). Dazu gehören Grammatik,
Sprachgebrauch, Sprachmechanik, Stil, Organisation und Aufbau, Wortkomplexität und (bei einigen Beurteilungsmodellen) auch
themenspezifischer Wortgebrauch. Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz sollen Fehlerquellen menschlicher
Beurteilungen, etwa Halo-Effekte, Müdigkeit, das Übersehen von Details oder die Veränderung der Rater-Strenge über die Zeit,
abgemildert werden (Ramineni et al., 2012a, 2012b).
Im zweiten Teil des Beitrags werden zwei empirische Untersuchungen vorgestellt, in welchen die Beurteilungen menschlicher
Rater zu englischen Schülertexten aus dem 11. Schuljahr (Gymnasium, Schweiz) mit E-Rater Urteilen verglichen werden. In
Untersuchung 1 wurden dabei zunächst die Raterurteile aus einer früheren Studie (Keller, 2013) als Vergleichsmaß
herangezogen. In Untersuchung 2 wurden die Texte aus derselben Studie mit einem für E-Rater kalibrierten, holistischen
Beurteilungsraster rekodiert, sowie der Datensatz um 36 neue Texte erweitert (TOEFL Schreibaufgabe). Folgende
Forschungsfragen wurden untersucht: 1) In welchem Umfang korrelieren die menschlichen Urteile aus einer früheren Studie
(Keller, 2013) mit den Werten von E-Rater? 2) Lässt sich diese Korrelation von menschlichen und computerbasierten Urteilen
verbessern, indem konsequent für beide dasselbe Beurteilungsraster verwendet wird?
Zu Forschungsfrage 1 wurden die Beurteilungen von E-Rater (TOEFL Modell) mit den menschlichen Beurteilungen aus der Studie
von Keller (2013) verglichen (double-blind analytic scoring). Einbezogen wurden außerdem die Vornoten der Lernenden sowie
die Resultate eines standardisierten Sprachtests, welcher Grammatik und Hörverstehen erfasst (Allen, 2004). Dabei zeigten sich
moderate signifikante Zusammenhänge zwischen menschlicher und AEE Bewertung (zwischen r=.229 und r=.351). Diese
moderaten Korrelationen sind darauf zurückzuführen, dass menschliche Rater und Computer-Modell unterschiedliche
Messmodelle verwendeten, d.h. die Beurteilungskriterien unterschiedlich waren.
Bei Untersuchung 2 wurden die Texte aus derselben Ursprungsstudie zunächst durch menschliche Rater re-analysiert, wobei
das holistische Beurteilungsraster verwendet wurde, welches auch für E-Rater zur Anwendung kommt („Criterion Scoring Guide“;
Ramineni et al. 2012a, 2012b; „Textgruppe A“). Zusätzlich wurden 36 neue Texte aus einem Schreibprojekt am Gymnasium
Kirschgarten in Basel (11. Schuljahr) hinzugefügt, wobei eine TOEFL Schreibaufgabe verwendet wurde („Textgruppe B“). Bei
diesem erneuten Vergleich zwischen menschlichen und computerbasierten Beurteilungen zeigten sich erwartungskonform eine
höhere Übereinstimmungen als in Untersuchung 1 (Textgruppe A: r=.429, Textgruppe B: r=.779).
Die Untersuchungen zeigen, dass hinreichende gute Übereinstimmungen zwischen AEE und menschlichen Beurteilern dadurch
erzielt werden können, dass in beiden Fällen dieselben Beurteilungsrater zum Einsatz kommen, sowie geeignete
Schreibaufgaben gestellt werden.
Anschließend werden diese Resultate diskutiert sowie weitere Einsatzmöglichkeiten von E-rater dargestellt. Durch die Einfachheit
der Anwendung und der wegfallenden Notwendigkeit eines zeit- und kostenintensiven Rater-Trainings bietet die AEE vielfältige
Einsatzmöglichkeiten auch über den Klassenraum hinaus (Längsschnittstudien usw.). So werden im Rahmen von MEWS die ERater Daten mit Hilfe der Mehrebenenanalysen zu Variablen wie Unterrichtsformen, Schultypen oder Abiturquoten in
verschiedenen Ländern in Beziehung gesetzt werden. AEE ermöglicht es darüber hinaus, Lernenden zeit- und raumunabhängige
Rückmeldungen zu ihren Schreibleistungen zu geben, selbständiges Lernen zu fördern, Onlinelösungen anzubieten sowie Kurse
kostengünstiger und personalsparender aufzubauen.
ID: 164 / G 01 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Wirtschafts- und Berufspädagogik
Thematisches Cluster: Motivation und Emotion, Trainings- und Evaluationsforschung, Sonstiges
Stichworte: Lebensziele, Personenmerkmale, Testentwicklung, Ziel-Dimensionen, Studierende
Lebensziele & Persönlichkeitsmerkmale von Studierenden verschiedener Fächergruppen - Entwicklung
und Validierung eines Fragebogens
Antje Reichert
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Deutschland
Ziele motivieren und verleihen dem Handeln Struktur und Bedeutung (Pervin, 1989). Dies gilt insbesondere für Lebensziele, die
als Orientierungspunkte für die individuelle Lebensgestaltung dienen (Pöhlmann & Brunstein, 1997). Die verschiedenen
vorliegenden Verfahren zur standardisierten Erfassung von Lebenszielen weisen sehr unterschiedliche Binnenstrukturen auf,
sind teilweise schwer zugänglich und unvollständig dokumentiert. Ziel der Arbeit war daher die Entwicklung eines breit
angelegten, frei zugänglichen und vollständig dokumentierten Lebensziel-Fragebogens sowie die Gewinnung von
Validitätshinweisen für die Zielgruppe der Studierenden. Dazu wurde der Itempool bisheriger Verfahren von Grouzet et al. (2005);
Klusmann et al. (2005); Pöhlmann & Brunstein (1997); Seifert & Bergmann (1983) zusammengefasst und um den bis dato
unterrepräsentierten Aspekt der religiösen bzw. spirituellen Ziele (De Jager Meezenbroek et al., 2012) ebenso erweitert wie um
sukzessive in qualitativen Vorstudien selbst generierten Items. Es resultierte eine Fragebogen-Vorform mit insgesamt 117
Lebensziel-Items.
Dieser Itempool sollte pilotiert und darüber hinaus sollten folgende Forschungsfragen beantwortet werden:
(1) Welche Zusammenhänge zwischen den Personenmerkmalen der Studierenden und den Lebenszielen können ermittelt
werden?
(2) Welche Unterschiede in den Lebenszielen von Studierenden bestehen zwischen den Fächergruppen?
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden zwei empirische Studien durchgeführt. Die Daten wurden jeweils mittels einer
Online-Befragung erhoben, dabei wurden alle 117 Lebensziel-Items auf fünfstufigen Ratingskalen erfragt: jeder Proband wurde
aufgefordert zu bewerten, wie relevant das angegebene Ziel für ihn persönlich ist (Skala von 5 = „sehr wichtig“ bis 1 = „nicht
wichtig“). Die Akquise von Probanden erfolgte vorwiegend durch die Ansprache studentischer Selbstverwaltungen wie AStA,
StuPa, Fachschaften von 85 (Studie 1) bzw. 250 (Studie 2) deutschen Hochschulen in öffentlicher oder freier Trägerschaft aus
dem gesamten deutschen Bundesgebiet. Dementsprechend war die Teilnahme freiwillig; die Befragung erfolgte anonym.
Als Ergebnisse von Studie 1 konnte an einer Stichprobe von N = 1.011 Studierenden (Alter: M = 24.3; SD = 5.2; 30.9 % männlich,
69.1 % weiblich) eine Fragebogen-Endform zur standardisierten Erfassung der Lebensziele von Studierenden entwickelt werden,
mit der durch die Abfrage von 76 Items insgesamt zehn Lebensziel-Dimensionen erfasst werden können: (1)
Abwechslung/Hedonismus, (2) Altruismus/Gemeinschaftsgefühl, (3) Attraktivität/Beliebtheit, (4) Bindung zu Partner und Peers,
(5) Körperliche Gesundheit/Fitness, (6) Leistung/Geistige Fitness, (7) Macht/Ansehen, (8) Sicherheit, (9)
Spiritualität/Selbstannahme und (10) Wirtschaftlicher Erfolg/Wohlstand (CFI = .92, TLI = .92; RMSEA = .045, 90 % CI: .043 .046). Erste Hinweise auf die Konstruktvalidität des Fragebogens ergaben sich aus Vergleichen der Lebensziele von
Studierenden
der
drei
größten
in
der
Studie
vertretenen
Fächergruppen
(Ingenieurwissenschaften,
Medizin/Gesundheitswissenschaften und Wirtschaftswissenschaften). Innerhalb der Endform wurden die 40 geeignetsten Items
für eine Kurzform des Fragebogens identifiziert.
In Studie 2 wurde die Fragebogen-Kurzform anhand von N = 3.731 Studierenden (Alter: M = 23.7; SD = 4.3; 33.3 % männlich,
66.7 % weiblich) erprobt und validiert. Das theoretische Modell aus Studie 1 ließ sich replizieren (CFI = .95, TLI = .94; RMSEA =
.08, 90 % C.I. = .079 - .081). Es zeigten sich lediglich niedrige Zusammenhänge (r < .4) der Lebensziele mit den
Personenmerkmalen BIG FIVE (Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit),
erhoben durch International Personality Item Pool (IPIP40) nach Hartig et al. (2003). Die t-Tests für unabhängige Stichproben
ergaben insgesamt 202 signifikante Effekte bezüglich der neun Fächergruppen für die zehn Lebensziel-Dimensionen (z.B. für
Altruismus/Gemeinschaftsgefühl für Medizin/Gesundheitswissenschaften im Vergleich zu Ingenieurwissenschaften, t(1157) =
12.19, p = .00). Zu diskutieren ist der Zusammenhang mit Maßen für den (subjektiv erlebten) Studienerfolg, operationalisiert
durch die Studienzufriedenheit (Westermann et al., 1996), die wahrgenommene Passung zum Studiengang (Schmitt et al., 2008),
die Abbruchneigung (Ditton, 1998; Nagy, 2006) und die Einschätzung der Studienleistung im Vergleich zu anderen (Nagy, 2006)
sowie die inkrementelle Validität für die Lebensziele im Hinblick auf den Studienerfolg.
ID: 165 / A 15 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: Item Response Theorie, Kompetenztest, fehlende Werte, Antwortzeiten
Berücksichtigung von Antwortzeiten beim Umgang mit fehlenden Werten in Kompetenztests
Steffi Pohl1, Matthias von Davier2
1
Freie Universität Berlin, Deutschland; 2Educational Testing Service, NJ Princeton, USA
In großangelegten Bildungsstudien, wie zum Beispiel PISA oder NEPS, ist ein Ziel Kompetenzen von Teilnehmern zu erfassen.
In Daten zur Messung von Kompetenzen mit Hilfe von Tests treten jedoch häufig fehlende Werte, zum Beispiel aufgrund von
Zeitlimitationen, auf. Werden diese nicht angemessen behandelt, kann deren Auftreten zu einer verzerrten Schätzung der
Parameter für die Items (z.B. Schwierigkeiten) und Personen (Fähigkeiten) in Modellen der Item Response Theorie (IRT) führen.
Um die Angemessenheit der Verfahren beurteilen zu können, ist es wichtig den Mechanismus der fehlenden Werte zu kennen.
Um diesen zu untersuchen und zu modellieren wurden bisher hauptsächlich die Antworten auf Aufgaben und die Information
über nicht bearbeitete Aufgaben sowie Item- oder Personencharakteristika genutzt. Verschiedene Forscher haben argumentiert
und gezeigt, dass fehlende Werte aufgrund des Überspringens von Aufgaben oder des Nichterreichens des Testendes Missing
Not at Random (MNAR) und somit nicht ignorierbar sind. Neuere modellbasierte Ansätze modellieren nicht-ignorierbar fehlende
Werte, indem explizit die Tendenz zu fehlenden Werten als weitere manifeste oder latente Variable in das Modell aufgenommen
wird (Glas & Pimentel, 2008; Holmann & Glas, 2005; Rose, von Davier, & Xu, 2010). In Simulationsstudien wurde gezeigt, dass
bei größerem Ausmaß an Nicht-Ignorierbarkeit die modellbasierten Ansätze zu weniger unverzerrten Parameterschätzungen
führen als das Ignorieren der fehlenden Werte bei der Schätzung. Diese Modelle basieren auf den Antworten auf Aufgaben sowie
der Information welche Aufgaben nicht bearbeitet wurden.
Durch die Möglichkeit und die Umstellung von Papier-und-Bleistift (P&P) Tests auf computerisiertes Testen (CBA) stehen uns
weitaus mehr und detaillierte Informationen über die Testbearbeitung zur Verfügung, die uns weitere Hinweise auf den MissingMechanismus geben können. Dabei geben vor allem Antwortzeiten, die für jede Aufgabe vorliegen, Informationen über die
Zeitallokation der Personen. In der kognitiven Psychologie gibt es eine Vielzahl von Modellen zu Antwortzeiten. Diese wurden
auch bereits auf den Assessmentbereich übertragen und mit IRT-Modellen kombiniert. Sie wurden jedoch nur zur Untersuchung
der Geschwindigkeit genutzt. In diesem Forschungsprojekt nutzen wir die Antwortzeiten, um den Missing-Prozess zu untersuchen
und angemessen zu berücksichtigen. Dabei bringen wir die Forschung zu fehlenden Werten mit den Modellen zu Antwortzeiten
zusammen.
In dem Vortrag werden die Ähnlichkeiten und Unterschiede der Modelle für nicht-ignorierbar fehlende Werte für nicht erreichte
Aufgaben (Missing-Modell) mit dem hierarchischen Response-Time (RT) Modell von van der Linden (2007) dargelegt. Es wird
gezeigt, dass das Response-Time Modell detaillierte Informationen enthält als das Modell für nicht-ignorierbar fehlende Werte
und somit das Nicht-Erreichen von Aufgaben sogar genauer abbilden kann. In einer Simulationsstudie wurden die Ansätze
gegenüber gestellt. Dazu wurden Reaktionszeiten, Antworten und fehlende Werte nach dem RT-Modell generiert und mit
verschiedenen Modellen analysiert. Es zeigt sich, dass das Missing-Modell und das RT-Modell in sehr ähnlichen
Fähigkeitsschätzungen resultieren. An den Verteilungsrändern sowie in anderen Parametern des Modells zeigen sich aber auch
Unterschiede. Da das RT-Modell nicht für zeitbegrenzte Tests entwickelt und angewendet wurde, bildet dieses nicht ganz die
Daten aus zeitbegrenzten Tests ab. In weiteren Untersuchungen sollte dieses Modell diesbezüglich angepasst werden. Weitere
Forschungsfragen werden diskutiert.
ID: 166 / H 02 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung
Stichworte: Intelligenz, Selbstkonzept, standardisierte Schulleistungstests, Noten
Intelligenz und Selbstkonzept als Prädiktoren von Schulerfolg – differentielle Bedeutsamkeit für Tests
und Noten
Christin Lotz, Jörn Sparfeldt
Universität des Saarlandes, Deutschland
Bei der Vorhersage von Schulerfolg spielen neben der allgemeinen Intelligenz auch motivationale Konstrukte, wie das schulische
Selbstkonzept, eine wichtige Rolle. Bisherige Studien wiesen auf eine differentielle Bedeutsamkeit der beiden Prädiktoren
Intelligenz und Selbstkonzept in Abhängigkeit von der Methode zur Leistungserfassung (standardisierte Schulleistungstests vs.
Zeugniszensuren) hin. Die unterschiedliche Bedeutsamkeit beider Leistungsindikatoren wurde bisher jedoch kaum vergleichend
an einer Stichprobe untersucht. Standardisierte Schulleistungstests scheinen in stärkerem Maße durch die Intelligenz als durch
das Selbstkonzept beeinflusst zu sein; bei der Prädiktion von Schulnoten kommt jedoch dem Selbstkonzept eine erhöhte
Bedeutung zu. Bislang konnte diese differentielle Bedeutsamkeit der Intelligenz und des Selbstkonzepts für unterschiedliche
Leistungsindikatoren (Test vs. Note) im Fach Mathematik gezeigt werden (z.B. Steinmayr & Meißner, 2013). Ungeklärt ist
allerdings, ob sich diese Unterschiede in der relativen Bedeutsamkeit der beiden Prädiktoren auch für das Schulfach Deutsch
zeigen.
In dieser Arbeit soll daher untersucht werden, ob sich die differentielle Bedeutsamkeit der Intelligenz und des fachspezifischen
Selbstkonzepts bei der statistischen Vorhersage von unterschiedlichen Schulleistungsindikatoren (standardisierte
Schulleistungstests vs. Noten) für das Fach Mathematik replizieren lässt und ob sich dieses Muster für ein weiteres wichtiges
Schulfach, nämlich Deutsch bzw. Lesen ebenfalls zeigt.
Dafür bearbeiteten N = 496 Schülerinnen und Schüler der 10. Klassenstufe (Gymnasium) bzw. 11. Klassenstufe (Gesamtschule)
sechs Subtests des Berliner Intelligenzstruktur-Tests (Jäger, Süß, & Beauducel, 1997), einen Fragebogen zum fachspezifischen
Selbstkonzept in den Fächern Mathematik und Deutsch und einen standardisierten Schulleistungstest in entweder Mathematik
(n = 245) oder Deutsch (Leseverständnistest; n = 251). Zusätzlich wurden die Zeugniszensuren in Mathematik und Deutsch von
den Schülerinnen und Schülern erfragt. Es wurden für Mathematik und Deutsch getrennte Strukturgleichungsmodelle zur
simultanen statistischen Vorhersage des Schulleistungstestergebnis und der Zeugnisnote aus der Intelligenz und dem
fachspezifischen Selbstkonzept unter Berücksichtigung der hierarchischen Datenstruktur berechnet.
Die Ergebnisse für beide Modelle (Mathematik bzw. Deutsch) zeigten, dass sich die Bedeutsamkeit der Prädiktoren Intelligenz
und fachspezifisches Selbstkonzept in Abhängigkeit von der Methode zur Leistungserfassung unterscheidet. Im Modell für
Mathematik wird die Mathematiktestleistung bei einer Varianzaufklärung von ca. 80 % insbesondere durch die allgemeine
Intelligenz und in bedeutsam geringerem Maße durch das fachspezifische Selbstkonzept prädiziert. Die Mathematiknote wird bei
einer Varianzaufklärung von ca. 40 % jedoch in substantiell stärkerem Maße durch das fachspezifische Selbstkonzept als durch
die Intelligenz vorhergesagt. Im Modell für Deutsch zeigte sich dieses Muster ebenfalls: die Lesetestleistung wurde bei einer
Varianzaufklärung von ca. 30 % durch die Intelligenz bedeutsamer vorhergesagt als durch das fachspezifische Selbstkonzept,
die Deutschnote wurde bei einer Varianzaufklärung von ebenfalls ca. 30 % jedoch durch das fachspezifische Selbstkonzept
substantiell stärker prädiziert als durch die Intelligenz.
Die Ergebnisse werden in Bezug auf die erforderliche Differenzierung zwischen verschiedenen Leistungsindikatoren diskutiert.
Von besonderem Interesse scheint auch eine vergleichende Betrachtung der unterschiedlichen Anteile insgesamt aufgeklärter
Varianz zwischen Test und Note und über die Fächer hinweg zu sein. Abschließend wird auf pädagogische und psychologische
Implikationen dieses differentiellen Befundmusters – auch aus praktischer Perspektive – eingegangen.
ID: 167 / A 04 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Wirtschafts- und Berufspädagogik
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung, Gesundheit/ Stress/ Belastung, Motivation und Emotion
Stichworte: Selbstwirksamkeitserwartungen; Stresserleben; Herzrate; Unterricht
Einfluss von schülerseitigen Selbstwirksamkeitserwartungen auf deren Herzrate und Belastungserleben
während berufsschulischen Unterrichts
Tobias Kärner, Julia Warwas, Detlef Sembill
Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Deutschland
Das Konstrukt der Selbstwirksamkeit geht auf Bandura (1994) zurück, welcher darunter die individuelle Überzeugung bzgl. der
persönlichen Fähigkeiten versteht, bestimmte Leistungen zu erbringen, um damit bedeutsame Situationen oder Ereignisse
erfolgreich zu bewältigen. Es sind derartige Kompetenzeinschätzungen, die nach dem transaktionalen Stressmodell das konkrete
Bewältigungsverhalten und hierdurch auch das individuelle Stressniveau beeinflussen (Lazarus & Launier 1981). Dass
Selbstwirksamkeitserwartungen von Lernenden eine zentrale Ressource gegen Stress darstellen, dokumentieren bestehende
Studien, die auf Basis von Selbstauskünften überwiegend negative Korrelationen mit dem Belastungserleben in schulischen
Lern- und Leistungskontexten berichten (Vogl, 2014). Ähnliche Befunde – wenngleich eher aus dem
experimentalpsychologischen Bereich – existieren für die Herzrate als physischem Stressindikator des kardiovaskulären
Systems, die wiederum mehrheitlich auf negative Korrelationen hinweisen (z.B. Gerin et al., 1995).
Mit Blick auf Belastungsreaktionen von Lernenden, welche bislang vorrangig retrospektiv-fragebogenbasiert erfasst wurden (z.B.
Lohaus, Eschenbeck, Kohlmann & Klein-Heßling, 2006), stellt sich daher zunächst die Frage, ob psychische und physische
Belastungsreaktionen
im
laufenden,
realen
Unterrichtsgeschehen
ebenfalls
negativ
mit
individuellen
Selbstwirksamkeitserwartungen zusammenhängen. Weiterhin ist im Sinne einer postulierten Person-Situation-Interaktion (z.B.
Nezlek, 2007) zu eruieren, in welcher Beziehung Selbstwirksamkeitserwartungen (als relativ zeitstabiles Personenmerkmal) und
situationale Unterrichtsanforderungen mit dem Belastungserleben sowie der Herzrate stehen.
Der Analyse liegen Daten von 50 angehenden Industriekaufleuten aus zwei Schulklassen der 10. Jahrgangsstufe einer deutschen
Berufsschule zugrunde (17 m/33 w, Altersdurchschnitt = 19.69 (SD = 4.99) Jahre), welche über einen Zeitraum von drei Wochen
(9 x 45 Min.) im Fach “Betriebswirtschaftliche Geschäftsprozesse” untersucht wurden. Die Untersuchung wurde als
prozessbegleitendes Untersuchungsdesign konzipiert (Kärner, 2015). So wurden zunächst Schülerdispositionen in Form von
papierbasierten Fragebögen und Tests erhoben, bevor die Unterrichtsprozesse zur späteren kategorienbasierten Auswertung
videografiert wurden. Weiterhin gaben die Lernenden im Unterricht kontinuierlich Aussagen über ihr situationsspezifisches
Erleben ab (sog. Continuous-State-Sampling-Methode, vgl. Sembill, Seifried & Dreyer, 2008). In die vorliegende Analyse gingen
pro Schüler im Mittel 36 State-Messungen ein, wobei den Auswertungen insgesamt 1.819 Erlebensmessungen zugrunde liegen.
Neben den Erlebensdaten der Schüler wurde weiterhin deren kardiovaskuläre Aktivität mithilfe von Brustgurten kontinuierlich
während des Unterrichts gemessen.
Es zeigen sich erwartungskonforme negative Korrelationen zwischen Selbstwirksamkeit und Belastungserleben sowie Herzrate.
Zudem ergeben sich erwartungskonforme positive Korrelation zwischen beiden Stressindikatoren sowie erwartungskonforme
positive Korrelationen zwischen dem beobachteten Aktivierungsgrad – gemessen an schülerzentrierten Arbeitsphasen – und
beiden Stressindikatoren. Ein mittels Mehrebenenanalyse (2-Ebenen-Modell mit autoregressiver Kovarianzstruktur) gefundener
Interaktionseffekt deutet sich (wenn auch nur stichprobenspezifisch) in bedingten Regressionen an: Mit zunehmender
Schüleraktivierung steigt das Belastungserleben in Abhängigkeit der Selbstwirksamkeit unterschiedlich stark an.
Unsere Studie unterstreicht damit die generelle Schutzfunktion von Selbstwirksamkeitserwartungen gegenüber unterrichtlichen
Belastungen. Sie legt ferner nahe, dass das Stresspotential unterrichtlicher Gestaltungsmerkmale personenabhängig variiert.
ID: 168 / B 04 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Genderforschung
Stichworte: Geschlechterstereotype, gendersensible Sprache, Wissenschaft als Beruf
Gendersensible Sprache – ein Ansatzpunkt zur Reduktion bildungsrelevanter Geschlechterstereotype?
Marlene Kollmayer, Franziska Kurka, Barbara Schober
Universität Wien, Österreich
Obwohl Frauen und Männer in unserer Gesellschaft formal die gleichen Bildungschancen haben, zeigen sich noch immer
geschlechtsspezifische Unterschiede in Bildungs- und Berufskarrieren: Frauen arbeiten in Berufen mit niedrigerem Status (=
vertikale Segregation) und in thematisch anderen Berufsfeldern (= horizontale Segregation) als Männer. Für die Erklärung dieses
Phänomens werden Geschlechterstereotype als sehr relevant angesehen, da sie die Bildungskarrieren von Frauen und Männern
massiv beeinflussen (Jöstl, Kollmayer, Finsterwald, Schober & Spiel, 2015). Geschlechterstereotype führen offenbar dazu, dass
Frauen in bestimmten Domänen weniger mitgedacht werden als Männer. Ein Beispiel sind Geschlechterstereotype im Feld der
Wissenschaft, das traditionell männlich konnotiert ist (Nosek et al., 2009): Es wird angenommen, dass Männer besser für den
Beruf des Wissenschaftlers geeignet sind bzw. dass erfolgreiche WissenschaftlerInnen Männer sein müssen (Van den Brink &
Benschop, 2012), was die beruflichen Aspirationen von Frauen und Männern in diesem Feld beeinflusst (Lane, Goh & DriverLinn, 2011). Zahlreiche psychologische Studien haben gezeigt, dass auch die Verwendung verschiedener Sprachformen das
„Mitdenken“ von Frauen beeinflusst; die Verwendung des generischen Maskulinums führt zu einem maskulinen Bias im Denken,
der durch gendersensible Ersetzungsvarianten reduziert werden kann (Irmen & Linner, 2005).
Bisher gibt es allerdings keine Erkenntnisse darüber, inwiefern beide Einflussfaktoren auf das „Mitdenken von Frauen“
miteinander in Verbindung stehen. Konkret stellt sich der vorliegende Beitrag daher die Frage: Kann die Salienz von
Geschlechterstereotypen in männlich konnotierten Kontexten durch die Verwendung gendersensibler Ersetzungsvarianten in
Texten reduziert werden?
Es wurden zwei experimentelle Studien durchgeführt, in denen versucht wurde, die Salienz wissenschaftsbezogener
Geschlechterstereotype durch die Verwendung unterschiedlicher Sprachformen zu manipulieren. Anliegen der zwei
aufeinanderfolgenden Studien war die Replikation des angenommenen Effekts mit unterschiedlichen Indikatoren für
Geschlechterstereotype. Dies schien insofern nötig, als die valide Erfassung von Genderstereotypen derzeit intensiv diskutiert
wird (Eckes, 2008).
Den TeilnehmerInnen (N1=391, N2=114) wurde zunächst randomisiert ein Stimulus-Text entweder im generischen Maskulinum
oder in gendersensibler Sprache (Versalien-I) vorgegeben. Danach kam in Studie 1 das Koryphäen-Problem (Stöger, Ziegler &
David, 2004) und in Studie 2 der Draw-a-scientist-Test (Chambers, 1983) zur Erfassung der Salienz wissenschaftsbezogener
Geschlechterstereotypen zum Einsatz. Das Koryphäen-Problem ist ein Rätsel, für dessen Lösung es notwendig ist das männliche
Stereotyp einer Koryphäe zu revidieren. Daher wurde untersucht, ob Personen, die vor der Bearbeitung des Rätsels einen Text
in gendersensibler Sprache gelesen hatten, das Koryphäen-Problem häufiger lösen können als Personen, die vor dem Rätsel
den inhaltlich gleichen Text im generischen Maskulinum gelesen hatten. Beim Draw-a-scientist-Test werden die TeilnehmerInnen
aufgefordert, eine Person zu zeichnen, die in der Wissenschaft tätig ist. Hierbei wird untersucht, ob das Lesen eines Textes in
gendersensibler Sprache vor der Bearbeitung dazu führt, dass weniger stereotyp männliche WissenschaftlerInnen gezeichnet
werden.
Die bisher vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass das Lesen eines Textes in gendersensibler Sprache vor der Bearbeitung des
Koryphäen-Problems zu signifikant höheren Lösungshäufigkeiten führt (χ2(1)=4.747; p=.029), wobei dieser Effekt bei
geschlechterdifferenzierter Betrachtung nur bei Frauen (χ2(1)=4.002; p=.045), nicht aber bei Männern (χ2(1)=.893; p=.345) zu
beobachten ist (Studie 1; die qualitativen Auswertungen der Ergebnisse aus Studie 2 werden zum Zeitpunkt der Tagung
vorliegen).
Die vorläufigen Ergebnisse sprechen dafür, dass die Verwendung gendersensibler Sprachformen zumindest bei Frauen zur
Reduktion der Salienz von Geschlechterstereotypen in männlich konnotierten Domänen beitragen könnte. Daher sollte in der
Berufsberatung von Schülerinnen wie auch in Ausschreibungen darauf geachtet werden, gendersensible Sprachformen zu
verwenden, um männlich konnotierte Domänen auch für Frauen attraktiv zu machen.
ID: 169 / A 13 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lehrer(aus)bildung, Lehrerexpertise
Stichworte: Kompetenzmessung, lesedidaktisches Wissen, Vignettentest
Entwicklung eines Testinstruments zur Erfassung des lesedidaktischen Wissens angehender Lehrkräfte
Juliane Rutsch, Markus Schmitt, Tobias Dörfler
Pädagogische Hochschule Heidelberg, Deutschland
Vergleichsweise viele Kinder und Jugendliche in Deutschland weisen eine eingeschränkte Lesekompetenz auf (Bos, Tarelli,
Bremerich-Vos, & Schwippert, 2012). Daher gewinnt die systematische Vermittlung von lesedidaktisch gesicherten
Vorgehensweisen zur Verbesserung des sinnentnehmenden Lesens eine zunehmend stärkere Bedeutung im schulischen
Unterricht (Artelt & Dörfler, 2010). Neben der gezielten Leseförderung von Schülerinnen und Schülern (Rosebrock & Nix, 2014)
erscheint es überdies sinnvoll, angehende Lehrpersonen hinsichtlich ihres lesedidaktischen Wissens zu untersuchen und zu
fördern. Zu Struktur und Entwicklung des lesedidaktischen Wissens und Könnens von angehenden Lehrpersonen liegen bisher
keine empirisch gesicherten Befunde vor.
Das Ziel dieser Studie ist daher, ein Testinstrument zur Erfassung des lesedidaktischen Wissens von Lehramtsstudierenden zu
entwickeln und zu validieren. Zentrale Forschungsfragen sind dabei die Überprüfung der Datenstruktur sowie psychometrischer
Testgütekriterien.
Ein weiteres Projektanliegen ist die Einbettung des lesedidaktischen Wissens in den breiteren Kontext der professionellen
Kompetenz von (Deutsch-)Lehrkräften (Baumert & Kunter, 2006; Voss, Kunina-Habenicht, Hoehne, & Kunter, 2015). Das
Konzept der professionellen Kompetenz geht von einem Bündel – zum Teil in der Lehramtsausbildung erwerbbarer – kognitiver
und nicht-kognitiver Eigenschaften der Lehrperson aus, das erfolgreiches Lehrerhandeln begründet. Deshalb werden neben dem
hier entwickelten Testinstrument Skalen zu Motivation und Überzeugungen von Lehrkräften eingesetzt.
Zu Beginn der Testentwicklung wurde aus der lesedidaktischen und kognitionspsychologischen Forschung ein
zweidimensionales theoretisches Modell des lesedidaktischen Wissens abgeleitet. Auf dessen Grundlage wurden komplexe
Testaufgaben (sog. Vignetten) entwickelt. Jede Vignette besteht aus der Beschreibung einer Unterrichtssituation, zu der mehrere
Handlungsalternativen (Items) einer Lehrkraft präsentiert werden. Diese Items sollen von Studierenden auf einer sechsstufigen
Likert-Skala hinsichtlich der fachdidaktischen Angemessenheit bewertet werden. Verschiedene Autoren haben gezeigt, dass sich
dieses Testformat zur Erfassung professioneller Wissensinhalte von Lehramtsstudierenden eignet (Baer et al., 2007, Depaepe,
Verschaffel, & Kelchtermans, 2013; Voss, Kunter, & Baumert, 2011).
Im Rahmen der Hauptstudie wurden Deutsch-Studierende (N = 581) sowie Kontrollgruppen (fachfremdes Lehramt, Germanistik,
Psychologie; N = 147) aller Semester befragt. Dabei wurden 12 Vignetten sowie Skalen zur Berufswahlmotivation (Pohlmann &
Möller, 2010), zum berufsbezogenem Selbstkonzept (Retelsdorf, Bauer, Gebauer, Kauper, & Möller, 2014) und zu
lesedidaktischen Überzeugungen (Behrmann & Souvignier, 2013) mit dem Ziel der Testvalidierung eingesetzt.
Bei der Datenanalyse wurde berücksichtigt, dass es sich bei dem vorliegenden Testformat um ein sog. Testlet-Design handelt
(Bühner, 2011; Wainer & Kiely, 1987). Da sich immer mehrere Items auf eine Vignette beziehen, sind diese statistisch und
inhaltlich voneinander abhängig (sog. Itemcluster). Daher wurde für jede Vignette ein Summenscore aus den Items gebildet, die
dann in die weiteren Analysen eingingen (sog. score-basierter Ansatz; u.a. Cook, Dodd, & Fitzpatrick, 1999).
Die Analysen zur Datenstruktur mit Mplus (Muthén & Muthén, 2012) bestätigen die postulierte zweidimensionale Struktur des
lesedidaktischen Wissens (χ² (19, N = 581) = 21.15; p = 0.33; CFI = 0.97; RMSEA = 0.02; SRMR = 0.03). Des Weiteren sind
Hinweise auf die Validität des Testinstruments gegeben: Die Deutschstudierenden weisen einen signifikant höheren Testscore
als die Germanistikstudierenden und die Studierenden anderer Lehrämter auf (alle ps ≤ 0.05). Dieses Ergebnis deutet darauf hin,
dass das Testinstrument spezielle lesedidaktische Wissensinhalte erfasst. Weiterhin zeigt sich für die
Sekundarstufenstudierenden ein Zusammenhang des Testscores mit der Semesteranzahl (r = 0.19, p ≤ 0.05). Dieser Effekt war
anzunehmen, da das lesedidaktische Wissen über das Studium hinweg ansteigen sollte. Weiterhin können die lesedidaktische
Überzeugung sowie die Berufswahlmotivation den Testscore signifikant vorhersagen (alle ps ≤ 0.05). Es zeigt sich also ein
erwarteter Zusammenhang zwischen dem lesedidaktischen Wissen und den untersuchten Konstrukten.
Im weiteren Verlauf der Studie sollen diese Ergebnisse durch einen Längsschnitt ergänzt und präzisiert werden.
ID: 173 / A 15 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Vorschulische Bildung
Stichworte: Frühpädagogische Fachkräfte, Selbstbildung, Instruktion, pädagogische Orientierungen
Wie werden Kinder im Kindergarten am besten gefördert? Förderorientierungen von frühpädagogischen
Fachkräften im Spannungsfeld zwischen Selbstbildung und Instruktion
Thilo Schmidt1, Wilfried Smidt2
1
Universität Koblenz-Landau, Deutschland; 2Universität Innsbruck, Österreich
Theoretischer Hintergrund
Über das Spannungsverhältnis zwischen der „Selbstbildung“ von Kindern in Kindertageseinrichtungen und ihrer Instruktion in
Form gezielter Anleitung wird in der Frühpädagogik kontrovers diskutiert. Befürworter des Selbstbildungsansatzes betonen die
Eigenaktivität und die (Re-)Konstruktionsprozesse von Kindern in den ersten Lebensjahren. Nach ihrem Standpunkt bilden sich
Kinder durch die selbsttätige Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt. Fachkräfte und Eltern strukturieren ihnen hierfür in erster
Linie den Rahmen vor (Merkel, 2013; Schäfer, 2011). Demgegenüber stellen die Befürworter gezielter frühpädagogischer
Instruktionen insbesondere das (kompensatorische) Förderpotenzial junger Kinder heraus. Dabei berufen sie sich auf empirische
Studien, welche die Effektivität bestimmter Förderprogramme aufzeigen (z.B. Jäger et al., 2012; Schneider, 2012).
Weitgehend unerforscht ist bisher, wie sich frühpädagogische Fachkräfte (Erzieherinnen und Kindheitspädagoginnen) bezogen
auf dieses Spannungsfeld positionieren und ob ihre Orientierungen – wie theoretische Rahmenmodelle nahelegen (Kunter,
Kleickmann, Klusmann & Richter, 2013) – von bestimmten individuellen und kontextuellen Merkmalen beeinflusst werden. Dies
erstaunt vor dem Hintergrund, dass die Förderorientierungen der Fachkräfte sowohl ihre Wahrnehmung und Deutung von
pädagogisch-praktischen Erfahrungen als auch ihr pädagogisches Handeln beeinflussen können. Dies ist durch empirische
Studien belegt, auch wenn die Forschungslage nicht durchgängig konsistent ist (z. B. Smidt, 2012). Verschiedene
Untersuchungen zeigen insbesondere, dass pädagogische Orientierungen von Fachkräften die pädagogische
Interaktionsqualität in Kindertageseinrichtungen beeinflussen (z. B. Kluczniok, Anders & Ebert, 2011; Pianta et al., 2005). In
Modellen zur Qualitätsentwicklung in Kindertageseinrichtungen werden pädagogische Orientierungen darüber hinaus häufig als
Variable betrachtet, die über das Interaktionsverhalten der Fachkräfte im Umgang mit Kindern indirekt auch Auswirkungen auf
die Kompetenzentwicklung von Kindern hat (Anders, 2013; Mischo & Fröhlich-Gildhoff, 2011).
Fragestellung
Untersucht wird, welche pädagogischen Orientierungen zur Förderung von Kindern im Kindergarten frühpädagogische
Fachkräfte im Spannungsfeld zwischen Selbstbildung und Instruktion haben und inwieweit diese Orientierungen von individuellen
und kontextuellen Merkmalen beeinflusst werden.
Konkret werden folgende Forschungsfragen gestellt:
• Lassen sich Typen von Fachkräften mit selbstbildungsbezogenen und/oder instruktionsbezogenen Förderorientierungen
empirisch identifizieren?
• Welchen Einfluss haben individuelle und kontextuelle Merkmale auf die pädagogischen Orientierungen der frühpädagogischen
Fachkräfte?
Methode
Stichprobe
Die Daten des Beitrags wurden im Rahmen des vom BMBF geförderten Forschungsprojekts ÜFA (Übergang von fachschul- und
hochschulausgebildeten pädagogischen Fachkräften in den Arbeits-markt), einer bundesweit durchgeführten Studie zur
beruflichen Einmündung und Platzierung (früh-)pädagogischer Fachkräfte, erhoben. Die Auswertung berücksichtigt sämtliche
Befragungsteilnehmerinnen, die sich im Herbst 2013 an der Studie beteiligten. Der Stichprobenumfang um-fasst n = 1.075
(Nettostichprobe), was einer Rücklaufquote von 35 Prozent aller Befragten entspricht.
Statistische Auswertung
Zur Untersuchung der ersten Forschungsfrage, ob Typen von pädagogischen Fachkräften hinsichtlich selbstbildungsbezogenen
und/oder instruktionsbezogenen Förderorientierungen empirisch identifiziert werden können, wurden mit Mplus Latente ProfilAnalysen (LPA, Hagenaars & McCutcheon, 2002) gerechnet. Mit LPAs ist möglich, latente Profile von pädagogischen Fachkräften
in Bezug auf die Ausprägung von Förderorientierungen zu identifizieren. Die Förderorientierungen gingen auf Ebene der
Einzelitems in die Analysen ein. Zur Beantwortung der zweiten Forschungsfrage wurden im Anschluss an die LPAs binärlogistische Regressionen gerechnet um den Einfluss der Prädiktorvariablen auf die Wahrscheinlichkeit der Zugehörigkeit zu den
Profilen zu untersuchen. Als statistische Gütekriterien für die Anzahl der latenten Profile wurden Akaike’s Information Criterion
(AIC; Akaike, 1974), das Bayesian Information Criterion (BIC; Schwartz, 1978) und Entropy (Jedidi, Ramaswamy, & Descarbo,
1993) gewählt. Neben statistischen Kriterien wurden zudem Überlegungen zur theoretischen Interpretierbarkeit der Ergebnisse
herangezogen (Flaherty & Kiff, 2012).
Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigen, dass sich mit den Latenten Profilanalysen zwei Gruppen von Fachkräften identifizieren lassen, die den
Profilen „ausgeprägte Selbstbildung“ (n = 333 bis 334, itemabhängig) und „moderate Selbstbildung und Instruktion“ (n = 292 bis
293, itemabhängig) zugeordnet werden können. Mit dem Migrationshintergrund, dem Ausbildungsabschluss, dem Arbeitsfeld
und bestimmten Persönlichkeitseigenschaften (Big Five) der frühpädagogischen Fachkräfte können signifikante individuelle und
kontextuelle Prädiktoren für die Profilzugehörigkeit identifiziert werden (für detaillierte Ergebnisse vgl. Schmidt & Smidt, in Druck).
ID: 174 / B 04 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Schulentwicklung
Stichworte: Lange Wellen, Bildungsbeteiligung, Generation, Qualifikationskrisen, Ausdifferenzierung
Lange Wellen in der Entwicklung des Bildungssystems
Corinna Maria Dartenne
Leuphana Universität Lüneburg, Deutschland
Die Geschichte des Bildungssystems ist eine Geschichte der Modernisierung. Ca. 1800 begann eine Verschiebung von einer
Auslese, die durch den Geburtsstand geprägt waren, zu einer modernen Bildungsselektion, wie wir sie heute alle kennen. Es ist
die Entwicklung von einer Elitekultur zu einer Massenkultur. Diesen Prozess durchleuchten die empirisch-historisch arbeitenden
Bildungsforscher_innen mit langfristigen Indikatoren bzw. anhand amtlicher Statistiken der letzten 200 Jahren.
Die langen Zeitreihen zeigen Ergebnisse von Bildungsentscheidungen von Millionen Menschen. Bei der Analyse der Daten, die
für alle Länder des Deutschen Reiches in den Archiven der Universitäten und Statistischen Landesämter recherchiert wurden,
werden nicht intendierte Folgen intentionalen Handelns sichtbar, von denen drei hier erwähnt werden sollen, weil sie
erwartungswidrige Bildungs(miss-)erfolge aufzeigen:
1. Die gemeinsame Bildungsgeschichte der Menschen folgt einem verblüffend regelmäßigen Muster, das man nur bei einem
Zeithorizont von mehreren Generationen erkennen kann. Seit dem Übergang von der ständischen Selektion zur
Bildungsselektion, seit der funktionalen Verkoppelung von höherer Schule und Universität über das Abitur um 1800 werden bis
zur Gegenwart vier verhältnismäßig lang anhaltende Wachstumsschübe der relativen Beteiligung an den berechtigenden
höheren Schulen bzw. den wissenschaftlichen Hochschulen festgestellt, denen jeweils ausgedehnte Stagnationsphasen folgen
(vgl. Nath 2001, Dartenne 2006). Es sind die so genannten Langen Wellen in der Entwicklung des Bildungswachstums.
Die heranwachsenden Personen, die in einer bestimmten Zeit gemeinsame Erfahrungen in dem sich in Wellen immer weiter
differenzierenden Bildungssystem machen, verstehen wir als Schüler- oder Studierendengeneration und lehnen uns dabei an die
Definition von Generation von Karl Mannheim (1928) an.
Die Schülergeneration X macht in einer Wellenphase der Stagnation des Bildungssystems ganz andere Erfahrungen als die
Generation Y nach ihr in einer Wellenphase des Ausbaus des Bildungssystems (vgl. Nath 2004). D.h. losgelöst von der
individuellen Anstrengung hat die Generation X nicht die gleiche Chance wie die Generation Y. Es kommt für die Generation X
zu erwartungswidrigem Bildungsmisserfolg und für die Generation Y zu erwartungswidrigem Bildungserfolg.
2. Noch ein anderer langfristig nachgezeichneter Indikator erlaubt einen Rückschluss auf erwartungswidrigen Bildungsmisserfolg:
In allen Ländern des Deutschen Reiches (Daten bis 1945) liegt die relative Schülerbeteiligung der Jungen an den Hilfsschulen
stets höher als die der Mädchen, egal auf welchem Niveau. Die Entwicklung des Volksschulwesens und damit die
Ausdifferenzierung des Hilfsschulwesens verliefen – jenseits aller Beteuerungen der Beteiligten, die sich als Förderer der Schüler
sahen – zulasten der männlichen Klientel (vgl. Titze/Dartenne 2010). Mit einer wachsenden Quote an Hilfsschülern entledigte
sich das Volksschulwesen der Aufgabe, mit schwierigen Schülern umgehen zu müssen. Die empirischen Daten zur Entwicklung
des Hilfsschulwesens zeigen damit – überspitzt formuliert –, dass die Schule „weiblich“ ist.
3. Erwartungswidriger Bildungserfolg zeigt sich nicht zuletzt auch in der graphisch darstellbaren "Überholspur" der Schülerinnen
und Studentinnen seit den 1970er Jahren. Die relative Schülerinnenbeteiligung an höheren Schulen übersteigt seit Mitte der 1970
Jahre bis heute die relative Schülerbeteiligung (vgl. u.a. Nath 2001). Das wäre für Akteure im Bildungssystem zu Beginn des 19.
Jahrhunderts ein undenkbarer Bildungserfolg gewesen.
Das Forschungsinteresse der empirisch-historisch arbeitenden Bildungsforscher_innen gilt der langen systemtheoretisch
orientierten Perspektive als Hintergrund einer adäquaten Beurteilung gegenwärtiger Prozesse im Bildungssystem. Dabei wird
nicht nach der Entwicklung von Deutungsmustern gefragt. Stattdessen wird die Entwicklung des Bildungssystems anhand von
empirischen Zeitreihen nachvollzogen. Die Schüler- und Studierendenzahlen werden mit Hilfe der Bevölkerungsstatistiken auf
die jeweilige Alterskohorte relativiert. Sowohl der Trend als auch die Zyklen werden graphisch dargestellt und teils durch jährliche
Wachstumsraten mit gleitenden Durchschnitten verdeutlicht. Die einzelnen Graphiken zeigen, dass der Erfolg, den die/der
Einzelne iherer/seiner Leistungsfähigkeit in der Lebensspanne zuschreibt, zu einem Teil auch einer bestimmten Phase der
Entwicklung im Bildungssystem geschuldet ist.
ID: 175 / A 03 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Fremdsprachenunterricht
Stichworte: French Immersion, Schulleistung, kognitive Fähigkeiten, Meta-Analyse
Immersionsunterricht und schulische Leistungen: Eine Drei-Ebenen-Meta-Analyse
Jennifer Deventer1, Nils Machts2, Jens Möller2
1
Leibniz Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, Deutschland; 2Christian Albrechts Universität zu
Kiel - Pädagogische Psychologie
Immersionsunterricht ist eine spezielle Form des Fremdsprachenerwerbs mit dem Ziel ein funktionales Kompetenzlevel in der
Zweitsprache (L2), sowie eine normale Leistungsentwicklung in anderen akademischen Fächern zu erreichen. Kernmerkmal ist,
dass der Unterricht in einer Zweitsprache (L2) erfolgt, während das reguläre Curriculum beibehalten wird (Genesee, 2005).
Diese Meta-Analyse konzentriert sich auf French Immersion (Johnson & Swain, 1997). Die aktuelle Literatur berichtet für
Immersionsschüler im Vergleich zu konventionell unterrichteten Kindern überwiegend positive Ergebnisse bezüglich des L2Erwerbs, mindestens gleichwertige Leistung in der L1 und stärkere Leistungen in Mathematik. Dennoch gibt es Bedenken
hinsichtlich des Programmerfolgs, da vereinzelt defizitäre Entwicklungen beobachtet werden (z. B. Marsh, Hau & Kong, 2002).
Deshalb ist es Ziel dieser Meta-Analyse (a) einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zu geben, (b) zu
untersuchen, ob French Immersion tatsächlich zu einer verbesserten L2 Leistung bei mindestens gleich bleibender Leistung in
der L1, Mathe und den Naturwissenschaften im Vergleich zu konventionellem Unterricht führt und (c) spezifische, diese Effekte
moderierende Programm-, Stichproben-, Studien- und Testcharakteristika zu identifizieren. Beispielsweise gehen wir der Frage
nach, ob (d) Kinder in French Immersion-Programmen tatsächlich höhere kognitive Fähigkeiten aufweisen und somit
Selektionseffekte die Effekte in akademischen Domänen auflösen.
Die Literaturrecherche erfolgte systematisch in gängigen Onlinedatenbanken mit anschließenden Cross-Reference-Checks.
Eingeschlossene Studien erfüllten folgende Kriterien: Leistungsvergleich zwischen konventionell und immersiv unterrichteten
Schulkindern (Kindergarten bis Klasse 13), die L1 der Probanden ist die Majoritätssprache des Landes, Existenz einer echten
Kontrollgruppe, ausreichend quantitative Informationen zur Berechnung von Cohen’s d. Relevante Studien wurden von fünf
geschulten Ratern unabhängig kodiert und vom Erstautor überprüft. Neben der Leistungserfassung wurden eine Reihe von
Studien-, Stichproben-, Test- und Programmcharakteristika erhoben z. B. Land, Klassenstufe, Grad der Teststandardisierung,
Programmbeginn, Immersionsanteil etc. Um der Abhängigkeit mehrerer Effektstärken Rechnung zu tragen, erfolgte die
Auswertung mit dem meta-analytischen Drei-Ebenen-Ansatz von Cheung (2014).
Die Analyse von 669 Effektstärken aus 40 Studien zeigte einen mittleren Effekt von d = .42. Der Leistungsunterschied zwischen
den Gruppen war in der L2 (d = 1.36) signifikant höher und in der Mathematik (d = .27) signifikant geringer als in der
Intelligenztestleistung (d = .45). Der Effekt für die L1 lag bei d = .32 und für die naturwissenschaftlichen Fertigkeiten bei d = .40.
Moderatoranalysen zeigten bspw., dass Programmbeginn im Kindergarten förderlich für die L1- und L2- Kompetenzen ist, dass
Alphabetisierung in der Fremdsprache die L2-Leistung fördert und keinen Einfluss auf die L1- und die Mathematikleistung hat
und dass Vollimmersion zu höheren L2-Leistungen führt als Teilimmersion.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass Immersionsunterricht zu verbesserten L2 Fertigkeiten, bei normaler Leistungsentwicklung
in anderen akademischen Fächern, führt und der Effekt von verschiedenen Programmcharakteristika moderiert wird. Die
Intelligenzleistung ist bei Immersionsschülern höher, jedoch ist eine Betrachtung des Leistungszuwachses über die Zeit
notwendig, um die Frage nach der Ursache (Eingangsvoraussetzung vs. Programmeffekt) final zu beantworten.
ID: 177 / G 17 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: Automatisches Kodieren, Automatisches Benoten, Cluster, Kodierrichtlinien, Ankerbeispiele
Können mithilfe automatischer Kodierung die Kodierrichtlinien für Kurztextantworten verbessert
werden?
Fabian Zehner1,3, Frank Goldhammer2,3, Christine Sälzer1,3
1
Technische Universität München; 2Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF); 3Zentrum für
Internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) e.V.
Um Kurztextantworten in Erhebungen objektiv und konsistent auszuwerten, werden zumeist Kodierrichtlinien eingesetzt. An
diesen orientieren sich menschliche Beurteiler, um eine Antwort einer Kategorie zuzuordnen (etwa richtig oder falsch).
Kodierrichtlinien enthalten prototypische Antworten der jeweiligen Kodierung, die sogenannten Ankerbeispiele. Diese werden
häufig in kleineren, empirischen Vorstudien gesammelt oder von den Itementwicklern auf Basis eigener Expertise
zusammengestellt. Dennoch kommt es vor, dass sich Kodierer gelegentlich mit Antworten konfrontiert sehen, die von den
Kodierrichtlinien nicht optimal abgedeckt werden und somit die Objektivität der Auswertung reduziert ist. Technologische
Fortschritte ermöglichen es inzwischen, diesen Auswertungsschritt dem Computer zu übertragen und somit die menschliche
Kodierung zu unterstützen oder offenes Antwortformat in neuen Szenarien einzusetzen, etwa in interaktiven tutoriellen
Lernsystemen (Graesser, Li & Forsyth, 2014). Die vorliegende Studie beschreibt und evaluiert ein neues Konzept, wie
Kodierrichtlinien für Kurztextantworten automatisch erstellt oder bestehende automatisch verbessert und empirisch validiert
werden können. Dabei wird die Softwareumsetzung eines jüngst vorgestellten automatischen Kodieransatzes verwendet
(Zehner, Sälzer & Goldhammer, 2015), der in empirischen Kurztextantworten gruppierbare Antworttypen identifiziert. Für die
automatische Kodierung müssen den Antworttypen anschließend nur noch von den Itementwicklern Kodierungen zugeordnet
werden, womit neue Antworten gleichen Typs automatisch kodierbar werden. Gleichzeitig ermöglicht das vorgestellte Konzept,
das Training der Software mit bestehenden Kodierrichtlinien zu beginnen und den dafür benötigten manuellen Kodieraufwand
erheblich zu reduzieren (analog zu aktuellen Forschungsbestreben: vgl. Dronen, Foltz & Habermehl, 2014; Ramachandran &
Foltz, 2015; Zesch, Heilman & Cahill, 2015).
Fragestellungen. Davon ausgehend widmet sich diese Studie drei Fragestellungen: (1) Wie gut decken Ankerbeispiele in
bewährten Kodierrichtlinien empirische Antworten ab? (2) Welche empirischen Antworten können als neue Ankerbeispiele
dienen? (3) Wie gut funktioniert das automatische System mit dem reduzierten Kodieraufwand? Die Präsentation fokussiert die
erste Fragestellung.
Methode. Die eingesetzte Software zur automatischen Kodierung folgt mehreren Schritten. Zunächst übersetzt sie die Semantik
der Schülerantworten in numerische Vektoren mithilfe von Technologien der natürlichen Sprachverarbeitung, primär der Latenten
Semantischen Analyse (Deerwester, Dumais, Furnas & Landauer, 1990). Diese werden dann mittels hierarchischer
Clusteranalyse zu Typen gruppiert. Die nun vorgeschlagene Erweiterung sieht vor, analog die Ankerbeispiele zu semantischen
Vektoren zu verarbeiten und den Antworttypen zuzuordnen. Antworttypen, denen kein Ankerbeispiel zugeordnet wurde, werden
nicht durch die Kodierrichtlinien abgedeckt und eine der Schülerantworten muss der Kodierrichtlinie als neues Ankerbeispiel
hinzugefügt werden (im Folgenden Konflikt I). Ankerbeispiele, deren Vektor untypischer als 95 Prozent der Antworten innerhalb
des ähnlichsten Typen ist, werden ausgeschlossen, da sie Antworten repräsentieren, die nicht in der Empirie vorkommen (Konflikt
II). Antworttypen, denen widersprüchliche (etwa richtige und falsche) Ankerbeispiele zugeordnet sind (Konflikt III), weisen auf
ungenügende automatische Kodierung hin und können eine höhere Clusteranzahl erfordern.
Daten. Die Studie untersucht die Fragestellungen an Daten und etablierten Kodierrichtlinien aus dem Programme for International
Student Assessment (PISA) 2012 (OECD, 2014; Prenzel, Sälzer, Klieme & Köller, 2013). Insgesamt wurden n = 41.990 Antworten
deutscher Schülerinnen und Schüler auf zehn dichotomen Items in den Analysen verwendet (8 Leseitems, 1 Mathematik- und 1
Naturwissenschaftsitem).
Ergebnisse. Analysen zur ersten Fragestellung zeigten, dass der Anteil von Antworttypen, die durch kein Ankerbeispiel in den
Kodierrichtlinien abgedeckt waren, im Durchschnitt mit 72 Prozent sehr hoch lag (Konflikt I). Im Mittel konnten 21 Prozent der
bestehenden Ankerbeispiele keinem empirischen Typen zugeordnet werden (Konflikt II). Die automatische Kodierung war gemäß
Konflikt III selten unzureichend (6 %). Aus den Ergebnissen folgt, dass einige Ankerbeispiele in den etablierten Kodierrichtlinien
entfernt werden könnten, während viele neue hinzugefügt werden müssten, um alle empirisch auftretenden Antworttypen
abzudecken. Die Analysen zu den weiteren Fragestellungen zeigten außerdem empirische Evidenz, dass zentroidnahe
Antworten als prototypisch den Kodierrichtlinien hinzugefügt werden können, und dass mit dem neuen Ansatz ab etwa 100
Clustern eine stabile Performanz erreicht wird. Dieser Ansatz zur Optimierung von Kodierrichtlinien wird abschließend diskutiert.
ID: 178 / A 04 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung, Hochschulbildung
Stichworte: Hochschulforschung, Nachwuchsförderung, Postdoc-Phase, Wissenschaft als Lebensform
Von nichts, kommt nichts? – Typen von Postdocs in der „Förderlandschaft“ deutscher
Wissenschaftsorganisationen
Svea Korff
Universität Hildesheim, Deutschland
Der vorliegende Beitrag rückt die „Postdoc-Phase“ sowie die damit einhergehenden Arbeits- und Qualifizierungsbedingungen in
Wissenschaftsorganisationen in den Fokus, wobei insbesondere die dort potentiell vorhandenen „Förderlandschaften“ analysiert
werden sollen.
Anders als vom Wissenschaftsrat oder der DFG dargestellt, wird die Postdoc-Phase nicht unbedingt immer als „in sich
differenziert“ wahrgenommen, sondern häufig auf Grund ihrer relativen Offenheit bzw. Unstrukturiertheit gemeinhin auch als
allgemeine, ganzheitliche Übergangsphase (vgl. Burkhardt 2008, S. 223), Zwischenphase (vgl. Wissenschaftsrat 2001, S. 82)
oder Orientierungs- und Entscheidungsphase (vgl. BuWin 2013, S. 253) betitelt. Warum die Postdoc-Phase keine ganzheitliche
Übergangsphase ist, sondern sich vielmehr in Anlehnung an die Definition des Wissenschaftsrats bzw. der DFG aus mehreren
verschiedenen Phasen zusammensetzt, die durch spezifische Übergänge gekennzeichnet sein können, soll in dem vorliegenden
Beitrag genauer dargestellt und empirisch untersucht werden. Des Weiteren soll die in den Wissenschaftsorganisationen
potentiell vorhandene „Förderlandschaft“ bzw. deren Nutzung durch die Postdocs genauer analysiert werden
(Böhringer/Gundlach/Korff 2014; Korff/Gundlach 2015).
Da bisher kaum empirische Erkenntnisse über die Postdoc-Phase vorliegen, wird in diesem Beitrag das Augenmerk auf jene
Promovierten gerichtet, die sich in dieser Phase befinden und in diesem Zusammenhang der Frage nachgegangen, welche
Typen von Postdocs sich unter Anwendung quantitativ-empirischer Analysemethoden ausmachen lassen, um ggf. darüber eine
bessere Einordnung bzw. Definition dieses Karriereabschnitts zu ermöglichen. Insbesondere steht hierbei der noch unklare
Zeitaspekt bzw. die potentielle Untergliederung der Postdoc-Phase in verschiedene Teilabschnitte (gegenüber der Annahme
einer recht einheitlichen Orientierungsphase) im Fokus des Interesses. Vor diesem Hintergrund wurden im Rahmen der
weiterführenden Auswertungen Clusteranalysen durchgeführt, um unterschiedliche Merkmale zur Typenbildung von Postdocs
gleichzeitig betrachten zu können.
Forschungsleitend sind dabei die Fragen: Welche Typen von Postdocs gibt es? Wie korrespondieren diese Typen mit einzelnen
Abschnitten der Postdoc-Phase? Welche Förderung wird von den Postdoc-Typen genutzt und wer bleibt von den Angeboten
ausgeschlossen? Die Datengrundlage für diesen Beitrag bildet eine bundesweite und fächerübergreifende standardisierte OnlineBefragung von 539 Postdocs, die im Rahmen eines BMBF geförderten Forschungsvorhabens zur „Chancengleichheit in der
Postdoc-Phase in Deutschland“ durchgeführt wurde.
Anhand der Clusteranalysen kristallisierten sich vier Postdoc-Typen heraus: Einsteiger, potenzielle Aussteiger, Fortgeschrittene
und Etablierte. Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Verweildauer, ihrer Tätigkeit, ihrer Motivation und ihrer Akzeptanz bzgl.
des Konzepts „Wissenschaft als Lebensform“ sowie ihres Nutzungsverhaltens von Förderprogrammen.
Unter Rekurs auf die „Förderlandschaft“ deutscher Wissenschaftsorganisationen zeigen die Ergebnisse, dass „Einsteiger“ andere
Förderprogramme nutzen als „etablierte“ Promovierte. Während Postdocs in der „Einstiegsphase“ eher Trainings- und
Qualifizierungsprogrammen nutzen, liegt der Fokus bei Postdocs in der „Endphase“ eher auf Networking-Angeboten. Es lässt
sich auch erkennen, dass gerade die „potentiellen Aussteiger“ im Vergleich zu den anderen drei Postdoc-Typen über nahezu alle
Förderprogramme hinweg die niedrigsten Werte bezüglich deren Nutzung aufweisen. In Rückschluss auf diese Ergebnisse stellt
sich allerdings die Frage, ob es sich bei dieser Gruppe von Postdocs tatsächlich um „potenzielle Aussteiger“ handelt oder ob sich
der Mangel an Motivation vielleicht anhand anderer Merkmale erklären lässt. So hat sich auch gezeigt, dass diese Gruppe am
häufigsten angegeben hat, dass nach ihrem Wissen kaum Förderung für sie in ihren Wissenschaftsorganisationen angeboten
wurde. Und wo keine Förderung angeboten wird, kann auch keine Förderung genutzt werden.
ID: 179 / B 04 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Genderforschung
Stichworte: Differenzielle Prognose, Geschlecht, Abiturnote, Studienerfolg, Fairness
Bessere Studienleistung bei gleicher Abiturnote – erwartungswidriger Studienerfolg von Frauen und
Männern?
Johannes Schult, Jörn Sparfeldt
Universität des Saarlandes, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Die Note der Hochschulzugangsberechtigung (HZB; häufig die Abiturnote) ist in vielen zulassungsbeschränkten Studienfächern
ein zentrales Auswahlkriterium; sie zeigt substanzielle prädiktive Validität bzgl. des Studienerfolgs und kann ohne großen
Aufwand ermittelt werden (vgl. Schuler, 2010). In Hinblick auf die Fairness von Zulassungsverfahren soll die Prognose des
Studienerfolgs durch ein Auswahlkriterium nicht mit der Gruppenzugehörigkeit (z.B. Geschlecht) der Personen zusammenhängen
(z.B. AERA, APA & NCME, 2014). Gleichermaßen befähigte Kandidatinnen und Kandidaten sollen unabhängig von ihrem
Geschlecht gleiche Bildungschancen haben. Mögliche Verzerrungen im Prädiktionsmodell manifestieren sich in
gruppenspezifischen Regressionssteigungen und Regressionsachsenabschnitten. In der Praxis bedeutet dies, dass potentiell
erfolgreiche Bewerberinnen bzw. Bewerber aufgrund ihres Geschlechts keinen Studienplatz bekommen würden.
Bisherige Befunde zeigen ein heterogenes Bild: In deutschen Stichproben fanden sich teilweise keine geschlechtsspezifischen
Verzerrungen, teilweise aber auch eine Unterschätzung der Studienleistung der Männer u.a. in wirtschaftswissenschaftlichen
Studiengängen (Fischer et al., 2015; Nauels & Meyer, 1997; Schult et al., 2013). In den USA tendierte die High SchoolDurchschnittsnote dagegen dazu, den Studienerfolg von Männern zu überschätzen, wobei sich bei Frauen zusätzlich minimal
steilere (also validere) Regressionssteigungen zeigten (Meta-Analyse von Mattern & Patterson, 2013).
Fragestellung
Angesichts ständiger bildungspolitischer Veränderungen ist eine aktuelle Untersuchung zu erwartungswidrigen
Studienleistungen von Frauen und Männern bei HZB-basierten Prognosen von hoher Relevanz. Deshalb wurde in der
vorliegenden Studie anhand bundesweiter Daten die Forschungsfrage untersucht, ob HZB-Noten eine geschlechtsfaire
Vorhersage der Studienleistung erlauben. Anknüpfend daran wurden Fachrichtungsunterschiede bei der Prognose exploriert.
Methode
Als Stichprobe wurde die Studierenden-Kohorte des Nationalen Bildungspanels (NEPS; Blossfeld et al., 2011;
doi:10.5157/NEPS:SC5:4.0.0) verwendet. Im Jahr 2010 wurden Studienanfängerinnen und -anfänger an deutschlandweit zufällig
ausgewählten Universitäten erstmals befragt, u.a. zu ihrer HZB-Note. Zwei Jahre später wurde die bisherige Durchschnittsnote
im Studium erfasst. Die Analyse basiert auf den Studierenden der sechs größten Fachrichtungen (Geistes-, Wirtschafts-, Sozial, Mathematik/Natur-, Medizin/Gesundheits- und Ingenieurswissenschaften). Hier hatten 5289 Personen (43.4% der
Ausgangsstichprobe) sowohl die HZB-Note als auch ihre Studienleistung berichtet, während 6026 Personen (49.4%) bei der
erneuten Befragung 2012 nicht teilnahmen, weshalb von ihnen lediglich die HZB-Note vorlag. (Bei 7.2% gab es keine HZB- und
teilweise auch keine Studiennotenangaben.)
Zur Prüfung differenzieller Prognosen wurde eine moderierte multiple Regression gerechnet (sog. Cleary-Modell; Bartlett et al.,
1978; Cleary, 1968): Die HZB-Note diente als Prädiktor, das Geschlecht als Moderator und die Studiendurchschnittsnote nach
zwei Jahren als Kriterium. Zusätzlich wurde die Studienfachrichtung als Kontrollfaktor hinzugenommen, um u.a. fachspezifische
Unterschiede in der Notengebung angemessen zu berücksichtigen.
Ergebnisse
Die HZB-Note war erwartungsgemäß ein valider Prädiktor der Studienleistung nach zwei Jahren (mittleres r = .41). Über die
Fachrichtungen hinweg zeigte sich eine differenzielle Steigung der geschlechtsspezifischen Regressionsgeraden. Die
Studienleistung guter Abiturientinnen wurde überschätzt, während die Studiennoten schlechter Abiturientinnen leicht unterschätzt
wurden. Entsprechend dieses Effekts waren die Validitäten in den meisten Fachrichtungen für die Männer höher.
Diskussion
Die Kreuzung der Regressionsgeraden nahe dem Leistungsmittelpunkt spricht dafür, dass die geschlechtsspezifische Fairness
der HZB-Note von der angestrebten Zulassungsstrenge abhängt. Im Abiturnotenbereich um 1.8 ist dabei eine weitgehend
unverzerrte Vorhersage zu erwarten. Die Diskrepanz zu US-amerikanischen Befunden (Mattern & Patterson, 2013) deutet auf
landesspezifische Unterschiede in der Schule und/oder im Studium hin. Vor dem Hintergrund der selektiven Panelmortalität
werden die Ergebnisse auch aus methodischer Sicht kritisch diskutiert.
ID: 180 / G 17 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Lehrer(aus)bildung, Motivation und Emotion
Stichworte: Motivation, Lehre, Forschung, Hochschule, Dozierende
Struktur und Zusammenhänge selbstbezogener Ziele von Universitätsdozentinnen und –dozenten in
Lehre und Forschung
Martin Daumiller, Markus Dresel
Universität Augsburg, Deutschland
Lehre und Forschung gehören zu den Kernaufgaben von Dozierenden an Hochschulen (Hattie & Marsh, 1996). Dabei stellt ihre
Motivation eine kaum erforschte – jedoch, wie anzunehmen ist, wichtige – Bedingung ihres beruflichen Erlebens und Handelns
dar. Theoretische Überlegungen und empirische Befunde zur Lehrerprofession (Baumert & Kunter, 2006; Richardson, Karabenick
& Watt, 2014) lassen erwarten, dass motivationale Orientierungen die Qualität der Hochschullehre maßgeblich beeinflussen.
Aufbauend darauf und analog zur Bedeutung selbstbezogener Ziele von Schullehrkräften (Butler, 2007), haben erste
Forschungsarbeiten indiziert, dass selbstbezogene Ziele von Hochschuldozierenden Lehrhandeln, Lehrqualität sowie
studentischen Lernerfolg bedeutsam beeinflussen (Daumiller, Figas & Dresel, in Druck; Daumiller, Grassinger, Dickhäuser &
Dresel, eingereicht). Bezüglich der Struktur der Ziele zeigte sich, dass Lern- (eigene Kompetenz erweitern),
Annäherungsperformanz- (eigene Kompetenz demonstrieren), Vermeidungsperformanz- (nicht als inkompetent auffallen),
Beziehungs- (positive zwischenmenschliche Beziehungen entwickeln) und Arbeitsvermeidungsziele (Arbeitsaufwand gering
halten) voneinander abgrenzbar sind und aufgrund unterschiedlicher Zusammenhangsmuster zur Beschreibung der Motivation
relevant sind. Gleichzeitig existieren Indizien für das mögliche Vorliegen von Vermeidungslernzielen (Daumiller et al., in Druck)
sowie für die Berücksichtigung einer normativen (besser abschneiden als andere) und einer auf die Erscheinung bezogenen
(besser erscheinen als andere) Komponente von Performanzzielen (Daumiller et al., eingereicht). Zusätzlich dazu schlug Elliot
(2011), neben Lernzielen, Aufgabenziele als eigenständige Zielklasse vor.
Angesichts dieser Vielfalt möglicher Zielklassen, ist es eine offene Frage, welche selbstbezogenen Ziele von Dozierenden an
Hochschulen sich voneinander abgrenzen lassen und Bedeutung für ihr Erleben und Handeln entfalten. Aufbauend auf den
bisherigen Arbeiten erweiterten wir das Konzept der selbstbezogenen Ziele von Hochschuldozierenden auf beide
Tätigkeitsbereiche, Lehre und Forschung. Dabei soll Zusammenspiel und Abgrenzbarkeit zwischen Lehre und Forschung sowie
Struktur und Zusammenhänge mit weiteren für das berufliche Erleben relevanten Variablen untersucht werden.
Dazu wurde eine Studie mit 1018 Hochschuldozierenden (451 weiblich; Alter: M=37.4, SD=10.5; höchste akademische Grade:
398 unpromoviert, 377 promoviert, 240 habilitiert), die aktuell sowohl in der Forschung als auch in der Lehre tätig sind,
durchgeführt. Diese wurden bundesweit repräsentativ aus den Fächern Psychologie (n=396), Physik (n=325) und Geschichte
(n=297) rekrutiert (Einsatz von Incentives). In einer Online-Befragung wurden jeweils getrennt für Lehre und Forschung Ziele,
Enthusiasmus, Einstellungen zu Hilfe und Prokrastination erhoben sowie Lehrqualität, Forschungsleistung und
Persönlichkeitsfacetten erfasst.
Die Ergebnisse konfirmatorischer Faktorenanalysen zeigten zunächst, dass die (durchgehend intern-konsistent gemessenen;
α>.82) Zielklassen für beide Tätigkeitsbereiche trennbar sind und in jeweils positivem Zusammenhang zueinander stehen (latente
Korrelationen ρ=.58–.94). Darauf aufbauend indizierten sie, dass Performanzziele getrennt nach Annäherungs- und
Vermeidungskomponente oder getrennt nach Erscheinungs- und normativer Komponente die Zielstruktur besser repräsentieren
als ein einzelner Faktor, jedoch nur die Kombination beider Differenzierungen (also mit 4 Faktoren) Performanzziele von
Dozierenden zufriedenstellend abbilden. Für Lernziele zeigt sich, dass eine Trennung in Annäherungs- und
Vermeidungskomponente sowie eine zusätzliche Berücksichtigung von Aufgabenzielen (ebenfalls getrennt in Annäherungs- und
Vermeidungskomponente) selbstbezogene Ziele am besten charakterisieren. Zusammenfassend indizieren die Ergebnisse, dass
die Zielstruktur in Lehre und Forschung durch 10 Zielklassen, nämlich Aufgaben-, Lern-, Erscheinungsperformanz- und
Normperformanz- (jeweils mit Annäherungs- und Vermeidungsdimension) sowie Arbeitsvermeidungs- und Beziehungsziele
abgebildet wird (CFI=.92, TLI=.91, SRMR=.05, RMSEA=.04). Die Relevanz dieser faktoriell abtrennbaren Zielklassen wird durch
sinnvolle Zusammenhänge mit weiteren Variablen belegt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Stärke der unterschiedlichen
Zielklassen von individuellen Merkmalen (z.B. beruflicher Status, Persönlichkeitseigenschaften) abhängen. Ferner indizieren sie,
dass die Ziele Hochschuldozierender in beiden Tätigkeitsbereichen mit unterschiedlichem emotionalem Erleben sowie
unterschiedlichem adaptivem (z.B. Einstellungen zu Hilfe) und maladaptivem (z.B. Prokrastination) Handeln einhergehen und
bedeutsam mit Lehrqualität und Forschungsleistung im Zusammenhang stehen. Bis auf Vermeidungslernziele, zeigten sich dabei
für jede dieser Zielklassen differenzielle Zusammenhangsmuster.
In Zusammenschau verweisen die Ergebnisse auf die Relevanz der voneinander abgrenzbaren Zielklassen sowie darauf, dass
durch die symmetrische Betrachtung der selbstbezogenen Ziele in beiden Tätigkeitsbereichen ein fruchtbarer Zugang zur
Beschreibung der Motivation Hochschuldozierender in Lehre und Forschung ermöglicht wird.
ID: 181 / B 04 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Motivation und Emotion, Sonstiges
Stichworte: Berufswünsche, Possible Selves, soziale Mobilität, soziökonomischer Status
Look into the future and choose against the odds? – Possible Selves und atypische sozial
aufwärtsgerichtete Berufswünsche von Jugendlichen
Julia Schorlemmer1,2, Bettina Hannover2
1
Charité Universitätsmedizin Berlin, Deutschland; 2Freie Universität Berlin, Deutschland
Bei der Wahl eines Berufes gleichen Menschen nicht nur ihr Geschlecht, sondern auch ihren sozioökonomischen Status (SES)
mit Merkmalen des Berufs ab (Gottfredson, 2002). Jugendliche aus sozial schwachen Herkunftsfamilien streben typischerweise
eher nach Berufen, die mit einem niedrigerem SES verbunden sind, Jugendlichen aus sozial besser gestellten Hintergründen
äußern hingegen Berufswünsche mit höherem SES (Howard et al., 2011). Jedoch streben manche Jugendlicheauch atypische
Berufe an, d.h. Berufe, deren SES nicht mit dem SES ihrer Herkunftsfamilie übereinstimmt. Die vorliegende Studie untersucht
solche atypischen Berufswünsche näher, die – gemessen am SES der Person – eine soziale Aufwärtsorientierung bedeuten.
Dazu wird das Konzept der Possible Selves herangezogen. Possible Selves sind Selbstprojektionen in die Zukunft (Markus &
Nuris, 1986; Oyserman & Markus, 1990), die evaluativ für das derzeitige Selbst sind und gleichzeitig Motivator für zukünftiges
Verhalten. Gleichwohl es naheliegt anzunehmen, dass Menschen auch in Bezug auf ihren zukünftigen Beruf Possible Selves
entwickeln (Oyserman & Fryberg, 2006), sind in der bisherigen Forschung Berufswünsche und Possible Selves nie empirisch im
Zusammenhang untersucht worden.
In unserer Studie sind wir deshalb der Frage nachgegangen, ob Possible Selves atypische sozial aufwärtsgerichtete
Berufswünsche vorhersagen können. Zum einen haben wir vermutet, dass eine intensivere Auseinandersetzung mit der Zukunft
– erhoben über die Anzahl an Possible Selves – in einem Zusammenhang damit steht, dass Menschen betreffend ihren
zukünftigen Beruf von dem abweichen, was erwartungskonform wäre, also was sich ohne intensive Auseinandersetzung
wahrscheinlich ereignen würde. Zum anderen haben wir angenommen, dass die Auseinandersetzung mit der eigenen
(beruflichen) Zukunft mit einem stärkeren Bewusstsein über den individuellen SES einhergehen kann, so dass diese nicht mehr
"quasi automatisch" die eigenen Berufswünsche prägt.
In einer Stichprobe von N = 350 Jugendlichen der 9. Klasse konnten wir zwei Gruppen mit vergleichbarem familiären SES
differenzierten: Jugendliche mit typischem Berufswunsch und Jugendliche mit atypischem Berufswunsch. Anhand von
Mittelwertvergleichen und multipler logistischer Regressionsmodelle zeigte sich: 1. Jugendliche mit atypischem Berufswunsch
gaben signifikant mehr Possible Selves an, 2. Je mehr Possible Selves Jugendliche äußerten, umso wahrscheinlicher war es,
dass sie atypische sozial aufwärtsgerichtete Berufe anstrebten. 3. Ob Jugendliche viele oder wenige Befürchtungen (Feared
Possible Selves) für ihre Zukunft antizipierten, hingnicht damit zusammen, ob ihre Berufswünsche typisch oder atypisch waren.
Implikationen für die Förderung von atypischen – sozial aufwärtsorientierten - Berufswünschen bei Jugendlichen aus sozial
benachteiligten Hintergründen werden diskutiert.
ID: 183 / C 01 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Lernen mit Computer und neuen Medien, Sonstiges
Stichworte: kognitive und physische Unterrichtsmeidung, Computerspielnutzung, Medienjugend, Pfadanalyse,
Skalenbeschreibung
Computerspielnutzung von Jugendlichen und deren kognitive und/oder physische Unterrichtsmeidung –
Ergebnisse einer pfadanalytischen Betrachtung
Arvid Nagel, Horst Biedermann
Paris Lodron Universität Salzburg, Österreich
Seit der Jahrtausendwende haben interaktive Medien bei Jugendlichen stark an Bedeutung gewonnen, was sich durch einen
stetigen Anstieg der Ausstattungsquoten an Computern, Spielkonsolen, Smartphones und Internetzugängen beobachten lässt
(vgl. u.a. Feierabend et al., 2014; Ferchhoff, 2007; OECD, 2015). Empirische Mediennutzungsstudien belegen, dass
Computerspiele seit Jahren zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen von Jugendlichen zählen und zu einem wesentlichen
Bestandteil jugendlicher Unterhaltungskultur herangewachsen sind (vgl. Mößle et al., 2006, 2007; Rehbein, 2011). Höhere
Ausstattungsquoten zeigen sich dabei in einem bedeutsamen Zusammenhang mit zeitlich intensiveren und inhaltlich
problematischeren Mediennutzungsraten. Da sich diesbezüglich auch Computerspielnutzungsformen pathologischen Charakters
erkennen lassen, rückte in den vergangenen Jahren der Themenkomplex des exzessiven und problematischen
Computerspielens und der Computerspielabhängigkeit zunehmend in den Fokus der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit (vgl.
Möller & Hornemann, 2012; Mößle, 2013; Mößle & Rehbein, 2013; Mößle et al., 2010, 2014; Mücken, 2012; Rehbein & Baier,
2013; Rehbein & Borchers, 2009; Rehbein & Mößle, 2013; Rehbein et al., 2009, 2010b, 2013). Basierend auf der nationalen
sowie internationalen Studienlage ist davon auszugehen, dass unter Jugendlichen 2 bis 9 Prozent computerspielabhängig sind
(vgl. u.a. Gentile, 2009; Rehbein et al., 2009). Bezüglich der problematischen Computerspielnutzung und einem schlechteren
schulischen Leistungsniveau liegen bis dato schon einige Evidenzen vor (vgl. u.a. Mößle, 2013; Mößle et al. 2006, 2007; Pfeiffer
et al., 2008). Die empirische Klärung auf die Frage nach einer Wirkung der Computerspielnutzung auf unterrichtmeidendes
Verhalten von Schüler/innen wie schwänzen, aber auch träumen, abschalten oder sich während des Unterrichts gedanklich
ausklinken steht dagegen noch aus. Als ein zentrales Desiderat lässt sich festhalten, dass der Einfluss von interaktiver
Mediennutzung im Zusammenhang mit (kognitiver und physischer) Unterrichtsmeidung von Schüler/innen bis anhin gänzlich
vernachlässigt wird, was jedoch dem gegenwärtigen Diskurs einer „Jugend der Medien“ (Friedrichs & Sander, 2010, S. 26)
entgegensteht und in der Unterrichtmeidungsdebatte von Ricking, Schulze und Wittrock (2009, S. 34f.) explizit eingefordert wird.
In Anlehnung an das aufgezeigte Forschungsdesiderat fokussiert dieser Beitrag die folgende Fragestellung: Lassen sich Effekte
einer Computerspielnutzung auf die kognitive und/oder physische Unterrichtsmeidung von Schüler/innen identifizieren?
Zur Beantwortung der Forschungsfrage konnten 173 Schüler/innen aus den Jahrgangsstufen 7 bis 9 einer Gemeinschaftsschule
in Schleswig-Holstein (M = 14.3 Jahre, SD = .94) schriftlich befragt werden. Die (problematische) Mediennutzung wurde anhand
der Computerspielabhängigkeitsskala KFN-CSAS-II von Rehbein et al. (2010a) erfasst. Die kognitive Unterrichtsmeidung wurde
basierend einer Eigenentwicklung festgehalten, wobei sich für die Skala kognUm gute Kennwerte zeigen (Generalfaktor; ModellFit: χ² = 1.76; df = 2; p = .42; CFI = 1.000; RMSEA = .000; SRMR = .013). Die physische Unterrichtsmeidung wurde anhand eines
Einzelitems („Wie viele ganze Schultage bist du im letzten Schulhalbjahr dem Unterricht unerlaubt ferngeblieben?“) erfragt. Die
Datenauswertung erfolgte mittels einer manifesten Pfadanalyse in Mplus.
Die Ergebnisse zeigen, dass die physische Unterrichtsmeidung der Schüler/innen nicht von der Computerspielnutzung direkt
beeinflusst wird (b3 = -.07, z = -.082, p > .05; β3 standardisiert = -.01). Jedoch erweist sie sich als bedeutsamer Prädiktor für die
kognitive Unterrichtsmeidung von Schüler/innen (direkter Effekt: b1 = .395, z = 5.199, p < .001; β1 standardisiert = .33), d.h. je
problematischer die Computerspielnutzung der befragten Jugendlichen berichtet wird, desto ausgeprägter wird die eigene
Unterrichtsunaufmerksamkeit in Form der kognitiven Unterrichtsmeidung eingeschätzt. Zudem wirkt sich die kognitive
Unterrichtsmeidung von Schüler/innen signifikant auf die physische Unterrichtsmeidung aus (direkter Effekt: b2 = 1.95, z = 2.665,
p < .01; β2 standardisiert = .31). Außerdem lässt sich ein indirekter Effekt von problematischer Computerspielnutzung auf das
unerlaubte, physische Fernbleiben einzelner Unterrichtstage von Schüler/innen (vermittelt über die kognitive Unterrichtsmeidung;
Mediatoreffekt) isolieren (total indirekt = .771; total indirekt standardisiert = .10, z = 2.450, p < .05).
Zusammenfassend werden die theoretischen Grundlagen, empirischen Erkenntnisse sowie Konklusionen präsentiert.
ID: 187 / A 15 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: Selbstkonzept, Ratingskalen, Antwortstufen, Grundschüler
Selbstkonzeptdiagnostik bei Grundschulkindern – Wie viele Antwortstufen sollten es sein?
Rebecca Schneider, Jörn Sparfeldt
Universität des Saarlandes, Deutschland
Theorie: Schulische Selbstkonzepte gelten als bedeutsame affektiv-motivationale Korrelate und Prädiktoren schulischen Lernund Leistungsverhaltens. Bei älteren Kindern und Jugendlichen werden häufig ökonomische Verfahren mit verbal verankerten
mehrstufigen Ratingskalen zur Selbstkonzepterfassung genutzt, bei Grundschulkindern hingegen variiert die Differenziertheit der
Antwortmöglichkeiten (Stufigkeit) erheblich. Befunde zu Antworttendenzen bei Grundschulkindern zeigen unabhängig von der
Antwortstufigkeit, dass Erst- und Zweitklässler sehr häufig Extremwerte ankreuzen, ab der dritten Klasse nimmt die Nutzung der
mittleren Antwortkategorien zu (Baldering, 1993; Chambers & Johnston, 2002). Insgesamt legen Studien aber nahe, dass auch
Grundschulkinder mehrstufige Ratingskalen adäquat bearbeiten können (z.B. Arens, Trautwein & Hasselhorn, 2011; Baldering,
1993; Marsh, 1990; Marsh, Craven & Debus, 1991), eine systematische Untersuchung nach der Angemessenheit von
Ratingskalen in Abhängigkeit von deren Stufigkeit für die Grundschule steht jedoch noch aus.
Fragestellung: Es stellt sich die Frage nach der (möglicherweise differentiellen) Eignung eines 3-, 4- oder 5-stufigen
Antwortformats zur Selbstkonzeptdiagnostik bei Kindern der verschiedenen Grundschulklassenstufen. Dafür sollen systematisch
für alle vier Klassenstufen und die drei Antwortformate folgende Kennwerte betrachtet werden: (1) Häufigkeitsverteilungen der
einzelnen Antwortkategorien, (2) Reliabilitätsschätzungen der Selbstkonzeptskalen, (3) Fit-Statistiken und mittlere
Interkorrelationen der Selbstkonzeptfaktoren im Rahmen konfirmatorischer Faktorenanalysen sowie (4) konvergente und
divergente Korrelationen der Selbstkonzeptfaktoren mit den Zeugniszensuren und lehrereingeschätzten Schülerselbstkonzepten
im Sinne kriteriumsbezogener Validitäten.
Methode: Die Stichprobe umfasst N = 1306 Schülerinnen und Schüler der ersten bis vierten Klassenstufe aus 89 Klassen von 16
Grundschulen. Die Schülerinnen und Schüler jeder Klasse wurden randomisiert den drei Untersuchungsbedingungen
(Antwortstufen) zugewiesen: Die Items des SDQ–I (Marsh, 1990; deutsche Version von Arens et al., 2011) wurden jeweils mit
einem verbal verankerten 3-, 4- oder 5-stufigen Ratingskalenformat beantwortet. Alle Items wurden laut vorgelesen. Zusätzlich
schätzten die Klassenlehrkräfte die schulischen Selbstkonzepte (Mathematik, Lesen, Schule) der Schülerinnen und Schüler ein
und notierten die Zeugniszensuren in Mathematik und Deutsch.
Ergebnisse: (1) In den ersten beiden Klassenstufen wurde in allen Antwortformatbedingungen hauptsächlich die Antwortkategorie
mit starker Zustimmung, die mittleren Antwortkategorien hingegen wurden selten gewählt. In Klassenstufe 3 und 4 ist die
Verteilung flacher, die mittleren Antwortkategorien wurden zunehmend angekreuzt. (2) In den vier Klassenstufen zeigten sich
keine bedeutsamen Reliabilitätsunterschiede der Selbstkonzeptskalen für die verschiedenen Antwortformatbedingungen sowie
eine etwas reliablere Selbstkonzeptmessung in höheren Grundschulklassenstufen. Die Reliabilitätswerte waren jeweils
mindestens akzeptabel, .71 ≤ α ≤ .95. (3) In allen Klassenstufen und Antwortformatbedingungen zeigte sich unter
Berücksichtigung der hierarchischen Datenstruktur eine unzureichende Modellpassung bei der Modellierung der acht
Selbstkonzeptfaktoren des Originalfragebogens (Marsh, 1990). Modelle mit zusätzlicher Unterteilung der schulischen
Selbstkonzepte in jeweils einen kognitiven und einen affektiven Faktor zeigten in allen Klassenstufen und
Antwortformatbedingungen eine mindestens akzeptable Modellpassung. Die mittleren Interkorrelationen der
Selbstkonzeptfaktoren fielen in der ersten Klassenstufe höher aus als in den höheren Klassenstufen, innerhalb der Klassenstufen
differierten die mittleren Interkorrelationen um maximal Δr = .21. (4) In allen Klassenstufen und Antwortformatbedingungen
zeigten sich höhere konvergente als divergente mittlere Korrelationen der Selbstkonzeptfaktoren mit den korrespondierenden
Zeugniszensuren und lehrereingeschätzten Schülerselbstkonzepten; für die Klassenstufen und Antwortformatbedingungen
zeigte sich ein differentielles Befundmuster.
Diskussion: Die Befunde werden vor dem Hintergrund der Eignung der verschiedenen Antwortstufen bei der
Selbstkonzeptdiagnostik in den Grundschulklassenstufen diskutiert und Empfehlungen für Forschung und Praxis abgeleitet.
ID: 188 / C 05 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Wirtschafts- und Berufspädagogik
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Methoden der empirischen
Bildungsforschung
Stichworte: Elektroniker für Automatisierungstechnik, Struktur von Fachwissen, Niveaumodell
Struktur- und Niveaumodell des Fachwissens bei Elektronikern der Automatisierungstechnik
Leo van Waveren
Universität Stuttgart, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Die ASCOT-Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (http://www.ascot-vet.net/) hatte zum Ziel für
ausgewählte, anspruchsvolle Berufsbilder Aufschlüsse zur berufsfachlichen Handlungskompetenz zu gewinnen. An der
Universität Stuttgart wurde dazu eine Studie für den Beruf des Elektronikers für Automatisierungstechnik am Ende der Ausbildung
durchgeführt.
Das Fachwissen erweist sich sowohl im allgemeinbildenden (SCHERER 2012, S. 40ff. und S. 16) als auch im gewerblichtechnischen Bereich (NICKOLAUS u.a. 2012, S. 265ff.) als wichtiger Prädiktor für die Problemlösekompetenz. Im gewerblichtechnischen Bereich wurden durchgängig mehrdimensionale Strukturen des Fachwissens bestätigt, unter anderem für
Mechatroniker (GÖNNENWEIN/NITZSCHKE/SCHNITZLER 2011) die Grundstufe Bau (PETSCH/NORWIG/NICKOLAUS 2015)
und Schreiner (PITTICH 2013). Für den Kfz-Mechatroniker (GSCHWENDTNER 2008) und den Elektroniker für Energie- und
Gebäudetechnik (GEIßEL 2008) zeigten sich am Ende der Grundbildung noch eindimensionale Strukturen des Fachwissens, die
sich zum Ende der Ausbildung zu mehrdimensionalen Konstrukten entlang von Inhaltsbereichen ausdifferenzieren (NICKOLAUS
U.A. 2011, S.85f; SCHMIDT/WEBER/NICKOLAUS 2014, S.560). Zu den erreichten Niveaus wird durchgängig berichtet, dass in
der Regel erhebliche Anteile der Auszubildenden den curricularen Anforderungen nicht gerecht werden (NICKOLAUS/SEEBER
2013).
Für den Elektroniker für Automatisierungstechnik wurden für die Problemlösefähigkeit eine mehrdimensionale Struktur bestehend
aus einer analytischen und einer konstruktiven Teildimension bestätigt (WALKER/LINK/NICKOLAUS 2015). Offen ist, ob sich für
das Fachwissen bei Elektronikern für Automatisierung am Ende der Ausbildung eine mehrdimensionale Struktur ergibt.
Dies hat einerseits vor dem Hintergrund einer fairen Abschlussprüfung durch die IHK und andererseits vor dem Hintergrund einer
möglichen Neuausrichtung industrieller Elektroberufen (ZINKE U.A. 2013) erhebliche Relevanz.
Fragestellung
Es wird geprüft, ob sich die in anderen Berufsfeldern nachgewiesene Mehrdimensionalität des Fachwissens auch bei
Elektronikern für Automatisierungstechnik entlang inhaltlicher Strukturierungen bestätigen lässt oder ob alternative
Modellierungen eine bessere Passung zu den Daten aufweisen. Daran anschließend stellt sich die Frage, welche Niveaus in den
einzelnen Teildimensionen erreicht werden.
Methode
Ausgehend von den curricularen Analysen wurde von den Probanden ein Paper-Pencil-Test im Balanced Incomplete Block
Design (FREY/HARTIG/RUPP 2009, S.45) bearbeitet, dessen Konzeptionierung von einer Expertengruppe aus beruflichen
Schulen, Betrieben und Prüfungsausschuss begleitet wurde. Auf der Grundlage von den Ergebnissen von 878 Probanden aus 9
Bundesländern wurden IRT-Skalierungen unterschiedlicher Strukturierungsansätze für das Fachwissen anhand von
Informationskriterien
hinsichtlich
der
Passung
zu
den
erhobenen
Daten
miteinander
verglichen
(BUCKLAND/BURNHAM/AUGUSTIN
1997,
S.606).
Neben
Strukturierungen
ausgehend
von
curricularen
Schwerpunktsetzungen werden ein Ansatz auf der Basis kognitionspsychologischer Anforderungen, wie sie für Elektroniker für
Energie- und Gebäudetechnik (GEIßEL 2008) in Betracht gezogen wurden und eine Differenzierung nach mathematischen
Anforderungen, die sich im ingenieurwissenschaftlichen Grundstudium als strukturbildend erwiesen (BEHRENDT U.A. in
Vorbereitung) berücksichtigt. Bei rund der Hälfte der Stichprobe wurden mittels des CFT-20R die kognitiven Grundfähigkeiten
zur Kontrolle mit erhoben. Niveaumodellierungen wurden nach Beaton und Allen (1992) für die Subdimensionen vorgenommen.
Ergebnisse
Die überwiegend (90%) männlichen Probanden waren im Schnitt 20,4 Jahre alt (SD = 2) und besaßen überwiegend einen
Realschulabschluss (70,5 %; rund 25 % hatten eine Hochschulzugangsberechtigung). Der alterskorrigierte IQ von 108 (SD = 14)
unterstreicht, dass die Stichprobe im Vergleich mit anderen Elektroberufen aus kognitiv starken Auszubildenden besteht.
Die angenommene Mehrdimensionalität des Fachwissens wird gestützt. Es zeigt sich, dass das Konstrukt aus den drei eng
assoziierten, empirisch trennbaren Teildimensionen „Automatisierungstechnik/Speicherprogrammierbare Steuerungen“,
„elektrotechnische Grundlagen“ und „elektrische Energietechnik“ aufgespannt wird mit latenten Korrelationen zwischen .83 und
.89. Die EAP/PV-Reliabilitäten liegen alle > .7 und erreichen damit für die drei Dimensionen akzeptable Werte.
Die Modellierung nach Beaton und Allen offenbart deutliche Diskrepanzen zwischen curricular intendierten und den in der Praxis
erreichten Kompetenzständen. In jedem der Teilbereiche verbleiben zwischen 50 und 60 % der Probanden (zum Teil deutlich)
hinter den in den Rahmenlehrplänen formulierten Zielsetzungen zurück.
ID: 189 / A 02 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung
Stichworte: Problemlösen, technische Alltagsgeräte, schwierigkeitsbestimmende Merkmale, Regressionsanalyse,
Konstruktvalidität
Schwierigkeitsbestimmende Merkmale bei der Interaktion mit technischen Alltagsgeräten
Jennifer Stemmann, Martin Lang
Universität Duisburg-Essen, Deutschland
Technische Fortschritte vor allem in der Digitaltechnik haben dazu geführt, dass technische Geräte in immer kürzeren Abständen
entwickelt werden (Zühlke 2005) und sich diese Entwicklung im Alltag bemerkbar macht. Die Teilnahme am gesellschaftlichen
Leben, in Form sozialer Kontakte oder der autarken Bewegung im gesellschaftlichen Umfeld setzt vermehrt die Fähigkeit zur
Interaktion mit technischen Geräten voraus, deren Nutzung einerseits immer alltäglicher, andererseits immer
voraussetzungsvoller wird. Bedingt durch die größer werdende Menge an Funktionen dieser Geräte, wird Ausprobieren ein
wesentlicher Bestandteil der Techniksozialisation (Tully 2003), von der derjenige ausgeschlossen wird, der diese
arbeitserleichternden, freizeitwerterhöhenden oder mobilitätssteigenden Technikprodukte nicht bedienen kann (Sackmann,
Weymann 1994).
Da dem Technikunterricht in allgemeinbildenden Schulen die Aufgabe zugesprochen wird, solche allgemeinen technischen
Problemlösefähigkeiten zu fördern (Schulministerium NRW 2013, Stemmann, Lang 2014), stellt sich aus fachdidaktischer
Perspektive die Frage: Wodurch die Interaktion mit technischen Alltagsgeräten überhaupt zu einem Problem wird? Weil es sich
bei technischen Geräten um interaktive Systeme handelt (Preim 1999), lassen sie sich nicht isoliert sondern nur als Teil eines
soziotechnischen Systems betrachten, zu dem auch die das Gerät bedienende Person gehört (Grote 2005). Die Interaktion erfolgt
einerseits durch das Ausführen von Handlungen, in dem der Nutzer Bedienelemente betätigt und andererseits durch das
Wahrnehmen der Reaktionen des Gerätes, in dem Anzeigeelemente interpretiert werden müssen (Johannsen 1993).
Merkmale, die eine solche Problemsituation beeinflussen können, lassen sich in drei Bereiche einteilen: Personenmerkmale,
Systemmerkmale und Situationsmerkmale (Frensch, Funke 1995), wobei nur die System- und Situationsmerkmale für
diagnostische Zwecke gezielt variierbar sind. Die Forschung zum Problemlösen im Umgang mit dynamischen Systemen nennt
als Systemmerkmale Komplexität, Vernetztheit, Dynamik und als Situationsmerkmale Intransparenz und Polytelie (bspw. Dörner
1976). Nickolaus et al. (2009) nehmen für die Schwierigkeit fachspezifischer Probleme unter anderem die Anzahl notwendiger
Lösungsschritte an. Forschungsergebnisse aus diesem Bereich können aufgrund unterschiedlicher Variationen von
Schwierigkeitsmerkmalen schwer miteinander verglichen werden. Untersuchungen, die das Eruieren solcher Merkmale im
Umgang mit technischen Alltagsgeräten zum Ziel haben, fehlen außerdem.
In diesem Beitrag überprüfen wir die Annahme, nach der technische Geräte, deren Anzahl an Variablen und Zuständen
(Komplexität) hoch ist, deren Bedienelemente mehrfach belegt (Vernetztheit) und zeitabhängig sind (Dynamik) sowie deren
Bedienelemente nicht beschriftet und bei deren Betätigung keine Rückkopplung erfolgt (Intransparenz) schwieriger zu bedienen
sind, als Geräte, bei denen diese Merkmale weniger stark ausgeprägt sind. In diesem Zusammenhang interessiert zum einen,
ob sich die genannten Annahmen im Sinne einer Konstruktvalidierung (Hartig, Frey 2012) bestätigen lassen und zum anderen
ob diese Merkmale für verschiedene Personengruppen gleich schwierigkeitsbestimmend sind.
Für die Erfassung der Fähigkeit im Umgang mit technischen Alltagsgeräten wurde ein computerbasierter Test mit 15 Simulationen
technischer Geräte entwickelt, deren Merkmale Komplexität, Dynamik, Intransparenz und Vernetztheit gezielt variiert wurden.
Die Interaktion der Probanden mit den Simulationen erfolgt in zwei Phasen: Zunächst sollten sie die Geräte erkunden und
ausprobieren (Exploration) und im Anschluss eine konkrete Bedienhandlung ausführen (Steuerung). Die Bewertung der
Systemexplorationsphase erfolgt anhand der Explorationsvollständigkeit; die Bewertung der Steuerungsphase berücksichtigt die
Steuerungsleistung und die hierfür benötigte Anzahl an Bearbeitungsschritten. Zur Beantwortung der Fragestellung werden die
Ergebnisse und Logfiledaten von 147 Probanden analysiert. Anhand der empirisch ermittelten Schwierigkeitsindizes wurde mit
Hilfe multipler Regressionsanalysen untersucht, welche der angenommenen Merkmale die Schwierigkeit in welchem Maße
erklären können.
Als stärkste Prädiktoren für die Explorationsschwierigkeit eines technischen Gerätes zeigten sich die Bedienelementeanzahl (β=.42, p=.04), die Menütiefe (β=-.45, p=.08) als Variablen der Komplexität sowie die Menüverständlichkeit (β=.44, p=.06) als
Variable der Transparenz. Insgesamt können mit den Variablen der Komplexität und Transparenz knapp 80% der Varianz in der
Explorationsschwierigkeit erklärt werden (R²=.79, Rkorr²=.67, F=6.29, p=.01). Auf die Schwierigkeit in der Steuerungsphase hat
die vorherige Exploration (β=.61, p=.02), sowie die Situationsmerkmale Bearbeitungsschrittanzahl (β=-.27, p=.25) sowie
Berücksichtigung mehrfachbelegter Bedienelemente (β=-.34, p=.16) den stärksten Einfluss (R²=.50, Rkorr²=.37, F=3.73, p=.05).
ID: 192 / A 15 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Sonstiges
Stichworte: rezeptiver Wortschatztest, Gruppenverfahren, Gütekriterien, L1 /L2
GraWo – Grazer Wortschatztest: Ein rezeptiver Wortschatztest für den ökonomischen Einsatz in
heterogenen Grundschulklassen
Lisa Paleczek1, Susanne Seifert1, Susanne Schwab2, Barbara Gasteiger-Klicpera1
1
Universität Graz, Österreich; 2Universität Bielefeld, Deutschland
1 Theoretischer Hintergrund
Rezeptive Wortschatzfähigkeiten beziehen sich auf die Verarbeitung eines mündlich oder schriftlich dargebotenen Wortes sowie
den Abruf seiner Bedeutung (Nation, 2013) und sind für die Entwicklung des Leseverständnisses von großer Bedeutung
(Bialystok, 2007; Ennemoser et al., 2012). Die Wortschatzüberlegenheit monolingualer Kinder gegenüber bilingualen im Vor- und
Grundschulalter konnte bereits in verschiedenen Studien nachgewiesen werden (z.B. L2 Englisch und verschiedenen L1:
Goldberg, Paradis, & Crago, 2008; L2 Deutsch und L1 Russisch: Klassert, 2011). Frühes Erkennen von Defiziten im Wortschatz
ist notwendig, um Kindern durch gezielte Fördermaßnahmen eine gute Basis für den Leseerwerb und ihre weitere Schullaufbahn
zu gewährleisten (Verhoeven, 2011; Foley, Sangster, & Anderson, 2013). Wortschatztests für GrundschülerInnen sind bisher
Verfahren, die im Einzelsetting durchgeführt werden (bspw. WWT 6-10: Glück, 2007; MSVK: Elben & Lohaus, 2000; SET 5-10:
Petermann, 2012). Dieses aufwändige diagnostische Setting ist jedoch im Schulalltag von Lehrenden schwer umsetzbar.
2 Ziel/ Fragestellung
Das Ziel der vorliegenden Testentwicklung bestand darin, ein Klassenverfahren zu entwickeln, das einen schnellen und
ökonomischen Überblick über die rezeptiven Wortschatzfähigkeiten der Kinder einer Klasse ermöglicht. Zusätzlich sollte anhand
einer großen Normierungsstichprobe geprüft werden, ob es notwendig ist, getrennte Normen für Kinder mit L2 Deutsch zu
erarbeiten. Dies sollte Lehrenden ermöglichen, Kinder mit anderen Erstsprachen mit anderen Kindern derselben Gruppe zu
vergleichen, selbst wenn diese Gruppe in sich sehr heterogen ist (abhängig von der L2-Kontaktzeit u.v.m.). Daraus ergaben sich
zwei Forschungsfragen:
Können die rezeptiven Wortschatzfähigkeiten von Kindern der ersten bis dritten Grundschulstufe durch den Gruppentest GraWo
(Grazer Wortschatztest) reliabel und valide erfasst werden?
Ist die Höhe der Hauptgütekriterien der klassischen Testtheorie (Validität, Reliabilität) ausreichend, wenn die Testwerte für Kinder
mit L1 und L2 Deutsch getrennt betrachtet werden?
3 Untersuchungsmethode
Der vorliegende Wortschatztest besteht aus Mehrfachwahlaufgaben, deren Lösung das Ankreuzen des korrekten Referenten
(eine von vier schwarz-weiß-Zeichnungen) nach akustischer Darbietung eines Wortes erfordert.
Nach zwei Konstruktionserhebungen (K1, K2) wurden mittels zweier Normierungserhebungen (N1, N2) am Schuljahresende
(nN1=1415) und –beginn (nN2=ca. 1400) Norm- und Testkennwerte (u.a. interne Konsistenz, Odd-Even-Split-Half-Reliabilität)
für Kinder der ersten, zweiten und dritten Schulstufen ermittelt. An einer kleineren Stichprobe (nN1Retest=244) wurde die RetestReliabilität untersucht. Zusätzlich wurden Konstrukt- und Kriteriumsvalidität (konvergent und diskriminant) berechnet.
4 Ergebnisse
In einer ersten Konstruktionsphase (nK1=183, nK2=183) wurden 30 finale Items des GraWo mit zufriedenstellenden
Itemkennwerten (Itemschwierigkeit, Trennschärfe) ermittelt. Die Durchführung ist im Klassenverband möglich und dauert 15 bis
30 Minuten (je nach Klassenstufe).
Objektivität: Durch die standardisierte Handhabung des Tests in seiner Durchführung, Auswertung sowie Interpretation kann
davon ausgegangen werden, dass Objektivität in allen Bereichen gegeben ist.
Reliabilität: Für alle drei Schulstufen wurden Reliabilitätsmaße für das Ende des Schuljahres berechnet. Die internen
Konsistenzen nach Cronbachs α liegen zwischen .80 und .87, die Split-Half-Reliabilitäten zwischen .82 und .87. Die RetestReliabilitäten (drei Wochen) liegen zwischen .88 und .93.
Validität: Mittels Faktorenanalyse konnte eine einfaktorielle Struktur des GraWo nachgewiesen werden, da sowohl die Eigenwerte
(EW>2) als auch die Varianzaufklärungen (5,5%-5,8%) ab dem zweiten Faktor jeweils deutlich abnehmen. Mittels eines
Außenkriteriums (Deutsch als L1 oder L2) konnte festgestellt werden, dass Kinder mit L2 Deutsch in allen Schulstufen schlechter
abschneiden (1.Schulstufe: t(183,64)=13,20**;
2.Schulstufe: t(141,35)=10,60*; 3.Schulstufe: t(174,82)=9,52*) und somit die Kriteriumsvalidität als zufriedenstellend angesehen
werden kann. Die diskriminante Validität wurde mittels Korrelationen mit den Leistungen der Kinder im Leseverständnistest Elfe
1-6 (Lenhard & Schneider, 2006) ermittelt. Erwartungskonform ergaben sich teilweise signifikante Korrelationen zwischen r=.29
und .49, jedoch sollten diese niedriger ausfallen als die Korrelationen mit einem Test, der auch den rezeptiven Wortschatz misst
(konvergente Validität). Diese Ergebnisse (Korrelationen mit WWT 6-10: Glück, 2007) sind aktuell noch ausständig.
Die getrennten Normen für Kinder mit L2 Deutsch sind aktuell im Entstehen und sollen gemeinsam mit den Testgütekriterien für
diese Substichprobe dargestellt und diskutiert werden.
ID: 193 / B 15 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Lernen mit Computer und neuen Medien
Stichworte: Testing Effekt, formatspezifische Effekte, Aktivierungsausbreitung, Metakognition, Selbstwirksamkeit
Formatspezifische Effekte des Testing Effekts
Tino Endres, Lena Kranzdorf, Vivien Schneider, Alexander Renkl
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Der Testing Effekt ist einer der wenigen kognitionspsychologischen Effekte, der immer wieder Anspruch erhebt, mehr in den
pädagogischen Alltag integriert zu werden (van Gog & Sweller, 2015). Dabei zeigten sich in empirischen Untersuchungen bei
bedeutungshaltigem Lernen selten Effekte des verwendeten Frageformats (z.B. Endres & Renkl, 2015). Theoretisch wären
jedoch sowohl direkte wie indirekte Effekte in bestimmten didaktischen Situationen anzunehmen. Durch die Fokussierung der
Studien auf Mechanismen des Testings könnten diese Effekte bisher übersehen worden sein. Diese Studie möchte diese
didaktisch wichtige Frage näher beleuchten.
Direkte Effekte. Vorarbeiten legen nahe, dass die elaborative-retrieval-theory (Carpenter, 2009) den grundlegenden
Mechanismus des Testing Effekts bei bedeutungshaltigem Lernen darstellt (Endres & Renkl, 2015). Diese besagt, dass der
Lerneffekt durch Tests über die Aktivierung von Gedächtnisinhalten und die Ausbreitung dieser Aktivierung in semantischen
Netzwerken entsteht. Abgerufene Konstrukte werden dabei gestärkt und mit benachbarten Konstrukten verbunden. Auch diese
nicht abgerufenen Konstrukte sind nach Tests leichter abrufbar (Chan, McDermott & Roediger, 2006). Dieser Effekt sollte dazu
führen, dass spezifische Frageformate einen spezifischen Bereich tief aktivieren, offene Frageformate dagegen einen breiten
Bereich weniger tief.
Indirekte Effekte. Auch Selbstwirksamkeit, Interesse und Metakognition sollten sich nach unterschiedlichen Frageformaten
unterscheiden. Offene Frageformate haben ein freies Abrufziel. Diese Eigenschaft ermöglicht es Getesteten auch dann eine
Antwort zu geben, wenn nicht alle Aspekte des Ziels erinnert werden. Diese positive Vorerfahrung sollte die Selbstwirksamkeit
und das Interesse der Getesteten erhöhen (Bandura, 1997). Spezifische Frageformate ermöglichen es Feedback (Monitoring)
darüber zu erhalten, ob ein Konstrukt abrufbar ist. Dadurch ist eine exaktere metakognitive Einschätzung zu erwarten (Koriat,
2012).
(1) Spezifische Frageformate erhöhen die Abrufwahrscheinlichkeit eines spezifischen Konstrukts stärker als ein offenes
Frageformat.
(2) Offene Frageformate erhöhen die Abrufwahrscheinlichkeit mehrerer Konstrukte stärker als eine passive Aktivierung.
(3) Offene Frageformate führen zu einer höheren Selbstwirksamkeitserwartung als spezifische Frageformate.
(4) Offene Frageformate führen zu einem höheren situationsbezogenen Interesse als spezifische Frageformate.
(5) Spezifische Frageformate führen zu einer akkurateren Vorhersage der eigenen Leistung im Posttest als offene Frageformate.
Methode
54 Studierende nahmen am Experiment teil (41 weiblich; M=22.5 Jahre, SD=5.4). Das Design entsprach einem within-subjectDesign mit dem Faktor Interventionstestformat (offenes Frageformat vs. spezifisches Frageformat) und den abhängigen
Variablen Posttestscore, Selbstwirksamkeit, situatives Interesse und Korrektheit der metakognitiven Einschätzung. Es wurden
zwei Sachtexte verwendet (Text1: 2427 Wörter; Text2: 2607 Wörter). Der Posttest bestand aus allen spezifischen und offenen
Fragen. Selbstwirksamkeit, situatives Interesse und metakognitive Einschätzung wurden mit etablierten Verfahren erhoben.
Ergebnisse
Keines der Frageformate konnte eine generelle Überlegenheit in einem der beiden Posttestformate erzielen (spezifisch:
F[1,54]=0.458, p=.502; offen: F[1,54]=0.892, p=.349). Es konnten keine signifikanten Unterschiede in der mentalen Anstrengung
festgestellt werden (F[1,54]=.286, p=.596). (1) Spezifische Frageformate erhöhen die Abrufwahrscheinlichkeit eines spezifischen
Konstrukts in beiden Posttestformaten (spezifisch: F[1,54]=11.24, p=.002, ƞp²=.181 offen: F[1,54])=4.031, p=.050, ƞp²=.071). (2)
Offene Frageformate erhöhen die Abrufwahrscheinlichkeit mehrerer Konstrukte stärker als eine passive Aktivierung im offenen
Posttest (F[1, 54]=4.841, p=.032, ƞp²=.084), jedoch nicht im spezifischen Posttest (F[1,54]=.737, p=.395, ƞp²=.014).
(3) Offene Frageformate erhöhen die Selbstwirksamkeit (F[1, 53]= 4.602, p=.037, ƞp²=.080) und das (4) situative Interesse (F[1,
53]=13.928, p≤.001, ƞp²=.208). (5) Spezifische Frageformate ermöglichen eine exaktere metakognitive Einschätzung (offen: F[1,
53]= 11.470, p=.001, ƞp²=.178 spezifisch: F[1, 53]= 11.470, p=.001, ƞp²=.178).
Diskussion
Unter bestimmten Bedingungen existieren Effekte der Frageformate. Wird ein spezifischer Posttesttest verwendet, erhöhen
spezifische Frageformate substanziell den Abruf spezifischer Konstrukte. Dabei entsteht kein Nachteil in den passiv aktivierten
Konstrukten gegenüber der Aktivierung durch offene Frageformate. Wird ein offener Posttest verwendet, muss unterschieden
werden, ob ein breites oder ein spezifisches Lernziel erfüllt werden soll und das passende Testformat gewählt werden.
Auch die angenommenen indirekten Effekte wurden bestätigt. Besonders die Unterschiede in der Metakognition sind groß.
Lehrende sollten diese Effekte besonders in Verbindung von Testing-Phasen mit selbstgesteuerten Lernphasen berücksichtigen.
ID: 197 / G 03 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Sonderpädagogik, Didaktik Mathematik
Thematisches Cluster: Inklusion, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, Unterrichtsentwicklung/ Unterrichtsqualität
Stichworte: Mathematiche Förderung, Inklusiver Unterricht, Grundschule, Interventionsstudie
Erwartungswidrige Wirkungen einer Interventionsstudie im inklusiven Mathematikunterricht
Meret Stöckli, Elisabeth Moser Opitz, Mirjam Pfister
Universität Zürich, Schweiz
Theoretischer Hintergrund
Empirische Studien zeigen, dass rechenschwache Schülerinnen und Schüler zentrale arithmetische Konzepte (Dezimalsystem,
Operationsverständnis) bzw. basale Kompetenzen (z.B. Zählen) nur unzureichend erworben haben (z.B. Andersson, 2010; Geary
et al., 2007). Gemäß dem aktuellen Forschungsstand müssen wirksame Interventionen deshalb auf den Erwerb dieser
Kompetenzen ausgerichtet sein (z.B. Wißmann et al., 2013). Im Kontext von inklusiven Bestrebungen wird kontrovers diskutiert,
ob solche Interventionen auch effektiv sind, wenn sie unterrichtsintegriert umgesetzt werden (z.B. Freesemann, 2014; Fuchs et
al., 2015; Ise et al., 2012). Zudem interessiert, ob es möglich ist, Lehrkräfte durch Fortbildungen für solche Fördermaßnahmen
zu qualifizieren.
Fragestellung
In einer Interventionsstudie im dritten Schuljahr wurde überprüft, ob und unter welchen Bedingungen eine durch die Lehrkräfte
durchgeführte unterrichtsintegrierte Förderung, die auf die Erarbeitung von zentralen arithmetischen Konzepten basiert, wirksam
ist:



Wirkt sich eine unterrichtsintegrierte Förderung im dritten Schuljahr, die auf die Erarbeitung zentraler arithmetischer
Inhalte fokussiert, positiv auf die Mathematikleistungen der Schülerinnen und Schüler aus?
Hat die Form, mit der die Lehrkräfte angeleitet werden (Fortbildung vs. schriftliche Unterlagen) einen Einfluss auf die
Leistungsfortschritte der Schülerinnen und Schüler?
Welche Variablen auf Individual- und auf Klassenebene beeinflussen die Mathematikleistung bei den unterschiedlichen
Messzeitpunkten?
Methode
Design / Intervention
Zur Beantwortung der Fragestellungen wurde eine quasi-experimentelle Untersuchung mit vier Messzeitpunkten (Pre-Test, PostTest, Follow-Up 1, Follow-Up 2) und drei Gruppen (zwei Interventionsgruppen, eine Kontrollgruppe) durchgeführt. Die Stichprobe
bestand aus 811 Schülerinnen und Schülern aus 58 inklusiven Schulklassen, in denen auch Kinder mit Lernschwierigkeiten und
Förderbedarf Lernen beschult wurden.
Das Förderprogramm umfasste stark strukturierte Fördereinheiten zu den Themen Dezimalsystem, Zahlenstrahl und
halbschriftliche Addition/Subtraktion sowie Übungskarteien und Arbeitsblätter zum Aufbau des Operationsverständnisses und
zum Zählen. Es wurde von den Regellehrkräften während eines halben Jahres im Mathematikunterricht implementiert.
In beiden Interventionsgruppen haben die Lehrkräfte dieselben schriftlichen Unterlagen und Materialien erhalten. In einer der
beiden Interventionsgruppen haben die Lehrkräfte jedoch zusätzlich an einer Fortbildung teilgenommen. In dieser wurde der
Einsatz des Förderprogramms anhand von Videobeispielen reflektiert und es wurden weitere Hinweise zum Programm gegeben.
Messinstrumente
Die Mathematikleistungen wurden mit drei Tests erfasst, die im Rahmen des Projektes entwickelt wurden (Pre-Test: Cronbach’s
Alpha = .89; Post-Test/Follow-Up 1: Cronbach’s Alpha = .92; Follow-Up 2: Cronbach’s Alpha = .92). Die Tests fokussieren auf
zentrale arithmetische Inhalte und überprüfen das Verständnis wichtiger mathematischer Konzepte (Zählen in Schritten,
Operationsverständnis, dezimales Stellenwertsystem). Der IQ wurde mit dem CFT 1 (Weiß & Osterland, 1997) und der SES mit
der Bücheraufgabe (Paulus, 2009) erhoben. Zusätzlich wurden bei den Lehrkräften u.a. Angaben zur Erstsprache, Nationalität,
Sprachstand und besonderem Förderbedarf eingeholt.
Analysen
Für die Auswertung wurden Mehrebenenanalysen durchgeführt, da sich diese für hierarchische Datenstrukturen besonders
eignen (Snijders & Bosker, 2002).
Ergebnisse
Die Ergebnisse (Random-Intercept-Modelle) zeigen für alle Messzeitpunkte, dass die Klassen der Interventionsgruppe, deren
Lehrkräfte nur die schriftlichen Unterlagen erhalten haben, signifikant mehr Fortschritte gemacht haben als die Kontrollgruppe.
Für die Gruppe mit der zusätzlichen Fortbildung konnte dies entgegen den Erwartungen nicht festgestellt werden. Zudem zeigten
sich auch signifikante Unterschiede zwischen den Interventionsgruppen zugunsten der Gruppe ohne Fortbildung. Als signifikante
Prädiktoren für die Mathematikleistung haben sich auf der Individualebene für alle Messzeitpunkte das Vorwissen Mathematik
(Mathematikleistung Pre-Test), der IQ, das Geschlecht und der Förderbedarf Mathematik erwiesen. Auf Klassenebene war nur
das Vorwissen der Klasse beim Post-Test ein signifikanter Prädiktor. Weiterführende Modelle (Random-Slope, Cross-Level)
zeigen zudem, dass die Zusammenhänge zwischen Individual- und Klassenvariablen und der Mathematikleistung nicht in allen
Klassen und/oder Stichprobengruppen gleich ausgeprägt waren. Diese Ergebnisse tragen zur Erklärung der teilweise
erwartungswidrigen Ergebnisse bei.
Insgesamt zeigt sich, dass die Effektivität von unterrichtsintegrierten Fördermaßnahmen von einem komplexen
Bedingungsgefüge von Variablen beeinflusst wird.
ID: 199 / G 03 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktik Mathematik
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: testentwicklung, konzeptuelles verständnis, konzeptuelles wissen, analysis, mathematik
Messung des konzeptuellen Verständnisses im Analysisunterricht: Entwicklung eines Testinstruments
Marcel Klinger
Universität Duisburg-Essen, Deutschland
Zur Erhebung des konzeptuellen Verständnisses von Schülerinnen und Schülern im frühen Analysisunterricht wurde ein
Testinstrument entwickelt. Der Test fokussiert auf ein vorstellungsorientiertes Verständnis von Differentiation sowie zu
Funktionen im Allgemeinen.
Solche Inhalte sind in Nordrhein-Westfalen verpflichtend bis zum Ende der Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe zu
vermitteln. Aus diesem Grund wurde die Erhebung zum Ende der 10. Jahrgangsstufe an Gymnasien bzw. der 11. Jahrgangsstufe
an Gesamtschulen durchgeführt.
Den Begriff „konzeptuelles Verständnis“ oder synonym „konzeptuelles Wissen“ verstehen wir dabei vor allem im Sinne von Tall
& Vinner (1981, S. 152). Diese prägten den Begriff „concept image“ und verstehen ihn als „the total cognitive structure that is
associated with the concept, which includes all the mental pictures and associated properties and processes“. Konkret bedeutet
dies im Kontext des Ableitungsbegriffs, dass Schülerinnen und Schüler im Idealfall verschiedene Vorstellungen desselben
entwickeln sollten: Eine Ableitungsfunktion kann als Tangente an einen Graphen und somit als die lineare Bestapproximation
einer Funktion verstanden werden; sie kann aber auch als lokale Änderungsrate verstanden werden (z.B. Hußmann & Prediger
2010).
Ziel unserer Forschung ist es, ein fundiertes Messinstrument zur Verfügung zu stellen, welches im Stande ist konzeptuelles
Verständnis im Bereich der frühen Analysis zu messen. Andererseits steht aber auch die Evaluation im Vordergrund, welche
Kenntnisse sich bei Schülerinnen und Schülern zum Ende der Einführungsphase zeigen.
Zu Beginn der Entwicklungsphase wurde ein Pool an Items generiert. Hierbei handelt es sich teils um Neuentwicklungen, teils
um vorhandene Items anderer Studien, etwa aus den TIMSS-Erhebungen (vgl. Baumert et al. 2000). Items, welche nicht wie
intendiert funktionierten, wurden durch eine Pilotierungsphase und Expertenbegutachtungen vorab ausgeschlossen.
Um die Leistungsdaten auf einer Intervallskala abzubilden, wurde das dichotome Rasch-Modell herangezogen. Für jeden
Probanden wurden analog etwa zu den PISA-Erhebungen (Adams & Wu 2002) fünf Plausible Values generiert. Diese Methode
wurde gewählt, da sie für Populationsaussagen unverzerrte Ergebnisse liefert (vgl. ebd.).
Das finale Testinstrument umfasst 21 Items. Eine Erhebung mit 2665 Schülerinnen und Schülern (1340 männlich, 1304 weiblich,
21 ohne Angabe) fand zwischen April und Mai 2015 statt. Da es sich um eine nicht-verpflichtende Erhebung handelte, kann keine
Repräsentativität gewährleistet werden.
Ein Großteil der Items zeigte eine sehr gute Modellgüte in Form von Mean-Square-Fitwerten zwischen 0.8 und 1.2. Alle Werte
bewegen sich wenigstens im Bereich zwischen 0.5 und 1.5, was Linacre (2002) als „productive for measurement“ bezeichnet
und angesichts unterschiedlicher Testleiter in Form der jeweiligen Lehrkraft tolerabel erscheint. Bezüglich der Verteilung der
Items auf der konstruierten Skala sowie einer durchschnittlichen Lösungsquote von 50.6 Prozent erscheint die Testschwierigkeit
dem Niveau der Schülerinnen und Schüler angemessen.
Die Feststellung einer „consequent student preference for procedural methods rather than conceptual understanding“ von Tall
(1993, S. 17) können wir zu einem gewissen Grad anhand unserer Daten unterstützen: Items, welche eher prozedurales Wissen
erfordern, fallen teils deutlich leichter aus. Die Erhebung gestattet außerdem Schwierigkeiten bestimmter mathematischer
Aufgaben zu bestimmen bzw. zu vergleichen: So zeigt sich etwa, dass die Verschiebung einer Funktion in y-Richtung von
Schülerinnen und Schülern als erheblich schwieriger empfunden wird als in x-Richtung.
Ähnlich wie in anderen mathematischen Leistungsstudien (z.B. Hyde et al. 1990) ergeben
geschlechtsspezifische Abweichungen mittlerer Stärke zu Gunsten der Jungen (p < 0.001, d = 0.30).
Insgesamt steht somit ein fundiertes Testinstrument für weitere Studien bereit.
sich signifikante
ID: 200 / C 01 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Lehrerexpertise, Unterrichtsentwicklung/ Unterrichtsqualität
Stichworte: Unterrichtsqualität, Eingangsvoraussetzungen, Professionelles Wissen, Längsschnittstudie
Mitgebracht oder erworben? Eine 10-Jahres-Längsschnittstudie zu den Effekten von
Eingangsvoraussetzungen und Wissen auf die Unterrichtsqualität von Lehrkräften
Janina Roloff Henoch1, Uta Klusmann1, Oliver Lüdtke1,2, Ulrich Trautwein3
1
Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, Kiel; 2Zentrum für internationale
Bildungsvergleichsstudien; 3Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung, Eberhard Karls Universität Tübingen
Es konnte gezeigt werden, dass der Lernerfolg von Schüler/innen durch die Fähigkeit der Lehrkraft beeinflusst wird,
qualitätsvollen Unterricht zu gestalten (Kunter et al., 2013). Zur Frage, wie eine Verbesserung der Unterrichtsqualität von
Lehrkräften erreicht werden kann, lassen sich derzeit zwei Positionen identifizieren: 1) Eine Auswahl geeigneter Kandidaten
anhand von kognitiven und psychosozialen Eingangsvoraussetzungen bereits zu Beginn der Lehrerausbildung durchführen. Dies
entspricht der Bright Person Hypothese (Kennedy, Ahn & Choi, 2008; Begriff nach Kunter et al., 2013), nach der die kognitiven
Fähigkeiten, mit denen eine Person die Lehrerausbildung antritt, ausschlaggebend für die Qualität ihres Unterrichts sind. Auch
die Vorstellung, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale relevant für das Unterrichtshandeln sind (Duckworth, Quinn &
Seligman, 2009), entspricht diesem Ansatz. 2) Die Vermittlung professionellen Wissens und Könnens im Zuge der
Lehrerausbildung verbessern. Diese Position wird durch Befunde gestützt, die zeigen, dass professionelles Wissen, welches
insbesondere in der Lehrerausbildung erworben wird, einen Einfluss auf die Qualität der Unterrichtsgestaltung hat (Kunter et al.,
2013; Voss, Kunter, Seiz, Hoehne & Baumert, 2014).
Der vorliegenden Arbeit gelingt eine gemeinsame Betrachtung der kontroversen Ansätze, indem die Frage untersucht wird,
welche Vorhersagekraft kognitive und psychosoziale Eingangsvoraussetzungen und das in der Lehrerausbildung erworbene
professionelle Wissen von Lehrkräften auf die Qualität ihres Unterrichts haben. Dabei werden kognitive und psychosoziale
Eingangsvoraussetzungen bereits vor Antritt der Lehrerausbildung erhoben, was die Trennung von Selektions- und
Sozialisationseffekten ermöglicht. Zudem zeichnet sich die vorliegende Arbeit dadurch aus, dass die Unterrichtsqualität mittels
Schülerratings erfasst wird.
Fragestellungen
1.Welche Vorhersagekraft haben kognitive und psychosoziale Eingangsvoraussetzungen (erfasst zum Zeitpunkt des Abiturs) auf
die spätere Unterrichtsqualität von Lehrkräften?
2.Welche Vorhersagekraft hat das in der Lehrerausbildung erworbene professionelle Wissen von Lehrkräften auf ihre
Unterrichtsqualität?
Methode
Stichprobe
Die vorliegende Untersuchung kombiniert Daten der Längsschnittstudie TOSCA (Köller, Watermann, Trautwein & Lüdtke, 2004)
mit Daten der Studie SEKO. In TOSCA werden zwei repräsentative Stichproben von Abiturient/innen aus Baden-Württemberg
mittels postalischer Befragungen seit 2002 (Kohorte 1; zu Messzeitpunkt 1: 4730 Schüler/innen) bzw. 2006 (Kohorte 2; 6177
Schüler/innen) in ihrer beruflichen und psychosozialen Entwicklung begleitet. In die vorliegende Untersuchung gehen Daten des
ersten Messzeitpunktes zu kognitiven und psychosozialen Eingangsvoraussetzungen der Abiturient/innen ein. In SEKO wurden
464 potentielle Lehrkräfte identifiziert und im Jahr 2013 postalisch gebeten, ihre Unterrichtsqualität durch zwei Schulklassen
einschätzen zu lassen. Daten von 113 Lehrkräften (79.5% weiblich; Lehrtätigkeit seit: M=2011, SD=2.02) aus Sekundarschulen
mit 3768 Schüler/innen aus 213 Klassen (Klassenstufe: M=8.16, SD=2.09) wurden für die vorliegende Studie verwendet.
Instrumente
Eingangsvoraussetzungen. Die kognitive Grundfähigkeit wurde mittels des Kognitiven Fähigkeitstests (Heller & Perleth, 2000)
erfasst. Persönlichkeitsmerkmale wurden mittels des NEO-FFI (Borkenau & Ostendorf, 1991) erfasst: Neurotizismus,
Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit. Zudem wurde die Abiturabschlussnote (1=sehr gut
bis 6=ungenügend) erhoben.
Professionelles Wissen. Als Indikatoren für das professionelle Wissen werden die gemittelte Studiennote
bildungswissenschaftlicher Fächer, die Gesamtstudienabschlussnote sowie die Abschlussnote des Vorbereitungsdienstes
berücksichtigt. Alle Noten reichen von 1=sehr gut bis 6=ungenügend.
Unterrichtsqualität. Es wurden auf Schülerebene Skalen eingesetzt, die in Anlehnung an COACTIV (Kunter et al., 2011)
konstruiert wurden: 1)Kognitive Aktivierung, 2)Klassenführung, 3)Soziale Unterstützung, 4)Unterrichtstempo. Alle Skalen reichen
von 1=Trifft nicht zu bis 4=Trifft zu.
Ergebnisse
Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden Mehrebenenanalysen in Mplus angewendet (Ebene 1: Schüler/innen, Ebene 2:
Klassen, Ebene 3: Lehrkräfte), dabei wurde der Einfluss des Geschlechts der Lehrkraft kontrolliert. Die Ergebnisse zeigten
positive Effekte der Verträglichkeit auf die soziale Unterstützung und das Unterrichtstempo sowie der Abiturnote einer Lehrkraft
auf die Klassenführung. Zudem zeigten sich positive Effekte der Studienabschlussnote bildungswissenschaftlicher Fächer und
der Abschlussnote des Vorbereitungsdienstes auf dieselben drei Aspekte der Unterrichtsqualität. Damit stützen die vorliegenden
Befunde sowohl die Relevanz von Eingangsvoraussetzungen als auch die Bedeutung der Lehrerausbildung bei der Frage, wie
eine Verbesserung der Unterrichtsqualität erreicht werden kann.
ID: 202 / E 15 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Vorschulische Bildung
Stichworte: Belohnungsaufschub - soziale Disparitäten - Kompetenzen - kompensatorischer Effekt- vorschulische Bildung
Soziale Disparitäten im Vorschulalter und der Einfluss der Selbstregulation
Christian Lorenz, Monja Schmitt, Nicole Luplow, Carina Schönmoser
LIfBi – Leibniz-Institut für Bildungsverläufe e.V., Deutschland
Der in Deutschland stark ausgeprägte Zusammenhang von sozialer Herkunft und Kompetenzen konnte vor allem durch die
großen Large-Scale-Studien PISA und IGLU aufgedeckt werden (Baumert et al., 2001; Bos, Schwippert & Stubbe, 2007). Dass
sich diese im Grundschul- und Sekundarschulbereich gefundenen sozialen Disparitäten hierzulande aber schon viel früher,
nämlich bereits im Kindergartenalter, zeigen, konnte u. a. durch die BiKS-Studie nachgewiesen werden (Weinert & Ebert, 2013;
Weinert, Ebert & Dubowy, 2010). Dabei scheint die soziale Herkunft je nach Kompetenzbereich unterschiedlich stark zu wirken
und sich besonders deutlich in Leistungsbereichen zu manifestieren, die vom Ausmaß familiärer Anregung beeinflusst sind.
Neben der sozialen Herkunft hängen auch selbstregulatorische Fähigkeiten von Kindern, wie die Orientierung an längerfristigen
Zielen mit den Leistungen bzw. der Leistungsentwicklung zusammen (Shoda, Mischel & Peake, 1990). Vor allem in der
Entwicklungs- und Sozialpsychologie wird diese Fähigkeit häufig über Aufgaben zum sogenannten Belohnungsaufschub
gemessen (Carlson, Mandell & Williams, 2004; Kochanska, Murray & Harlan, 2000). Beim Belohnungsaufschub handelt es sich
um die Fähigkeit von (jüngeren) Kindern, die sofortige Befriedigung eines Wunsches zugunsten einer als wertvoller angesehenen
Befriedigung nach einer gewissen Wartezeit zurückzustellen (Carlson et al., 2004; Kochanska et al., 2000). Die mit dem
Belohnungsaufschub erfassten Konzepte werden in der Literatur vor allem in der Selbstregulation (Kopp, 1982) und der
Selbstdisziplin (Duckworth & Seligman, 2005) gesehen (vgl. auch Hasselhorn, Goldammer & Weber, 2008).
Die Vermutung liegt nahe, dass sich ein unterschiedlicher familiärer Anregungsgehalt und unterschiedliche
Ressourcenausstattung der Familie auch auf die selbstregulatorischen Fähigkeiten von Kindern auswirken. Untersuchungen
dazu sind jedoch rar (Neubauer 2012). In unserem Beitrag gehen wir daher der Frage nach, inwiefern sowohl verschiedene
vorschulische Kompetenzen als auch die selbstregulatorische Fähigkeit der Kinder mit ihrer sozialen Herkunft zusammenhängen.
Außerdem prüfen wir zum einen, inwieweit die Selbstregulation über die berücksichtigen Merkmale hinaus mit vorschulischen
Kompetenzen zusammenhängt, und zum anderen, ob die Fähigkeit zur Selbstregulation den Effekt der sozialen Herkunft auf die
Kompetenzen abschwächt oder verstärkt.
Als Datengrundlage verwenden wir die im Rahmen des Nationalen Bildungspanels (NEPS, Blossfeld et al., 2011) erhobenen
Kindergartendaten (Startkohorte 2). 2011 wurden deutschlandweit gut 2.700 Kinder im Vorschuljahr in ihren Kindertagesstätten
besucht und individuell - über zwei Testtage verteilt - in verschiedenen Kompetenzbereichen getestet. Diese umfassen
mathematische und kognitive Grundfähigkeiten genauso wie Maße der phonologischen Bewusstheit und des
Arbeitsgedächtnisses. Zudem wurde ein Szenario zum Wahlparadigma des Belohnungsaufschubs (vgl. Mischel, 2015)
vorgegeben, so dass ein Maß zu den selbstregulatorischen Fähigkeiten der Kinder vorhanden ist. Gleichzeitig liegen aus
Elterninterviews auch umfangreiche Daten zur sozialen Herkunft der Kinder vor.
Unsere regressionsanalytisch gewonnenen Ergebnisse weisen zum einen auf soziale Disparitäten in der Fähigkeit zur
Selbstregulation hin. Weitere Ergebnisse bestätigen zum anderen die auch in anderen Studien gefundenen Befunde sozialer
Disparitäten in den mathematischen und sprachlichen Kompetenzen, aber auch hinsichtlich kognitiver Grundfähigkeiten und des
Arbeitsgedächtnisses. Darüber hinaus interessiert uns, ob die Selbstregulation der Kinder, zusätzlich zu den oben genannten
sozialen und individuellen Merkmalen, einen Zusammenhang mit den verschiedenen vorschulischen Kompetenzmaßen zeigt.
Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Kinder, die sich für den Belohnungsaufschub entscheiden, durchweg höhere Leistungen
erzielen. Wenngleich also bestimmte soziale Merkmale offensichtlich den Erwerb selbstregulatorischer Fähigkeiten begünstigen,
sind diese Fähigkeiten zusätzlich zu sozialen und individuellen Merkmalen dem Kompetenzerwerb zuträglich. Daran
anschließend stellt sich die Frage, ob die Selbstregulation nicht nur einen über alle Gruppen hinweg positiven Effekt hat, sondern
ob sie auch einen kompensatorischen Effekt erzielen und damit soziale Disparitäten ausgleichen kann. Unsere Ergebnisse
zeigen, dass Kompetenzunterschiede, welche durch die sozio-ökonomische Herkunft entstehen, durch selbstregulatorische
Fähigkeiten verringert werden können.
ID: 204 / E 01 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Lernen mit Computer und neuen Medien, Methoden der empirischen
Bildungsforschung
Stichworte: Fragebogen, Selbstberichte, Skalen, Evaluation, Bildungstechnologie
BiCo: Eine bipolare kontinuierliche Ratingskala zur Minderung von Deckeneffekten bei der Evaluation
von Bildungstechnologien durch Kinder
Lara Schmitt1, Jochen Rick2, Armin Weinberger1
1
Universität des Saarlandes, Deutschland; 2badDesigner, USA
Theoretischer Hintergrund
Kinder mittels Fragebögen zu untersuchen kann u.a. aufgrund noch nicht voll entwickelter kognitiver Fähigkeiten besondere
Herausforderungen darstellen. Besonders problematisch ist die Evaluation von Bildungstechnologien. Dabei kommt es oft zu
starken Deckeneffekten (ausschließlich positive Bewertungen), weil jüngere Kinder dazu tendieren, extreme und sehr positive
Antworten zu geben (Borgers, De Leeuw, & Hox, 2000; Chambers & Johnston, 2002). So kommt es z. B. auch bei dem weit
verbreiteten Fragebogeninstrument Smileyometer, einer visuellen, fünffach gestuften Likertskala, die Spaß misst (Read, 2008),
oft zu Deckeneffekten (z. B. Looije, Neerincx, & de Lange, 2008), was valide Ergebnisse und statistische Analysen erschwert. Im
Rahmen eines Forschungsprojekts zum kooperativen Lernen mit einer von uns entwickelten iPad-App "Proportion" (Rick, 2012;
Rick, Kopp, Schmitt, & Weinberger, 2015) traten ebenfalls extreme Deckeneffekte beim Einsatz des Smileyometers auf. Eine für
Kinder geeignetere Fragebogenmethode ist, Vergleiche zwischen verschiedenen Technologien zu ziehen, wie das z. B. der Fall
ist bei Fun Sorter und Again-Again (Sim & Horton, 2012). Auch Kinder scheinen in der Lage zu sein, unmittelbare Vergleiche
zwischen unterschiedlichen Technologien zu ziehen. Auf dieser Fähigkeit Vergleiche anzustellen aufbauend, entwickelten wir ein
Instrument, das geeignet für die Evaluation einer Technologie ist, Deckeneffekte abschwächt und andere Aspekte außer "Spaß"
abdecken kann: „BiCo“ = Bipolar Continuous Rating Scale (Schmitt, Rick, & Weinberger, 2014). BiCo stellt zwei konträre
Aussagen an zwei Enden einer kontinuierlichen Achse gegenüber, z. B. „Nächstes Mal möchte ich alleine mit dem iPad lernen“
versus „Nächstes Mal möchte ich wieder mit einem Partner zusammen am iPad lernen“. Die Antwort kann frei an jeder Stelle der
Achse gegeben werden, je nachdem zu welcher Aussage man tendiert.
Fragestellung
Kann BiCo im Vergleich zu Smileyometer Deckeneffekte reduzieren?
Methode
BiCo wurde im Rahmen des Proportion-Forschungsprojekts eingesetzt: Wir untersuchen kooperatives Lernen von proportionalem
Denken mit der iPad App „Proportion“. An der Studie nahmen 125 Kinder der 4. Klasse (durchschnittlich etwa 10 Jahre alt) teil,
die individuell oder in Dyaden 40 Minuten mit der Proportion-App lernten. Vor und nach der Intervention wurden Mathetests und
Fragebögen eingesetzt. Nachdem wir bei der ersten Datenerhebung starke Deckeneffekte mit Smileyometer entdeckten, setzten
wir bei den weiteren Erhebungen BiCo zusätzlich ein. Smileyometer-Fragen wurden ins BiCo-Format übersetzt.
Ergebnisse
Zur Bestimmung der Validität wurden die Antworten von Smileyometer und BiCo korreliert: Alle sechs Items erreichten signifikante
Korrelationen (p<.05) von r=.33 bis r=.68. Deskriptiv zeigte sich, dass die Mittelwerte mit BiCo bei allen Items niedriger als mit
Smileyometer waren. Diese Abnahme in den Mittelwerten wurde statistisch mit einer Bonferroni-korrigierten messwiederholten
ANOVA überprüft: In drei von sechs Fällen war die Abnahme auch statistisch signifikant (F(1,79)=31.72, p=.000; F(1,81)=10.25,
p=.002 bzw. F(1,64)=8.34, p=.005). Es zeigte sich also, dass BiCo Potential hat, Deckeneffekte bei der Technologieevaluation
durch Kinder abzumildern. Weitere Forschung an BiCo könnte beinhalten, die Erstellung bipolarer Aussagen sowie deren
kontinuierliche Darstellung auf einer BiCo-Skala zu systematisieren. Des Weiteren steht aus, BiCo mit anderen Altersklassen
und Domänen zu validieren und eventuell zu adaptieren.
ID: 205 / F 02 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lehrer(aus)bildung
Stichworte: Auswahlgespräche, Hochschulzulassung, Eignungsabklärung, Lehrereignung
Auf der Suche nach geeigneten Lehrkräften – welche Möglichkeiten und Grenzen beinhalten
Auswahlgespräche?
Franziska Frost
Technische Universität München, School of Education, Deutschland
Um geeignete Personen für den Lehrerberuf zu gewinnen und zu qualifizieren (vgl. OECD, 2005), nehmen sich Hochschulen seit
einigen Jahren zunehmend der Herausforderung an, Zulassungs- und Eignungsabklärungsverfahren für Lehramtsstudiengänge
einzurichten (Nieskens, 2013). Auswahlgespräche ermöglichen eine persönliche Begegnung zwischen Bewerberinnen und
Bewerbern sowie Vertreterinnen und Vertretern der Hochschule. Diese kann vor allem dazu genutzt werden, um nicht-kognitive
Merkmalsbereiche (z.B. Studienwahlmotivation, kommunikative und soziale Fähigkeiten; vgl. Amelang, 1997; Gold & Souvignier,
2005) zu erfassen und individuelle Talente und Neigungen zu berücksichtigen (Hell, 2006). Gleichzeitig werden
Auswahlgespräche im Hinblick auf ihre Durchführungs- und Auswertungsobjektivität kritisiert (DGPS, 1997). Bisher gibt es kaum
empirisch gesichertes Wissen über die Güte und Wirksamkeit verschiedener Eignungsabklärungsverfahren (Klusmann, Köller &
Kunter, 2011).
An der TUM School of Education erfolgt die Zulassung zum gymnasialen Lehramtsstudium in den MINT-Fächern seit einigen
Jahren durch ein zweistufiges Zulassungsverfahren. Im Fall sehr guter Abiturleistungen erhalten Bewerberinnen und Bewerber
eine direkte Zulassung. Alle übrigen Bewerberinnen und Bewerber werden zu einem Auswahlgespräch eingeladen. Dieses ist
teil-strukturiert und thematisiert den fachlichen, pädagogisch-didaktischen, motivationalen und persönlichen Kompetenzbereich.
Das Gespräch wird von einer multiperspektivisch zusammengesetzten Kommission geführt und inkludiert ein Feedback. In
diesem Beitrag werden Potenziale und Grenzen der Auswahlgespräche empirisch erforscht. Im Fokus stehen zwei
Fragestellungen: (1) Wie objektiv sind die Auswahlgespräche und die dabei vorgenommenen Beurteilungen? (2) Welchen
Einfluss üben die beiden Zulassungsbedingungen auf das Immatrikulationsverhalten aus?
Zur Beantwortung der ersten Fragestellung wurden N = 22 Auswahlgespräche von vier verschiedenen Kommissionen
inhaltsanalytisch anhand eines theoriegeleiteten Kategoriensystems ausgewertet (vgl. Mayring, 2010). Zwei unabhängige Rater
erzielten zufriedenstellende Übereinstimmungen (.65 < ICC < 1.00). Für den Vergleich wurden prozentuale Häufigkeiten,
Varianzkoeffizienten und qualitative Aussagen herangezogen. Im Hinblick auf die zweite Fragestellung wurden die Häufigkeiten
der Studienentscheidungen (Lehramtsstudium an der TUM School of Education / Lehramtsstudium an einer anderen Universität
/ kein Lehramtsstudium) einer gesamten Bewerberkohorte (N = 237) unter den beiden Zulassungsbedingung (Direktzulassung /
Auswahlgespräch) verglichen.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Kommissionen in den Auswahlgesprächen verschiedene inhaltliche Schwerpunkte setzen.
Ebenso große Varianzen konnten zwischen den einzelnen Gesprächen der vier Kommissionen festgestellt werden. Die
qualitativen Aussagen deuten darauf hin, dass sich die Unterschiede durch eine am Individuum orientierte Eignungsberatung
erklären lassen. Die Analysen zu den Studienentscheidungen haben zunächst gezeigt, dass Auswahlgespräche selbstselektive
Effekte bewirken: Mehr als 28 Prozent der Bewerberinnen und Bewerber folgen der Einladung zum Auswahlgespräch nicht. Wird
das Gespräch erfolgreich passiert, kann eine bindende Wirkung festgestellt werden, indem sich mehr als 87 Prozent der
Bewerberinnen und Bewerber für das Lehramtsstudium an der TUM School of Education einschreiben. Insgesamt ist die
Wahrscheinlichkeit einer Einschreibung unter den zugelassenen Bewerberinnen und Bewerbern somit in beiden Bedingungen
etwa gleich groß (Direktzulassung: 49.6 %; Auswahlgespräch: 50.4 %). Deutliche Unterschiede bestehen jedoch im Hinblick auf
die Wahl eines Lehramtsstudiums an einer anderen Universität an, was unter der direkten Zulassungsbedingung sehr viel
wahrscheinlicher ist (62.2 % versus 37.8 %).
Die Diskussion zu den Möglichkeiten und Grenzen von Auswahlgesprächen erfolgt vor dem Hintergrund eignungsdiagnostischer,
juristischer und praktischer Anforderungen. Ferner werden Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Zulassungsverfahrens
aufgezeigt. Es wird diskutiert, ob der Wirkungsgrad mit obligatorischen, nicht selektiven Gesprächen gesteigert werden kann. Um
kommissionsgruppenspezifische Effekte zu minimieren, bedarf es einer stärkeren Standardisierung der Gespräche, bei der
gleichzeitig die Berücksichtigung individueller Beratungsbedarfe gewährleistet bleiben sollte.
ID: 207 / B 15 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Lernen mit Computer und neuen Medien
Stichworte: multimedia learning, emotional design, mixed-methods
Emotional Design von Texten beim multimedialen Lernen
Lisa Knörzer, Roland Brünken, Babette Park
Universität des Saarlandes, Deutschland
Vor dem theoretischen Hintergrund der Cognitive-Affective Theory of Learning with Media (CATLM; Moreno, 2006) postuliert die
emotional-design-Hypothese (Mayer & Estrella, 2014), dass eine emotionale Gestaltung von Bildelementen einer multimedialen
Instruktion den emotionalen Zustand von Lernenden verändern sowie zu einem höheren Lernerfolg führen kann. Die Gültigkeit
dieser Hypothese wurde in mehreren Studien bestätigt (z.B. Plass et al., 2014). Da jedoch eine multimediale Instruktion neben
Bild- auch aus Textelementen besteht, ist es Ziel dieser Studie die Gültigkeit der Hypothese bezüglich einer emotionalen
Gestaltung von Textelementen zu untersuchen.
Hierzu wird das "Emotionspotential" (Schwarz-Friesel, 2013) der Textelemente einer multimedialen Instruktion durch das
Hinzufügen von emotionalen metaphorischen Einschüben variiert. Es wird untersucht, inwiefern eine emotionalisierte
Textgestaltung zu einer Veränderung des emotionalen Zustandes von Lernenden sowie zu einem höheren Lernerfolg führt. Es
wird erwartet, dass sich die durch Metaphern negativ und positiv emotionalisierten Textelemente als lernförderlich erweisen, die
veränderte Emotionalität der Lerntexte soll sich zudem auf den emotionalen Zustand der Lernenden auswirken.
Die Studie wurde als einfaktorielles experimentelles Design mit dem dreifach gestuften Faktor Lerntext (positive Metaphern vs.
negative Metaphern vs. ohne Metaphern) realisiert. Als multimediale Instruktion wurde ein computerbasiertes multimediales
Lernprogramm in rein visuellem Format (Text+Bild) zum Thema ATP-Synthase verwendet. Der Lerntext des Lernprogramms
wurde variiert. Die Version ohne Metaphern enthielt den "neutralen" Lerntext. Für die Experimentalbedingungen wurde dieser mit
metaphorischen Einschüben angereichert. Die verwendeten Wortgruppen zur Bildung der Metaphern wurden aus der Wortliste
BAWL-R (Võ et al., 2009) nach Kriterien der Anschaulichkeit sowie Emotionalität der Worte ausgewählt. Die Worte “Blume“ und
“Blütenblätter“ wurden in der Version mit positiven Metaphern, die Worte “Geschwür“ und “Warze“ in der Version mit negativen
Metaphern verwendet, um einzelne Teile des ATP-Synthase-Moleküls zu exemplifizieren.
Es nahmen N=45 Studierende an der Studie teil (69% weiblich, Alter: M=24.01, SD=3.44), welche zufällig einer der drei Gruppen
zugewiesen wurden. Die Studienteilnehmer wurden individuell in ca. 60-minütigen Sitzungen getestet. Neben demographischen
Daten und dem Vorwissen (z.B. "Nennen Sie das Organell der Zellatmung.") wurde der emotionale Zustand (PANAVAKurzskalen; Schallberger, 2005) der Probanden erfasst (jeweils keine signifikanten Gruppenunterschiede). In der Lernphase
bearbeiteten die Probanden entweder die positive, die negative oder die neutrale Version des Lernprogrammes. Es folgten als
Manipulationscheck erneut der Emotionsfragebogen und der Lernerfolgstest (5 Items; α=.68). Abschließend wurde ein
Leitfadeninterview durchgeführt, in welchem die Teilnehmer zu ihrem emotionalen Erleben während des Lernens befragt wurden.
Zusätzlich wurden Probanden der beiden Experimentalgruppen (mit positiven oder negativen Metaphern) zur Wirkung der
Metaphern auf ihren Lernprozess interviewt.
Die beiden Gruppen, welche mit den mit Metaphern angereicherten Lernprogrammversionen arbeiteten, schnitten im
Lernerfolgstest besser ab als die Kontrollgruppe, F(2,42)=4.68,p=.015,η2=.18. Die Auswertung der Leitfadeninterviews deutet
darauf hin, dass unterschiedliche Wirkmechanismen die Lernförderlichkeit der positiven und negativen Metaphern bezüglich des
Lernprozesses erklären. Positive Metaphern führten aufgrund ihrer visuellen Ähnlichkeit mit dem Lerngegenstand zum höheren
Lernerfolg; diese Metaphern wurden von den meisten Lernenden im Interview als hilfreich eingestuft. Bezüglich der negativen
Metaphern stufte die Mehrheit der Lernenden diese zunächst eher als verwirrend oder lernhinderlich ein, gab jedoch im weiteren
Verlauf des Interviews an, dass die Metaphern ein genaueres Nachvollziehen der Lerninhalte ausgelöst hätten, da sie ihrer
Meinung nach nicht zu dem im Lernprogramm gezeigten Bildern passten, sodass die Darstellung der Lerninhalte kritisch
hinterfragt wurde.
Inferenzstatistische Auswertungen der Emotionsfragebogen deuten darauf hin, dass die die emotionalisierten Lerntexte nicht zu
signifikanten Veränderungen des emotionalen Zustandes der Lernenden führten, F s<1. Dies konnte durch die qualitativen Daten
des Leitfadeninterviews gestützt werden.
Insgesamt weisen die Befunde der Studie auf die Lernförderlichkeit von Metaphern hin, welche aber nicht als Elemente eines
emotionalen Designs identifiziert werden konnten. Inwieweit sich eine umfassendere Variation des Emotionspotentials von
Texten in multimedialen Lernumgebungen auf den emotionalen Zustand von Lernenden auswirken kann, bleibt zu untersuchen.
ID: 208 / B 02 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, Trainings- und Evaluationsforschung
Stichworte: Deutsch als Zweitsprache, sprachliches Scaffolding, frühes naturwissenschaftliches Lernen
Wissenserwerb von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache durch sprachliches Scaffolding – Vergleich
zweier Trainingsstudien
Susanne Mannel1, Sarah Sauer1, Ilonca Hardy1, Henrik Saalbach2
1
Goethe-Universität Frankfurt, Deutschland; 2Universität Leipzig, Deutschland
Für Lerner mit einem niedrigen Sprachstand im Deutschen spielt Bildungs-sprache eine wichtige Rolle beim Erwerb inhaltlicher
Kompetenzen. Sie dient als mentales Werkzeug zur Konstruktion von Bedeutung und unter-stützt den Konzepterwerb (z.B.
Tomasello, 2008; Stanat et al., 2010). Beim Experimentieren ist der Bildungssprachgebrauch z.B. beim Formulieren von
Hypothesen und Kommunizieren von Ergebnissen - beides Prozesswissenskomponenten - ein wichtiger Bestandteil. Evidenz für
die Bedeutsamkeit sprachlicher Unterstützung (z.B. im Sinne von sprachlichem Scaffolding) beim naturwissenschaftlichen Lernen
liegt bereits für das Vorschulalter vor (z.B. Vollmer, 2010). In Anlehnung an Pea (2004) und Gibbons (2002) lässt sich
konzeptuelles und prozessuales Verständnis einerseits durch ein anspruchsvolles Einbringen von Bildungssprache im Sinne
eines Sprachmodells (Modellierungen) unterstützen, andererseits durch eine verbal unterstützte Lenkung der Aufmerksamkeit
auf inhaltlich relevante Aspekte (Fokussierungen). Durch eine eigenaktive Anwendung von Bildungssprache im Dialog mit
Lernpartnern, im Sinne einer Ko-Konstruktion, sollte sich Partnerarbeit zwischen den Kindern zusätzlich lernförderlich auswirken
(Elbers & de Haan, 2005).
Vor diesem Hintergrund werden in zwei *T*rainingsstudien mit a) *V*orschulkindern (TV, N=132; davon N=86 mit *D*eutsch *a*ls
*Z*weitsprache; 10 Einrichtungen) und b) *G*rundschulkindern der Jahrgangsstufe 1 (TG, N=63, davon N=34 mit DaZ; 5 Klassen
aus 2 Schulen) zwei mit sprachlichen Scaffolding-Techniken angereicherte Lernsequenzen durchgeführt mit dem Ziel, den
Konzepterwerb insbesondere bei Kindern mit DaZ zu unterstützen. Wir erwarten, dass sprachliches Scaffolding der Trainerin den
Konzepterwerb fördert und dass sprachlicher Austausch in kooperativen Settings den Lerngewinn zusätzlich erhöht Der
Lerngewinn kooperativer Lernsettings wurde insbesondere für die Stichprobe der Erstklässler erwartet, da die älteren Kinder über
größere Vorerfahrung ko-konstruktiver Sprachhandlungen im Unterricht verfügen. In einem Prä-Post-Design wird daher der
Einfluss des sprachlichen Scaffoldings in Trainingsgruppen mit Partnerarbeitsphasen sowie in Gruppen mit
Einzelarbeitsphasen untersucht. Die Zuteilung der Kinder zu den Bedingungen erfolgt zufällig. Neben Einzel- bzw.
Partnerarbeitsphasen werden auch Plenumsphasen realisiert. Sowohl die Plenums- als auch die Partnerarbeitsphasen dienen
der Ko-Konstruktion der zu erarbeitenden naturwissenschaftlichen Konzepte sowie der Einführung und der fortwährenden
Anwendung zentraler Prozessbegriffe (z.B. vermuten).
Die Lernsequenzen thematisieren das Materialkonzept als Eigenschaft von Objekten und Magneten und ihre Wirkweise (Autor,
2013). Für die Testung des Lernzuwachses im Konzeptverständnis und im Verständnis von Prozessbegriffen werden in beiden
Trainingsstudien Testinstrumente eingesetzt, wobei die Testitems aus der Vorschulstudie in gruppentestfähige Items für die
Grundschulstudie überführt wurden (Skalenreliabilitäten (Cronbach’s α): .717-.998). Als Kontrollvariablen wurden
Sprachverständnis und Intelligenz erhoben. Da ein Fokus der Trainingsstudien auf der Förderung von Kindern mit DaZ liegt, wird
im Beitrag der Lernzuwachs speziell für diese Lerngruppe berichtet.
Erwartungskonform zeigt sich in beiden Trainingsstudien ein signifikanter Lerneffekt im konzeptuellen Verständnis und zwar
sowohl für die Trainingsgruppen mit Partnerarbeitsphasen als auch für jene mit Einzelarbeitsphasen (Studie 1 (TV):
F(1,72)=5,365, p=.023, Studie 2 (TG): F(1,31)=5,611, p=.024). Der erwartete zusätzliche Lerneffekt im konzeptuellen Verständnis
durch die intendierte erhöhte mündliche Sprachproduktion in den Trainingsgruppen mit Partnerarbeitsphasen zeigt sich jedoch
in beiden Trainingsstudien nicht. Stattdessen ist der Lernzuwachs in diesem Bereich in den Gruppen mit Einzelarbeitsphasen
größer (Studie 1 (TV): F(1,72)=8,952, p=.004, Studie 2 (TG): F(1,31)=239,094, p<.001). Hinsichtlich des Verständnisses von
Prozessbegriffen zeigt sich, dass die Lerner aus beiden Trainingsstudien nur in der Bedingung mit Einzelarbeitsphasen signifikant
dazulernen, in der Bedingung Partnerarbeit jedoch nicht (Studie 1 (TV): (Studie 1 (TV): F(1,72)=2,659, p=.05, Studie 2 (TG):
F(1,31)=96,669, p<.001). Als Kovariaten fließen in alle Analysen Sprachverständnis und Intelligenz mit ein.
Die Ergebnisse weisen auf die Bedeutsamkeit ko-konstruktiver Lernsettings mit zwischengeschalteten Einzel- bzw.
Partnerarbeitsphasen für den Erwerb von konzeptuellem Verständnis bei Kindern mit DaZ in beiden Altersgruppen hin. Im Kontext
früher konstruktivistischer naturwissenschaftlicher Lernumgebungen scheint Einzelarbeit für beide Altersgruppen effektiver für
die Festigung von Wissen zu sein, sowohl hinsichtlich der Entwicklung eines Konzeptverständnisses als auch eines
Verständnisses von Prozessbegriffen. Diese Annahme gilt es in experimentellen Studien zu überprüfen.
ID: 209 / G 01 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Wirtschafts- und Berufspädagogik, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Trainings- und Evaluationsforschung
Stichworte: Trainingsentwicklung, Evaluation, Lehrerbildung, Lehrerkompetenz
Entwicklungsphasen eines Trainingskonzepts zur Förderung der Professionellen Fehlerkompetenz im
Rechnungswesen
Claudia Krille, Benjamin Salge, Eveline Wuttke
Goethe Universität Frankfurt, Deutschland
Damit Lehrer ihre Schüler beim Lernen aus eigenen Fehlern unterstützen können, benötigen sie (1) domänenspezifisches Wissen
über Schülerfehler (v.a. basierend auf Fachwissen, FW), (2) Wissen über Handlungsstrategien in Fehlersituationen (v.a.
basierend auf Fachdidaktischem Wissen, FDW) und (3) förderliche Sichtweisen bezüglich der Lernwirksamkeit von Fehlern. Nach
Seifried und Wuttke (2010) lassen sich diese Facetten als Professionelle Fehlerkompetenz (PFK) (hier im Rechnungswesen)
zusammenfassen. Vorangegangene Studien konnten zeigen, dass diese Kompetenz bei angehenden Lehrern nur defizitär
ausgeprägt ist (Bouley et al., 2015; Türling et al., 2012), was eine gezielte Intervention nahelegt. Vor diesem Hintergrund war es
Ziel ein Trainingskonzept zu erarbeiten und zu evaluieren, das die PFK im Rechnungswesen fördert. Es werden 3 Studien
vorgestellt, die dessen Entwicklungsschritte repräsentieren.
Studie 1
Es wurden 2 Interventionen umgesetzt: Trainingsgruppe 1 fokussierte auf fehleranfälliges Fachwissen im Rechnungswesen,
Trainingsgruppe 2 auf relevantes fachdidaktisches Wissen. Mit der Trennung sollten differentielle Effekte der Förderung einer
Kompetenzfacette einschätzbar sein. Beide Trainingsgruppen waren im Hinblick auf Organisation und
Wissensvermittlungsmethoden vergleichbar: Sie erhielten ein 8-stündiges Training (zweimal 4 Stunden) mit empirisch belegten
erfolgsfördernden Merkmalen (aktives Lernen, Übungsphasen, Peer-Kollaboration, Reflexionsphasen; vgl. Gräsel et al., 2006;
Ingvarson et al., 2005).
Es nahmen 172 Referendare teil. Die Messinstrumente wurden vor und nach der Intervention eingesetzt und repräsentieren die
ersten beiden Evaluationsebenen nach Kirkpatrick (1998). Die Reaktionsebene wurde mithilfe von Items von Grohmann und
Kauffeld (2013) erhoben. Auf der Lernebene wurde sowohl ein Wissenstest (je 12 Items für FW und FDW; Berger et al., 2013)
eingesetzt, als auch Videovignetten, anhand derer die TeilnehmerInnen Schülerfehler erkennen und korrigieren sollten.
Auf der Reaktionsebene schätzten alle TrainingsteilnehmerInnen das Training auf einem mittleren Niveau ein (kein signifikanter
Gruppenunterschied). Im Wissenstest erzielten die TeilnehmerInnen vor und nach den Trainings mittlere Ergebnisse (kein
signifikanter Unterschied). Lediglich bei der Korrektur von Schülerfehlern in den Videovignetten verbesserten sie sich signifikant
(allerdings Interventionsgruppen und Wartekontrollgruppe).
Studie 2
Häufige Rückmeldung der Referendare war, das Training belaste zeitlich zusätzlich und sei für ihre aktuelle Situation wenig
relevant (nur wenige unterrichten bereits Rechnungswesen). Deshalb wurde das Training in Studie 2 in ähnlicher Weise (2
Interventionen) in einer universitären Master-Lehrveranstaltung mit 26 Wirtschaftspädagogik-Studierenden umgesetzt. Die
Inhalte der beiden Interventionsgruppen wurden jeweils auf 6 Termine mit je 90 Minuten aufgeteilt. Zur Evaluation wurden die
Instrumente wie in Studie 1 eingesetzt. Während die Studierenden das Training auf der Reaktionsebene signifikant besser
einschätzten als die Referendare, ergaben sich für die Lernebene sowohl bei den Videovignetten als auch im Wissenstest
vergleichbare Ergebnisse wie in Studie 1.
Ein Hauptkritikpunkt der TeilnehmerInnen in Studie 1 und 2 war, dass beiden Gruppen die jeweils andere Facette der PFK fehlte:
Während Interventionsgruppe 1 (FW) fachdidaktische Inhalte vermisste, fehlte Interventionsgruppe 2 (FDW) die fachlichen
Inhalte, um neu Gelerntes anwenden zu können. Außerdem zeigten genauere Analysen eine eingeschränkte Inhaltsvalidität der
Wissenstestitems.
Studie 3
Basierend auf dieser Erkenntnis wird die ursprünglich methodisch motivierte Trennung beider Facetten zugunsten eines
integrierten Trainings (FW und FDW) aufgelöst und zunächst erneut in einer Universitätslehrveranstaltung umgesetzt. Das
Training umfasst 9 Termine á 90 Minuten. Auf der Reaktionsebene werden die gleichen Items genutzt. Der Wissenstest wurde
noch stärker auf die Trainingsinhalte angepasst und reduziert (FW: 9 Items, FDW: 8 Items). In einer Pilotstudie nahmen 5
Studierende teil. Deskriptive Auswertungen lassen erkennen, dass die TeilnehmerInnen die Intervention subjektiv ähnlich wie die
Studierenden in Studie 2 einschätzen. Die Videovignetten-Ergebnisse sind vergleichbar. Allerdings nahm die Leistung im
Wissenstest von Vor- zu Nachtest zu. Diese Ergebnisse geben einen optimistischen Blick auf das überarbeitete Training.
Ergebnisse der Hauptstudie mit einer größeren Studierendenstichprobe werden auf der Konferenz präsentiert. Ziel ist es, den
Prozess der Trainingsentwicklung zu präsentieren und zu diskutieren und Empfehlungen für Forscher und Praktiker abzuleiten
und zu diskutieren.
ID: 211 / D 03 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Lernen mit Computer und neuen Medien, Mathematischnaturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: Computerselbstkonzept, computergestützter Unterricht, Lernort Labor, kognitives Lernen
Computergestützter Unterricht: Ein Garant für langfristigen Lernerfolg?
Jessica Langheinrich, Franz X. Bogner
Universität Bayreuth, Deutschland
Theoretischer Hintergrund und Fragestellung
Integration von computerbasierten Medien in den Unterricht erfreut sich zunehmender Beliebtheit, denn der Einsatz von
beispielsweise online-Simulationen, Animationen oder „Augmented Reality-Tools“ bietet zahlreiche Visualisierungsmöglichkeiten
von Fachinhalten und scheint demzufolge ein besseres Verständnis wie auch einen langfristigen Wissenszuwachs zu
garantieren. Doch trifft dies auf jeden Lerner zu?
Gerade im Umgang mit Computern gibt es immer noch starke geschlechtsspezifische Unterschiede. So zeigt eine aktuelle Studie,
dass Mädchen ihre Computerkenntnisse oft schlechter einstufen, seltener den digitalen sozialen Austausch suchen und weniger
Wissen im ICT-Bereich besitzen (Christoph, Goldhammer, Zylka, & Hartig, 2015). Auch im sogenannten Computerselbstkonzept
gibt es gerade in schulrelevanten Altersstufen klassische stereotypische Unterschiede (Langheinrich, Schönfelder, & Bogner,
2015). Das Computerselbstkonzept ist ein dynamisches Konstrukt, welches in ständiger Auseinandersetzung zwischen dem
Selbst und der Umwelt, bezüglich eigener Fähigkeiten, Interessen, Erfahrungen, Haltungen und Erwartungen gegenüber dem
Umgang mit dem Computer, entwickelt wird (Janneck, Vincent-Höper, & Ehrhardt, 2013). Dem Computerselbstkonzept wird sogar
zugesprochen den Wissenserwerb während des Arbeitens mit dem Computer direkt zu beeinflussen (Christoph et al., 2015).
Hieraus ergeben sich folgende Forschungsfragen:
(1) Eignet sich computergestützter Unterricht zur Erlangung eines langfristigen Wissenszuwachses?
(2) Wird dieser Wissenszuwachs von dem individuellen Selbstkonzept beeinflusst?
Methode
Diese Studie wurde im Rahmen des Demonstrationslabors Bio-/Gentechnik der Universität Bayreuth durchgeführt und bestand
aus einem computergestütztem Unterrichtsmodul am außerschulischen Lernort Labor mit dem Titel „DNA-Unser Erbgut“ (Dauer:
270 Minuten). Die laborpraktische Tätigkeit setzte sich aus zwei Versuchen zusammen, der Isolierung von DNA aus
Mundschleimhautzellen und der Agarosegelelektrophorese. Die Computerlerneinheit diente als Brücke zwischen beiden
Versuchen. Hierbei arbeiteten die Teilnehmer mit einem interaktiven DNA-Modell. Insgesamt beteiligten sich 162 Schüler der
Jahrgangsstufe 11 des bayerischen Gymnasiums (Altersdurchschnitt M = 17,05; SD = 0,68; Geschlechterverhältnis
ausgeglichen).
Die Studie setzte sich aus einem Vor-, Nach- und Behaltenstest zusammen. Der Vortest fand eine Woche vor dem
Unterrichtsmodul in der Schule statt, der Nachtest direkt und der Behaltenstest neun Wochen nach dem Unterrichtsmodul. Zu
allen drei Testzeitpunkten wurde ein Wissenstest zum Unterrichtsmodul abgefragt, um Veränderungen im Wissen der Teilnehmer
beobachten zu können. Dieser Wissenstest beinhaltete 20 Items, 8 Fragen zum experimentellen Teil und 12 Fragen zur
eLearning-Einheit (Cronbach’s α zu jedem Testzeitpunkt > 0,628). Im Vortest wurde zusätzlich die Skala zur Messung des
Computerselbstkonzeptes von Langheinrich et al. (2015) verwendet. Durch eine Test-Retest-Stichprobe (N = 38;
Altersdurchschnitt M = 16,08; SD = 1,15; 21 weiblich; 17 männlich) konnte sichergestellt werden, dass das bloße mehrmalige
Ausfüllen des Fragebogens den Wissensstand nicht beeinflusst.
Ergebnisse
Zunächst konnte gezeigt werden, dass computergestützter Unterricht am außerschulischen Lernort Labor themenbezogenes
Wissen langfristig steigert. Dies gilt für die Lerninhalte des gesamten Moduls (p < 0,001) wie auch der eLearning-Einheit (p <
0,001). Des Weiteren wurde ein geschlechtsspezifischer Unterschied zwischen dem Computerselbstkonzept der Mädchen
(M(CSC) = 2,28) und dem der Jungen (M(CSC) = 2,73) bestätigt (p < 0,001). Für das Selbstkonzept konnten bereits
Auswirkungen auf das Lernen gezeigt werden (Guay, Marsh, & Boivin, 2003). Dennoch blieb in dieser Studie der zu erwartende
Einfluss des individuellen Computerselbstkonzeptes auf den Wissenszuwachs in der Computerlerneinheit aus. Hieraus lässt sich
deuten, dass das Computerselbstkonzept generell einen Wert überstiegen hat, der es den Schülern ermöglicht, den Computer
als Werkzeug zum Zweck des Wissenserwerbs mit eLearning-Tools problemlos zu nutzen. Die auftretenden Unterschiede im
Wissenszuwachs müssen folglich andere Ursachen, wie beispielsweise die Selbstwirksamkeit oder individuelle Einstellungen,
haben (Fremerey & Bogner, 2015; Zimmermann, 2000).
ID: 214 / C 05 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung
Stichworte: Qualifikations-Mismatching, Kompetenzen, lebenslanges Lernen
"Effekte von Über- und Unterqualifizierung (_Qualifikations-Mismatching_) auf grundlegende
Kompetenzen Erwachsener und Weiterbildungsteilnahme"
Sai-Lila Rees, Bernhard Schmidt-Hertha
Universität Tübingen, Deutschland
Betrachtet man das Qualifikationsniveau Erwerbstätiger in Deutschland zeigt sich, dass ungefähr 15 % der
sozialversicherungspflichtigen Teil- und Vollzeitbeschäftigten formal überqualifiziert sind (Reichelt & Vicari, 2015). In Europa ist
der Anteil nahezu doppelt so hoch (Leuven & Oosterbeek, 2012). Die formalen Qualifikationen der Erwerbstätigen, die sie im
Bildungssystem erworben haben, korrespondieren demnach nicht mit den formalen Qualifikationen, welche sie zur Ausübung
einer vorhandenen Stelle oder auszuübenden Tätigkeit benötigen (Hotz-Hart & Rohner, 2014). Liegt eine solche Diskrepanz
zwischen den formalen Qualifikationen und den formalen Anforderungen vor (Qualifikations-Mismatching), kann es zu einer Überoder Unterforderung der Erwerbspersonen kommen. Dieser Umstand kann weitreichende individuelle und gesamtwirtschaftliche
negative Konsequenzen mit sich führen, die sich nicht zuletzt an Einbußen hinsichtlich des Einkommens und der Produktivität
der Erwerbspersonen bemerkbar machen (Rohrbach-Schmidt & Tiemann, 2010). Darüber hinaus belegen Studien, dass mit
einem Qualifikations-Mismatching nicht nur eine geringere Arbeitszufriedenheit (Quintini, 2011) einhergeht, sondern auch ein
früheres Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und erhebliche Kosten bei den Unternehmen mit sich bringen kann (Güpner &
Seebacher, 2014). Gerade angesichts des demografischen Wandels und den rasant fortschreitenden technologischen
Entwicklungen, wodurch der Druck für Unternehmen wettbewerbsfähig und innovativ zu bleiben steigt, gewinnt eine adäquate
Passung von formalem Qualifikationsniveau der Erwerbsperson und formalen Qualifikationsanforderungen der auszuübenden
Tätigkeit somit an Bedeutung.
Im Rahmen der PIAAC-Studie wurde bislang versucht über die Messung von Grundkompetenzen und entsprechenden
Anforderungsstrukturen am Arbeitsplatz Skill-Mismatch zu operationalisieren und zu messen (z.B. Pellizari & Fichen, 2013;
kritisch dazu Mayerl, 2014), wobei die Daten ebenso auch die Untersuchung der Effekte von Qualifikations-Mismatch zulassen.
Da es bislang kaum Analysen zu Effekten formalen Qualifikations-Mismatchings auf die Weiterbildungsteilnahme und
grundlegenden Kompetenzen Erwachsener (Lesen, Rechnen, Problemlösen) in Deutschland gibt, adressiert ein BMBFgefördertes Forschungsprojekt auf Basis einer Reanalyse der nationalen PIAAC-Daten unter anderem mit folgenden
Fragestellungen:
Inwiefern unterscheiden sich über-, unter- und adäquat qualifizierte Erwerbspersonen hinsichtlich ihrer Kompetenzmittelwerte im
Lesen, Rechnen und Problemlösen?
Inwiefern hat Über- oder Unterqualifizierung einen Effekt auf die Teilnahme an non-formaler Weiterbildung?
Die Reanalyse der PIAAC-Daten wird ausschließlich mit den Daten der erwerbstätigen Personen durchgeführt. Für die bisherige
Analyse wurden die Variable der höchst erworbenen formalen Qualifikation nach den ISCED-97 Kategorien sowie die Variable,
welche Art der Qualifikation für die Ausübung der derzeitigen Tätigkeit in der Regel erforderlich ist (ebenfalls nach ISCED-97),
herangezogen. Aus beiden Variablen wurde eine metrische Variable zur Über-, Unter- und adäquaten Qualifizierung erstellt mit
der es möglich ist, auch inferenzstatische Verfahren zur Auswertung hinzu zu ziehen.
Die Ergebnisse zeigen, dass von allen befragten Erwerbspersonen (n=3502) fast jede neunte Person unterqualifiziert (11%) und
nahezu jede Fünfte (18%) überqualifiziert ist. Wesentlich mehr Männer (n=230) als Frauen (n=152) sind unterqualifiziert,
wogegen mehr Frauen (n=346) als Männer (n=288) überqualifiziert sind. Das Alter korreliert mit einem Qualifikations-Mismatching
signifikant positiv. Je höher also das Alter umso eher liegt eine Überqualifizierung vor. Die Teilnahme an non-formaler
Weiterbildung korreliert signifikant negativ mit einem Qualifikations-Mismatching. Demnach nehmen eher unterqualifizierte
Erwerbspersonen an non-formaler Weiterbildung teil. Betrachtet man die Kompetenzmittelwerte der über-, unter- und adäquat
qualifizierten Erwerbspersonen zeigt sich, dass in allen drei Kompetenzbereichen über- und unterqualifizierte Personen
signifikant niedrigere Kompetenzmittelwerte als adäquat qualifizierte Personen erzielen:
"Adäquat qualifiziert (Basis)"
Lesen (n= 2486): 277
Rechnen (n=2486): 282
Problemlösen (n=2214): 287
"Unterqualifiziert"
Lesen (n=382): 269*
Rechnen (n=382): 272**
Problemlösen (n=349): 278**
"Überqualifiziert"
Lesen (n=634): 267***
Rechnen (n=634): 269***
Problemlösen (n=509): 276***
(*p<.05;**p<.01;***p<.001)
Die bisher gewonnen Ergebnisse weisen darauf hin, dass einerseits Qualifikations-Mismatching Auswirkungen auf die
Weiterbildungsteilnahme und grundlegenden Kompetenzen Erwachsener hat und es andererseits hinsichtlich des Geschlechts
und Alters signifikante Unterschiede gibt. Um diesen ersten Eindruck weiter zu vertiefen, werden umfassendere Analysen zu
Effekten von Qualifikations-Mismatching auf das lebenslange Lernen durchgeführt, wobei Effekt-Unterschiede hinsichtlich des
Geschlechts und des Alters berücksichtigt werden.
ID: 216 / B 14 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Förderpädagogik, Grundschulbildung, Inklusion
Stichworte: Rechenschwierigkeiten, Leseschwierigkeiten, Komorbidität
Die Komorbidität von Lese- und Rechenschwierigkeiten – Eine Meta-Analyse
Julia Raddatz1, Jörg-Tobias Kuhn1, Heinz Holling1, Kristina Moll2, Christian Dobel3
1
Universität Münster, Deutschland; 2Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie,
Ludwig-Maximilians Universität München, Deutschland; 3Klinik und Poliklinik für HNO-Heilkunde, Jena, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Lese- und Mathematikfähigkeiten sind zentrale Prädiktoren für beruflichen Erfolg und geistige Gesundheit (Ritchie & Bates, 2013).
Leseschwierigkeiten zeichnen sich durch Defizite bei der Worterkennung und im flüssigen Lesen aus (Lyon, Shaywitz & Shaywitz,
2003), Rechenschwierigkeiten hingegen durch Defizite in basaler Zahlenverarbeitung und Arithmetik (Geary, 1993). Obwohl
beide Lernstörungen mit bis zu 47% überzufällig häufig gemeinsam auftreten (Moll, Bruder, Kunze, Neuhoff & Schulte-Körne,
2014), ist die Ursache ihrer Komorbidität noch nicht vollständig geklärt.
Die additive Perspektive (Landerl, Fussenegger, Moll & Willburger, 2009) nimmt an, dass sich kognitive Defizite, die sich auch
bei isolierten Lernstörungen auf neuronaler und kognitiver Ebene zeigen sollten, aus der Summe der Einzeldefizite ergeben
(Rechenschwierigkeiten plus Leseschwierigkeiten; ausbleibende Interaktion des Lese- und Mathematiklevels).
Die domänen-generelle Perspektive schlägt geteilte beeinträchtigte neuronale Ressourcen vor. Die verbal-mediierte Perspektive
vermutet, dass neuronale Beeinträchtigungen, die verbalen Prozessen zugrunde liegen, eine normale Entwicklung von Leseund Rechenfertigkeiten ausschließen (Ashkenazi, Black, Abrams, Hoeft & Menon, 2013). Beide Perspektiven erwarten ein
gemeinsam zugrunde liegendes Defizit (Moll, Göbel & Snowling, 2014): komorbide Kinder sollten im Vergleich zur Summe der
Einzeldefizite weniger beeinträchtigt sein (Unter-Additivität; negativer Interaktionseffekt). Bei Über-Additivität wären sie hingegen
stärker beeinträchtigt als durch die Summe der Einzeldefizite erwartbar (positiver Interaktionseffekt): diese komorbide
Störungsgruppe mit zusätzlichen Risikofaktoren müsste separat von den einzelnen Lernstörungsgruppen betrachtet werden.
Die Ergebnisse aktueller Primärstudien deuten auf einen additiven Effekt (d.h. ausbleibende Interaktion) der beiden
Lernstörungen hin (Cirino, Fuchs, Elias, Powell & Schumacher, 2013; Moll et al., 2014), weisen jedoch für belastbare Aussagen
eine zu geringe statistische Power auf.
Fragestellung
Führen die kognitiven Beeinträchtigungen von Kindern mit Rechen- und Leseschwierigkeiten in Domänen wie Mathematik, Lesen
und exekutiven Funktionen zu additiven Effekten oder interagieren sie (Unter- oder Überadditivität)? Wir vermuten, dass die
Profile komorbider Kinder additiv sind (keine Interaktion). Weiterhin vermuten wird, dass den kognitiven Defiziten von komorbiden
Kindern keine gemeinsame Ursache zugrunde liegt: Kinder mit Rechenschwierigkeiten sollten im Vergleich zur Kontrollgruppe
Schwierigkeiten in Mathematik- jedoch nicht in Leseaufgaben aufweisen. Bei Kindern mit Leseschwierigkeiten sollten die
Ergebnisse gegensätzlich ausfallen. Komorbide Kinder sollten in beiden Domänen Schwierigkeiten aufweisen. In den exekutiven
Funktionsaufgaben sollten alle Lernstörungsgruppen Schwierigkeiten aufweisen.
Methode
Es konnten k = 48 Studien (N = 7202) eingeschlossen werden, die sechs- bis zwölfjährige Kinder mit Rechenschwierigkeiten,
Leseschwierigkeiten, eine komorbide Gruppe und gesunde Kontrollkinder in Mathematik-, Lese- oder exekutiven
Funktionsaufgaben vergleichen. Kinder mit Lernschwierigkeiten mussten mindestens einen PR<35 in einem standardisierten
Mathematik- bzw. Lesetest aufweisen. Insgesamt ließen sich 1326 Effektgrößen extrahieren (Mittelwertsunterschiede) und
mithilfe robuster Varianzschätzungen wurden Meta-Analysen im Rahmen separater Random-Effects-Modelle berechnet. Da
einige Studien mehrere Effektmaße berichten, wurden statistische Abhängigkeiten mittels Robust Variance Estimation (RVE)
kontrolliert (Tanner-Smith & Tipton, 2013).
Ergebnisse
Lineare Hypothesentests ergaben ausschließlich nicht signifikante Interaktionen (Mathematikaufgaben: p = .99; Leseaufgaben:
p = .90; Exekutive Funktionsaufgaben: p = .44). Kinder mit Rechenschwierigkeiten wiesen im Vergleich zu der Kontrollgruppe
deutliche Schwierigkeiten in allen Mathematikaufgaben auf (g=0.65; p<.001), jedoch kaum in den Leseaufgaben (g=0.17; p<.01).
Sie wiesen ebenfalls Schwierigkeiten in exekutiven Funktionsaufgaben auf (g=0.42; p<.001). Kinder mit Leseschwierigkeiten
wiesen in allen Leseaufgaben deutliche Schwierigkeiten auf (g=0.59; p<.001), jedoch weniger in den Mathematikaufgaben
(g=0.25; p<.001). Sie wiesen ebenfalls Schwierigkeiten in exekutiven Funktionsaufgaben auf (g=0.33; p<.001). Komorbide Kinder
wiesen deutliche Schwierigkeiten in allen Domänen auf (g=0.91; p<.001; g=0.75; p<.001; g=0.73; p<.001).
Die Ergebnisse stehen im Einklang mit aktuellen Befunden (Moll et al., 2014) und deuten auf additive Beeinträchtigungsprofile
bei komorbid auftretenden Rechen- und Leseschwierigkeiten hin. Sie sprechen sowohl gegen die Annahme, dass den kognitiven
Profilen komorbid beeinträchtigter Kinder ein gemeinsames Defizit zugrunde liegt (Unter-Additivität), als auch, dass sie über die
Summe der beiden Einzeldefizite hinaus beeinträchtigt sind (Über-Additivität). Die Ergebnisse bieten eine nützliche Grundlage,
um Diagnose- und Förderinstrumente für unterschiedliche Lernstörungen zu entwickeln.
ID: 218 / E 15 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Vorschulische Bildung
Stichworte: Soziale Kompetenz - Prosoziales Verhalten - Vorschulische Bildung - Einschätzungen prosozialen Verhaltens Multi-Informanten-Perspektive
Prosoziales Verhalten von Kindergartenkindern – Ein Vergleich der Eltern- und Erzieherperspektive
Carina Schönmoser1, Monja Schmitt1, Ilona Relikowski2, Christian Lorenz1
1
LIfBi – Leibniz-Institut für Bildungsverläufe e.V., Deutschland; 2Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Unter sozialer Kompetenz versteht Kanning (2009) „die Gesamtheit des Wissens, der Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person,
welche die Qualität des eigenen Sozialverhaltens - im Sinne sozial kompetenten Verhaltens - fördert“. Sozial kompetentes
Verhalten meint das „Verhalten einer Person, das in einer spezifischen Situation dazu beiträgt, die eigenen Ziele zu verwirklichen,
wobei gleichzeitig die soziale Akzeptanz des Verhaltens gewahrt wird“ (ebd.). Die Fähigkeit zu prosozialem Verhalten als Teil
sozialer Kompetenz stellt einen wichtigen Aspekt menschlicher Entwicklung dar und gilt als (Langzeit-)Prädiktor für akademische
Leistungsfähigkeit oder beruflichen Erfolg (Reinders 2008). Die Entwicklung prosozialen Verhaltens beginnt bereits im frühen
Kindesalter und sollte deswegen auch frühestmöglich erfasst und untersucht werden. Eine objektive Messung prosozialen
Verhaltens von Kinder ist dabei nicht möglich, so dass man auf Einschätzungen von mit dem Kind interagierenden Personen
angewiesen ist.
Mit Daten der ersten Welle der Startkohorte 2 des Nationalen Bildungspanels (NEPS, Blossfeld et al. 2011) nimmt vorliegender
Beitrag einen Vergleich der Eltern- und Erzieher_inneneinschätzungen des prosozialen Verhaltens von Kindergartenkindern vor.
Das prosoziale Verhalten wird über eine Unterskala des SDQs (Strenghts and Difficulties Questionnaire, Goodman (1997))
operationalisiert und sowohl im telefonischen Elterninterview als auch in Fragebögen für die Erzieher_innen eingesetzt. Mittels
mehrebenenanalytischer Verfahren sollen folgende Forschungsfragen beantworten werden:
(1) Inwiefern stimmen die Einschätzungen der Erzieher_innen und der Eltern überein?
(2) In welchem Ausmaß hängen Kind- und Familienmerkmale (Alter, Geschlecht, soziale Herkunft, Anzahl der Geschwister sowie
Sprachkompetenz des Kindes) mit den Einschätzungen des prosozialen Verhaltens durch Eltern und Erzieher_innen zusammen?
Bei der Beantwortung unserer Forschungsfragen sind verschiedene Wirkmechanismen denkbar:
• Die berücksichtigten Variablen weisen einen - kontextunabhängigen - Zusammenhang mit der Ausprägung prosozialen
Verhaltens auf. Folglich variieren Eltern- als auch Erzieher_inneneinschätzungen in gleicher Weise mit diesen Merkmalen.
• Das Sozialverhalten der Kinder variiert je nach Kontext - Kindergarten und Familie - in Abhängigkeit von den verschiedenen
berücksichtigten Merkmalen. Folglich variieren Eltern- als auch Erzieher_inneneinschätzungen in verschiedener Weise mit
diesen Merkmalen.
• Da im Kindergarten deutlich häufiger soziale Situationen mit einer Vielzahl anderer Kinder und Betreuer beobachtbar sind als
in den Familien, besitzen Erzieher_innen eine breitere Basis, auf deren Grundlage sie ihre Einschätzungen vornehmen. Die
berücksichtigten Merkmale stehen deswegen nicht nur im Zusammenhang mit der Ausprägung sozialen Verhaltens und der
darauf basierenden Entscheidung, sondern sie begünstigen oder erschweren die jeweilige subjektive Beurteilung auch direkt.
Folglich variieren Eltern- als auch Erzieher_inneneinschätzungen in verschiedener Weise mit diesen Merkmalen.
Unsere Ergebnisse zeigen zum einen, dass die Übereinstimmung der Einschätzungen zwischen Eltern und Erzieher_innen nur
gering ist und Erzieher_innen zum anderen das prosoziale Verhalten der Kinder als deutlich niedriger ausgeprägt einschätzen
als Eltern. Darüber hinaus sind die Einschätzungen der Eltern über die verschiedenen berücksichtigten Merkmale hinweg relativ
stabil, während die Einschätzungen der Erzieher_innen stark in Abhängigkeit von den berücksichtigten Kind- und
Familienmerkmalen variieren. Die Rolle der einzelnen Wirkmechanismen soll im Beitrag diskutiert werden.
ID: 228 / E 01 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Lese- und Sprachförderung, Sonstiges
Stichworte: Außerschulisches Leseverhalten, Lesefreude, Intergenerationale Kontinuität
Zur Frage der intergenerationalen Kontinuität lesebezogener Einstellungen und Verhaltensweisen
Maximilian Pfost, Irene M. Schiefer, Cordula Artelt
Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Gute schriftsprachliche Kompetenzen sind Voraussetzung für die Partizipation an den ökonomischen, politischen und kulturellen
Gegebenheiten der Gesellschaft. Bisherige Forschung konnte darüber hinaus eindringlich zeigen, dass die Entwicklung der
Fähigkeit zum verstehenden Lesen stark durch die Ausführung der Tätigkeit des Lesens selbst beeinflusst wird (Mol & Bus, 2011;
Pfost, Dörfler & Artelt, 2013), weshalb auch der Kenntnis von Variablen zur Erklärung interindividueller Unterschiede im
Leseverhalten besondere Bedeutung zukommt. Mögliche, bislang wenig erforschte Einflussfaktoren zur Erklärung
interindividueller Unterschiede im Leseverhalten von Schülerinnen und Schüler, sind dabei die lesebezogenen Einstellungen und
Verhaltensweisen der Eltern. Erste Befunde deuten an, dass, ähnlich wie im Hinblick auf die Entwicklung schulfachbezogener
Einstellungen und Werthaltungen (Gniewosz & Noack, 2012; Noack, 2004), intergenerationale Transmissionsprozesse für die
Entwicklung des Leseverhaltens und der Lesefreude eine gewisse Rolle spielen (Hertel, Jude & Naumann, 2010; Mullan, 2010).
Die Ergebnisse wurden bis dato allerdings nur unzureichend repliziert. Ferner fehlen längsschnittliche Befunde.
Fragestellung
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern interindividuelle Unterschiede in den lesebezogenen
Einstellungen und Verhaltensweisen von Schülerinnen und Schülern durch entsprechende Einstellungen und Verhaltensweisen
der Eltern vorhergesagt werden können. Da die vorliegende Datenlage eine Differenzierung von zwei Facetten lesebezogener
Einstellungen (Nützlichkeit vs. Freude) erlaubt, soll darüber hinaus geprüft werden, inwiefern Prozesse der Eltern-KindTransmission für die entsprechenden Facetten lesebezogener Einstellungen spezifisch zu beobachten sind.
Methode
Analysiert werden die Daten von 380 Schülerinnen und Schülern der 7. bzw. 9. Jahrgangsstufe und deren Müttern aus der
Bamberger Längsschnittstudie BiKS („Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Selektionsentscheidungen im Vorschulund Schulalter“). Eine Überprüfung der intendierten Zusammenhangsstruktur erfolgt mittels Pfadanalysen.
Ergebnisse
Eine Betrachtung von Korrelationen lesebezogener Einstellungen zeigt einen positiven Zusammenhang für die Lesefreude der
Mütter mit der Lesefreude der Kinder (r = .20, p < .01) sowie einen positiven Zusammenhang für die Nützlichkeitsbewertung von
Lesen der Mütter mit der Nützlichkeitsbewertung von Lesen der Kinder (r = .14, p < .05). Im Hinblick auf das Buchleseverhalten
konnte ein kleiner Zusammenhang zwischen Müttern und ihren Kindern gefunden werden (r = .12, p < .05). Für das Lesen von
Zeitungen und Zeitschriften zeigte sich ebenso ein positiver Zusammenhang zwischen Müttern und ihren Kindern (r = .18, p <
.01).
Im analysierten Pfadmodel zur Vorhersage interindividueller Unterschiede in den lesebezogenen Einstellungen und dem
Leseverhalten gemessen in Jahrgangsstufe 9 und unter Kontrolle der lesebezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen
gemessen in Jahrgangsstufe 7 bestätigen sich diese Ergebnisse teilweise. Ein signifikanter Effekt zeigt sich weiterhin für die
mütterliche Nützlichkeitsbewertung von Lesen auf die kindliche Nützlichkeitsbewertung von Lesen. Ebenso kann weiterhin ein
Effekt des mütterlichen Lesens von Zeitungen auf das kindliche Zeitungs- und Zeitschriftenleseverhalten gezeigt werden.
Diskussion
Die Ergebnisse deuten an, dass auf Ebene der Leseeinstellungen von einer gewissen intergenerationalen Kontinuität
auszugehen ist. Mütter und Kinder sind sich in ihren lesebezogenen Einstellungen ähnlicher als wir dies zufällig erwarten würden.
Die Signifikanz der gefundenen Effekte soll dennoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese nur von geringer Größe sind.
Auch im Hinblick auf das Leseverhalten konnte für das Lesen von Büchern sowie noch deutlicher für das Lesen von Zeitungen
und Zeitschriften ein Hinweis auf intergenerationale Kontinuität gefunden werden. Die längsschnittlichen Befunde deuten ferner
an, dass auch im mittleren Jugendalter Eltern das außerschulische Leseverhalten und die lesebezogenen Einstellungen ihrer
Kinder noch beeinflussen. Der in der längsschnittlichen Betrachtung ausbleibende Effekt mütterlicher Buchleseaktivitäten wirft
allerdings, beispielsweise auch im Hinblick auf die Rolle elterlicher Verhaltensweise im Sinne des Modelllernens, auch Fragen
auf, die in weiterer Forschung noch zu klären sind.
ID: 229 / C 01 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Lehrerexpertise
Stichworte: Lehrerausbildung, Praxissemester, Reflexion von Unterricht, Schülerrückmeldungen zum Unterricht
Schülerrückmeldungen zum Unterricht und ihr Beitrag zur Unterrichtsreflexion im Praxissemester
Kerstin Göbel, Katharina Neuber
Universität Duisburg-Essen, Deutschland
Die Bereitschaft und Fähigkeit zur Reflexion des eigenen Handelns gilt als zentrales Merkmal professioneller
Handlungskompetenz von Lehrkräften und soll entsprechend der bundesweiten Vorgaben für die Lehrerbildung bereits im
Rahmen der Lehrerausbildung gefördert werden (KMK, 2004). Neben den Rückmeldungen von Mentor/innen können
Lehramtsstudierende auch die Rückmeldungen von Schüler/innen sowie von Kommiliton/innen zur Reflexion ihres Handelns
nutzen (Hascher, Baillod & Wehr, 2004). Die Schülerschaft hat sich in der Unterrichtsforschung über verschiedene Fächer hinweg
als valide Informationsquelle für die Qualität von Unterricht erwiesen (Clausen, 2002; Göbel & Hesse, 2008). Der Einbezug von
Schülerrückmeldungen zum Unterricht ist deshalb so bedeutsam, da die Schüler/innen die subjektive Wirkung von Unterricht und
Lehrerhandeln auf ihr Lernen gut beurteilen können (Clausen, 2002). Schülerrückmeldungen repräsentieren ihre spezifische
Perspektive auf den Unterricht und können somit als Ausgangspunkt für die eigene Unterrichtsreflexion gelten (Kämpfe, 2009).
Aktuelle Studien berichten, dass sowohl für die wirksame Nutzung von Schülerrückmeldungen als auch für die Entwicklung von
Reflexionsstrategien die motivationalen Voraussetzungen von Lehrpersonen bedeutsam sind (Ditton & Arnoldt, 2004; Wyss,
2013). Darüber hinaus haben sich der Rückgriff auf schriftliche Dokumente, wie z.B. Lerntagebücher, sowie kollegiale
Reflexionsstrukturen, wie z.B. Gruppendiskussionen, als besonders ertragreich erwiesen (Schäfer et al., 2012; Säde-Pirkko,
2005). Das Einholen von Rückmeldungen zum eigenen Handeln ist für die professionelle Kompetenzentwicklung angehender
Lehrpersonen von hoher Bedeutung. Welchen Beitrag Schülerrückmeldungen zum Unterricht in Praxisphasen angehender
Lehrpersonen leisten können, wurde bislang jedoch wenig untersucht (Lawson, 2015).
Der vorliegende Beitrag ist im Rahmen der vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW
geförderten Studie „Schülerrückmeldungen zum Unterricht und ihr Beitrag zur Unterrichtsreflexion im Praxissemester (ScRiPS)“
entstanden, die den potenziellen Beitrag von Schülereinschätzungen zum Unterricht für die Unterstützung der
Unterrichtsreflexion bei Lehramtsstudierenden im Praxissemester und erfahrenen Lehrpersonen in den Blick nimmt. Der
vorliegende Beitrag stellt erste empirische Befunde auf der Grundlage von Studierendenbefragungen im Praxissemester der
Universität Duisburg-Essen dar. Im Sinne eines quasi-experimentellen Vorgehens wurden zwei Untersuchungsgruppen gebildet:
Eine Experimentalgruppe (n = 19), die im Rahmen des Praxissemesters Schülerrückmeldungen zu ihrem Unterricht nutzt, und
eine Kontrollgruppe (n = 25), die keine Reflexionsunterstützung in Form von Schülerrückmeldungen erhält.
Beide Untersuchungsgruppen wurden jeweils zu zwei Messzeitpunkten mit standardisierten Fragebögen zur Selbsteinschätzung
ihrer Reflexionsbereitschaft sowie zu ihren motivationalen Einstellungen und persönlichen Merkmalen (Geschlecht, Alter,
Studienfach und Schulform) befragt. Die Reflexionsbereitschaft wurde mit den Dimensionen Wertschätzung von
Schülerfeedback, Ablehnung individueller Reflexionsstrukturen, Wertschätzung kollegialer Reflexionsstrukturen, Wertschätzung
systematischer Reflexionsstrukturen und Bedeutung der Unterrichtsreflexion im Lehrberuf operationalisiert. Die motivationalen
Voraussetzungen wurden mit Hilfe von Motivationsskalen (Studienmotivation, Selbstwirksamkeit, Kognitionsbedürfnis), der
Wertschätzung individueller und kollegialer Lernformen sowie Einstellungen zum späteren Lehrberuf (Verlusterleben,
Bedrohungserleben, Herausforderungserleben) erfasst. Die Items der genannten Skalen sollten von den Studierenden jeweils
anhand einer vierstufigen Likertskala eingeschätzt werden. Alle Skalen weisen zufriedenstellende Reliabilitäten auf, sodass sie
in die weiteren explorativen Analysen einbezogen werden konnten.
Um mögliche Zusammenhänge zwischen den persönlichen Merkmalen und Einstellungen der Probanden und ihrer
Reflexionsbereitschaft zu prüfen, wurden die erhobenen Daten regressionsanalytisch ausgewertet. Hierbei wurden die
Dimensionen der Reflexionsbereitschaft als abhängige Variablen bestimmt. Als unabhängige Variablen wurden die persönlichen
Merkmale und die motivationalen Voraussetzungen der Studierenden sowie die Variation der Gruppenzuordnung
(Experimentalgruppe oder Kontrollgruppe) in die Analyse eingeführt. Zudem wurden die Ergebnisse beider
Untersuchungsgruppen mithilfe von t-Tests verglichen.
Erste Analyseergebnisse weisen auf Unterschiede zwischen der Experimental- und der Kontrollgruppe hinsichtlich der
Veränderung ihrer Reflexionsbereitschaft hin. Im Rahmen der Regressionsanalyse erwiesen sich darüber hinaus die
Studienmotivation, die Wertschätzung kollegialer Lernformen sowie das Herausforderungserleben im Beruf als bedeutsame
Prädiktoren für die Reflexionsbereitschaft. Diese Ergebnisse - unter Vorbehalt des geringen Stichprobenumfangs - stehen im
Einklang mit der bisherigen Befundlage und verweisen auf die Relevanz motivationaler Voraussetzungen für die Entwicklung von
Reflexionsstrategien sowie auf das Potenzial von Schülerrückmeldungen für die Unterrichtsreflexion angehender Lehrpersonen.
ID: 239 / C 02 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktik Mathematik
Thematisches Cluster: Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: Multiple Repräsentationen, Multimediaeffekt
Der Multimediaeffekt für multiple symbolische Repräsentationen in der Mathematik
Natalie Ott1, Sarah Malone1, Markus Vogel2, Roland Brünken1
1
Universität des Saarlandes, Deutschland; 2Pädagogische Hochschule Heidelberg, Deutschland
Auf der Grundlage instruktionspsychologischer Theorien zum Multimedia-Lernen wurden eine Reihe von lernförderlichen
Prinzipien zur Informationspräsentation formuliert (Mayer, 2009). Ein Beispiel dafür ist das Multimediaprinzip, das besagt, dass
Lernende davon profitieren, wenn man ihnen Informationen in mehr als einer Repräsentation darbietet. Die Wirksamkeit dieses
Prinzips ist sehr gut für den kombinierten Einsatz symbolischer (z.B. Text) und analoger Repräsentationen (z.B. Bild) empirisch
belegt und wird in der Regel mit der Theorie der Dualen Kodierung erklärt. In der Mathematik werden Repräsentationen jedoch
häufig in multipler symbolischer Kodierungsform eingesetzt (z.B. Text und Formel, Schnotz, 2014). Hierzu fehlen empirische
Studien noch weitestgehend. Ebenso wird in den aktuellen Modellen zur Informationsverarbeitung (z.B. Schnotz & Bannert, 1999;
Schnotz 2014) nicht zwischen verschiedenen Arten symbolischer Repräsentation unterschieden. Daher geben sie keinen Hinweis
darauf, wie sich die kombinierte Präsentation multipler symbolischer Repräsentationen auf den Lernerfolg auswirkt.
In der vorliegenden Studie wurde untersucht, inwieweit der Multimedia-Effekt für multiple symbolische Repräsentationen repliziert
werden kann. Zwei mögliche Annahmen zur Wirkungsweise multipler Repräsentationen wurden einander gegenübergestellt:
1. Quantitätshypothese: Die Kombination zweier unterschiedlicher Repräsentationen führt immer zu höheren Leistungen als eine
Repräsentation alleine, unabhängig von der Repräsentationsform (symbolisch vs. analog).
2. Diversitätshypothese: Die Kombination einer symbolischen mit einer analogen Repräsentation führt zu höheren Leistungen als
die Kombination zweier symbolischer Repräsentationen oder als eine Repräsentation alleine.
Als Untersuchungsdesign wurde ein Fünf-Gruppen-Versuchsplan gewählt. Alle Teilnehmer bearbeiteten einen Testbogen mit 19
Aufgaben aus der Mengenlehre. Der ersten Gruppe (G1) wurden die Problemstellungen nur als Formeln präsentiert. Gruppe 2
(G2) arbeitet ausschließlich mit den inhaltlich entsprechenden Texten. Gruppe 3 (G3) standen beide symbolischen
Repräsentationen (Text und Formel) zur Verfügung. In Gruppe 4 (G4) wurde jede Aufgabe als Formel zusammen mit einer
korrespondierenden graphischen Darstellung präsentiert. Die Teilnehmer in Gruppe 5 (G5) arbeiteten mit Text und Graphik.
Demnach lag in G1 und G2 jeweils nur eine einzelne Repräsentationsform vor, G4 und G5 arbeiteten mit zwei
Repräsentationsformen unterschiedlicher Kodalität, während in G3 zwei Repräsentationsformen gleicher Kodalität dargeboten
wurden. Während sich die fünf Testversionen bei der Darstellung der mathematischen Probleme unterschieden, waren die
Antwortteile (im Multiple-Choice-Format) für alle Gruppen identisch.
Die 87 studentischen Teilnehmer (Alter: M = 23.30 Jahre, SD = 4.774; 80.5 % weiblich) wurden per Zufall den fünf Gruppen
zugeordnet. Die Datenanalyse erfolgte mithilfe einer einfaktoriellen Varianzanalyse mit dem fünffach gestuften Faktor
Repräsentationsform. Als abhängige Variable Testleistung wurde die Summe der richtig gelösten Aufgaben gebildet.
Ein signifikanter Haupteffekt des Faktors Repräsentationsform konnte festgestellt werden (F(4,82) = 8.43, p < .001). Der Duncan
Posthoc-Test zeigte, dass sich die fünf Experimentalgruppen zu zwei homogenen Subgruppen zusammenfassen lassen. Die
beiden Gruppen mit nur einer Repräsentation (G1 und G2) bilden zusammen mit G4 (Formel + Graphik) eine Subgruppe A,
während G3 (Formel + Text) und G5 (Text + Graphik) eine zweite Subgruppe B darstellen. Deutlich höhere Testleistungen wurden
in der Subgruppe B erbracht. Die Effektstärken der Einzelvergleiche für alle Kombinationen zwischen den beiden Subgruppen
sind hoch (dCohen>.86), während Einzelvergleiche innerhalb der Subgruppen nicht signifikant sind.
Die Ergebnisse stützen die Quantitätshypothese: der Multimediaeffekt konnte sowohl für den Einsatz zweier Repräsentationen
unterschiedlicher als auch gleicher Kodalität bestätigt werden. Allerdings zeigte sich kein förderlicher Effekt des gemeinsamen
Einsatzes von Formel und Graphik gegenüber der Verwendung einer einzigen Repräsentation.
Die Studie bestätigt die Annahme, dass multiple Repräsentationen nicht unbedingt von unterschiedlicher Kodalität sein müssen
um wirksam zu sein. Viel eher scheint die Qualität der einzelnen Repräsentationen, die kombiniert werden, eine Rolle zu spielen.
In der vorliegenden Studie war die Text-Repräsentation den anderen überlegen: ohne diese Repräsentation zeigte sich kein
Vorteil multipler Repräsentation.
ID: 241 / E 15 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Soziologie
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: Studienverlauf, Studienabbruch, Bildungsdisparitäten, Migrationshintergrund, Ereignisdatenanalyse
Migrationsspezifische Ungleichheiten beim Studienabbruch und der Effekt einer strukturierten
Studieneingangsphase
Alexander Balko, Matthias Böttcher, Meike Scharfenort, Marc Wietzke
Institut für Innovationsforschung und -management, Deutschland
Ethnische Disparitäten hinsichtlich des Bildungserfolgs werden im tertiären Bildungsbereich mit Hilfe von primären und
sekundären Effekten erklärt (Schindler und Reimer 2010). Während bei primären Effekten Ungleichheit durch institutionelle
Faktoren erzeugt wird, wirken sekundäre Effekte bei persönlichen Bildungsentscheidungen auf individueller Ebene (Boudon
1973). Bisher ist zu migrationsspezifischen Unterschieden beim Studienabbruch bzw. -verbleib in Deutschland wenig bekannt.
Die Ergebnisse der amtlichen Statistik deuten darauf hin, dass ausländische Studierende häufiger das Studium abbrechen als
deutsche Studierende (Heublein et al. 2012). Konkrete Studien hierzu sind für das deutsche Hochschulsystem bisher nicht zu
finden (Kristen 2014). Für die Niederlande hingegen zeigt sich, dass niederländische Studierende gegenüber ihren
KommilitonInnen mit Migrationshintergrund schneller und häufiger ihr Studium abschließen (Zorlu 2011). Hieraus ergibt sich die
Frage, ob ähnliche migrationsbedingte Effekte auch für deutsche Hochschulen zu beobachten sind oder andere Faktoren, wie
Art der Hochschulzugangsberechtigung, einen größeren Einfluss auf den Studienverbleib ausüben. In diesem Beitrag wird
anhand des Beispiels einer Hochschule in Nordrhein-Westfalen untersucht, wie sich die Studienverläufe von Studierenden mit
und ohne Migrationshintergrund unterscheiden und welche Möglichkeiten bestehen, den Studienerfolg zu verbessern.
Um Studienabbrüche aufgrund unterschiedlicher Bildungsausstattung zu reduzieren, hat die Westfälische Hochschule (WH) mit
dem Projekt „ProStudi“ eine strukturierte Studieneingangsphase implementiert, die der Heterogenität der Studierenden im
nördlichen Ruhrgebiet Rechnung trägt. So hatten im Wintersemester 2013/14 ca. 38% der StudienanfängerInnen der WH einen
Migrationshintergrund, während der Bundesdurchschnitt 2012 bei 23% lag (Middendorff et al. 2012). Eingeleitet wird die
strukturierte Studieneingangsphase von der Einstiegsakademie. Diese ist eine zweiwöchige Blockveranstaltung zu
Semesterbeginn, die den StudienanfängerInnen, über das Maß eines Propädeutikums hinaus, wissenschaftliche
Arbeitstechniken und Mathematikkenntnisse vermittelt. Ziel der Einstiegsakademie ist es, verstärkt Studierende mit
Migrationshintergrund anzusprechen, um den durch institutionelle Faktoren ausgelösten Studienabbruch zu reduzieren.
Seit dem WS 2013/14 wird im Zuge der Einschreibung an der WH abgefragt, ob ein Elternteil der Studierenden im Ausland
geboren ist. Da fast alle StudienanfängerInnen an der Befragung teilgenommen haben und die Ergebnisse im Hochschulsystem
hinterlegt wurden, liegt der Migrationsstatus für die gesamte Eingangskohorte der Bachelorstudierenden für das WS 2013/14 als
Vollerhebung vor. Als Datengrundlage für die Analyse wurden den Studierendenstammdaten die Daten zur Teilnahme an der
Einstiegsakademie (N=309) sowie semesterweise der Immatrikulationsstatus zugespielt. Somit liegen für die Eingangskohorte
2013/14 bis einschließlich zum dritten Fachsemester Informationen über den Studienverbleib von Studierenden mit (N=786) und
ohne Migrationshintergrund (N=1260) sowie über deren Teilnahme an der Einstiegsakademie als Vollerhebung vor. Mit diesem
Datensatz wurde überprüft, ob eine strukturierte Studieneingangsphase in Form der Einstiegsakademie institutionellen Dropout
reduzieren kann und welche Rolle der Migrationshintergrund beim Studienverbleib bzw. -abbruch spielt.
Um den Studienverbleib für drei Fachsemester darzustellen, wurde ein „proportionales Hazardmodell“ mit dem Ereignis
Studienabbruch modelliert (Broström 2012). Als Kovariablen wurden hierbei der Migrationshintergrund und die Teilnahme an der
Einstiegsakademie sowie weitere Kovariablen in das Modell integriert, um sowohl den Effekt einer strukturierten Eingangsphase
als auch den Einfluss des Migrationshintergrunds auf den Studienabbruch zu messen. Um den tatsächlichen Effekt des
Migrationshintergrunds auf den Studienabbruch zu erhalten, wurden Studierende, die den Studiengang oder die Hochschule
gewechselt haben und BildungsausländerInnen aus der Betrachtung ausgeschlossen. Darüber hinaus wurde das Modell nach
dem Studiengang der Studierenden stratifiziert, da die Abbruchquoten in den jeweiligen Studiengängen sehr unterschiedlich sind.
Gerade während der ersten drei Fachsemester haben Studierende mit Migrationshintergrund ein 12% geringeres Risiko
hinsichtlich eines Studienabbruchs als Ihre KommilitonInnen ohne Migrationshintergrund. Ähnliche Forschungsergebnisse finden
sich bei Vignoles und Powdthavee (2009). Des Weiteren zeigt sich, dass eine strukturierte Studieneingangsphase die
Wahrscheinlichkeit das Studium abzubrechen, signifikant verringert. Die Einstiegsakademie scheint somit die Chancen auf einen
Verbleib im Studium von Studierenden mit und ohne Migrationshintergrund zu erhöhen. Eine kombinierte Betrachtung der
Einstiegsakademie und des Migrationshintergrunds zeigt jedoch keine nennenswerten Unterschiede im Vergleich zur
Referenzgruppe.
ID: 243 / F 01 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Methoden der empirischen Bildungsforschung, Trainings- und Evaluationsforschung
Stichworte: Forschung zu Evaluation, Quasiexperimentell, Evaluation, Methoden
Effektive Evaluation - eine Quasi-Experimentelle Studie zum Nutzen und zur Nutzung von Evaluationen
durch Fortbildner_innen
Jochen Weißenrieder
Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland
Die Evaluation von Fortbildungen geht häufig mit einem hohen Aufwand für Lehrende und Teilnehmende einher, jedoch selten
mit hohem Nutzen in Form von Weiterentwicklung der Fortbildung. Bisher weitestgehend getrennte Forschungslinien befassen
sich mit dem Nutzen aus Programm-, Hochschul- oder Schulevaluationen, diese werden im Beitrag zusammengeführt und ein
Wirkungsmodell für Fortbildungen abgeleitet. Vielen der bestehenden Ansätze und Theorien heben die Bedeutung der
Einbindung aller Beteiligten hervor (z.B. Henry und Mark, 2003). Empirische Befunde belegen diese Annahme und verweisen
zudem auf eine notwendige Unterstützung der Evaluierten, damit Rezeption und Reflexion gelingen kann und Veränderungen
resultieren (z.B. Marsh & Roche, 1997; Groß Ophoff, Koch, Helmke & Hosenfeld, 2006). Auf die Evaluation von Fortbildungen
wurden diese Erkenntnisse bislang nur selten angewandt oder empirisch untersucht.
Dieses Desiderat greift die quasiexperimentelle Studie mit folgender Forschungsfrage auf: Führt Einbindung der Fortbildnerinnen
in die Evaluationsgestaltung und eine eng geführte schriftliche Reflexion zu besseren Ergebnissen, positiveren Einstellungen und
Bewertungen sowie weitreichenderen Veränderungsabsichten?
20 Lehrende von Berliner Lehrerfortbildungen werden in einem 2*2 Design in Kontroll- und Interventionsgruppen eingeteilt. Dabei
werden zwei Interventionen untersucht: Erstens die Einbindung in die Gestaltung der Evaluation und zweitens die schriftliche
Anleitung im Reflexionsprozess. Die Einbindung der Lehrenden erfolgt über eine Mitsprache beim Fragebogendesign. Die
Lehrenden wählen Befragungsschwerpunkte aus und formulieren fortbildungsspezifische Ziele und Fragen. Die schriftliche
Anleitung im Reflexionsprozess erfolgt in Anlehnung an die FiWe Methode von Beywl et al. und den Evaluation to Change Ansatz
von Adams et al. (2014).
Im Beitrag werden zu drei zentralen Hypothesen der Studie erste Ergebnisse vorgestellt.
Erstens: Die Einbindung führt zu besseren Evaluationsergebnissen der Fortbildung, da sich die Lehrenden im Rahmen der
Einbindung ihre Lehr-Lern-Ziele bewusst machen (Sensibilisierungshypothese, Rindermann 2001; bzw. Prozess-Nutzen, Patton,
1998).
Zweitens: Beide Interventionsgruppen bewerten aufgrund der Einflussmöglichkeiten (Einbindung und Deutungshoheit) die
spezifische Evaluation besser als die jeweiligen Kontrollgruppen (konzeptioneller Nutzen, Weiss und Buccavalas, 1980).
Drittens: Die Interventionen führen zu mehr und intensiveren Veränderungsabsichten (Beratungsansatz, z.B. Marsh und Roche,
1997; bzw. Instrumenteller Nutzen, Weiss und Buccavalas, 1980; Kontrollmöglichkeitshypothese, Balk 2000).
Es wurden standardisierte, schriftliche Befragungen der Fortbildnerinnen und Fortbildner (N=20) vor und nach den Fortbildungen
sowie standardisierte Veranstaltungsevaluationen (N=354 Fortbildungsteilnehmende) direkt nach den Fortbildungen
durchgeführt. Die Skalen und Items sind aus der Literatur übernommen und wurden z.T. auf die Spezifika der Studie angepasst.
Die Pilotierung der Fragebögen fand im Mai 2014 statt und alle Skalen wurden auf Reliabilität geprüft.
Als erste analytische Annäherung an die Daten erfolgt aufgrund der geringen Stichprobengröße (N=20 Fortbildungen) durch
Rangkorrelationen. Die beiden Interventionen wurden dabei bisher getrennt untersucht, da für eine Unterscheidung nach vier
Gruppen (Beide Interventionen, jeweils eine Intervention, keine Intervention) die realisierte Stichprobe zu klein ist.
H1: Erste Auswertungen zeigen wenig und wenn dann moderate Zusammenhänge zwischen den Interventionen einerseits und
Evaluationsergebnissen andererseits (z.B. Kompetenzentwicklung, d=0,28, n.s.).
H2: Sowohl Einbindung als auch die erweiterte Reflexion werden positiv als Einflussmöglichkeiten wahrgenommen (Einbindung
d=1,03; Reflexion d=0,74; beide p<0,1). Gleichzeitig wird der (damit einhergehende, größere) Aufwand kritisiert (Einbindung d=0,59, n.s.; Reflexion d=-0,72, p<0,1).
H3: Für die Intervention Einbindung besteht ein starker Zusammenhang mit den Veränderungsabsichten, z.B. mehr
Kompetenzorientierung (d=0,42; p=0,08) oder mehr Reflexionsförderung d=0,5; p=0,05). Die erweiterte Reflexion führt hingegen
nicht zu mehr oder intensiveren Veränderungsabsichten.
Anhand vertiefter Analysen wird der Beitrag Erklärungen für die z.T. schwachen Effekte anbieten, die resultierenden Hinweise
für die Gestaltung von effektiver Evaluation aufgreifen und hinsichtlich ihrer Praktikabilität diskutieren.
ID: 246 / B 02 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: Schülerlabor, Forschendes Lernen, Rollenzuteilung, Schüleraktivitätstypen, Kleingruppen
Rollenzuteilungen in Kleingruppen beim forschenden Lernen im Schülerlabor: Wirkung auf
Schüleraktivitätstypen, kooperative Lernprozesse und intrinsische Motivation
Andrea Möller, Daria Chernyak, Katrin Kaufmann
Universität Trier, Biologie und ihre Didaktik, Behringstr. 21, 54296 Trier, Deutschland
Theoretischer Hintergrund und Fragestellung
Schülerlabore stellen Zentren der Vermittlung von Kompetenzen der naturwissenschaftlichen Bildung dar (Haupt et al., 2013).
Diese Vermittlung findet oft in Form von forschendem Lernen in Kleingruppen statt und kann kooperativ erfolgen. Mögliche
Probleme des kooperativen Lernprozesses liegen in der Herausbildung gruppendynamischer Effekte, z.B. dem Freerider-Effekt
(Kerr & Bruun, 1983). Beim Forschenden Lernen in Kleingruppen im Kontext Schülerlabor identifizierten Scharfenberg et al.
(2008) die Ausbildung von vier Schüleraktivitätstypen, darunter auch unerwünschte Aktivitätstypen wie den Passive Student.
Johnson et al. (1991) zeigen fünf Basiselemente auf, die kooperatives Lernen in Kleingruppen definieren und sehen in der
externen Zuteilung von Rollen eine Möglichkeit, zwei dieser Basiselemente zu fördern und negative Gruppeneffekte zu
vermeiden. Chang & Lederman (1994) verzeichneten im Kontext Science-Unterricht keinen Einfluss einer externen
Rollenzuteilung auf den Lernzuwachs in Physik. Ob eine Rollenzuteilung in diesem Kontext einen Einfluss auf Ausbildung,
Ausprägung und Verteilung bestimmter Schüleraktivitätstypen hat und ob diese die Einschätzung des kooperativen
Lernprozesses oder die Motivation verändert, wurde bislang nicht untersucht. Daher lauten unsere Forschungsfragen: 1a) Welche
Schüleraktivitätstypen in einer forschend-lernenden Kleingruppenarbeit lassen sich identifizieren und hat b) eine externe
Rollenzuteilung einen Einfluss auf die Ausprägung oder Verteilung derselben? Welchen Einfluss hat die Rollenzuteilung 2) auf
die Einschätzung des kooperativen Lernprozesses sowie 3) auf die intrinsische Motivation der SchülerInnen?
Methode
In einer Pilotierung nahmen 48 GymnasialschülerInnen der Jahrgangsstufe 7/8 an einem forschend-lernenden Modul mit
Stabschrecken (Carausius morosus) im Schülerlabor „BioGeoLab“ teil. In der Hauptstudie besuchten 200 SchülerInnen der
Jahrgangsstufe 5/6 (Gymnasium und Realschule plus) dieses Lernmodul. Die SchülerInnen der Kontrollgruppe arbeiteten ohne
externe Rollenzuweisung, während in der Experimentalgruppe jedem/r SchülerIn einer Kleingruppe eine Rolle zugewiesen wurde
(Tierpfleger, Materialbeauftragter, Zeitmanager und Pressesprecher). Die SchülerInnen der Experimentalgruppe nahmen durch
Rotation jede Rolle einmal ein. Mit Hilfe eines Beobachterbogens (nach Chang & Lederman, 1994) wurde das Schülerverhalten
im forschenden Lernprozess über Beobachter protokolliert (Interrater Kendall W=.76) und mit SPSS clusteranalytisch
ausgewertet. Die Einschätzung der SchülerInnen hinsichtlich des kooperativen Lernprozesses (5 Subskalen, je 3 Items, nach
Sennebogen, 2013) sowie die intrinsische Motivation der SchülerInnen (4 Subskalen, je 5 Items, Wilde et al. 2009) erfolgte mit
Hilfe von Fragebögen und wurde Rasch-skaliert (Cronbach´s alpha = .89 und .76).
Ergebnisse und Diskussion
Während die Jahrgangsstufe 7/8 (Pilotstudie) alle vier beschriebenen Schüleraktivitätstypen (High-Experimenter, Allrounder,
Observer und Passive Student) beim forschenden Lernen in der Experimentalgruppe mit Rollenzuteilung aufzeigt, finden sich in
der Kontrollgruppe nur zwei Schüleraktivitätstypen (High-Experimenter und Allrounder). In der Jahrgangsstufe 5/6 identifizierten
wir sowohl mit als auch ohne Rollenzuteilung nur zwei Schüleraktivitätstypen (High-Experimenter und Allrounder) in gleicher
Ausprägung und Verteilung. Den kooperativen Lernprozesses schätzten die SchülerInnen der Jahrgangsstufe 7/8 in der
Kontrollgruppe als signifikant höher ein als in der Experimentalgruppe (p<.05, t-Test). In der Jahrgangsstufe 5/6 zeigte sich kein
Unterschied in der Einschätzung des kooperativen Lernprozesses mit bzw. ohne Rollenzuteilung. Die Motivation der
SchülerInnen der Jahrgangsstufe 7/8 war in der Experimentalgruppe signifikant höher als in der Kontrollgruppe ohne
zugewiesene Rollen (p<.05, Mann-Whitney U), demgegenüber wies auch hier der Vergleich zwischen Kontroll- und
Experimentalgruppe in der Jahrgangsstufe 5/6 keinen Unterschied auf. Die Studie zeigt widersprüchliche Ergebnisse zur
Auswirkung der Rollenzuteilung in der Jahrgangsstufe 7/8 und 5/6: In der Jahrgangsstufe 7/8 lässt sie eher negativ konnotierte
Schüleraktivitätstypen zu und führt zu einer geringeren Einschätzung des kooperativen Lernprozesses. Jedoch sind die
SchülerInnen motivierter. In der Jahrgangsstufe 5/6 scheint eine Rollenzuteilung nicht nötig; sie hat keinen Einfluss auf
Schüleraktivitätstypen, die Selbsteinschätzung des kooperativen Lernprozesses oder die intrinsische Motivation der
SchülerInnen. Mögliche Implikationen dieser Studie, deren Stichprobe derzeit erweitert wird, für die Arbeit im Schülerlabor oder
in der Schulpraxis werden auf der Tagung vorgestellt und diskutiert.
ID: 248 / H 02 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Grundschulbildung, Trainings- und Evaluationsforschung
Stichworte: Training, Lebenskunst, Wohlbefinden
Steigerung der Lebenskunst im Schulkontext
Jessica Lang, Bernhard Schmitz
TU Darmstadt, Deutschland
Das Konzept der Lebenskunst beschreibt einen achtsamen und selbstbestimmten Umgang mit dem Selbst und dem Leben
(Schmid, 2007). Bereits in der Schule zeigt sich einerseits ein erhöhter Druck, gute Lernergebnisse zu erzielen, und zugleich
auch ein Zusammenhang zwischen positiven Emotionen und dem Lernen (Seligman et al., 2009). Die Lebenskunst basiert auf
Einstellungen und Strategien, weshalb sie gelernt werden kann. Durch gezielte Übungen werden positive Emotionen und
Erlebnisse fokussiert, was wiederum zu höherer Zufriedenheit und mehr Wohlbefinden führt (Seligman, 2002). Positive
Emotionen, welche durch ein Lebenskunst-Training hervorgerufen werden können, korrelieren wiederum positiv mit Denk- und
Aufmerksamkeitsleistungen (z.B. Abe, 2011). Pekrun et al. (2002) konnten zeigen, dass positive Emotionen mit
Elaborationsstrategien, Selbstregulation und motivationalen Variablen, wie Interesse und Anstrengung, zusammenhängen. Ziel
dieses Beitrags ist die Entwicklung eines Trainings zur Förderung der Lebenskunst im Schulkontext. In einer ersten Studie wurde
zunächst ein Training für Oberstufenschüler entwickelt, durchgeführt sowie evaluiert, und in einer zweiten Studie für Schüler der
Grundschule adaptiert.
In Studie 1, einer längsschnittlich angelegten quasi-experimentellen Interventionsstudie mit Kontrollgruppe, nahmen N=58
Schüler der Oberstufe teil. Die Schüler waren zwischen 16 und 19 Jahren alt (M=17.69, SD=.951), 64 % waren weiblich. Sie
wurden randomisiert zwei Experimental- und der Kontrollgruppe zugewiesen: Kombinations-Training (n=21), Kognitives Training
(n=15) und Kontrollgruppe (n=22). Die Trainings umfassten zwei Zeitpunkte zu je 90 Minuten im Abstand von genau einer Woche.
Alle Schüler nahmen am Prä- und Posttest zur Erfassung der Lebenskunst sowie des Wohlbefindens teil. Hierbei wurde der
Lebenskunstfragebogen von Schmitz und Schmidt (2014) genutzt. Dieser umfasst 137 Items, die 17 Skalen der Lebenskunst
zugeordnet werden. Für jede Trainingsgruppe wurde eine Auswahl an Skalen der Lebenskunst getroffen, die mittels ausgewählter
Übungen trainiert wurden. Das Kombinationstraining umfasst sowohl körperfokussierte als auch kognitive Komponenten der
Lebenskunst (Coping, Selbstkenntnis, Genuss und Körperliche Fürsorge). Das Kognitive Training beinhaltet die Komponenten
Coping, Selbstkenntnis und Positive Lebenseinstellung.
Zur Beantwortung der Forschungsfrage, ob das Training eine Förderung der Lebenskunst bewirken kann, wurden zweifaktorielle
ANOVAs mit Messwiederholung berechnet. Bei Betrachtung der interessierenden Interaktionen, zeigten sich statisch signifikante
Interaktionen Gruppe x Messzeitpunkte für den Gesamtscore der Lebenskunst (F(2, 55) = 3.89 p =.026, η2=.124), für Coping
(F(2, 55) = 4.976 p =.010, η2=.153), Positive Lebenseinstellung F(2, 55) = 10.136 p <.001, η2=.269) und Genuss (F(2, 55) =
5.121, p =.009, η2=.157). Kontrastanalysen zeigten, dass die Unterschiede sich jeweils im Vergleich zwischen der Kontrollgruppe
und den Experimentalgruppen bemerkbar machen.
Für Studie 2 wurde das zuvor entwickelte Training für Schüler der Grundschule adaptiert (N=88). Die Schüler waren zwischen 8
und 11 Jahren alt (M=9, SD=.66), 45 % waren weiblich. Sie wurden einer Experimental- und der Kontrollgruppe zugewiesen. Für
das Training wurden die Skalen Positive Lebenseinstellung, Genuss und Gelassenheit ausgewählt.
Eine MANOVA mit Messwiederholung ergab einen signifikanten Interaktionseffekt Gruppe x Messzeitpunkt: F(4, 169)=, p=.001,
11.673, η2=.064. Auch die Analysen für die einzelnen Skalen wiesen statistische Signifikanz auf: Gesamtscore (F(1,86) = 26.026,
p <.001, η2=.712), Positive Lebenseinstellung (F(1, 86) =25.046, p < .001, η2=0.226), Genuss (F(1, 86) =17.303, p < .001,
η2=0.167) und Gelassenheit (F(1, 86) =40.073, p <.001, η2=0.318).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Training in beiden Studien die Lebenskunst der Schüler steigern konnte. Diese
ersten Ergebnisse sind sehr vielversprechend, wenn die zuvor beschriebenen Zusammenhänge zwischen der Lebenskunst und
dem Wohlbefinden sowie zwischen positiven Emotionen und Lern- und Leistungsmotivation bedacht werden. Dieser Beitrag gibt
einen Ausblick auf die Möglichkeiten, die der Einsatz bereits kurzer Interventionen im schulischen Rahmen bietet.
ID: 252 / G 03 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Didaktik Mathematik
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht,
Motivation und Emotion
Stichworte: Matheangst, Matheleistung, Selbstkonzept, Interesse
Zusammenhänge zwischen affektiven und kognitiven Komponenten der Matheangst mit Selbstkonzept,
Interesse und Leistung in Mathematik
Sofie Henschel1, Thorsten Roick2
1
Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland; 2Landesamt für Schule und Lehrerbildung, Regionalstelle Frankfurt (Oder)
Theoretischer Hintergrund
Unter den schulbezogenen Ängsten stellt Matheangst ein verhältnismäßig gut untersuchtes Konstrukt dar. Bisherige Studien
haben gezeigt, dass eine Unterscheidung zwischen affektiver und kognitiver Komponente für die Betrachtung von Matheangst
nützlich ist (Wigfield & Meece, 1988). Entsprechend der Kontroll-Wert Theorie (Pekrun, 2006) sollten Gefühle der Nervosität
(affektive Komponente der Matheangst) und Sorge (kognitive Komponente der Matheangst) im Umgang mit Zahlen oder
mathematischen Problemen dann erlebt werden, wenn der Bewältigung einer Aufgabe in einer Lern- oder Leistungssituation eine
hohe Bedeutung zukommt (hohe Wertausprägung, z.B. hohes Interesse), sie aber als nicht bewältigbar eingeschätzt und somit
ein Misserfolg antizipiert wird (geringe Kontrollausprägung, z.B. geringes Selbstkonzept). Angenommen wird, dass negative
Leistungserfahrungen derartige Kontroll- und Wertkognitionen begünstigen und sich darüber auch auf die zukünftige
Mathematikleistung negativ auswirken (Ma & Xu, 2004; Meece, Wigfield, & Eccles, 1990). Längsschnittliche Studien deuten
zudem darauf hin, dass dem Selbstkonzept für die Erklärung der (affektiven) Matheangst eine stärkere Prädiktionskraft zukommt
als dem Interesse (Kyttälä & Björn, 2010). In der vorliegenden Studie soll untersucht werden, inwieweit Kontrollkognitionen
(Mathematik-Selbstkonzept) und Wertkognitionen (Interesse an Mathematik) den Zusammenhang zwischen Matheleistung und
affektiver bzw. kognitiver Matheangst gleichermaßen vermitteln.
Methode
An der Studie nahmen 368 Viertklässler (52% Mädchen) aus 24 Schulklassen teil. Zunächst beantworteten die Kinder Fragen
zum Mathematik-Selbstkonzept (8 Items, α = .78), zu ihrem Interesse an Mathematik (6 Items, α =.86) und zu ihrer Matheangst.
Zur Erfassung der Matheangst wurden schulische und außerschulische Situationen beschrieben, in denen die Kinder mit
mathematischen Problemen konfrontiert werden. Die Schülerinnen und Schüler beurteilten auf einer vierstufigen Skala wie nervös
(affektive Matheangst, 18 Items, α = .89) und besorgt (kognitive Matheangst, 18 Items, α =.92) sie sich in den beschriebenen
Situationen fühlen. Anschließend wurde die Mathematikleistung (31 Items, α = .86) der Kinder erhoben (DEMAT 3+; Roick, Gölitz,
& Hasselhorn, 2004). Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurden die Variablen konkurrent modelliert und strukturanalytisch
ausgewertet.
Ergebnisse
Das Strukturgleichungsmodell weist auf einen zufriedenstellenden Modellfit hin (Chi² = 392.97, df = 286, p < .01, RMSEA =. 03,
CFI = .94). Während unter Kontrolle von Geschlecht, Mathematikleistung und Selbstkonzept keine Zusammenhänge zwischen
Interesse an Mathematik und beiden Komponenten der Matheangst bestehen (β = -.02 vs. β = .08, p >.05), ist das Selbstkonzept
stärker mit der affektiven Matheangst assoziiert ist als mit der kognitiven Matheangst (β = -.59 vs. β = -.29, p < .01). Darüber
hinaus hängt die Matheleistung sowohl direkt als auch indirekt mit beiden Komponenten der Matheangst zusammen. Einerseits
fallen die direkten Zusammenhäng mit der kognitiven Matheangst deutlich enger aus als mit der affektiven Matheangst (β = -.57
vs. β = -.30, p < .01). Andererseits vermittelt das Selbstkonzept einen Teil des Erklärungsbeitrags der Matheleistung auf beide
Matheangstkomponenten. Hierbei fällt der indirekte Erklärungsbeitrag für die affektive Matheangst größer aus als für die kognitive
Matheangst (β = -.26 vs. β = -.13, p < .01).
Diskussion
Die Ergebnisse stützen Befunde von Kyttälä and Björn (2010), die für Jugendliche ebenfalls zeigten, dass affektive Matheangst
stärker mit Kontroll- als mit Wertkognitionen assoziiert ist. Dies gilt zwar prinzipiell auch für die kognitive Matheangst, allerdings
fällt die Erklärungsleistung von Selbstkonzept und Interesse geringer aus. Da keine Zusammenhänge zwischen Interesse und
beiden Komponenten der Matheangst erkennbar wurden, sollte die Relevanz des Interesses bei der Erklärung der Matheangst
in Folgestudien genauer untersucht werden. Zudem ist zu klären, über welche weiteren Variablen sich die direkten
Zusammenhänge zwischen Matheleistung und Matheangst vermitteln könnten und welche Rolle der affektiven und kognitiven
Komponente der Matheangst für die weitere Entwicklung von Mathematikleistungen und leistungsbegleitenden Variablen
zukommt.
ID: 253 / B 14 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Förderpädagogik, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung
Stichworte: Bildungsstandards, Grundschule, Längsschnitt, (prognostische) Validität, Mathematik
Eignen sich bildungsstandardbasierte Tests zur Prognose des Schulerfolgs? Ein klassifikatorischer
Ansatz bei Grundschulkindern
Gesine Fuchs1, Martin Brunner1,2
1
Institut für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg e.V., Deutschland; 2Freie Universität Berlin
Mathematische Kompetenz wird als Schlüsselkompetenz für ein erfolgreiches Leben betrachtet (Europäische Parlament und Rat
der Europäischen Union, 2006; Salganik & Rychen, 2003). Beeinträchtigungen können mit Einschränkungen an der Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben einhergehen (Tröster, 2009). Lehrkräften gelingt es jedoch nur bedingt, die Leistungen ihrer Schüler/innen über einen klasseninternen Referenzrahmen hinaus verlässlich einzuschätzen (Brunner, Anders, Hachfeld & Krauss,
2011). Mithilfe von standardisierte Leistungstests können sie eine objektive Kompetenzbestimmung ihrer Schüler/-innen
vornehmen und dadurch zusätzliche diagnostische Informationen erhalten. Speziell mit so genannten „Screening-Tests“ sollen
Lehrkräfte mit ökonomischen Aufwand zwischen Schüler/-innen mit und ohne potentiellen zukünftigen Beeinträchtigungen der
Kompetenzentwicklung bzw. des schulischen Erfolgs zuverlässig trennen können (Marx & Lenhard, 2011). Diese diagnostischen
Informationen könnten bildungsstandardbasierte Tests, wie diese beispielsweise im Rahmen von VERA 3 bundesweit eingesetzt
werden, potentiell in Form eines Grobscreening liefern (Köller, Eβel-Ullmann & Paasch, 2012; Leutner, Fleischer, Spoden &
Wirth, 2008). Empirische Befunde liegen bisher jedoch nicht vor.
Wie hoch die Klassifikationsgenauigkeit eines bildungsstandardbasierten Mathematiktests in der 4. Klasse (Granzer et al., 2008)
für die Prognose von Schüler/-innen mit und ohne zukünftiger Kompetenzbeeinträchtigung in der 6. Klasse ausfällt, untersucht
die vorliegende Längsschnittstudie für Brandenburger Grundschulkinder (N=366-373). Die Grundlage zur Klassifizierung der
Schülerleistungen im Mathematiktests bildete das Kompetenzstufenmodell für Mathematik in der Primarstufe
(Kultusministerkonferenz, 2013). Dieses ermöglicht eine kriteriale Einordnung der Schülerleistungen. Zur Untersuchung unserer
Fragestellung, klassifizierten wir die Schüler/-innen nach ihren Mathematiktestleistungen in der 4. Klasse (Prädiktor) in: (1)
Schüler/-innen, die den Regelstandard (Kompetenzstufe 3) verfehlt haben und (2) jene, die den Regelstandard erreicht haben.
Das Verfehlen bzw. Erreichen des Regelstandards ist von besonderer inhaltlicher Bedeutung, da dieser nach den KMKBildungsstandards im Durchschnitt von den Schüler/-innen in der 4. Klasse erreicht werden sollte. Die Klassifizierung des
zukünftigen Schulerfolgs der Schüler/-innen in der 6. Klasse wurde vorgenommen für (a) die Mathematiktestleistung (4. KlasseRegelstandard verfehlt bzw. erreicht) (b) die Mathematiknote (Note von 1 bis 3 bzw. 4 bis 6) und (c) die Gymnasialempfehlung
(erhalten bzw. nicht erhalten). Die einschlägigen Indizes zur Beurteilung der Klassifikationsgenauigkeit, Sensitivität und Spezifität,
betrugen für (a) die Mathematiktestleistung 0.60 und 0.79, (b) die Mathematiknote 0.57 und 0.77 sowie (c) die
Gymnasialempfehlung 0.89 und 0.50. Beispielhaft bedeutet für die Prognose der Testleistung eine Sensitivität von 0.60, dass 60
% der zum Zeitpunkt der 4. Klasse auf Grund der Testleistungen als leistungsbeeinträchtigt identifizierten Kinder (4. KlasseRegelstandard verfehlt) auch in der 6. Klasse schwache Testleistungen zeigen (4. Klasse-Regelstandard wiederum verfehlt).
Eine Spezifität von 0.79 bedeutet, dass 79 % der zum Zeitpunkt der 4. Klasse auf Grund der Testleistungen als nicht
leistungsbeeinträchtigt identifizierten Kinder (4. Klasse-Regelstandard erreicht) auch in der 6. Klasse zumindest den
Regelstandard (der 4. Klasse) erreichten. Die klassifikatorischen Kennwerte liegen im Bereich von etablierten deutschsprachigen
Schulleistungstests zur Einzelfalldiagnose in Mathematik: Zum Beispiel schwanken die Werte für die Sensitivität zwischen 0.31
und 0.88 sowie für Spezifität zwischen 0.84 und 0.95 zur Prognose von ein bis zwei Jahre später erzielten Testleistungen (KR 34: Gölitz, Roick & Hasselhorn, 2013; ERT 0+: Gomm, 2014; DEMAT 1+ bis 4: Hasselhorn, Roick & Gölitz, 2005). Weitere
einschlägige Klassifikationskennwerte (RATZ-Index, positiver/negativer Prädiktionswert) sowie das angemessene Verhältnis von
Selektion- zu Grundrate untermauern die als gut zu bewertende Klassifikationsgenauigkeit des bildungsstandardbasierten
Mathematiktests zur Prognose der untersuchten schulischen Erfolgskriterien.
Insgesamt deuten die vorliegenden Ergebnisse für den bildungsstandardbasierten Mathematiktest daraufhin, dass auch der
VERA 3 Mathematiktest, der jährlich in ganz Deutschland von allen Kindern in der 3. Klasse bearbeitet wird, als Instrument für
Grobscreenings eingesetzt werden könnte. Eine Verwendung von VERA-3-Tests für solche förderdiagnostischen Zwecke könnte
deren Akzeptanz und die Nutzung bedeutsam steigern.
ID: 254 / E 01 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Hochschulbildung
Stichworte: Studierende, Hochschulausbildung, Faktorenstruktur
Pilotierung und Validierung von Skalen zur Erhebung der Gründe für eine Überschreitung der
Regelstudienzeit
Eva Fritzsche1, Marcus Penthin2, Stephan Kröner2
1
TU München, Deutschland; 2FAU Erlangen-Nürnberg, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Der Anteil der Studierenden, die ihr Studium in der Regelstudienzeit (RSZ) abschließen, wird als Qualitätsindikator für die
Hochschullehre angesehen (Jaeger, Leszczensky, Orr, & Schwarzenberger, 2005). Laut den aktuellsten verfügbaren Daten des
statistischen Bundesamts überschritten im Jahr 2011 jedoch 61% der Hochschulabsolventen an deutschen Hochschulen die
Regelstudienzeit (RSZ), dabei überzogen 24% aller Studierenden die RSZ um mehr als zwei Semester (Brugger, Threin, &
Wolters, 2013). Die Kenntnis der dahinterliegenden Gründe ist wichtig, um die Studienbedingungen verbessern zu können.
In Vorarbeiten der Arbeitsgruppe wurde ein umfassendes Kategoriensystem entwickelt und auf der Basis offener Aussagen von
Studierenden ausdifferenziert. Der Großteil der offenen Antworten ließ sich den drei Hauptkategorien „hochschulinterne Faktoren
(Studienbedingungen)“, „individuelle Merkmale und Eingangsvoraussetzungen“ und „persönliche Lebensbedingungen und
Kontextfaktoren“ einordnen (Fritzsche, Penthin, & Kröner, 2015). Auf dieser Basis wurden 21 Items für Skalen eines Fragebogens
zur Überschreitung der RSZ formuliert, welcher die Bandbreite der genannten möglichen Gründe einer verlängerten Studiendauer
abdecken sollte. Ziel der vorgestellten Studie ist die Pilotierung der entwickelten Skalen und die Überprüfung ihrer faktoriellen
Struktur.
Fragestellung
Lässt sich die mit qualitativ-inhaltsanalytischen Methoden erhobene Struktur der Gründe für die Überschreitung der RSZ
faktorenanalytisch replizieren?
Methode
Der Fragebogen wurde in einer Onlineumfrage pilotiert. Die Onlineumfrage wurde über soziale Netzwerke, über E-Mailverteiler
sowie über die Lehrenden verschiedener Lehrveranstaltungen beworben. Es nahmen N = 232 Studierende an der Umfrage teil,
die angaben, die RSZ wahrscheinlich zu überschreiten oder sie bereits überschritten zu haben (Alter: M = 25; SD = 6). Die
Instruktion lautete: „Bitte geben Sie an, wie ausschlaggebend die folgenden Aussagen bezüglich a) der Studienbedingungen, b)
des Studienalltags und c) Ihrer Lebensbedingungen für eine Verlängerung Ihrer Regelstudienzeit waren oder sind.“. Das
Antwortformat wurde fünfstufig gewählt von (1) „trifft überhaupt nicht zu“ bis (5) „trifft voll und ganz zu“.
Ergebnisse
Die Daten wurden im Rahmen einer E/CFA ausgewertet (Jöreskog, 1969; Marsh et al., 2009). Dabei wurde die Statistiksoftware
R sowie die Pakete lavaan und psych verwendet (R Development Core Team, 2012; Revelle, 2015; Rosseel, 2012). Es wurde
zunächst ein konfirmatorisches Modell berechnet, das jedoch eine schlechte Modellpassung aufwies (Modell 1, CFA, χ2 = 654,
df = 186, CFI = .472, TLI = .404, RMSEA = .104, SRMR = .107). Daraufhin wurde eine exploratorische Faktorenanalyse zur
Identifikation von Ankeritems berechnet (Modell 2, EFA, χ2 = 323, df = 150, CFI = .803, TLI = .721, RMSEA = .074, SRMR =
.060). Anschließend wurde das Ausgangsmodell der E/CFA (Modell 3, E/CFA, χ2 = 310, df = 150, CFI = .806, TLI = .728, RMSEA
= .071, SRMR = .058) schrittweise anhand der Modellparameter und der Modifikationsindices bis zum endgültigen Modell
angepasst (Modell 4, E/CFA, χ2 = 154, df = 95, CFI = .924, TLI = .904, RMSEA = .053, SRMR = .064).
Es zeigte sich, dass es sinnvoll ist, qualitativ-empirisch ermittelte Strukturierungen einer quantitativen Prüfung zu unterziehen.
Dabei ergaben sich Abweichungen von der angenommenen Struktur, die eine Anpassung der Faktorenbezeichnungen nach sich
zog. Auf der inhaltlichen Ebene wurde deutlich, dass eine überlange Studiendauer nicht ausschließlich problematisch zu sehen
ist, sondern auch durch das Interesse der Studierenden an weitergehendem Kompetenzerwerb bedingt sein kann. Es wird ein
Ausblick gegeben, inwiefern die Ergebnisse der Pilotierung als Ansatzpunkte für die Verbesserung der Studienbedingungen
genutzt werden können.
ID: 256 / B 01 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Lehrerexpertise, Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: epistemologische Überzeugungen, Lehrerbildung, pädagogisches Wissen, Theorie-Praxis-Bezug
Mind the Gap: Epistemologische Überzeugungen als Prädiktoren der wahrgenommenen Praxisrelevanz
pädagogischen Wissens
Samuel Merk2, Liene Pucite2, Jürgen Schneider2, Marcus Syring1
1
Ludwig-Maximilians-Univeristät München, Deutschland; 2Eberhard Karls Universität Tübingen, Deutschland
Epistemologische Überzeugungen sind als Überzeugungen zur Natur und Genese (wissenschaftlichen) Wissens konzeptualisiert
und umfassen typischer Weise Fragen nach der Sicherheit, Quelle, Struktur und der Rechtfertigung von Wissen (Hofer &
Bendixen, 2012). Sie gelten als ein beliebter Forschungsgegenstand der pädagogischen Psychologie, wobei Forschung zu deren
Assoziation mit Lernprozessen einen dominanten Subforschungsstrang darstellt: So zeigen zahlreiche Befunde Assoziationen
mit der Quellenwahl, der Onlinesuche, akademischer Leistung, conceptual change etc. (Alexander, Winters, Loughlin &
Grossnickle, 2012). Neuere Forschungsrichtungen zu epistemologischen Überzeugungen gehen insbesondere der Frage nach,
inwiefern epistemologische Überzeugungen mit Prozessen des selbstregulierten Lernens interagieren (Muis, 2007).
Aus theoretischer Sicht müssten epistemologische Überzeugungen auch als notwendige Bedingungen für die Wahrnehmung
einer Bedeutsamkeit theoretischen Wissens für die Praxis fungieren: Beispielsweise sollten Personen, die wissenschaftliche
Erkenntnisse als stark relativistisch beurteilen, diesen eine geringere Bedeutsamkeit zuschreiben, da sich die
Anwendungskontexte meist von den Kontexten unterscheiden, in denen wissenschaftliche Erkenntnisse generiert werden.
Die vorgestellte Studie überprüft diese Hypothese im Kontext der Lehrerbildung und untersucht, inwiefern domänenspezifische
epistemologische Überzeugungen bzgl. pädagogischen Wissens (Voss, Kunina-Habenicht, Hoehne & Kunter, 2015) die
wahrgenommene Praxisrelevanz dieses Wissens nach Kontrolle motivationaler Variablen und verschiedener Quellen und
Kontexte prädiziert.
Dazu wurden Lehramtsstudierende mit 6 Texten zu curricular validen Forschungsgegenständen des bildungswissenschaftlichen
Begleitstudiums konfrontiert (sechstufiger within-person Faktor). Diese wurden, bei gleichen inhaltlichen Aussagen, in der Quelle
des dargestellten Wissens (between-person Faktor mit den drei Stufen: Erfahrungsbericht, Expertenrat, wissenschaftliche Studie)
und des Kontextes (between-Person Faktor mit den zwei Stufen: schulischer Kontext vorhanden, schulischer Kontext nicht
vorhanden) variiert. Die Lehramtsstudierenden wurden randomisiert einer dieser sechs Bedingungen zugewiesen. Zu jedem
dieser Texte wurden die eingeschätzte Praxisrelevanz des Textes (BilWiss, 2014), Immersion, Interesse, Cognitive Load und der
theorienspezifische Relativismus erfasst. Jede Person bearbeitete zudem einmalig domänenspezifisch adaptierte Skalen
epistemologischer Überzeugungen (FREE, Krettenauer, 2005; CAEB, Stahl & Bromme, 2007) sowie Skalen zu Studieninteresse
und Fähigkeitsselbstkonzept.
Mit den so erhaltenen NLevel-1 = 1938 Texteinschätzungen von NLevel-2 = 323 Studierenden wurden zunächst konfirmatorische
Mehrebenen-Faktorenanalysen durchgeführt. Deren Ergebnisse zeigen zum einen, dass das Konstrukt der Praxisrelevanz
sowohl auf Ebene der Forschungsgegenstände als auch auf Ebene der Personen als eindimensional angenommen werden kann
(Chi2 = 51.976, df = 18, RMSEA = 0.033, CFI = 0.987, TLI = 0.979, SRMR.Within = 0.019, SRMR.Between = 0.04). Zum anderen
kann so (dank ebeneninvarianter Messmodelle) eine latente Intraklassenkorrelation berechnet werden, deren Ausprägung von
ICC = .26 darauf hinweist, dass die eingeschätzte Praxisrelevanz mehr gegenstands- denn personenspezifisch ist.
Eine Erweiterung dieser Modelle zu Mehrgruppen-Mehrebenen-Strukturgleichungsmodellen mit motivationalen Prädiktoren klärt
einen substantiellen Anteil in der abhängigen Variable eingeschätzte Praxisrelevanz (R2-within = .27, R2-between = .25) bei
gutem Modellfit (Chi2 = 934.934, df = 432, RMSEA = 0.026, CFI = 0.945, TLI = 0.939, SRMR.Within = 0.068, SRMR.Between =
0.073) auf. Dieser steigt signifikant auf beiden Ebenen nach Hinzunahme epistemologischer Überzeugungen als Prädiktoren.
Dabei variieren die prädiktiven Effekte nur marginal zwischen den Experimentalgruppen.
ID: 257 / D 11 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lehrer(aus)bildung, Lehrerexpertise
Stichworte: Fehlerorientierung, Lernen aus Fehlern, Unterrichtsexpertise, Domänenspezifität, Messinvarianz
Unterrichtsbezogene Fehlerorientierung. Adaption und Validierung eines Fragebogens.
Anja Böhnke, Felicitas Thiel
Freie Universität Berlin, Deutschland
Unterrichtsbezogene Fehlerorientierung von Lehrkräften. Adaption und Validierung eines Fragebogens.
Fehlerorientierung, die als multidimensionales Konstrukt die Bewertung von und den Umgang mit Fehlern beschreibt, gilt als
zentrale individuelle Bedingung des Lernens aus Fehlern (Rybowiak, Garst, Frese & Batinic, 1999). Beim Lernen aus Fehlern
werden Lernprozesse durch die Reflexion dysfunktionaler Handlungsroutinen (Harteis, Bauer & Gruber, 2008; Bauer & Mulder,
2008, 2013; Zhao, 2011) und die Verankerung von erlebten Fehlersituationen im episodischen Gedächtnis (Oser, 2007)
provoziert. Im Rahmen von professionellem Lernen, kann ein Lernen aus Fehlern helfen, relevante Wissens- und
Kompetenzlücken zu identifizieren, was insbesondere in dynamischen Kontexten, wo Wissen rasch obsolet oder unpraktikabel
wird und ein Handeln unter Druck die Fehleranfälligkeit von Entscheidungen erhöht, von besonderer Relevanz ist.
Diese Studie eröffnet den Blick auf die Nutzbarmachung der Konzepte Fehlerorientierung und Lernen aus Fehlern für die Analyse
des Handelns von Lehrkräften im Unterricht.
Es sollte ein valides Instrument zur Erfassung der unterrichtsbezogenen Fehlerorientierung von Lehrkräften entwickelt werden.
Mit dem Error Orientation Questionnaire (EOQ) von Rybowiak et al. (1999) liegt ein Instrument zur allgemeinen Erfassung von
Fehlerorientierung im beruflichen Kontext vor. Eine solche domänenunspezifische Erfassung von Fehlerorientierung oder dem
Lernen aus Fehlern wird allerdings grundlegend kritisiert (Bauer, 2008; Gartmeier, 2009), da sich Fehler in unterschiedlichen
Domänen und bei der Bewältigung unterschiedlicher Anforderungen deutlich unterscheiden (Bauer & Mulder, 2008; Glendon,
Clarke & Mckenna, 2006). Wir haben auf der Grundlage des EOQ ein für die Unterrichtsarbeit von Lehrkräften angepasstes
Instrument zur Erhebung der Fehlerorientierung entwickelt, das die Kritik an einer unspezifischen Erfassung von
Fehlerorientierung aufnimmt. Dazu haben wir (1) vor dem Hintergrund der Prompting Task Technique (PPT) (Brewer, 1986) einen
Eingangstext entwickelt, der ein Prompting auf drei typische Fehler im Unterricht vornimmt, um für alle Befragten einen
vergleichbaren Bezugsrahmen herzustellen, (2) eine domänenspezifische Auswahl von Skalen sowie Anpassung von Items
vorgenommen und (3) sowohl den Eingangstext als auch die Auswahl von Skalen und die Anpassung der Items durch Experten
in mehreren Überarbeitungsrunden inhaltlich validieren lassen.
Das adaptierte Instrument wurde anschließen von insgesamt N = 959 Lehrpersonen aus drei Substichproben unterschiedlicher
Expertisestufen (n = 198 Lehramtsstudierende, n = 319 Referendarinnen und Referendare, n = 442 Lehrkräfte) bearbeitet.
Konfirmatorische Mehrgruppen-Faktorenanalysen (Brown, 2006) ergaben eine konsistente sechsdimensionale Struktur für alle
drei Substichproben und erste Hinweise auf Konstruktvalidität durch überzeugende Modellkennwerte hinsichtlich vorliegender
metrischer Messinvarianz (Byrne & Stewart, 2006). Zur konvergenten Validierung mit externen Kriterien wurde der
Messinvarianzansatz erweitert: Es konnten theoriegerechte Zusammenhänge mit beruflicher Zielorientierung und
Lehrerselbstwirksamkeit aufgezeigt werden, die sich ebenfalls als invariant über die drei Substichproben erwiesen.
Die Ergebnisse und praktische Implikationen für die Ausbildung von Unterrichtsexpertise werden diskutiert.
ID: 258 / F 02 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Lernen mit Computer und neuen Medien, Motivation und Emotion
Stichworte: Emotionales Erleben, Selbstgesteuertes Lernen, volitionale Regulation, motivationale Defizite, eLearning
Lernmotivation, Lernregulation und emotionales Erleben beim eLearning. Eine Untersuchung bei
Lehramtsstudierenden.
Theresa Meindl, Xenia Justus, Klaus-Peter Wild
Universität Regensburg, Institut für Pädagogik
Theoretischer Hintergrund
Betrachtet man die Forschungsschwerpunkte im Bereich des selbstgesteuerten Lernens im Studium, wird deutlich, dass
emotionale Aspekte bislang seltener als motivationale oder gar kognitive Aspekte untersucht worden sind. Dabei gewann die
Forschung zu Emotionen in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung. Zahlreiche Untersuchungen beschäftigen sich mit
Beziehungen zwischen emotionalen und motivationalen Prozessen (u.a. Hortop, Wrosch & Gagné, 2013; Pekrun, Elliot & Maier,
2009). Studien zu diesem Themenbereich sind meist in „natürlichen“ Lernsituationen, oft in der schulischen Bildung, angesiedelt.
Deutlich seltener wurde das Lernverhalten im Hochschulbereich, speziell in computer- und webbasierten Lernumgebungen
(eLearning) untersucht. Hier besteht sowohl theoretisch wie empirisch ein besonderer Forschungsbedarf bezüglich der
motivationalen Selbstregulation des Lernens, da bei virtuellen Lernangeboten üblicherweise weder Zeitpunkt noch Umfang der
Lernzeiten festgelegt oder eingefordert werden (Artino & Jones, 2012). Es ist anzunehmen, dass mit den entsprechend großen
Handlungsspielräumen der Studierenden besondere Anforderungen an die motivationale Regulation des Lernens einhergehen
und die motivationalen Stärken oder Defizite der Studierenden in besonderem Maße die Lernregulation und den Lernerfolg
beeinflussen. Insbesondere bei niedriger intrinsischer Motivation und mangelnden inhaltlichen Interessen ist anzunehmen, dass
sich die Initiierung und Aufrechterhaltung der Lernaktivitäten erheblich auf eine extrinsische Lernmotivation und eine darauf
aufbauende volitionale Handlungssteuerung stützen muss (Corno, 2004). Vor dem Hintergrund eines bedürfnistheoretischen
Ansatzes (z.B. Deci & Ryan, 1993) muss befürchtet werden, dass solchermaßen extrinsisch motivierte Lernaktivitäten von einem
negativeren emotionalen Erleben als intrinsich motivierte Lernaktivitäten begleitet werden, da eine Person in diesen Phasen
Handlungen ausführt, die weder mit den persönlichen Bedürfnissen übereinstimmen noch tätigkeits- oder
gegenstandsspezifische Interessen ansprechen. In einem solchen Kontext besteht die Gefahr negativer Rückkopplungen von
motivationalen Zuständen, Lernregulation und emotionalem Erleben. Gleichzeitig ist nicht auszuschließen, dass mit (subjektiv)
erfolgreichen extrinsisch motivierten Lernaktivitäten auch positive Erlebensmuster verbunden sein können.
Fragestellung
Die vorliegende Studie versucht die Richtung und die Stärke der Beziehungen zwischen motivationalen Orientierungen,
Lernregulation und emotionalem Erleben in einer virtuellen Lernumgebung aufzuklären. Hierzu werden motivationale, volitionale
und emotionale Aspekte des Lernens über den Verlauf eines Semesters längsschnittlich untersucht.
Mit der Studie wurden folgende Ziele verfolgt: (a) eine Modellierung der Struktur und des zeitlichen Verlaufs des emotionalen
Erlebens im Untersuchungszeitraum; (b) die Vorhersage des emotionalen Erlebens durch Indikatoren der motivationalen
Orientierung und der volitionalen Handlungssteuerung.
Methode
Die längsschnittliche Stichprobe umfasst N=220 Studierende verschiedener Studiengänge (Lehrämter) und verschiedener
Hochschulen, welche an einem virtuellen Seminar, das sich über den gesamten Semesterzeitraum erstreckte, teilnahmen. Die
regelmäßige Bearbeitung der Themenmodule war für die Teilnahme an der Abschlussklausur verpflichtend. Da weder der
Zeitpunkt noch der Umfang der Lernzeiten kontrolliert wurden, ergaben sich erhebliche Anforderungen an eine eigenständige
volitionale Steuerung des Lernverhaltens.
Zu Anfang des Semesters wurden motivationale Orientierungen (adaptive Skalensammlung von Wild, Krapp, Schiefele, Lewalter
& Schreyer, 1995) erfasst. Handlungsregulationsprobleme (Skalen in Anlehnung an das Academic Procrastination Scale
Inventory; Schouwenbourg, 1995) und emotionale Erlebensmuster (Selbstbeschreibungsinventar) wurden in der Mitte und am
Ende des Semesters erfragt. Das selbstentwickelte Inventar zur Erfassung des emotionalen Erlebens ist eng an die „Positive und
Negative Affect Schedule“ (PANAS) von Watson, Clark und Tellegen (1988) angelehnt und besteht aus 9 Adjektiven (fröhlich,
interessiert, engagiert, zufrieden, stolz, überlastet, frustriert, besorgt und beschämt).
Ergebnisse
Es konnte zunächst festgestellt werden, dass hoch intrinsisch motivierte Studierende signifikant mehr positive Emotionen erleben
als niedrig intrinsisch motivierte Studierende. In Bezug auf negative Emotionen gibt es hier keine signifikanten Unterschiede.
Festzustellen ist, dass hoch intrinsisch motivierte Studierende seltener eine Handlung abbrechen oder aufschieben. Wenn aber
eine Handlung aufgeschoben oder abgebrochen wird, zeigen die Ergebnisse einer Analyse mit Strukturgleichungsmodellen, dass
das Aufschieben und das Abbrechen einer Handlung einen signifikanten negativen Einfluss auf positive Emotionen und einen
signifikanten positiven Einfluss auf negative Emotionen aufweisen. Diese Effekte zeigen sich unabhängig von der motivationalen
Orientierung.
ID: 261 / H 16 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Lernen mit Computer und neuen Medien
Stichworte: volitionale Regulation, Handlungskontrolle, selbstreguliertes Lernen, E-Learning, Lehramtsstudium
Der Einfluss volitionaler Kompetenzen auf die Handlungsregulationsprobleme, den Lernzeitumfang, die
Lernzeitverteilung und die Verarbeitungstiefe im Studium: Eine Untersuchung im Rahmen eines
virtuellen Seminars.
Xenia Justus, Theresa Meindl, Klaus-Peter Wild
Universität Regensburg, Deutschland
Problemstellung
Von Studierenden an den Hochschulen wird in nahezu selbstverständlicher Weise erwartet, dass sie wesentliche Anteile ihres
Studiums eigenverantwortlich gestalten und bewältigen. Auch wenn die formale Organisation des Studiums durch Prüfungs- und
Studienordnungen und die inhaltliche Anleitung durch Vorlesungen, Seminare, Übungen sowie Praktika einen wichtigen Raum
einnehmen: Das eigenständige Vor- und Nachbereiten der Lehrveranstaltungen, die Erarbeitung von Referaten sowie
Hausarbeiten und die oft raumgreifenden Vorbereitungen auf Prüfungen liegen ganz erheblich in den Händen der Studierenden
selber (vgl. Wild, 2000, 2005).
Mit der Verlagerung der traditionellen Präsenzlehre in virtuelle Lernumgebungen ergeben sich zusätzliche Anforderungen an die
Lernkompetenzen Studierender, dabei liegen diese aufgrund der geringeren sozialen und organisatorischen Einbindung
Studierender vor allem im volitionalen bzw. motivationalen Bereich. Alle Vorteile einer E-Learning-Umgebung bezüglich der
Gestaltungsmöglichkeiten des eigenen Lernens bringen daher gleichzeitig mögliche Gefährdungen des Studienerfolges bei einer
unzureichenden Selbstregulation mit sich.
Zahlreiche Studien zeigten, dass die Ursachen für die Lerndefizite eineswegs nur in einer unzureichenden Lernmotivation liegen.
Sobald eine Lernhandlung nicht unmittelbar mit einer intrinsischen Lernmotivation verbunden ist, kommen zusätzlich volitionale
Defizite zum Tragen und führen zu einer verzögerten Handlungsinitiierung oder einer verkürzten Handlungsdurchführung (Corno,
2001; Garcia et al., 1998; Kuhl, 1996; Wolters, 2003; Wolters & Benzon, 2013).
Zentrale Zielsetzung der vorliegenden Studie besteht in der Untersuchung des Einflusses von volitionalen Kompetenzen
Studierender auf ihr Lernverhalten im Rahmen einer E-Learning-Umgebung. Es wird angenommen, dass Studierende mit
stärkeren volitionalen Kompetenzen (1) weniger Probleme bei der Handlungsinitiierung und -durchführung, (2) einen größeren
Lernzeitumfang sowie (3) eine günstigere Lernzeitverteilung aufweisen. Außerdem setzen sie (4) häufiger Elaborationsstrategien
ein und erreichen dadurch (5) ein höheres Wissensorganisationsniveau. Volitionale Kompetenzen werden hierbei durch
Lernintention, Initiierungskontrolle und positive Selbstmotivierung operationalisiert.
Methode
Stichprobe: Insgesamt N = 668 Lehramtsstudierende verschiedener Fächer sowie Studiengänge (Lehrämter) und verschiedener
Hochschulen nahmen an der Untersuchung teil. Das Durchschnittsalter der Befragten betrug 22.50 Jahre (SD = 2.60, N = 564)
bei einer durchschnittlichen Fachsemesterzahl im ersten Studienfach 4.80 (SD = 1.85, N = 450). Die endgültige längsschnittliche
Stichprobe setzte sich aus 223 Lehramtsstudierenden (33.4% der Querschnittstichprobe) zusammen.
Lernkontext: Die Annahmen wurden im Verbund mit einem 14-wöchigen virtuellen Seminar überprüft. Die regelmäßige
Bearbeitung der Themenmodule war für die Teilnahme an der Abschlussklausur verpflichtend. Da weder der Zeitpunkt noch der
Umfang der Lernzeiten kontrolliert wurde, ergaben sich erhebliche Anforderungen an eine eigenständige volitionale Steuerung
des Lernverhaltens.
Datenerhebung: Zur Prüfung der oben formulierten Zielsetzung wurde eine nicht-experimentelle Feldstudie konzipiert. Um eine
repräsentative und für die Strukturgleichungsmodellierung ausreichende Stichprobengröße zu erreichen, erfolgte die
Datenerhebung gestaffelt in drei aufeinander folgenden Semestern (cluster sample). In einer Eingangsbefragung zu Anfang des
Semesters wurden neben volitionalen Variablen auch andere individuelle Lernvoraussetzungen erfasst, beispielsweise
intrinsische motivationale Orientierung und Zeitmanagement. Die quantitativen (Handlungsregulationsprobleme, Lernzeitumfang
sowie Lernzeitverteilung) und qualitativen (Verarbeitungstiefe operationalisiert durch die Nutzung von kognitiven Lernstrategien
und das Wissensorganisationsniveau) Indikatoren der erfolgreichen Regulation des Lernverhaltens wurden zur Hälfte (online)
und am Ende des Semesters (Paper-Pencil) retrospektiv erhoben. Die Handlungsregulationsprobleme beim Lernen wurden mit
einer adaptierten Skala des APSI-Fragebogens (Schouwenburg, 1995; Helmke und Schrader, 2000) gemessen. Weiterhin wurde
die Nutzung von kognitiven Lernstrategien mit Skalen des LIST (Wild & Schiefele, 1994; Wild, 2013) erfasst. Darüber hinaus
wurden die Antworten der Studierenden auf die offenen Klausurfragen entsprechend den fünf Niveaus der Wissensorganisation
der SOLO-Taxonomie (Biggs, 1999; Biggs & Collis, 1982) einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen.
Ergebnisse
Auf der quantitativen Ebene des Lernverhaltens zeigen die Ergebnisse der durchgeführten Strukturgleichungsmodellierung, dass
volitionale Kompetenzen insgesamt einen signifikanten Einfluss auf die Handlungsregulationsprobleme, den Lernzeitumfang und
die Lernzeitverteilung haben, allerdings variiert die Stärke dieses Einflusses in Abhängigkeit von der Nähe zur Abschlussprüfung.
Auf der qualitativen Ebene konnte für die Nutzung der kognitiven Lernstrategien ein signifikanter Effekt der positiven
Selbstmotivierung festgestellt werden.
ID: 262 / B 17 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Sonderpädagogik
Thematisches Cluster: Inklusion
Stichworte: Soziale Distanz, Inklusion, Messung, Kinder, Schule
Soziale Distanz im (inklusiven) Klassenraum diagnostizieren
Anita Gerullis, Christian Huber
Universität Wuppertal, Deutschland
Inklusive Settings stellen die aktuelle pädagogische Forschung vor große Herausforderungen, vor allem in Hinblick auf
diagnostische Fragen – wie die der Messung, in welchem Verhältnis GrundschülerInnen zu einander stehen. Hypothetische
Aussagen über eine gewünschte soziale Nähe (Bogaruds, 1947; Catapusan, 1954; Wocken, 1992) sind für den pädagogischen
Bereich nicht hinreichend valide. An Moreno (1974) angelegte soziometrische Verfahren hingegen fokussieren die Bewertung
von Kontakten zu realen Mitschülern – unabhängig von ihrer Gruppenzugehörigkeit; und beachten nicht, aus welchem Grunde
ein Mitschüler abgelehnt wird. Es fehlt ein standardisiertes Verfahren, das Diversionslinien – wie Behinderungen oder einen
Migrationshintergrund – als Ursache für Distanz beschreiben kann und das – im Gegenteil zu komplexen Verfahren der
Einstellungserhebung – für die Ausdrucksfähigkeit junger Grundschüler geeignet ist.
Das Konstrukt der ‚Sozialen Distanz‘ beschreibt ein dynamisches Konzept von Einstellungen gegenüber einer Person und ihrer
vermuteten Gruppenzugehörigkeit. Es beinhaltet affektive Komponenten und die Bereitschaft zur Interaktion mit einer zu einer
Gruppe zugehörigen Person (Gerullis & Huber, in Begutachtung). Diese Studie dient erster Annäherung an die Messung der
Sozialen Distanz bei Grundschülern. Ein für diese Studie entwickeltes Verfahren betrachtet Distanz in inklusiven Settings auf
Gruppenebene. Das Besondere an dem hier entwickelten Verfahren ist, dass in Anlehnung an Ergebnisse der
Rassismusforschung das Konzept der soziometrischen Methode auf das Konzept der sozialen Distanz angewandt wurde. Im
Gegensatz zu den bisher veröffentlichten aufwändigen Fragebogenverfahren wurden hier kindgerechte einfache Items
konstruiert, die das Konzept der sozialen Distanz im Sinne eines einfaktoriellen Konstrukts messen und gleichzeitig keine
umfassenden Lesekenntnisse erfordern. Das Verfahren benutzt hierzu Bild- und Textvignetten von Kindern mit verschiedenen
Behinderungen (geistige, körperliche Behinderung), sonderpädagogischen Förderbedarfen (Verhalten, Lernen) und
Migrationshintergrund. Angelehnt an Ergebnisse aus der Rassismusforschung (Verna, 1981; Aboud & Mitchell, 1977) werden
Probanden gebeten, jedem dieser Kinder einen Platz zuzuordnen – im Klassenraum, Kino, auf dem Pausenhof – jeweils in
Abhängigkeit des eigens zugeteilten Sitzplatzes. Diese Zuordnung geschieht auf einer vorher gefertigten Zeichnung des
jeweiligen Ortes in Paper-Pencil-Form.
Im ersten Schritt wird die Güte des Verfahrens geprüft. Die auf dem Papierbogen gemessene Distanz wurde mit den
Außenkriterien der “Childrens Social Distance Scale” (Connolly et al., 2006) und der Kurzversion der CATCH-Skala (Schwab,
2015) korreliert. Geprüft wurde in der Studie die Annahme, dass sich die hypothetische Distanz in den Zuordnungen der Kinder
wiederfindet. Die Testung wird nun nach einem Zeitraum von vier Wochen wiederholt, um die Test-Retest-Reliabilität des Tests
zu bestimmen. Es wird angenommen, dass die Messungen eine gute Stabilität aufweisen.
Erste Analysen zeigen, dass das Verfahren eine mittlere bis hohe Korrelation (r = 0.66 – 0.72) zu den Außenkriterien und somit
eine gute Validität aufweist. Die Items haben eine mittlere interne Konsistenz (α = .68). Es konnte aber auch gezeigt werden,
dass die Ratings der sozialen Distanz situationsabhängig sind. So fanden sich signifikante Unterschiede im Klassenraum im
Vergleich zur Situation im Schulhof (p = .00). Ergänzende Analysen zeigen einen signifikanten Unterschied zwischen Jungen
und Mädchen in den sozialen Distanzratings über alle Behinderungsformen hinweg (t(254) = -4.47, p = .00). Es zeigte sich ein
signifikanter Zusammenhang des Alters und der sozialen Distanz (r = -.13, p =.04). Diese Ergebnisse decken sich mit bisherigen
Forschungsergebnissen und verweisen somit auf die Validität des neuen Verfahrens. In weiteren Schritten sollen nun die
einzelnen Behinderungsformen getrennt betrachtet werden und weitere Auswertungen zur Test-Retest-Reliabilität erfolgen.
Insgesamt soll das entwickelte Verfahren zur Sozialen Distanz auf inklusive Settings anwendbar sein, in dem es den
Gruppenzugehörigkeitsfaktor der zu beurteilenden Person mit einbezieht und Störfaktoren auf Klassenebene ausblendet. In
weiteren Schritten kann die Soziale Distanz dann zu Einzelpersonen ohne Etikettierung und ohne Gruppenzuteilung gemessen
werden. Die Ergebnisse der Güteanalyse und die ergänzenden Ergebnisse werden vor dem Hintergrund der empirischen
Inklusionsforschung diskutiert.
ID: 263 / C 05 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Wirtschafts- und Berufspädagogik
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung, Hochschulbildung
Stichworte: Studienqualität, berufsbegleitende Studiengänge
Entwicklung und Validierung eines Vorhersagemodells für Studienqualität in berufsbegleitenden
Studiengängen
Lena Hillebrecht
Georg-August-Universität Göttingen, Deutschland
Theoriebezug. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der Forderung nach dem Ausbau von Möglichkeiten des
lebenslangen Lernens hat in den letzten Jahren auch die Bedeutung berufsbegleitender Bildungsangebote auf akademischem
Niveau zugenommen (Wolter & Geffers, 2013). Jedoch nicht in dem Ausmaß, das mittels bildungspolitischer Initiativen wie der
Hochschulöffnung für beruflich Qualifizierte (KMK, 2009) beabsichtigt wurde. Es ist zu vermuten, dass die geringe
Inanspruchnahme bestehender Studienangebote so zu begründen ist, dass die derzeit vorhandenen Studienmodelle nicht über
ausreichende Passgenauigkeit und Qualität verfügen (Wolter et al., 2014).
Gegenwärtig ist kein Instrument vorzufinden, welches sich zur Beurteilung der Qualität dieser Studienmodelle einsetzen ließe,
weshalb dessen Entwicklung und empirische Überprüfung erforderlich ist (Minks, Netz & Völk, 2011; Wolter et al. 2014).
Fragestellung. Ziel ist es daher, Merkmale zu identifizieren, die aus der Sicht der Studierenden für die Beurteilung von
Studienqualität in berufsbegleitenden Studiengängen relevant sind. Dabei finden insbesondere Aspekte Beachtung, die als
bedeutsam für den Studienerfolg und die Gewährleistung von Studierbarkeit anzusehen sind. Zudem werden Kriterien
berücksichtigt, die in Anbetracht der Charakteristika der Zielgruppe der nicht-traditionell Studierenden (Wolter & Geffers 2013;
Zinn 2012) die Vereinbarkeit von Studium und Beruf ermöglichen.
Ansatzpunkte dafür können bei Studien gewonnen werden, die Vollzeit-Studiengänge in den Blick nehmen, wie bspw. das SMILEProjekt (Schiefele et al., 2003), das u. a. die Lehrqualität, die Studienmotivation und das akademische Selbstkonzept untersucht.
Die organisationalen Rahmenbedingungen von Studiengängen und deren Beurteilung durch Studierende werden bspw. im
Rahmen des Studienqualitätsmonitors (DZHW, 2015) untersucht, so dass auch hier Anknüpfungsmöglichkeiten gegeben sind.
Methodische Vorgehensweise. Zunächst wurden im Rahmen einer qualitativen Vorstudie Experteninterviews mit
berufsbegleitend Studierenden (n=7) und Hochschulmitarbeitenden (n=4) geführt. Ausgewertet wurde das Datenmaterial mit Hilfe
einer qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz, 2014). Basierend auf den Ergebnissen der qualitativen Studie und auf Grundlage der
aktuellen Literatur wurde ein Modell ausgearbeitet, dass die Beurteilung von Qualität in berufsbegleitenden Studiengängen
ermöglicht. Betrachtet wird in diesem Modell, inwiefern die berufsbegleitend Studierenden die Qualität in ihrem Studiengang
beurteilen und auf welche Charakteristika der Studiengänge für diese Beurteilung eine wichtige Rolle spielen. Dabei werden auch
die individuellen Studienbedingungen (familiäre, finanziellen und berufliche Situation) sowie die Lernvoraussetzungen (kognitive,
volitionale und motivationale Voraussetzungen) der Studierenden berücksichtigt.
Das Modell wird in einer quantitativen Studie (n=300) empirisch überprüft, indem die Modellparameter in verschiedenen
Studiengängen mit teilstandardisierten Fragebögen untersucht werden. Soweit möglich, wurden bereits empirisch erprobte Items
verwendet. Es sollen auch die Wirkungszusammenhänge zwischen den Merkmalen aufgedeckt werden, sodass deren
gemeinsamer Einfluss auf die untersuchten Konstrukte (wie „Studierbarkeit“) analysiert werden kann. Darüber hinaus werden
Unterschiede zwischen verschiedenen Subgruppen von Studiengängen untersucht, so dass Besonderheiten dieser in Bezug auf
die Qualitätsbeurteilung aufgedeckt werden können. Subgruppen können bspw. nach Art des zu erreichenden Abschlusses
gebildet werden, so dass in Bachelor- und Masterstudiengänge unterschieden werden kann. Die Daten der quantitativen Studie
werden mit Hilfe von Strukturgleichungsmodellierung analysiert. Zudem sollen Mehrebenanalysen durchgeführt werden, um die
Besonderheiten innerhalb der einzelnen Studiengänge und dazwischen identifizieren zu können.
Erwartete Ergebnisse. Insgesamt ist davon auszugehen, dass sich die Qualitätsbeurteilung in berufsbegleitenden
Studiengängen von der in Vollzeit-Studiengängen unterscheidet, da sich die Studiengänge einerseits hinsichtlich ihrer Konzeption
und andererseits hinsichtlich der Zusammensetzung der Studierendenschaft unterscheiden. Zudem ist zu erwarten, dass v. a.
Aspekte relevant sind, welche Passgenauigkeit und Flexibilität der Studiengänge ermöglichen. Es hat sich gezeigt, dass die
Beratungsintensität vor Aufnahme des Studiums vergleichsweise hoch ist und dass bei der Beurteilung von Lehrveranstaltungen
Möglichkeiten der flexiblen Zeiteinteilung durch Selbststudienphasen eine große Rolle spielen. Der Schwerpunkt des Vortrags
liegt auf der Vorstellung der Ergebnisse der quantitativen Erhebung, wobei insbesondere die empirische Validierung des
theoretischen Modells diskutiert werden soll.
ID: 265 / G 03 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktik Mathematik, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Lernen mit Computer und neuen Medien, Mathematisch-naturwissenschaftlicher
Unterricht
Stichworte: Teacher Education, Beliefs, Technology, Classroom practice, Latent Profile Analysis
Teacher beliefs and classroom practice when teaching mathematics with technology: A latent profile
analysis
Daniel Thurm
Universität Duisburg-Essen, Deutschland
Theoretical Background
A large amount of research shows that digital technology can facilitate students’ conceptual knowledge when teaching complies
specific conditions (e.g. Zbiek et al. 2007). However, the use of technology only plays a marginal role in mathematics classrooms
(Hoyles & Lagrange 2010). The introduction of technology for teaching mathematics is thus not a straight-forward task and it is
important for teacher educators to understand the factors associated with successful technology integration. Research shows
that, among other factors, mathematics teachers’ beliefs influence the successful implementation (e.g. Hennessy et al., 2005).
However, the relation between teacher beliefs and technology use has not yet been studied in much detail on a quantitative basis
and the lack of research in this area hinders profound development of professional teacher education programs.
Research Question
This study aims at exploring the relation between technology related beliefs and frequency of technology use and addresses the
following question: What subgroups of teachers can be identified with respect to the relation of beliefs and frequency of technology
use and what aspects determine group membership?
Methodology & Results
To answer the question, we first developed an instrument to measure teachers self-reported frequency of technology use. The
development started by identifying five relevant areas that are influenced by the integration of technology into the classroom. In
a next step, a set of items was developed for each area. In cycles of cognitive interviews with teachers and experts the items
were refined until validity of the item set was agreed on by teachers and experts. Response categories on the items were ranging
from “almost never” to “almost every lesson”. To measure teacher beliefs we used an established questionnaire (Rögler 2013)
which consisted of five subscales. Responses on this scale were given on a five point scale ranging from 1=”strongly disagree”
to 5=”strongly agree”.
Data for the statistical analysis was collected within the study „GTR-NRW“ (Thurm, Klinger, Barzel 2015) where both
questionnaires were administered to 159 teachers teaching math in grade 10 of upper secondary school in North RhineWestphalia. We used confirmatory factor analysis to analyse whether a five-factor measurement model for the frequency of
technology use could represent the data well. With RMSEA=0.069, SRMR=0.070, CFI=0.936, and χ2/df=1.704 the model fit was
good. Reliability of the scales was high with Cronbach’s alpha ranging from 0.78 to 0.88. To identify subgroups of teachers with
similar response patterns a latent profile analysis (LPA) was used on the estimated mean values of all subscales and indicated
a four group structure. Group 1 named “positive beliefs – frequent users” (37.9%), holds positive beliefs and consistently uses
technology frequently. Similarly, group 2 named “positive beliefs – infrequent users” (27.6%), group 3 named “negative beliefs –
infrequent users” (16.8%) and group 4 named “negative beliefs – frequent users” (17.8%) could be identified. Across all groups
it could be seen that discovery learning and time-constraints show the greatest variation across the four profiles, therefore these
two factors are the strongest indicators of group membership.
From the results several recommendations can be derived for professional development programs and teacher education.
Teacher educators promoting technology in the mathematics classroom should especially focus on how technology can support
discovery learning and address the fear of teachers that technology integration is too time consuming. When addressing these
issues, it is necessary to be aware of the four different types of teachers identified in this study. Especially the inconsistencies
between beliefs and practice observed in the groups “positive beliefs – infrequent users” and “negative beliefs – frequent users”,
that make up a large portion of the sample (45.4%), deserve special attention and further investigation.
ID: 267 / H 02 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Methoden der empirischen Bildungsforschung, Sonstiges
Stichworte: Unterrichtsforschung, JeKi-Begleitforschung, Transfer
Wirkungen und langfristige Effekte musikalischer Angebote (WilmA) Vorstellung ausgewählter
Ergebnisse
Nele Groß, Knut Schwippert
Universität Hamburg, Deutschland
Theoretischer Hintergrund:
Das vom BMBF geförderte Projekt WilmA (Wirkungen und langfristige Effekte musikalischer Angebote) evaluiert retrospektiv das
in Nordrhein-Westfalen und Hamburg angesiedelte JeKi-Programm (Jedem Kind ein Instrument), bei dem Grundschulkinder
musikalische Förderungen erhalten haben. Die Studie zum Instrumentalunterricht in Grundschulen (SIGrun) begleitete bereits
von 2009 bis 2012 Kinder von der 1. bis zur 4. Klassen über vier Messzeitpunkte hinweg. Nach einem Jahr Pause schloss WilmA
im Herbst 2013 bei derselben Kohorte an und nahm ein Teil der Kinder, die mittlerweile die 6. Klasse besuchten, mit einem
fünften und sechsten Messzeitpunkt in den Blick.
Das Teilprojekt Transfer wendet sich den Fragestellungen zu, die sich aus den Forschungsdesideraten aktueller Schul- und
Unterrichtsforschung und der Forschung zum Einfluss von Musik im schulischen Unterricht ergeben. Bei der Fokussierung auf
die Entwicklung von Interessen, Motiven, Sozialverhalten und Selbstkonzepten der Jugendlichen wird auf den Ansatz der sozialethischen Transfererklärungen von Bastian und Kormann (2003) zurückgegriffen wird. Dabei wird insbesondere auch der
Übergang von der Primar- in die Sekundarstufe und die weitere Entwicklung der Kinder bis zum Beginn der 7. Klasse betrachtet.
In dem Teilprojekt Transfer wird nicht nur der Transfer zwischen verschieden Kompetenzen in den Blick genommen. Darüber
hinaus wird auch die Rückwirkung auf die Motivations- und Interessenlage der Kinder und deren Eltern in Bezug auf die
unterschiedenen Gruppen von Jugendlichen mit erfasst. Knüpft man bei dem Gedanken an, entsteht die Frage, ob für
gemeinsames Musizieren positive Transfereffekte auf andere Bereiche nachgewiesen werden können.
Fragestellung:
Der ursprünglich für die Analysen geplante echte Längsschnitt konnte aufgrund der Datenschutzbestimmungen nicht realisiert
werden. Die in WilmA in den zwei Messzeitpunkten erhobenen Daten werden den bestehenden Erhebungen vergleichend
gegenüber gestellt und daraufhin untersucht, ob Schülerinnen und Schüler, die im Rahmen des JeKi-Programms gefördert
wurden in ihren Kompetenzen und in ihrem Sozialverhalten später andere Merkmale aufweisen als Kinder ohne entsprechende
Förderung in der Grundschule. In der WilmA-Studie wird der Transfergedanke aufgegriffen und die Untersuchung aktueller
Forschungsdesiderate (vgl. „aktives Musizieren und soziale Kompetenzen“ Schumacher, 2009) der Schul- und
Unterrichtsforschung fokussiert.
Methode:
Zur Ermittlung des Transfers in andere Lernbereiche wurde, neben weiteren Items und Skalen, die erweiterte Fassung des
Fragebogens zur Erfassung emotionaler und sozialer Schulerfahrungen (FEESS) eingesetzt. Dieser lag bisher lediglich bis zur
Klassenstufe 4 vor und wurde gemeinsam mit den Entwicklern (Schuck & Rauer) für die Klassenstufen 6 und 7 adaptiert. Der
FEESS umfasst sieben Skalen, die aus 11 – 15 Items bestehen. Mit Hilfe einer vierstufigen Skalierung konnten die Schüler und
Schülerinnen ihre Zustimmung ausdrücken. Insgesamt konnten unter Verwendung von Fragebögen quantitative Daten von 668
Schülerinnen und Schüler und 348 Eltern im ersten und 745 Schülerinnen und Schüler und 312 Eltern im zweiten Messzeitpunkt
erhoben werden. Die Daten der SIGrun Studie werden mit Hilfe von Varianzanalysen (mit Messwiederholungen) im Längsschnitt
untersucht und den deskriptiv ausgewerteten Daten aus WilmA gegenübergestellt. Die Auswertung der Daten und Überprüfung
der Forschungsfragen erfolgt mit SPSS.
Ergebnisse:
Neben einer Vorstellung des aktuellen Standes des Projektes sollen Auswertungen ausgewählter Items und Skalen präsentiert
werden. Dabei wird ein besonderer Fokus auf den Gruppenvergleich der JeKi-Kinder gegen die nicht JeKi-Kinder gelegt.
ID: 269 / G 02 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Lehrer(aus)bildung, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: Peer Tutoring, Konzeptwechsel, Umsetzungsgenauigkeit
Umsetzung und Wirkung tutoriellen Lernens im naturwissenschaftlichen Grundschulunterricht
Katja Adl-Amini1,3, Jasmin Decristan2,3, Annika Lena Hondrich2,3, Ilonca Hardy1,3
1
Goethe-Universität Frankfurt am Main, Deutschland; 2Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF);
3
IDeA-Forschungszentrum
Hintergrund
Tutorielles Lernen (TL) ist eine Unterrichtsmethode, bei der sich alle Schülerinnen und Schüler in Zweierteams gegenseitig
unterrichten (Topping, 2005). TL hat sich zur Förderung des Lernens von Grundschulkindern als wirksam erwiesen, insbesondere
für den naturwissenschaftlichen Unterricht werden deutliche Effekte aufgezeigt (Rohrbeck, Ginsburg-Block, Fantuzzo & Miller,
2003). Dennoch wird häufig eine Diskrepanz zwischen Forschung (empirisch belegte Wirksamkeit) und Praxis (mangelnder
Umsetzung im Unterricht) beklagt (McMaster, Han, Coolong-Chaffin & Fuchs, 2013). Lehrkräfte setzen die
wirksamkeitsrelevanten Methodenelemente des TL häufig nur partiell um (Philipp, 2010). Eine genaue Umsetzung ist jedoch
bedeutsam für die Lernwirksamkeit der Methode (Gresham, 1989). Bisherige Studien weisen darauf hin, dass sowohl zur
Verfügung stehende Materialien als auch Klassenmerkmale die Umsetzungsgenauigkeit von TL beeinflussen (Vadasy et al.,
1997). Es mangelt jedoch an Untersuchungen der Umsetzung von TL im naturwissenschaftlichen Sachunterricht, ihrer
Einflussfaktoren und Wirkung, obwohl entsprechende Studien bedeutsame Erkenntnisse zur Verbreitung der Methode in der
Praxis leisten könnten.
Ziel der Studie
Die vorliegende Studie untersucht die Umsetzung von TL im naturwissenschaftlichen Grundschulunterricht. Folgende
Forschungsfragen werden untersucht:
1) Wie hoch ist die Umsetzungsgenauigkeit von TL im naturwissenschaftlichen Sachunterricht der Grundschule nach einer
Fortbildung der Lehrkräfte
a) Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne methodische Fortbildung?
b) Bei materialgestützter Anwendung versus Transfer auf einen anderen Fachinhalt?
2) Mit welchen Klassenmerkmalen hängt die Umsetzungsgenauigkeit zusammen?
3) Wirkt sich TL bei entsprechender Umsetzungsgenauigkeit positiv auf den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler aus?
Methode
Die vorliegende Untersuchung wurde im Rahmen einer Interventionsstudie durchgeführt, bei der verschiedene Fördermethoden
im naturwissenschaftlichen Sachunterricht der dritten Klasse evaluiert wurden. 25 Lehrkräfte nahmen an einer Fortbildung zu
Fachinhalten des Themas „Schwimmen und Sinken“ teil, 14 davon wurden zusätzlich in TL geschult, 11 erhielten als
Kontrollgruppe eine Fortbildung zu Elternberatung. Anschließend unterrichteten die Lehrkräfte die Fachinhalte im Rahmen von
zwei Unterrichtseinheiten in ihren Klassen, wobei die Untersuchungsgruppe für die erste Unterrichtseinheit ein Manual mit
Materialien für die Umsetzung von TL erhielt und diese auf die zweite Unterrichtseinheit selbstständig transferierte. Bei beiden
Unterrichtseinheiten wurde die Umsetzungsgenauigkeit der zentralen Methodenelemente anhand von Unterrichtsbeobachtungen
und –videos à 90 Minuten mithilfe einer Beobachtungscheckliste geprüft (neun Items, Interrater-Übereinstimmung > 85%). Bei
den 512 Schülerinnen und Schülern wurde nach beiden Unterrichtseinheiten der Lernerfolg anhand eines Leistungstests
(adaptiert nach Hardy et.al., 2006) erhoben. Zudem wurden kognitive (Intelligenz: CFT 20-R und Leseverständnis: ELFE 1-6),
soziale (wahrgenommenes Klassenklima: sechs Items adaptiert nach Diel & Nieder, 2008) und strukturell-organisatorische
(Klassengröße) Klassenmerkmale bei den 280 Kindern der Untersuchungsgruppe klassenweise festgestellt.
Ergebnisse
Im Mittel wurden TL bei der materialgestützten Anwendung zu 85.22% (SD = 17.62) umgesetzt, beim selbstständigen Transfer
auf die zweite Unterrichtseinheit zu 48.94% (SD = 36.78). Bei der Kontrollgruppe wurde kaum TL beobachtet. Ausschließlich
beim Transfer der Methode hing die Umsetzung mit dem mittleren Leistungsniveau der Klasse in Intelligenz (ρ = .50, p < .05) und
Leseverständnis (ρ = .72, p < .05) sowie mit dem wahrgenommenen Klassenklima (ρ = .50, p < .05) zusammen, nicht aber mit
der Klassengröße. In Klassen, welche TL zu 70% oder mehr umsetzten, zeigte sich in einer Mehrebenen-Regression ein positiver
Zusammenhang mit dem Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler im Vergleich zur Kontrollgruppe, jedoch nur bei der zweiten
Unterrichtseinheit (β = .38, SE = 0.20, p < .05), nicht bei der ersten (β = -.13, SE = 0.12, p = .29).
Diskussion
Insgesamt weisen die Ergebnisse auf die hohe Bedeutung von Fortbildungen hin, welche die Umsetzung von TL durch
Unterrichtsmaterialien unterstützen – insbesondere in Klassen mit weniger günstigen Lernvoraussetzungen. Eine genaue und
mehrmalige Umsetzung scheint für die Wirksamkeit der Methode im naturwissenschaftlichen Sachunterricht von Bedeutung zu
sein. Die Ergebnisse liefern somit wichtige Hinweise auf Einflussfaktoren und Wirkung der Umsetzung einer evidenzbasierten
Methode in die Praxis.
ID: 270 / C 04 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Grundschulbildung
Stichworte: Großeltern, kulturelles Kapital, Bildungserfolg
Der Einfluss der Großeltern auf den Bildungserfolg ihrer Enkel
Susanne Gerleigner
Deutsches Jugendinstitut e.V., Deutschland
Nach Bourdieu wird dem familialen kulturellen Kapital eine nicht unwesentliche Rolle für ein erfolgreiches Durchlaufen des
Bildungssystems zugeschrieben (Bourdieu, 1987; Bourdieu & Passeron, 1971). Kinder aus Familien mit hohem kulturellen Kapital
werden bereits früh an die sogenannte „Hochkultur“ herangeführt, lernen bisweilen spielerisch bildungsrelevante Inhalte und sind
bereits von Kleinauf in den „Sprachcode“ eingeweiht, den die mittelschichtssozialisierten Akteure der Institution Schule oft als
selbstverständlich voraussetzen. Kinder aus Familien mit hohem kulturellen Kapital haben in diesem Verständnis meist bessere
Ausgangslagen im Sinne einer besseren Ressourcenausstattung für eine erfolgreiche Schullaufbahn. Dies wird insbesondere
dem institutionellem kulturellen Kapital (und hier vor allem dem Bildungshintergrund) der Eltern zugeschrieben. Diese Effekte der
elterlichen Bildung auf den Schulerfolg ihrer Kinder gelten in der Bildungsforschung mittlerweile als hinreichend belegt. Inwieweit
das kulturelle Kapital anderer Familienmitglieder eine zusätzliche Rolle für den Schulerfolg spielt wird in empirischen Analysen
bisher jedoch – meist aufgrund fehlender Daten – kaum berücksichtigt. Bedenkt man aber, dass nach Bourdieu die Akkumulation
insbesondere von kulturellem Kapital Zeit und Gelegenheiten braucht, scheint eine Ausweitung der Analysen auf die
Großelterngeneration naheliegend. Wenngleich Kinder in der Regel den häufigsten Kontakt mit ihren Eltern haben, spielen nicht
selten auch andere Familienmitglieder wie Onkeln und Tanten oder Großeltern eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von
Einstellungen, Werten, Kenntnissen oder Fertigkeiten. Empirisch sprechen hierfür beispielsweise Ergebnisse von Fuchs und Sixt
(2007), die zeigen konnten, dass (kurzfristige) Bildungsaufstiege der Eltern im Zuge der Bildungsexpansion nicht mit denselben
Chancen auf höhere Bildung bei deren Kindern einhergehen, wie bei Kindern deren Familie bereits seit mehreren Generationen
ein höheres Bildungsniveau aufwies. Die Autoren werteten dies unter anderem als Indiz für eine gewisse Trägheit des
Bildungshabitus im Sinne Bourdieus.
Um den Einfluss früherer Generationen auf Bildungserfolge ausführlicher zu untersuchen, wird auch in vorliegendem Beitrag der
Blick auf die Bildung in der Großelterngeneration gelegt und geprüft, inwieweit Bildungsaufstiege bzw. -abstiege zu
unterschiedlichen Chancen im Bildungssystem führen.
Datengrundlage bildet die zweite Welle des DJI-Surveys Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten (AID:A II), eine repräsentative
Studie aus dem Jahr 2013/2014. Mittels telefonischer Befragung wurden für über 22.000 Zielpersonen im Alter von Null bis 32
Informationen unter anderem über deren Bildung gewonnen, mit dem Ziel, die Lebens- und Aufwachsensbedingungen von
Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen genauer zu untersuchen sowie ihre Lebenslagen, sozioökonomischen
Bedingungen und mögliche Belastungen zu identifizieren. Eine Besonderheit des Surveys ist es, dass neben Angaben zum
aktuellen Schulbesuch der Kinder ebenso Informationen zur Bildung sowohl für beide Elternteile, als auch für alle 4
Großelternteile vorliegen.
Anhand dieser Daten wird mittels logistischer Regressionen zum einen die Wahrscheinlichkeit eines Gymnasialbesuchs in der
Sekundarstufe I in Abhängigkeit etwaiger Bildungsaufstiege und -abstiege der Eltern untersucht (N = 3678). Zum anderen werden
frühere Stationen in der Bildungskarriere in den Blick genommen, indem der Einfluss der Bildung der Großeltern auf die Noten
(Deutsch, Mathematik und Sport) in der Primarstufe mittels regressionsanalytischer Verfahren analysiert wird (N = 1813).
Erste Ergebnisse weisen analog zu den Ergebnissen von Fuchs und Sixt (2007) in die Richtung, dass auch nach der
Bildungsexpansion Kinder von „Aufsteigern“ nicht dieselben Chancen auf einen Gymnasialbesuch haben, wie Kinder, deren
Eltern schon länger auf einem höheren Bildungsniveau „etabliert“ sind (odds ratios eines Gymnasialbesuchs von 4.4 vs. 7.9
bezüglich der Bildung der Mütter, bzw. 4.7 vs. 6.7 auf Seiten der Väter).
In weiteren Schritten sollen mögliche Moderatoren wie beispielsweise die Kontakthäufigkeit der Großeltern mit ihren Enkeln,
Bildungsaktivitäten in der Familie oder Bildungsaspirationen identifiziert werden. Bezüglich der Relevanz der Kontakthäufigkeit
lassen sich somit beispielsweise erste Hinweise darauf finden, ob die Bildung der Großelterngeneration eher hinsichtlich eines
Statuserhaltsmotivs (u.a. Boudon, 1974) oder aber, im Sinne Bourdieus über zusätzliche bildungsrelevante Ressourcen auf die
die Kinder zurückgreifen können, wirkt.
ID: 272 / C 04 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Hochschulbildung
Stichworte: Soziale Ungleichheit, Bildungsaufstieg, Intragruppenvergleich, Studienberechtigtenbefragung
Bildungsaufstieg wider die Erwartung? Warum sich Studienberechtigte aus bildungsfernen
Herkunftsfamilien für ein Studium entscheiden
Andreas Ortenburger, Bettina Kohlrausch
Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), Deutschland
In der der soziologischen Ungleichheitsforschung herrscht ein weitgehender Konsens darüber, dass soziale Mobilität in modernen
Gesellschaften entscheidend durch den Zugang zu Bildung und den Erwerb von Bildungszertifikaten moderiert wird (Breen und
Johnson 2005): Ausgehend von dieser Überlegung untersucht der Beitrag den Zugang von Studienberechtigten aus
„bildungsfernen“ Familien zu Hochschulbildung. Um bisher ggf. unentdeckte oder unterbewertete Mechanismen der Ausgrenzung
dieser Gruppe von höherer Bildung zu identifizieren, wird die Fragestellung mit Hilfe eines Intragruppenvergleiches analysiert,
der studienberechtigte Kinder aus nicht-akademischen Familien, die sich gegen ein Studium entscheiden, mit solchen vergleicht,
die sich für ein Studium entscheiden.
Es ist durch die Bildungsforschung hinlänglich belegt, dass sich Kinder aus „hochschulfernen“ Schichten seltener für ein Studium
entscheiden (Becker und Lauterbach 2010; Watermann et al 2014). Als Erklärung für diese sozialen Selektionsprozesse
dominieren aktuell vor allem Ansätze, die im Rückgriff auf die von Boudon (1974) eingeführte Unterscheidung zwischen primären
und sekundären Herkunftseffekten, individuelle Bildungsentscheidungen ins Zentrum stellen (Solga und Becker 2012). Die
Grundannahme ist hier, dass die Entscheidung für oder gegen ein Studium auf Basis individueller Kosten-Nutzen-Abwägungen
erfolgt.
Es erscheint einerseits plausibel, dass die Kosten eines Studiums für Kinder aus nicht-akademischen Elternhäusern höher
erscheinen und Kinder aus Akademikerfamilien im Gegenzug dem Nutzen eines Studiums größere Bedeutung beimessen. Hier
spielen die unterschiedlichen Möglichkeiten der Herkunftsfamilie die finanziellen Kosten eines Studiums zu tragen ebenso wie
die soziale Distanz zum Hochschulsystem eine wichtige Rolle. Gleichwohl können diese Ansätze nicht erklären, warum sich
Kinder aus hochschulfernen Elternhäusern für ein Studium entscheiden. Warum entscheiden sie sich – trotz der oben skizzierten
Hindernisse – für ein Studium und kommen hinsichtlich der Kosten-Nutzen-Abwägungen zu anderen Ergebnissen als andere
Studienberechtigte mit einem ähnlichen sozialen Hintergrund?
Um diese Frage beantworten zu können, erscheint der methodische Ansatz des Intragruppenvergleiches vielversprechend (Solga
et al. 2013). Damit werden auch abweichende Fälle, bei denen wider die theoretische Erwartung keine Ungleichheit (in diesem
Fall die Entscheidung für ein Studium trotz Bildungsferne des Elternhauses) eintritt, stärker in den Blick genommen (Solga et al.
2013, S.12): „(…) [D]ie Bedeutung von abweichenden Fällen und der Intragruppenvarianz für die Spezifizierung des jeweiligen
Mechanismus sowie der Möglichkeit von Policy-Implikationen (Problemlösungskompetenzen der Ungleichheitsforschung)
[werden] zumeist unterschätzt (….).“ Der Vergleich innerhalb der Gruppe der Studienberechtigten aus „hochschulfernen
Schichten“ könnte somit den Blick auf bisher unentdeckte Potenziale, Ressourcen oder institutionelle Gelegenheitsstrukturen
freilegen, die Kindern aus nicht-akademischen Elternhäusern den Weg in die Hochschule erleichtern. Damit berührt die
Forschungsperspektive dieses Papiers einen zentralen Aspekt sozialer Mobilität, weil untersucht wird, unter welchen
Voraussetzungen das Bildungssystem nicht zur (theoretisch erwarteten) sozialen Reproduktion beiträgt und soziale Mobilität
möglich wird.
In Erweiterung der handlungstheoretischen Erklärungsansätze untersucht dieser Beitrag unter Rückgriff auf Bourdieu & Passeron
(1977) und DiMaggio (1982) einerseits kulturelle Einflussfaktoren der Herkunftsfamilien sowie andererseits institutionelle
Bedingungen des Sekundarschulwesens auf die Entscheidungen des nachschulischen Werdegangs.
Die dargestellten Forschungsfragen werden auf der Grundlage von Sekundäranalysen der zweiten Welle des
Studienberechtigtenpanels 2010 (Lörz et al. 2012) beantwortet. Im Rückgriff auf das Konzept des Intragruppenvergleiches
werden nur Kinder aus nicht-akademischen Familien in das Sample mit einbezogen (n=4.123). Da sich herausgestellt hat, dass
soziale Differenzierung auch bei der Wahl des Hochschultyps stattfinden (Kramer et al. 2011; Trautwein et al. 2006), wird der
Übergang auf eine Universität (oder pädagogische Hochschule), auf eine Fachhochschule oder in eine berufliche Ausbildung
untersucht. Daher werden in diesem Beitrag multinominiale logistische Regressionen geschätzt. Die Analysen zeigen, dass das
kulturelle Kapital der Herkunftsfamilien einen eigenständigen Effekt auf Bildungsentscheidungen hat und dass die schulische
Unterstützung bei der Planung des nachschulischen Werdegangs zu einer Entscheidung für ein Universitätsstudium führen kann.
ID: 273 / F 04 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Sonstiges
Stichworte: Stereotype Threat, Copingstrategien, vertikaler Kollektivismus
Vertikaler Kollektivismus von türkischstämmigen SchülerInnen moderiert die Leistung und individuelle
Mobilitätsmotivation nach negativer Stereotypaktivierung
Sog Yee Mok1, Sarah E. Martiny2, Ilka H. Gleibs3, Kay Deaux4, Laura Froehlich5
1
Technische Universität München; 2UiT The Arctic University of Norway, Norway; 3London School of Economics and Political
Science, UK; 4New York University, US; 5FernUniversität in Hagen
Theoretischer Hintergrund
Negative leistungsbezogene Stereotype über türkischstämmige Migranten sind in Deutschland weit verbreitet (Asbrock, 2010;
Froehlich, Martiny, Deaux, & Mok, 2015; Kahraman & Knoblich, 2000). Forschung zeigt, dass die Aktivierung negativer
Stereotype über eine Gruppe in einer bestimmten Domäne zu einer Leistungsreduktion führen kann (Stereotype Threat-Effekt;
Steele & Aronson, 1995). Stereotype Threat konnte erstmalig für türkischstämmige SchülerInnen nachgewiesen in Deutschland
werden (Martiny, Mok, Deaux, & Froehlich, 2015).
Die Soziale Identitätstheorie (Tajfel & Turner, 1979) postuliert, dass Individuen unterschiedlichen Gruppen angehören und
verschiedene soziale Identitäten innehaben. Eine positive soziale Identität kann durch soziale Vergleiche der Eigengruppe mit
relevanten Fremdgruppen zugunsten der Eigengruppe erzielt werden. Wenn ein sozialer Vergleich zu einem negativen Ergebnis
für die Eigengruppe führt, so versuchen die Eigengruppenmitglieder Copingstrategien anzuwenden, um eine positive soziale
Identität wiederherzustellen. Eine Strategie ist sich einer status-höheren Fremdgruppe anzuschließen, um mit der
Identitätsbedrohung umzugehen (individuelle Mobilitätsstrategie; Tajfel & Turner, 1986). Stereotype Threat wird als eine
besondere Form der sozialen Identitätsbedrohung verstanden (Steele, Spencer, & Aronson, 2002).
Kulturelle Werte können einen Einfluss auf die Identitätsbedrohung haben. Eine kulturelle Wertorientierung in der türkischen
Kultur ist der vertikale Kollektivismus, der eine starke Verbundenheit zur Eigengruppe widerspiegelt (Singelis, Triandis, Bhawuk,
& Gelfand, 1995). Forschung zeigte, dass die türkische Kultur die Verbundenheit zu Eigengruppenmitgliedern wertschätzt. Diese
Verbundenheit impliziert, dass Erwartungen der Eigengruppe als eigene Erwartungen wahrgenommen werden (Güngör,
Karasawa, Boiger, Dinçer, & Mesquita, 2014). Die Aktivierung eines negativen Stereotyps kann die Besorgnis hervorrufen, dass
man nicht stereotyp-konform handeln möchte, was wiederum kognitive Ressourcen beanspruchen und die Leistung
beeinträchtigen kann (Schmader, Johns, & Forbes, 2008). Für türkischstämmige Migranten wurde gezeigt, dass die Erwartungen
der Eigengruppe (Familie) im Leistungskontext mit Loyalität gegenüber der Eigengruppe verbunden sind (Phalet & Claeys, 1993).
Die Leistung türkischstämmiger SchülerInnen, die eine stärkere vertikale Kollektivismus-Orientierung haben, sollte daher durch
die Besorgnis die Erwartungen der Eigengruppe zu erfüllen beeinflusst werden.
Fragestellung
Bisher wurde der moderierende Einfluss der vertikalen Kollektivismus-Orientierung bei türkischstämmigen SchülerInnen auf den
Zusammenhang zwischen negativer Stereotypaktivierung und Leistung sowie zwischen negativer Stereotypaktivierung und
Copingstrategien nicht erforscht. Daher wird untersucht, ob türkischstämmige SchülerInnen mit einer stärkeren vertikalen
Kollektivismus-Orientierung nach negativer Stereotypaktivierung, im Vergleich zu keiner Aktivierung, schlechtere Leistungen
zeigen (stärkeren Stereotype Threat-Effekt). Auch wird untersucht, ob türkischstämmige SchülerInnen mit einer stärkeren
vertikalen Kollektivismus Orientierung nach negativer Stereotypaktivierung, im Vergleich zu keiner Aktivierung, eine höhere
individuelle Mobilitätsmotivation zeigen. Wir nehmen an, dass je höher die Orientierung zu vertikalem Kollektivismus bei
türkischstämmigen SchülerInnen nach negativer Stereotypaktivierung ist, im Vergleich zu keiner Stereotypaktivierung, desto
größer der Stereotype Threat-Effekt und desto höher die individuelle Mobilitätsmotivation.
Methode
Es wurden zwei Experimente mit türkischstämmigen SchülerInnen (N = 36, N = 65) in Schulklassen durchgeführt. In einem
between-subjects Design wurden die Stereotypaktivierungsbedingung (Stereotypaktivierung versus keine Aktivierung) und
vertikaler Kollektivismus (kontinuierliche Variable) als unabhängige Variablen untersucht. Als abhängigen Variablen wurden die
verbale Leistung und individuelle Mobilitätsmotivation in einem Leistungsszenario untersucht. In dem Leistungsszenario wurden
die türkischstämmigen SchülerInnen gebeten sich vorzustellen, dass sie einen weiteren Leistungstest bearbeiten müssen, der
bewertet wird. Sie sollten angeben, wie sehr sie eine Fremdgruppe (deutsche SchülerInnen) in diesem Leistungstest vertreten
wollen würden.
Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigen, dass türkischstämmige SchülerInnen mit einer stärkeren vertikalen Kollektivismus-Orientierung nach
negativer Stereotypaktivierung, im Vergleich zu keiner Aktivierung, einen stärkeren Stereotype Threat-Effekt zeigen. Die
Ergebnisse zeigen weiter, dass türkischstämmige SchülerInnen mit einer stärkeren vertikalen Kollektivismus-Orientierung nach
negativer Stereotypaktivierung, im Vergleich zu keiner Aktivierung, eine höhere Motivation in dem Leistungsszenario zeigen einer
status-höheren Fremdgruppe (deutschen SchülerInnen) anzugehören. Die Studienergebnisse bestätigen, dass sich eine
Aktivierung eines negativen Stereotyps für türkischstämmige SchülerInnen negativ auf die Leistung und Gruppenidentifikation
auswirkt. Hinweise auf negative Stereotype in Leistungssituationen sollten vermieden werden.
ID: 279 / C 05 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung, Trainings- und Evaluationsforschung, Vorschulische Bildung
Stichworte: pädagogisch-didaktisches Wissen, frühe naturwissenschaftliche Bildung, Fortbildung, mixed-methods,
Interaktionsqualität
Merkmale guter Angebote zur frühen naturwissenschaftlichen Bildung aus der Perspektive von
Fachkräften
Miriam Janke1, Hendrik Lohse-Bossenz2
1
Forscherstation, Klaus-Tschira-Kompetenzzentrum für frühe naturwissenschaftlich Bildung gGmbH, An-Institut der
Pädagogischen Hochschule Heidelberg, Deutschland; 2PädQUIS gGmbH, An-Institut der Alice-Salomon-Hochschule
Im Zuge einer Stärkung des MINT-Bereichs auch in der frühen Bildung sind pädagogische Fachkräfte verstärkt dazu angehalten,
Lernangebote für Kinder in diesem Bildungsbereich anzubieten. Gleichzeitig scheint den Fachkräften grundlegendes fachliches
und fachdidaktisches Wissen zu fehlen, da Naturwissenschaften in der Fachkraftausbildung eine untergeordnete Rolle spielen
(s.a. Lankes et al., 2011). Ziel der Studie ist daher, das Wissen pädagogischer Fachkräfte über die Gestaltung pädagogischer
Angebote zu erfassen und weiterhin zu untersuchen, ob dieses Wissen durch eine Fortbildung verändert werden kann.
Theoretischer Hintergrund
Die aktive Auseinandersetzung von Kindern mit Phänomenen der belebten und unbelebten Natur bildet den Kern früher
naturwissenschaftlicher Bildung. Entsprechende Lerngelegenheiten hängen stark von kontextuellen Bedingungen ab und können
in der Kindertageseinrichtung daher nur in begrenztem Umfang spontan erfolgen. Die Gestaltung vorbereiteter Lernumgebungen
ist somit eine verbreitete Möglichkeit, Kindern entsprechende Lerngelegenheiten zu bieten. Lankes et al. (2011) stellten in einer
umfangreichen Analyse von Experimentierbüchern fest, dass diese zwar Hinweise zu Materialien und Versuchsdurchführungen
enthalten, didaktische Hinweise jedoch größtenteils vermissen lassen. Im Sinne der Ermöglichung von Bildungsprozessen ist
aber gerade die didaktische Gestaltung – insbesondere unter dem Aspekt ko-konstruktiver Interaktionsprozesse zwischen Kind
und Fachkraft – von zentraler Bedeutung (vgl. Rabe-Kleberg, 2011). Vor dem Hintergrund, dass der Aufbau bereichsspezifischen
didaktischen Wissens in der Ausbildung gegenwärtig wenig Beachtung findet und auch in Büchern kaum didaktisches Wissen
angeboten wird, stellt sich die Frage, auf welcher Wissensbasis frühpädagogische Fachkräfte Angebote in diesem Bereich
gestalten und wie sich dieses Wissen im Anschluss an eine gezielte Fortbildung verändert.
Methode
Im Rahmen eines von der Klaus Tschira Stiftung geförderten Projekts beantworteten 127 frühpädagogische Fachkräfte folgende
Frage zu drei Messzeitpunkten: „Bitte notieren Sie aus Ihrer Sicht die 3 wichtigsten Kennzeichen eines guten pädagogischen
Angebots im Bereich früher naturwissenschaftlicher Bildung“. Weiterhin wurden sie aufgefordert, Möglichkeiten zu benennen,
wie ein gutes pädagogisches Angebot mit Kindern angebahnt werden kann. Mit dem Ziel, insbesondere Schwerpunktsetzungen
der pädagogischen Fachkraft in der pädagogisch-didaktischen Gestaltung der spezifischen Interaktionssituationen zu
bestimmen, wurden die rund 600 Antworten auf diese offenen Frageformate unter Zugrundelegung der Merkmalsbeschreibungen
des Classroom Assessment Scoring Systems (CLASS) (La Paro et al., 2012) inhaltsanalytisch ausgewertet (vgl. Mayring, 2012).
Differenziert wurden Merkmale der emotionalen Unterstützung, der Lernunterstützung sowie der Organisation der
Angebotssituationen. In einem ersten Schritt wurden die Antworten auf Gruppenebene in ihrem relativen Anteil zueinander
betrachtet. Vergleiche von Schwerpunktsetzungen über Messzeitpunkte hinweg, ermöglichen Rückschlüsse über potentielle
Wirkungen der Fortbildung (Interventions-Kontrollgruppen-Design).
Ergebnisse
Analysen des ersten Messzeitpunkts zeigen, dass die Fachkräfte Schwerpunkte setzen, die mit internationalen Befunden
konsistent sind, in denen die CLASS zur Beobachtung pädagogischer Interaktionsprozesse eingesetzt wurde. Merkmale der
emotionalen Unterstützung dominieren (48,37)%, während dem Bereich der Lernunterstützung (7,88%) nur ein untergeordneter
Stellenwert zugemessen wird. Die Organisation von Angebotssituationen (26,09%) nimmt eine mittlere Position ein.
Dass im Rahmen der Fortbildungsreihe emotional unterstützende Aspekte, wie bspw. das bewusste Eingehen auf Bedürfnisse
des Kindes oder die Gewährung von ausreichend Zeit in den Lernumgebungen inhaltlich einen großen Stellenwert einnehmen,
zeigen erste deskriptive längsschnittliche Befunde: Zum zweiten Messzeitpunkt erfolgt eine stärkere Gewichtung sowohl des
positiven Klimas in der Lernumgebung (5,83% vs 12,50%) als auch der Feinfühligkeit in der Interaktionsgestaltung als
Kennzeichen guter Angebote (20,39% vs. 22,73%).
Diskussion
Die Analyse von Wissensbeständen auf Basis eines Beobachtungssystems für Interaktionsprozesse stellt einen ersten Versuch
dar, eine Brücke zwischen Wissen und Verhalten zu entwickeln. Die Konsistenz zu bestehenden Befunden lässt diesen Ansatz
als zielführend erscheinen. Ob diese Kennzeichnung guter pädagogischer Angebote jedoch die tatsächliche Angebotsumsetzung
vorhersagt, ist in weiterführenden Untersuchungen zu überprüfen. Die Analysen auf Gruppenebene können allgemeine
Tendenzen in Wissensbeständen pädagogischer Fachkräfte aufzeigen. Für die Überprüfung von Fortbildungswirkungen ist
jedoch insbesondere von Interesse, inwiefern sich individuelle pädagogisch-didaktische Schwerpunktsetzungen von
Fortbildungsteilnehmern verändern. Hierfür werden differenzierte Analysen in einem experimentellen Warte-KontrollgruppenDesign über drei Messzeitpunkte angestellt.
ID: 285 / B 16 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Hochbegabung, Motivation und Emotion
Stichworte: ability grouping, giftedness, academic achievement, academic self-concept, longitudinal study
Academic Achievement and Self-Concept: Their Development and Interaction in Gifted Classes and
Regular Mixed-Ability Classes
Isabelle Schmidt1, Franzis Preckel1, Eva Stumpf2, Monika Motschenbacher3, Katharina Vogl1, Wolfgang Schneider3
1
University of Trier, Germany; 2University of Rostock, Germany; 3University of Würzburg, Germany
Theoretical Framework
Fostering gifted students by full-time ability grouping in special classes for the gifted has positive effects for their achievement
development (e.g., Hattie, 2002; Kulik & Kulik, 1997; Rogers, 2007). However, ability grouping can lower students’ academic selfconcepts (ASC) through reference group effects (Marsh, 1987). A plethora of studies document beneficial effects of ASC on
achievement (Valentine, DuBois, & Cooper, 2004). This also applies to gifted students (e.g., McCoach & Siegle, 2003). Given
the critical role of ASC for academic outcomes losses in ASC are of high practical concern. Studies investigating effects of ability
grouping for the gifted have shown inconsistent findings concerning the development of academic self-concept (ASC) and its
relationship with achievement over time. A more positive development of achievement in gifted classes (e.g., Kulik & Kulik, 1997)
should also foster ASC development as many studies and longitudinal research document reciprocal and mutually reinforcing
effects between ASC and academic achievement (i.e., Reciprocal-Effects-Model, REM; Marsh & Martin, 2011). However, it
remains unclear if this also applies to students streamed in gifted classes compared to regular classes.
Hypotheses
1. We expected a decrease in ASC over time. Students in our sample were in their first three years in selective secondary schools
(gifted or reular classes at the German “Gymnasium”).
2. We exploratorily investigated if the decrease in ASC was stronger in gifted than in regular classes.
3. We expected a better development of achievement in gifted than in regular classes.
4. We expected positive relations between the development of ASC and achievement over time.
Method
Participants
The data stem from the longitudinal study “PULSS” (Project for studying of learning in secondary school level) assessing
academic development in secondary school from Grade 5-7. We investigated 921 students from 7 regular high-track schools of
the German three-track secondary school system. 282 students attended 14 gifted classes and 639 students attended 26 regular
classes.
Material
We used standardized achievement tests in math (Götz, Lingel, & Schneider, 2013a, 2013b). Internal consistencies were
satisfying (α=.73–.87). ASC in math was assessed with four items of the German translation of the Self-Description-Questionnaire
by Marsh (1990). Students responded on a 5-point rating scale. Internal consistencies were high (α=.87-.92).
Data Analysis
We investigated the development of achievement and ASC, the association between the growth trajectories of both constructs,
and their dependence on class-type by a conditional dual-process linear latent-growth-curve-model (LGM; McArdle &
Nesselroade, 2003). We used Mplus 7.2 (Muthén & Muthén, 1998-2012) and a robust maximum likelihood estimation (MLR) in
combination with “type is complex”-option to account for the clustered sample structure and full-information maximum likelihood
to deal with missing data (McArdle & Grimm, 2010). To ensure the validity of our ASC measure, we tested measurement
invariance of the ASC measure across class-types per wave of measurement and across time (Vandenberg & Lance, 2000).
Results
Strong measurement invariance of ASC measures over time and class-type could be established. The conditional dual-process
LGM showed good model fit (CFI=.975). The average development of achievement was significantly positive. Class-type was
significantly and positively related to the rate of change in achievement. The average development of ASC was negative. Classtype had no influence on the rate of change.
Concerning the common development of achievement and ASC, all correlations between intercepts and slopes were significant.
Hence, positive correlations between the slopes of achievement and ASC indicated positive reciprocal effects.
Conclusions
We found that (a) decreases of ASC did not depend on class type, (b) achievement developed better in gifted classes, and that
(c) developments of ASC and achievement were positively related confirming the reciprocal effects model. Implications for gifted
education are discussed.
ID: 286 / B 02 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht,
Sonstiges
Stichworte: student's conception, fragmented knowledge, tree assimilation & wood synthesis, ordered logistic regression,
general linear model
“Trees live on soil and sunshine!”- Coexistence of Scientific and Alternative Conception of Tree
Assimilation
Kerstin Bissinger1, Christine J. Arnold1, Simon Thorn2,3, Franz X. Bogner1
1
Department of Biological Education, Centre of Math and Science Education (Z-MNU), University of Bayreuth, Germany;
2
Bavarian Forest National Park, National Park, Grafenau, Germany; 3Chair for Terrestrial Ecology, Department of Ecology and
Ecosystem Management, Technische Universität München, Germany
Theoretical Background
Successful learning is understood as integration of new knowledge into existing schemes which leads to an integrated and correct
scientific conception. By contrast, co-existence of scientific and alternative conceptions may indicate a fragmented knowledge
profile. Students still hold incorrect conceptions in biology, but these provide the foundation for future knowledge which is reflected
by the usage of the appropriate term alternative conception[1]. Conceptual studies on photosynthesis and related issues such as
tree assimilation and wood synthesis date back to the 1980s revealing one prominent concept: plants are considered to be
absorbing nutrients from their environment [2,3]. Thereby, students reflect problems to understand plants as autotrophic
organisms [4]. Although the existence of alternative conceptions of tree assimilation and wood synthesis is proven, determinants
of the coexistence of scientific and alternative conceptions remain unclear and determinants of fragmented knowledge profiles
are not well understood yet, which may hamper a development of adapted teaching schemes.
Objectives
The aim of our study is to identify concepts students hold on photosynthesis and wood synthesis. We investigate potential
explanatory factors such as age, sex and educational background on (I) the expression of scientific and alternative concepts and
(II) the co-existence of scientific and alternative conceptions.
Methods
We used a questionnaire-based approach implementing two open questions which we developed beforehand: A.) “One of the
oldest and thickest trees in Bavaria is a 600-year old oak with a circumference of 7.1 m. In your opinion, what does this tree
assimilate from its environment during the day in order to form such a thick trunk?” and B.) “Explain in detail how, in your opinion,
this tree produces its timber with inclusion of the above mentioned terms.” Totally, 885 students (46.2% male; 53.8% female;
mean age = 18.71 SD±3.87) participated in our study representing four educational levels: 6th graders, 10th graders, natural
science freshmen and other academic studies freshmen. Prior to statistical analysis we determined categories by applying a
qualitative content analysis [5] to structure and condense our data by an inductive bottom-up approach. Reliability of category
assignment was estimated by an intra- inter-rater design (Cohen´s Kappa) [6,7]. To explore general coexistence of distinct
concepts we fit Ward´s hierarchical cluster analysis [8] (function hclust (R-package stats)) and we implemented k-means cluster
analysis [9] (function k-mean (R-package stats)). The approach was validated by means of a contingency table [10].
We fit ordered logistic regressions [11] for simultaneously testing the influence of educational background, age and sex on
conception levels and the expression of scientific or alternative conceptions (function polr, R-package MASS). To simultaneously
compare educational backgrounds we implemented Tukey's all-pair comparisons (function glht (R-package multcomp)). We used
binomial linear models (function glm, R package stats) [12] for testing the influence of educational background, age and sex on
the coexistence of scientific or alternative conceptions. Both simultaneous tests were applied with automatically adjusted p-values
for multiple testing [13].
Results
Within all subsamples well-known alternative concepts regarding tree assimilation and wood synthesis coexisted with correct
scientific ones. For example, students describe trees to be living on “soil and sunshine,” representing scientific knowledge of
photosynthesis mingled with an alternative conception of trees eating like animals. Fragmented knowledge profiles occurred in
all subsamples, but our models showed that improved education and age foster knowledge integration. Despite significant
research effort to improve teaching strategies has been undertaken since the 1980s scientific and alternative conceptions still coexist in students´ mind. Throughout our analysis, educational background was the most important determinant for increasing
scientific conceptions and fosters accumulation of scientific concepts. Nevertheless, even science students kept some alternative
conceptions although they knew the correct scientific ones.
ID: 288 / B 15 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Lehrerexpertise
Stichworte: Schüler mit Migrationshintergrund; Lehrerstereotype; Lehrerbeurteilung
Benachteiligen Lehrkräfte Schüler mit Migrationshintergrund? Eine experimentelle Studie
Sabine Glock
Bergische Universität Wuppertal, Deutschland
Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund werden oft als die Bildungsverlierer des deutschen Schulsystems
bezeichnet. Die Forschung dazu zeigt auch, dass sie nicht nur durch geringere Schulleistungen (Gebhardt, Rauch, Mang, Sälzer,
& Stanat, 2013; Stanat, 2006), sondern auch in der Beurteilung durch die Lehrkräfte benachteiligt werden (Chudaske, 2012).
Dabei werden stereotype Erwartungen von Lehrkräften als ein Mechanismus identifiziert, der zur Benachteiligung beitragen kann
(Parks & Kennedy, 2007). Duale Prozessmodelle der Urteilsbildung spezifizieren wie stereotype Erwartungen in der Beurteilung
zum Tragen kommen (Fiske & Neuberg, 1990). Dabei ist eine Determinante die Information über die wahrzunehmende Person,
die darüber entscheiden kann, ob stereotype Erwartungen in die Beurteilung einfließen oder nicht. Während
Personeninformation, die stereotype Erwartungen bestätigt, in stereotypen Urteilen resultieren sollen, wird angenommen, dass
erwartungsinkonsistente Information eher dazu führen sollte, dass die Beurteilung stärker auf die individuellen und nicht auf der
stereotypbasierten Information basiert.
Diese Annahmen wurden die stereotypen Erwartungen von Lehrkräften über Schüler mit Migrationshintergrund übertragen und
in einem Experiment in einer Stichprobe von 83 erfahrenen Lehrkräften überprüft. Eine Gruppe von Lehrkräften beurteilte die
Beschreibung von einem stereotyp-konsistenten, leistungsschwachen türkischen Schüler, und die andere Gruppe einen
leistungsschwachen deutschen Schüler. Einer anderen Gruppe von Lehrkräften wurde die Beschreibung eines stereotypinkonsistenten, leistungsstarken türkischen Schülers präsentiert, während eine weitere Gruppe von Lehrkräften einen
leistungsstarken deutschen Schüler beurteilte. Die Lehrkräfte beurteilten das Engagement der Schüler, die Leistung in Deutsch
und in Mathematik sowie die soziale Isolierung. In separaten 2 x 2 Zwischengruppen-ANOVAs konnte keine Benachteiligung für
Schüler mit Migrationshintergrund in der Mathematikleistung gefunden werden. Der leistungsstarke türkischer Schüler wurde als
engagierter eingeschätzt als der deutsche Schüler, auch wurden die Schüler mit Migrationshintergrund als weniger sozial isoliert
beurteilt. In der Beurteilung der Deutschleistung zeigte sich jedoch eine Benachteiligung des leistungsschwachen türkischen
Schülers verglichen mit dem deutschen Schüler. Dieser wurde in seiner Deutschleistung als weniger kompetent beurteilt. Für
den leistungsstarken Schüler ergab sich kein solcher Unterschied.
Die Studie bestätigt die Annahmen der dualen Prozessmodelle teilweise. Lehrkräfte urteilen nach der individuellen Information,
wenn die Informationen über die Schüler erwartungsinkonsistent sind. Werden jedoch Erwartungen bestätigt, dann schlägt sich
das auch im Urteil der erfahrenen Lehrkräfte nieder. Dies betrifft jedoch nur die Deutschleistung, wobei hervorgehoben werden
muss, dass die leistungsschwache Schülerbeschreibung bis auf den Vornamen der Schüler exakt den gleichen Wortlaut hatte.
Schüler mit Migrationshintergrund weisen oftmals geringere sprachliche Kompetenzen im Vergleich zu ihren deutschen Peers
auf (Hesse, Göbel, & Hartig, 2008), was vor allem die akademische Bildungssprache betrifft (Haag, Heppt, Stanat, Kuhl, & Pant,
2013). In Mathematik spielt die Bildungssprache eine untergeordnete Rolle, da das benötigte Fachvokabular von der Lehrkraft
vermittelt wird. Dies spiegelt sich auch in der Forschung wider, die aufzeigt, dass die Bildungslücke zwischen Schülern mit und
ohne Migrationshintergrund in Mathematik geringer ist (Pöhlmann, Haag, & Stanat, 2013). Somit kann die schlechtere Bewertung
des leistungsschwachen Schülers mit Migrationshintergrund in Deutsch durchaus über stereotype Erwartungen erklärt werden,
die sich über die Erfahrung mit diesen Schülern bilden. Eine generelle Benachteiligung der Schüler mit Migrationshintergrund
jedoch konnte nicht bestätigt werden: Im Gegenteil leistungsstarke Schüler mit Migrationshintergrund werden als engagierter
wahrgenommen. Wird jedoch bedacht, dass gerade im Schullaufbahnkontext die Deutschnote der stärkste Prädiktor für die
Empfehlungen der Lehrkräfte darstellt, geben die Ergebnisse im Bereich der Deutschleistung Anlass über Möglichkeiten zur
Reduzierung des Einflusses stereotyper Lehrererwartungen nachzudenken.
ID: 290 / C 03 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Hochschulbildung
Stichworte: Peer-Feedback, wissenschaftliches Schreiben, Textkompetenz, Methodenkompetenz
Eine Interventionsstudie zur Förderung akademischer Textkompetenz bei Studierenden der Ingenieurund Naturwissenschaften
Ines Lammertz, Heidrun Heinke
RWTH Aachen, Deutschland
In allen Fachdisziplinen ist beruflicher Erfolg zumindest teilweise abhängig von der Fähigkeit aussagekräftige und gut formulierte
Texte zu schreiben (Cho & Schunn, 2007). Als eine wichtige Komponente dieser Fähigkeit wird dabei häufig die Fähigkeit zur
Revision von Texten identifiziert (z.B. Bonk, 1990; Flower, 1979). Da diese Revision sowohl fremde als auch eigene Texte
betreffen kann, werden hier nach Schindler und Siebert-Ott (2012) zur Differenzierung die Begriffe der Textkompetenz im engeren
und Textkompetenz im weiteren Sinne verwendet. Textkompetenz im engeren Sinne bezieht sich auf die Fähigkeit, selber Texte
zu schreiben, wozu im Sinne von Flower (1979) auch die Revision eigener Texte im Rahmen des Schreibprozesses zugeordnet
wird. Textkompetenz im weiteren Sinne beschreibt die Fähigkeit zur Revision fremder Texte. Studien zeigen, dass Übungen in
beiden Revisionsformen zur Verbesserung der Qualität selbst verfasster Texte beitragen können (z.B. Cho & MacArthur 2011;
Lumbelli, Paoletti & Frausin, 1999; Fitzgerald, 1987).
Im Rahmen einer im Physikpraktikum für Chemiestudierende angesiedelten Feldstudie an der RWTH Aachen wurde im WS
2014/15 untersucht, inwiefern die Textkompetenz im weiteren Sinne durch das Schreiben sogenannter Kurzveröffentlichungen
in Verbindung mit geeignetem Feedback verbessert werden kann. Dabei wurden 102 Chemiestudierende in eine Kontroll- und
zwei Interventionsgruppen aufgeteilt. Alle Gruppen absolvierten im Semesterverlauf zehn Versuche. Während die Kontrollgruppe
zu acht Versuchen Versuchsberichte (Protokolle) schrieb, wurde in den Interventionsgruppen ein Versuchsbericht durch eine
Kurzveröffentlichung im Stil eines wissenschaftlichen Papers ersetzt. Die Interventionsgruppen unterschieden sich nur
hinsichtlich des Feedbacks: Eine Gruppe erhielt Feedback vom Tutor, in der anderen Gruppe kommentierten die Studierenden
ihre Kurzveröffentlichungen gegenseitig und tauschten ihre Eindrücke in einer Peer-Feedbackrunde aus (Lammertz & Heinke,
2015).
Für die Erhebung der Textkompetenz im weiteren Sinne wurde eigens ein Testinstrument entwickelt. Dieses besteht aus zwei
Test-Texten zur Thematik „freier Fall“. In der Form angelehnt an eine wissenschaftliche Veröffentlichung beinhalten diese Texte
jeweils 30 Fehler, die zuvor als typische Fehler in Kurzveröffentlichungen von Studierenden identifiziert wurden. Aufgabe der
Studierenden bei der Bearbeitung der Test-Texte ist es, die eingebauten Fehler zu finden und nachvollziehbar zu kommentieren.
Es zeigte sich, dass beide Interventionsgruppen im Posttest signifikant mehr Punkte erzielten als die Kontrollgruppe. Anders als
z.B. bei Cho & Schunn (2007) konnte aber kein signifikanter Unterschied beim Einsatz der beiden Feedbackformen festgestellt
werden (Lammertz & Heinke, in Vorbereitung).
Bei der Pilotierung des Testinstruments konnten mittels einer Korrelationsanalyse 24 der 30 Fehler als äquivalent und für die
Studie nutzbar identifiziert werden. Daher wurden die Texte überarbeitet und werden im Rahmen einer Wiederholungsstudie im
WS 2015/16 in modifizierter Form eingesetzt. An dieser Studie nehmen voraussichtlich 100 Chemiestudierende teil. Die
Studierenden werden randomisiert einer Interventions- bzw. einer Kontrollbedingung zugeordnet, wobei alle Probanden der
Interventionsgruppe am Peer-Feedback teilnehmen werden. Diese Entscheidung ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass
sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Feedbackformen zeigte. Zum anderen lässt der Einsatz von PeerFeedback nicht nur Vorteile bei der Verbesserung der Textkompetenz im engeren Sinne (Jahin, 2012), sondern auch im Hinblick
auf die Qualitätssicherung erwarten (Cho & Schunn, 2007).
Im Rahmen der Studie bearbeiten alle Studierenden im Pre- und Posttest jeweils einen der Test-Texte im Kreuzdesign. Zusätzlich
füllen sie zu beiden Erhebungszeitpunkten einen Fragebogen zur Selbsteinschätzung aus und bearbeiten im Semesterverlauf
einen speziell für Chemiestudierende entwickelten Leseverständnistest. Mit den erhobenen Daten sollen die folgenden
Forschungsfragen adressiert werden:
FF1: Kann der beobachtete Lernerfolg im Hinblick auf Textkompetenz im weiteren Sinne in einer Wiederholungsstudie bestätigt
werden?
FF2: Ermöglicht das überarbeitete Testinstrument eine bessere Differenzierung des Treatmenteffektes?
Die Datenerhebung wird im Januar 2016 mit dem Posttest abgeschlossen, so dass sowohl das überarbeitete Testinstrument als
auch die Testergebnisse vorgestellt werden können.
ID: 299 / B 02 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: Lesegeschichten, Chemieunterricht, Interventionsstudie
Mit Lesegeschichten im Chemieunterricht lernen
Tim Reschke1, Jenna Koenen2, Elke Sumfleth1
1
Universität Duisburg-Essen, Deutschland; 2Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Wie mehrere Studien zeigen, haben Schülerinnen und Schüler im Fach Chemie Defizite im Fachwissen und gleichzeitig ein
geringes Interesse am Fach (z. B. Pant et al. 2013; Sjøberg & Schreiner, 2010). Die vermehrte Anregung des situationalen
Interesses könnte einen ersten Schritt in Richtung einer positiven Entwicklung des Fachinteresses darstellen (vgl. Hidi &
Berndorff, 1998). Eine Möglichkeit, sowohl dem mangelnden Fachwissen als auch dem geringen Interesse der Schülerinnen und
Schüler entgegen zu wirken, könnten Lernmaterialien sein, die den Wissenserwerb und das situationale Interesse gleichzeitig
anregen. Chemiebezogene Lesegeschichten könnten diesen Anforderungen gerecht werden (vgl. Avraamidou & Osborne, 2009).
Solche Geschichten werden oft im Rahmen der Methode des Storytellings im Unterricht eingesetzt (z. B. Egan, 1988; SchekatzSchopmeier & Lück, 2011). Hierbei werden am Anfang der Unterrichtsstunde den Schülerinnen und Schülern durch die
Lehrperson Geschichten erzählt, um sie für die darauffolgenden Fachinhalte zu begeistern. Heutzutage werden auch
Lesegeschichten auf diese Weise eingesetzt (z. B. Martensen, Tietjens & Parchmann, 2007). Zudem können Lesegeschichten
auch konkrete Fachinhalte enthalten (u. a. Kaspar & Mikelskis, 2008). Im Vergleich zu Sachtexten werden dabei andere narrative
Elemente genutzt (vgl. Avraamidou & Osborne, 2009). So können zum Beispiel Analogien und Personifikationen entsprechende
Mittel sein, um unbekannte Fachinhalte durch Rückgriff auf bereits bekannte Sachverhalte aus dem Alltag zu erklären (Duit &
Glynn, 1992; Püttschneider & Lück, 2004).
Forschungsvorhaben und -ziel der Studie
Es wird untersucht, wie sich das Lernen mit Lesegeschichten im Vergleich zum Lernen mit Sachtexten, die die meist verwendete
Textart im Chemieunterricht darstellen, auf den Lernerfolg im Bereich des Fachwissens und auf das situationale Interesse der
Schülerinnen und Schüler auswirkt. Daraus ergeben sich zwei zentrale Forschungsfragen:


Inwieweit können Schülerinnen und Schüler mit chemiebezogenen Lesegeschichten besser unbekannte Fachinhalte
erlernen als mit Sachtexten?
Inwieweit unterscheidet sich das situationale Interesse beim Lernen mit chemiebezogenen Lesegeschichten im Vergleich
zum Lernen mit Sachtexten?
Methode
Es wurden jeweils eine Lesegeschichte und ein Sachtext zum Thema Alkalimetalle mit identischen Fachinhalten entwickelt. Alle
Texte wurden zudem acht Schülerinnen und Schülern vorgelegt und mithilfe der Methode des Lauten Denkens mit
anschließenden leitfadengestützten Interviews analysiert und daraufhin optimiert. Nun werden die Texte in einer
Interventionsstudie (N = 400) im Prä-post-follow-up-Design zur Beantwortung der Forschungsfragen in der Jahrgangsstufe 8 an
Gymnasien und in der Jahrgangsstufe 8/9 an Realschulen eingesetzt. Der Lernerfolg wird mithilfe eines Fachwissenstests im
Multiple-Choice-Single-Select-Format evaluiert. Das situationale Interesse wird mithilfe eines adaptierten Fragebogens von
Fechner (2009) evaluiert. Als Kontrollvariablen werden die aktuelle Motivation (FAM: Rheinberg, Vollmeyer & Burns, 2001), die
kognitiven Fähigkeiten (KFT N2: Heller & Perleth, 2000), die Lesekompetenz (LGVT: Schneider, Schlagmüller & Ennemoser,
2007), das Fachinteresse (Fechner, 2009), die Lernzeit, die Deutsch- und Chemienote, das Geschlecht sowie die in der Freizeit
gesprochene Sprache erhoben. Zudem wird die kognitive Belastung (Kalyuga, Chandler & Sweller, 1999; Paas, 1992) erhoben,
um zu überprüfen, inwieweit die unterschiedliche Gestaltung der Textarten einen Einfluss auf die empfundene Schwierigkeit und
die investierte Denkanstrengung der Schülerinnen und Schüler hat. Unterschiedliche kognitive Belastungen könnten sich darüber
hinaus positiv oder negativ auf den Lernerfolg oder auch das situationale Interesse auswirken.
Ausblick
Basierend auf den Ergebnissen kann dann eine Aussage gemacht werden, ob die Lesegeschichte gegenüber einem
vergleichbaren Sachtext hinsichtlich des Lernens und des situationalen Interesses Vorteile zeigt. Die Ergebnisse der Studie sollen
im Rahmen eines Vortrages vorgestellt werden.
ID: 302 / D 11 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Vorschulische Bildung
Stichworte: Kindertagesstätten, Familie, Sekundärdatenanalyse, sozia-emotionale Fähigkeiten, Kompensation
Die Bedeutung von Merkmalen frühkindlicher institutioneller Betreuung für die sozial-emotionale
Entwicklung von Kindern im Vorschulalter
Franziska Wilke
Freie Universität Berlin, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
In den letzten Jahren wurde der quantitative Ausbau von Kindertagesstätten vor allem für Kinder unter drei Jahren erheblich
vorangetrieben, mit dem Resultat, dass immer mehr Kinder zwischen der Geburt und dem Übertritt in die Schule zeitweise
institutionell betreut werden (Statistisches Bundesamt 2014). Gleichzeitig zeigt sich eine Verunsicherung, ob insbesondere eine
frühe und umfangreiche frühkindliche institutionelle Betreuung förderlich für die kindliche Entwicklung ist. Auf der anderen Seite
sind Kindertagesstätten gefordert, Bildungschancen für alle Kinder zu ermöglichen und somit zum Abbau von
Bildungsungleichheiten beizutragen. Positive Effekte frühkindlicher Betreuung auf die kognitive Entwicklung konnten in Studien
bereits nachweisen werden (z.B. NICHD ECCRN 2002, 2005, Sylva et al. 2011, Anders 2013). Bezogen auf die sozialemotionalen Fähigkeiten zeigen internationale Studien in-konsistente Ergebnisse (z.B. NICHD 2002, 2005, Vortruba Drzal, 2004,
Jaffee et al. 2011). In Deutschland gibt es nur vereinzelt Studien, die sich mit der Bedeutung institutioneller Betreuung für die
sozial-emotionale Entwicklung von Kindern auseinandersetzen und eher positive Zusammenhänge zwischen der Dauer
institutioneller Betreuung, dem Umfang, des Eintrittsalters und der Qualität feststellen (Tietze u.a. 2013, Schlotter, Martin 2010).
Hier bedarf es jedoch weiterer empirischer Evidenz.
Fragestellung
In der Studie wird folgenden Fragestellungen nachgegangen: 1) Welche Bedeutung hat die institutionelle Betreuung für die sozialemotionalen Fähigkeiten von Kindern im Vorschulalter? 2) Welche Bedeutung haben das Eintrittsalter, die Intensität, die Dauer
der Betreuung und Betreuungswechsel für die sozial-emotionalen Fähigkeiten von Kindern? 3) Ist die Bedeutung von
Betreuungsmerkmalen für Kinder aus sozial benachteiligten Familien unterschiedlich im Vergleich zu Kindern aus privilegierten
Familien?
Methode
Datengrundlage für die Sekundäranalyse bilden die Mutter-Kind-Fragebögen des Sozioökonomischen Panels (SOEP) mit den
Befragungswellen 2003 bis 2009. In den Analysen werden die Kohorten der 2-3-jährigen und 5-6-jährigen Kinder einbezogen
(N3=1148, N6=447). Neben umfangreichen Informationen zu familialen Hintergrundmerkmalen (Bildung, Einkommen,
Familiensprache) werden die Eltern nach der Häufigkeit gemeinsamer kognitiv anregender Aktivitäten mit ihren Kindern gefragt,
welche in dieser Studie als Maß familialer Anregungsqualität definiert werden. Die sozial-emotionalen Fähigkeiten wurden durch
die Mütter für die 3-jährigen Kinder mithilfe der Vineland-Adaptive-Behaviour Gesamtskala sowie der Subskala "Soziale
Beziehungen" (Sparrow, Cicchetti und Balla 1984; Schmiade, Spies & Tietze 2008) eingeschätzt und für die 6-jährigen Kinder
mithilfe des Strength-Difficulties-Questionnaire (Goodman, 1997). Ebenso wurden Informationen zu den Betreuungsmerkmalen
erhoben: Besuch einer Kindertagesstätte, familienähnliche Betreuungssettings (Nachbarn, Babysitter), das Eintrittsalter, die
Dauer der institutionellen Betreuung, die Betreuungsintensität und die Anzahl verschiedener Betreuungssettings pro Woche.
Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigen, dass der Besuch einer Kindertagesstätte, unter Kontrolle der familialen Hintergrundmerkmale, einen
positiven Effekt auf das sozial-emotionale Verhalten von Kindern im Alter von drei Jahren hat. Darüber hinaus werden Kinder,
die eine Kita mit früherem Eintrittsalter, mit längerer Verweildauer sowie die Kita mit einem höherem Stundenumfang besuchen,
von ihren Eltern höher in ihren adaptiven Fähigkeiten und sozialen Beziehungen eingeschätzt. Ebenso zeigt sich, dass sich auch
die Betreuung in mehreren verschiedenen Settings günstig auf die sozial-emotionalen Fähigkeiten von Kindern im Alter von drei
Jahren auswirkt. Im Alter von sechs Jahren ließen sich keine Effekte der Betreuungsmerkmale nachweisen.
Die Analysen differenzieller Effekte von Merkmalen der Betreuungsbiographie für Kinder aus Elternhäusern mit
unterschiedlichem kognitiven Anregungspotential zeigen kein einheitliches Muster. Kinder aus Familien, die seltener kognitiv
anregende Aktivitäten mit ihren Familien unternehmen, werden von den Eltern als problematischer eingeschätzt, wenn sie eine
Kita besuchen. Kinder aus weniger kognitiv anregungsreichen Familien profitieren im Hinblick auf das prosoziale Verhalten von
einer längerfristigen Betreuung in einer Kindertagesstätte. Von einem früheren Eintrittsalter profitieren ebenfalls, hinsichtlich des
prosozialen Verhaltens, Kinder aus weniger kognitiv anregungsreichen Familien. Schließlich werden Kinder, die eine weniger
kognitiv anregungsreiche Lern- und Entwicklungsumgebung in der Familie erfahren, in ihren adaptiven Fähigkeiten höher
eingeschätzt, wenn sie mit höherem Stundenumfang institutionell betreut werden.
ID: 307 / D 02 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Didaktik Mathematik
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Lernen mit Computer und neuen Medien, Motivation und Emotion
Stichworte: proportionales Denken, kooperatives Lernen, Tablets, Emotionen, Aufgabenfokus
Produktive Divergenz beim kooperativen Lernen mit iPads – eine multimodale Analyse des Falls "Tarzan
und Jane"
Armin Weinberger, Lara Schmitt
Universität des Saarlandes, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Tablet-Computer werden im Unterricht hauptsächlich in individuellen Lernarrangements etwa mit interaktiven, dynamischen
Visualisierungen eingesetzt (z. B. Schneps et al., 2014). Ähnlich wie Tabletops können Tablets aber auch von mehreren Nutzern
gleichzeitig und direkt gesteuert (Multi-Touch) und damit für kooperative Lernarrangements genutzt werden. Convergent
conceptual change beschreibt das Phänomen zweier Novizen, die sich mit Hilfe eines reflektiven Tools gegenseitig darin
unterstützen, auf einer höheren Wissensstufe zu konvergieren (Roschelle, 1992). Ein wesentliches Merkmal kooperativer
Lernprozesse scheint dabei zu sein, wie Lerner gemeinsam eine Aufgabe fokussieren und dabei kognitive Divergenzen auflösen
(Doise & Mugny, 1984). Aber nicht nur kognitive, sondern auch emotionale Ko-Regulierung der Lernenden spielt eine
entscheidende Rolle für effektives kooperatives Lernen (Järvelä, Hurme, & Järvenoja, 2011). Zur Erforschung kooperativen
Lernens sollten deshalb sowohl kognitive als auch emotionale Prozesse multimodal erhoben werden, was neben Diskursdaten
etwa auch die räumliche Nutzung der Lernumgebung (Territorialität) einschließen kann (Suthers et al., 2013). „Proportion“ ist
eine von uns entwickelte iPad App (Rick, 2012; Rick, Kopp, Schmitt, & Weinberger, 2015), mit der Grundschüler der 4. Klasse
beim kooperativen Lernen von proportionalem Denken gefördert werden sollen. Die Schüler bearbeiten kontinuierlich schwieriger
werdende Aufgaben, bei denen sie zwei vertikal nebeneinander angeordnete Balken so konfigurieren müssen, dass sie ihre
numerische Beschriftung korrekt repräsentieren (z. B. 2 zu 3). Jede Aufgabe beinhaltet zwei neue Zahlen, die durch Anpassung
der Größe der Balken ins richtige Verhältnis zueinander gebracht werden sollen.
Fragestellung
Welche Rolle spielen gemeinsamer Aufgabenfokus und emotionale Gruppenprozesse beim kooperativen Wissenserwerb mit
Tablets?
Methode
Es wurde ein einfaktorielles (3 Faktorstufen) Pre-, Posttest-Design angewendet. Das Lernformat wurde variiert: Die Schüler
arbeiteten entweder individuell oder kooperativ (dyadisch) mit "Proportion". Innerhalb der kooperativen Bedingung variierte der
Touch-Modus: Single-Touch (nur ein Input wird registriert) oder Multi-Touch (mehrere Inputs werden registriert). Die individuell
arbeitenden Schüler arbeiteten grundsätzlich im Multi-Touch-Modus. Die Stichprobe umfasste n=125 Schüler; der
Altersdurchschnitt betrug 10 Jahre. Vor und nach der App-Intervention wurden Fragebögen und Mathetests eingesetzt. Die
Datenquellen umfassen auch Videoaufzeichnungen, die mittels eines Kodierschemas auf zwei Ebenen analysiert wurden:
Emotionen und Aufgabenfokus. Zusätzlich zur quantitativen Analyse wird eine Dyade („Tarzan und Jane“) in Form einer
Fallanalyse vorgestellt.
Ergebnisse
Innerhalb der Teilstichprobe gab es einen signifikanten Lernzuwachs vom Pre- (M=11.80, SD=4.84) zum Posttest (M=14.14,
SD=5.10): t(43)=3.253, p=.002. Tarzan und Jane zeigten im Pretest zwar (homogen) unterdurchschnittliche Leistungen (jeweils
7 Punkte), verbesserten sich aber stark im Posttest (+9 bzw. +13 Punkte). Tarzan und Jane als Team sind überdurchschnittlich
aufgabenfokussiert, allerdings sehr heterogen: Tarzan wechselt schlagartig von Phasen hoher Aktivität zu Pausen, wohingegen
Jane die Aufgaben ruhig und kontinuierlich bearbeitet. Ein ähnlich divergentes Muster spiegelt sich in den Emotionen wider:
Tarzan zeigt viele positive Emotionen (M = .73), Jane nur wenige (M = .28). Der gemittelte Emotionswert der Dyade (.50)
entspricht in etwa dem Wert der Teilstichprobe (.58). Auch hinsichtlich territorialer Aspekte der Lernprozesse zeigt sich Tarzans
hohes Erregungsniveau: Wiederholt schiebt Tarzan Janes Hand zur Seite oder nimmt das iPad in seine Hände oder auf den
Schoß. Am Fall von Tarzan und Jane wird illustriert, wie Aufgabenfokus und emotionale Divergenzen sich produktiv auf kognitive
Konvergenz auf einer höheren Ebene auswirken können: Gemeinsam Lernende können sich gegenseitig regulieren und auch
aktivieren. Über diesen Fall hinaus ist es unser Ziel, die komplexen Wechselwirkungen von Konvergenzen und Divergenzen auf
verschiedenen Ebenen des Lernprozesses systematisch zu erforschen und weitere Einflussvariablen miteinzubeziehen, z. B. die
Qualität des Dialoges oder das Ausmaß strategischen Vorgehens. Dazu wurden Folgestudien mit Proportion durchgeführt, in
denen u. a. Verbalisierungs- und Strukturierungsprompts eingesetzt wurden. Diese aktuellen Daten werden zurzeit analysiert
und auf der Konferenz präsentiert.
ID: 308 / E 01 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Trainings- und Evaluationsforschung, Vorschulische Bildung
Stichworte: Familienbildungsprogramm, Familie, Evaluation, Elterntraining
Auswirkungen der Teilnahme an erziehungskompetenzorientierten und beziehungsorientierten Kursen
für die kindliche Entwicklung
Axinja Hachfeld, Franziska Wilke, Yvonne Anders
Freie Universität Berlin, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Kinder unterscheiden sich abhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft (OECD, 2004a, 2004b) bereits zu Beginn der
Grundschulzeit stark in ihren kognitiven Kompetenzen (z.B. Magnuson et al., 2004). Zudem können viele Familien ihren Kindern
kein optimales lernanregendes Umfeld für eine positive kindliche Entwicklung bieten (Melhuish et al., 2008). Vor diesem
Hintergrund werden national als auch international vorschulische Bildungsprogramme konzipiert und insbesondere deren
Potenzial zur Kompensation von Benachteiligung von Kindern aus sozial schwachen Familien oder Kindern mit
Migrationshintergrund diskutiert (Perry Preschool Project: Schweinhart et al., 1993; Schweinhart et al., 2005; HIPPY Project:
Bierschock et al., 2009).
Auch in Deutschland wurden verschiedene Ansätze zur Unterstützung von Familien entwickelt und erprobt. Dennoch fehlt es an
Studien, die belastbare Aussagen zu den Auswirkungen solches Modellprojekte zulassen (Brand & Jungmann, 2012; Taubner et
al., 2013). Ein Bespiel für ein solchen Programm, das in Deutschland entwickelt wurde, ist das Modellprojekt „Chancenreich“. Es
bietet allen Familien in der Stadt Herford Unterstützung bei der Pflege und Erziehung ihrer Neugeborenen und Kleinkinder an.
Im Rahmen des Modellprojekts werden verschiedene Module umgesetzt (z.B. Familienbesuche, die Bereitstellung eines
Elternhandbuchs), von denen fünf verpflichtend sind, darunter auch das Modul „Elterntraining“. Dieses umfasst sowohl Kurse,
die auf die ‚Eltern-Kind-Beziehung‘ fokussieren, als auch Kurse, die auf die Verbesserung von‚ Erzie-hungskompetenzen‘
ausgerichtet sind.
Fragestellung
Das Projekt AQuaFam („Ansätze zur Erhöhung der familialen Anregungsqualität“) untersucht die Auswirkungen der Teilnahme
am Projekt „Chancenreich“ auf das Erleben und Erziehungsverhalten der Eltern sowie auf die soziale und sprachliche Entwicklung
der Kinder. Im Rahmen dieser Studie werden folgende Fragestellungen diskutiert: (1) Welche Effekte hat die Teilnahme am
Projekt „Chancenreich“ auf die wahrgenommene Unterstützung der Eltern und ihre Erziehungsselbstwirksamkeit? (2) Welchen
Einfluss hat die Teilnahme am Projekt auf den sprachlichen und sozial-emotionalen Entwicklungsstand der Kinder? (3) Lassen
sich unterschiedliche Effekte der verschiedenen Kursarten sowohl auf Elternebene als auch bei der kindlichen Entwicklung feststellen?
Methode
Die Studie ist als Querschnittstudie mit zwei Untersuchungsgruppen – einer Interventionsgruppe und einer Vergleichsgruppe –
angelegt. Die Stichprobe der Interventionsgruppe umfasst 184 zwei- bis vierjährige Kinder und Familien, die am Modellprojekt
seit der Geburt teilnehmen. Zusätzlich wird eine Vergleichsgruppe von 58 gleichaltrigen Kindern und ihren Familien, die nicht am
Programm teilnehmen, untersucht. Die Testung des Kindes und die Befragungen der Familien fanden im Haushalt der Familie
statt. Die Eltern wurden zu Merkmalen des sozialen Hintergrundes, der familialen Anregungsqualität, der wahrgenommenen
sozialen Unterstützung, ihrer Selbstwirksamkeit und zu den verschiedenen Kursmodulen befragt. Die sozial-emotionalen
Fähigkeiten des Kindes wurden mithilfe des Strength-Difficulties-Questionnaire (SDQ: Goodman, 1997) und der Vineland-Skala
(Sparrow et al., 2005) durch die Eltern eingeschätzt. Zusätzlich wurden die pädagogischen Fachkräfte in den Kindertagesstätten
gebeten, die Fähigkeiten der Kinder auf diesen Skalen einzuschätzen. Die sprachlichen Fähigkeiten des Kindes wurden mit dem
Wortschatztest „Peabody Picture Vocabulary Test“ (PPVT: Dunn & Dunn, 1997) durch geschulte Erheber/-innen im häuslichen
Umfeld der Familie erfasst.
Die Fragestellungen werden mit Hilfe von Regressionsverfahren analysiert. Fehlende Werte wer-den durch Full-InformationMaximum-Likelihood berücksichtigt. Da sich die Interventions- und Vergleichsgruppe bezüglich familialer Hintergrundmerkmale
unterscheiden, werden in allen Mo-dellen die entsprechenden Merkmale der Familie und des Kindes (Bildungsabschluss,
Einkommen, Alter, Geschlecht des Kindes, Erstgeborenes) kontrolliert.
Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigen, dass die Teilnahme am Chancenreich-Programm mit einer höher wahrgenommenen sozialen
Unterstützung einhergeht. Ebenso verhalten sich Eltern, die an Chancenreich teilnehmen, eher nachgiebiger gegenüber ihren
Kindern. Es können keine Unterschiede im überreagierenden Verhalten gegenüber den Kindern nachgewiesen werden. Auf der
Kindsebene zeigt sich, dass Chancenreich-Kinder von den pädagogischen Fachkräften in den Kindertageseinrichtungen als
weniger problematisch und von den Eltern höher in ihren Alltagsfertigkeiten eingeschätzt werden. Ebenso kann ein signifikant
positiver Zusammenhang zwischen dem Wortschatz des Kindes und der Teilnahme an Kursen, die sich auf die Eltern-KindBeziehung fokussieren, festgestellt werden.
ID: 309 / C 03 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Lehrerexpertise
Stichworte: Professionswissen, Physik, Testkonstruktion, Sekundarstufe
Fachspezifische Lehrerkompetenzen (FALKO) – Teilprojekt Physik
Anja Schödl, Anja Göhring
Universität Regensburg, Deutschland
Seit einigen Jahren ist innerhalb der (inter)nationalen fachdidaktischen Forschung die Frage nach den Bedingungsfaktoren für
„erfolgreichen“ Unterricht weithin präsent. Bisherige Studien ergaben, dass ein zentraler Bedingungsfaktor dafür eine „gute“
Lehrkraft ist. Weiterhin unzureichend geklärt bleibt aber, auf welche Kernkompetenzen Lehrkräfte bei der Ausübung ihres Berufes
zurückgreifen. Daher wurde und wird in zahlreichen Forschungsvorhaben versucht, Lehrerkompetenzen theoriebasiert zu
modellieren und empirisch mit Hilfe unterschiedlicher Testverfahren abzubilden.
Die Projektgruppe FALKO (Didaktiker der Universitäten Regensburg und Augsburg) entwickelt Papier-und-Bleistift-Tests zur
Erfassung des Professionswissens von Lehrkräften der Sekundarstufe I für verschiedene Fächer. Dem Forschungsprojekt liegt
ein gemeinsames Rahmenkonzept zugrunde, das sich an die COACTIV-Studie (Krauss et al., 2011) anlehnt und den
Wissenstaxonomien Shulmans (1986, 1987) folgt.
Beim Teilprojekt FALKO Physik wird im Unterschied zu bisherigen Tests (vgl. z.B. Riese & Reinhold, 2009) auf mehrere
physikalische Themengebiete sowie auf Physiklehrkräfte an Real- und Haupt-/Mittelschulen als Personenzielgruppe fokussiert.
Hinsichtlich der Erfassung des CK („Content Knowledge“) erfolgt in den offen und geschlossen formulierten Items eine
Orientierung an den Niveaus des „vertieften Hintergrundwissens zu Themengebieten aus der Sekundarstufe I“ und des
„Schulwissens“. Beim PCK („Pedagogical Content Knowledge“) werden die Subfacetten „Wissen über Instruktion“, „Wissen über
Schülerkognition“ (Krauss et al., 2011) sowie „Wissen über Messen und Experimentieren“ innerhalb offener Fragestellungen
operationalisiert. Bei der Konzeption der PCK-Items fanden zudem die Ergebnisse des PCK-Summits 2012 Berücksichtigung
(PCK-Summit, 2012).
Mit dem Testinstrument FALKO-Physik sollen die folgenden Forschungsfragen beantwortet werden:




Lässt sich fachspezifisches Professionswissen von Physiklehrkräften reliabel und valide messen?
Wie hängt das PCK von Physik-Lehrkräften mit deren CK zusammen?
Wie unterscheiden sich Physiklehrkräfte an Real- und Haupt-/Mittelschulen hinsichtlich des PCK und des CK?
Wie unterscheiden sich Physiklehrkräfte an Haupt-/Mittelschulen, die Physik als Haupt- bzw. Nebenfach studierten, von
denen, die nicht Physik studierten, hinsichtlich des PCK und des CK?
Eine Erstfassung des Tests (Elektrizitätslehre) wurde mit Fachdidaktikern und erfahrenen Lehrkräften (RS, HS/MS) prä-pilotiert.
Der gekürzte und modifizierte Test wurde zur Untersuchung einer gemischten Stichprobe (N = 75) eingesetzt. Die Testpersonen
schätzten die Items als eindeutig gestellt und berufsrelevantes Wissen enthaltend ein. Die Skalenreliabilitäten (Cronbachs α)
zeigen Werte von .66 (PCK) und .84 (CK). Für die mittlere Testleistung (alle Probanden, alle Items) liegt bei 39 % (SD = 16,74)
(PCK: 37 %, SD = 14,32; CK: 42 %, SD = 20,86). Die Korrelation (Pearsons r) zwischen den PCK- und den CK-Items über die
gesamte Stichprobe beträgt .55 (zweiseitig, p < .001, N = 56).
Eine zweite Pilotstudie (Mechanik, Optik, Wärmelehre) erfolgte analog zur ersten (N = 53). Die Ergebnisse der
Augenscheinvalidität sind mit denen der ersten Pilotierung vergleichbar. Die Skalenreliabilitäten zeigen Werte von .75 (PCK) und
.78 (CK). Die mittlere Testleistung (alle Probanden, alle Items) beträgt 48 % (SD = 17,57) (PCK: 39 %, SD = 18,07; CK: 57 %,
SD = 20,87). Die Korrelation zwischen den PCK- und CK-Items über die gesamte Stichprobe liegt bei .61 (zweiseitig, p < .001,
N = 35).
Ausgewählte Items aus beiden Pilotierungen fanden Eingang in die Testendversion, welche derzeit in einer Hauptstudie validiert
wird. Für die bisher 68 ausgewerteten Testhefte (gemischte Stichprobe) liegen die Skalenreliabilitäten (Cronbachs α) bei .71
(PCK) und .85 (CK). Die mittlere Testleistung (alle Probanden, alle Items) beträgt 37 % (SD = 17,11) (PCK: 36 %, SD = 14,94;
CK: 39 %, SD = 21,86). Die Korrelation (Pearsons r) zwischen den PCK- und den CK-Items über die gesamte Stichprobe zeigt
einen Wert von .76 (zweiseitig, p < .001, N = 56).
Sowohl bei der Pilotierung als auch bei der Hauptstudie wurden alle Testhefte doppelt codiert. Die Interraterreliabilität
(Spearmans ρ) lag dabei zwischen .80 und 1.0.
Im Vortrag sollen weitere Ergebnisse aus der Hauptstudie präsentiert und diskutiert werden.
ID: 311 / H 04 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Didaktiken der Geschichte, Philosophie, Religion, Gesellschaftswissenschaften
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Unterricht der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, Unterrichtsentwicklung/
Unterrichtsqualität
Stichworte: Unterrichtsgänge, Religionsunterricht, Kirchenraum, Non-Equivalent Groups Design, Rasch-Modell
Der Einfluss des Lernortes auf den Lernerfolg. Eine quantitative Studie am Beispiel des Kirchenraums
Katharina Kindermann, Ulrich Riegel
Universität Siegen, Seminar für Katholische Theologie
Hintergrund
Werden mit einer Schulklasse außerschulische Lernorte besucht, sind daran vielfältige Erwartungen geknüpft (Keck & Thomas
2014). So soll der Lernzuwachs der SchülerInnen durch originale Begegnung größer sein als bei einem Unterricht im
Klassenzimmer. Davon sollen insbesondere die SchülerInnen profitieren, die nur wenige Vorerfahrungen mit dem
Lerngegenstand haben. Der geplante Beitrag prüft die Gültigkeit dieser Erwartungen im Kontext religiösen Lernens am Beispiel
des Kirchenraums. Er erweist sich insofern als spezifisch, als beim Kirchenraum – anders als im Museum oder Science Center
– Lernort und Lerngegenstand zusammenfallen.
Fragestellung
In unserem Beitrag untersuchen wir die folgenden Forschungsfragen:
1) Ist der kognitive Lernzuwachs für diejenigen SchülerInnen, die den Kirchenraum als außerschulischen Lernort besuchen,
größer als für die SchülerInnen, die analoge Inhalte im Klassenzimmer erarbeiten?
2) Wenn ja, erweist sich ein solcher Unterrichtsgang gerade für diejenigen SchülerInnen als besonders gewinnbringend, die in
ihrem Elternhaus mit religiösen Themen und Fragestellungen wenig oder keinen Kontakt haben?
Methode
Die Untersuchung folgt einem Non-Equivalent Groups Design mit Pre- und Post-Test (Reichardt 2005). Grundlage ist eine
Unterrichtssequenz zum Thema Kirchenraum, die 67 Klassen einer 3. Jahrgangsstufe (N = 1143) im Katholischen
Religionsunterricht durchlaufen haben. Die teilnehmenden Klassen wurden in vier verschiedene Gruppen eingeteilt. Alle Gruppen
behandeln denselben Inhalt, lediglich der Lernort variiert. Während die Klassen der Experimentalgruppe 1 den Kirchenraum
zweimal besuchen, unternehmen die Experimentalgruppen 2 und 3 nur jeweils einen Unterrichtsgang in die Kirche. Die Klassen
der Kontrollgruppe erarbeiten alle Inhalte ausschließlich im Klassenzimmer.
Alle SchülerInnen haben vor (Pre) und nach (Post) der Unterrichtssequenz einen Fragebogen ausgefüllt. Darin haben wir sie zu
verschiedenen Hintergrundvariablen (z.B. Religionszugehörigkeit, religiöse Sozialisation im Elternhaus, Vorerfahrungen mit dem
Kirchenraum) sowie zu ihrem Wissen über den Kirchenraum befragt. In Anlehnung an PISA haben wir die Items zum Wissen
entlang drei verschiedener Niveaus entwickelt (Bybee & McCrae 2009). Auf nominellem Niveau galt es, in der Unterrichtssequenz
erworbenes Faktenwissen zu reproduzieren. Auf funktionalem Niveau musste dieses Wissen auf analoge Aufgabenstellungen
angewendet werden. Auf prozeduralem Niveau wurde gefordert, das Wissen auf neue Anwendungsfelder zu übertragen. Für
jedes Wissensniveau wurden 8 Items formuliert.
Die 24 Wissens-Items wurden mittels Rasch-Modell analysiert (Bond & Fox 2007). Der Weighted Maximum-Likelihood-Estimator
(WLE) repräsentiert das Wissen der SchülerInnen über den Kirchenraum, der WLEpost – WLEpre den Wissenszuwachs. Eine
Untersuchung der üblichen Kennwerte (Devianz, Parameter) zeigt, dass ein dreidimensionales Modell entlang der drei
Wissensniveaus unsere Daten am besten abbildet. Dieses Modell weist für den Wissenszuwachs eine gute Reliabilität auf
(EAPnom = .78; EAPfunkt = .78; EAPproz = .74). Mittels einer Difference-in-Difference-Regressionsanalyse (Angrist & Pischke
2009) wird der Einfluss des Lernortes sowie der Hintergrundvariablen gemessen.
Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigen zunächst, dass das Durchlaufen der Unterrichtssequenz in sämtlichen Klassen – ungeachtet des Lernorts
– zu einem signifikanten Wissenszuwachs auf allen drei Niveaus führt (nominell: F/df/p = 327.61/6/p < .001, R2 = .64; funktional:
F/df/p = 243.36/5/p < .001, R2 = .52; prozedural: F/df/p = 97.30/5/p < .001, R2 = .30). Dabei erweist sich das Aufsuchen eines
außerschulischen Lernortes (Experimentalgruppe 1, 2 und 3) nicht per se als vorteilhaft gegenüber dem Lernen im
Klassenzimmer (Kontrollgruppe). Vielmehr sind Anzahl und Stellung der Unterrichtsgänge innerhalb der Sequenz
ausschlaggebend für einen zusätzlichen Lernerfolg (Forschungsfrage 1). Zudem profitieren gerade diejenigen SchülerInnen, die
in ihrem Elternhaus mit religiösen Themen und Fragestellungen sonst wenig in Kontakt kommen, von außerschulischem Lernen
im Kirchenraum (Forschungsfrage 2).
Relevanz
Obwohl die Daten im Kontext des Religionsunterrichts erhoben wurden, lassen sich aus den Ergebnissen grundlegende
methodisch-didaktische Leitlinien für einen gewinnbringenden Einsatz von Unterrichtsgängen ableiten.
ID: 312 / D 10 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Sonstiges
Stichworte: Einstellungen, taktisches Verhalten, Eindrucksmanagement, schulischer Erfolg
Einstellungen gegenüber taktischem Verhalten von Schülerinnen und Schülern – ein Prädiktor für
taktisches Handeln und schulischen Erfolg?
Horst Biedermann1, Arvid Nagel1, Sarah Forster-Heinzer2, Roland Reichenbach2
1
Paris Lodron Universität Salzburg, Österreich; 2Universität Zürich, Schweiz
Basierend auf schulischen Funktionen wie Selektion und Allokation stellt eine positive Bewertung der Leistungen bzw. der
eigenen Person ein zentrales Ziel von Schüler/innen dar. Um dieses Ziel zu erreichen, ist Lernanstrengung eine mögliche
Strategie. Eine weitere Strategie kann darin gesehen werden, dass man sich gegenüber Lehrpersonen (besonders) positiv
darzustellen versucht. Dieser Beitrag setzt hier an, indem darauf bezogene Einstellungen gegenüber taktischem Verhalten
betrachtet und in Bezug zum taktischen Verhalten sowie schulischem Erfolg gesetzt werden.
Seit mindestens den 1980er Jahren wird die Thematik des taktischen Verhaltens von Schüler/innen in der Schul- und
Unterrichtsforschung diskutiert, jedoch handelt es sich um ein empirisch stark vernachlässigtes Thema (vgl. u.a. Eder, 1987;
Heinze, 1980; Maschke & Stecker, 2006; Ziehe & Stubenrauch, 1982). Unterricht verstanden als eine besonders stark
vorstrukturierte soziale Situation hat öffentlichen (Tauschwert-)Charakter (vgl. Heinze, 1980). Diese Tatsache und damit
verbunden, die Kontrolle der Einhaltung von Anstandsformen durch Lehrpersonen und Mitschüler/innen machen, so Heinze
(1980), den Einsatz heimlicher Taktiken nötig. Wer je nach Rahmung (vgl. Goffman, 1980) kein spontanes Engagement
aufbringen kann (oder will), aber eben müsste, wird „wenigstens den Anschein erwecken wollen, richtiggehend engagiert zu sein.
Dies muss er oder sie tun, um die Gefühle der anderen zu wahren und ihre gute Meinung über ihn/sie selbst zu erhalten,
unabhängig von seinen Motiven dabei“ (Goffman, 1999, S. 138f.). Wie Eder (1987) betont, gehört dazu daher auch, die
Erwartungen der Lehrpersonen zu erfassen und das eigene Verhalten danach auszurichten. Als eine Voraussetzung für
taktisches Verhalten wird dabei die Einstellung gegenüber derartigem Verhalten betrachtet. Eine Einstellung stellt nach Allport
(1935, S. 810) „ein mentaler und neuraler Bereitschaftszustand, der durch die Erfahrung strukturiert ist und einen steuernden
oder dynamischen Einfluß auf die Reaktionen eines Individuums …hat“ – kurz: die Einstellung kann als Voraussetzung für ein
konkretes Handeln oder Verhalten betrachtet werden, wodurch sie auch einem taktischen Verhalten im Klassenzimmer
vorgelagert ist.
Basierend auf diesen theoretischen Erörterungen stehen die folgenden Fragestellungen im Zentrum dieses Beitrags:
(1) Lassen sich Einstellungen gegenüber taktischem Verhalten statistisch valide erfassen?
(2) Welche Einstellungen gegenüber taktischem Verhalten zeigen sich bei Schüler/innen?
(3) Erweisen sich die Einstellungen gegenüber taktischem Verhalten als Prädiktoren für das diesbezügliche Verhalten und die
Schulnote?
Im Rahmen einer Pilotstudie wurden insgesamt 705 Schüler/innen aus Österreich und der Schweiz mittels Fragebogen erreicht
(M=14.8 Jahre, SD=1.8). Die Erfassung der Einstellungen gegenüber taktischem Verhalten wurde in vierdimensionaler Form
vorgenommen: (a) Kosten-Nutzen-Verhältnis (3 Items; α = .75), (b) Minimalaufwand (3 Items; α = .70), (c) aktives
Täuschungsverhalten (4 Items; α = .82) und (d) passives Täuschungsverhalten (4 Items; α = .62).
Die Ergebnisse zeigen, dass Schüler/innen sowohl in Österreich als auch in der Schweiz eine positivere Einstellung gegenüber
den Tauschdimensionen in der Klasse (M=2.79-3.47, SD=.61-.73) haben, aber nur eine moderate Einstellung gegenüber den
Täuschungsdimensionen (M=2.09-2.44, SD=.65-.78) aufzeigen. Geschlechterdifferenzen bezüglich der Einstellungen gegenüber
dem taktischen Verhalten lassen sich sowohl in den Täuschungsdimensionen der passiven Täuschung (t(600)= 1.85, p < .10;
MJungen= 2.49, SD = .68; MMädchen= 2.39, SD = .63; d = .15) und der aktiven Täuschung (t(659)= 4.12, p < .001; MJungen=
2.22, SD = .81; MMädchen= 1.98, SD = .73; d = .31) als auch bei der Tauschdimension des Minimalaufwands (t(663)= 3.20, p <
.01; MJungen= 2.89, SD = .71; MMädchen= 2.71, SD = .73; d = .25) erkennen.
Mittels linearer und binär logistischer Regressionsanalysen werden sowohl die Prädiktoren der differenten
Einstellungsdimensionen zum taktischen Verhalten vorgestellt als auch Erklärungsmodelle des taktischen Verhaltens durch die
Einstellungsdimensionen präsentiert. Vorhersagemodelle der schulischen Leistung zeigen, dass sechs Prozent der
Gesamtvarianz anhand der Einstellungsdimensionen (adj. R2 = .06) und sieben Prozent durch die Verhaltensdimensionen des
Taktischen (adj. R2 = .07) aufgeklärt werden.
ID: 314 / A 16 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Ökonomie
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Ökonomie und Bildung
Stichworte: all-day schooling; maternal labour suppy; entropy balancing; primary education
All-Day Schools and Maternal Labour Supply: The Case of Primary Education in Germany
Ludovica Gambaro1, Jan Marcus2,3, Frauke Peter3
1
UCL Institute of Education, Vereinigtes Königreich; 2DIW Berlin; 3University of Hamburg
Background
In (West) Germany compulsory schooling has historically been organised on a half-day basis. In recent years, however, schools
have moved away from their half-day schedule and this change has been especially boosted by the launch, in 2003, of the
“Zunkunft Bildung und Betreuung” (IZBB) programme, a federal government initiative supporting the expansion of all-day
schooling. Proponents of all-day schools argue that all-day schools are beneficial for the children’s skills and also facilitate the
work-life-balance of families with young children. In this paper we examine the impact of all-day schooling in relation to the latter
objective – maternal labour supply. We do so with the view that mothers’ response to the programme is important not only for a
more equal participation in the labour market between the sexes, but also, crucially, for understanding how all-day schooling may
change the family context in which German children grow up.
Previous literature
Mothers’ decision to participate in the labour market is usually explained in a labour supply framework, and the availability and
costs of childcare is clearly among the incentives and constraints mothers face there. A great deal of empirical research shows
that public provision of childcare has a positive effect on maternal employment rates, but results vary depending on the national
context as well as women’s socio-economic characteristics and education in particular (e.g. Baker et al. 2008; Bauernschuster &
Schlotter 2015; Berger et al. 2005; Brilli et al. 2013; Lefevbre & Merrigan 2008; Schober & Spiess 2015; Simonsen 2010). It is
noticeable that this research has focused almost exclusively on maternal labour supply and childcare for children below
compulsory schooling age. Yet caring responsibilities for children do not end with compulsory school entry. Indeed, there is
evidence that mothers’ labour supply patterns continue to be influenced by the presence of children for many years subsequently
(Knittel et al. 2014, Paull 2008). The specific case of school-aged children has so far been analysed by two studies only (Rainer
et al. 2013, Felfe et al. 2013), who both find positive effects of all-day schooling on maternal employment. It is to this specific
strand of the literature to that we contribute.
Research question, methods and data
In this paper we focus on primary school children and ask whether a child’s participation in all-day schooling affects her mother’s
employment. We specifically investigate three outcomes: (i) being in employment, (ii) working full-time and (iii) increasing actual
hours worked. We rely on rich longitudinal household survey data, the Socio-Economic Panel (SOEP), and exploit pre-treatment
(prior school entry) employment information as one factor of explaining differences in maternal labour supply. In order to identify
the causal effect of all day schooling we utilize entropy balancing – a matching estimator – to match mothers whose children do
not participate in all-day schooling with mothers whose children do (based on characteristics of the mothers in the year before
the school entry).
Results
We find that the child’s participation in all-day schooling increases the mother’s probability to start working, to work full-time, and
to increase the number of hours they work as their child enters school. By taking into account the different employment patterns
prior school entry, we further show that mothers who did not work before are more likely to take up paid work and to do so on a
full-time basis, while among mothers who already worked during the year prior school all-day schooling leads to an increase in
working hours. Our findings highlight how all-day schooling in shaping mothers’ employment patterns has the potential to influence
children’s family life.
ID: 315 / D 10 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Inklusion, Trainings- und Evaluationsforschung
Stichworte: expansives Problemverhalten, Coaching, Fortbildung
Expansives Problemverhalten in der Schule verändern - Das schulbasierte Lehrpersonencoaching bei
Grundschulkindern (SCEP)
Charlotte Hanisch1, Stefanie Richard1, Ilka Eichelberger2, Johanna Farwick zum Hagen2, Manfred Döpfner2
1
Fachbereich Sozial und Kulturwissenschaften, Hochschule Düsseldorf, Deutschland; 2Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Uniklinik Köln, Universität Köln, Deutschland
Theorie: Aufgrund ihrer impulsiven Verhaltenstendenzen, Regelverstößen und Aufmerksamkeits-problemen sind Kinder mit
expansivem Problemverhalten in ihrer schulischen Entwicklung beein-trächtigt (Loe & Feldman, 2007; Greene et al., 2002), und
für Lehrpersonen stellen diese Verhal-tensweisen eine große Herausforderung dar (Friedmann-Kraus, Raver, Morris & Jones,
2014; Klemm & Preuss-Lausitz, 2011). Tagesbeurteilungsbögen, Beratung der Lehrpersonen und Kontin-genzmanagement
gelten als effektive Strategien zum schulischen Umgang mit diesen Verhaltens-weisen (z.B. DuPaul, Helwig & Slay, 2011;
Maggin, Chafouleas, Goddard & Johnson, 2011). Frage-stellung: Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) geförderten Forschungsvorhabens wird eine Fortbildungsmaßnahme für Grundschullehrpersonen evaluiert.
Es wird untersucht inwieweit sich die genannten Strategien über das vorliegende Fortbildungspro-gramm so vermitteln lassen,
dass darüber expansive Verhaltensprobleme der Kinder und das Ver-halten, die Selbstwirksamkeit und das Stresserleben von
Lehrpersonen verändert werden. Metho-dik: Das Fortbildungsprogramm besteht aus einer ganztägigen Fortbildung für das
gesamte Kollegi-um zu Klassifikation, Ursachen und generellen Interventionen und aus einem 12-wöchigen Coaching mit
insgesamt sechs Terminen, in dem die erlernte Strategien individualisiert an einem ausgewählten Kind erprobt werden. Die
Wirksamkeit des Coachings wird in einem Eigenwartekon-trollgruppendesign überprüft. Hier vorgestellt werden Ergebnisse der
Fragebogendaten und einer kontinuierlichen Verlaufsdiagnostik, die in jeder Sitzung Häufigkeit und Intensität von zwei individuellen Problemen der Kinder erfasst. Ergebnisse: Ergebnisse über Fragebogendaten und Ver-laufsdiagnostik von 55
Lehrpersonen weisen darauf hin, dass im Verlauf des Coachings Aufmerk-samkeitsprobleme (p< .001; d= 0.65), Regelverstöße
(p< .016; d= 0.68) und individuelle Probleme (p < .001; d= 0.9 - 1.77) reduziert wurden. Auf Seiten der Lehrperson konnte die
Selbstwirksamkeit gesteigert werden (p< .04; d= 0.5); das Stresserleben hingegen veränderte sich nicht signifikant (p= .08; d=
0.43).
ID: 317 / A 13 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Lese- und Sprachförderung, Unterrichtsentwicklung/ Unterrichtsqualität
Stichworte: Bildungssprache, bildungsprachlicher Wortschatz, Grundschule, Schulleistung
Academic vocabulary predicts school success
Elisabeth Schuth1, Judith Köhne2, Sabine Weinert1
1
Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Deutschland; 2Ruhr-Universität Bochum
It has been shown that learning processes and knowledge acquisition in school rely on language to a substantial extent (Holler,
2007). Specifically, it is often assumed that more elaborated language skills, referred to as academic language, influence school
success (Schleppegrell, 2001). A study by Townsend et al. (2012) reveals that academic vocabulary in English predicts results
in various achievement tests in 7th and 8th graders above general-vocabulary knowledge. However, there is still a lack of both a
clear conceptualization of academic language and empirical work on its relationship with school achievements, especially in
Germany.
We investigated whether academic-vocabulary knowledge predicts children’s grades and transition recommendations to a
secondary school type beyond the impact of general vocabulary knowledge at the end of primary school in Germany. 173 fourth
graders took part in the study. Academic vocabulary was assessed by a newly developed sentence-completion task (validated
within the project ‘Academic language competences – demands, language processing, and diagnostics’; Alpha = .77). When
constructing the items we referred to a list of ‘academic’ words extracted from an authentic school corpus. All words are relevant
across subjects and fulfill at least one of six further criteria characterizing them as ‘academic’ language (e.g., instructional words
such as ‘explain’; particle verbs such as ‘to hand in’). To assess general vocabulary, 40 items from two different German versions
of the Peabody Picture Vocabulary Test (Dunn & Dunn, 1981, 1997; PPVT III: Bulheller & Häcker, 2003; PPVT-R, Roßbach,
Tietze & Weinert, 2005, research version) were used (Alpha = .84).
For each school subject, a 3-step hierarchical linear regression analysis was conducted: control variables (age, gender, basic
nonverbal cognitive skills, language background) were entered in the 1st step, general vocabulary knowledge in the 2nd step,
and academic-vocabulary knowledge in the 3rd step. Results support the hypothesis that academic-vocabulary knowledge
significantly predicts all reported grades even when controlling for general vocabulary: writing (β = .46, p < .001; Total R² = .32;
Δ R² = .08, p < .001), reading (β = .5 p < .01; Total R² = 34; Δ R² = .09, p < .001), social studies (β = .59, p < .001; Total R² = .48;
Δ R² = .13, p < .001), and mathematics (β = .40, p < .01; Total R² = .34; Δ R² = .06, p < .01). Importantly, general vocabulary
knowledge lost its predictive power when academic vocabulary was included into analyses.
Further, a multi-nominal logistic regression with school-type recommendation as the outcome (ordinal variable with levels
Mittelschule, Realschule, Gymnasium) was conducted (controlling for age, gender, basic nonverbal cognitive skills, language
background). Results indicate that the higher children´s academic vocabulary knowledge, the more likely they receive a
recommdation for Gymnasium rather than for Realschule (b = .34, Wald χ²(1) = 8.4, p < .01; odds ratio = .71). General vocabulary
knowledge was not a signficant factor.
These results indicate that academic vocabulary is a stronger predictor of children´s school achievement than general-vocabulary
knowledge at least at the end of elementary school. This is important since the investigated measures considerably impact
children’s further academic path in Germany.
ID: 319 / B 15 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Lernen mit Computer und neuen Medien
Stichworte: abrufbasiertes Lernen, Leitfragen, instruktionale Erklärungen, Lernaktivitäten
Sollen Lernaufgaben zu Gedächtnisabruf anregen? Die Komplexität der Lernaufgaben spielt eine Rolle
Julian Roelle, Kirsten Berthold
Universität Bielefeld, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Der Abruf von Informationen aus dem Gedächtnis stärkt das Behalten der abgerufenen Informationen. Dieser zentrale Befund
aus dem Bereich des abrufbasierten Lernens (Roediger & Butler, 2011) gibt Anlass zu der Annahme, dass es für die
Lernförderlichkeit von Lernaufgaben zuträglich sei, wenn Lernende die jeweiligen Lernaufgaben abrufbasiert bearbeiten (Blunt &
Karpicke, 2014). Das heißt, Lernaufgaben (z. B. Fragen, die nach dem Lesen eines Lehrtexts beantwortet werden sollen) sollten
lernförderlicher sein, wenn sie so implementiert werden, dass Lernende während ihrer Bearbeitung nicht mehr auf das
Lernmaterial (z. B. den Lehrtext) zugreifen können (im Folgenden als Closed-Book-Implementation bezeichnet) und somit die
benötigten Informationen aus dem Gedächtnis abrufen müssen als wenn Lernende während ihrer Bearbeitung noch auf das
Lernmaterial zugreifen können (im Folgenden als Open-Book-Implementation bezeichnet).
Es ist allerdings plausibel anzunehmen, dass eine Closed-Book-Implementation nicht nur zu lernförderlichem Gedächtnisabruf
führt. Da Lernende Informationen selten vollständig korrekt abrufen (Rowland, 2014) könnte eine Closed-Book-Implementation
gleichzeitig auch die Qualität der Bearbeitung der Lernaufgaben reduzieren. Die Größe dieses potentiellen abträglichen Effekts
wiederum sollte von der Komplexität der Lernaufgaben abhängen. Bei hoch komplexen Lernaufgaben, in denen mehrere
Informationen simultan verarbeitet werden müssen (z. B. wenn Lernende mehrere Informationen kombinieren müssen, um eine
Schlussfolgerung zu generieren) kann bereits der fehlerhafte Abruf einer einzelnen Information die Qualität der Bearbeitung der
Lernaufgabe bedeutsam verringern (z. B. da Lernenden es aufgrund dessen nicht gelingt, die korrekte Schlussfolgerung zu
generieren). Bei weniger komplexen Lernaufgaben hingegen sollte dieser abträgliche Effekt geringer ausfallen. Beispielsweise
sollte ein fehlerhafter Abruf einer einzelnen Information bei einer Zusammenfassungsaufgabe Lernende nicht daran hindern,
andere Informationen korrekt zusammenzufassen.
Hypothesen
Gemeinsam ergeben diese theoretischen Annahmen die Vorhersage, dass der Nutzen der Integration von Gedächtnisabruf in
Lernaufgaben von der Komplexität der Lernaufgaben abhängt. In der vorliegenden Studie wurden schriftliche instruktionale
Erklärungen als Lernmaterial und Leitfragen als Lernaufgaben verwendet. Unsere Hypothesen waren:
(1) In Bezug auf die Qualität der Beantwortung der Leitfragen (der Lernaufgaben) ist ein potentieller abträglicher Effekt einer
Closed-Book-Implementation stärker für komplexe Leitfragen als für weniger komplexe Leitfragen ausgeprägt.
(2) In Bezug auf die Leistung bei einem anschließenden Wissenstest ist ein potentieller förderlicher Effekt einer Closed-BookImplementation geringer für komplexe als für weniger komplexe Leitfragen ausgeprägt.
Methode
Die Hypothesen wurden untersucht im Rahmen eines Experiments mit N = 192 Studierenden. Alle TeilnehmerInnen bearbeiteten
sechs instruktionale Erklärungen zum Themengebiet Bohrsches Atommodell, welche entweder mit Schlussfolgerungsleitfragen
(hohe Komplexität) oder Zusammenfassungsleitfragen (geringe Komplexität) kombiniert wurden. Während der Bearbeitung der
Leitfragen konnten die Lernenden entweder nicht mehr auf die Erklärungen zugreifen (Closed-Book-Implementation) oder
konnten die Erklärungen bei der Bearbeitung der Leitfragen reinspizieren (Open-Book-Implementation). Die Lernenden wurden
vorab über den Implementationsstil informiert. Anschließend bearbeiteten alle Lernenden einen Wissenstest, welcher sechs
Zusammenfassungsfragen, sechs Schlussfolgerungsfragen und drei Transferfragen beinhaltete.
Ergebnisse und Diskussion
Als zentrale Ergebnisse fanden wir, dass eine Closed-Book-Implementation nur bei den Schlussfolgerungsleitfragen, F(1, 93) =
11.29, p = .001, η2 = .11, nicht aber bei den Zusammenfassungsleitfragen, F(1, 93) = 0.16, p = .692, einen signifikanten
abträglichen Effekt auf die Qualität der Bearbeitung der Leitfragen hatte. Zudem fanden wir in Bezug auf alle drei Maße des
Wissenstests, dass der Nutzen einer Closed-Book-Implementation von der Komplexität der Leitfragen abhing, F(1, 183) = 3.90,
p = .049, η2 = .02 (Zusammenfassungsfragen), F(1, 183) = 11.59, p = .001, η2 = .06 (Schlussfolgerungsfragen), und F(1, 183) =
3.95, p = .048, η2 = .02 (Transferfragen). Die Zusammenfassungsleitfragen waren in Bezug auf alle drei Maße lernförderlicher
bei einer Closed-Book-Implementation, während die Schlussfolgerungsleitfragen lernförderlicher bei einer Open-BookImplementation waren. Diese Befunde deuten darauf hin, dass Lernaufgaben nicht generell lernförderlicher sind, wenn sie
abrufbasiert bearbeiten werden. Tatsächlich nimmt der Nutzen der Integration von Gedächtnisabruf in Lernaufgaben mit
zunehmender Komplexität der Lernaufgaben ab.
ID: 320 / D 11 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Lernen mit Computer und neuen Medien, Sonstiges
Stichworte: Skript, Group Awareness Tool, Argumentative Wissenskonstruktion, kooperatives Lernen, Langzeitstudie
Skripts und Group Awareness Tools zur Regulation kooperativen Lernens in Sozialen Netzwerken
Thomas Puhl, Dimitra Tsovaltzi, Armin Weinberger
Universität des Saarlandes, Deutschland
Die Förderung von argumentativen Kompetenzen stellt eine zentrale Bildungsaufgabe dar (Osborne, 2010). In sozialen
Netzwerken wie z. B. Facebook, haben Lerner zwar Gelegenheit und ausreichend Zeit, um stichhaltige, gut fundierte Argumente
zu formulieren und auszutauschen, zumeist haben aber auch erwachsene Lerner Schwierigkeiten gute Argumente zu formulieren
(Kuhn, 1991). Um die argumentative Wissenskonstruktion in sozialen Netzwerken zu unterstützen, werden unterschiedliche
bildungstechnologische Ansätze, wie computer-unterstützte Skripts oder Visualisierungen (z. B. group awareness tools: GATs)
eingesetzt und vornehmlich in experimentellen Laborstudien untersucht. Ergebnisse dieser Studien zeigen, dass mit diesen
Ansätzen zwar argumentativer, nicht aber domänenspezifischer Wissenserwerb gefördert wird (Wecker & Fischer, 2014). Dies
widerspricht Annahmen und Befunden zum Zusammenhang zwischen argumentativen Prozessen und Erwerb
domänenspezifischen Wissens (Asterhan & Schwarz, 2008). Möglicherweise wurde bislang zu wenig berücksichtigt, dass die
Internalisierung argumentativer Diskurspraktiken ein langfristiger Vorgang ist (Nussbaum, 2008). Daher sind Langzeitstudien
erforderlich, um die Auswirkungen bildungstechnologischer Ansätze auf argumentative Wissenskonstruktion in authentischen
Lernszenarien zu untersuchen.
Skripts spezifizieren, sequenzieren und distribuieren Rollen und Aktivitäten in Kleingruppen, wie z. B. die Konstruktion von Pround Kontra-Argumenten (Weinberger, Stegmann & Fischer, 2010). Skripts stellen eine Form externaler Regulation dar und
können existierende internale Skripts aktivieren, re-konfigurieren oder ggf. ersetzen (Fischer, Kollar, Stegmann, & Wecker, 2013).
Im Gegensatz dazu werden durch GATs selbstregulative Prozesse der Lerngruppe unterstützt, indem Information über die
Lerngruppe zum individuellen Wissensstand oder zu sozialen Prozessen visualisiert werden. GATs können sozio-kognitive
Prozesse und Wissenserwerb fördern, z. B. durch das Herausstellen kontroverser Meinungen (Janssen & Bodemer, 2013). In
dieser Studie wurden die Effekte von GAT und Argumentationsskript auf die Qualität der Argumentation (Lernprozess) und
domänenspezifisches Wissen (Lernerfolg) untersucht.
In einer 2×2 quasi-experimentellen Feldstudie (N=105) wurden Lehramtsstudierende aus vier Seminaren mit zusätzlicher
wöchentlicher Diskussion in Facebookgruppen über einen Zeitraum von acht Wochen unterstützt. Lernende mit GAT wurden
wöchentlich zu ihren Kommunikationseinstellungen befragt. Die Ergebnisse der Befragung wurden anschließend mittels einer
Facebook-App visualisiert. Auf der Visualisierung aufbauend wurden heterogene Dyaden gebildet, die über ihre unterschiedlichen
Einstellungen diskutieren sollten. Das Argumentationsskript strukturierte die wöchentliche Diskussion von gemeinsam
ausgewählten Argumenten hinsichtlich epistemischer (Verwendung theoretischer Konzepte und Verknüpfung der Konzepte) und
formaler (Qualität von Begründung und Beleg) Aspekte. Die Diskussion aller Gruppen aus acht Wochen wurde nach einem
etablierten Schema zur Bewertung von Argumentationsprozessen auf epistemischer, formaler und sozialer Ebene ausgewertet
(Weinberger & Fischer, 2006). Domänenspezifisches Wissen wurde in der Klausur am Ende des Semesters erfasst. Hier wurde
sowohl Faktenwissen als auch die Qualität theoriebezogener Argumente erhoben.
Im Lernprozess zeigt eine ANOVA mit Messwiederholung über sieben Wochen signifikante Effekte für beide Faktoren in Bezug
auf die Qualität der Argumentation sowohl auf epistemischer (F(6;606)=3.81; p<.001; ηp2=.10) als auch auf formaler Ebene
(F(6;606)=1.88; p=.015; ηp2=.053), wobei das Argumentationsskript der GAT-Bedingung deskriptiv überlegen war. Auf der
sozialen Ebene konnten keine signifikanten Unterschiede gemessen werden. Die Ergebnisse zum Lernerfolg zeigen einen
signifikanten Haupteffekt beider Faktoren auf domänenspezifisches Wissen, wobei das Argumentationsskript mit F(1;98)=23.144;
p<.001; ηp2=.19 eine größere Effektstärke aufweist als der Faktor GAT: F(1;98)=11.24; p=.001; ηp2=.10. Die Interaktion beider
Faktoren ist ebenso signifikant, F(3;102)=4.89; p=.029; ηp2=.05.
Wie erwartet beeinflussen beide Faktoren Lernprozess und Lernerfolg. Sowohl Haupteffekte für beide Faktoren als auch ein
Interaktionseffekt zeigen erwartungskonform, wie sich argumentative Praktiken über die Zeit signifikant verändern. Eine
Veränderung der epistemischen und formalen Argumentationsqualität ist erst nach ca. fünf Wochen zu beobachten, wobei
insbesondere das Argumentationsskript einen höheren Anstieg bis zum Ende der Intervention aufzeigt. Im Vergleich zum GAT
ist das Argumentationsskript besonders bei formalen Aspekten der Argumentationsqualität überlegen. Diese Ergebnisse geben
Hinweise darauf, dass im Gegensatz zu kurzfristigen Laborstudien, die die Metaanalyse von Wecker und Fischer (2014)
zusammenfasste, Effekte domänenspezifischen Wissens eher durch längerfristige Maßnahmen erwartet werden können.
ID: 324 / C 03 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Mathematischnaturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: Scaffolding, Problemlösen, Kompetenzen der Erkenntnisgewinnung
Hilfe! – Eine Interventionsstudie zur Prüfung der Wirksamkeit von Lernunterstützungen beim
Forschenden Lernen
Julia Arnold1, Kerstin Kremer1, Jürgen Mayer2
1
IPN Kiel, Deutschland; 2Universität Kassel, Deutschland
Theoretischer Hintergrund und Forschungsfrage
Die Fähigkeit wissenschaftliche Untersuchungen nachvollziehen, verstehen, selbst durchführen und kritisch hinterfragen zu
können, ist ein anerkanntes Ziel naturwissenschaftlicher Grundbildung. Diese als wissenschaftliches Denken (scientific
reasoning) bezeichnete Fähigkeit kann als Problemlöseprozess beschrieben werden und wird kognitiv durch deklaratives Wissen
(konzeptuell und methodisch) sowie durch allgemeine kognitive Fähigkeiten beeinflusst (Mayer, 2007).
Das Forschende Lernen ist ein Instruktionsmodell, bei dem die Unterrichtstruktur am Prozess naturwissenschaftlicher
Erkenntnisgewinnung ausgerichtet wird und es wird zur Förderung des wissenschaftlichen Denkens empfohlen, da hier sowohl
konzeptuelles als auch methodisches Wissen erworben werden können. Die Wirksamkeit dieses Ansatzes vor allem bzgl. des
Öffnungsgrades wird jedoch kontrovers diskutiert, da er zu hoher kognitiver Belastung führen kann (cognitive load; Kirschner,
Sweller & Clark, 2006). Bisherige Untersuchungen analysieren allerdings meist nur die instrumentelle Funktion des Forschenden
Lernens für den Erwerb von konzeptuellem Wissen, nicht aber den Einfluss auf den Erwerb wissenschaftlichen Denkens. Neuere
Untersuchungen weisen zudem darauf hin, dass Lernunterstützungen eine große Bedeutung für die Effektivität des Forschenden
Lernens zukommt (Hof, 2011; Walpuski & Sumfleth, 2007; Arnold et al., 2014; Wichmann & Leutner, 2009; Künsting et al., 2010),
da sie die kognitive Beanspruchung reduzieren können. Als Lernunterstützung zur Förderung des wissenschaftlichen Denkens
eignet sich die Verdeutlichung der Teilprozesse mit Anwendungsbeispielen (Glaesser, et al., 2009). Beim Experimentieren lässt
sich dies in prozessbegleitenden Lernhilfen umsetzen, die die Teilschritte des Experiments näher erläutern und Lösungsbeispiele
geben (Schmidt-Weigand et al., 2008). Das Methodenwissen kann explizit durch Erörterung und Diskussionen gefördert werden
(Khishfe & Abd-El-Khalick, 2002; Sandoval & Reiser, 2004). Im Rahmen des Forschenden Lernens ist dies bspw. durch
Szenarien zu realisieren, die dazu anregen, über wissenschaftsmethodische Konzepte zu diskutieren (Keogh, 1999).
Die für die Untersuchung leitende Forschungsfrage ist, welchen Einfluss Lernunterstützungen in Form von prozessorientierten,
gestuften Hilfen (Forschertipps) und Diskussionsanregungen (Concept Cartoons) in Hinblick auf den Erwerb von Fachwissen,
wissenschaftlichem Denken sowie die kognitive Belastung beim Forschenden Lernen haben.
Untersuchungsdesign
Der Einfluss der Lernunterstützung wurde in Form einer Interventionsstudie im 2x2-quasi-experimentellen Design mit Pre- und
Post-Test im Biologieunterricht (Jgst. 11, Thema Enzymatik, N=220) durchgeführt. Während der Intervention arbeiteten alle
Schüler in Kleingruppen selbständig an zwei verschiedenen Experimenten. Durch Forscherhefte wurden sie angeleitet,
Hypothesen zu generieren, ein Untersuchungsdesign zu erstellen, dieses umzusetzen und die gewonnenen Daten auszuwerten.
Die unabhängigen Variablen bildeten die beiden Unterstützungsformate Forschertipps und Concept Cartoons. Dabei arbeitete
die Vergleichsgruppe nur mit den Forscherheften und die Treatmentgruppen hatten zusätzlich jeweils ein bzw. beide
Unterstützungsformate zur Verfügung. Die abhängigen Variablen sind u. a. die kognitive Belastung, das konzeptuelle Wissen
und das wissenschaftliche Denken. Die Bearbeitungsdauer wurde in den Gruppen gleich gehalten. Die Gruppen wurden mittels
geschachtelter ANOVA verglichen, wobei die Residualgewinne von Pre- nach Post-Test als Grundlage herangezogen wurden.
Ergebnisse
Insgesamt zeigten die Lernenden im Pre-Post-Vergleich signifikante Lernzuwächse in den Bereichen konzeptuelles Wissen und
wissenschaftliches Denken. Die Gruppenvergleiche zeigen, dass die Treatmentgruppen gegenüber der Vergleichsgruppe einen
größeren Lernzuwachs im wissenschaftlichen Denken (d = .47 bzw. .43) erzielten, wobei sich zwischen der Gruppe, die beide
Unterstützungen zur Verfügung hatte, keine signifikanten Unterschiede zur Vergleichsgruppe zeigen. Im Bereich konzeptuellen
Wissens schnitten die Schüler der Treatmentgruppen nur teils besser ab, wobei die Unterschiede zur Vergleichsgruppe hier nicht
statistisch signifikant sind. Darüberhinaus konnte gezeigt werden, dass beide Arten der Lernunterstützung sowie deren
Kombination zur Reduktion der subjektiv empfundenen kognitiven Belastung beitragen (.72 < d < 1.40).
Im Beitrag wird die Intervention dargestellt sowie vertieft auf die Ergebnisse der Gruppenvergleiche eingegangen, um diese
diskutieren zu können.
ID: 326 / C 03 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Lernen mit Computer und neuen Medien, Mathematischnaturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: beispielbasiertes Lernen, Prompts, Lernaktivitäten
Wie kann die Effektivität beispielbasierten Lernens gesteigert werden?
Sara Hiller, Julian Roelle, Kirsten Berthold
Universität Bielefeld, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Beispielbasiertes Lernen ist ein effektiver und weit verbreiteter Ansatz zur Einführung Lernender in neue Inhalte (z. B. neue
Konzepte und Prinzipien). Die typische Sequenz dieser Lernart besteht aus zwei Schritten (z. B. Wittwer & Renkl, 2010): (a) Im
ersten Schritt werden anhand eines kurzen und prägnanten Texts neue Konzepte und Prinzipien in abstrakter Form dargelegt.
Dieser Schritt dient der Vermittlung grundlegenden konzeptuellen Wissens in Bezug auf die neuen Inhalte. (b) Im zweiten Schritt
werden mehrere Beispiele dargeboten, in denen die zuvor dargelegten abstrakten Konzepte und Prinzipien umgesetzt sind.
Dieser Schritt soll den Lernenden helfen, ein initiales Verständnis der Anwendung der neuen Konzepte und Prinzipien
aufzubauen.
Kritisch für die Lernförderlichkeit beispielbasierten Lernens ist, dass Lernende die Elemente der Beispiele auf die zuvor
dargelegten abstrakten Konzepte und Prinzipien rückbeziehen (sog. prinzipienbasierte Selbsterklärungen, vgl. Renkl, 2014). Da
Lernende dies oftmals nicht von sich aus tun, wird empfohlen, die im zweiten Schritt gegebenen Beispiele stets mit Prompts zu
kombinieren, die die Lernenden zu prinzipienbasierten Selbsterklärungen anregen (Renkl, 2014). Kritisch für die Qualität und
somit die Lernförderlichkeit erstellter prinzipienbasierter Selbsterklärungen wiederum könnte es sein, wie tief die Lernenden die
im ersten Schritt dargelegten abstrakten Konzepte und Prinzipien verarbeitet haben. Es zeigt sich, dass Lernende zu einer
oberflächlichen Verarbeitung neigen, wenn sie keine spezifischen Prompts erhalten (z. B. Roelle, Lehmkuhl, Beyer & Berthold,
2015). Trotzdem wird die Verarbeitung der im ersten Schritt dargelegten abstrakten Inhalte beim beispielbasierten Lernen jedoch
typischerweise nicht spezifisch unterstützt.
Fragestellungen
Vor diesem Hintergrund war es das Ziel der vorliegenden Studie zu untersuchen, ob die Lernförderlichkeit beispielbasierten
Lernens durch die Anregung Lernender zur tiefen Verarbeitung der im ersten Schritt dargelegten abstrakten Konzepte und
Prinzipien gesteigert werden kann. Die zentralen Forschungsfragen waren:
1 Fördert eine Anregung zur tiefen Verarbeitung der im ersten Schritt dargelegten abstrakten Inhalte die Qualität der Verarbeitung
ebendieser abstrakten Inhalte?
2 Fördert eine Anregung zur tiefen Verarbeitung der im ersten Schritt dargelegten abstrakten Inhalte den Lernerfolg?
Methode
Die Forschungsfragen wurden untersucht im Rahmen eines Experiments, in dem N = 94 AchtklässlerInnen mittels
beispielbasiertem Lernen in neue Konzepte und Prinzipien im Bereich der Chemie eingeführt wurden. Während der Verarbeitung
der im ersten Schritt dargelegten abstrakten Inhalte erhielten die Lernenden entweder Prompts, die sie dazu anregten, die Inhalte
in eigenen Worten auszudrücken (Experimentalgruppe) oder, gemäß der üblichen Vorgehensweise beispielbasierten Lernens,
keine spezifischen Prompts (Kontrollgruppe). Während der Verarbeitung der im zweiten Schritt dargelegten Beispiele wurden alle
Lernenden anhand von Prompts zum Erstellen von prinzipienbasierten Selbsterklärungen angeregt. Am Ende erfolgte ein
Verständnistest, in dem erfasst wurde, wie gut die Lernenden (a) die abstrakten Konzepte und Prinzipien und (b) deren
Anwendung verstanden hatten.
Ergebnisse und Diskussion
Als zentrales Ergebnis zeigte sich, dass die Lernenden, die zu einer tiefen Verarbeitung der abstrakten Inhalte angeregt wurden,
eine höhere Qualität der Verarbeitung der abstrakten Inhalte zeigten als die Lernenden der Kontrollgruppe, F(1, 90) = 40.70, p <
.001, η² = .31. Zudem erreichten die Lernenden, die zu einer tiefen Verarbeitung der abstrakten Inhalte angeregt wurden, sowohl
ein tieferes Verständnis der abstrakten Inhalte, F(1, 89) = 4.37, p = .039, η² = .05, als auch ein tieferes Verständnis von deren
Anwendung, F(1, 89) = 4.08, p = .046, η² = .04. Gemeinsam deuten diese Befunde darauf hin, dass die Lernförderlichkeit
beispielbasierten Lernens (auch) von der Tiefe der Verarbeitung der im ersten Schritt dargelegten abstrakten Inhalte abhängt.
Da Lernende diese abstrakten Inhalte von sich aus oftmals nicht hinreichend tief verarbeiten, kann zudem gefolgert werden, dass
Lernende beim beispielbasierten Lernen nicht nur zu prinzipienbasierten Selbsterklärungen während der Verarbeitung der im
zweiten Schritt gegebenen Beispiele, sondern auch zu einer tiefen Verarbeitung der im ersten Schritt dargelegten abstrakten
Inhalte angeregt werden sollten.
ID: 327 / D 03 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Lehrer(aus)bildung, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: Elementarbereich, Design Research, Lehr-Lernarrangement Variablenkontrollstrategie, Vergleichsprozesse
Design Research in der Kita: Förderung der Variablenkontrollstrategie
Marina Ape, Miriam Leuchter
Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Ziel naturwissenschaftlicher Bildung ist neben der Vermittlung von inhaltsbezogenem Wissen die Förderung von Prozesswissen
(Dunbar & Klahr, 2012), was unter anderem das Planen von Experimenten beinhaltet (Zimmerman, 2007). Eine wichtige
Voraussetzung für das Planen (Chen & Klahr, 1999) sowie Auswerten (Boudreaux et al., 2008) unkonfundierter Experimente ist
die Variablenkontrollstrategie. Bei Vorschulkindern bestehen inter- und intraindividuelle Unterschiede in der Berücksichtigung der
Variablenkontrollstrategie (Ape, Flottmann & Leuchter, 2015).
Bisher unerforscht ist, ob Vorschulkinder bezüglich der Auswahl unkonfundierter Experimente mittels eines LehrLernarrangements gefördert werden können. Durch Design Research werden Lehr-Lernarrangements in einem sich
wiederholenden Entwicklungs- und Forschungszyklus getestet (Cobb et al., 2003). Im Winter 2014 wurde auf diese Weise ein
Lehr-Lernarrangement zur Variablenkontrollstrategie im Inhaltsbereich ‚Mechanik‘ entwickelt und in einer 1-zu-1-Situation erprobt
(Ape & Leuchter, 2015). Diese Studie hat gezeigt, dass Vorschulkinder lernen können, unkonfundierte Experimente zu
identifizieren und dass Vergleichsprozesse sie hierbei unterstützen (Gentner & Namy, 1999). Vorschulkindern fällt es leichter,
die Variablenkontrollstrategie zu berücksichtigen, wenn sie mittels zweier Vergleiche anstelle eines Vergleichs gefördert werden
(Ape & Leuchter, 2015). Aufgrund dieser Ergebnisse wird in der vorliegenden Studie ein ökologisch valides LehrLernarrangement (weiter)entwickelt und erprobt sowie durch pädagogische Fachkräfte evaluiert (vgl. Barab & Squire, 2004).
Fragestellung
Können Vorschulkinder im Rahmen eines ökologisch validen Lehr-Lernarrangements lernen, unkonfundierte Experimente bei
der Versuchsplanung und -auswertung zu identifizieren?
Wie evaluieren pädagogische Fachkräfte das Lehr-Lernarrangement zur Förderung der Variablenkontrollstrategie?
Methodik
80 ca. 6-jährige Kinder aus Kindertagesstätten im Münsterland nehmen von Juni bis Dezember 2015 an der Studie mit einem
Prä-Post-Follow-up-Kontrollgruppen-Design teil.
In der Experimentalgruppe wird das ca. 30-minütige Lehr-Lernarrangement unter Leitung eines geschulten Versuchsleiters mit
jeweils 4-5 Kindern handlungsorientiert mit kindgerechten Materialien durchgeführt. Die Förderung der Variablenkontrollstrategie
erfolgt im Inhaltsbereich ‚Reibung‘, indem die Kinder nach einer Einführungsphase unkonfundierte Experimente selbst
produzieren. Bildgestützte Kärtchen mit zwei Vergleichsbeispielen dienen ihnen hierbei als kognitive Anregung. Die
pädagogischen Fachkräfte beobachten das Lehr-Lernarrangement. In der Kontrollgruppe wird mit den Kindern in gleich großen
Gruppen in einem anderen Inhaltsbereich der Mechanik ohne Fokus auf Variablenkontrolle gespielt.
Als Prä-Post-Follow-up-Test führen geschulte Versuchsleiter in einer 1-zu-1-Situation eine ca. 20-minütige Befragung zur
Variablenkontrollstrategie im Inhaltsbereich ‚Mechanik‘ durch. Nach einem einführenden Demonstrationsteil zur
Verständnisklärung der Items wird den Kindern je eine Hypothese pro Item vorgegeben. Jedes der 20 Items (Gutman’s Lambda
2 = .86) beinhaltet zwei Antwortoptionen: (a) unkonfundiertes Experiment: Veränderung der fokussierten und Konstanthaltung
der irrelevanten Variable (b) Konstanthaltung der fokussierten und Veränderung der irrelevanten Variable. Auf Basis der
Binomialverteilung (Ratewahrscheinlichkeit < 10%) werden die Kinder dahingehend kategorisiert, ob sie die
Variablenkontrollstrategie anwenden, die fokussierte Variable konstant halten oder raten. Als Kontrollvariablen werden die
Inhibitions- sowie Sprachfähigkeit der Kinder erfasst.
Ergebnisse
Die Ergebnisse dieser Studie werden präsentiert und diskutiert. Antizipiert wird, dass die Experimentalgruppe aufgrund des LehrLernarrangements zur Förderung der Variablenkontrollstrategie signifikant bessere Lernergebnisse als die Kontrollgruppe
erzielen wird. Die Ergebnisse werden aufgrund der theoretischen und methodischen Vorüberlegungen diskutiert. Für die
Diskussion der Praktikabilität werden die Evaluationen des Lehr-Lernarrangements durch die pädagogischen Fachkräfte
einbezogen.
ID: 329 / C 05 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Wirtschafts- und Berufspädagogik
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung, Ökonomie und Bildung
Stichworte: Bildung im Alter, Lebenslanges Lernen, Lernen im Beruf, Lernen über die Lebensspanne, Weiterbildung
Lernen im Arbeitsalltag – Fit im Beruf: Lässt sich die Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmern ab 50 Jahren
durch ein ganzheitliches Training steigern?
Udo Käser, Tanja Hüber, Lara Görtner, Una M. Röhr-Sendlmeier
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Deutschland
Der demografische Wandel bedingt eine Zunahme des Anteils älterer Arbeitnehmer (Statistisches Bundesamt, 2013). Vor diesem
Hintergrund und angesichts von Abbauprozessen im Alter (Berk, 2011) sind Unternehmen zunehmend mit der Aufgabe
konfrontiert, die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit ihrer Arbeitnehmer langfristig zu erhalten. Dies macht im Sinne
lebenslangen Lernens Fort- und Weiterbildungsangebote erforderlich, in denen ältere Arbeitnehmer nicht bloß über neue
technologische Entwicklungen informiert und in deren Handhabe eingeführt werden. Vielmehr sind ganzheitliche Konzepte
notwendig, welche umfassend die Förderung verschiedener Kompetenzen zum Ziel haben (Görtner, Hüber, Käser & RöhrSendlmeier, 2014). So sollten sie darauf abzielen die berufliche Selbstwirksamkeit der Teilnehmer zu stärken und ihren Umgang
mit beruflichen Belastungen zu verbessern. Auch sollten sie eine motorische, kognitive und metakognitive Förderung umfassen
(Jaeggi, Buschkuehl, Jonides & Perrig, 2008; Staudinger & Heidemeier, 2009; Zimmermann, 2009). Im Entwicklungsverlauf
vergrößern sich aber interindividuelle Unterschiede (Berk, 2011), so dass die Zielgruppe durch eine besonders hohe
Heterogenität gekennzeichnet ist. Dies macht die Konzeption solcher Weiterbildungsmaßnahmen besonders schwierig, da ein
derartiges Training nur wirksam sein kann, wenn individuelle Besonderheiten der Teilnehmer Berücksichtigung finden: Die
Teilnehmer müssen dort abgeholt werden, wo sie stehen.
Vor diesem Hintergrund wurde das Training „Lernen im Arbeitsalltag“ (LiA) für Arbeitnehmer ab 50 Jahren konzipiert. Es ist
modular aufgebaut und beinhaltet ein berufsbiografisches Kompetenzmodul sowie vier bereichsspezifische Module: ein
psychomotorisches Training, ein Training zum Stressmanagement, ein kognitives und ein metakognitives Training. Die Module
sind eng verzahnt und greifen in 15 wöchentlichen Trainingseinheiten systematisch ineinander. Sie beinhalten in allen Bereichen
neben psychoedukativer Aufklärung umfangreiche Praxiselemente und haben eine ganzheitliche Förderung älterer Arbeitnehmer
zum Ziel. Das Training wurde in mehreren Unternehmen in NRW umgesetzt und seine Wirksamkeit wird fortlaufend in einem
Kontrollgruppendesign im Prä-Post-Vergleich evaluiert. Zur Evaluation wurden Fragebögen eingesetzt, welche die subjektive
Sicht der Arbeitnehmer von Arbeit und Beruf, die Einstellung zu Weiterbildung, Selbstwirksamkeit und berufliches
Belastungserleben erfassen. Die Messung kognitiver Fähigkeiten erfolgte durch psychologische Testverfahren. Darüber hinaus
wurden Teilnehmer und Arbeitgeber nach Abschluss der Weiterbildungsmaßnahme zu ihrer Einschätzung über die Qualität des
Trainings befragt.
Evaluationsergebnisse liegen zur Zeit für eine Stichprobe von 114 Teilnehmern in der Experimental- und 52 Teilnehmern in der
Kontrollgruppe vor. Die Ergebnisse sind ermutigend und sprechen für die Wirksamkeit von LiA: Der Nutzen des Trainings wird
von Arbeitgebern und Arbeitnehmern positiv eingeschätzt, es wird von den Teilnehmern sehr gut angenommen und erfährt hohe
Akzeptanz. Für die Teilnehmer an der Weiterbildungsmaßnahme zeigt sich im Unterschied zu Probanden der Kontrollgruppe
eine signifikante Verbesserung des wahrgenommenen Gesundheitszustandes (d = .33). Ihre Widerstandskraft gegenüber
beruflichen Belastungen nimmt spürbar zu: Sie können sich besser von beruflichen Anforderungen distanzieren (d = .33) und
zeigen eine geringere Resignationstendenz (d = .21). Darüber hinaus verbessert sich die Selbstwahrnehmung der eigenen
beruflichen Expertise und die Aufgeschlossenheit gegenüber Weiterbildungsmaßnahmen nimmt zu (jeweils d = .26). Sehr
deutlich kann bei den Teilnehmern an LiA eine Steigerung ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit festgestellt werden: Im Vergleich
zu den Probanden der KG verbessern sich Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit (d = 1.82), Konzentrationsfähigkeit (d =
.39) sowie Lern- (d = .73) und Merkfähigkeit (d = .82).
Vor diesem Hintergrund werden Perspektiven diskutiert, wie Maßnahmen wie LiA in der Arbeitswelt etabliert und implementiert
werden können.
ID: 330 / D 10 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrerexpertise, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, Unterrichtsentwicklung/
Unterrichtsqualität
Stichworte: Unterrichtsqualität, Lehrerüberzeugungen, fachdidaktisches Wissen, professionelle Kompetenz
Professionelle Kompetenz und Unterrichtsqualität in Unterrichtsminiaturen
Lars Oettinghaus, Marvin Krüger, Friederike Korneck, Mareike Kunter
Goethe-Universität Frankfurt, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Die Kompetenz von Lehrkräften kann deren Handeln in Unterrichtssituationen beeinflussen (Kunter et al., 2013a). Dieser
Zusammenhang wird im vorliegenden Beitrag in Bezug auf die Lehrerüberzeugungen und das fachdidaktische Wissen im Fach
Physik untersucht. Lehrerüberzeugungen werden dabei als Annahmen und Vorstellungen über unterrichtsbezogene Phänomene
verstanden (Kunter & Pohlmann, 2015). Die bisherige empirische Forschung in diesem Bereich konzentriert sich auf das
übergeordnete Überzeugungskonstrukt der kognitiv konstruktivistischen Überzeugung und beinhaltet dabei sowohl die
Überzeugung zum selbstständigen Lernen (z.B. das selbständige Experimentieren) aber auch die inverse Subdimension der
Überzeugung zum transmissiven Lernen (z.B. die Beschränkung auf einen Erklärungsweg) (Lipowsky et al., 2003; 2009; Staub
& Stern, 2002; Voss et al., 2013). Demgegenüber umfasst fachdidaktisches Wissen nicht subjektive Einschätzungen, sondern
Kenntnisse über unterrichtsbezogene Phänomene und Prozesse im Fachunterricht (Fives & Buehl, 2012).
Das unterrichtliche Handeln wird vermehrt durch die Unterrichtsqualität mit den Dimensionen kognitive Aktivierung, konstruktive
Unterstützung und Klassenführung beschrieben (Kunter & Trautwein, 2013). Für das Fach Mathematik konnte darauf aufbauend
gezeigt werden, dass sowohl fachdidaktisches Wissen als auch die kognitiv konstruktivistischen Überzeugungen die Qualität des
Unterrichtshandelns beeinflussen (Baumert et al., 2009; Dubberke et al., 2008; Staub & Stern, 2002). Allerdings ist das genaue
Zusammenwirken von fachdidaktischem Wissen und kognitiv konstruktivistischen Überzeugungen noch ungeklärt (Kunter et al.,
2013b). Offen bleibt ebenfalls, ob sich ähnliche Zusammenhänge auch für die Unterrichtsqualität in anderen Fächern, zum
Beispiel der Physik, zeigen.
Fragestellung
Um den Zusammenhang zwischen Lehrerüberzeugungen, fachdidaktischem Wissen und Unterrichtsqualität bei
Physiklehramtsstudierenden zu beschreiben, nehmen wir folgende Zusammenhänge an: (1) Es besteht ein positiver
Zusammenhang zwischen der Überzeugung zum selbstständigen Lernen und konstruktiver Unterstützung. (2) Es besteht ein
negativer Zusammenhang zwischen der Überzeugung zum transmissiven Lernen und dem Grad der kognitiven Aktivierung. (3)
Für das fachdidaktische Wissen werden positive Zusammenhänge mit beiden Unterrichtsqualitätsmerkmalen vermutet.
Methode
Das diesem Beitrag zugrunde liegende Projekt befasst sich mit dem Unterrichtshandeln in miniaturisierten Unterrichtseinheiten
von Physiklehramtsstudierenden. Die verwendete Stichprobe (N=75) basiert auf der Befragung und Beobachtung von
Studierenden des Haupt- und Realschul- sowie des gymnasialen Lehramtes, die zwischen dem Wintersemester 2011/12 und
dem Sommersemester 2014 an einer obligatorischen Lehrveranstaltung teilgenommen haben. Es handelt sich um eine
standortspezifische Vollerhebung.
Jede(r) Versuchsteilnehmer(in) unterrichtet in der besagten Lehrveranstaltung zwei Unterrichtsminiaturen, vor je einer
Klassenhälfte (Mittelstufe) bezüglich eines Freihandexperimentes aus der Mechanik in nur 12 Minuten. Trotz dieser
Einschränkungen sind die resultierenden Unterrichtsminiaturen inhaltlich abgeschlossen und keine Unterrichtsausschnitte
(Korneck et al., 2015). Das weitere Erhebungssetting ist in die Lehrveranstaltung integriert. In einer Vorerhebung wird die kognitiv
konstruktivistische Überzeugung durch einen Selbstbericht mit den beiden o. g. Subdimensionen (Fennema et al., 1990; Staub
& Stern, 2002) sowie das physikdidaktische Wissen durch einen Leistungstest erfasst (Riese, 2009). Die Qualität der
Unterrichtsminiaturen wird von durchschnittlich 10 hospitierenden Peers und 12 unterrichteten Schüler(innen) mit einem an das
Setting adaptiertem Messinstrument (Baumert et al., 2009) beurteilt.
Alle Skalen der professionellen Kompetenz wurden manifest konstruiert und haben ausreichende bis gute Reliabilitäten (α=.73.82). Die je drei Subdimensionen der beiden betrachteten Unterrichtsqualitätsmerkmale (kognitive Aktivierung und konstruktive
Unterstützung) wurden in einem zweischrittigen Verfahren im Rahmen der IRT beschrieben und darauffolgend in einem
Mehrebenen-Strukturgleichungsmodell latent modelliert (ICC(2)=.82-.83).
Darauf aufbauend werden in erweiterten Korrelations- und multivariaten Regressionsmodellen (Modellpassungen liegen im guten
Bereich) Zusammenhänge der Unterrichtsqualität und der professionellen Kompetenz untersucht.
Ergebnisse
Während die Analysen den positiven Zusammenhang zwischen der Überzeugung zum selbstständigen Lernen und der
konstruktiven Unterstützung sowie den negativen Zusammenhang zwischen der Überzeugung zum transmissiven Lernen und
der kognitiven Aktivierung bestätigen, scheint das physikdidaktische Wissen entgegen der Annahme nur einen Einfluss auf die
konstruktive Unterstützung zu haben. Diese gefundenen Effekte bleiben auch bei wechselseitiger Kontrolle der
Kompetenzaspekte bestehen. Erstmalig ist es damit gelungen, einen Teil der Befunde aus der COACTIV-Studie (Mathematik)
auf die Physik zu übertragen.
ID: 332 / A 17 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lernen mit Computer und
neuen Medien
Stichworte: Komplexes Problemlösen, Selbsteinschätzung, Metakognition, Reasoning, Selbstkonzept
Welche Rolle spielt die metakognitive Selbsteinschätzung der eigenen Leistung beim Lösen Komplexer
Probleme?
Julia Rudolph1, Christoph Niepel1, Samuel Greiff1, Frank Goldhammer3, Stephan Kröner2
1
Universität Luxembourg, Luxemburg; 2Universität Erlangen-Nürnberg; 3Deutsches Institut für Internationale Pädagogische
Forschung (DIPF)
Theoretischer Hintergrund
Komplexes Problemlösen (KPL) bezeichnet die Kompetenz, sich durch Exploration Wissen über unbekannte, dynamische
Systeme anzueignen (Wissensaneignung) und dieses Wissen gezielt anwenden zu können (Wissensanwendung; Funke, 2003).
KPL ist beispielsweise notwendig, um sich ein neues Computerprogramm selbstständig anzueignen oder naturwissenschaftliche
Experimente durchzuführen. Obwohl KPL in solch unterschiedlichen Domänen eine Rolle spielt, ist noch nicht vollständig geklärt,
welche Fertigkeiten und Fähigkeiten für ein erfolgreiches KPL notwendig sind. Solch ein Wissen ist jedoch wichtig, um
Interventionen zur Förderung von KPL zu entwickeln.
Bisherige Forschung zur Beschaffenheit von KPL zeigte, dass KPL nicht ausschließlich auf kognitive Fähigkeiten zurückzuführen
ist. So bleiben die KPL-spezifischen Facetten Wissensaneignung und Wissensanwendung auch unter Kontrolle von Reasoning
korreliert (Wüstenberg, Greiff & Funke, 2012). Daher stellt sich die Frage, welche nicht-kognitiven Prädiktoren diese KPLspezifischen Facetten bedingen. Bisherige Überlegungen (Funke, 2003; Mayer, 1998) lassen vermuten, dass KPL metakognitive
Prozesse, zu denen die Selbsteinschätzung der eigenen Leistung zählt (Efklides, 2001), benötigt.
In der vorliegenden Studie gehen wir daher der Frage nach, inwieweit die KPL-spezifische Varianz, die nicht auf Reasoning
zurückzuführen ist, durch die Einschätzung der eigenen KPL-Kompetenz erklärt werden kann. Da diese Selbsteinschätzung u.a.
durch das Problemlöse-Selbstkonzept beeinflusst wird (Kröner & Biermann, 2007), stellen wir zudem sicher, dass ein Einfluss
der Selbsteinschätzung auf die KPL-Leistung nicht ausschließlich auf das Problemlöse-Selbstkonzept zurückzuführen ist.
Hypothese und Fragestellungen
Hypothese: Die KPL-Facetten Wissensaneignung und Wissensanwendung korrelieren auch unter Kontrolle von Reasoning.
Fragestellung 1: Korrelieren die KPL-Facetten Wissensaneignung und Wissensanwendung auch unter Kontrolle von Reasoning
und dem Problemlöse-Selbstkonzept miteinander?
Fragestellung 2: Korrelieren die KPL-Facetten Wissensaneignung und Wissensanwendung auch unter Kontrolle von Reasoning,
dem Problemlöse-Selbstkonzept und der Selbsteinschätzung der KPL-Leistung miteinander?
Methode
Hypothese und Fragestellungen wurden mittels Strukturgleichungsmodellierung in Mplus (Muthén & Muthén, 1998–2010) mit
einer Stichprobe von N=506 Siebtklässler_innen aller Schulformen geprüft (Alter: M=13.9 Jahre; SD=0.69). Hierbei wurde die
Mehrebenenstruktur (Schüler in Schulklassen) berücksichtigt. Als Maß für KPL wurde der computerbasierte MicroDYN-Ansatz
verwendet, in welchem Wissensaneignung und Wissensanwendung separat erfasst werden (Greiff, 2012). Bei der
Aufgabenbearbeitung beider KPL-Facetten wurden die Schüler_innen gebeten, die Richtigkeit ihrer Leistung einzuschätzen.
Reasoning wurde durch den CFT 20-R (Weiß, 2008) und das Problemlöse-Selbstkonzept durch die entsprechende Subskala aus
der deutschen Adaption des SDQ-III (Schwanzer, Trautwein, Lüdtke & Sydow, 2005) erhoben.
Ergebnisse
Hypothese: Eine Regression, in der Reasoning die miteinander korrelierten abhängigen Variablen vorhersagten (RMSEA=.017
[.000-.035]; CFI=.996) ergab, dass Reasoning die abhängigen Variablen substanziell vorhersagte (Wissensaneignung: β=.74;
p<.001 Wissensanwendung: β=.77; p<.001). Die Residuen der abhängigen Variablen korrelierten substanziell (r= .39; p<.001).
Fragestellung 1: Fügte man zusätzlich zu Reasoning das Problemlöse-Selbstkonzept als Prädiktor für die KPL-Facetten
Wissensaneignung und Wissensanwendung hinzu, zeigte sich, dass Selbstkonzept zusätzlich zu Reasoning ein signifikanter
Prädiktor für die Wissensaneignung (β=.23; p<.001) war, nicht jedoch für die Wissensanwendung. Die Korrelation der Residuen
betrug r= .39; p<.001 (RMSEA=.017 [.000-.031]; CFI=.993).
Fragestellung 2: Wurde das SEM zu Fragestellung 1 um den Prädiktor Einschätzung des eigenen KPL ergänzt, hatte die
Selbsteinschätzung zusätzlich zu Reasoning und dem Problemlöse-Selbstkonzept einen signifikanten Einfluss auf die KPLFacetten Wissensaneignung (β=.52; p<.001) und Wissensanwendung (β=.37; p<.001). Zudem teilten die Residuen der KPLFacetten keine gemeinsame Varianz mehr, wie eine nicht-signifikante Residualkorrelation der Facetten zeigte (r= .09; p=.582;
RMSEA=.018 [.002-.027]; CFI=.987).
Diskussion
Die Ergebnisse zeigten, dass die metakognitive Selbsteinschätzung der eigenen Leistung einen wichtigen Bestandteil beim KPL
darstellt und gemeinsam mit Reasoning die KPL-spezifische Varianz, welche sich die KPL-Facetten Wissensaneignung und
Wissensanwendung teilten, vollständig erklärt. Bei der Interpretation der Ergebnisse sollte einschränkend berücksichtig werden,
dass Einschätzung der eigenen Leistung bei Komplexen Aufgaben recht einfach ist, da man sich sukzessive seinem Ziel nähert.
Daher spiegelt die Selbsteinschätzung im KPL die tatsächliche Leistung recht genau wieder. So ist es möglich, dass KPL weitere
(metakognitive) Aspekte enthält, weshalb Replikationen mit weiteren metakognitiven Prädiktoren wünschenswert wären.
ID: 333 / E 04 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Schulentwicklung
Stichworte: Schulsystementwicklung, Schulrecht, Bildungschancen, institutioneller Wandel, Zeitreihe
Moderieren Veränderungen der institutionellen Strukturen von Schulsystemen Bildungserfolgschancen?
Theoretisches Konzept und Ergebnisse aus empirischen Analysen von Zeitreihen und schulrechtlichen
Reformen.
Nils Berkemeyer1, Björn Hermstein1,2, Ina Semper1, Sonja Abendroth1, Wilfried Bos2
1
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Deutschland; 2Institut für Schulentwicklungsforschung, TU Dortmund, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Der Beitrag möchte der Frage nachgehen, inwiefern institutionellen Wandlungsprozessen der Schulsysteme Rückwirkungen auf
Bildungserfolgschancen zuzuschreiben sind. Hierfür werden zunächst zwei inhaltliche Schwerpunkte differenziert, die
abschließend verknüpft werden. Zunächst wird empirisch tragfähige Konzeption des Wandels von Schulsystemen angeboten. In
einem zweiten Schritt wird ein Rahmenmodell zur Beurteilung von Bildungserfolgen auf Schulsystemebene aufgezeigt.
Dem Challenge-Response-Ansatz (Best, 2007) entsprechend ist sozialer Wandel als diskontinuierlicher Entwicklungsprozess zu
begreifen. Soziale Einheiten verändern ihre Strukturen insofern, als dass Entwicklungen ihrer Umwelten oder systemintern
geschaffene Situationen ihre Reproduktionskreisläufe derart stören, dass Reaktionen zugunsten der Aufrechterhaltung oder auch
Verbesserung ihrer Funktionsfähigkeit notwendig werden. Diese pragmatische Perspektive schlägt somit vor, Prozesse sozialen
Wandels als Abfolge von Herausforderungen (Challenges) und Antworten (Responses) analytisch zu differenzieren und als
Challenge-Response-Ketten zu begreifen.
Um Bildungserfolge auf der Makro-Ebene darstellen zu können bedienen wir uns dem Konzept des Monitoringsinsstruments
Chancenspiegel. Schulsystemische Gerechtigkeit wird hier über vier Dimensionen (Integrationskraft, Durchlässigkeit,
Kompetenzförderung, Zertifikatsvergabe) beschrieben und über Kennwerte, die den Dimensionen zugeordnet werden,
operationalisiert (Berkemeyer/Bos/Manitius, 2012). Diesem Verständnisangebot folgend definieren wir Bildungserfolgschancen
mehrdimensional und beobachten ihre Realisation auf Schulsystemebene entlang der Kennwertausprägungen.
Fragestellung
Moderieren bzw. fördern Veränderungen institutioneller Strukturen von Schulsystemen die Bildungserfolgschancen der
Schülerpopulationen?
Dieser Fragestellung liegt die theoretische Annahme zugrunde, dass Reorganisationshandlungen auf institutioneller Ebene
immer auch einer kulturell-normativen Zwecksetzung der Verbesserung von Verhältnissen, z.B. der Erhöhung von
Bildungschancen, folgen. Hieraus ergibt sich die Hypothese, dass zumindest in der Kollektivbetrachtung (in Absehung von
spezifischen Einzelfällen) reformierte Regelungsstrukturen (neben langfristigen Entwicklungen wir erhöhten
Bildungsaspirationen) zu einer Verbesserung der Bildungserfolgschancen beitragen (sollen), die auch empirisch beobachtbar
sind.
_Mit welchen exo- und endogenen Herausforderungen sahen sich die Schulsysteme der deutschen Bundesländer in den Jahren
2001 bis 2014 gegenübergestellt und welche Antworten auf Ebene schulrechtlicher Institutionen sind vorfindbar?_
Die Beantwortung dieser Fragestellung soll aufzeigen, welche gemeinsamen und fallspezifischen Anforderungen an die
Schulsysteme der Länder gestellt wurden (z.B. PISA, KMK-Handlungsfelder, UN-Behindertenrechtskonvention, Demografischer
Wandel) und wie sich die Reaktionen hierauf in schulrechtlichen Texten (Schulgesetze, Verordnungen) im Zeitverlauf
niederschlugen.
_Welche Veränderungen der Schulsysteme in den Dimensionen Integrationskraft, Durchlässigkeit, Kompetenzförderung und
Zertifikatsvergabe sind durch Zeitreihen (2002-2014) datenbasiert nachzuvollziehen?_
Die Darstellung von Zeitreihen ermöglicht es, die Veränderungen relevanter Aspekte von Bildungserfolg(schancen) auf
Schulsystemebene mehrdimensional und mithilfe von Kennwerten zu beschreiben.
Methode
Um den aufgeworfenen Fragestellungen nachzugehen bedienen wir uns verschiedener Methoden, die triangulativ
zusammengeführt werden.
Die Selektion von Herausforderungen der Schulsysteme erfolgt infolge der Sichtung wissenschaftlicher Publikationen. Im
nächsten Schritt werden Veränderung relevanter Rechtquellen (Schulgesetze; Verordnungen) der Länder der Jahre 2001 bis
2014 so kategorisiert, dass sie sowohl den gefundenen Herausforderung als auch dem Indikatorensystem des Chancenspiegels
zuordenbar sind. Dieser Schritt modelliert die erwarteten Relationen zwischen Schulrechtsreformen und den Ausprägungen der
Bildungserfolgschancen auf Kennwertebene.
Für die Darstellung der Kennwerte in Zeitreihen wird auf Datensätze amtlicher Statistiken zurückgegriffen. Diese werden in
Kennwertform aufbereitet. Insgesamt werden 15 Kennwerte in den vier Beschreibungsdimensionen berücksichtigt.
Zuletzt wird auf Entsprechungen und Divergenzen zwischen Veränderungen der institutionellen Regelungen und
Kennwertausprägungen hin analysiert. Aufgrund zu geringer Fallzahlen auf Seiten der schulrechtlichen Änderungen für den
Betrachtungszeitraum müssen wir uns vorerst auf deskriptive Analysen von Trends und Relationen beschränken.
Ergebnisse
Bislang liegen erst Teilergebnisse der einzelnen Analyseschritte vor. Methodisch zeigt sich, dass sich die als relevant erachteten
schulrechtlichen Änderungen gut klassifizieren und mit dem kennwertbasierten Beobachtungsschema verknüpfen lassen. Es
zeichnet sich ab, dass schulrechtlichen Innovationen zumindest eine partielle Erklärungskraft für gesteigerte
Bildungserfolgschancen zuzusprechen ist, da erwartungsgemäße Veränderungen der Kennwertausprägungen zu beobachten
sind. Dies gilt vor allem für Schulrechtsreformen, die sich auf Kennwerte der Dimension Integrationskraft (Ganztagsnutzung,
Inklusionsanteil) und Zertifikatsvergabe (Abgänger ohne Hauptschulabschluss, Abiturienten) beziehen. Ob die Aussage, dass
wandlungsfähige, also auf Herausforderungen mit (schulrechtlichen) Antworten reagierende Systeme generell verbesserte
Bildungserfolgschancen bereithalten, zulässig ist, ist noch zu prüfen.
ID: 334 / D 11 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen
Stichworte: Metakognition, Genauigkeit metakognitiver Einschätzungen, Textverstehen, Textsorte
Ist narrativ gleich weniger (meta-)kognitiv? Die Genauigkeit metakognitiver Einschätzungen bei
expositorischen und narrativen Texten
Stefanie Golke, Romina Hagen, Jörg Wittwer
Universität Freiburg, Deutschland
Narrative Texte gelten im Vergleich zu expositorischen Texten als leichter verständliche Textform (Linderholm, Zhao Therriault
& Cordell-McNulty, 2008). Aus diesem Grund wird vorgeschlagen, expositorische Texte um narrative Elemente zu erweitern, um
den Lernerfolg zu erhöhen (Norris, Guilbert, Smith, Hakimelahi & Philipps, 2005). Dagegen sprechen jedoch Befunde, die zeigen,
dass neue Informationen weniger gut mit dem Vorwissen integriert und damit schlechter behalten werden, wenn sie in narrativer
anstatt in expositorischer Textform präsentiert werden (Wolfe & Mienko, 2007; Wolfe & Woodwyk, 2010). Bislang völlig
unbeantwortet ist die Frage, ob sich die Textform nicht nur auf das Verständnis, sondern auch auf die metakognitive Einschätzung
des Textverständnisses unterschiedlich auswirkt. Generell gilt eine möglichst akkurate metakognitive Einschätzung des
Textverständnisses als essentiell für das erfolgreiche Lernen aus Texten.
Wir führten deshalb ein Experiment zum Effekt der Textform auf die Genauigkeit der metakognitiven Einschätzung des
Textverständnisses durch. Wir testeten folgende Hypothesen: (1) Informationen aus einem narrativen Text werden weniger gut
behalten als Informationen aus einem expositorischen Text. (2) Ein narrativer Text führt zu einer weniger akkuraten Einschätzung
des Textverständnisses als ein expositorischer Text. (3) Die weniger akkurate Einschätzung des Verständnisses bei einem
narrativen Text sollte vor allem bei leseschwächeren Personen, die wenig lesen, besonders ausgeprägt sein.
Am Experiment nahmen N = 42 Studierende teil (M = 24.14 Jahre, SD = 3.33 Jahre; 74% weiblich). Die Studierenden wurden
randomisiert zwei Gruppen zugewiesen. Die erste Gruppe (n = 20) las einen expositorischen Text zum Thema Blutkreislauf,
während die zweite Gruppe (n = 22) einen in narrativer Form aufbereiteten Text zum Thema Blutkreislauf las. Beide Textversionen
waren hinsichtlich Informationsgehalt, Schwierigkeitsgrad und Länge weitestgehend parallelisiert. Als abhängige Variablen
dienten das Textverständnis und die Genauigkeit der prospektiven und retrospektiven metakognitiven Einschätzung des
Textverständnisses.
Im Experiment bearbeiteten die Studierenden zuerst einen Vortest zum Thema Blutkreislauf und berichteten ihre
Lesegewohnheiten. Anschließend lasen sie den narrativen oder den expositorischen Text. Danach erhielten sie eine
Beschreibung der Aufgaben, mit denen das Textverständnis gemessen wurde, und sollten angeben, wie viele der Aufgaben sie
wohl richtig beantworten würden. Nach dieser prospektiven Einschätzung bearbeiteten die Studierenden die Fragen zum Text.
Der Verständnistest enthielt 14 Faktenfragen und eine Aufgabe, welche eine zusammenhängende Darstellung der Bestandteile
und Prozesse des Blutkreislaufs erforderte. Nachdem alle Fragen beantwortet waren, schätzten die Studierenden ihr Verständnis
retrospektiv ein.
Die Ergebnisse zeigten erstens, dass die Gruppe, die den narrativen Text las, signifikant weniger Informationen behalten hatte
als die Gruppe, die den expositorischen Text las. Zweitens führte das Lesen des narrativen Textes zu einer signifikant
ungenaueren Einschätzung des Verständnisses als das Lesen des expositorischen Textes. Dabei zeigte sich, dass der narrative
Text zu einer deutlichen Überschätzung sowohl in der Prädiktion als auch in der Postdiktion des Verständnisses führte. Drittens
ergab sich ein Moderatoreffekt für die Lesegewohnheiten der Studierenden: Der narrative Text führte vor allem zu einer
Überschätzung des Verständnisses bei denjenigen Studierenden, die gewohnheitsmäßig wenig lasen.
Die Befunde sprechen dafür, dass die Textsorte einen Einfluss auf die Genauigkeit der metakognitiven Einschätzung beim Lesen
ausübt. Es kann vermutet werden, dass ein expositorischer Text mittels Aktivierung entsprechender Schemata eher ein Lesen
zum Zweck des Wissenserwerbs und eine angemessene metakognitive Überwachung beim Lesen anregt. Ein narrativer Text
scheint dagegen eher eine oberflächlichere Verarbeitung der Informationen und eine eingeschränkte metakognitive
Überwachung zu bewirken, die zu illusions of knowing führen. Dieser Effekt scheint vor allem bei leseschwächeren Personen
besonders ausgeprägt zu sein.
ID: 335 / D 10 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Lehrer(aus)bildung
Stichworte: Fähigkeitsselbstkonzept, Lehramtsstudierende, Schulpraktikum, Praxissemester
Entwicklung des Fähigkeitsselbstkonzeptes als angehende Lehrkraft in Abhängigkeit der
Praxisphasengestaltung
Immanuel Ulrich, Franziska Wenzel, Holger Horz
Goethe-Universität Frankfurt, Deutschland
Theorie:
Der Praxisbezug im Lehramtsstudium wird an deutschen Universitäten als zu gering bewertet (Terhart, 2000), was teils über
Praktika kompensiert werden soll. In den letzten Jahren fand in einigen Bundesländern ein Wechsel von mehreren Kurzpraktika
zu längeren, einheitlichen Praxissemestern statt. So wird aktuell in Hessen das Praxissemester in Teilen der
Lehramtsstudiengänge eingeführt und evaluiert.
Praxissemestern werden, im Gegensatz zu den bisherigen Kurzpraktika, bessere Wirkungen auf die Studierenden
zugeschrieben. Politisch intendierte Ziele liegen in einem umfassenderen „Forschenden Lernen“, stärkerer Förderung
theoretischer Reflexionsfähigkeit sowie besserer Einübung unterrichtspraktischer Fähigkeiten (Weyland & Wittmann, 2014). Die
empirische Prüfung dieser vermuteten Effekte steht aber in vielen Fällen noch aus. Unterrichtspraktische Fähigkeiten können
hierzu u.a. über das Fähigkeitsselbstkonzept (vgl. Hannover, 1997) erfasst werden, konkret über das spezifische
„Fähigkeitsselbstkonzept als angehende Lehrkraft“ der Studierenden.
Fraglich ist, ob alleine das Format des Praktikums unterrichtspraktische Fähigkeiten fördert (Hascher, 2006). Gröschner, Schmitt
und Seidel (2013) konnten zeigen, dass die Qualität der Lernbegleitung in den universitären Begleitveranstaltungen bedeutsam
für den subjektiven Kompetenzerwerb der Studierenden ist. Es lässt sich vermuten, dass dies für das Fähigkeitsselbstkonzept
ebenso gilt. Der generelle, fachübergreifende Einfluss des Fähigkeitsselbstkonzeptes des Lehrenden auf die studentischen
Bewertungen in seiner Lehrevaluation konnte bereits nachgewiesen werden (Ulrich, 2013). Unklar ist bislang noch, inwieweit das
Fähigkeitsselbstkonzept des Lehrenden die Fähigkeitsselbstkonzepte der Studierenden beeinflusst.
Fragestellung:
Diese Studie untersucht die Veränderung des „Fähigkeitsselbstkonzeptes als angehende Lehrkraft“ bei den Studierenden in
Abhängigkeit von
*der Gestaltung der Praxisphase: Kurzpraktikum vs. Praxissemester
*der Quantität der universitären Begleitung: Umfang und Nutzung der Veranstaltungsangebote zur Vorbereitung, Begleitung und
Nachbereitung der Praxisphase
*der Qualität der universitären Begleitung: Evaluation der Lehrveranstaltung
*des Fähigkeitsselbstkonzeptes der Lehrenden der universitären Vorbereitungs-, Begleit- und Nachbereitungsveranstaltungen.
Die dort Lehrenden sind in der Regel abgeordnete Lehrer/innen aus den hessischen Schulen.
Methode:
Zur Untersuchung dessen befragen wir an der Goethe-Universität Frankfurt 600 Lehramtsstudierende und deren Lehrenden aus
den Vorbereitungs-, Begleit- und Nachbereitungsveranstaltungen zu 3 Messzeitpunkten. Die Erhebung findet per Fragebogen in
den jeweiligen Lehrveranstaltungen der Studierenden statt. 200 Studierende absolvieren das 15-wöchige Praxissemester, 400
ein 5-wöchiges Kurzpraktikum. Die Messzeitpunkte (MZP) liegen vor der Praxisphase (MZP 1, Juli 2015), nach 5 Wochen
Praxisphase (MZP 2, Okt. 2015) und nach 15 Wochen Praxissemester bzw. 10 Wochen nach dem Kurzpraktikum (MZP 3, Jan.
2016). Alle Messzeitpunkte werden stets bei beiden Gruppen zeitlich parallel erhoben.
Bei den eingesetzten Instrumenten haben wir stets auf validierte und publizierte Skalen zurückgegriffen, welche – wenn nötig –
auf den Studienkontext adaptiert wurden.
Bei den Studierenden wird das Fähigkeitsselbstkonzept sowie zusätzlich zur Kontrolle u.a. ihr subjektiver Kompetenzerwerb zu
allen MZP sowie nur zu MZP 1 ihre Studienwahlmotivation, Pädagogische Vorerfahrung, Persönlichkeit (BIG Five) und
Soziodemografie erhoben. Daneben erfassen wir zu allen MZP den Umfang der angebotenen und genutzten Lehrangebote.
Bei den Lehrenden haben wir deren Fähigkeitsselbstkonzept als Lehrer/in untersucht, zugleich wurden deren Fach und
Geschlecht mit erfasst.
(Erste und vermutete) Ergebnisse:
Erste aktuelle Berechnungen des abgeschlossenen ersten Messzeitpunktes bestätigen die Güte der auf den Lehramtskontext
adaptierten Skalen. Der Beitrag auf der GEBF wird die Gesamtergebnisse der Studie mehrebenenanalytisch darstellen. Es soll
aufgezeigt werden, ob wirklich eine Änderung der Praxisphase bei den Studierenden das Fähigkeitsselbstkonzept als angehende
Lehrkraft verändert oder nicht eher die Qualität der universitären Begleitung sowie das Fähigkeitsselbstkonzept als Lehrer/in des
betreuenden Lehrenden (= abgeordnete Lehrer/innen aus den Schulen) relevant ist.
ID: 338 / D 04 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Soziologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung
Stichworte: Selbsterfüllende Prophezeiung, Lehrererwartungen, Kompetenzentwicklung
Selbsterfüllende Prophezeiungen in der Grundschule – Effekte von Lehrererwartungen auf die
Leistungsentwicklung von Kindern
Sarah Gentrup1, Georg Lorenz2, Susanne Rahmann3, Petra Stanat1, Cornelia Kristen2, Irena Kogan3
1
Humboldt-Universität zu Berlin, IQB, Deutschland; 2Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Deutschland; 3Universität Mannheim,
MZES, Deutschland
Theoretischer Hintergrund: Leistungserwartungen von Lehrkräften bilden eine wichtige Grundlage pädagogischen Handelns
im Unterricht (Schrader & Helmke, 2001). Sie basieren jedoch nicht immer nur auf tatsächlichen Leistungen der Schülerinnen
und Schüler, sondern werden unter Umständen auch von Stereotypen und anderen Vorannahmen der Lehrkräfte bestimmt
(Lorenz et al., eingereicht; Jussim, Eccles & Madon, 1996). Über den Prozess der selbsterfüllenden Prophezeiung (Merton, 1948)
können verzerrte Erwartungen dann die Leistungsentwicklung von Kindern beeinflussen. Vor allem aus den USA stammende
Arbeiten weisen darauf hin, dass selbsterfüllende Prophezeiungen im Schulkontext auftreten, wobei die Effekte allgemein klein
ausfallen (Alexander & Schofield, 2006; Jussim, Robustelli & Cain, 2009). Im deutschen Bildungskontext wurden Effekte von
Lehrererwartungen bisher nur selten untersucht (Lorenz, in Vorb.; Friedrich et al., 2015; Becker, 2013; Stahl, 2007).
Die Analyse von Erwartungseffekten ist zudem mit methodischen Herausforderungen verbunden, die in Studien häufig nicht
ausreichend berücksichtigt werden. So muss zunächst ein verzerrter Erwartungsanteil identifiziert werden, um eine
Selbsterfüllung zu belegen. Außerdem fehlt es an Studien, die früh in der Bildungslaufbahn ansetzen. Bei den bislang
durchgeführten Untersuchungen in höheren Jahrgangsstufen ist unklar, inwieweit die beobachteten Schülerleistungen bereits
durch vorausgegangene selbsterfüllende Prophezeiungen beeinflusst wurden.
Fragestellung: Die vorliegende Studie untersucht selbsterfüllende Prophezeiungen im ersten Grundschuljahr und überwindet
hierbei die oben benannten methodischen Einschränkungen bisheriger Studien. Im Fokus steht die Frage, ob sich verzerrte
Leistungserwartungen von Lehrkräften kurz nach der Einschulung auf die Entwicklung der Mathematik- und Lesefähigkeiten der
Schülerinnen und Schüler im ersten Schuljahr auswirken. Es wird davon ausgegangen, dass positiv verzerrte
Leistungserwartungen die Leistungsentwicklung begünstigen und negativ verzerrte Leistungserwartungen die
Leistungsentwicklung hemmen.
Methodik: Die an der Studie „Kompetenzerwerb und Lernvoraussetzungen“ teilnehmenden Lehrkräfte (N=72) aus 39
Grundschulen im Ruhrgebiet wurden direkt nach der Einschulung gebeten, ihre Leistungserwartungen für alle teilnehmenden
Kinder ihrer Klasse (insgesamt N=1065) anhand mehrerer Items für das Fach Mathematik und das Fach Deutsch anzugeben (5stufig). Zum gleichen Zeitpunkt wurden die Mathematik- und Lesefähigkeiten der Kinder (FIPS; Bäuerlein et al., 2012), ihre
kognitiven Grundfähigkeiten (CFT1; Weiß & Osterland, 1997), motivationalen Merkmale (FEESS1-2 adaptiert; Rauer & Schuck,
2004) und ihre fachspezifischen Selbstkonzepte (Poloczek et al., 2009) erfasst. Am Schuljahresende wurden ihre Mathematikund Lesefähigkeiten erneut gemessen.
Alle Analysen wurden mit MPlus unter Berücksichtigung der Mehrebenenstruktur durchgeführt. Den Indikator für verzerrte Anteile
der Leistungserwartungen bilden Residuen, die in Regressionen der Leistungserwartungen auf fachspezifische Leistungen,
kognitive Grundfähigkeiten, motivationale Merkmale sowie die Selbstkonzepte der Kinder am Schuljahresanfang gewonnen
wurden (vgl. Becker, 2013; Madon, Jussim & Eccles, 1997). Dieser wurde zum einen metrisch, zum anderen aufgeteilt in drei
Kategorien („Unterschätzung“, „zutreffende Erwartung“, „Überschätzung“) als Prädiktor der Mathematik- bzw. Lesefähigkeit am
Schuljahresende in separaten Analysen untersucht. Familiäre Hintergrundmerkmale der Kinder wurden kontrolliert.
Ergebnisse: Erste Analysen identifizierten sowohl für die Mathematik- als auch die Lesekompetenz am Ende der ersten Klasse
signifikant positive Effekte verzerrter Lehrererwartungen. Kinder zeigten demnach umso höhere Mathematik- und
Lesekompetenzen am Ende der ersten Klasse, je mehr die Leistungserwartungen am Schuljahresbeginn positiv verzerrt bzw. je
weniger sie negativ verzerrt waren. Weitergehende Analysen anhand der Erwartungskategorien ergaben für die Leseentwicklung
sowohl positive Effekte einer Überschätzung, als auch negative Effekte einer Unterschätzung. Im Fach Mathematik fanden sich
dagegen zunächst nur Hinweise auf eine Begünstigung der mathematischen Leistungsentwicklung durch positiv verzerrte
Erwartungen, nicht aber Nachteile durch negativ verzerrte Erwartungen.
Diese Studie liefert empirische Belege dafür, dass die Leistungsentwicklung von Kindern bereits in der ersten Grundschulklasse
bedeutsam von Lehrererwartungen beeinflusst werden kann. Besonders deutlich fallen dabei positive Effekte von
Überschätzungen der Schülerleistungen aus. Hinweise für Benachteiligungen durch Unterschätzungen finden sich für die
Lesekompetenz.
Die Bedeutung der Befunde für unterrichtliches Handeln und für differenzielle Bildungschancen wird diskutiert.
ID: 340 / E 02 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Sonderpädagogik, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Förderpädagogik, Lese- und Sprachförderung, Trainings- und Evaluationsforschung
Stichworte: Lesetraining, Paired Reading, 3. Klassenstufe, ausserschulische Förderung
Wirksamkeit eines ausserschulischen Leseförderprojekts: Vergleichende Analysen eines
Lautlesetrainings (Eltern vs. Lesecoach) bei schwachen Lesern der dritten Klassenstufe
Silke Hauri1, Catherine Näpflin2, Caroline Villiger1, Annette Tettenborn2, Isabelle Hugener2, Kathrin Krammer2, Erich
Hartmann3
1
Pädagogische Hochschule Freiburg, Schweiz; 2Pädagogische Hochschule Luzern, Schweiz; 3Universität Freiburg, Schweiz
Theoretischer Hintergrund
Die Ergebnisse verschiedener internationaler Vergleichsstudien zur Lesekompetenz (vgl. PISA- und IGLU-Studie; z.B. Bos et al.,
2012) weisen deutlich darauf hin, dass der Anteil von Schüler/-innen mit unterdurchschnittlichen Leseleistungen nach wie vor
beträchtlich ist. Für eine erfolgreiche Schullaufbahn ist jedoch die Leseleistung ein entscheidendes Merkmal (OECD, 2014). Die
Entwicklung und Überprüfung von wirksamen Fördermassnahmen, die bereits beim Erwerb der Grundfertigkeiten ansetzen und
die Zielgruppe der schwachen Leserinnen und Leser in besonderer Weise ansprechen, erscheint daher dringend geboten. Damit
wird letzten Endes beabsichtigt, einer Risikogruppe von Schulkindern verbesserte Aussichten auf Bildungserfolg zu ermöglichen.
Die Leseflüssigkeit ist eines der wichtigsten Merkmale kompetenten Lesens (Kuhn & Stahl, 2003) und gilt als Voraussetzung für
das Verstehen von Texten. Ist die Dekodierfähigkeit, eine Teilkomponente der Leseflüssigkeit, unzureichend automatisiert, kann
das Textverständnis stark beeinträchtigt werden (Perfetti, 1985). Als wirksam für die Förderung der Leseflüssigkeit haben sich
insbesondere Lautleseverfahren erwiesen (vgl. Rosebrock, Nix, Rieckmann & Gold, 2011), wie etwa die Paired-Reading-Methode
(PR; paarweises Lesen). Sie zeichnet sich aus durch gemeinsames Lautlesen im Lesetandem, alternierend mit Sequenzen
selbstinitiierten Alleinlesens des Kindes, konsequenter Fehlerkorrektur und einer Feedback-Komponente in Form von Lob
(Topping, 2001). In zahlreichen Studien wurde diese Methode bei Grundschulkindern im Tandem mit Erwachsenen (Eltern,
professionelle oder halb-professionelle Coachs) umgesetzt. Bisher fehlen direkte Vergleiche der Wirksamkeit unterschiedlicher
Akteure. Auch sind die bisherigen Studien in methodologischer Hinsicht oft mangelhaft (z.B. keine Kontrollgruppe, Interventionen
ohne vorgängiges Training, fehlende Berücksichtigung der individuellen Merkmale oder der Implementationsgenauigkeit; vgl.
dazu McElvany & van Steensel, 2009).
Fragestellung
Das Projekt LiT – Lesen im Tandem beabsichtigt, diese Forschungslücken zu schliessen. Im Vordergrund stehen folgende
Fragestellungen:
1. Wie effektiv ist die Methode im Hinblick auf die Leseflüssigkeit und das Textverstehen?
2. Ist die Methode unterschiedlich wirksam, wenn sie von Eltern oder von Lesecoachs durchgeführt wird?
Methode
Auf der Grundlage eines quasi-experimentellen Designs (Prä-Post-Follow up Kontrollgruppen Design) wurde die PR-Methode
bei 3.Klässlern mit Leseschwierigkeiten implementiert und von umfangreichen Datenerhebungen (Elternfragebogen zu
individuellen Merkmalen, diverse Testverfahren zur Erhebung verschiedener Facetten der Lesekompetenz, Videoaufnahmen des
Lesetrainings) begleitet. Die Stichprobe umfasste N = 193 Schüler-/innen mit schwachen Leseleistungen, davon trainierten N =
67 mit ihren Eltern, N = 63 mit einem Lesecoach und N = 67 bildeten die Wartekontrollgruppe. Die Gruppenzuteilung verlief
überwiegend randomisiert, was bei Feldstudien üblich ist (Randomisierungsgrad 75%). Die Coachs und Eltern erhielten vorgängig
ein identisches Training von 2 x 1.5 Stunden. Die Tandems trainierten durchschnittlich während 20 Wochen, trafen sich
wöchentlich im Durchschnitt 2.3mal und lasen ca. 16Minuten entsprechend den Vorgaben der PR-Methode.
Ergebnisse
Erste Ergebnisse bestätigen die Wirksamkeit der PR-Methode im Hinblick auf die Förderung der Leseflüssigkeit. Dies traf jedoch
nur für Kinder zu, die mit einem Coach trainierten. Sie verfügten nach Trainingsabschluss über eine signifikant bessere
Leseflüssigkeit als die Kontrollgruppenkinder. Die Gruppe der Kinder, die mit ihren Eltern lasen, unterschieden sich hingegen
nicht signifikant von der Kontrollgruppe. In keiner der Gruppen ergaben sich beim Posttest signifikante Effekte hinsichtlich des
Leseverständnisses. Die Ergebnisse zum Follow up stehen noch aus. Bei weiteren Analysen werden zusätzlich die
Implementationsqualität sowie individuelle Merkmale der Kinder berücksichtigt.
Die Befunde lassen Schlussfolgerungen zu in Bezug auf die Wirksamkeit bisher weitgehend ungenutzter Formen
ausserschulischer Fördermassnahmen und weisen auf Grenzen elterlicher Unterstützung bei Leseschwierigkeiten.
ID: 341 / F 02 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Lehrerexpertise
Stichworte: Wissenschaftliches Denken, Integrierte Lernumgebung, Lernen aus Fehlern, Multiple Kontexte
Förderung wissenschaftlichen Denkens in der Lehrerbildung: Ergebnisse einer Interventionsstudie
Maria Bergner1, Kai Wagner2, Robin Stark2, Ulrike-Marie Krause1
1
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Deutschland; 2Universität des Saarlandes, Deutschland
Im Rahmen von Standards für die Lehrerbildung (Kultusministerkonferenz, 2004) und Modellen professioneller Kompetenz (z.B.
Baumert & Kunter, 2006) wird wissenschaftlichem Denken ein hoher Stellenwert für die Professionalität von Lehrkräften
beigemessen. Deshalb stellt es ein wichtiges Lernziel im Lehramtsstudium dar (Kunina-Habenicht et al., 2013). Im Rahmen der
vorliegenden Studie wird wissenschaftliches Denken als die reflektierte Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse auf
Problemstellungen der pädagogischen Praxis sowie als kritische Auseinandersetzung mit Alltagstheorien definiert. Viele
Lehramtsstudierende haben Schwierigkeiten bei der Anwendung wissenschaftlicher Theorien zur Erklärung von Situationen in
der Schulpraxis (Seidel & Prenzel, 2007). Häufig werden zur Erklärung schulischer Situationen Alltagstheorien sowie
Alltagserfahrungen herangezogen (z.B. Stark, Herzmann & Krause, 2010).
Um diesen Schwierigkeiten zu begegnen, wurde im Rahmen einer experimentellen Interventionsstudie eine integrierte
Lernumgebung (Reinmann & Mandl, 2006) konzipiert, die problemorientierte und instruktionsorientierte Designprinzipien
kombiniert: Die Auseinandersetzung mit ausgearbeiteten Lösungsbeispielen wurde anhand authentischer Schulszenarien in ein
narratives Format eingebettet (vgl. Krause, 2007; Stark, Kopp & Fischer, 2011). Integrierte Lernumgebungen erwiesen sich in
der Lehrerbildung zur Förderung anwendbaren Wissens als lernwirksam (z.B. Krause, Stark & Herzmann, 2011; Wagner, Klein,
Klopp & Stark, 2014). Zur Optimierung der Lernumgebung wurden zusätzliche Maßnahmen implementiert und im Rahmen der
Interventionsstudie untersucht: Lernen aus Fehlern und die Präsentation multipler Kontexte. Das Lernen aus Fehlern gemäß den
Annahmen von Oser und Spychiger (2005) wurde durch die Kontrastierung von fehlerhaften und korrekten Lösungen erprobt,
wobei die Art des in der Lernumgebung eingesetzten Fehlers (eigene Fehler vs. präsentierte Fehler) zusätzlich variiert wurde.
Zudem wurde ausgehend von der Cognitive-Flexibility-Theory (Spiro, Feltovich, Jacobson & Coulson, 1992) zur Förderung der
flexiblen Anwendung von Wissen der Einfluss der Anzahl der Kontexte durch die Variation uniforme vs. multiple Kontexte
untersucht (uniforme vs. multiple Kontexte)
Entsprechend lag dieser Studie ein 2x2-faktorielles Design zugrunde. 179 Lehramtsstudierende wurden den
Untersuchungsbedingungen zufällig zugewiesen. Die Erhebung und die Bearbeitung der Lernumgebung fanden in vier
Seminarsitzungen statt (Vortest, Trainingsphase, Nachtest). Die Operationalisierung wissenschaftlichen Denkens erfolgte
anhand des konzeptuellen Erklärungswissens sowie anhand des Analyse- und Generierungswissens bzgl. wissenschaftlicher
Erklärungen.
Insgesamt zeigten alle Gruppen einen Lernfortschritt vom ersten zum zweiten Messzeitpunkt. Hinsichtlich des Erwerbs des
konzeptuellen Erklärungswissens trat bei der Gruppe mit präsentierten Fehlern ein größerer Lerneffekt auf als bei der Gruppe
mit eigenen Fehlern. Die Anzahl der Kontexte hatte für diese Wissensart keinen signifikanten Einfluss auf den Lernfortschritt.
Beim Analysewissen bezüglich wissenschaftlicher Erklärungen ließ sich eine Überlegenheit der Probanden erkennen, die
vorgegebene fehlerhafte Erklärungen (präsentierte Fehler) analysierten. Zudem war die Bearbeitung uniformer Kontexte hierfür
lernförderlicher als die Bearbeitung multipler Kontexte. Die Gruppe in der Bedingung präsentierte Fehler und uniforme Kontexte
zeigte den größten Lernerfolg.
Beim Erwerb des Generierungswissens bezüglich wissenschaftlicher Erklärungen war die Gruppe, die eigene Erklärungen
generierte und analysierte (eigene Fehler), der Gruppe überlegen, die vorgegebene Erklärungen analysierte (präsentierte
Fehler). Uniforme Kontexte waren auch hier lernförderlicher als multiple Kontexte. Nur für das Analysewissen zeigte sich ein
Interaktionseffekt zwischen den beiden Faktoren.
Zusammenfassend war die integrierte Lernumgebung dieser Interventionsstudie für die Förderung wissenschaftlichen Denkens
bei Lehramtsstudierenden lernwirksam, auch wenn keine Experimentalbedingung hinsichtlich der Förderung aller Wissensarten
überlegen war. Deutlich wurde jedoch für alle Wissensarten, dass die Präsentation multipler Kontexte nicht lernwirksamer war
als die Präsentation uniformer Kontexte. Möglicherweise war die Bearbeitung multipler Kontexte in der Lernumgebung zu
komplex und führte bei den Probanden zu Überlastung. Dies könnte zum Beispiel daran liegen, dass die zusätzliche instruktionale
Unterstützung für die Bedingung multiple Kontexte nicht ausreichend war (siehe dazu Stark, Mandl, Gruber & Renkl, 1999). Um
die Förderung wissenschaftlichen Denkens bei Lehramtsstudierenden weiter zu optimieren, ist eine Weiterentwicklung der
Lernumgebung unter Berücksichtigung der Ergebnisse dieser Studie geplant.
ID: 342 / F 01 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Vorschulische Bildung
Stichworte: Soziale Herkunft, vorhochschulische Bildungsentscheidungen, Studienerfolg/Studienabbruch, soziale Integration,
Lebensbedingungen
Soziale Herkunft, Bildungswege und Studienerfolg trotz ungünstiger Voraussetzungen
Sören Isleib
DZHW, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Der Beitrag befasst sich mit den Gelingensbedingungen eines erfolgreichen Studiums trotz ungünstiger vorhochschulischer
Voraussetzungen. Grundlage der Arbeit ist das am DZHW entwickelte theoretische Modell des Studienabbruchs (Heublein 2014).
Dieses ist interdisziplinär angelegt und berücksichtigt sozial-integrative (Tinto 1975), psychologische (Robbins et al. 2004),
ökonomische (Barry/Okun 2011) und habituelle (Thomas 2002) Theorieansätze zum Studienerfolg/-abbruch. In einem
vorbereitenden Analyseschritt wird der Einfluss sozialer Herkunft und vorhochschulischer Bildungsentscheidungen auf den
Studienerfolg in dem Blick genommen. Zusammenhänge zwischen sozialer Herkunft und Bildungsentscheidungen werden über
die Ausstattung mit kulturellen (Bourdieu/Passeron 1977) oder Humankapital (Becker 1993) bzw. über eine Kosten/Nutzenabwägung (Boudon 1974) erklärt (vgl. Kristen 1999). In der konkreten Analyse der Gelingensbedingungen des Studiums
trotz ungünstiger Voraussetzungen werden Faktoren in der Studienphase selbst herangezogen. Der Analysefokus des
zugrundeliegenden DZHW-Modells des Studienabbruchprozesses greift hier zu weit. Es werden daher diejenigen theoretischen
Konstrukte herangezogen, die sich in vergangen Untersuchungen sowie in der vorliegenden Untersuchung als empirisch
besonders fruchtbar erwiesen haben. Dies sind im Einzelnen die soziale/akademische Integration ins Studium (Tinto 1975, 2006)
sowie hochschulexternen Lebensbedingungen (Erwerbstätigkeit, Finanzierung) (Bean/Metzner 1985).
Fragestellung
Die Fragestellung des Beitrages untergliedert sich somit in zwei Teilfragen. 1. Welchen Einfluss besitzen soziale Herkunft und
vorhochschulischer Bildungsweg auf den späteren Studienerfolg? Und darauf aufbauend: 2. Welche Effekte im Studienprozess
tragen dazu bei, dass das Studium trotz vermeintlich schlechter vorhochschulischer Voraussetzungen erfolgreich beendet wird?
Methode
Zur Beantwortung beider Fragen wird jeweils ein separates logistisches Regressionsmodell mit average marginal effects
geschätzt. Die Daten dazu stammen aus der aktuellen DZHW-Exmatrikuliertenbefragung (N=9161). Das erste Modell richtet sich
(unter Ausschluss bestimmter effektverzerrender Teilgruppen) an Absolventen und Abbrecher (N=4457) und beantwortet die
Frage, welche vorhochschulischen Faktoren den späteren Studienerfolg begünstigen oder mindern. Aufbauend auf dem
Ergebnis, dass insbesondere vorhochschulische Bildungsentscheidungen, sprich die besuchte Schulart zum Erwerb der
Hochschulreife, eine Rolle spielen, setzt das zweite Modell genau an diesem Punkt an. Einbezogen werden nur Personen, deren
Eltern keine Akademiker sind und die ihre Hochschulreife nicht gymnasial erworben haben (N=714).
Ergebnisse
Der Beitrag zeigt, dass vorhochschulische Faktoren eine starke Bedeutung für Studienerfolg haben und dem schulischen Weg
eine herausgehobene Bedeutung dabei zukommt. Nicht die soziale Herkunft an sich kann als Einflussfaktor ausgemacht werden,
vielmehr sind es die Bildungsentscheidungen, die in Abhängigkeit von sozialer Herkunft vor dem Studieneintritt getroffen werden.
Diese stellen ungünstige Voraussetzungen im Sinne der erfolgreichen Beendigung des Studiums dar. Hier setzt der zweite
Analyseschritt an und fragt nach möglichen Einflussfaktoren darauf, dass das Studium trotz einer ungünstigen Ausgangslage
erfolgreich bewältigt werden kann. In die Berechnungen dazu werden nur Personen einbezogen, deren vorhochschulischer
Bildungsweg die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses des Studiums vermeintlich senkt. Die Ergebnisse zeigen, dass drei
Faktoren auf den Studienerfolg hinwirken: Eine sichere Studienfinanzierung, eine (fachnahe) Erwerbstätigkeit während des
Studiums sowie die soziale/akademische Integration in das Studium tragen innerhalb der Personengruppe mit ungünstigen
vorhochschulischen Voraussetzungen maßgeblich zum Studienerfolg bei.
Schlussfolgerung und Ausblick
Abschließend ist ein Ausblick auf die weitere wissenschaftliche Betrachtung des Zusammenwirkens vorhochschulischer
Bildungsentscheidungen und Studienerfolg/-abbruch sowie Möglichkeiten der Kompensation über Faktoren im Studienverlauf zu
geben. Hieran knüpfen auch mögliche Präventionsmöglichkeiten gegen einen Studienabbruch aus individueller und
hochschulischer Perspektive an.
ID: 344 / G 01 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Wirtschafts- und Berufspädagogik, Sonstige Didaktiken
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung, Hochschulbildung
Stichworte: Mentoring, nicht kognitive Fähigkeiten, Studieneingangsphase
Mentoring als didaktisches Instrument zur Förderung nicht kognitiver Fähigkeiten in der
Studieneingangsphase
Juliane Fuge
Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, Deutschland
Mentoring gehört seit langem mit zu den vielversprechendsten und gleichzeitig widersprüchlichsten Themen unserer Zeit:
einerseits gilt es als die effektivste Fördermethode, deren positiven Auswirkungen auf die persönliche und berufliche
Weiterentwicklung unbestritten zu sein scheinen. Andererseits zeigen einige Meta-Analysen, dass die erhofften Wirkungen
formaler Mentoring-Programme bisher eher moderat ausfallen (bspw. ZIEGLER, 2009; EBY, ALLEN, EVANS, NG & DUBOIS,
2008). Trotz dieses Widerspruchs können grundsätzlich formelle Mentoring-Programme die Hochschullehre ergänzen und
bereichern. Aus (hochschul-)didaktischer Perspektive stellt sich in diesem Kontext die Frage, wie sich dieses Konzept
gewinnbringend adaptieren und umsetzen lässt, um die kognitiven und affektiven Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten zu
verbessern.
Im Fokus dieses Beitrages steht die vergleichende Analyse von zwei formellen Mentoring-Programmen zur Gestaltung der
Studieneingangsphase. In der internationalen Forschung stellt die sogenannte „first-year-experience“ bereits ein eigenes
Forschungsgebiet dar und der Übergang in die Hochschule wird als eine erfolgskritische Phase ausgewiesen (BOSSE &
TRAUTWEIN, 2014, S. 45 m. w. N.). In Deutschland liegen dazu bislang kaum empirische Untersuchungen vor. Es existieren
überwiegend hochschulübergreifende Untersuchungen wie der Studienqualitätsmonitor und die Sozialerhebung, in denen die
gesamte Studiensituation untersucht wird. Aus diesem Grund werden im Rahmen des Beitrags zunächst Belastungen und Sorgen
in der Studieneingangsphase sowohl theoretisch als auch empirisch genauer in den Blick genommen. Dabei wird deutlich, dass
Studierende bereits zu Beginn des Studiums mit Herausforderungen konfrontiert werden, die sich regelmäßig nicht mehr durch
einfache Routinen lösen lassen, sondern zu deren Bewältigung neben kognitiven vor allem auch metakognitive Fähigkeiten wie
Leistungsmotivation, optimale Arbeitsgewohnheiten und -techniken sowie psychische Widerstandskraft erforderlich sind (u. a.
KIRSCH & VO THI ANH, 1996, S. 185). In zahlreichen empirischen Studien werden insbesondere nicht kognitive
Persönlichkeitsmerkmale wie Selbstwirksamkeit, Kohärenzgefühl, Optimismus und Kontrollüberzeugungen als vermittelnde,
differentiell wirkende Faktoren identifiziert, die sich positiv auf den Umgang mit Studienstress und damit auf den Erfolg auswirken
(bspw. RICHARDSON, BOND & ABRAHAM, 2012; DEVONPORT & LANE, 2006; FROST & MIERKE, 2014). Vor diesem
Hintergrund ist es wichtig, auch im Studium Lehr /Lernarrangements zu konzipieren, die neben kognitiven ebenso nicht kognitive
Fähigkeiten fördern. In Mentoring sehen SLOANE & FUGE (2012) angesichts verschiedener lern-, entwicklungs- und
sozialpsychologischer Theorien in ein hohes didaktisches Potential, um einerseits die Beratungs- und Betreuungssituation in der
Studieneingangsphase zu verbessern und andererseits ebendiese Fähigkeiten zu fördern.
Auf Basis dieses theoretischen Fundaments wird die Umsetzung von zwei formellen Mentoring-Programmen, die in
unterschiedlicher Form in wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge integriert sind (Peer vs. Student-Faculty Mentoring), aus
Perspektive der Mentees evaluiert und hinsichtlich ihrer Auswirkungen einer differenzierten, statistischen Analyse unterzogen. In
Anlehnung an das klassische Evaluationsdesign wurde ein Feldexperiment unter Einbeziehung einer Kontrollgruppe mit drei
Befragungszeitpunkten durchgeführt (KROMREY, 2006). Es wurde ein standardisierter Fragebogen zur Datenerhebung
eingesetzt und auf bereits etablierte Erhebungsinstrumente wie das MRI zur Erfassung der Mentoring-Funktionen (SCHNEIDER,
2009) und das AVEM zur Erfassung studentischer Verhaltens- und Erlebensmuster (SCHAARSCHMIDT & FISCHER, 2008)
zurückgegriffen.
Die Ergebnisse geben Antwort auf die Fragen, wie die Mentoring-Funktionen in den beiden Programmen ausgefüllt werden und
worin sie sich unterscheiden, wie es um deren Akzeptanz und Wirkung bestellt ist sowie welche Faktoren die Qualität von
Mentoring beeinflussen. Die Befunde sind konsistent zu den Ergebnissen der Meta-Analysen und bestätigen ebenfalls, dass die
Auswirkungen mentoraler Betreuung auf die Entwicklung nicht kognitiver Fähigkeiten der Studierenden eher moderat ausfallen.
Die Umsetzung der Mentoring-Funktionen wird maßgeblich von der Persönlichkeit und dem Verhalten des Mentors auf der einen
und dem Interesse des Mentees auf der anderen Seite beeinflusst. Die Mentoring-Form wirkt sich hauptsächlich auf diejenigen
Mentoring-Funktionen aus, in denen der Alters- und Erfahrungsunterschied des Mentors zum Tragen kommt. Aus den
Ergebnissen lassen sich letztlich Empfehlungen zur notwendigen zukünftigen didaktischen Gestaltung von MentoringProgrammen ableiten, um gleichsam die Qualität der Programme und des Studiums weiterzuentwickeln.
ID: 345 / D 03 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Hochbegabung, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, Motivation und Emotion
Stichworte: High Performer, Naturwissenschaft, Selbstkonzept, Interesse, instruktionale Merkmale
High Performer in Naturwissenschaften: Profile motivational-affektiver Schülervoraussetzungen und ihr
Zusammenhang mit instruktionalen Merkmalen des Naturwissenschaftsunterrichts
Stefanie Schmidtner, Anja Schiepe-Tiska, Tina Seidel, Manfred Prenzel
TU München, Deutschland
Die Förderung leistungsstarker Jugendlicher in Naturwissenschaften (High Performer) hat eine hohe gesellschaftliche und
wirtschaftliche Bedeutung und gewinnt zunehmend auch politische Aufmerksamkeit (KMK, 2015). Dazu bedarf es nicht nur einer
Leistungsförderung, sondern es müssen vielmehr auch motivational-affektive Merkmale wie das naturwissenschaftsbezogene
Selbstkonzept oder Interesse im Sinne multidimensionaler Ziele gefördert werden (vgl. Prenzel, 2012). Betrachtet man High
Performer im internationalen Vergleich, weist Deutschland jedoch eine beträchtliche Anzahl an leistungsstarken Jugendlichen
mit in Relation zu ihrer Leistung geringen Motivation auf (OECD, 2009).
Motivational-affektive Merkmale wie Selbstkonzept und Interesse stehen in wechselseitigem Zusammenhang und können sowohl
als Ziele als auch als individuelle Einflussfaktoren für erfolgreiche Lernprozesse gesehen werden (Helmke, 2003). Für den
Naturwissenschaftsunterricht konnten basierend auf domänenübergreifender und naturwissenschaftsbezogener LehrLernforschung insbesondere schüleraktive und interaktive instruktionale Merkmale wie Schülerexperimente als einflussreich auf
die Entwicklung von Kompetenz und Interesse identifiziert werden (Kobarg, 2011; Seidel & Prenzel, 2011; Bransford et al., 2005).
In den letzten Jahrzehnten haben sich deshalb viele Forschungsbemühungen auf instruktionale Merkmale wie interaktives Lehren
und Lernen, Schülerexperimente und Anwendungsbezüge im Naturwissenschaftsunterricht konzentriert und zum Teil gemischte
Ergebnisse gefunden (Kobarg et al., 2011; White & Frederiksen, 1998). Umgekehrt zeigt Forschung zur Rolle von
Schülervoraussetzungen, dass individuelle Schülermerkmale wie Leistung, Selbstkonzept und Interesse mit Lernumgebungen
interagieren und deren Wahrnehmung bzw. Wirkung beeinflussen können (Seidel, 2006; Jurik, Gröschner & Seidel, 2014).
Untersuchungen zur Lehrer-Schüler-Interaktion zeigen beispielsweise, dass Lehrer mit Jugendlichen mit unterschiedlichem
Vorwissen und Lernvoraussetzungen unterschiedlich häufig interagieren (Skinner & Belmont, 1993). Schüler mit
unterschiedlichen Kompetenzniveaus und unterschiedlichen individuellen Voraussetzungen könnten deshalb unterschiedlich von
Unterrichtselementen wie interaktivem Lehrern und Lernen, Schülerexperimenten und Anwendungsbezügen profitieren (vgl.
White & Fredericksen, 1998). Individuelle Schülermerkmale wie Selbstkonzept und Interesse stehen in Wechselwirkung
zueinander und zeigen insbesondere als Profile betrachtet einen Zusammenhang zur Wahrnehmung von Unterricht und
Lernprozessen (Seidel, 2006; Trautwein et al., 2006). Nur wenige Studien betrachten jedoch kognitive und motivational-affektive
Schülervoraussetzungen in Kombination (z. B. Jurik, Gröschner & Seidel, 2014; Linnenbrink-Garcia et al., 2012) und
insbesondere im Hinblick auf leistungsstarke Jugendliche gibt es dazu bisher keine detaillierten Betrachtungen.
Die vorliegende Studie liefert hierzu einen Beitrag, indem sie untersucht, welche Profile hinsichtlich Selbstkonzept und Interesse
in Naturwissenschaften innerhalb der Gruppe der High Performer in Naturwissenschaften existieren und in welchem
Zusammenhang sie mit der Wahrnehmung von instruktionalen Merkmalen des Naturwissenschaftsunterrichts stehen. Dazu
werden Large-Scale-Assessment Daten von PISA 2006 mit einer Stichprobe von N=9577 Jugendlichen der neunten Klasse
verwendet und leistungsstarke Jugendliche über Testwerte in einem standardisierten Kompetenztest in Naturwissenschaften
definiert. Mit Hilfe einer latenten Klassenanalyse werden Profile hinsichtlich Selbstkonzept und Interesse von High Performern
identifiziert.
Die Analysen zeigen, dass sich High Performer (N=1572) vier verschiedenen Profilen zuordnen lassen. Es ergeben sich eine
Gruppe von den eigenen Leistungen überzeugten sowie interessierten High Performern (1), eine Gruppe mit hohem
Selbstkonzept aber in Relation niedrigem Interesse (2), eine weniger von den eigenen Leistungen überzeugte aber trotzdem
vielseitig interessierte Gruppe (3) und eine die eigenen Fähigkeiten gering einschätzende und uninteressierte Gruppe.
Kontrastierende Vergleiche der Unterrichtswahrnehmung dieser Gruppen zeigen, dass ein hohes Interesse bei im Vergleich
geringem Selbstkonzept mit mehr Anwendungsbezug im Unterricht einhergeht. Umgekehrt berichten High Performer mit hohem
Selbstkonzept bei gleichzeitig niedrigem Interesse weniger eigenständige Schülerexperimente und Anwendungen als High
Performer mit ähnlich niedrigem Selbstkonzept aber hohem Interesse. Die Gruppen mit hohem Interesse aber unterschiedlichem
Selbstkonzept zeigen dagegen keinen Unterschied in den Unterrichtsmerkmalen. Weitere Analysen weisen darauf hin, dass auch
tiefenstrukturbezogene Lehr-Lernbedingungen eine wichtige Rolle spielen könnten und inhaltliche Relevanz unabhängig vom
Niveau des Selbstkonzeptes mit Interesse assoziiert ist, wohingegen Kompetenzunterstützung und soziale Eingebundenheit bei
niedrigem Selbstkonzept mit höherem Interesse assoziierte ist. Die Ergebnisse bestätigen und ergänzen bestehende Forschung
zu instruktionalem Merkmalen und geben Hinweise für eine zukünftige Förderung von High Performern im
Naturwissenschaftsunterricht.
ID: 347 / D 03 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, Motivation und Emotion
Stichworte: Selbstbestimmtes Lernen, Feedback, Grundschule, Intervention
Förderung selbstbestimmten Lernens im naturwissenschaftlichen Sachunterricht der Grundschule - eine
Interventionsstudie
Julia Haase, Anja Göhring
Universität Regensburg, Deutschland
Die Selbstbestimmungstheorie (Deci&Ryan 1993, 2000) umfasst fünf Subtheorien, u. a. die Organismische Integrationstheorie.
Entgegen der Betrachtung von intrinsischer und extrinsischer Motivation als Gegenspieler, wird ein fließender Übergang zwischen
diesen Motivationstypen gesehen. Die extrinsische Motivation gliedert sich demzufolge in vier Regulationsstile, die als
zunehmend selbstbestimmt wahrgenommen werden: externale, introjizierte, identifizierte und integrierte Regulation. Daneben
beschreiben Deci&Ryan (1993) drei menschliche Grundbedürfnisse: das Erleben von Autonomie, von Kompetenz und von
sozialer Eingebundenheit. Die Befriedigung dieser basic needs soll die selbstbestimmte Motivation fördern und sich positiv auf
die Lernleistung von Schülerinnen und Schülern auswirken. Besonders dem Kompetenz- und Autonomieerleben wird dieser
Einfluss zugeschrieben. Das Kompetenzerleben wiederum wird beispielsweise durch positives, informatives Feedback gefördert
(Deci&Ryan 2000).
Die positiven Effekte des verstärkten Erlebens der Grundbedürfnisse wurde in der Sekundarstufe in verschiedenen Fächern
(Göhring 2010, Bieg&Mittag 2009, Berger&Hänze 2004, Wolf 2012, Ferdinand 2012, Willems 2011), jedoch nicht umfassend für
die Grundschule überprüft. Ziel des Projekts ist es deshalb, zur Schließung dieser Forschungslücke beizutragen, dabei
insbesondere das Kompetenzerleben der Lernenden zu fördern und folgenden Fragestellungen nachzugehen:





Ist eine gezielte Förderung des subjektiven Erlebens der Grundbedürfnisse, besonders des Kompetenzerlebens, im
naturwissenschaftlichen Sachunterricht der Grundschule möglich?
Wirken sich Feedbackmethoden förderlich auf das Kompetenzerleben aus?
Hat eine gezielte Förderung des subjektiven Erlebens der Grundbedürfnisse positive motivationale Auswirkungen?
Hat eine gezielte Förderung des subjektiven Erlebens der Grundbedürfnisse positive Auswirkungen auf Leistung und
Behalten?
Welche Effekte ergeben sich aus einer selbstbestimmteren Motivation auf Leistung und Behalten?
Um die Annahmen der Selbstbestimmungstheorie zu überprüfen, wurde von Mai bis Juli 2015 eine Interventionsstudie im
Treatment-Kontrollgruppen-Design in 12 Klassen der Jahrgangsstufe 4 im naturwissenschaftlichen Sachunterricht in Bayern
durchgeführt. Alle Lehrkräfte erhielten die gleiche, von der Universität entwickelte und pilotierte 12-stündige Unterrichtseinheit
zum Thema „Wasser“. Die Treatmentgruppe (6 Klassen, N = 128) setzte ausgewählte, standardisierte Feedbackmethoden ein.
Es wurden die Feedbackebenen Produkt, Prozess und Selbstregulierung nach Hattie (2009), sowie Feedback-Empfehlungen
nach Shute (2008) berücksichtigt. Die Feedbackmethoden bestanden einerseits aus einem Selbstfeedback für die Lernenden,
die sich nach jeder Unterrichtsstunde in einem Netzdiagramm in den Feedbackebenen einschätzten. Diese Diagramme füllten
zudem die Lehrkräfte aus, um individuelles Feedback zu geben. Die Kontrollgruppe (6 Klassen, N = 120) setzte keine dieser
Feedbackmethoden ein.
Jede Unterrichtsstunde wurde von den Lehrkräften anhand eines vorstrukturierten Bogens dokumentiert, nach fünf ausgewählten
Unterrichtsstunden wurde jeweils ein kurzer Schüler-state-Fragebogen zur Erfassung der pädagogisch-psychologischen
Konstrukte eingesetzt. Eine umfassende Erhebung dieser Konstrukte, sowohl bei Lehrkräften als auch bei Schülerinnen und
Schülern, fand zu drei Messzeitpunkten statt: pre (t1), post (t2) und follow-up (t3). Die Schülerleistung wurde ebenfalls zu diesen
drei Messzeitpunkten erhoben.
Erste Auswertungen der Daten lassen erkennen, dass sich die Lernleistung in beiden Gruppen gleichermaßen positiv vom Vortest
(t1) bis zur Klassenarbeit (t2) entwickelt hat. Die intrinsische Motivation nimmt während der Unterrichtseinheit ebenfalls zu, wobei
wiederum keine Gruppenunterschiede feststellbar sind. Das Kompetenzerleben durch Selbstbeobachtung nimmt während der
Unterrichtseinheit in beiden Gruppen zu (ALM; Geschätzte Randmittel: Treatmentgruppe [N=118]: t1:3,18; t2:3,45; t3:3,41;
Kontrollgruppe [N=107]: t1:3,01; t2:3,40; t3:3,32; 4-stufige Skala, 1=stimmt nicht, 4=stimmt genau; Gruppenunterschiede n.s.). In
der Treatmentgruppe ist jedoch eine gegenläufige Tendenz hinsichtlich des Kompetenzerlebens durch Lehrerfeedback zu
beobachten (ALM; Geschätzte Randmittel: Treatmentgruppe [N=118]: t1:3,29; t2:3,12; t3:3,18; Kontrollgruppe [N=107]: t1:3,25,
t2:3,35; t3:3,25; Gruppenunterschiede n.s.), welche sich durch die Auswertung der der state-Fragebögen zu betätigen scheint.
Als nächster Schritt muss zunächst eine Datenkontrolle erfolgen, sowie die Interventionsgüte überprüft werden. Dies gilt
insbesondere hinsichtlich des Feedbacks: wurde dieses wie intendiert umgesetzt, d. h. positiv und informativ statt kontrollierend?
Wurde die Unterrichtseinheit wie geplant von den Lehrkräften realisiert? Hierzu werden die Dokumentationsbögen der Lehrkräfte
ausgewertet. Bezüglich anfänglicher Unterschiede zwischen den Gruppen sollen bei weiteren Analysen Kovariaten berücksichtigt
und komplexe Modelle zur Klärung weiterer Forschungsfragen geprüft werden.
ID: 355 / B 16 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lese- und Sprachförderung
Stichworte: Lesekompetenz, PISA, Wortidentifikation, semantische Integration, Arbeitsgedächtnis
Beeinflusst die Effizienz kognitiver Basisfähigkeiten die in PISA gemessene Lesekompetenz und ihre
Veränderung innerhalb eines Jahres?
Carolin Hahnel1,2, Frank Goldhammer1,2, Ulf Kröhne1, Anja Schiepe-Tiska2,3, Oliver Lüdtke2,4
1
Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung; 2Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien; 3TU
München School of Education; 4Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik
Theoretischer Hintergrund. Kognitionspsychologisch wird das Lesen und Verstehen eines Textes als komplexer
Konstruktionsprozess betrachtet, der auf hierarchisch geordneten Teilprozessen beruht. Laut der Theorie verbaler Effizienz und
der darin eingebetteten Hypothese zur lexikalischen Qualität (Perfetti, 2007) tragen insbesondere die Qualität mentaler
Repräsentationen von Wörtern sowie die Effizienz ihres Abrufs und ihrer semantischen Integration in den Satzkontext zum
resultierenden Leseverständnis bei. Hochgradig automatisierte Leseteilprozesse sollen dabei weniger Zeit benötigen und
geringere Anforderungen an kognitive Ressourcen des Arbeitsgedächtnisses stellen, die hierarchiehöhere Verständnisprozesse
unterstützen (Walczyk, 2000). Entsprechend fanden sich empirische Zusammenhänge der Lesekompetenz mit
hierarchieniedrigeren Prozessen des Leseverstehens und des Arbeitsgedächtnisses für verschiedene Alters- bzw. Klassenstufen
(z.B. Hannon, 2012, Tilstra et al., 2009).
Fragestellung. Während sich bisherige Studien vor allem auf den Primar- und beginnenden Sekundarbereich sowie auf das Lesen
Erwachsener konzentrierten, fanden die folgenden Forschungsfragen weniger Beachtung: (1) Lässt sich die Lesekompetenz
Jugendlicher am Ende ihrer Schulpflichtzeit durch die Effizienz von Teilprozessen des Leseverstehens auf Wort- und Satzebene
sowie des Arbeitsgedächtnisses vorhersagen? (2) Unterscheiden sich diese Schülerinnen und Schüler in der Veränderung ihrer
Lesekompetenz nach einem Jahr? (3) Bilden besser beherrschte Teilprozesse die Grundlage für einen höheren
Leistungszuwachs in der Lesekompetenz?
Methode. Die empirische Basis bildete eine Teilstichrobe von Schülerinnen und Schülern, die an der Leseuntersuchung des
Programme for International Student Assessment (PISA) in 2012, an einer nationalen Begleitstudie in 2012 sowie am LeseAssessment der Längsschnittergänzung PISA-Plus in 2013 teilnahmen. Zur Überprüfung der Hypothesen konnten die Daten von
N=55 Schülerinnen und Schülern verwendet werden (22 weiblich; Alter 2012: M=15.73, SD=0.26). Lesekompetenz wurde anhand
von Leseclustern erfasst (d.h. 4-5 Texte mit 3-5 Aufgaben zur Testung des Leseverständnisses), die den Schülerinnen und
Schülern randomisiert vorlegt wurden. Die dichotomen Ergebnisdaten aller Teilnehmenden (N 2012=3332, N 2013=615) wurden
gemeinsam Rasch-skaliert, wobei die Itemschwierigkeiten identischer Aufgaben zwischen beiden Messzeitpunkten gleichgesetzt
wurden. Anschließend wurden WLE-Schätzer für die Überschneidungsstichprobe bestimmt (WLE-Reliabilität 2012=.75, WLEReliabilität 2013=.66).
Die kognitiven Basisfähigkeiten wurden im Rahmen der Begleitstudie erfasst. Worterkennungsfähigkeiten wurden dabei durch
eine lexikalische Entscheidungsaufgabe erhoben; die Fähigkeit zur semantischen Integration durch einen Satzverifikationstest.
Aus den gewonnen Daten wurden je zwei Indikatoren abgeleitet: (1) die mittlere Reaktionszeit von richtig identifizierten Wörtern
bzw. semantisch sinnvollen Sätzen (vgl. vanGelderen et al., 2007) sowie (2) Driftraten (vgl. Ratcliff et al., 2004), die die Effizienz
der Informationsverarbeitung in lexikalischen Entscheidungen (Wörter vs. Unwörter) bzw. semantischen Urteilen (semantisch
richtig vs. falsch) wiedergeben. WLE-Schätzer über die Arbeitsgedächtnisleistung der Schülerinnen und Schülern wurden aus
den Rasch-skalierten Ergebnisdaten einer numerischen Gedächtnisaktualisierungsaufgabe (Oberauer & Kliegl, 2006) bestimmt
(N=639; WLE-Reliabilität=.84).
Ergebnisse. Eine lineare Regression des Leseverständnisses von 2012 auf die kognitiven Basisfähigkeiten ergab, dass lediglich
die Reaktionszeit von richtig identifizierten Wörtern (β=-.29, SE=0.64, p=.028) und die Arbeitsgedächtnisleistung (β=.42,
SE=0.10, p<.001) prädiktiv waren (R²=.38). Das in 2013 gemessene Leseverständnis wurde ebenfalls durch die Reaktionszeit
auf Wörter (β=-.28, SE=0.63, p=.032) und die Arbeitsgedächtnisleistung (β=.51, SE=0.10, p<.001), aber zusätzlich durch die
Driftrate semantischer Integration (β=.23, SE=0.32, p=.028) vorhergesagt (R²=.41). Im Vergleich zu 2013 verbesserte sich die
Leseleistung der Jugendlichen tendenziell (M 2013-2012=0.19; SD 2013-2012=1.32), wobei schwächere Leserinnen und Leser
einen stärkeren Leistungszuwachs zeigten, r 2012, Differenz(53)=-.48, p<.001. Die Veränderung war allerdings statistisch nicht
bedeutsam, t(54)=-1.09, p=.14, und wurde durch keine der kognitiven Basisfähigkeiten erklärt, F(5, 47)=0.40, p=.849.
Auch wenn keine signifikanten Veränderungen in der Lesekompetenz gefunden werden konnten, stützen die Ergebnisse
insgesamt die Anwendbarkeit der Theorie verbaler Effizienz auf deutschlesende Jugendliche. Interessant ist unter anderem der
Befund, dass die Reaktionszeit auf Wörter, die die Abrufgeschwindigkeit von bereits existierenden mentalen Wortpräsentationen
widerspiegelt, prädiktiv für beide Messzeitpunkte ist. Daraus ergibt sich, dass Schülerinnen und Schüler durch häufiges Lesen
ihre mentale Repräsentation von Wörtern stabilisieren (Perfetti, 2007) und somit ihr Leseverständnis stärken könnten. Diese und
weitere Implikationen werden kritisch diskutiert.
ID: 357 / D 03 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, Unterricht der Geistes- und
Gesellschaftswissenschaften
Stichworte: Überzeugungen, Argumentieren, Fachwissen, Naturwissenschaften, Deutsch
Aspekte schulischer Fachkulturen für die naturwissenschaftlichen Fächer und das Fach Deutsch aus der
Perspektive von Lernenden
Patricia Heitmann1, Martin Hecht2, Ronny Scherer3, Julia Schwanewedel4
1
Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen, Deutschland; 2Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland; 3Centre for
Educational Measurement, Norwegen; 4Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik,
Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Schulisches Lernen wird von Überzeugungen beeinflusst, die ausdrücken, wie ein Fach konstruiert ist. Im Fachunterricht
entwickeln Lernende ein Verständnis davon, welche fachspezifischen Denk-, Handlungsmuster und Normen ein Fach
ausmachen, auch unabhängig von den konkreten Methoden einer Lehrkraft (Yackel & Cobb, 1996). Diese können als
Fachkulturen zusammengefasst werden, die unter anderem handlungsleitende Vorstellungen über die Charakteristik eines
Faches enthalten (Hericks & Körber, 2007; Willems, 2011).
Im Rahmen dieser Studie werden die Fachkulturen exemplarisch in den Naturwissenschaften und Deutsch in Bezug auf
Fachwissen und Argumentieren untersucht. In den Curricula nahezu aller Unterrichtsfächer ist das Argumentieren zentraler
Bestandteil (Ludwig & Spinner, 2000), allerdings ist unklar, inwiefern diese Fähigkeit über unterschiedliche Fächer hinweg auf
vergleichbare Weise verstanden und praktiziert wird. Es lässt sich vermuten, dass in den Naturwissenschaften und in Deutsch
unterschiedliche Fachkulturen existieren und beispielsweise der Meinungsaustausch für den Deutschunterricht aus Schülersicht
eine wichtige Rolle spielt (vgl. Haag & Götz, 2012; Willems, 2011); wohingegen in den naturwissenschaftlichen Fächern eher die
Vorstellung herrscht, dass Fachwissen zentral ist (vgl. Haag & Götz, 2012; Steiner, 2014). Letztere Annahme deckt sich auch mit
Studien zur Wahrnehmung von Lehrkräften, die abhängig von der Schulart, Naturwissenschaften als „hartes“ und hoch
spezialisiertes Fach wahrnehmen, was insbesondere für Lehrerinnen und Lehrer gilt, die in hohen Klassenstufen an Gymnasien
unterrichten (de Brabander, 2000).
Fragestellung
Ziel der Studie ist die Untersuchung der Frage, inwiefern Argumentieren und die Nutzung von Fachwissen im Fach in
Abhängigkeit von der jeweils konstruierten Fachkultur erfolgen. Dies gilt sowohl für die naturwissenschaftlichen Fächer als auch
das Fach Deutsch, die beide Gegenstand dieser Studie sind. Zur Erklärung der Unterschiede wurden auf Schülerebene das
Geschlecht und auf Schulebene die Schulart herangezogen.
(1) Inwiefern unterscheidet sich die Wahrnehmung der Lernenden in den Fachkulturen bezüglich der Aspekte Argumentieren und
Fachwissen?
(2) Inwieweit kann die Wahrnehmung der Fachkulturen durch das Geschlecht und die Schulart erklärt werden?
Methode
An der Studie nahmen 3258 Schülerinnen und Schüler der 10. Jahrgansstufe unterschiedlicher Schulformen aus acht
Bundesländern teil (51,3% weiblich, Alter M=15,45 Jahre, SD=0,65). Etwas weniger als die Hälfte der Lernenden besuchte ein
Gymnasium (45,2%).
Im Rahmen der Testung wurde den Schülerinnen und Schülern ein Fragebogen mit jeweils acht Items für die
naturwissenschaftlichen Fächer und das Fach Deutsch vorgelegt, die auf einer 5-stufigen Likert-Skala angeordnet waren. Ein
Beispielitem für die Überzeugung zum Argumentieren lautet: „Im Unterricht ist es wichtig, dass ich meine eigene Sichtweise zu
einem Thema darlege.“ Die Überzeugung zur Rolle von Fachwissen wurde beispielweise mit dem folgenden Item erhoben: „Im
Unterricht ist es wichtig, über Fakten und Theorien Bescheid zu wissen.“
Die Auswertung der Daten erfolgte in Mplus 7.11 mit Hilfe einer Mehrebenenanalyse mit zwei Gruppen
(Deutsch/Naturwissenschaften) und zwei Analyseebenen (Lernende/Schulen). Starke Messinvarianz war gegeben, so dass
Mittelwertvergleiche vorgenommen werden konnten.
Ergebnisse
Die Befunde zeigen auf, dass Schülerinnen und Schüler den naturwissenschaftlichen Fächern signifikant eine geringere Rolle
beim Argumentieren zuschrieben als dem Fach Deutsch (d=-1,08, p<.001). Fachwissenschaftliche Aspekte hingegen wurden in
den naturwissenschaftlichen Fächern signifikant bedeutsamer wahrgenommen als im Fach Deutsch (d=1,27, p<.001).
Weiterführende Analysen mit dem Geschlecht auf Schülerebene zeigten keinen signifikanten Effekt, das heißt Mädchen und
Jungen unterscheiden sich nicht in ihrer Wahrnehmung der Aspekte von Fachkulturen. Hingegen deutet die IntraklassenKorrelation (ICC) auf Schulebene auf kleine, aber substanzielle Schulunterschiede hin, die je nach Aspekt der Fachkultur und
Fach von 9% bis 15% variieren. Dabei sind die Effekte für die Schulart Gymnasium deutlicher ausgeprägt, beispielweise wird an
Gymnasien die Rolle des Argumentierens in den Naturwissenschaften als geringer eingeschätzt als an nicht-gymnasialen
Schularten (-0.78, R2=61,4%).
Perspektivisch sind Kenntnisse über schulische Fachkulturen hinsichtlich der Gestaltung fachlicher Lernprozesse von Interesse,
um einen möglichen förderlichen oder sogar hinderlichen Einfluss auf das Lernen untersuchen zu können.
ID: 359 / D 11 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Lehrer(aus)bildung, Unterrichtsentwicklung/ Unterrichtsqualität
Stichworte: Lehrpersonenweiterbildung, ADHS, Unterricht, Grundschule, Evaluation.
Der FOKUS-Ansatz: Eine Weiterbildung für Lehrpersonen der Unterstufe zur Förderung von Kindern mit
Verhaltensauffälligkeiten und Unaufmerksamkeit in der Regelklasse
Sara Benini, Franziska Moser, Markus P. Neuenschwander
Pädagogische Hochschule FHNW, Schweiz
Die stetige Aktivität von hyperaktiven und unaufmerksamen Kindern sowie deren beeinträchtigte Aufmerksamkeitskapazität
während des Unterrichts stellen Lehrpersonen täglich vor grosse Herausforderungen. Darüber hinaus können
Verhaltensauffälligkeit und Unaufmerksamkeit im Kindesalter Bildungsverläufe und den schulischen Erfolg beeinträchtigen sowie
Risiken für spätere soziale, gesundheitliche Probleme darstellen (Fergusson, Boden & Horwood, 2008). Nicht selten erreichen
diese Kinder tiefere Leistungen als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, obwohl sie aufgrund ihrer durchschnittlichen Intelligenz
zu durchschnittlichen Leistungen im Stande sind (Döpfner, Fröhlich & Lehmkuhl, 2013). Um verhaltensauffälligen und
unaufmerksamen Kindern eine erfolgreiche Mitarbeit in der Klasse zu ermöglichen, ist es wichtig, dass Lehrpersonen eine
wertschätzende, durch positive Interaktionen charakterisierte Beziehung aufbauen (Dubs, 2010). Aus diesem Grund nehmen
Strategien zur Förderung von Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen, nebst
fachlichen und didaktischen Unterrichtsstrategien, einen zentralen Stellenwert ein. Die Haltung der Lehrpersonen gegenüber
auffälligen Kindern und die Kenntnis angemessener Förderstrategien für den Unterricht spielen bei der Unterstützung dieser
Kinder eine wichtige Rolle (Kos, Richdale & Hay, 2006).
Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen des FOKUS Projekts eine Weiterbildung für Lehrpersonen der Unterstufe mit drei
Elementen konzipiert: a) Klassenführung, d.h. das Bereitstellen einer strukturierten und förderlichen Lernumgebung; b)
Kindsspezifische Strategien, d.h. der Einsatz von Massnahmen zur Förderung der Selbstregulation und Konzentration; c) ElternLehrpersonen-Zusammenarbeit, d.h. der Aufbau von gegenseitigem Vertrauen, Informationsaustauch und Koordination von
kindesspezifischen Massnahmen.
Folgende Forschungsfragen stehen im Zentrum dieses Beitrags: a) Wirkt sich die Weiterbildung auf den Umgang mit und die
Haltung der Lehrpersonen gegenüber den Kindern aus? b) Unterscheidet sich die Wirkung der Weiterbildung zwischen den
Gruppen A und AB auf deren Umgang mit den Kindern und deren Verhalten im Unterricht?
An der Studie haben 137 Lehrpersonen der Unterstufe aus neun unterschiedlichen Schweizer Kantonen teilgenommen. Sie
wurden zufällig in drei Gruppen geteilt: Lehrpersonen der Gruppe A (N=52) haben nur das Element (a) der Klassenführung
kennengelernt. Die Lehrpersonen der Gruppe AB (N=39) wurden zu allen drei oben genannten Elementen weitergebildet.
Lehrpersonen der Kontrollgruppe (N=38) haben keine Weiterbildung besucht. Die Wirkung der Weiterbildung wurde mit einer
Lehrerbefragung vor und nach der Weiterbildung im Abstand von ca. einem Jahr gemessen. Die Lehrpersonen beantworteten
Fragen zur Klassenführung und zum Verhalten der Kinder. Darüber hinaus wurden die Reaktionen der Lehrpersonen auf das
Verhalten des Kindes während einer Lektion vor und nach der Weiterbildung beobachtet.
Erste Ergebnisse der Varianzanalyse mit Messwiederholung für die einzelnen Gruppen zeigten, dass die Intervention in beiden
Gruppen A und AB einen signifikanten Einfluss auf die Haltung der Lehrpersonen gegenüber den Kindern hat. Die gewonnenen
Befunde zeigen eine gestiegene Wertschätzung der Lehrpersonen gegenüber den individuellen Bedürfnissen
verhaltensauffälliger und unaufmerksamer Kinder im Unterricht. Weiter zeigen erste Ergebnisse von Varianzanalysen zur
Veränderung des Lehrpersonenverhaltens zwischen dem Pretest und Posttest gemäss Verhaltensbeobachtung, dass
Lehrpersonen der Gruppe A im Vergleich zur Gruppe AB und zur Kontrollgruppe beim Auftreten von auffälligem Verhalten
häufiger förderliche Reaktionsstrategien (z.B. positive Zurechtweisung, Arbeitsauftrag anpassen, etc.) anwenden.
Gegenwärtig analysieren wir, ob die unterschiedlichen Elemente der Weiterbildungen (A und AB) einen Einfluss auf die
Umsetzung der Förderungsstrategien im Unterricht und auf den persönlichen Gewinn im Schulalltag der Lehrpersonen haben.
Die Ergebnisse werden im Hinblick auf die praktische Umsetzung in der Weiterbildung von Lehrpersonen der Unterstufe
diskutiert.
ID: 364 / D 04 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration
Stichworte: Stereotyp, Schullaufbahnempfehlung, Experiment, Vignetten, Ethnizität, Kontext
Zusammenwirken von Kontext und Stereotyp: Verstärken konfirmierende Kontextinformationen den
Effekt ethnischer Stereotype auf die Schullaufbahnempfehlung?
Henrike Kärchner1, Sabine Glock2, Florian Klapproth3
1
Philipps-Universität Marburg, Deutschland; 2Universität Wuppertal, Deutschland; 3Medical School Berlin, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Der Migrationsstatus von Schülerinnen und Schülern ist im pädagogischen Kontext Schule ein Merkmal, das über Schulerfolg
und zukünftige berufliche Chancen mitentscheidet. Ethnische und kulturelle Diversität führen nicht nur zu einer größeren
Heterogenität im Klassenzimmer, sondern auch zu einer systematischen Benachteiligung von Schülerinnen und Schülern aus
ethnisch-kulturellen Minoritäten. Als Ursache dieser Benachteiligung werden ethnisch-spezifische stereotype Lehrererwartungen
diskutiert (Tenenbaum & Ruck, 2007).
Auswirkungen von Stereotypen werden sichtbar z. B. in der Schullaufbahnempfehlung, die am Ende der Grundschulzeit für die
Schülerinnen und Schüler die Schulform in der Sekundarstufe nahelegt bzw. zuweist. Untersuchungen im deutschsprachigen
Raum konnten zeigen, dass Lehrkräfte dazu neigen, auch bei Kontrolle der Leistung Schülerinnen und Schüler mit
Migrationshintergrund schlechter einzuschätzen (Sprietsma, 2013) und ihnen seltener eine Gymnasialempfehlung zu erteilen als
Schülerinnen und Schülern ohne Migrationshintergrund (Gresch, 2012; Lintorf, Guill & Bos, 2008). Zu den Konsequenzen dieser
Urteilsverzerrung zählen unter anderem eine Häufung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund auf den unteren
Schulzweigen der Sekundarstufe (Baumert & Schümer, 2002) und eine geringere Chance dieser Schülergruppe auf beruflichen
Erfolg (Euwals, Dagevos, Gijsberts & Roodenburg, 2007).
Stereotype Beurteilungen von Personen können durch Kontextinformationen beeinflusst werden. Bestätigt der Kontext das
Stereotyp, fallen die Beurteilungen von Personen stärker in Richtung des Stereotyps aus, als wenn der Kontext dem Stereotyp
widerspricht (Casper, Rothermund & Wentura, 2010; Wittenbrink, Judd & Park, 2001).
Fragestellung
Inwieweit Kontextinformationen die stereotype Beurteilung von Schülerinnen und Schülern beeinflusst, wurde in der vorliegenden
Studie geprüft. Mit zwei Experimenten wurde die Hypothese getestet, dass konfirmierende Kontextinformationen den Effekt
ethnischer Stereotype auf die Schullaufbahnempfehlung verstärken, während diskonfirmierende Kontextinformationen ihn
abschwächen sollten.
Methode
Grundlage der Studie waren 24 Schülervignetten, in denen die ethnische Herkunft der Schülerinnen und Schüler über deren
Vornamen (türkisch oder deutsch) systematisch variiert wurde. Die Vignetten ähnelten inhaltlich den Abschlusszeugnissen der
Grundschule. Jeder Versuchsperson wurde jede der 24 Vignetten dargeboten, so dass der komplette Satz an Vignetten einer
Schulklasse ähnelte. Den Kontext bildete in Experiment 1 die Religionszugehörigkeit der Schüler (sozialer Kontext; muslimisch
oder christlich) und in Experiment 2 die Anzahl von Fehltagen in der Schule (behavioraler Kontext; viele oder wenige Fehltage).
Die Versuchspersonen waren Studierende des Grundschullehramts (N1 = 72, N2 = 100), deren Aufgabe es war, auf Grundlage
der Informationen in den Vignetten eine Empfehlung für oder gegen den Gymnasialbesuch zu erteilen.
Ergebnisse
In beiden Experimenten zeigten sich, bezogen auf die relative Häufigkeit von Gymnasialempfehlungen, Haupteffekte der
Ethnizität und des Kontextes: Türkische Schülerinnen und Schüler wurden seltener für das Gymnasium empfohlen als deutsche
Schülerinnen und Schüler. Ferner gab es signifikant seltener Empfehlungen für muslimische als für christliche sowie seltener für
Schüler mit vielen Fehltagen als für Schüler mit wenigen Fehltagen. Unerwartet war hingegen die Interaktion zwischen Ethnizität
und Kontext, die in beiden Experimenten auftrat: Der Effekt des Kontextes war eher gering ausgeprägt bei den deutschen
Schülern, während er ein deutlich größeres Gewicht bei den türkischen Schülern hatte. Die Ergebnisse werden im Hinblick auf
zwei unterschiedliche Prozesse der Urteilsbildung diskutiert (vgl. Richards & Hewstone, 2001), nämlich subtyping (stereotypdiskonfirmierende Kontextinformation führt zur Bildung einer Untergruppe von Schülerinnen und Schülern, die relativ geringer
von dem übergeordneten Stereotyp affiziert wird) und subgrouping (stereotyp-diskonfirmierende Kontextinformation resultiert in
einer Erweiterung des Stereotyps).
ID: 367 / G 17 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lernen mit Computer und neuen Medien, Methoden der
empirischen Bildungsforschung
Stichworte: Multimedia, Low-Stakes-Assessment, Testkonstruktion, Testmotivation, Bearbeitungszeitanalyse
Veranschaulichende Bilder beim Testen: Eine Bearbeitungszeitanalyse zur Trennung kognitiver und
motivationaler Effekte
Marlit Annalena Lindner, Oliver Lüdtke, Olaf Köller
Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN), Deutschland
Hintergrund und Studienziel
Erste Studien zeigen, dass veranschaulichende Bilder im Rahmen von Testaufgaben einen positiven Einfluss auf die
Lösungswahrscheinlichkeit (Hartmann, 2012; Saß, Wittwer, Senkbeil & Köller, 2012) sowie die Motivation von Schülerinnen und
Schülern (SuS) im Low-Stakes-Assessment (Lindner, Ihme, Saß & Köller, 2015; Wise, Pastor & Kong, 2009) haben können. Um
Bilder in der Testkonstruktion zukünftig gezielter zu nutzen, müssen bisherige Befunde jedoch repliziert und erweitert werden.
Während Hypothesen über kognitive Effekte veranschaulichender Bilder (z.B. bessere mentale Modellbildung) durch Anleihen
bei Multimediatheorien der Instruktionspsychologie (z.B. Integrative Theorie des Text- und Bildverstehens, Schnotz & Bannert,
2003) generierbar sind, können Annahmen über motivationale Effekte durch Anleihen bei Theorien des situationellen Interesses
(z.B. Hidi & Renninger, 2006; Mitchell, 1993) getroffen werden. Basierend auf diesem theoretischen Unterbau ist es Ziel dieser
experimentellen Klassenzimmerstudie, Anteile motivationaler und kognitiver Effekte veranschaulichender Bilder auf die
Lösungswahrscheinlichkeit anhand von Bearbeitungszeitanalysen besser zu verstehen.
Methode
SuS fünfter und sechster Klassen (N = 401) wurden randomisiert einem von sechs computerisierten (am Laptop dargebotenen)
Testheften zugeteilt. Diese folgten einem Multimatrix-Design und realisierten eine experimentelle within-subject Manipulation von
36 jeweils parallel vorliegenden Testaufgaben (nur Text vs. Text + Bild) bei individueller Rotation der Aufgabenpositionen. Die
basalen naturwissenschaftlichen Aufgaben wurden in Anlehnung an die TIMSS 2011 Studie (IEA, 2013) erstellt (EAP/PV
Reliabilität .83). Die Bilder veranschaulichten den im Text beschrieben Sachverhalt, ergänzten darüber hinaus jedoch keinerlei
lösungsrelevante Information. Bearbeitungszeiten der SuS wurden aufgezeichnet und von oberen Ausreißern gesäubert. Extrem
geringe Bearbeitungszeiten wurden mit der normativen Schwellenmethode von Wise & Ma (2012) als Rapid-Guessing-Behavior
(RGB) identifiziert und die Anzahl der RGB-Durchgänge je SuS in weiteren Analysen als linearer Indikator für mangelnde
Testmotivation genutzt. In (generalisierten) gemischten Mehrebenen-Modellen (GLMM; vgl. z.B. De Boeck et al., 2011) wurde
unter Berücksichtigung der Aufgabenposition der Einfluss der Bildmanipulation auf (1) die Neigung zum schnellen Raten (RGB),
(2) die Aufgabenbearbeitungszeit und (3) die Lösungswahrscheinlichkeit untersucht. Bei Analysen zu (2) und (3) wurde die
Bearbeitungsmotivation der SuS als Kovariate berücksichtigt, um differenziell interpretierbare Indikatoren für kognitive und
motivationale Bildeffekte zu generieren.
Ausgewählte Ergebnisse und Diskussion
Die initiale Motivation der SuS sich mit einer Aufgabe zu beschäftigen wurde durch die Bilder begünstigt, was sich in einer
deutlichen Abnahme von schnellem Rateverhalten (RGB) in Bildaufgaben gegenüber Textaufgaben (p < .01) zeigte. Damit
konnten wir Befunde von Wise et al. (2009) im experimentellen Setting replizieren. Eine signifikante Interaktion des Bildeffekts
mit der Aufgabenposition lag jedoch nicht vor. Darüber hinaus fanden wir differenzielle Effekte der Bilder auf die aufgewendete
Bearbeitungszeit von SuS in Abhängigkeit ihrer Testmotivation. So sorgten Bilder bei SuS mit engagiertem Testverhalten zu
Testbeginn für eine Verringerung der Bearbeitungszeit (p < .01), was vermutlich den theoretisch begründeten kognitiven Vorteil
veranschaulichender Bildern bei der mentalen Modellbildung wiederspiegelt. Über den Verlauf des Tests hinweg sorgten die
Bilder dann für eine Stabilisierung der allgemein abnehmenden Bearbeitungszeit (p < .05), was auf einen motivationalen Bildeffekt
selbst bei engagierten Kindern hinweist. Vor allem profitierten jedoch unmotivierte SuS (RGB Neigung), bei denen Bilder eine
deutliche Erhöhung der Bearbeitungszeit induzierten (p < .001) und damit vermutlich aufgrund einer gesteigerten
Bearbeitungsmotivation eine wünschenswert längere Beschäftigung mit den Testaufgaben sicherstellten. Hinsichtlich des
Lösungserfolgs zeigte sich erwartungsgemäß, dass SuS besser in Bildaufgaben gegenüber parallelen Textaufgaben abschnitten
(p < .05). Der Effekt trat dabei unabhängig von der zugrundeliegenden Testmotivation der SuS auf, operierte allerdings auf
unterschiedlichen Leistungsniveaus. Mit Blick auf das differenzielle Testbearbeitungsverhalten ist anzunehmen, dass der
leistungssteigernde Effekt bei engagiert arbeitenden SuS direkt durch den kognitiven Vorteil bei der mentalen
Aufgabenrepräsentation begründet ist, bei unmotivierten SuS dagegen zunächst durch eine Erhöhung der Beschäftigungszeit
mit den Testaufgaben vermittelt wird. Zusammenfassend lassen unsere Daten auf eher wünschenswerte Effekte
veranschaulichender Bilder im Low-Stakes-Assessment schließen.
ID: 371 / B 01 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Lehrer(aus)bildung, Motivation und Emotion
Stichworte: dimensionale Vergleiche, Interesse, Lehramtsstudierende, Hochschule
Dimensionale Vergleichsprozesse und ihre Wirkung auf bereichsspezifische Interessen im
Lehramtsstudium
Lena Rösler1, Friederike Zimmermann2, Jan Retelsdorf1, Jens Möller2
1
IPN - Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik; 2Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
(CAU)
Bereichsspezifisches Interesse spielt eine Schlüsselrolle in Bildungseinrichtungen (Wigfield & Cambria, 2010). Spezifische
Interessen erleichtern das Lernen und den Erwerb von Wissen in der jeweiligen Domäne (Hidi, 1990; Krapp, 2002). Darüber
hinaus gibt es eine Vielzahl an Studien, welche die Bedeutung von Interessen für akademische Wahlentscheidungen stützen
(z.B. Harackiewicz, Barron, Tauer & Elliot, 2002). Bezogen auf Lehrkräfte werden Interessen als wichtiger Aspekt
professionsbezogener Kompetenzen beschrieben (Kunter et al., 2013). So gibt es bereits empirische Evidenz, dass das Interesse
der Lehrkräfte positive Effekte auf die Motivation und das Lernen der Schülerinnen und Schüler hat (Kunter & Holzberger, 2014).
Trotz der hohen Bedeutung von Interessen für das Studium und den Beruf, gibt es bislang wenige Studien, welche sich mit der
Genese bereichsspezifischer Interessen und den ihr zugrundeliegenden Mechanismen beschäftigen. Es lässt sich aber sowohl
theoretisch als auch empirisch erwarten, dass die eigene Kompetenz ein wichtiger Prädiktor für Interesse ist (z.B. Köller, Baumert
& Schnabel, 2001; Trautwein, Lüdtke, Marsh, Köller & Baumert, 2006). Eine vielversprechende Theorie, welche sich mit Effekten
von Kompetenz auf bereichsspezifische Variablen beschäftigt, ist die Theorie zu dimensionalen Vergleichsprozessen (Möller &
Marsh, 2013). Danach vergleichen Personen ihre Fähigkeiten in einem spezifischen Bereich nicht nur mit den Fähigkeiten einer
anderen Person (sozialer Vergleich), sondern gleichermaßen mit den eigenen Fähigkeiten in einem anderen Bereich
(dimensionaler Vergleich), was wiederum Effekte auf bereichsspezifische Zielvariablen hat. Während eine Vielzahl an Arbeiten
Effekte dimensionaler Vergleichsprozesse auf das Selbstkonzept berichten (für einen Überblick vgl. Möller & Marsh, 2013; Möller,
Pohlmann, Köller & Marsh, 2009), finde sich bislang wenige Arbeiten, welche die Annahmen auf andere motivationale Variablen
wie Interesse übertragen (Goetz, Frenzel, Hall & Pekrun, 2008; Schurtz, Pfost, Nagengast & Artelt, 2014; Trautwein et al., 2006).
Zudem fokussieren die meisten Arbeiten auf Vergleichsprozesse zwischen Schulfächern (für einen Überblick vgl. Möller & Marsh,
2013; Möller et al., 2009).
Mit dem vorliegenden Beitrag knüpfen wir an den aktuellen Forschungsstand an, indem wir die Bedeutung dimensionaler
Vergleichsprozesse für bereichsspezifische Interessen in zwei Studienbereichen prüfen. Wir verfolgen dabei die Fragestellung,
ob sich dimensionale Vergleichsprozesse zur Erklärung intraindividueller Unterschiede im bereichsspezifischen Interesse
Studierender eignen. Dazu untersuchen wir im Detail Effekte von Leistung auf Interesse im Fach- und bildungswissenschaftlichen
Studium von Lehramtsstudierenden. Wir erwarten dabei als Konsequenz dimensionaler Vergleiche (1) negative Effekte von
Leistung auf Interesse zwischen den Studienbereichen sowie als Konsequenzen sozialer Vergleiche (2) positive Effekte von
Leistung auf Interesse innerhalb eines Studienbereichs.
Den Analysen liegt eine Stichprobe von 146 Studierenden des gymnasialen Lehramts an 10 Hochschulen in Deutschland
zugrunde. Die Studierenden wurden per Online-Fragebogen zu Beginn (T1) des zweiten Semesters rückblickend zu ihren Noten
im ersten Semester befragt. Zum Ende des zweiten Semesters (T2) schätzten die Studierenden ihr aktuelles Interesse an den
Studienbereichen ein.
Ergebnisse eines Strukturgleichungsmodells zeigen in Bezug auf Hypothese 1 einen mittleren negativen Effekt der Leistung im
Fach auf das Interesse an den Bildungswissenschaften, hingegen keinen signifikanten Effekt von Leistung in den
Bildungswissenschaften auf das Interesse im Fach. Innerhalb der Studienbereiche lassen sich positive Effekte von Leistung auf
Interesse identifizieren, was Hypothese 2 bestätigt.
Die Befunde deuten darauf hin, dass Leistungen in den fachlichen Lehrveranstaltungen das Interesse an den
Bildungswissenschaften beeinflussen, umgekehrt allerdings nicht. Möglicherweise spielt hier die spezifische Interessenslage
gymnasialer Lehramtsstudierender eine Rolle (Retelsdorf & Möller, 2012). Soziale Vergleichsprozesse lassen sich in beiden
Studienbereichen identifizieren. In weitere Analysen soll geklärt werden, ob bereichsspezifische Selbstkonzepte den Effekt von
Leistung auf Interesse vermitteln.
ID: 372 / A 16 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Ökonomie
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Methoden der empirischen Bildungsforschung, Ökonomie und Bildung
Stichworte: G8-Reform, Gymnasialschulzeitverkürzung, Politikevaluation, Studierendenstatistik, Differenz-von-DifferenzenRegression
High school duration and its effects on university education. Evidence from the G8 reform
Vaishali Zambre1, Jan Marcus2,3,1
1
DIW Berlin, Deutschland; 2Universität Hamburg; 3CIDER
Context and research question:
A major education reform in Germany reduced the years spend in academic high schools by one year. The main goal of this socalled G8 reform was to decrease the age at labour market entry, thereby addressing the challenges of demographic change.
Reducing the required time to earn the general university entrance certificate (Abitur) by one year does not automatically result
in a one-year reduction in age at labour market entry. Previous research on the G8 reform has shown that already the mean age
at high school graduation is not reduced by a full year but only by 10 months, partly due to increased grade repetition (Huebener
and Marcus, 2015). This evidence indicates that the reform may stay behind its full potential of reducing the mean age at labour
market entry by one year.
Due to the recency of this reform, it is too early to analyse the age of affected individuals at labour market entry as the affected
cohorts have not yet entered the labour market. Therefore, we investigate the reform’s effect on the mean age at university
enrolment, thereby evaluating the effectiveness of the reform. If students are younger at enrolment, they are also more likely to
enter the labour market earlier. One possible reason why the reform may not exhaust its full potential stems from the fact that
shortening school duration leaves students less time for orientation. This may induce students to take some time off after
graduating from high school (for example, to go abroad or to work etc.) to identify their preferences, interests and skills. This
behavioral response would counteract the main goal of the G8 reform. For a better understanding of the overall consequences
of the controversial G8 reform, we will also examine whether the reform had further unintended consequences (like lower
university enrolment rates, different subject choices etc.).
Empirical strategy and data:
The fact that the federal states introduced the reform at different points in time produces a natural experiment. We exploit this
variation in time and across states using a difference-in-differences approach. The major advantage of this approach is that it
allows us to identify the causal effect of the reform abstracting from general differences between states as well as from general
changes that occur over time but affect all students equally. Additionally, we are also able to isolate the effect of the G8 reform
from other policy reforms (e.g. introduction/abolishment of tuition fees) that were implemented during our observation period.
We use administrative data (“Studierendenstatistik”) that covers all students enrolled in any German university, who graduated
from an academic high school between 2002 and 2011 (over 1.71 million students).
Results:
Our results show that the G8 reform decreased the age at university enrolment. However, mean age could only be reduced by
eight months. This result is robust in a broad range of sensitivity tests and persists over time. Taking the results of Huebener and
Marcus (2015) at face value, this implies that students “loose” on average an additional two months between high school
graduation and university enrolment. We further find that especially females delay university enrolment. In the next weeks we will
similarly analyse the effect of the G8 reform on subject choice, general enrolment rates and other potentially unintended
consequences.
The results of our study are not only informative for the German context but also for policy makers in many other OECD countries,
trying to increase the number of active labour market participants in order to address the challenges of an aging society.
ID: 373 / B 15 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Gesundheit/ Stress/ Belastung, Motivation und Emotion
Stichworte: Leistungsbezogene Selbstwirksamkeit, Prüfungsangst, Studienerfolg, Wichtigkeit von Prüfungen
Selbstwirksamkeit, Prüfungsangst und Studienerfolg: Eine Längsschnittvalidierung der
Beziehungsmuster auf Basis der Kontroll-Wert-Theorie und der selbstregulativen Zielerreichungstheorie
Julia Roick, Tobias Ringeisen
University of Applied Sciences Merseburg, Deutschland
Theoretischer Hintergrund: Die Kontroll-Wert-Theorie (KWT) spezifiziert die Reihenfolge der (kognitiven) Variablen, die
leistungsbezogene Emotionen wie Prüfungsangst hervorvorrufen (Pekrun, 2006; Pekrun et al., 2007). Die KWT schlägt vor, dass
(1) dispositionale Kontrollüberzeugungen, (2) antizipierter Misserfolg, und (3) eine hohe Wichtigkeit akademischen Erfolgs in der
genannten Reihenfolge als Wirkungskette Prüfungsangst vorhersagen, die wiederum mit einer Minderung akademischer Leistung
assoziiert sind. Für die vorgeschlagene Struktur der Zusammenhänge liegt ein erster Beleg im Querschnitt vor (Ringeisen et al.,
2015), doch fehlt eine längsschnittliche Validierung der angenommenen Wirkungskette.
Weiterhin ist kein Versuch unternommen worden, die Annahmen der KWT mit der Theorie der selbstregulatorischen
Zielerreichungsprozesse (TSZ; Schwarzer, 1998) zu verknüpfen. Nach letzterer stellt Selbstwirksamkeit als dispositionale
Kontrollüberzeugung ein Schlüsselkonzept dar, welches auf alle Pfade der o.g. Kette wirkt. Für Lernsettings liegen erste
empirische Hinweise für die Gültigkeit dieser Annahme im Querschnitt vor (Schnell et al., 2015) vor, doch steht eine Untersuchung
im Längsschnitt bisher aus.
Fragestellung: Auf Basis des bisherigen Forschungsstands wurde in der vorliegenden Studie untersucht, ob sich die auf Basis
der KWT angenommene Wirkungskette im Längsschnitt validieren lässt und ob Selbstwirksamkeit, wie in der TSZ vorgeschlagen,
auf alle Pfade der Kette Einfluss nimmt.
Methode: 92 Studierende füllten im Hinblick auf eine mündliche Modulprüfung Fragebögen aus, wobei leistungsbezogene
Selbstwirksamkeit (Satow & Jerusalem, 1999), die erwartete Note und die Wichtigkeit des Abschneidens (Ringeisen et al., 2015)
zwei Wochen vor der Prüfung erhoben wurden, die zustandsbezogene Prüfungsangst (Ringeisen & Buchwald, 2010) 30 min vor
und direkt nach der Prüfung aber vor Bekanntgabe der Note. Als Indikator für den Studienerfolg wurde eine Stunde nach der
Prüfung die erzielte Note ermittelt (Schnell et al., 2015). Die erwarteten Zusammenhangsmuster der Variablen wurden anhand
von Strukturgleichungsmodellen untersucht.
Ergebnisse: Die Ergebnisse bestätigen die Annahmen der KWT zur Reihenfolge der Prädiktoren: Leistungsbezogene
Selbstwirksamkeit ging mit einer besseren erwarteten Note einher, die wiederum mit einer höheren Wichtigkeit eines guten
Abschneidens assoziiert war. Eine hohe Wichtigkeit war mit erhöhter Prüfungsangst vor der Prüfung korreliert. Erhöhte
Angstwerte vor der Prüfung schließlich determinierten erhöhte Angstwerte nach der Prüfung, die wiederum mit einer schlechteren
Note gekoppelt waren. Zusätzlich zeigte sich, dass Selbstwirksamkeit wie der TSZ angenommen - mit Ausnahme der Wichtigkeit
des Abschneidens - auf alle Pfade der Kette wirkte. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Annahmen der KWT zur Reihenfolge
von Emotions- und Leistungsprädiktoren auch im Längsschnitt gelten, wobei der Selbstwirksamkeit von Studierenden ein
förderlicher Effekt auf selbstregulatorische Zielerreichungsprozesse zukommt. Implikationen für die weitere Forschung werden
diskutiert.
ID: 376 / D 04 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Schulentwicklung
Stichworte: Schulformwechsel, Schulstrukturreform, Selektion, Durchlässigkeit, soziale Herkunft
Schulformwechsel im zweigliedrigen Schulsystem: Determinanten für das Nichtbestehen des
Probejahres am Gymnasium in Berlin
Ricarda Albrecht, Marko Neumann, Malte Jansen, Kai Maaz
Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Deutschland
Theoretischer Hintergrund: In der Bildungsforschung wird der Wechsel der weiterführenden Schulform einerseits als Indikator
für die Offenheit des und Wahlfreiheit im gegliederten Schulsystem(s), andererseits als Nachweis einer einschränkten
prognostischen Validität der Bildungsgangempfehlung am Ende der Grundschulzeit angesehen (Cortina, 2003). In den ersten
Jahren der Sekundarstufe werden sie außerdem als Maßnahme verstanden, eine im Rückblick falsche Übergangsentscheidung
zu korrigieren. Bei Schulformwechseln kann zwischen Aufwärts- und Abwärtsmobilität unterschieden werden, wobei die
Abwärtsmobilität in der Sekundarstufe überwiegt (Bellenberg, 2012). Wechselt ein Schüler nach dem Übergang an eine als
weniger prestigereich erachtete Schulform, so wird dies häufig auch als Indikator für die bestehende pädagogische Tradition der
Selektion im gegliederten Bildungssystem angesehen. Entsprechend wird Schulformwechseln zum Teil auch eine Verstärkung
sozialer Ungleichheiten zugeschrieben (Jacob & Tieben, 2010; Ditton, 2013). Gleichwohl bestimmt die Schulformwahl im
Anschluss an die Grundschule den endgültigen Bildungsabschluss heutzutage nicht mehr so stark wie noch vor einigen
Jahrzehnten. In Verbindung mit einer erhöhten Durchlässigkeit des Bildungssystems lässt sich auch eine zunehmende
Entkopplung von Schulformzugehörigkeit und Bildungsabschluss beobachten (Schuchart, 2006).
Diese Entwicklung wird auch im Berliner Schulsystem sichtbar, das mit der Schulstrukturreform im Jahr 2010/11 auf ein
Sekundarschulsystem mit nur noch zwei Schulformen umgestellt hat: dem Gymnasium und der Integrierte Sekundarschule (ISS).
Beide Schulformen ermöglichen den Erwerb des Abiturs. Die Entscheidung der Wahl der weiterführenden Schulform am Ende
der Grundschule (Klasse 6) liegt nach wie vor bei den Eltern, die seitens der Grundschule ausgesprochene
Bildungsgangempfehlung hat somit keinen bindenden Charakter. Im Rahmen der Strukturreform wurde die Probezeit an den
Gymnasien von einem halben auf ein ganzes Jahr ausgeweitet. Erbringt ein Schüler nicht die erforderlichen Leistungen, wechselt
er nach der 7. Klasse in die 8. Klasse einer ISS.
Zur Frage möglicher Determinanten eines abwärtsbezogenen Schulformwechsels im Allgemeinen und des Nichtbestehens des
Probejahres im Besonderen liegen bislang nur wenige Forschungsbefunde vor. Die vorhandenen Befunde deuten darauf hin,
dass die schulische Leistung, die Übergangsempfehlung und Bildungsaspiration Effekte auf den Schulformwechsel ausüben
können und zudem signifikante Beziehungen zwischen dem Wechsel der weiterführenden Schulform und dem sozialen
Hintergrund bestehen (Stubbe, 2009; Jacob & Tieben, 2010; Ditton, 2013).
Fragestellung: Der Fokus des Beitrags liegt auf dem Wechsel vom Gymnasium auf eine Integrierte Sekundarschule nach der
7. Klasse (Probejahr am Gymnasium) in Berlin. Es wird untersucht, welche leistungsbezogenen, schulbiografischen und
familiären Hintergrundmerkmale prädiktiv für das Nichtbestehen des Probejahres sind. Dabei wird auch der Frage nachgegangen,
inwieweit familiäre Hintergrundmerkmale nach Berücksichtigung von Leistungsmerkmalen von Bedeutung sind (sekundäre
Herkunftseffekte).
Methoden: Die Untersuchung basiert auf den Daten der BERLIN-Studie (Maaz et al., 2013), einer längsschnittlich angelegten
Schulleistungsstudie zur Evaluation der Berliner Schulstrukturreform. Dabei wird die vollständig erfasste Population (N=754) der
Schulformwechsler eines Schülerjahrganges betrachtet und zunächst durch Gegenüberstellung der Verteilungen und
Mittelwertsvergleiche untersucht, wie sich diese von der Gruppe der ehemaligen Klassenkameraden, die auf den Gymnasien
verblieben sind (repräsentative Stichprobe N=1470), unterscheidet. Zur Vorhersage des Schulformwechsels mittels
verschiedener Prädiktoren werden multivariate logistische Regressionsanalysen durchgeführt. Neben Leistungsindikatoren
gehen Indikatoren der sozialen Herkunft, der Migrationshintergrund und schulbiografische Merkmale der Schüler in die Analysen
ein.
Ergebnisse: Die Analysen ergaben signifikante und bedeutsame Unterschiede zwischen beiden Gruppen, etwa hinsichtlich der
in der Grundschule erbrachten Noten und Testleistungen, der Bildungsgangempfehlung, der Noten am Ende 7. Klasse sowie
den Indikatoren des sozialen Hintergrundes. Multivariate logistische Regressionsanalysen zur Vorhersage des
Schulformwechsels zeigten, dass erwartungsgemäß insbesondere die leistungsbezogenen Indikatoren prädiktiv für den Wechsel
sind. Gleichwohl verbleiben auch nach Kontrolle der am Ende der siebten Klasse erreichten Noten und weiterer
Leistungsmerkmale statistisch signifikante Effekte der sozialen Hintergrundindikatoren auf den Schulformwechsel. Hierin deuten
sich sekundäre Effekte der sozialen Herkunft beim Schulformwechsel nach der 7. Klasse an.
ID: 381 / H 17 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: Motivation zur Testbearbeitung, Bearbeitungszeiten, Indikatorenbildung, Einflussfaktoren, PIAAC
Wie lässt sich die Motivation zur Testbearbeitung mit Hilfe von Bearbeitungszeiten erfassen und mit
welchen Faktoren hängt sie zusammen?
Frank Goldhammer1, Thomas Martens2, Oliver Lüdtke3
1
DIPF - Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, ZIB - Zentrum für internationale
Bildungsvergleichsstudien; 2Medical School Hamburg; 3IPN - Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und
Mathematik, ZIB - Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien
Theoretischer Hintergrund. Internationalen Bildungsvergleichsstudien wie z.B. PISA oder PIAAC haben keine unmittelbaren
Konsequenzen für die Testperson (sog. low-stake assessments). Das kann dazu führen, dass Personen nur wenig zur
Testbearbeitung motiviert sind, d.h. sich nicht anstrengen und nicht das zeigen, was sie tatsächlich wissen und können Die so
erzielten Testwerte unterschätzen das wahre Kompetenzniveau einer Person (vgl. Kong, Wise, & Bhola, 2007). Wenn diese
Unterschätzung differentiell ausfällt spiegelt die Testwertevarianz auch konstruktirrelevante Varianz wieder (Haladyna &
Downing, 2004). Somit ist die Validität von Schlussfolgerungen auf der Grundlage des Testwertes in Frage gestellt.
Vorliegende Studie untersucht anhand von Daten des computerbasiert durchgeführten Programme for the International
Assessment of Adult Competencies (PIAAC), wie die Motivation zur Testbearbeitung mit Hilfe von Bearbeitungszeiten erfasst
werden kann (vgl. Bridgin, 2015) und mit welchen (potentiell erklärenden) Faktoren sie zusammenhängt. Die Bildung von
Indikatoren der Testbearbeitungsmotivation beruhte dabei auf der Annahme, dass wenig motivierte Testpersonen sich nur so
kurze Zeit mit einem Item befassen, dass gar keine Möglichkeit besteht, überhaupt eine korrekte Lösung abzugeben. Für die
Bildung von entsprechenden Zeitschwellen wurden unterschiedliche Methoden verwendet, die konstante oder itemspezifische
Schwellen ergeben (vgl. Lee & Jia, 2014; Kong, Wise, & Bhola, 2007).
Fragestellungen. (i) Wie unterscheiden sich die Indikatoren der Motivation zur Testbearbeitung basierend auf konstanten und
itemspezifischen Reaktionszeitschwellen hinsichtlich ihrer Validität? Die Validität wurde danach bemessen, ob die mit einer
Methode als unmotiviert klassifizierten Antworten mit einer hohen Rate inkorrekter Lösungen einhergingen (und umgekehrt). (ii)
Mit welchen Merkmalen auf der Test- und Personeneben hängt die Motivation zur Testbearbeitung zusammen? Auf Testebene
wurde untersucht, ob die Motivation zur Testbearbeitung von der Position des Items abhängt, auf Personenebene, ob sie mit
Kontextmerkmalen wie Alter, Geschlecht, Bildungsgrad und Sprache assoziiert ist.
Methode. Für die Analysen wurden die veröffentlichten Daten aller PIAAC Runde 1-Länder verwendet. Die Stichprobe umfasste
N = 152 514 Personen aus 22 Ländern mit einem Durchschnittsalter von 40.05 Jahren (SD = 14.50) und einem Anteil von 47.40
% männlichen Teilnehmern. Das PIAAC Testdesign sah vor, dass Personen die Kompetenztestaufgaben in zwei Modulen
bearbeiteten, wobei Literacy mit Numeracy kombiniert war (oder umgekehrt), Problem solving mit Literacy oder Numeracy oder
ausschließlich Problem solving.
In der vorliegenden Studie wurden konstante Zeitschwellen von 3 und 5 Sekunden verwendet. itemspezifische Schwellen wurden
zum einen durch visuelle Inspektion der (bimodalen) Reaktionszeitverteilung gebildet, nämlich die Reaktionszeit, bei der die
Verteilung kurzer Reaktionszeiten endete (VI Methode). Zum anderen wurden itemspezifische Schwellen als kürzeste
Reaktionszeit angenommen, bei der die Lösungsrate größer als die Rate für eine zufällig korrekte Lösung war (P+>0 Methode).
Ergebnisse. Die bisherigen Ergebnisse zur Validität zeigen, dass der Unterschied zwischen der Lösungsrate in den als motiviert
und unmotiviert klassifizierten Antworten, für die itemspezifischen Methoden höher ausfiel als für die Methoden mit konstanten
Schwellen, mit einem leichten Vorteil der P+>0 gegenüber der VI Methode. Außerdem fiel der Zusammenhang zwischen der
Score-Gruppe (Kompetenzniveau) und der Lösungsrate bei den als unmotiviert klassifizierten Antworten im Falle der konstanten
Schwellen häufiger positiv aus als bei den Methoden mit itemspezifischen Schwellen. Zusammengenommen schnitten die
Methoden mit itemspezifischer Schwelle also besser ab.
Außerdem zeigte sich für die balanciert dargebotenen Domänen Literacy und Numeracy ein deutlicher Zusammenhang zwischen
der Position eines Items und dem Anteil unmotivierter Antworten: Wurde ein Item später bearbeitet, fiel die Testmotivation
merklich niedriger aus. Die Zusammenhänge von Testteilnahmemotivation mit Faktoren auf der Personenebene erwiesen sich
als nicht signifikant oder sehr klein. Weibliche Testpersonen waren tendenziell motivierter. In Problemlösen nahm die
Testteilnahmemotivation mit dem Alter ab, ebenso mit niedrigerem Bildungsgrad oder wenn die Sprache des Tests nicht die
eigene Muttersprache war.
Diskussion. Abschließend wird diskutiert, wie mit Hilfe der abgeleiteten Indikatoren die Validität von Testwerten verbessert
werden kann.
ID: 384 / D 02 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Didaktik Mathematik
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht,
Vorschulische Bildung
Stichworte: Professionelle Kompetenzen, Frühpädagogik, Mathematik
Interventionsstudie zur mathematikbezogenen Kompetenzentwicklung elementarpädagogischer
Fachpersonen
Lars Eichen1, Julia Bruns2, Sigrid Blömeke3
1
Humboldt-Universität zu Berlin / DZLM, Deutschland; 2Pädagogische Hochschule Freiburg; 3Centre for Educational
Measurement at the University of Oslo (CEMO)
Theoretischer Hintergrund
Aufgrund empirischer Ergebnisse zur Bedeutung früher mathematischer Kompetenzen von Kindern für die späteren
Mathematikleistungen rücken die professionellen Kompetenzen elementarpädagogischer Fachpersonen im Bereich Mathematik
in den Fokus (Anders & Rossbach, 2015; Dunekacke, Jenßen & Blömeke, 2015a). Jenßen, Dunekacke, Eid und Blömeke (2015)
schlagen für die Modellierung dieser Kompetenzen ein Strukturmodell auf der Basis der Arbeiten von Shulman (1987) vor. Dabei
werden drei Wissensfacetten (mathematisches Fachwissen (MCK), mathematikdidaktisches Wissen (MPCK), pädagogisches
Wissen (GPCK)) sowie eine motivational-affektive Facette der Kompetenz unterschieden. Empirische Ergebnisse aus dieser und
anderen Studien zeigen einen direkten Zusammenhang zwischen den verschiedenen Kompetenzfacetten (Anders & Rossbach,
2015; Dunekacke, Jenßen & Blömeke, 2015; Jenßen et al., 2015; Lee, 2010; McCray & Chen, 2012). Allerdings fehlen empirische
Studien zur Entwicklung und Förderung dieser professionellen Kompetenzen, insbesondere für berufserfahrene
elementarpädagogische Fachpersonen. Die vorliegende Studie leistet einen Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke,
indem die Wirkung einer Intensivfortbildung zur frühen mathematischen Bildung untersucht wird.
Fragestellung
Auf der Grundlage des oben beschriebenen Kompetenzmodells ist eine Intervention in Form einer Intensivfortbildung zur
Förderung der mathematikbezogenen Kompetenzen (MCK, MPCK und Einstellungen zur Mathematik) elementarpädagogischer
Fachpersonen entwickelt worden. Die vorliegende Studie untersucht die Wirkung dieser Intervention. Die zentrale Frage lautet:
Wie wirkt die Intervention auf die Entwicklung des mathematisches Fachwissens (MCK), des mathematikdidaktischen Wissen
(MPCK) und die Einstellungen zur Mathematik der elementarpädagogischen Fachpersonen?
Methode
Zur Beantwortung der Fragestellung wurde eine quasi-experimentelle Studie im Prä-Post-Testdesign mit Kontrollgruppe
durchgeführt.
Stichprobe. An der Studie nahmen N = 95 Fachpersonen (n = 52 in der Interventionsgruppe, n = 43 in der Kontrollgruppe) aus
den 10 größten Trägerinstitutionen der Stadt Berlin teil. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden beträgt 45 Jahre und 5
Monate; 95% der Stichprobe sind Frauen.
Instrumente. Zur Untersuchung der Entwicklung von MCK und MPCK ist der Papier-und-Bleistift basierte KomMa-Test eingesetzt
worden. Der Test wurde bereits bei angehenden elementarpädagogischen Fachpersonen in Deutschland eingesetzt und
hinsichtlich seiner Validität überprüft (Dunekacke, Jenßen, Eilerts & Blömeke, 2015b; Jenßen et al., 2015). Die Einstellungen zur
Mathematik wurden mit dem KomMa-Fragebogen erhoben. Dieser basiert auf einem Fragebogen von Grigutsch, Raatz und
Törner (1998) und umfasst insgesamt 17 Items, die auf einer sechsstufigen Likert-Skala (‚Ich stimme überhaupt nicht zu‘ bis ‚Ich
stimme voll zu‘) eingeschätzt werden.
Auswertung. Da die Kontrollgruppe nicht randomisiert gezogen wurde, sind die Daten mit Hilfe einer multivarianten
Kovarianzanalyse (MANCOVA) ausgewertet worden, um die statistische Vergleichbarkeit der Gruppen zu gewährleisten. Im
Vorfeld dazu wurden die Daten auf die Verteilung der Residuen, die Homogenität der Varianzen und das Balanced Design
geprüft.
Ergebnisse
Die Analysen der bisher vorliegenden Prä- und Posttestdaten der Interventionsgruppe ergaben Veränderungen bezüglich der
Einstellungen zur Mathematik bei den elementarpädagogischen Fachpersonen. Es zeigte sich, dass die
elementarpädagogischen Fachpersonen zum Posttestzeitpunkt der Mathematik eine signifikant größere Bedeutung beimaßen (tTest: t(25) = -2.826, p = .009). Nach der Intervention gaben die elementarpädagogischen Fachpersonen zudem eine signifikant
geringere statische Sicht auf die Mathematik an (t-Test: t(25) = 3.679, p = .001).
Hinsichtlich der Ergebnisse der Kovarianzanalyse wird aufgrund der signifikanten Zuwächse der Interventionsgruppe erwartet,
dass sich die Interventions- und Kontrollgruppe zum Posttestzeitpunkt in diesen beiden Aspekten der Einstellung zur Mathematik
unterscheiden.
Da vertiefende fachliche Elemente keinen Schwerpunkt der Intervention darstellten, wird bezüglich der beiden Wissensfacetten
ein Unterschied der beiden Gruppen im mathematikdidaktischen Wissen jedoch nicht im Fachwissen angenommen.
ID: 387 / C 04 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Lehrer(aus)bildung, Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: Studierende mit Migrationsgeschichte, Migrationsbedingte Heterogenität, Interkulturelle Kompetenzen,
Lehrer_innenausbildung
Migrationsbedingte Heterogenität – Ausgeschöpfte Ressource? Sichtweisen von Lehramtsstudierenden
Bettina Bello
Leuphana Universität Lüneburg, Deutschland
Im Integrationsplan 2007 wird Vielfalt im Lehrerzimmer als erstrebenswert beschrieben. Die Rolle der Lehrerausbildung wurde in
diesem Sinne hervorgehoben sowie die Frage nach studienbegleitenden Angeboten, die inhaltlich auf die migrationsbedingten
Erfahrungen eingehen und auf ihre Verwendung in der Berufstätigkeit vorbereiten. Die empirische Lage zum Thema
migrationsbedingter Heterogenität und ihre Bedeutung für die interkulturelle Professionalisierung von angehenden Lehrkräften
ist für Deutschland noch relativ überschaubar und auf wenige Studien beschränkt (Karakasoglu 2013/ StudiMig, Neumann 2010).
Angehende Lehrkräfte mit Migrationsgeschichte waren bisher im deutschen Sprachraum kaum Gegenstand sozio-pädagogischer
Forschungsansätze, so dass hier eine empirische Forschungslücke besteht.
Der adäquate Umgang mit Teilaspekten migrationsbedingter Heterogenität wie sprachliche, kulturelle, ethnische sowie religiöse
Vielfalt fordert Bildungsinstitutionen so wie die in ihnen agierenden Lehrpersonen auf besondere Art und Weise heraus. Im
Rahmen meiner Forschungsarbeit beschäftige ich mich mit der Frage, inwiefern sich Handlungskompetenzen im Umgang mit
migrationsbedingter Heterogenität der Klasse durch das Lehramtsstudium herausbilden. Gleichermaßen wird von mir untersucht,
inwiefern ein sensibler Umgang mit migrationsbedingter Heterogenität von der persönlichen Migrationsgeschichte abhängig ist.
Die Beantwortung der Forschungsfragen wurde anhand einer dafür konzipierten dreißig minütigen Fragebogenerhebung
vorgenommen. Ein Drittel der Gesamtpopulation (N = 493) der Lehramtsstudierenden der Leuphana Universität Lüneburg wurde
im Wintersemester 2014 bezüglich ihrer Sichtweisen, Einstellungen und Wissen zum Umgang mit migrationsbedingter Vielfalt im
Klassenzimmer befragt und getestet. An der Studie nahmen Lehramtsstudierende mit Migrationsgeschichte (16%) und ohne
Migrationsgeschichte (84%) zur Kontrastierung, Validierung und Differenzierung der Daten teil. Der Fragebogen setzte sich aus
offenen und geschlossenen Fragen zu interkulturellen Themen und eigenen Handlungskompetenzen sowie Einstellungen
gegenüber Mehrsprachigkeit zusammen. Das Verständnis der Lehramtsstudierenden über interkulturelle Schulentwicklung und
die Arbeit in einem interkulturellen Kollegium wurde mit prägnanten Fallszenarien getestet.
Bei der Befragung handelt es sich um eine quantitative Erhebung mit qualitativen Aspekten im Sinne der Mixed Methods
(Johnson, Onwuegbuzie, & Turner 2007). Mit der quantitativen Herangehensweise erfolgt eine objektive Messung und
Quantifizierung von Sachverhalten, was sich zum Testen der Hypothesen und zur Überprüfung statistischer Zusammenhänge
eignet. Durch die offenen Fragen aus der Erhebung wird der qualitative Aspekt berücksichtigt und die Arbeit durch das
Selbstbeschreiben, Interpretieren und Verstehen von Zusammenhängen durch die Probanden ergänzt.
Die Unterscheidung zwischen „Migrationsgeschichte“ und „Migrationshintergrund“ spielte für die Adressierung der Studierenden
eine wichtige Rolle. Für die Operationalisierung der Kohorte mit Migrationsgeschichte wurde neben dem Migrationshintergrund
nach der Definition des deutschen Studentenwerks (HIS, 20. Sozialerhebung 2012), das subjektive Verständnis über das
Vorhandensein einer Migrationsgeschichte erhoben. Somit wurden diejenigen Studierenden erfasst, welche die Bezeichnung
Migrationshintergrund nicht als zutreffend empfinden, obwohl sie nach objektiven Kriterien auf Grund migrierter Eltern dieser
Gruppe zugeordnet werden (StudiMig, Neumann 2010). Zur Operationalisierung des Konstrukts Migrationsgeschichte wurde
Außerdem die Sprachenverwendung der Studierenden im Alltag und mit der Familie ermittelt.
Im Rahmen eines Einzelbeitrags werden ausgewählte Ergebnisse der Erhebung vorgestellt. Gezeigt wird, in welcher Weise die
Studierenden mit und ohne Migrationsgeschichte den Beitrag des Studiums zur (Weiter)Entwicklung eigener
Handlungskompetenzen im Umgang mit migrationsbedingten heterogenen Klassen bewerten. Die eingeschätzte Rolle der
Mehrsprachigkeit der Schüler_innen im Prozess der Wissensaneignung sowie die Beantwortung der Items, welche die Motivation
und Annahmen der Studierenden im Bereich Interkulturelle Kompetenzen behandeln, werden vorgestellt. Die Untersuchung greift
die Annahme auf, dass Lehrkräfte mit Migrationsgeschichte sensibler auf migrationsbedingte Themen reagieren. Basierend
darauf wird der Frage nachgegangen, inwiefern Lehramtsstudierende mit Migrationsgeschichte eine höhere interkulturelle
Kompetenz als ihre Kommiliton_innen ohne Migrationsgeschichte aufweisen. Die Teilnehmende mit Migrationsgeschichte in
unserer Stichprobe stimmten die Items zum Bereich Interkulturelle Kompetenz signifikant mehr zu als Teilnehmende ohne
Migrationsgeschichte, wobei die Zustimmung für beide Teilkohorten hoch war. Interkulturelle Kompetenz wird hier als Bestandteil
der Handlungskompetenzen (Straub 2007) im Umgang mit migrationsbedingter Heterogenität verstanden. Anschließend wird
verdeutlicht, in welcher Form die Studierenden Fremdzuschreibungen, mit denen Lehrkräfte mit Migrationsgeschichte häufig
konfrontiert werden könnten, beurteilen.
ID: 389 / D 04 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Genderforschung
Stichworte: achievement loss, Sekundarstufe, sozio-demografischer Hintergrund, latente Wachstumskurvenmodelle, Luxemburg
Migrationsstatus und Geschlecht als Prädiktoren der Schulnotenverschlechterung nach dem Übergang
in die Sekundarstufe
Florian Klapproth1, Romain Martin2
1
Medical School Berlin, Deutschland; 2Universität Luxemburg
Theoretischer Hintergrund
Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass der Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe die Leistung der betroffenen
Schülerinnen und Schüler beeinflusst. Nach dem Übergang (üblicherweise nach der 4. oder 6. Klasse) zeigt sich häufig ein
Rückgang der Leistung (Alspaugh, 1998; Alspaugh & Harting, 1995; Blyth, Simmons & Bush, 1978; Kuhn & Fischer, 2011; Smith,
2006). Dieser in der englischsprachigen Literatur als „achievement loss“ bezeichnete Leistungsrückgang zeigt sich überwiegend
in den Schulnoten der Schülerinnen und Schüler (Simmons, Burgeson, Carlton-Ford & Blyth, 1987), was darauf hindeutet, dass
eine mögliche Ursache unterschiedliche Leistungsstandards zwischen Grundschul- und Sekundarschullehrkräften sind.
Gut gesichert ist der Befund, dass die Benotung von Schülerinnen und Schülern nicht nur von ihrer Leistung, sondern auch von
ihrem Geschlecht (Kuhl & Hannover, 2012; Stanat & Kunter, 2001) und ihrer Ethnizität (Farkas, Grobe, Sheehan & Shuan, 1990)
abhängt. Wenig untersucht wurde hingegen, inwieweit auch die Verschlechterung nach dem Übergang von Variablen des
sozialen Hintergrundes beeinflusst wird.
Nach der Stage-Environment-Fit-Theorie (Eccles & Midgley, 1989; Eccles & Roeser, 2009) sollten Leistungsrückgänge nach dem
Übergang dann auftreten, wenn zwischen den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler und den Ansprüchen
der Schule ein Mangel an Übereinstimmung besteht. In einigen Untersuchungen wurde berichtet, dass Schülerinnen und Schüler
aus ethnischen Minderheiten mehr unter der neuen Umgebung in der Sekundarstufe leiden als diejenigen der ethnischen
Majorität (vgl. Eccles & Roeser, 2009). Darüber hinaus ließ sich zeigen, dass Mädchen im Unterschied zu Jungen sich eher an
das neue schulische Umfeld nach dem Übergang anpassen können (OECD, 2004).
Fragestellung
Ausgehend von den Befunden der Abhängigkeit der Notengebung von dem sozialen Hintergrund der Schülerinnen und Schüler
sowie gestützt auf die Annahmen der Stage-Environment-Fit-Theorie (Eccles & Midgley, 1989) haben wir die Hypothese getestet,
dass der Migrationsstatus der Schülerinnen und Schüler und ihr Geschlecht (bei Kontrolle ihrer Kompetenz) einen Einfluss auf
das Ausmaß der (negativen) Veränderung der Schulnoten nach dem Übergang in die Sekundarstufe ausüben.
Methode
Zur Prüfung der Hypothese wurde eine Längsschnittstudie durchgeführt, in der die Veränderung der Schulnoten von N = 2382
Schülerinnen und Schülern in den ersten drei Jahren der luxemburgischen Sekundarstufe (Klasse 7-9) betrachtet wurde. Es
wurden für die beiden Schulzweige der Sekundarstufe (akademischer und berufsvorbereitender Schulzweig) und für die drei
Hauptfächer (Deutsch, Französisch, Mathematik) jeweils latente Wachstumskurvenmodelle geschätzt. In diesen Modellen waren
das Geschlecht der Schülerinnen und Schüler, ihre fachbezogene Kompetenz, ihre Nationalität sowie ihr sozio-ökonomischer
Status Prädiktoren des Intercept- und des Slopefaktors.
Ergebnisse
Im Durchschnitt verschlechterten sich die Schulnoten in allen Hauptfächern und auf beiden Schulzweigen annähernd linear,
wobei die Verschlechterung im Fach Mathematik an stärksten war. Bei Kontrolle der Kompetenz der Schülerinnen und Schüler
und ihres sozioökonomischen Hintergrundes konnte entgegen unserer Annahme gezeigt werden, dass sich die Noten
luxemburgischer Schülerinnen und Schüler im Fach Französisch stärker verschlechterten als die Noten der Schülerinnen und
Schülern mit Migrationshintergrund. Im Fach Mathematik zeigte sich, dass die Verschlechterung der Noten bei Jungen stärker
ausgeprägt war als bei Mädchen. Darüber hinaus wiesen Schülerinnen und Schüler mit vergleichsweise hoher Kompetenz im
akademischen Schulzweig eine geringere Notenverschlechterung auf als Schülerinnen und Schüler mit niedrigerer Kompetenz,
während auf dem berufsvorbereitenden Schulzweig das Gegenteil zu beobachten war: Je höher die Kompetenz der Schülerinnen
und Schüler war, desto stärker war ihre Verschlechterung. Offenbar war die Übereinstimmung zwischen Bedürfnissen und
Anforderungen bei leistungsstarken Schülerinnen und Schülern auf diesem Schulzweig besonders gering.
ID: 392 / B 13 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Vorschulische Bildung
Stichworte: Einschulung, Bewältigung des Schulalltags, Transition
Die Bewältigung des Schulalltags im ersten Schuljahr – Schuleingangskrise oder Fortdauern von
Problemlagen?
Thomas Bäumer, Jutta von Maurice, Hans-Günther Roßbach
LIfBi - Leibniz-Institut für Bildungsverläufe, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule weckt nach wie vor hohes politisches wie wissenschaftliches Interesse (z.
B. KMK, 2009; Faust & Roßbach, 2004). Systematisierungsbemühungen erfolgten vor allem im Transitionsansatz (Griebel &
Niesel, 2004), der verschiedene Systemebenen, vor allem aber auch die Bedeutung der Familie betont. Vielfach wurden
"Schuleingangskrisen" postuliert, die bis zu der Hälfte aller Kinder betreffen sollen. Umfassende empirische Belege für diese
Behauptung fehlen bislang jedoch. Mit dem Nationalen Bildungspanel (NEPS), das unter anderem mit einer Kohorte von Kindern
in Kindergärten circa zwei Jahre vor der Einschulung im Jahr 2010 startete, liegen nun erstmals deutschlandweit repräsentative
Daten vor, die für diese Fragestellung genutzt werden können (vgl. auch Blossfeld, Roßbach & von Maurice, 2011).
Fragestellungen
Liegen für einen substanziellen Anteil an Kindern Schuleingangskrisen vor? Handelt es sich dabei um tatsächlich durch die
Transition ausgelöste Prozesse oder werden womöglich bereits länger bestehende Probleme perpetuiert? Welche Kinder sind in
besonderem Maße von Übergangsproblemen betroffen?
Methode
Analysiert werden Daten der dritten Welle der Startkohorte 2 (Kindergarten) des NEPS (doi:10.5157/NEPS:SC2:3.0.0). In dieser
Welle wurde die Stichprobe um die Mitschülerinnen und Mitschüler an den teilnehmenden Schulen ergänzt. Die Zielpersonen
befinden sich somit zum größten Teil in der ersten Jahrgangsstufe der Grundschule. Die Stichprobengröße beläuft sich auf N =
6933. Zur Abbildung von Schuleingangskrisen wurde aus Angaben der Eltern wie auch der Lehrkräfte zum Zielkind zur
Bewältigung des Schulalltags (13 bzw. 8 Items) je eine abhängige Variable (Mittelwert der Items mit vierstufiger Antwortskala von
1: "trifft nicht zu" bis 4: "trifft zu") gebildet. Diese beiden Bewältigungsvariablen werden regressionsanalytisch zu einer Vielzahl
familiärer und individueller Merkmale in Beziehung gesetzt.
Ergebnisse
Sowohl von den Lehrkräften (AM = 3,28; SD = 0,57) als auch und insbesondere von den Eltern (AM = 3,44; SD = 0,39) wird die
Belastung des Zielkindes im ersten Schuljahr im Schnitt als sehr gering eingeschätzt. Die Gruppe der besonders Belasteten
(Wert < 2) ist sehr klein (0,3 % laut Elterneinschätzung, 1,0 % bei den Lehrkräften). Die Belastungseinschätzung steht mit
familiären Hintergrundmerkmalen wie Bildungsniveau, sozio-ökonomischem Status oder Migrationshintergrund sowie
individuellen Merkmalen wie Geschlecht, Kompetenzstand oder Einschulungszeitpunkt in Zusammenhang. Gerade der letzte
Punkt (in Kombination mit der insgesamt geringen Belastung) verweist darauf, dass Problemlagen eher mit in die Schule gebracht
werden, als dass es zu Schuleingangskrisen kommt. Eine Zusatzanalyse der Daten der Startkohorte 2 zur ersten Welle (2010)
verdeutlicht, dass Kinder mit verspätetem Schuleintritt bereits frühzeitig verminderte Kompetenzstände aufweisen.
ID: 395 / E 02 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Didaktik Deutsch
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lese- und Sprachförderung, Unterrichtsentwicklung/
Unterrichtsqualität
Stichworte: Gattungserwartung, Kohäsion, Lesestrategien, Textverständnis
Die Bedeutung der Gattungserwartung bei der Textlektüre – Wie wird das Textverständnis bei der
Erwartung unterschiedlicher Textgattungen beeinflusst?
Caroline Schuttkowski1, Anke Schmitz2, Björn Rothstein1, Cornelia Gräsel2
1
Ruhr-Universität Bochum, Deutschland; 2Bergische-Universität Wuppertal, Deutschland
Schüler/innen werden im Deutsch- und im Sachfachunterricht regelmäßig mit unterschiedlichen Texten konfrontiert. In der
Forschung besteht Evidenz darüber, dass gattungsspezifische Erwartungen das Textverständnis determinieren: Literarische
Texte und Sachtexte erfordern aufgrund ihrer spezifischen Strukturmerkmale unterschiedliche Kompetenzen (Artelt &
Schlagmüller, 2004; Zwaan, 1994). Darüber hinaus kann die Gattung Einfluss auf die Nutzung von Lesestrategien sowie die
Ausprägung der Motivation und des Leseselbstkonzepts nehmen (Schnotz & Dutke, 2004; Henschel et al. 2013). Für die
Herstellung von Kohärenz bei der Textlektüre wird aus kognitionspsychologischer und linguistischer Sicht bestimmten
sprachlichen Markierungen auf der Textoberfläche, die Textverbindungen und Strukturierungshilfen schaffen, ein hoher
Stellenwert zugesprochen. Sie werden unter dem Begriff der Kohäsion zusammengefasst und in lokale und globale
Kohäsionsmarker unterteilt (Schnotz, 2006). Empirische Studien konnten nachweisen, dass kohäsive Texte zu einem besseren
Textverstehen beitragen können (Ozuru et al., 2009; Rothstein et al., 2014; Schmitz & Gräsel, in press). Unberücksichtigt blieb
jedoch, wie die Marker bei unterschiedlichen Gattungserwartungen bzw. Verarbeitungsmodi wirken.
Der vorliegende Beitrag stellt zwei empirische Studien vor, die die Bedeutung lokaler und/oder globaler Textkohäsion für das
Verstehen von Texten unter Berücksichtigung der aktivierten Gattungserwartung eines Sachtextes oder eines literarischen
Textes analysieren. Untersucht wurde, wie lokale und/oder globale Kohäsion auf das Textverständnis wirkt, wenn derselbe Text
mit unterschiedlicher Gattungserwartung gelesen wird. In beiden Studien (Studie 1: N = 754, Studie 2: N = 741) lasen
Schüler/innen der neunten Jahrgangsstufe an Gesamtschulen einen von vier Texten, die inhaltlich identisch waren, sich in ihrem
Kohäsionsgrad jedoch voneinander unterschieden. Jeder der vier Texte wurde als Romanauszug bzw. Geschichte oder als
Zeitungsartikel instruiert. In Studie 1 wurde die Kohäsion auf lokaler und globaler Ebene manipuliert, in Studie 2 wurde die
Wirksamkeit einer spezifischen Domäne von Kohäsionsmarkern (Temporalität) fokussiert. Das Textverstehen wurde jeweils mit
einem Verständnistest nach dem Lesen des Textes erfasst (Multiple-Choice-Fragen, halb-offene und offene Fragen). Weiterhin
wurden die allgemeinen Lesevoraussetzungen (basale Lesefähigkeiten, Sprachkompetenz) und das Gattungswissen erhoben.
Die Interaktionsanalysen demonstrieren einen erkennbaren Einfluss der Gattungserwartung auf das Textverständnis. Die
Ergebnisse von Studie 1 zeigten, dass unter Kontrolle des Gattungswissens ein Interaktionseffekt der globalen Textkohäsion mit
der Gattungserwartung auftrat (F(1, 753) = 5.60, p < .05, partial η² = 0.01). Bei der Erwartung eines Zeitungsartikels hatte die
globale Kohäsion einen positiven Effekt auf das Textverstehen, bei einem literarischen Verarbeitungsmodus blieb diese Wirkung
aus. Die lokale Textkohäsion hingegen hatte einen Haupteffekt auf das Textverstehen und wirkte ungeachtet der
Gattungserwartung förderlich (F (1, 753) = 6.00, p < .05, partial η² = 0.01). In Studie 2 ergaben die Befunde keinen
Interaktionseffekt zwischen der Manipulation der Kohäsion und der Gattungserwartung. Dennoch ließ sich ein klarer Haupteffekt
der evozierten Gattung auf das Textverständnis feststellen (F (1, 740) = 96.95, p < .001, partial η² = .117): Der Text wurde mit
einer literarischen Erwartung deutlich besser verstanden. Diese Werte wurden durch einen Interaktionseffekt zwischen der
Gattungserwartung und der allgemeinen Sprachkompetenz der Schüler/innen bestätigt (F (1, 740) = 15.26, p < .001, partial η² =
.02). Verfügten die Lernenden über eine weniger gut ausgeprägte Sprachkompetenz und erwarteten sie einen Sachtext, erzielten
sie deutlich schlechtere Werte im Textverständnis.
Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die Relevanz von Kohäsionsmarkern für das Textverständnis an eine durch die
Gattungserwartung gesteuerte Leserhaltung gebunden ist und bekräftigen die von Kintsch (1998) geformte Theorie der TextLeser-Interaktion, wonach textbezogene und kognitive Merkmale während des Textverstehens miteinander interagieren. Eine
literarische Rezeptionshaltung scheint den Zugang zum Text und den effektiven Umgang mit seinem Informationsgehalt zu
verbessern, wohingegen die strategische Nutzung von Kohäsionsmarkern insbesondere bei der Erwartung eines Sachtextes
notwendig sein könnte, um (lese-)schwächere Schüler/innen zu unterstützen. Die Befunde lassen sich hinsichtlich der
gattungsspezifischen Instruktion und der strategischen Rezeption von Unterrichtstexten diskutieren.
ID: 396 / H 04 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: longitudinale IRT-Modelle, Differential Item Functioning, Large-Scale Assessments
Identifikation DIF-freier Items in Large-Scale Assessments
Eric Stets, Steffi Pohl
Freie Universität Berlin, Deutschland
Das nationale Bildungspanel (National Educational Panel Study; NEPS) ist eine groß angelegte längsschnittliche Bildungsstudie,
die auch auf die Untersuchung von Kompetenzentwicklung über die Lebensspanne abzielt (Blossfeld, Roßbach & von Maurice,
2011). Um die Vergleichbarkeit der Kompetenzdaten über verschiedene Messzeitpunkte und Kohorten zu garantieren und
gemessene Veränderungen auf tatsächliche Unterschiede im latenten Konstrukt zurückführen zu können, müssen die Skalen
vergleichbar sein (von Davier, Carstensen & von Davier, 2008). Ist dies der Fall, lassen sich Fragestellungen mit Bezug auf
Kompetenzentwicklung und -veränderung untersuchen und Schlussfolgerungen sind kein Artefakt unterschiedlicher Skalierung.
Zur Erfassung der Lesekompetenz im NEPS werden den Teilnehmern zu verschiedenen Zeitpunkten oder in verschiedenen
Kohorten unterschiedliche Instrumente vorgelegt, wobei keine Items wiederholt werden. Eine zusätzliche Link-Stichprobe
bearbeitet jeweils beide Tests und kann daher für ein Linking der beiden interessierenden Tests verwendet werden. Die LinkStichprobe gehört dabei immer der älteren der beiden Populationen an. Pohl et al. (in press) zeigten bei der Untersuchung der
Messinvarianz und Eindimensionalität als Voraussetzungen für ein mögliches Linking, dass Messinvarianz zwischen den Studien
insbesondere bei größeren Altersspannen zwischen den Stichproben der zu verlinkenden Studien verletzt ist (z.B. Schüler und
Erwachsene). Die verwendete Methode kann jedoch keine Aussage über einzelne Items treffen, sondern lediglich über das
Ausmaß der verletzten Messinvarianz im gesamten Test. Es schließt sich daher die Frage an, ob spezifische Items identifiziert
werden können, die keine Messinvarianz, also Differential Item Functioning (DIF) zeigen. Die Verwendung nicht-messinvarianter
Items zum Linking gefährdet die Schlussfolgerungen über Veränderungen im latenten Konstrukt.
Mittels Verwendung von Modellen der Item-Response-Theorie (IRT) werden daher Verfahren zur Identifikation von DIF-freien
Items auf die Daten der Lesekompetenz im NEPS angewendet. Hierzu wird die Voraussetzung messinvarianter Items für die
Stichproben der Neuntklässler und der Erwachsenen genauer untersucht. Den bisher verwendeten Linking-Methoden liegt unter
anderem die Annahme zugrunde, dass balanciertes DIF vorliegt, also keine der beiden Gruppen über alle Items betrachtet
bevorzugt wird, sondern es zu einem Ausmitteln der DIF-Effekte kommt. Insbesondere bei größeren Altersunterschieden kann
man die Plausibilität dieser Annahme jedoch infrage stellen.
Mittels IRT-basierter Ankerauswahlmethoden, die kein Vorwissen über mögliche DIF-freie Items voraussetzen und sich teilweise
auch unter Bedingungen von unbalanciertem DIF als geeignet erwiesen haben, messinvariante Items zu identifizieren (Kopf,
Zeileis & Strobl, 2015), werden potentielle Ankeritems in den Daten gesucht. Verglichen werden Varianten, die alle Items als
Anker verwenden, alle bis auf ein Item als Anker verwenden, eine feste Anzahl an Ankeritems festlegen oder iterativ eine Anzahl
DIF-freier Items auswählen. In den letzten beiden Fällen geschieht dies mittels zusätzlicher Ankerauswahlstrategien, wobei
basierend auf paarweisen statistischen Tests DIF ermittelt und rangbasiert Items in den Anker aufgenommen werden. So
identifizierte DIF-freie Ankeritems werden dann für eine gemeinsame Skalierung verwendet. Zusätzlich werden die ermittelten
Anker aus den verschiedenen Selektionsverfahren auf ihren Einfluss auf Schlussfolgerungen über latente Veränderungen
verglichen, bewertet und diskutiert.
ID: 397 / E 03 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Lehrerexpertise
Stichworte: Einstellungen von Lehrenden, Heterogenität, Umgang mit Heterogenität
Einstellungen zur Heterogenität der Schülerschaft: Struktur, Korrelate und Fachunterschiede in einer
Untersuchung mit Lehramtsstudierenden
Robert Grassinger, Markus Dresel, Hans-Peter Bredenbecck, Ulrike Ohl, Kim Lange-Schubert, Andreas Hartinger
Universität Augsburg, Deutschland
Der Umgang mit Heterogenität der Schülerschaft ist eine der großen Herausforderungen des Lehrberufs (Budde, 2013; Tillmann,
2008), auf die Lehrkräfte vielfach nicht adäquat vorbereitet sind (Bender-Szymanski, 2008; Strasser, 2011; Tracy, Ludwig &
Ofner, 2010). Heterogenität besteht häufig in Bezug auf die Leistungsfähigkeit, die Sprachkompetenzen, den
Migrationshintergrund und den sozioökonomischen Status der Schüler(innen). Damit stellt sie ein vieldimensionales Phänomen
dar. Arbeiten zur Lehrerprofessionalität legen nahe, dass – neben pädagogischem Wissen, fachdidaktischem Wissen und
Fachwissen (Baumert & Kunter, 2006; Shulman, 1986, 1987) – adäquate Überzeugungen und Einstellungen von Lehrkräften
(Dubberke et al., 2008; Richardson, 1996; Thompson, 1992) bedeutsam für einen effektiven Unterricht sind. Entsprechend kann
vermutet werden, dass die Einstellungen von Lehrkräften gegenüber der Heterogenität ihrer Schülerschaft bedeutsam für den
Umgang damit sind, und in der Konsequenz in der Lehrerbildung zu thematisieren (Gebauer et al., 2013). Unklar ist bisher, (1)
wie sich Einstellungen zu Heterogenität von Lehramtsstudierenden strukturieren, (2) welche Bedeutung sie für motivationale
Überzeugungen aufweisen, (3) welche Rolle die subjektiv empfundene Relevanz einer Heterogenitätsdimension für
Lernprozesse von Schüler(inne)n auf das Selbstwirksamkeitsempfinden Lehramtsstudierender im Umgang damit spielt und (4)
inwieweit Fachunterschiede zu konstatieren sind. Einstellungen sind objektspezifisch und ihre Strukturierung folgt der
Strukturierung ihres Gegenstandes (Eagly & Chaiken, 1993). Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass sich die
Dimensionalität der Heterogenität in diesbezüglichen Einstellungen Lehramtsstudierender widerspiegelt (H1). Bosse und Spörer
(2014) sowie Urton et al. (2014) berichten, dass eine positive Einstellung zur integrativen Beschulung mit einer diesbezüglich
höheren Selbstwirksamkeit einhergeht. In Analogie hierzu wird erwartet, dass eine positive Einstellung zu einzelnen
Heterogenitätsdimensionen mit einer höheren Selbstwirksamkeit im Umgang mit dieser assoziiert ist (H2). Zudem erscheint
plausibel, dass Lehramtsstudierende trotz einer negativen Einstellung zu einer Heterogenitätsdimension eine hohe
Selbstwirksamkeit im Umgang mit dieser erleben, wenn sie die entsprechende Heterogenitätsdimension als wenig relevant für
Lernprozesse betrachten (H3). Studien zeigen, dass die Relevanz einzelner Heterogenitätsdimensionen für schulische
Lernprozesse über Schulfächer hinweg variiert (Dummert et al., 2014). Es wird daher angenommen, dass Lehramtsstudierende
eine solche Disparität in den Einflussfaktoren auf fachspezifische Lernprozesse wahrnehmen und folglich die wahrgenomme
Relevanz
einzelner
Heterogenitätsdimensionen
für
schulische
Lernprozesse
und
die
Einstellungen
zu
Heterogenitätsdimensionen zwischen Fächern variieren (H4).
Lehramtsstudierende unterschiedlicher Lehramtsstudiengänge (N = 1170; Alter = 22.4, SD = 3.33; 80.1% weiblich) der
Fächergruppen MINT (20.8%), Sprachen (9.1%), Sport (9.9%), Künstlerisch (26%), Sozialwissenschaftlich (22.2%) und weitere
Fächer wie Geschichte (12%) beantworteten Fragen zu ihren Einstellungen und ihrer Selbstwirksamkeit in Bezug auf die
Heterogenität von Schüler(inne)n in den oben genannten Heterogenitätsdimensionen und zur wahrgenommenen Relevanz dieser
Heterogenitätsdimensionen für Lernprozesse von Schüler(inne)n. Mit konfirmatorischen Faktorenanalysen (H1), einem
Strukturgleichungsmodell (H2), Moderationsanalysen (H3) und einfaktoriellen Varianzanalysen (H4) wurden die einzelnen
Hypothesen geprüft.
In Bezug auf die Dimensionalität der Einstellung von Lehramtsstudierenden zur Heterogenität der Schülerschaft zeigte ein 4Faktoren-Modell des besten Fit zu den Daten. Dies legt nahe, dass wie erwartet Lehramtsstudierende in ihren Einstellungen zur
Heterogenität zwischen verschiedenen Heterogenitätsdimensionen unterscheiden. Zudem zeigen die Daten, dass die
Selbstwirksamkeit Lehramtsstudierender im Umgang mit einer Heterogenitätsdimension mit der Einstellung zu dieser korrelierte.
Hierbei konnte ein moderierender Einfluss der wahrgenommenen Relevanz der Heterogenitätsdimension nachgewiesen werden:
Lehramtsstudierende erleben auch bei ungünstiger Einstellung dann eine hohe Selbstwirksamkeit im Umgang mit Heterogenität,
wenn die Heterogenität als wenig relevant für Lernprozesse der Schüler(innen) wahrgenommen wird. Schließlich waren
Unterschiede zwischen Fächern unter anderem dahingehend zu beobachten, dass in Bezug auf sprachliche Fächer die Relevanz
der Heterogenität in Deutschkenntnissen und im Migrationshintergrund als höher eingeschätzt wurde. Zudem wurde für
künstlerische Fächer die Heterogenität in den Dimensionen Leistungsfähigkeit, Deutschkenntnisse, Migrationshintergrund
positiver bewertet.
Trotz einiger Limitationen der Studie (querschnittliche Anlage, Stichprobe aus einer Universität) bieten die Ergebnisse Hinweise
für die Lehrerbildung in Bezug die Förderung eines Umgangs mit Heterogenität der Schülerschaft. Diese werden abschließend
diskutiert.
ID: 398 / E 01 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Unterrichtsentwicklung/ Unterrichtsqualität
Stichworte: Bild-Text-Integration, Unterrichtsqualität, Leistungsentwicklung, Matthäus-Effekt
Einfluss der Lehrkräfte auf die Entwicklung der Fähigkeit zur Bild-Text-Integration
Britta Oerke1, Nele McElvany1, Annika Ohle1, Holger Horz2, Mark Ullrich2
1
TU Dortmund, Deutschland; 2Goethe Universität, Frankfurt am Main
Theoretischer Hintergrund
Die Fähigkeit, Informationen aus Texten mit instruktionalen Bildern zu verstehen und in eine kohärente Wissensstruktur zu
integrieren (Ainsworth, 1999), ist wesentlich für den Schulerfolg, da diese Texte in Schulbüchern sehr verbreitet sind (Mayer,
2001), vor allem in den Naturwissenschaften. Insbesondere leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler verarbeiten die
Bildinformation jedoch oft oberflächlich und verwenden zu wenig Zeit auf die Betrachtung relevanter Bildanteile (Schnotz et al.,
2014). Explizite bild-orientierte Instruktion kann das Verständnis von Texten mit Graphiken verbessern (Mautone & Mayer, 2007).
Lehrkräfte bemühen sich nach eigenen Angaben darum, ihren Schülerinnen und Schülern Lerngelegenheiten zu bieten und sie
bei der Interpretation von Bild-Text-Materialien zu unterstützen (McElvany et al., 2010), durch häufige Verwendung dieser
Materialien (Unterrichtsquantität) sowie durch die explizite Diskussion des Bildanteils und ein Engagement für das Lernen aller
Schülerinnen und Schüler (Unterrichtsqualität). Bisher wurde jedoch nicht nachgewiesen, wie hilfreich die Praxis im Unterricht
für die Lernenden tatsächlich ist, und inwiefern Lernende unterschiedlicher Leistungsniveaus davon profitieren. Der MatthäusEffekt (Rigney, 2010) sagt vorher, dass leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler mehr profitieren sollten als ihre schwächeren
Mitschüler, die eigentlich mehr auf die Hilfe der Lehrkräfte angewiesen sind.
Fragestellung
In dieser Studie wird erstens untersucht, ob sich positive Effekte der Unterrichtsquantität und -qualität auf die Entwicklung der
Fähigkeit zur Bild-Text-Integration (BiTe) bei den Lernenden nachweisen lassen, wobei größere Effekte in Biologie und
Geographie als in Deutsch erwartet werden (H1). Zweitens wird untersucht, ob Lernende mit besseren Vorkenntnissen in der
BiTe bzw. besseren verbalen kognitiven Fähigkeiten mehr als ihre schwächeren Mitschülerinnen und Mitschüler von der
Förderung durch die Lehrkräfte profitieren. Es wird vorhergesagt, dass ein solcher Matthäuseffekt nachgewiesen werden kann
(H2).
Methode
An der Längsschnittstudie mit zwei Messzeitpunkten (MZP) nahmen N = 30 Biologie- und Erdkundelehrkräfte mit ihren
Schülerinnen und Schülern (N = 581) sowie N = 26 Deutschlehrkräfte mit ihren Lernenden (N = 505) aus den Klassenstufen 5
und 7 teil. Am MZP1 wurde die Unterrichtsquantität und -qualität (explizite Diskussion des Bildes, Engagement für den Lernerfolg
aller Lernenden) in Lehrerfragebögen erfasst und die kognitive Fähigkeit und BiTe-Fähigkeit mittels eines zuvor entwickelten und
validierten Tests (Ullrich et al., 2012) erhoben. Am MZP2, d.h. ein Jahr später, wurde die BiTe-Fähigkeit erneut getestet. Der
Einfluss der Lehrerinstruktion auf die BiTe-Fähigkeit am MZP2 wurde in Mehrebenenanalysen unter Kontrolle der BiTe-Fähigkeit
am MZP1, der kognitiven Fähigkeit und der Schulform berechnet (H1). In weiteren Modellen wurde die Interaktion der
Lehrerinstruktion mit den Schülercharakteristika analysiert (H2).
Ergebnisse und Diskussion
Ein positiver Einfluss der Unterrichtsquantität und einer expliziten Diskussion des Bildanteils auf die Entwicklung der BiTeFähigkeiten konnte für die Biologie- und Erkundelehrpersonen, nicht aber für die Deutschlehrkräfte nachgewiesen werden. Das
selbstberichtete Lehrkraftengagement zeigte hingegen keine Wirkung. Lernende mit höheren Vorkenntnissen in der BiTe
profitierten zudem wie erwartet stärker von einer expliziten Diskussion des Bildes, nicht aber Lernende mit höheren kognitiven
Fähigkeiten. Die Effekte sind jedoch gering (standardisierte Effekte von .08 bis .11). Die Ergebnisse zeigen, dass die Förderung
durch die Lehrkräfte hilfreich sein kann, lassen jedoch offen, welche Merkmale des unterstützenden Unterrichts besonders
erfolgreich und prädiktiv für die BiTe-Fähigkeitsentwicklung von Schülerinnen und Schülern aller Leistungsniveaus sind. Dies
sollte untersucht und zudem überprüft werden, wie der Einfluss der Lehrkräfte auf die Lernentwicklung der Schülerinnen und
Schüler gesteigert werden kann.
ID: 399 / E 04 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Hochschulbildung
Stichworte: Studienabbruch, Soziale Herkunft, Rational Choice
Welchen Einfluss hat die soziale Herkunft auf das Risiko eines Studienabbruchs?
Verena Cohrs, Annabell Daniel, Rainer Watermann
Freie Universität Berlin, Deutschland
Entscheiden sich Studierende für einen Studienabbruch, ist dies in aller Regel das Ergebnis eines längeren Entscheidungs- und
Abwägungsprozesses, für den verschiedene Motive relevant sind (vgl. Heublein & Wolter, 2011). Aus der Literatur zu früheren
Übergängen im Bildungsverlauf ist hinreichend bekannt, dass Bildungsentscheidungen in hohem Maße durch die soziale
Herkunft beeinflusst werden (Becker & Hecken, 2007, Lörz, 2012, Watermann & Maaz, 2010). Eine Erklärung hierfür liefern
Theorien rationaler Bildungsentscheidungen (Boudon, 1974, Eriksson & Jonsson, 1996, Breen & Goldthorpe, 1997). Demnach
sind Bildungsentscheidungen, insbesondere an Übergangsschwellen im Bildungsverlauf, maßgeblich von primären und
sekundären Effekten der sozialen Herkunft geprägt. Soziale Herkunft wird dabei als mehrdimensionales Konstrukt verstanden,
das Struktur- und Prozessmerkmale des Elternhauses umfasst.
Aus Perspektive der Rational Choice Theorie hängt die Entscheidung für ein Studium maßgeblich von den erwarteten Erträgen,
Kostenüberlegungen und der subjektiven Erfolgswahrscheinlichkeit ab. Soziale Ungleichheiten in der Studienentscheidung
entstehen dadurch, dass mit höherem Status der Familie höhere Erträge, geringere Kosten und eine höhere
Erfolgswahrscheinlichkeit wahrgenommen werden (vgl. Watermann, Daniel & Maaz, 2014). Stimmen die Erwartungen der
Studierenden nicht mit der Realität an der Hochschule überein, kann sich die Einschätzung dieser Faktoren im Verlauf des
Studiums verändern und zu einer Neubewertung des Hochschulabschlusses führen. Es ist daher anzunehmen, dass rationale
Entscheidungsmechanismen auch bei der Entscheidung für einen Studienabbruch wirksam werden.
Die Befundlage zum Zusammenhang von Studienabbruch und sozialer Herkunft ist allerdings uneindeutig. Erste Hinweise auf
ein höheres Abbruchrisiko für Studierende aus nichtakademischen Familien (vgl. Heublein & Wolters, 2011) liegen vor. Unter
den ausschlaggebenden Abbruchmotiven spielen finanzielle Gründe, die besonders häufig von Studierenden aus
nichtakademischen Familien angegeben wurden, eine zentrale Rolle, wie in einer Untersuchung mit Studienabbrechern gezeigt
werden konnte (Heublein et al., 2009). Bislang wurden Effekte der sozialen Herkunft auf den Studienabbruch jedoch noch nicht
systematisch analysiert.
Die vorliegende Studie untersucht basierend auf Daten des Nationalen Bildungspanels, in welchem Zusammenhang der soziale
Hintergrund der Studierenden mit ihrem Risiko eines Studienabbruchs im weiteren Studienverlauf steht und welche Rolle
Struktur- und Prozessmerkmale spielen. Es wird geprüft, inwiefern mögliche Effekte der sozialen Herkunft auf Studienabbruch
von rationalen Entscheidungsmechanismen vermittelt werden. Grundlage der multiplen Regressionsberechnungen sind
Längsschnittdaten von N = 3487 Studierenden, die im Wintersemester 2010/2011 erstmals in einem Bachelor-Studiengang
eingeschrieben waren. Es werden Strukturmerkmale (ISEI und CASMIN) und Prozessmerkmale der sozialen Herkunft
berücksichtigt. Prozessmerkmale wurden in Anlehnung an PISA über die Häufigkeit kultureller und sozialer Aktivitäten der
Studierenden operationalisiert (Kunter et al., 2002). Weitere zentrale Variablen sind studienbezogene Merkmale der Rational
Choice Theorie (Ertrag, Kosten und Erfolgswahrscheinlichkeit).
Unter Kontrolle der zentralen bildungsbiographischen Faktoren (z. B. Art der Hochschulzugangsberechtigung und
Studienleistungen) zeigt sich ein signifikant negativer Effekt des höchsten Bildungsabschlusses der Eltern auf die
Studienabbruchintention. Dieser Effekt wird teilweise über rationale Entscheidungsmechanismen vermittelt. Den Erwartungen
entsprechend zeigen sich signifikant negative Effekte von wahrgenommenem Ertrag und subjektiver Erfolgswahrscheinlichkeit
sowie ein positiver Effekt der Kostenüberlegungen auf die Abbruchintention zu einem späteren Zeitpunkt. Ein Einfluss des
sozioökonomischen Status des Elternhauses und der Prozessmerkmale der sozialen Herkunft konnte nicht festgestellt werden.
Annahmen über Abhängigkeiten des wahrgenommenen Ertrags vom Studienfach und der Kostenüberlegungen von zur
Verfügung stehenden finanziellen Mitteln ließen sich nicht bestätigen. Der vorliegende Beitrag liefert auf Basis repräsentativer
Längsschnittdaten erste Hinweise auf einen geringen Effekt des elterlichen Bildungsgrades auf die Abbruchintention. Des
Weiteren wird die Relevanz rationaler Entscheidungsmechanismen an dieser Schnittstelle des Bildungsverlaufs aufgezeigt.
Perspektiven für die weitere Forschung werden diskutiert.
ID: 401 / F 05 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Wirtschafts- und Berufspädagogik
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung
Stichworte: Problemlösen, Kompetenzmessung, duale Ausbildung
Erwartungskonforme und erwartungswidrige Prädiktoren domänenspezifischer Problemlösekompetenz
in der kaufmännischen Berufsbildung
Kristina Kögler1, Rebecca Eigenmann2, Andreas Rausch3, Christin Siegfried1, Eveline Wuttke1, Jürgen Seifried2
1
Goethe-Universität Frankfurt; 2Universität Mannheim; 3Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Domänenspezifische Problemlösekompetenzen gewinnen vor dem Hintergrund einer komplexer werdenden Arbeitswelt
zunehmend an Bedeutung und entfalten in Konsequenz dessen auch eine wachsende Relevanz für die empirische
Bildungsforschung. Neben kognitiven (wissensbasierten) und metakognitiven (handlungsregulatorischen) Fähigkeiten sind dabei
auch motivational-emotionale Facetten wie Selbstkonzept und Interesse in den Fokus zu nehmen (Rausch & Wuttke, in press;
Sembill, Rausch & Kögler, 2013; Wuttke et al., 2015), um im Rahmen komplexer Operationalisierungs- und Messansätze zu
möglichst ganzheitlichen Kompetenzprofilen zu gelangen.
Zur Messung der domänenspezifischen Problemlösekompetenz in der kaufmännischen Berufsbildung bei angehenden
Industriekaufleuten wurden ausgehend von einem mehrdimensionalen Kompetenzmodell (vier Kompetenzdimensionen mit
insgesamt 13 Facetten: (A) Wissensanwendung, (B) Handlungsregulation, (C) Selbstkonzept und (D) Interesse) und einer
umfassenden Gegenstandsmodellierung (Eigenmann, Siegfried, Kögler & Egloffstein, 2015; Rausch, Schley & Warwas, 2015),
drei Problemszenarien zur Erfassung problemlösenden Handels in dem für die kaufmännische Berufsausbildung zentralen
Handlungsfeld „Planung, Steuerung und Kontrolle von Geschäftsprozessen“ (Controlling) entwickelt und bei 786 kaufmännischen
Auszubildenden (562 Industrie-, 108 IT-System- und 116 Groß- und Außenhandelskaufleute) eingesetzt. Über die
domänenspezifische Problemlösekompetenz hinaus wurden umfangreiche Daten zu den Ausbildungsbedingungen, dem
soziodemografischen Hintergrund und weiteren allgemeinen Kompetenzen der Testpersonen erhoben. Die Teilnehmenden
wurden gegen Ende ihrer Ausbildung getestet.
Im Rahmen des Vortrags wird der Frage nachgegangen, inwiefern diese individuellen und institutionellen Einflussfaktoren
erwartungskonform oder erwartungswidrig auf die erfasste Problemlösekompetenz wirken. Einflussfaktoren sind unter anderem
der Ausbildungsberuf, der allgemeine Bildungsabschluss und eine etwaige Ausbildungszeitverkürzung.
Erste Analysen auf Basis vorläufiger Datenstände zeigen, dass die angehenden Industriekaufleute besser abschneiden als die
IT-System- und Groß- und Außenhandelskaufleute, wobei die Effektstärken allerdings gering ausfallen (,033 < Eta2 < ,112). Ein
ähnliches Bild zeigt sich für die nicht-kognitiven Facetten der Dimensionen Selbstkonzept (,012 < Eta2 < ,044) und Interesse
(,010 < Eta2 < ,027). Aufgrund der besseren curricularen Passung der in den Szenarien präsentierten Inhalte für den Beruf der
Industriekaufleute entspricht dieser Befund weitgehend den Erwartungen (Seifried et al., im Druck). Die geringen Effektstärken
lassen sich möglicherweise dahingehend begründen, dass das Handlungsfeld Controlling in vielen kaufmännischen
Ausbildungsberufen eine curriculare Rolle spielt.
Mit Blick auf den höchsten Bildungsabschluss der Teilnehmenden lässt sich feststellen, dass Auszubildende, die zuvor eine
allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife erworben haben (N = 317), signifikante Vorteile im Test im Vergleich zu den
Auszubildenden, die eine mittlere Reife (N = 265) oder Fachhochschulreife (N=174) erworben haben, aufweisen. Dies gilt sowohl
für die kognitiven Facetten der Wissensanwendung (,036 < Eta2 < ,079) als auch die nicht-kognitiven Facetten der Dimension
Selbstkonzept (,028 < Eta2 < ,043). Lediglich für die Facetten der Dimension Interesse lassen sich keine nennenswerten
Gruppenunterschiede feststellen. Auszubildende, die eine verkürzte Ausbildung absolvieren, weisen gegen Ende der Ausbildung
geringe Vorteile im Vergleich zu ihren Mitauszubildenden auf. Lediglich für im Bereich der Wissensanwendung und des
Selbstkonzepts lassen sich geringe signifikante Unterschiede zugunsten der Auszubildenden mit einer verkürzten Ausbildung
beobachten.
Da die Datenaufbereitung und -auswertung noch nicht abgeschlossen ist, sind die hier präsentierten Ergebnisse noch als
vorläufig zu betrachten und entsprechend vorsichtig zu interpretieren. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Industriekaufleute
erwartungskonform besser im Test abschneiden als die IT-System- und Groß- und Außenhandelskaufleute. Des Weiteren
scheinen unterschiedliche Eingangsvoraussetzungen gegen Ende der Ausbildung nur noch einen geringen Einfluss auf die
domänenspezifische Problemlöseleistung zu haben. Im Rahmen des Tagungsbeitrags werden weitere, insbesondere
institutionelle Einflussfaktoren analysiert.
ID: 403 / A 01 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lehrer(aus)bildung, Lehrerexpertise
Stichworte: Pädagogisches Wissen, Klassenführung, Kompetenzentwicklung, Praxis-Schock
Veränderung der Klassenführungskompetenz und der emotionalen Erschöpfung im Verlaufe des
Referendariats
Thamar Voss1, Mareike Kunter2, Wolfgang Wagner1, Uta Klusmann3, Ulrich Trautwein1
1
Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung, Deutschland; 2Goethe-Universität Frankfurt; 3Leibniz-Institut für die
Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik
Theoretischer Hintergrund
Der Berufseinstieg wird von Lehrkräften häufig als große Herausforderung erlebt (Fives, Hamman, & Olivarez, 2007; Gold, 1996).
Der Klassenunterricht als komplexe soziale Umgebung erfordert von der Lehrkraft prompte Reaktionen auf eine Vielzahl an
Reizen, die gleichzeitig, unvorhersehbar und in schneller Abfolge auftreten (Doyle, 2006). Diese multiplen Anforderungen fordern
junge Lehrkräfte insbesondere im Hinblick auf die effiziente Klassenführung heraus, die als eine der Hauptsorgen beginnender
Lehrkräfte gilt (Jones, 2006). Gleichzeitig geht der Einstieg in den Lehrerberuf häufig mit einem Anstieg des beruflichen
Beanspruchungserlebens einher (Goddard, O’Brien, & Goddard, 2006).
Der vorliegende Beitrag fokussiert daher Veränderungen in der Klassenführungskompetenz und emotionalen Erschöpfung bei
Lehramtskandidat(inn)en im Verlaufe des Referendariats.
Fragestellung
Die konkreten Fragestellungen sind:
1. Wie verändern sich Klassenführungskompetenz und emotionale Erschöpfung im Verlaufe des Referendariats?
Es wird ein Anstieg der Klassenführungskompetenz im Referendariat erwartet, da es wichtige Lerngelegenheiten für deren
Aufbau bieten sollte. Die emotionale Erschöpfung sollte im Zuge der ersten Konfrontation mit der anspruchsvollen
Unterrichtspraxis ansteigen, mit zunehmender Erfahrung im Verlaufe des Referendariats jedoch wieder absinken.
2. Welche persönlichen und institutionellen Merkmale der Lerngelegenheiten im Referendariat beeinflussen die Veränderung der
Klassenführungskompetenz und emotionalen Erschöpfung?
Es wird erwartet, dass günstigere persönliche und institutionelle Merkmale die Entwicklung der Klassenführungskompetenz und
emotionalen Erschöpfung positiv beeinflussen.
Methode
Datengrundlage stellt die COACTIV-Referendariatsstudie dar (Kunter et al., 2013), in der Mathematiklehramtskandidat(inn)en
zweimal während des Referendariats untersucht wurden (1-Jahres Intervall). Die eine Kohorte stand zu T1 am Anfang des
Referendariats; die zweite Kohorte am Anfang des zweiten Jahres. Die Kohorten unterschieden sich nicht statistisch signifikant
bezüglich ihres soziodemografischen Hintergrundes (außer dem Alter). Die Stichprobe bestand aus 746
Lehramtskandidat(inn)en, von denen 567 auch zu T2 teilnahmen.
Die Klassenführungskompetenz wurde mit einem videobasierten Testinstrument mit insgesamt 12 Items erfasst (EAP-Reliabilität:
t1=.67, t2=.65, Voss, Kunter, & Baumert, 2011), die Emotionale Erschöpfung mit 4 Items (Enzmann & Kleiber, 1989; α: t1=.77,
t2=.82).
Folgende persönliche und institutionelle Merkmale wurden zur Vorhersage der Veränderung beider Konstrukte verwendet:
Kognitive Grundfähigkeit (KFT-Subskalen), Staatsexamensnote (bildungswissenschaftliche Fächer), emotionale Stabilität (Skala
Neurotizismus, NEO-FFI), Ausmaß der Reflexion der Unterrichtserfahrungen, Interaktion mit dem Mentor (konstruktivistisches
Mentoring), Unterrichtsdeputat und Lehramtszugang.
Es wurden latent-change Modelle in Mplus mit der „type=complex“ Prozedur berechnet, um die geschachtelte Struktur der Daten
(Lehramtskandidat(inn)en genestet in Seminare) zu berücksichtigen.
Ergebnisse
Fragestellung 1: Nach Sicherstellung der Messinvarianz über die Zeit (cf.Vandenberg & Lance, 2000), fand sich in einem
Mehrgruppen Latent-Change-Modell ein signifikanter Anstieg der Klassenführungskompetenz in beiden Kohorten. Das
Referendariat scheint somit eine bedeutsame Lerngelegenheit für die Kompetenz, das komplexe Klassengefüge effizient zu
koordinieren, darzustellen.
Die emotionale Erschöpfung nahm in Kohorte 1 signifikant zu, wohingegen sich in Kohorte 2 ein signifikanter Abfall zeigte. Dieses
Befundmuster steht in Einklang mit der Praxisschock-Literatur (Veenman, 1984) und weist auf ein zunehmendes
Erschöpfungserleben am Anfang des Referendariats und einen Erholungseffekt im zweiten Jahr des Referendariats hin.
Die signifikante Varianz der Change-Scores sowie nicht-perfekte Stabilitätskoeffizienten (.44<rtt <.61) deuteten auf
interindividuelle Unterschiede in der Veränderung hin.
Fragestellung 2: Zur Erklärung dieser interindividuellen Unterschiede in den Veränderungen erwiesen sich für die
Klassenführungskompetenz insbesondere persönliche Merkmale als bedeutsam: Je höher die kognitive Grundfähigkeit, je besser
die Staatsexamensnote und je stärker Lehramtskandidat(inn)en angaben, ihre Unterrichtserfahrungen zu reflektieren, umso mehr
nahm die Klassenführungskompetenz zu.
Für die emotionale Erschöpfung fanden sich folgende Effekte: Je emotional stabiler, je konstruktivistischer die Interaktion mit
dem Mentor und je geringer das Unterrichtsdeputat, umso günstiger die Veränderungsmuster in der emotionalen Erschöpfung.
Der vorliegende Beitrag trägt somit anhand einer großen längsschnittlichen Datenbasis empirisch zur Beantwortung der Frage
nach der Kompetenzentwicklung von beginnenden Lehrkräften während des Referendariats bei. Es zeigte sich, dass das
Referendariat eine signifikante Lerngelegenheit darstellt und dass sowohl individuelle als auch institutionelle Merkmale die
Kompetenzentwicklung der Lehramtskandidat(inn)en beeinflussen.
ID: 405 / C 01 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Wirtschafts- und Berufspädagogik, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Trainings- und Evaluationsforschung
Stichworte: TrainerInnen, Lehransätze, Lehrorientierung
Die Lehransätze von betrieblichen TrainerInnen
Caroline Bonnes, Sabine Hochholdinger
Universität Konstanz, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Im Bereich der Weiterbildungsforschung und insbesondere der arbeits- und organisationspsychologischen Wirkungsforschung
gibt es bereits einen breiten Forschungskorpus an empirischen Arbeiten zu verschiedenen Einflussfaktoren auf den
Trainingserfolg (z.B. Aguinis & Kraiger, 2009; Baldwin & Ford, 1988; Hutchins, 2009; Salas et al., 2012). Die Trainerperson als
Einflussfaktor wurde dabei bisher weitgehend vernachlässigt (Hochholdinger & Leidig, 2012).
Die empirische Unterrichtsforschung zeigt jedoch, dass die Lehrperson und ihre professionelle Handlungskompetenz von hoher
Bedeutung für den Lehr- bzw. Trainingserfolg sind (z.B. Baumert & Kunter, 2013; König & Blömeke, 2009). Ein Teilaspekt
professioneller Handlungskompetenz von Lehrkräften ist die Lehrorientierung, die bisher kaum im Bereich der
Erwachsenenbildung bzw. im Trainingsbereich untersucht wurde, obwohl die Modelle und Ergebnisse der empirischen
Bildungsforschung ihre Bedeutung für das Handeln der Lehrperson und demzufolge auch für den Lernerfolg zeigen (vgl. Lübeck,
2009; Seifried, 2009).
Fragestellung
Es gibt vereinzelte Untersuchungen zur Lehrorientierung von Lehrenden im Hochschulbereich (z.B. Braun & Hannover, 2008;
Lübeck, 2009; Johannes & Seidel, 2012; Kröber, 2010), der größte Forschungskorpus zu diesem Konstrukt ist jedoch in der
empirischen Unterrichtsforschung zu verorten, insbesondere im Bereich der Überzeugungen zum Lehren und Lernen (vgl.
Seifried, 2009). Da sich der erwachsenbildnerische Kontext jedoch vom Schul- und Hochschulkontext in einigen Bereichen
unterscheidet, ist davon auszugehen, dass sich die bisherigen Messinstrumente und Forschungsergebnisse nicht direkt auf den
Trainingskontext übertragen lassen. Im Fokus der vorliegenden Studie stehen insbesondere die Lehransätze, die als eine
besonders handlungsnahe Teilkomponente der Lehrorientierung zu verstehen sind. Daher soll zunächst das Konstrukt der
Lehransätze für den Trainingskontext konzeptualisiert werden, mit dem langfristigen Ziel der Operationalisierung für die
Entwicklung eines Messinstrumentes.
Methode
Um dieses Ziel zu erreichen, wurden insgesamt 45 halbstrukturierte Leitfadeninterviews mit TrainerInnen,
PersonalentwicklerInnen und TeilnehmerInnen von Trainings durchgeführt und inhaltsanalytisch nach Mayring (2010) in Bezug
auf die Lehransätze ausgewertet. Hierfür wurde ein deduktives Kategoriensystem in Anlehnung an das Lehransatzmodell von
Trigwell, Prosser und Taylor (1994) entwickelt und an das Interviewmaterial herangetragen. Trigwell und Kollegen (1994)
unterscheiden dabei verschiedene Strategien (lehrendenorientiert, Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden und
lernendenorientiert) und Intentionen (Informationsweitergabe, Erwerb von Konzepten, Weiterentwicklung von Konzepten und
Veränderung von Konzepten), die jeweils charakteristisch für verschiedene Lehransätze sind.
Ergebnisse
Die Analyse zeigt, dass die InterviewpartnerInnen lehrendenorientierte und lernendenorientierte Strategien benennen, die
meisten Nennungen jedoch der Zwischenkategorie Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden zuzuordnen sind, wie sie
auch schon Kember (1997) beschrieben hat. Die unterschiedlichen Ausprägungen der Intentionen sind zwar im Material zu
finden, jedoch gibt es zusätzliche Aspekte, die sich im Material zeigen, wie z.B. der Transfer. Die inhaltlichen Ausprägungen der
einzelnen Unterkategorien machen deutlich, dass sich der Trainingskontext in einigen wichtigen Aspekten vom Schul- oder
Hochschulkontext unterscheidet und Lehransätze im Trainingskontext in ihrer Konzeptualisierung dementsprechend angepasst
werden müssen. Die Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass die bestehenden Messinstrumente für den Trainingskontext
ungeeignet sind und eine spezifische Operationalisierung notwendig ist. Die Studie legt damit eine wichtige Basis für die
Entwicklung eines Instrumentes zur Messung von Lehransätzen von betrieblichen TrainerInnen.
ID: 406 / A 17 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung
Stichworte: Selbstkonzept, Problemlösen
Wie entstehen domänenübergreifende Fähigkeiten und Selbstkonzepte? Prädiktoren des
Problemlöseselbstkonzepts
Maida Mustafic, Christoph Niepel, Samuel Greiff
Universität Luxemburg, Luxemburg
Theoretischer Hintergrund:
Domänenübergreifende Fähigkeiten werden im 21. Jahrhundert zunehmend wichtiger. Wechselnde und steigende
Anforderungen begrenzen die reine domänenspezifische Wissensanwendung in ihrer Wirksamkeit, domänenübergreifende
Fähigkeiten sind zunehmend nötig. Während akademische Selbstkonzepte bereits als Vorläufer domänenspezifischen,
akademischen Erfolges, der Persistenz und des Wohlbefindens relativ gut in der Forschung etabliert sind, fehlt es an Evidenz
zum Zusammenhang zwischen domänenübergreifenden Fähigkeiten und dem jeweiligen Selbstkonzept. Die folgende Studie
untersucht deshalb die Prädiktoren eines domänenübergreifenden Selbstkonzepts am Beispiel des Problemlöseselbstkonzepts
anhand des internal/external frame of reference Modells (Möller, Retelsdorf, Köller, & Marsh, 2011). Unter anderem sagt dieses
Modell positive Zusammenhänge zwischen domänennahen Fähigkeiten und Selbstkonzepten (z.B. Problemlösefähigkeit sollte
positiv mit dem mathematischen Selbstkonzept zusammenhängen) und negative Zusammenhänge zwischen domänenfernen
Fähigkeiten und Selbstkonzepten vorher (z.B. Problemlösefähigkeit sollte negativ mit dem verbalen Selbstkonzept
zusammenhängen).
Fragestellung:
Es wurden gemäß des Modells Zusammenhänge zwischen der Problemlösefähigkeit und dem Problemlöseselbstkonzept,
Reasoning sowie die erwartete Mathe- und Deutschleistung überprüft. Zusätzlich wurden die Zusammenhänge zwischen dem
Problemlöseselbstkonzept und dem mathematischen sowie dem verbalen Selbstkonzept getestet.
Methode:
An der Studie nahmen 545 Schülern unterschiedlicher Schulformen teil (M = 14,56 Jahre, SD = 0.62, ca. 54% Mädchen).
Reasoning wurde anhand des Culture Fair Test 20-R erhoben, die komplexe Problemlösefähigkeit anhand von computerbasierter Mikrowelten (MicroDYN). Das Problemlöse-, mathematische und verbale Selbstkonzept wurden mit der deutschen
Version der Self-Description Questionnaire III (SDQ III) erfasst.
Ergebnisse:
Strukturgleichungsmodelle ergaben nach Kontrolle der hierarchischen Datenstruktur, dass, so wie das internal/external frame of
reference Modell vorhersagt, die Problemlösefähigkeit mit dem Problemlöse- sowie dem mathematischen Selbstkonzept
zusammenhängt. Ähnlich wie die Problemlösefähigkeit, war auch Reasoning sowie die erwartete Mathenote ein signifikanter
Prädiktor der Problemlöse- wie auch des mathematischen Selbstkonzepts, aber nicht des verbalen Selbstkonzepts. Die erwartete
Deutschnote stand nicht im Zusammenhang mit dem Problemlöseselbstkonzept, war aber ein signifikanter Prädiktor des verbalen
und des mathematischen Selbstkonzepts.
Diskussion:
Die Studie ist eine querschnittlich angelegte Studie zur Entstehung domänenübergreifender Selbstkonzepte. Um die Entstehung
und Entwicklung von domänenübergreifenden Selbstkonzepten zu verstehen, sind Längsschnittstudien nötig. Dennoch gibt die
Studie einen ersten Hinweis auf die mögliche Bedeutung domänenübergreifender Fähigkeiten für die Entstehung
domänenübergreifende Selbstkonzepte. Sie bestätigt das internal/external frame of reference Modell indem sie auf positive
Zusammenhänge zwischen der Problemlösefähigkeit und domänennahen (Problemlöseselbstkonzept, mathematisches
Selbstkonzept) und negative Zusammenhänge zu domänenfernen Selbstkonzepten hindeutet (verbales Selbstkonzept).
ID: 409 / A 01 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, Motivation und Emotion
Stichworte: Hausaufgaben, Motivation, Erwartungs-Wert-Theorie, Interventionsstudie
Wie kann die Motivation von Schülerinnen und Schülern für ihre Hausaufgaben gesteigert werden?
Effekte einer fachspezifischen Nützlichkeitsintervention
Barbara Flunger1, Isabelle Häfner1, Hanna Gaspard1, Brigitte Brisson1, Anna-Lena Dicke2, Benjamin Nagengast1, Ulrich
Trautwein1
1
Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung, Eberhard Karls Universität Tübingen; 2University of California, Irvine
Hausaufgaben werden von Schülerinnen und Schülern nicht immer zwangsläufig als interessant erlebt. So können Hausaufgaben
auch negative Emotionen hervorrufen (z.B., Dettmers et al., 2011) und mit Motivationsverlust einhergehen (Warton, 2001).
Hausaufgaben sollen u.a. den Zweck erfüllen, Schülerinnen und Schülern zuhause eine zusätzliche Übungsmöglichkeit des
Lernstoffs zu geben und dadurch ihre Schulleistungen zu fördern (Cooper, 1989; Trautwein, Köller, Schmitz, & Baumert, 2002).
Zahlreiche Studien weisen jedoch nach, dass geringe Motivation für die Hausaufgaben in wenig sorgfältiger
Hausaufgabenerledigung münden kann, wodurch letztendlich auch die erhoffte Leistungssteigerung ausbleibt (Trautwein &
Lüdtke, 2009; Trautwein, Lüdtke, Schnyder, & Niggli, 2006). Eine zentrale Frage innerhalb der Hausaufgabenforschung besteht
also darin, wie sich die Motivation und die Anstrengungsbereitschaft von Schülerinnen und Schülern bei der
Hausaufgabenerledigung verbessern lassen.
Durch welche Maßnahmen könnte bei Schülerinnen und Schülern die Motivation für die Hausaufgaben gesteigert werden? Die
Motivation für Hausaufgaben kann auf Grundlage der Erwartungs-Wert-Theorie (Eccles et al., 1983) definiert werden. Nach der
Erwartungs-Wert Theorie (Eccles et al., 1983) werden vier Wertüberzeugungen unterschieden, die das Engagement von
Schülerinnen und Schülern bei der Bearbeitung von Hausaufgaben beeinflussen können: intrinsischer Wert, Wichtigkeit,
Nützlichkeit, und wahrgenommene Kosten. Interventionsstudien, die explizit bei den Wertüberzeugungen von Schülerinnen und
Schülern bezüglich ihrer Hausaufgaben angesetzt haben, fehlen bisher.
Jedoch wurden basierend auf der Erwartungs-Wert-Theorie (Eccles et al., 1983) effektive Ansätze zur Motivationssteigerung
entwickelt (Harackiewicz, Tibbetts, Canning, & Hyde, 2014; Hulleman & Harackiewicz, 2009). In den bisherigen
Interventionsstudien wurden Interventionen zur Förderung der Nützlichkeitswahrnehmung angewendet (z.B. Harackiewicz,
Rozek, Hulleman & Hyde, 2012). Dabei wurde insbesondere die Relevanz von bestimmten Fähigkeiten, die in einem Fach oder
Kurs vermittelt wurden, für das Leben der Schülerinnen und Schüler betont. Diese Nützlichkeitsinterventionen erwiesen sich
tatsächlich als effektiv darin, die Wertüberzeugungen und das Interesse bezüglich spezifischer Schulfächer zu steigern. Allerdings
bleibt ungeklärt, ob Interventionen, die an der fachspezifischen Nützlichkeitsüberzeugung ansetzen, auch positive Effekte auf die
Motivation bei der Hausaufgabenerledigung in diesem Fach haben können.
Ausgehend hiervon geht die vorliegende Studie der Frage nach, ob eine Intervention zur Förderung der
Nützlichkeitswahrnehmung im Fach Mathematik die wahrgenommenen Wertüberzeugungen sowie das Interesse und die
Anstrengungsbereitschaft auch in Bezug auf die Hausaufgaben im Fach Mathematik steigern kann. Um die Motivation von
Schülerinnen und Schülern bei der Hausaufgabenerledigung zu evaluieren, wurden Tagebuchdaten herangezogen. Die Studie
basiert auf einer Stichprobe von 82 Klassen der 9. Jahrgangsstufe aus 25 Gymnasien in Baden-Württemberg, die an einer
Interventionsstudie teilnahmen, in der die Nützlichkeitswahrnehmung von Schülerinnen und Schüler für Mathematik gefördert
wurde (siehe z.B. Gaspard et al., 2015). Die teilnehmenden Klassen wurden randomisiert einer von zwei
Interventionsbedingungen oder einer Wartekontrollgruppe zugewiesen. Die Schülerinnen und Schüler in den
Interventionsbedingungen nahmen an einer doppelstündigen Unterrichtseinheit zur Nützlichkeit der Mathematik teil. Daraufhin
verfassten die Schülerinnen und Schüler einen Text zur persönlichen Bedeutung der Mathematik (Textbedingung) oder
bewerteten Interviewzitate zur Nützlichkeit von Mathematik (Zitatebedingung). Vor der Intervention (Prätest) wurde von insgesamt
1978 Schülerinnen und Schüler (53.6% weiblich) per Fragebogen das generelle Interesse, die Wertüberzeugungen, die
Selbstwirksamkeit sowie die Anstrengungsbereitschaft in Bezug auf Hausaufgaben erfasst. Nach der Intervention bearbeiteten
die Schülerinnen und Schüler vier Wochen lang ein Hausaufgaben-Lernportfolio, in dem sie täglich zu ihren Wertüberzeugungen,
Kompetenzerleben, Situationalem Interesse (Catch- und Hold-Komponente) und ihrer Anstrengungsbereitschaft bei den
Hausaufgaben befragt wurden. Die Interventionseffekte wurden anhand der Modellierung von Latenten Wachstumskurven unter
Kontrolle der Prätest-Maße analysiert.
Die Ergebnisse dieser Analysen zeigten positive Effekte der Textbedingung auf das Situationale Interesse (Catch-Komponente)
der Schülerinnen und Schüler bei den Hausaufgaben. In der Zitatebedingung konnte bezüglich der Hausaufgaben ein positiver
Effekt auf die Anstrengungsbereitschaft, das Situationale Interesse (Hold-Komponente) und die wahrgenommene Nützlichkeit
der Hausaufgaben gefunden werden.
Demnach können fachspezifische Nützlichkeitsinterventionen eine Maßnahme darstellen, motivationale Probleme von
Schülerinnen und Schülern bei den Hausaufgaben zu verringern.
ID: 417 / B 16 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Soziologie
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Methoden der empirischen Bildungsforschung, Sonstiges
Stichworte: Kompostionseffekte, Unterrichtsprozesse, Mehrebenenmediationsmodelle
Unterrichtmerkmale als Mediatoren von Klassenkompositionseffekten
Christoph Weber1, Horst Biedermann2
1
Pädagogische Hochschule OÖ, Österreich; 2Universität Salzburg, School of Education, Österreich
Auf die Mitschüler/innen kommt es an? – diese Frage hat insbesondere seit der Fokussierung auf internationale und nationale
Vergleichsstudien („Large-Scale-Assessments“) wiederum deutlich an Interesse im Bereich der empirischen Bildungsforschung
gewonnen. Dabei interessiert, inwieweit sich die Zusammensetzung der Schüler/innen (was mit Komposition zum Ausdruck
gebracht wird) auf deren Leistungen auswirkt und wie dies erklärt werden kann. Während die Effekte unterschiedlicher Schulbzw. Klassenkompositionsmerkmale (so z.B. der sozio-ökonomische Hintergrund, der kulturelle Hintergrund oder das
Fähigkeitsniveau) auf Schüler/innenleistungen empirisch weitgehend gut dokumentiert sind (u.a. Dumant, Neumann, Maaz &
Trautwein, 2013), ist die empirische Befundlage zu den Mechanismen zur Erklärung von Kompositionseffekten noch dünn. Neben
Mechanismen wie der normativen Kultur der Schülergruppe und der Elternschaft sowie der sozialen Vergleichsprozesse der
Schüler/innen werden Klassenkompositionseffekte in der Literatur insbesondere dadurch erklärt, dass die
Kompositionsmerkmale auf Unterrichtsrealisierungen der Lehrperson wirken, die in der weiteren Folge die Leistungen der
Schüler/innen determinieren (u.a. Baumert, Stanat & Watermann, 2006; Dreeben & Bar, 1988; Rjosk, Richter, Hochweber, Lüdtke
& Klieme, 2014).
In diesem Beitrag wird dieser – noch wenig empirisch abgestützten – Vermutung der Mediation von Kompositionseffekten durch
Unterrichtsrealisierungen datengestützt nachgegangen. Konkret interessiert in einem ersten Schritt, welche
Klassenkompositionsmerkmale (Anteil Schüler/innen mit nichtdeutscher Alltagssprache, durchschnittlicher Sozialstatus,
durchschnittliche kognitive Leistungsfähigkeit (gemessen durch den KFT, Heller & Perleth, 2000) bei simultaner Betrachtung
einen Effekt auf die Leistung in Deutsch (D) und Mathematik (M) aufweisen. In einem zweiten Schritt wird danach der Frage
nachgegangen, ob etwaige Kompositionseffekte durch Unterrichtsmerkmale vermittelt werden. Als Datenbasis dient die
Evaluation der österreichischen Neuen Mittelschule (9397 Schüler/innen der 8. Schulstufe aus 472 Klassen und 172 Schulen;
Eder, Altrichter, Hofmann & Weber, 2015).
Die Analysen wurden mit der Software MPlus durchgeführt. Auf Basis von Zweiebenenmodellen zeigt sich, dass bei simultaner
Betrachtung nur das durchschnittliche Leistungsniveau einen Effekt auf die Leistungen der Schüler/innen aufweist (Deutsch und
Mathematik). Mehrebenenmediationsmodelle unter Verwendung des doubly latent Ansatzes (u.a. Morin, Marsh, Nagengast &
Scalas, 2014) zur Messung der Unterrichtsmerkmale (Mediatoren) weisen darauf hin, dass die Effekte der kognitiven
Leistungskomposition teilweise durch Unterrichtsmerkmale vermittelt werden. Signifikante indirekte Effekte der
Leistungskomposition ergeben sich u.a. über einen Mangel an Struktur und Ordnung im Unterricht (D, M), eine positive
Klassenführung (D) und über einen frustrierenden Unterricht (D). Im Rahmen des Beitrags werden die theoretische Grundlagen
und empirischen Analysen dargestellt und die Ergebnisse bezüglich möglicher bildungspolitischer Konsequenzen reflektiert.
ID: 419 / E 03 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Mathematischnaturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: Wissenschaftliches Denken, Naturwissenschaften, Conceptual Change, Grundschule
Der Zusammenhang zwischen wissenschaftlichem Denken und konzeptuellem Wissen in der
Grundschule
Steffen Tröbst1, Judith Pollmeier1, Ilonca Hardy2, Daniela Mayer3, Christopher Osterhaus4, Thilo Kleickmann1, Kornelia
Möller5, Susanne Koerber4, Beate Sodian6
1
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Deutschland; 2Goethe-Universität Frankfurt/Main; 3Staatsinstitut für Frühpädagogik
München; 4Pädagogische Hochschule Freiburg; 5Westfälische Wilhelms-Universität Münster; 6Ludwig-Maximilians-Universität
München
Fachdidaktische Konzeptualisierungen des Kompetenzerwerbs in den Naturwissenschaften unterscheiden inhaltsunspezifisches
Wissen über die Naturwissenschaften und ihre Wege der Erkenntnisgewinnung von inhaltspezifischem konzeptuellen
Verständnis naturwissenschaftlicher Sachverhalte (e.g., Bybee, 1997). Diese normative Unterscheidung zweier
Kompetenzaspekte von scientific literacy findet eine Parallele in der Unterscheidung zwischen prozeduralem wissenschaftlichen
Denken und deklarativem konzeptuellen Wissen in der kognitiven Entwicklungspsychologie. Es ist naheliegend anzunehmen, vor
allem mit Blick auf Formen forschenden Lernens, dass wissenschaftliches Denken den Erwerb konzeptuellen Wissens infolge
einer verbesserten Nutzung von Lerngelegenheiten unterstützt. Vor diesem Hintergrund betrachteten wir die Bedeutung
wissenschaftlichen Denkens für die Vorhersage konzeptuellen Wissens in einer Querschnittstudie mit 1915 Zweit-, Dritt- und
Viertklässlern in 87 Schulklassen. Neben der Betrachtung des einfachen Zusammenhangs zwischen wissenschaftlichem Denken
und konzeptuellem Wissen in Form eines Haupteffekts wissenschaftlichen Denkens auf konzeptuelles Wissen erkundeten wir,
ob wissenschaftliches Denken und die Konfrontation mit Lerngelegenheiten in ihrer Relevanz für konzeptuelles Wissen
interagierten.
Die teilnehmenden Kinder bearbeiteten sowohl einen Test zum naturwissenschaftlichen Denken (Koerber, Mayer, Osterhaus,
Schwippert, & Sodian, 2014), unserem zentralen Prädiktor, als auch Tests zum konzeptuellen Wissen über Schwimmen und
Sinken sowie zum konzeptuellen Wissen über Verdunstung und Kondensation, unseren beiden abhängigen Variablen. Wir
kalibrierten diese drei Tests unter Nutzung des einfachen Rasch-Modells. Darüber hinaus erfassten wir sechs Kovariaten: fluide
Intelligenz, Lesefähigkeit, Interesse an Sachunterricht, Geschlecht, sozioökonomischer Status und Migrationshintergrund. Wir
verfügten über zwei Proxy-Variablen für die Begegnung der Kinder mit relevanten Lerngelegenheiten. Dies waren Jahrgangsstufe
und Lehrerangaben zu einschlägigem Unterricht. Wir nutzten das R-Paket mice zur multiplen Imputation fehlender Werte (van
Buuren & Groothuis-Oudshoorn, 2011).
Wir führten vier Reihen von Mehrebenenanalysen durch, welche sich aus der systematischen Kombination der beiden
abhängigen Variablen mit den beiden Proxy-Variablen für Lerngelegenheiten ergaben. Wir begannen jede Reihe mit einem
Basismodell, welches lediglich die Haupteffekte für wissenschaftliches Denken und für die betroffene Proxy-Variable für
Lerngelegenheiten sowie den zugehörigen Interaktionsterm enthielt. Danach schätzten wir Modelle, welche zusätzlich jeweils
eine der potentiell relevanten Kovariaten einbezogen. Schließlich beendeten wir jede Serie von Mehrebenenanalysen mit der
Schätzung eines Models, welches simultan alle Kovariaten einschloss. In diesen Analysen erkundeten wir die Robustheit der in
den Basismodellen gefundenen Effekte. Wir explorierten, ob die Kovariaten den potentiellen Zusammenhang zwischen
wissenschaftlichem Denken und konzeptuellem Wissen erklärten.
Zur Prüfung der Annahme, dass wissenschaftliches Denken den Erwerb konzeptuellen naturwissenschaftlichen Wissens
befördert, betrachteten wir den Zusammenhang zwischen wissenschaftlichem Denken und konzeptuellem Wissen für einen
großen querschnittlichen Datensatz deutscher Grundschulkinder. In einer Art Kreuzvalidierung prüften wir den Zusammenhang
in zwei Inhaltsgebieten, Schwimmen und Sinken sowie Verdunstung und Kondensation. In beiden Inhaltsgebieten fanden wir
einen substanziellen Zusammenhang zwischen wissenschaftlichem Denken und konzeptuellem Wissen, welcher nicht
unmittelbar durch die Berücksichtigung weiterer Kovariaten erklärt werden konnte. In Hinblick auf die Interaktion zwischen
wissenschaftlichem Denken und Lerngelegenheiten waren die Befunde jedoch weniger eindeutig. Im Inhaltsgebiet Schwimmen
und Sinken förderten unsere Auswertungen eine statistisch signifikante Interaktion zwischen wissenschaftlichem Denken und
Jahrgangsstufe zutage, welche allerdings bei simultanem Einbezug aller Kovariaten nicht mehr auftrat. Bezüglich der
Lehrerangabe zum einschlägigen Unterricht entdeckten wir darüber hinaus nur zwei statistisch marginal signifikante Interaktionen
bei der Vorhersage des Wissens über Schwimmen und Sinken. Im Inhaltsgebiet Verdunstung und Kondensation erhielten wir
einige statistisch marginal signifikante Interaktionen zwischen wissenschaftlichem Denken und Jahrgangsstufe sowie keinerlei
signifikante Interaktionen zwischen wissenschaftlichem Denken und einschlägigem Unterricht. In der Gesamtschau belegen
unsere Auswertungen einen nicht-trivialen Zusammenhang zwischen wissenschaftlichem Denken und konzeptuellem Wissen bei
Kindern im Grundschulalter. Möglicherweise unterstützt wissenschaftliches Denken die Nutzung von Lerngelegenheiten zum
Erwerb konzeptuellen Wissens. Die Aussagekraft unserer Untersuchung wird allerdings von den herkömmlichen Limitierungen
einer Querschnittstudie begrenzt. Zukünftige längsschnittliche und experimentelle Studien sind daher notwendig, um die mögliche
Kausalität des wissenschaftlichen Denkens für den Aufbau konzeptuellen Wissens zu prüfen.
ID: 421 / E 14 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Ökonomie, Wirtschafts- und Berufspädagogik
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Ökonomie und Bildung
Stichworte: Kompetenzentwicklung, nachhaltiges Wirtschaften, Kompetenzmessung
Divergente Theorien zum nachhaltigen Wirtschaften: Analyse von Kompetenzentwicklungen zum
nachhaltigen Wirtschaften kaufmännischer Auszubildender durch unterschiedliche Scoringmodelle im
Leistungstest
Christian Michaelis
Georg-August-Universität Göttingen, Deutschland
Trotz langem Diskurs sowie normativen Forderungen der Vereinten Nationen (vgl. UNCED, 1992) über Bildung für nachhaltige
Entwicklung (BNE), erfolgten bisher nur wenige curriculare Implikationen und empirische Analysen in der kaufmännischen
Berufsausbildung. Gründe hierfür liegen unter anderem in unterschiedlichen, zum Teil divergenten, Annahmen zum nachhaltigen
Wirtschaften und damit zusammenhängend der Frage welchen Nachhaltigkeitsansätzen die kaufmännische Berufsbildung für
nachhaltige Entwicklung (BBNE) folgen sollte? Illge und Schwarze (2009, S. 595) identifizieren als Ergebnis einer Clusteranalyse
von 196 Ökonomieexperten, die sich mit nachhaltigkeitsrelevanten Themen auseinandersetzen, eine 2-Cluster-Lösung, in der
sich ökologische von neoklassischen Umweltökonomen unterscheiden. Während erstere ein so genanntes starkes
Nachhaltigkeitsverständnis verfolgen, und die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit priorisieren, stehen in der
neoklassischen Umweltökonomie nutzentheoretische Annahmen im Vordergrund, die sich zudem stärker an bestehenden
Marktmechanismen orientieren. Aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive gelten hier steigende Grenzerträge zu Gunsten
des ökonomischen Erfolgs erst ab und nur bis zu einem bestimmten Erzielungsgrad an Umweltschutz als realistisch (Schaltegger
& Synnestvedt, 2002).
Ausgehend von unterschiedlichen Nachhaltigkeitsprämissen, die für kaufmännische Entscheidungen diskutiert werden können,
zielt dieser Beitrag auf die Analyse zweier unterschiedlicher Scoringansätze zum nachhaltigen Wirtschaften für einen Situational
Judgement Test (SJT) im Rahmen der Messung von Kompetenzen und deren Entwicklung in der kaufmännischen
Berufsausbildung ab. Im Rahmen des SJT, der der KONWIKA-Studie entstammt (Seeber & Fischer, 2011), wird an erster Stelle
eine Handlung für ein betriebliches Problem empfohlen und anschließend begründet. Aufgrund offener Begründungsfelder,
ermöglicht dieses Instrument die Kategorisierung nach ökonomischen sowie ökologisch/sozialen Aspekten. Den ScoringAnsätzen gemein ist die Voraussetzung einer realistischen nachhaltigkeitsorientierten kaufmännischen Handlungsentscheidung.
Das erste Scoring basiert auf der betriebswirtschaftlichen Annahme, dass eine nachhaltige Entwicklung an erster Stelle
kaufmännische Vorteile, aber auch für die ökologisch/soziale Dimension der Nachhaltigkeit Vorteile erzielen soll. Dazu wird ein
Partial-Credit-Modell (Masters, 1982) verwendet, in dessen Rahmen zwei Punkte für Argumentationen vergeben werden, die
kaufmännische aber auch ökologisch/soziale Gründe explizieren. Eindimensionale Begründungen (kaufmännisch oder
ökologisch/sozial) werden mit einem Punkt berücksichtigt. Das zweite Scoring basiert auf der Hervorhebung der ökologischen
Nachhaltigkeitsdimension. Auszubildende, die explizit ökologische Gründe verbalisieren, erhalten einen Punkt. Diesem ScoringAnsatz liegt eine dichotome Bewertung zu Grunde.
Die Daten (N=218) resultieren aus einem längsschnittlichen Erhebungsdesign im Ausbildungsberuf Kaufmann/-frau für Spedition
und Logistikdienstleistungen mit 3 Messzeitpunkten. Der Ausbildungsberuf wurde gewählt, da Nachhaltigkeitsthemen in der
Logistikbranche an zunehmender Bedeutung gewinnen werden (Bretzke & Barkawi, 2010). Zur Diagnostik der
Kompetenzentwicklung im Ausbildungsverlauf erfolgten die Befragungen direkt zu Beginn der Berufsausbildung (t1) sowie jeweils
ein Jahr später beim Übergang in das zweite (t2) und dritte Ausbildungsjahr (t3). Zur Messung der Kompetenzentwicklung
umfasst der SJT zu jedem Messzeitpunkt zehn Items mit 5 identischen Ankeritems zwischen den Messzeitpunkten. Die
Auswertung erfolgt über eine mehrdimensionale Raschskalierung (EAP-PV-Rel.: Scoring1: .518 (t1) .680 (t2) .709 (t3); Scoring2:
.471 (t1) .591 (t2) .621 (t3)). Die Analyse der Kompetenzentwicklung (auf Basis der wle‘s) erfolgt anschließend unter Kontrolle
von soziodemografischen, kognitiven und motivationalen Faktoren, wahrgenommener Wert- und Normorientierungen sowie
formaler und informeller Lerngelegenheiten mittels latenter Wachstumskurvenmodellen (Scoring1: CFI .984, RMSEA .035;
Scoring2: CFI .968, RMSEA .038).
Unabhängig des Scorings zeigt sich eine verschlechternde Performanz der Auszubildenden im SJT im Ausbildungsverlauf.
Deskriptive Analysen sowie das zweite Scoring verdeutlichen zur Erklärung dieses Effektes eine abnehmende ökologische
Argumentation im Ausbildungsverlauf. Der intercept wird für beide Scoringmodelle besonders durch deklaratives Wissen erklärt.
Die Erklärungsfaktoren der Kompetenzentwicklung zeigen unter anderem für das Scoringmodell 1, dass Auszubildende einen
Kompetenzerwerb erfahren, wenn in ihrem Ausbildungsbetrieb wirtschaftliche Aspekte eine hohe Bedeutung einnehmen.
Hingegen erzielen Auszubildende unter anderem einen Kompetenzerwerb im Scoringmodell 2, wenn Ausbildungsbetriebe
ökologischen Aspekten explizit einen hohen Stellenwert einräumen. Obwohl die Reliabilitätswerte des zweiten Scorings deutlich
messfehlerbehafteter erscheinen, stellt sich neben der messtheoretischen die inhaltliche Frage, welchem Scoringansatz eine
BBNE folgen sollte und wird abschließend diskutiert.
ID: 422 / A 01 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Inklusion
Stichworte: Inklusion, schulische Kompetenzen, Motivation, soziale Integration, Primarstufe
Auswirkungen des gemeinsamen Unterrichts auf Kinder ohne sonderpädagogischen Förderbedarf
Aleksander Kocaj, Poldi Kuhl, Petra Stanat
Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen, Deutschland
Im Zuge der schulischen Inklusionsbemühungen werden Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) zunehmend
gemeinsam mit Kindern ohne SPF an Regelschulen unterrichtet. Die möglichen Folgen gemeinsamen Unterrichts sind umstritten:
Auf der einen Seite wird befürchtet, dass Kinder ohne SPF durch die Anwesenheit von Kindern mit SPF in der Klasse in ihrer
schulischen Entwicklung beeinträchtigt werden könnten. So wird angenommen, dass Kinder mit SPF in Regelklassen mehr
Aufmerksamkeit der Lehrkräfte in Anspruch nehmen und ihre Mitschülerinnen und Mitschüler ohne SPF daher weniger
Unterstützung erhalten (Gottfried, 2014). Außerdem könnten die Lehrkräfte das Anspruchsniveau und Unterrichtstempo an
Kinder mit SPF anpassen, was sich negativ auf die schulischen Kompetenzen und die Motivation von Kindern ohne SPF
auswirken dürfte (Ruijs, Van der Veen, & Peetsma, 2010). Auf der anderen Seite wird vermutet, dass sich der gemeinsame
Unterricht positiv auf die schulische Entwicklung von Schülerinnen und Schülern mit SPF auswirkt (Kocaj, Kuhl, Kroth, Pant, &
Stanat, 2014). Zudem wird argumentiert, dass in inklusiven Klassenräumen verstärkt binnendifferenzierende, adaptive
Unterrichtsmethoden eingesetzt werden, von denen auch Kinder ohne SPF profitieren sollten (Ruijs, Van der Veen, & Peetsma,
2010). Und schließlich könnten Heranwachsende ohne SPF durch kooperative Lernformen eigene Wissensstände festigen und
somit im Hinblick auf ihren eigenen schulischen Kompetenzerwerb von der Heterogenität der Lerngruppe profitieren.
Vor dem Hintergrund dieser Diskussionen wird im vorliegenden Beitrag der Frage nachgegangen, wie sich der gemeinsame
Unterricht auf Kinder ohne SPF auswirkt. Dabei wird zudem geprüft, ob sich differenzielle Befundmuster für die untersuchten
Förderschwerpunkte Lernen, Sprache und emotionale und soziale Entwicklung zeigen. Datengrundlage war die 2011
durchgeführte Ländervergleichsstudie des IQB am Ende der vierten Jahrgangsstufe (Stanat, Pant, Böhme, & Richter, 2012),
wobei der Fokus in der vorliegenden Untersuchung auf der Teilstichprobe der Kindern ohne SPF liegt (N = 25169 aus n = 1292
Klassen, durchschnittliches Alter: 10.43 Jahre, SD = 0.49, 50% Mädchen). Davon hatten N = 7454 Kinder mindestens eine
Mitschülerin bzw. einen Mitschüler mit einem SPF in den Bereichen Lernen (N = 450), Sprache (N = 192) oder emotionale und
soziale Entwicklung (N = 258). In den Analysen wurden Unterschiede zwischen Integrationsklassen (Anwesenheit von
mindestens einem Kind mit SPF) und Regelklassen (keine Kinder mit SPF in der Klasse) in den schulischen Kompetenzen
(Lesen, Zuhören, Mathematik), in der schulischen Motivation (Lernfreude, Langeweile, akademisches Selbstkonzept Deutsch
und Mathematik) und in der sozialen Integration untersucht. Die Schätzung möglicher Effekte des gemeinsamen Unterrichts auf
Kinder ohne SPF erfolgte mit Mehrebenenanalysen, wobei eine Reihe von zentralen Kovariaten auf Schülerebene (Geschlecht,
Alter, sozialer Hintergrund, höchste Bildungsabschluss der Eltern, Zuwanderungshintergrund, kognitive Grundfähigkeiten) und
Klassenebene (kognitive Grundfähigkeiten, sozialer Hintergrund, Klassengröße) berücksichtigt wurden.
Insgesamt sprechen die Befunde nicht dafür, dass die gemeinsame Beschulung von Kindern mit SPF und Kindern ohne SPF
allgemein mit negativen Auswirkungen für Kinder ohne SPF verbunden ist. Allerdings ergaben sich Hinweise darauf, dass die
Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung mit
Herausforderungen für Kinder ohne SPF verbunden sein könnten. Hier wiesen Kinder ohne SPF in Integrationsklassen niedrigere
Mathematikleistungen auf als Kinder ohne SPF in Regelklassen und berichteten zudem weniger Lernfreude und mehr
Langeweile. Die negativen Effekte für diesen Förderschwerpunkt waren jedoch klein (ES2 zwischen –0.07 und –0.11 nach Tymss,
2004). Dieses Befundmuster spricht für die Annahme, dass Verhaltensauffälligkeiten der Kinder mit dem Förderschwerpunkt
emotionale und soziale Entwicklung zu Störungen im Unterricht führen, die das Unterrichtserleben der Mitschülerinnen und
Mitschüler beeinflussen (Gottfried, 2014). In weiterführenden Analysen soll geprüft werden, ob sich die Effekte der gemeinsamen
Beschulung für leistungsschwächere und leistungsstärkere Kinder ohne SPF unterscheiden.
ID: 423 / E 03 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, Methoden der empirischen Bildungsforschung,
Unterrichtsentwicklung/ Unterrichtsqualität
Stichworte: Unterrichtsqualität, Rating, Video, Perspektiven, Unterrichtsminiaturen
Unterrichtsqualität angehender Physiklehrkräfte: Zusammenhänge von Schüler-, Peer- und
Videobeobachterratings zu Unterrichtsminiaturen
Marvin Krüger, Friederike Korneck, Lars Oettinghaus, Mareike Kunter
Goethe-Universität Frankfurt
Theoretischer Hintergrund
Als besonders bedeutsam für das erfolgreiche Lernen von Schüler(innen) erwiesen sich Aspekte des Unterrichts, die in den
Tiefenstrukturen liegen (Seidel & Shavelson, 2007). In diesem Bereich lassen sich die drei Basisdimensionen von
Unterrichtsqualität „Klassenführung“, „kognitive Aktivierung“ und „konstruktive Unterstützung“ verorten, die ein theoretisches wie
empirisches Rahmenmodell für die Beschreibung qualitätsvoller Unterrichtsprozesse darstellen (Klieme et al., 2006; Kunter &
Voss, 2011).
Mögliche Perspektiven auf Unterrichtsqualität sind z. B. die Befragung von Schüler(inne)n oder Lehrkräften sowie die
Einschätzung durch externe (Video-)beobachter. Diese grundsätzlich geeigneten Zugänge weisen spezifische Vor- und Nachteile
auf (Clausen, 2002), weshalb eine Triangulation mehrerer Perspektiven sinnvoll erscheint. Bisherige Studien zu der damit
einhergehenden Frage, wie die genannten Perspektiven auf Unterrichtsqualität zusammenhängen, kommen zu heterogenen
Befunden, stimmen jedoch in der Erkenntnis überein, dass Zusammenhänge nur in bestimmten Konstellationen und geringem
Maße gefunden werden konnten (z. B. Clausen, 2002; Kunter & Baumert, 2006; Waldis et al., 2010). Fauth et al. (2014) können
beispielsweise zwischen Schüler- und Beobachterperspektive, die allgemein am häufigsten zur Erhebung von Unterrichtsqualität
eingesetzt werden, nur für die Klassenführung einen signifikanten Zusammenhang nachweisen. Eine mögliche Schlussfolgerung
ist die Notwendigkeit zur perspektivenspezifischen Konzeptualisierung von Unterrichtsqualität. Dieser Beitrag untersucht
demgegenüber die Möglichkeit einer Annäherung der Perspektiven durch Egalisierung des Beurteilungszeitraums und der
eingesetzten Instrumente.
Dazu werden in komplexitätsreduzierten Unterrichtssituationen die Beurteilungen von Schüler(inne)n, anderen angehenden
Lehrpersonen (Peers) sowie Ratings von Videobeobachtern erhoben.
Fragestellung
Welche Zusammenhänge existieren zwischen den Einschätzungen von unterrichteten Schüler(inne)n, hospitierenden Peers
sowie externen Videobeobachtern bezüglich der drei Basisdimensionen von Unterrichtsqualität im miniaturisierten Unterricht
angehender Physiklehrkräfte?
Design und Methode
Die vorliegende Studie erfasst Unterrichtsqualität angehender Physiklehrkräfte durch eine Erhebung im Rahmen 12-minütiger,
abgeschlossener Unterrichtsminiaturen, welche in einer studiengang- und phasenübergreifenden fachmethodischen
Lehrveranstaltung von den Teilnehmer(inne)n eigenständig entwickelt werden und in deren Mittelpunkt jeweils ein einzelnes
physikalisches Freihandexperiment steht (Korneck et al., 2015). Der Unterricht findet an kooperierenden Gymnasien und
Gesamtschulen mit Klassen der Sekundarstufe I statt. Die Lehrkräfte sind Studierende des Haupt-/Realschul- sowie des
gymnasialen Lehramts im Hauptstudium und gymnasiale Lehrkräfte im ersten Modul des Vorbereitungsdienstes. Die Stichprobe
umfasst 84 Lehrkräfte, die jeweils zwei Unterrichtsminiaturen gestalteten. Jede Sequenz wird von durchschnittlich zehn Peers
und zwölf Schüler(inne)n anhand vierstufig Likert-skalierter Fragebögen bewertet, mit denen insgesamt 22 Items zu den drei
Dimensionen Klassenführung, kognitive Aktivierung und konstruktive Unterstützung erhoben werden. Diese stammen von der
COACTIV-Studie (Baumert et al., 2009) und wurden an das Setting sowie die zweiminütige Erhebungsdauer adaptiert. Fünf
Videobeobachter beurteilen die Sequenzen zudem im Nachgang anhand eines speziell entwickelten Ratingmanuals, das unter
anderem die Items des Schüler- bzw. Peerfragebogens enthält (Szogs et al., eingereicht). Die explizit parallele Formulierung der
Instrumente für alle Perspektiven ermöglicht daher die Untersuchung der Perspektivzusammenhänge bei identischer
Operationalisierung, zudem führt das dargestellte Setting zu einem identischen Beurteilungszeitraum. Das Videomanual erlaubt
bei Berücksichtigung der darin zusätzlich enthaltenen 118 Items bzw. der insgesamt 18 erfassten Subdimensionen von
Unterrichtsqualität außerdem einen Vergleich zu einer umfassenderen Operationalisierung.
Ergebnisse und Diskussion
Die Ratings werden auf Ebene der Lehrkräfte durch die Bildung von Durchschnittsscores zu den drei Dimensionen aggregiert.
Die damit berechnete Multitrait-Multimethod-(Korrelations-)Matrix erlaubt den direkten Vergleich der drei Perspektiven und zeigt
substantielle, signifikant abgesicherte, Übereinstimmungen aller Perspektiven zu den drei untersuchten Dimensionen der
Unterrichtsqualität im mittleren bis hohen Bereich.
Hospitierende Peers, also angehende Physiklehrkräfte im Hauptstudium oder Vorbereitungsdienst, scheinen dabei besonders
nah an den Videobeobachtern zu liegen und erweisen sich damit für die Erhebung von Unterrichtsqualität im vorliegenden Setting
als besonders geeignet, da sie Vorteile der Schülerperspektive – hohe Reliabilität durch Aggregation und ökonomischer Einsatz
– mit denen der Beobachterperspektive – hohe Objektivität und Validität durch didaktisch-methodische Expertise – vereinen.
ID: 424 / A 13 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Sonderpädagogik
Thematisches Cluster: Inklusion, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lehrer(aus)bildung
Stichworte: Heterogenität, Lehrerbildung, Kompetenzorientierung, Vignettentest
Mit Heterogenität kompetent umgehen – ein Beitrag der Lehrerbildung zum Bildungserfolg von
Schülerinnen und Schülern
Eva-Kristina Franz, Albrecht Wacker, Vera Heyl
Pädagogische Hochschule Heidelberg, Deutschland
Problemaufriss
Der kompetente Umgang mit Heterogenität wird – insbesondere nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention
durch die Bundesrepublik Deutschland – als Gelingensfaktor schulischer Bildungsprozesse diskutiert. Unter der Prämisse eines
gemeinsamen Unterrichts aller Kinder erscheinen etablierte Konzepte der Differenzierung aktuell dafür nicht mehr ausreichend.
Studien zum Erwerb beruflicher Handlungskompetenz im Umgang mit Heterogenität bei Lehrkräften stellen diesbezüglich ein
Forschungsdesiderat dar.
Theoretischer Hintergrund
Der Umgang mit Heterogenität manifestiert sich stets in Bezug zu einem von Lehrkräften als bedeutsam bewerteten Merkmal
oder einer Merkmalskonfiguration wie Herkunft, Geschlecht oder individuellen Lernvoraussetzungen von Schülerinnen und
Schülern. Als Teilausschnitt des Shulmanschen Pedagogical Knowledge (Shulman 1986) konzeptualisieren Voss und Kunter
(2011) den Umgang mit Heterogenität als ein Wissen über effektive Klassenführung, über Unterrichtsmethoden, über
Leistungsbeurteilung, über das „Wie“ des Schülerlernens sowie über individuelle Unterschiede und die daraus resultierenden
Anforderungen an Lehrkräfte. Ähnlich erfassen auch König und Blömeke (2009) in der TEDS-M-Studie den Umgang mit
Heterogenität als übergreifenden Wissensbereich. Stärker auf die unterrichtspraktische Performanz bezogen und damit über
reine Wissenselemente hinausweisend ist der Ansatz des adaptive teaching (Corno und Snow 1986; Beck et al. 2010). Im Kontext
der in einem inklusiven Bildungssystem zu erwartenden Heterogenität der Schülerschaft erscheint die theoretische Modellierung
und empirische Überprüfung der damit verbundenen Kompetenzen von Lehrkräften angezeigt und bedeutsam.
Im Hinblick auf bedeutsame Bedingungsfaktoren eines kompetenten Umgangs mit Heterogenität kann angenommen werden,
dass die Einstellung zu Inklusion einen Effekt auf die Performanz von Lehrkräften in heterogenen Gruppen evoziert (Miller 2013).
Darüber hinaus lassen sich Studienwahlmotive, die eigene Fähigkeitsüberzeugung sowie die praktische Erfahrung als relevante
Kovariaten des kompetenten Umgangs mit Heterogenität aus der Literatur ableiten.
Fragestellung
Das Projekt „Effektive Kompetenzdiagnose in der Lehrerbildung“ (EKoL 2) geht der Frage nach, inwieweit angehende
Lehrpersonen im Rahmen ihrer Ausbildung Kompetenzen zum Umgang mit Heterogenität erwerben und weiterentwickeln und
mit welchen Bedingungsfaktoren diese Kompetenzen in Zusammenhang stehen.
Methode
Zur Erfassung der Kompetenz im Umgang mit Heterogenität wurde ein Vignettentest mit Text- und Videovignetten auf der
Grundlage eines theoretisch abgeleiteten Arbeitsmodells entwickelt, das das Konstrukt „Adaptive Lehrkompetenz in heterogenen
Gruppen“ zum Ausgangspunkt nimmt. Die Dimensionen „In heterogenen Gruppen diagnostizieren können“, „In heterogenen
Gruppen differenzieren können“ und „Klassenführung in heterogenen Gruppen beherrschen“ stellen in Anlehnung an Beck et al.
(2008) drei konstitutive Facetten des theoretischen Konstrukts dar. Die Prüfung der Inhaltsvalidität der Testvignetten erfolgte
über eine dreistufige Befragung von Expertinnen und Experten aus Hochschule, Schule und Schuladministration (Stufe 1:
qualitative Interviews, n = 20; Stufe 2: quantitative Item- und Vignettenselektion, n = 140; Stufe 3: quantitative Gewinnung eines
Referenzwerts, n = 66; vgl. Tepner und Dollny 2014). Die Konstruktvalidierung wurde anhand einer Querschnittsstichprobe
Lehramtsstudierender (n = 722) sowohl über eine Prüfung der angenommenen inneren Strukturen als auch über
Zusammenhangsanalysen mit theoretisch bedeutsamen Kovariaten vorgenommen.
Ergebnisse
Eine erste konfirmatorische Modellierung der drei theoretisch postulierten Kompetenzfacetten auf der Grundlage von PartialCredit-Scores auf Vignettenebene weist eine sehr hohe Anpassungsgüte auf. Erste bivariate Korrelationsanalysen zeigen, dass
der Vignettentest mit der verbalen Intelligenz in keinem signifikanten Zusammenhang steht, was die diskriminante Validität des
Verfahrens belegt. Signifikante Zusammenhänge zeigen sich hingegen bei theoretisch bedeutsamen Kovariaten wie der
Einstellung zu Inklusion und spezifischen Berufswahlmotiven (z.B. dem pädagogischen Interesse) oder beruflichen
Selbstkonzepten (z.B. den Selbsteinschätzungen von Diagnose-, Erziehungs- oder Beratungskompetenz). Die konkurrente
Kriteriumsvalidität konnte über signifikante Zusammenhänge mit Schulnoten bzw. der Studiendauer belegt werden. Im Vortrag
werden diese und weiterführende Ergebnisse der Querschnittsstudie dargestellt und diskutiert.
ID: 426 / B 16 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Sonstiges
Stichworte: Bullying, Gewalt in der Schule, Schüler-Schüler-Interaktion
Die Rolle leistungsstarker und leistungsschwacher Schülerinnen und Schüler im Bullying-Prozess
Rhea-Katharina Klein1, Fiona Dahlmanns2, Udo Käser2
1
Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd, Deutschland; 2Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Deutschland
Bei Bullying liegen in der sozialen Interaktion von Schülerinnen und Schülern Handlungsmuster vor, bei denen Schülerinnen bzw.
Schüler, denen im sozialen Gefüge z. B. der Schulklasse ein höherer Status zukommt, gegenüber bestimmten Mitschülerinnen /
Mitschülern mit niedrigem Status wiederholt gewalttätig auftreten (Olweus, 1993). Absichtlichkeit, Machtgefälle und
Regelmäßigkeit sind die zentralen Charakteristika der Gewaltakte, welche bei Bullying in systematischer Form auftreten.
Zur Beschreibung von Bullying liegt mit dem Participant-Role-Ansatz (Salmivalli, Lagerspetz, Bjorkqvist, Osterman & Kaukiainen,
1996) ein umfassendes Modell für die unterschiedlichen Rollen (Täter, Assistenten, Verstärker, Opfer, Außenstehende,
Verteidiger) vor, in denen Schülerinnen und Schüler in Bullying-Prozesse involviert sein können. Es macht deutlich, dass Gewalt
im Kontext von Bullying nur verstanden werden kann, wenn das soziale Gefüge der Klasse berücksichtigt wird (Salmivalli, 2010).
Typische Charakteristika der verschiedenen Rollen sind in der Zwischenzeit gut untersucht. Mit Blick auf die Leistung von
Schülerinnen und Schülern konnte etwa gezeigt werden, dass es sich bei Verteidigern in der Regel um leistungsstarke
Schülerinnen und Schüler handelt, während Täter und Opfer häufig eher unterdurchschnittliche Schulleistungen aufweisen
(Scheithauer, Hayer & Petermann, 2003, Nansel, Craig, Overpeck, Saluja & Ruan, 2004, Cook, Williams, Guerra, Kim & Sadek,
2010). Eine mögliche Erklärung besteht darin, dass Täter oft aus einem Machtmotiv handeln (Olweus, 1993) und Bullying für sie
eine Möglichkeit darstellt innerhalb der Gruppe von Schülerinnen und Schülern dominant sein zu können, wozu sie aufgrund ihrer
Leistung nicht in der Lage sind. Demgegenüber können schlechte Schulleistungen von Opfern als eine Folge von Bullying im
Zuge von Viktimisierung interpretiert werden.
Vor diesem Hintergrund wird der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Bullying und der Leistung von Schülerinnen und
Schülern genauer nachgegangen. Zunächst wird untersucht, ob sich die bisherigen Befunde zum Zusammenhang von
Schülerleistung und Rollenübernahme im Bullying-Prozess in Abhängigkeit von Schulform und Jahrgangsstufe bestätigen lassen
und inwiefern sich die Leistung von Schülerinnen und Schülern unterscheidet je nachdem, ob rollentypische Verhaltensweisen
konstant bleiben oder sich verändern. Des Weiteren wird die Frage verfolgt, ob es im sozialen Gefüge von Klassen Unterschiede
gibt, wenn leistungsstarke oder leistungsschwache Schülerinnen bzw. Schüler als Täter oder Opfer auftreten.
Hierzu werden zwei Studien über Bullying an weiterführenden Schulen vorgestellt: Eine Querschnittstudie an einer Stichprobe
von ca. 6.000 Schülerinnen und Schülern der sechsten und neunten Jahrgangsstufe der verschiedenen Schulformen sowie eine
Längsschnittstudie an einer Stichprobe von ca. 1.200 Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I, die zu zwei
Messzeitpunkten im Abstand von etwa einem Schulhalbjahr realisiert wurde. Die Rollenzuweisung erfolgte in beiden Studien
mittels peer nomination auf Grundlage des PRQ (participant role questionnaire; Salmivalli et al., 1996), der in Anlehnung an die
deutschsprachige Übersetzung von Schäfer und Korn (2004) eingesetzt wurde. Darüber hinaus wurden im Fragebogen Alter,
Geschlecht, Schulleistung, Beliebtheit / Unbeliebtheit sowie die Freundschaftsnetze der Schülerinnen und Schüler erfasst.
Die Ergebnisse bestätigen im Allgemeinen die erwarteten Zusammenhänge zwischen schulischer Leistung und
Rollenübernahme im Rahmen von Bullying. Allerdings liegen auch erwartungswidrige Befunde in Abhängigkeit von Schulform
und Jahrgangsstufe vor. So ist bei Sechstklässlern der Gesamtschule die Schulleistung im Unterschied zu anderen Schulformen
und Jahrgangsstufen kein signifikanter Prädiktor für die Übernahme der Verteidigerrolle. Hingegen erweist sich an Realschulen
Schulleistung als Prädiktor für die Übernahme der Außenstehenden-Rolle. Darüber hinaus machen die längsschnittlichen Daten
deutlich, dass die Rollen im Bullying-Prozess hohe Stabilität aufweisen. Dabei zeigen Schülerinnen und Schüler, denen zu beiden
Messzeitpunkten eine pro-Bullying-Rolle (Täter, Assistent, Verstärker) zugewiesen wird, schon zum ersten Messzeitpunkt eine
größere Gewaltintensität und schlechtere Leistungen als Schülerinnen und Schüler, die vom ersten zum zweiten Messzeitpunkt
ihre pro-Bullying-Rolle ablegen.
Die Befunde machen das Wechselspiel zwischen schulischer Leistung und sozialer Interaktion im Kontext von Bullying deutlich.
Vor diesem Hintergrund werden Konzepte diskutiert, wie Bullying erfolgreich entgegen getreten werden kann.
ID: 428 / E 14 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Wirtschafts- und Berufspädagogik
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Methoden der empirischen
Bildungsforschung
Stichworte: Kompetenzdiagnostik, Problemlösekompetenz, Item Response Theorie, qualitative Inhaltsanalyse, Logfile-Analyse
Partial-Credit-Kodierung komplexen Verhaltens in offenen Problemräumen unter Berücksichtigung der
lokalen Unabhängigkeit
Andreas Rausch1, Steffen Brandt2, Kristina Kögler3
1
Universität Bamberg, Deutschland; 2Art of Reduction, Deutschland; 3Universität Frankfurt, Deutschland
Im Rahmen eines BMBF-geförderten Verbundprojekts wurde eine computerbasierte Testumgebung entwickelt, um die
domänenspezifische Problemlösekompetenz angehender Industriekaufleuten in einem zentralen kaufmännischen
Handlungsfeld, dem Controlling, zu erfassen. Die Teilnehmenden bearbeiteten drei in ihrer Komplexität ansteigende
Problemszenarien mit einer Bearbeitungszeit von jeweils 30 Minuten. Die Szenarien wurden anhand authentischer Materialien in
einer simulierten Arbeitsplatzumgebung präsentiert, die verschiedene domänentypische Werkzeuge wie Email-Client, Notizblock,
Taschenrechner, Tabellenkalkulation sowie umfangreiche Dokumentenarchive bereitstellt. Somit wurde ein authentischer und
offener Problemraum geschaffen.
Die hier im Fokus stehende kognitive Kompetenzdimension der Wissensanwendung umfasst die (Sub-)Dimensionen
„Handlungsbedarfe und Informationsquellen identifizieren“, „Informationen verarbeiten“, „Begründete Entscheidung treffen“ und
„Entscheidung angemessen kommunizieren“ (Rausch & Wuttke, im Druck). Für die Berechnung der individuellen Leistungswerte
stehen zwei unterschiedliche Informationsquellen zur Verfügung: Die Lösungsdokumente der Probanden in Form der
Antwortemail an ihren Vorgesetzten sowie der Berechnungen in der Tabellenkalkulation wurden inhaltsanalytisch kodiert. Ferner
wurden verschiedene aggregierte Log-Daten verwendet, die bspw. aufzeigen, welche Dokumente und Instrumente jeweils
genutzt wurden.
Aufgrund der für diesen Testaufbau charakteristischen Offenheit des Lösungsraums bestanden im Rahmen der Auswertung zwei
wesentliche Herausforderungen: (1) die Zusammenfassung der Log-Daten und der kodierten Antworten der Probanden zu einer
validen Bewertung, in der die Relevanz der einzelnen Kodierungen entsprechend ihrer Bedeutung für die jeweilige Subdimension
des Wissensbereichs berücksichtigt wird; und (2) die Berechnung eines eindimensionalen Leistungswerts, der nicht durch lokale
Abhängigkeiten aufgrund der vier Subdimensionen des Wissensbereichs oder aufgrund der drei gegebenen Problemszenarien
verzerrt ist, sodass damit insbesondere die Reliabilität angemessen eingeschätzt und nicht überschätzt wird (Brandt, 2012b;
Wainer, Bradlow, & Wang, 2007).
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurde die Kodierung der Lösungsdokumente durch ein komplexes
Bewertungsverfahren erweitert. Die inhaltsanalytischen Kodierungen und aggregierten Logdaten wurden je Problemszenario und
je Subdimension zu Antwortmustern verdichtet. Jedem aufgetretenen Antwortmuster wurde durch Inhaltsexperten Partial Credits
zugeordnet. Da jeder komplexen Aufgabe auf diese Weise genau ein Partial Credit Item je Subdimension zugeordnet wird,
enthalten die Items keine lokalen Abhängigkeiten aufgrund gemeinsamer Zugehörigkeit zu einem gleichen Stimulus.
Um die lokale Abhängigkeit aufgrund der Subdimensionen zu verhindern, wurde für die eindimensionale Schätzung das
generalisierte Subdimensionsmodell (GSM) verwendet, das eine Restriktion des mehrdimensionalen Modells ist und die
Schätzung eines latenten, gewichteten Mittelwerts ermöglicht (Brandt, 2012a; Brandt & Duckor, 2013).
Die vorgestellten Ergebnisse basieren auf den Antworten von 784 Auszubildenden und stellen die Bewertung der Antwortmuster
beispielhaft für die erste Subdimension, „Handlungsbedarfe und Informationsquellen identifizieren“, vor. Die aufgetretenen
Antwortmuster werden hierbei in einer tabellarischen Übersicht aufgelistet, zusammen mit der Anzahl der Probanden, die dieses
Antwortmuster hatten, und zunächst gemäß des Summescores geordnet. Für die erste komplexe Aufgabe für Subdimension 1
gibt es neun dichotome Kodierungen und insgesamt 100 verschiedene Antwortmuster. Jedes der Antwortmuster wurde von den
Experten mit einem Punktwert von 0 bis 5 bewertet. Auf Basis dieser Bewertung und mit Hilfe des Partial Credit Modells (Masters,
1982) wurden dann Leistungswerte für die einzelnen Probanden berechnet und mit Hilfe der punkt-biseriellen Korrelationen der
einzelnen Antwortmuster mit den (WLE-)Leistungswerten sowie der durchschnittlichen Leistung je Antwortmuster wurde die
Bewertung der Antwortmuster in einem zweiten Schritt dann überprüft und angepasst. Für Subdimension 1 wurde auf Basis
vorläufiger Kodierungen so eine Reliabilität von 0,62 (Cronbachs Alpha) für die Leistungswerte erreicht. Mit Hilfe einer
mehrdimensionalen Auswertung mit Hintergrundmodell konnten insgesamt Reliabilitäten von 0,81, 0,78, 0,79 und 0,78 für die
vier Subdimensionen erreicht werden, für die eindimensionale Auswertung auf Basis des GSM eine Reliabilität 0,83.
Wir sind überzeugt, dass das verwendete Bewertungsverfahren durch die Einbindung der Experten wesentlich zur Erhöhung der
Validität der Ergebnisse beiträgt. Weiterhin gewährleistet der Ansatz, dass die berechneten Reliabilitäten adäquat sind und nicht
überschätzt werden aufgrund der lokalen Abhängigkeiten durch die Subdimensionen oder die genutzten Aufgabenstimuli.
ID: 430 / A 17 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Gesundheit/ Stress/ Belastung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Motivation und Emotion
Stichworte: Prüfungsängstlichkeit, akademisches Selbstkonzept, Selbstwirksamkeit, Adoleszenz
Selbstwahrgenommene Kompetenz und Prüfungsängstlichkeit: Welche Rolle spielen das akademische
Selbstkonzept und die Selbstwirksamkeit?
Tobias Ringeisen1, Diana Raufelder2
1
University of Applied Sciences Merseburg, Deutschland; 2Universität Greifswald
Theoretischer Hintergrund: Auf Basis der sozial-kognitiven Theorie hat die Forschung das akademische Selbstkonzept (ASK)
und die akademische Selbstwirksamkeit (ASW) als Determinanten geringer Prüfungsängstlichkeit identifiziert (für einen Überblick
siehe z.B. Bandura, 1997; Bong & Skaalvik, 2003; Zeidner, 2007). Beide Konstrukte bilden die zentralen Facetten
selbstbezogener Kompetenzen und werden mehrheitlich als konzeptuell unterschiedlich aufgefasst (Bong & Skaalvik, 2003; Ferla
et al., 2009).
Trotz vielfältiger empirischer Belege für ihre singuläre Bedeutung haben bisher wenige Studien die gemeinsame Wirkung beider
Kompetenzfacetten als Prädiktoren von Prüfungsängstlichkeit untersucht. Beispielsweise konnten Ferla et al. (2009) zeigen, dass
– wie von Pajares und Kranzler (1995) angenommen – ASW als Mediator zwischen ASK und Prüfungsängstlichkeit fungiert.
Ungeklärt ist bisher, inwieweit sich das Zusammenspiel beider Kompetenzüberzeugungen simultan auf die verschiedenen
kognitiven und affektiv-körperlichen Facetten von Prüfungsängstlichkeit auswirkt.
Fragestellung: Als Erweiterung des aktuellen Forschungsstandes untersuchte die aktuelle Studie, ob ASW als Mediator des
Zusammenhangs zwischen ASK und den multiplen Facetten der Prüfungsängstlichkeit (Aufgeregtheit, Besorgtheit, Interferenz
und Mangel an Zuversicht) fungiert. Es wurde angenommen, dass positive Zusammenhänge zwischen ASW und ASK sowie
negative Zusammenhänge zwischen beiden Kompetenzfacetten und den vier Dimensionen von Prüfungsängstlichkeit bestehen,
die für Mangel an Zuversicht am höchsten ausfallen sollten. Weiterhin wurde angenommen, dass ASW das Zusammenspiel von
ASK und den Prüfungsängstlichkeitsfacetten mediiert.
Methode: Eine Schülerstichprobe der Jahrgangsstufe 9 (N = 845; 465 Mädchen, 380 Jungen; Mage = 15.32; SD = 0.49) füllten
Fragebögen zum kriterialen akademischen Selbstkonzept (Schoene et al., 2002), zur schulbezogenen Selbstwirksamkeit
(Jerusalem & Satow, 1999) sowie zu den vier Facetten von Prüfungsangst (Besorgtheit, Interferenz, Mangel an Zuversicht und
Aufgeregtheit; Hodapp et al., 2011) aus. Die Schüler/-innen stammten aus 22 Sekundarschulen (10 Oberschulen und 12
Gymnasien), die zufällig aus den insgesamt 124 Sekundarschulen in Brandenburg ausgewählt worden waren. Anhand von
Strukturgleichungsmodellen wurden die Zusammenhangsmuster der Variablen untersucht.
Ergebnisse: Wie erwartet zeigten sich negative Zusammenhänge zwischen dem ASK und drei Facetten der
Prüfungsängstlichkeit (Aufgeregtheit, Interferenz und Mangel an Zuversicht), die für Mangel an Zuversicht am höchsten ausfielen
und die alle vollständig durch ASW mediiert wurden. Zusätzlich sagte ASK Besorgtheit vorher, wobei ASW nicht als Mediator
fungierte.
Die Ergebnisse erweitern den bisherigen Forschungsstand zur Bedeutung selbstbezogener Kompetenzüberzeugungen in
Bildungssettings: Demnach kommt der akademischen Selbstwirksamkeit eine zentrale Rolle für die Prävention von und
Intervention bei Leistungsversagensängsten zu, da sie die negativen Effekte eines geringen Fähigkeitsselbstkonzeptes auf
kognitive und affektiv-körperlicher Facetten der Prüfungsängstlichkeit abfedern kann. Implikationen für die weitere Forschung in
Lern- und Leistungskontexten werden diskutiert.
ID: 432 / F 01 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Soziologie
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung
Stichworte: Soziale Ungleichheit, Kompetenztestung, Studierende, Hochschulzugang
Arbeiterkinder an Hochschulen – Primäre Herkunftseffekte beim Hochschulzugang revisited. Analysen
auf Basis der Studierendenkohorte des NEPS
Uta Liebeskind, Gritt Fehring
Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), Deutschland
Arbeiterkinder an Hochschulen sind in Deutschland selten, denn der Zugang zu Hochschulbildung geschieht sozial selektiv:
Junge Menschen aus niedrigeren sozialen Schichten gehen nach dem Schulabschluss seltener in ein Hochschulstudium über
(Müller und Pollak 2010), diejenigen, die es dennoch tun, landen dabei eher an Fachhochschulen und damit in
Ausbildungsgängen mit geringeren Bildungsrenditen (Reimer und Pollak 2010). Ungleicher Zugang zu Hochschulbildung wird
mit dem Verweis auf die bereits vorab im Schulsystem stattfindenden ablaufenden Selektionsprozesse in der Regel über
sekundäre Effekte sozialer Herkunft erklärt (Watermann et al. 2014). Im Rahmen der TOSCA-Studie ist für badenwürttembergische Abiturienten und Abiturientinnen hinsichtlich der Bildungsintention für die postschulische Ausbildung gezeigt
worden, dass primäre Ungleichheiten für den Übergang eine geringe Rolle zu spielen scheinen und dieselben sich zudem über
die Schulart, an der die Hochschulzugangsberechtigung erworben wurde, erklären lassen (Maaz et al. 2004).
Unser Beitrag nimmt die Frage nach primären Effekten sozialer Ungleichheit im Hochschulzugang noch einmal auf, weil nun mit
den Daten der NEPS-Studierendenkohorte, eine ganz neue Datenbasis geschaffen ist, die datenbedingte Limitationen vorheriger
Untersuchungen zu diesem Thema überwindet. Insbesondere beleuchtet der Beitrag den Zusammenhang bildungsrelevanter
(Basis-)Kompetenzen und sozialem Status der Studierenden (gemessen etwa über das Berufsprestige des Vaters und der
Mutter). Die Daten der NEPS-Studierendenkohorte erlauben erstmals bundesweite Analysen zu Studierenden eines breiten
Fächerspektrums in den beiden wichtigsten Institutionen des deutschen Hochschulwesens, den Universitäten und
Fachhochschulen. Für die Personen im Datensatz liegen Messungen der mathematischen und der Lesekompetenzen zu einem
sehr frühen Zeitpunkt im Studium vor. Zu diesen Messungen kann angenommen werden, dass sie dem Kompetenzniveau zum
Zeitpunkt des Erreichens der Hochschulzugangsberechtigung entsprechen. Damit erlauben die verwendeten Daten im
Gegensatz zur bislang vorliegenden Übergangsforschung, Kompetenzen und die vollzogene Entscheidung für einen
hochschulischen Bildungsweg in den Blick zu nehmen, anstatt die Bildungsabsichten von Abiturientinnen und Abiturienten vor
dem Hintergrund ihres erreichten Kompetenzniveaus zu untersuchen (s. etwa Maaz et al. 2004; auch die Beiträge in Asdonk et
al. 2013).
Erste Analysen zeigen, dass zwischen der sozialen Herkunft und den erhobenen (Basis-)Kompetenzen von Studierenden
durchaus Zusammenhängen bestehen (bivariate Korrelation mit ISEI-Wert des Berufs des Vaters jeweils r=0,15). Für den Beitrag
sollen Unterschieden im Kompetenzniveau zwischen Studierenden aus statushöheren und statusniedrigeren Herkunftsmilieus
mit geeigneten Dekompositionsmethoden analysiert werden. Fehlende Werte werden durch geeignete Imputationsverfahren
ersetzt. Die verwendeten Kompetenzmessungen sind dabei vor dem Hintergrund ihrer Entwicklung im Rahmen des NEPS zu
verstehen: Um den Kompetenzerwerb im Lebensverlauf verfolgen zu können, werden Testinstrumente entwickelt, die die
Messkonstrukte kohärent und konsistent über die verschiedenen Altersstufen hinweg erheben können (Weinert et al. 2011). Die
in der Studierendenkohorte eingesetzten Testverfahren sind in der Regel nicht spezifisch für dieses Bildungsniveau entwickelt.
Die Testdaten beider Messkonstrukte (Mathematik und Lesen) sind als eindimensionales Raschmodell skaliert. Die
Personenfähigkeitsschätzer für die mathematischen Kompetenzen zeigen eine gute Passung zu den Itemschwierigkeiten
(α[wle]=.71). Die Datenanalyse für das Leseverständnis weist darauf hin, dass der eingesetzte Test im unteren Leistungsbereich
deutlich besser diskriminiert (α[wle]=.59) – eine Einschränkung, die in den Auswertungen der Daten für den Beitrag stets zu
berücksichtigen ist.
ID: 435 / B 14 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Sonderpädagogik
Thematisches Cluster: Förderpädagogik, Inklusion, Trainings- und Evaluationsforschung
Stichworte: Prävention, Gefühls- und Verhaltensstörungen, emotionale und soziale Kompetenz
Meta-analytische Befunde deutschsprachiger, programmatischer-präventiver Förderung in der Schule
Dennis Christian Hövel, Anja Groß, Thomas Hennemann
Universität zu Köln, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Da die Schule im Gegensatz zur Klinik für alle zugänglich ist, ist sie das wichtigste Setting für präventive Maßnahmen (Beelmann
2008; Brezinka 2003). Darüber hinaus bietet sie eine Reihe von weiteren Vorteilen, die Reicher und Jauk (2012) wie folgt
zusammenfassen:



die Erreichbarkeit nahezu aller Kinder und Jugendlichen aufgrund der Schulpflicht
sehr ökonomischer Einsatz präventiver Maßnahmen, da beispielsweise personelle und räumliche Ressourcen bereits
vorhanden sind
Prävention von Gefühls- und Verhaltensstörungen und die Förderung emotionaler und sozialer Kompetenzen entsprichen
dem Bildungsauftrag der Schule
Internationale Studien bestätigen die Wirksamkeit schulischer präventiver Förderung emotionaler und sozialer Kompetenzen (u.a.
Durlak et al. 2011; Sklad et al. 2012; Wilson et al. 2003; Wilson & Lipsey 2007). Für von Lehrkräften durchgeführte
Präventionsmaßnahmen ermitteln Durlak und Kollegen (2011) im Prä-Post-Vergleich durchschnittliche Effektstärken von d=0.22
bis d=0.27. Im Vergleich hierzu sind die Effekte schulischer Maßnahmen in der Meta-Analyse von Sklad und Kollegen (2012) mit
d=0.39 bis d=0.70 sogar noch etwas höher. Bei der Übertragung dieser Befunde auf Schulen in Deutschland besteht jedoch das
Problem, dass die Wirkung von Präventionsprogrammen nicht beliebig interkulturell übertragbar ist (Beelmann, Pfost & Schmitt,
2014; Roosa, Dumka, Gonzales & Knight, 2002). Eine Replikation für das deutschsprachige Schulsystem ist vor diesem
Hintergrund indiziert.
In der aktuellen deutschsprachigen Meta-Analyse von Beelmann et al. (2014) zeigt sich für das Präventionssetting Schule, im
Vergleich zu den internationalen Befunden, eine deutlich geringer Effektstärke von dw=0.20. Eine mögliche Ursache hierfür
könnte die geringe Implementation der Maßnahmen innerhalb er Schule sein. Übereinstimmend identifizieren die internationalen
Meta-Analysen (Durlak et al. 2011; Sklad et al. 2012) die gute Implantation einer Präventionsmaßnahme als zentralen Faktor für
deren Wirksamkeit. Je genauer eine Maßnahme umgesetzt wurde, desto erfolgreicher war diese. Ein wichtiges Element, um die
Konzepttreue zu fördern, ist die Standardisierung eines Präventionsprogramms (Beelmann & Schmitt 2012).
Fragestellung
Ziel dieser Arbeit ist es daher, die Wirksamkeit manualisierter, deutschsprachiger Präventionsprogramme für den Einsatz in der
Schule meta-analytisch zu erfassen und überblickartig darzustellen.
Methode
Folgende Auswahlkriterien liegen der Untersuchung zu Grunde:
1. das Präventionsprogramm liegt manualisiert und in deutscher Sprache vor
2. es wurde zwischen 2000 und 2015 verlegt und es fokussiert die Zielgruppe Schülerinnen und Schüler
3. das Programm ist entweder auf die Prävention von Gefühls- und Verhaltensstörungen und/oder auf den Aufbau emotionaler
und sozialer Kompetenzen ausgerichtet
4. zum Programm liegt mindestens eine Evaluationsstudie mit mindestens (quasi-)experimentellem Prä-Post-Design vor
Zur Vergleichbarkeit der Effekte der unterschiedlichen Studien wird, anhand der berichteten deskriptiven Daten der
Gruppenvergleiche, Cohens d (Cohen, 1988) berechnet. Da die Gruppengrößen der Experimental- und der Kontrollgruppe in fast
allen Studien leicht differente Größen aufweisen, wird zur Berechnung die korrigierte Effektstärke dkorr nach Klauer (1993)
verwendet. Um die so ermittelten Effektstärken der einzelnen Studien entsprechend der differenten Stichprobengrößen
vergleichbar zu machen, werden die Mittleren Effektstärken nach Wilson (2011) berechnet.
Ergebnisse
Entsprechend der Einschlusskriterien konnten insgesamt 10 Programme für die Primarstufe identifiziert werden. Im Prä-PostVergleich liegt die durchschnittliche Effektstärke bei dw=0.15. Indizierte Maßnahmen sind hierbei mit dw=0.39 (Prä-PostVergleich) effektiver als selektive (dw=0.29) und universelle (dw=0.11). Gegenüber den Prä-Post-Vergleichen ergeben sich für
die Prä-Follow-up Erhebungen mit dw=0.23 im Mittel größere Effekte. In Bezug auf die Präventionsebenen sind auch hier
indizierte Maßnahmen (dw=0.51) erfolgreicher als selektive (dw=0.27) und universelle (dw=0.20). Einen bedeutsamen
Unterschied gibt es zudem hinsichtlich der Effektivität der einzelnen Programme. Die Spanne der mittleren Effektstärken liegt
hier in einem Bereich von dw=0.04 bis dw=0.58. Auf Programmebene stellt sich die schrittweise Erarbeitung eines sozialen
Problemlösezirkels als relevanter Einflussfaktor für die Wirksamkeit einer Maßnahme dar. Programme in denen ein
entsprechender Problemlösezirkel erarbeitet wird, sind im Mittel (dw=0.37) 3,5-mal erfolgreicher als Programme, die einen
solchen Zirkel nicht erarbeiten (dw=0.11).
ID: 439 / F 02 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Motivation und Emotion
Stichworte: scale validation, career choice motivation, teacher education, Taiwan
Motivations for choosing teacher education: empirical validation and application of the FEMOLA scale in
Taiwan
Ping-Huang Chang, Tsai-Feng Cheng, Shu-Feng Tseng
National Kaohsiung Normal University, Taiwan
Theoretical background
It has become necessary to systematically apply contemporary motivational theories to the growing body of research regarding
the motivations for choosing teaching as a career. Indeed, the expectancy–value model has proven useful for guiding
investigations into teaching motivations (Heinz, 2015; Kunter & Pohlmann, 2009; Richardson & Watt, 2010; Rothland, 2011).
Based on the expectancy-value model, the FEMOLA scale (Fragebogen zur Erfassung der Motivationen für die Wahl des
Lehramtsstudiums) was developed to measure individual’s motivations for choosing teacher education programmes (Pohlmann
& Möller, 2010). Furthermore, relevant studies using the FEMOLA scale have treated such motivations not only as outcomes but
also as predictors, extending its field of application (Künsting & Lipowsky, 2011; Paulick, Retelsdorf & Möller, 2013; Retelsdorf &
Möller, 2012). In view of evidence of the psychometric soundness of the FEMOLA scale and its valuable application, it would be
of interest to examine and replicate its structure in Taiwan.
Over the past decades, Taiwan has been able to recruit competent and motivated individuals to enter teacher education
programmes, and international comparisons have recognised the effectiveness of Taiwan’s teacher education system (Blömeke,
Suhl & Kaiser, 2011; Wang, 2012). However, there is an oversupply of teacher education graduates, resulting in considerable
competition for the available teaching positions. Thus, we sought to determine whether Taiwanese students’ motivations to
choose teacher education programmes differed from those of students in Western contexts. As suggested by Blömeke and Paine
(2008), international comparisons can reveal previously hidden national characteristics, especially in the case of teacher
education. Accordingly, this study will utilise the FEMOLA scale to investigate the motivations of Taiwanese pre-service teachers
from a comparative perspective.
Research questions
1. Is the FEMOLA scale a valid and reliable instrument for measuring students’ motivations for choosing teacher education
programmes in the non-Western context of Taiwan?
2. Can the utility subscale of the FEMOLA scale be further divided into two distinguishable factors?
While the FEMOLA scale was originally based on a six-factor model, Retelsdorf and Möller (2012) suggested that the utility factor
could be further differentiated into two sub-factors, leading to a seven-factor model. Accordingly, we examined which structure is
superior for Taiwanese data.
3. Do the motivations of Taiwanese students for choosing teacher education programmes differ from those of students in other
countries?
As this study did not examine measurement invariance across countries, it would be a mistake to directly compare our findings
with those of other studies. However, the FEMOLA scale offers a framework for identifying both the unique and common features
of the Taiwanese teacher education system, thereby deepening our understanding of this system.
Methods
A total of 656 freshman students (N=656) enrolled in teacher education programmes for secondary schools at 11 universities
participated in this study.
To test the congruence between the theoretical and observed scale structure, this study conducted confirmatory factor analysis
(CFA) with Maximum Likelihood (ML) estimation using Mplus 7.3 programme.
Preliminary results
1. The FEMOLA scale was validated in a Taiwanese sample, demonstrating its construct validity across countries. Moreover, this
study suggested that the seven-factor model of the FEMOLA scale is superior to the six-factor model. (for seven-factor model:
χ²(384) = 1393.06; p < .001; CFI = .92; TLI = .91; RMSEA = .063; for six-factor model: χ²(390) = 1747.89; p < .001; CFI = .89; TLI
= .88; RMSEA = .073)
2. We identified both similarities and differences between Taiwanese students’ motivations for choosing teacher education and
the motivations reported by students from other countries. Consistent with German studies, we found that educational interest
and perceived teaching ability were highly influential among Taiwanese students. However, social influences and financial
aspects of utility were also rated higher by Taiwanese students, highlighting the uniqueness of Taiwan’s teacher education
programme.
ID: 441 / A 17 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Methoden der empirischen Bildungsforschung, Trainings- und Evaluationsforschung, Sonstiges
Stichworte: Frühprävention, children-at-risk, Bindungsforschung, Methoden
Projekt EVA: Veränderung des Bindungstyps durch psychoanalytische Frühprävention bei
Hochrisikokindern
Verena Neubert, Tamara Fischmann, Lorena Hartmann, Peter Ackermann, Marianne Leuzinger-Bohleber
Sigmund-Freud-Institut, Deutschland
Die Ergebnisse zahlreicher Studien aus dem Bereich der empirischen Säuglingsforschung, der Bindungsforschung, der
Psychoanalyse und der Frühpädagogik belegen, dass tragende emotionale Beziehungserfahrungen in den ersten Lebensjahren
die beste Voraussetzung für eine gelingende psychische, kognitive und psychosoziale Entwicklung einschließlich des
Spracherwerbs darstellen. Die EVA-Studie bezieht sich auf diese empirischen Untersuchungen und befasst sich mit der
Evaluation zweier Frühpräventionsprogramme in Kindertagesstätten in Stadtteilen mit erhöhter sozialer Problemlage in Frankfurt
am Main.
Der Schwerpunkt der EVA-Studie liegt darin, zwei bisher erfolgreich evaluierte Programme (das standardisierte Curriculum
„FAUSTLOS“ und das psychoanalytisch orientierte Programm „FRÜHE SCHRITTE“) hinsichtlich ihrer differentiellen Wirksamkeit
in einer Hochrisikopopulation zu untersuchen. Ausgehend von einer Basiserhebung mit 5300 Kindern und einer darauf
basierenden Clusteranalyse wurden die beiden Interventionen randomisiert in je sieben ausgewählten Kindertagesstätten
durchgeführt (mit insgesamt 291 Kindern). Ziel des Projekts ist es zu untersuchen, ob sich der Mehraufwand des
psychoanalytisch orientierten Präventionsangebots „FRÜHE SCHRITTE“, im Vergleich mit dem standardisierten
Präventionsangebot „FAUSTLOS“ kurz- und langfristig lohnt bzw. welches die Vor- und Nachteile beider Präventionsangebote
sind. Diese neue Form einer „Aufsuchenden Psychoanalyse“ wird als ein professioneller Beitrag zur vermehrten Integration von
Kindern aus Randgruppen verstanden. Eine erste dreijährige Projektphase wurde 2011 abgeschlossen, eine Replikation wurde
bis 2014 durchgeführt.
Im Kongressbeitrag werden Ergebnisse zur Veränderung des Bindungstyps nach einer 2-jährigen Intervention anhand der
Gesamtstichprobe präsentiert werden. Die methodische Herausforderung, die eine solche Längsschnittstudie bei einer solch
sensiblen Stichprobe in Stadtteilen mit erhöhter sozialer Problemlage mit sich bringt werden diskutiert.
ID: 442 / A 01 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Lernen mit Computer und neuen Medien
Stichworte: Prompting, Adaptivität, Selbsterklärungen, Instruktionale Erklärungen, Lernen mit Multimedia
Untersuchung des Designs von adaptiven Lernhilfen zur Behebung von Wissenslücken in einer
multimedialen Lernumgebung
Jasmin Leber1, Judith Fröhleke1, Irene T. Skuballa2, Alexander Renkl1
1
Uni Freiburg, Deutschland; 2Uni Tübingen, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Eine wichtige Funktion adaptiver Lernumgebungen besteht darin, dass Wissensdefizite und Lernschwierigkeiten im Lernverlauf
diagnostiziert werden können und möglichst zeitnah eine Reaktion erfolgen kann. Die Echtzeit-Analyse von Prozessdaten
ermöglicht ein schnelles und zielgenaues Eingreifen und damit die Darbietung adaptiv angepasster, individueller
Fördermöglichkeiten zur Behebung eines gefundenen Defizits (z.B. Shute & Zapata-Rivera, 2008; Vandewaetere, Desmet, &
Clarebout, 2011).
Eine wichtige Frage ist, welches Vorgehen angewandt wird, um ein diagnostiziertes Wissensdefizit zu beheben. Renkl, Skuballa,
Schwonke, Harr & Leber (2015) konnten zeigen, dass die Wahl einer spezifischen Methode, die eingesetzt wird, um
Wissenslücken in multimedialen Lernumgebungen zu schließen, einen bedeutsamen Unterschied für den letztendlichen
Lernerfolg macht. Ein mögliches Vorgehen ist die Präsentation instruktionaler Erklärungen (Wittwer & Renkl, 2008). Der Vorteil
dieser Methode liegt darin, dass dem Lernenden korrekte Informationen präsentiert werden, die zur Lösung seines
Verstehensproblems nützlich sind. Jedoch werden diese Informationen häufig nur oberflächlich verarbeitet und sind nicht an das
Vorwissen des Lernenden angepasst (Renkl, 2002). Eine alternative Methode bieten Selbsterklärungs-Prompts (Wylie & Chi,
2014), welche den Lernenden dazu anregen, sich nochmals Gedanken zu spezifischen Lerninhalten zu machen und ein
externales Produkt (verschriftlichte Selbsterklärung) anzufertigen, das über den dargebotenen Lerninhalt hinausgeht. Das
Anfertigen von Selbsterklärungen regt das erneute Durchdenken des gesamten Wissensbereichs an. Jedoch hat der Lernende
keine Sicherheit bezüglich der Korrektheit seiner Erklärung (Renkl, 2002) und es könnten zusätzliche Informationen fehlen, die
zur Behebung des Wissensdefizits notwendig sind.
Fragestellung
Ziel der vorliegenden Studie war es zu untersuchen, welche Methode sich besser eignet, um im Lernverlauf gefundene
Wissenslücken zu beheben. Hierfür untersuchten wir zwei Vorgehensweisen: die Darbietung fremdgenerierter instruktionaler
Erklärungen (Wittwer & Renkl, 2008) sowie Prompts, welche die Anfertigung einer Selbsterklärung anregen (Wylie & Chi, 2014).
Methode
An der Untersuchung nahmen 50 Studierende (Alter: M = 23.12, SD = 5.19)
unterschiedlicher Fachrichtungen teil. In einer multimedialen Lernumgebung lernten die Studierenden zum Thema Strategisches
Management. Für die Erfassung von Wissenslücken, die im Lernverlauf zurück bleiben, waren kurze Testfragen (Rapid
Assessments) in die Lernumgebung eingebaut. Diese wurden am Ende jedes Kapitels präsentiert. Bei der Falschbeantwortung
einer Testfragen setzte, je nach experimenteller Bedingung, eine der beiden Prozeduren zum Schließen der Wissenslücke ein:
die Präsentation einer zur Frage passenden instruktionalen Erklärung oder die Präsentation eines Prompts, mit der Aufforderung
zu einem bestimmten Inhalt eine Selbsterklärung anzufertigen. Nach Abschluss der Lernphase beantworteten die Lernenden
nochmals alle Rapid Assessments und sie bearbeiteten einen Nachtest mit weiterführenden Fragen zum Lerninhalt.
Ergebnisse
Um die spezifischen Wissenslücken zu schließen, die im Lernverlauf zurückblieben, erwies es sich als günstiger, instruktionale
Erklärungen statt Selbsterklärungs-Prompts einzusetzen, t(47) = 2.973, p = .005, d = .88. Allerdings führten die SelbsterklärungsPrompts zu besseren Leistungen bei der Beantwortung weiterführender Fragen zum Lerninhalt im Nachtest, t(48) = -2.453, p =
.018, d = .72.
Die Effektivität der beiden Methoden ist demnach abhängig vom Lernziel. Während instruktionale Erklärungen effektiver
spezifische Wissenslücken schließen, fördern Selbsterklärungs-Prompts besser das generelle Verständnis. Die reine
Wiederholung der Lerninhalte scheint für den direkten Abruf effektiver zu sein, als der konstruktive Umgang mit den Lerninhalten.
Die durch Selbsterklärungs-Prompts angeregten generativen Prozesse erwiesen sich als förderlicher für tiefergehendes
Verständnis und Wissenstransfer.
ID: 444 / G 01 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Ökonomie, Wirtschafts- und Berufspädagogik
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: Hochschulbildung; Statistik; Veränderungsmessung; Latent-Change-Modell
Analyse der Veränderung von Angst und Selbstkonzept im Fach Statistik - ein Pretest-Posttest Design an
der Hochschule
Manuel Förster, Andreas Maur
Johannes Gutenberg-Universität, Deutschland
Theoretischer Hintergrund und Fragestellung
Studierende sozialwissenschaftlicher Studiengänge beginnen ihren ersten Statistikkurs mit äußerst heterogenen Ausprägungen
in ihrer Angst und ihrem Selbstkonzept, welche die Statistikleistungen stark beeinflussen (Macher et al., 2012). Trotz der
Bedeutung für den Lernerfolg dieser Einflussgrößen sind deren Veränderungen im Laufe einer Statistikveranstaltung
insbesondere im deutschen Hochschulkontext weitgehend unerforscht. Internationale Befunde deuten tendenziell auf positive
Veränderungen des Selbstkonzeptes und der Selbstwirksamkeit hin (u.a. Chiesi & Primi, 2010; Pierce, 2006). Zur Veränderung
der Angst in Statistik in der Hochschule liegen kaum Studien vor (Harlow, Burkholder & Morrow, 2002). Das auf
Erwartungswertmodellen basierende „Attitudes Towards Statistics“-Modell (Ramirez, Schau & Emmioglu, 2012) geht davon aus,
dass insbesondere soziodemographische Variablen sowie die Vorerfahrungen u.a. die Angst und das Selbstkonzept in Statistik
beeinflussen. Während zahlreiche Studien demnach individuelle Effekte zugunsten von männlichen Studierenden (Macher et al.,
2012; Tempelaar, 2004) sowie von Studierenden mit höherem mathematischen Vorwissen (Onwuegbuzie, 2003; Hanna, Shevlin
& Dempster, 2009) auf das Selbstkonzept und die Angst in Statistik im Querschnitt feststellen, liegen im Längsschnitt nur äußerst
wenige inkonsistente Befunde über die Veränderung dieser Effekte vor (Tem-pelaar, 2011; Chiesi, 2010). Auch zu den
Zusammenhängen zwischen den Wahrnehmungen der Lehr-Lernbedingungen und der Veränderung der Angst und des
Selbstkonzepts in einer Statistikveranstaltung gibt es bislang kaum Forschung. An dieser Forschungslücke anknüpfend wird der
Frage nachgegangen, ob und inwieweit sich Einstellungen im Laufe einer Statistikveranstaltung verändern und welche
individuellen und veranstaltungsbedingten Einflussfaktoren diese Veränderung erklären.
Methode
Stichprobe/ Instrument
Im Sommersemester 2015 wurden 197 Studierende der Wirtschafts-, Sozial- und Politikwissenschaften zu ihren Einstellungen,
Ängsten und Selbstkonzept zum Fach Statistik zu Beginn und Ende ihrer ersten universitären Statistikveranstaltung befragt. Das
statistische Selbstkonzept wurde mit einer Skala des „Survey of Attitudes Towards Statistics-36“ (Schau, 2003) erfasst, die Angst
in Statistik wurde dreidimensional mit Hilfe der „Statistical Anxiety Rating Scale“ (Cruise, Cash & Bolton, 1985) operationalisiert
und die wahrgenommenen Lehr-Lernbedingungen wurden mittels Skalen des „Students‘ Evaluations of Educational Quality“
(Marsh, 2007) erfasst. Weiterhin wurden individuelle Einflussfaktoren wie Geschlecht, Note der Hochschulzugangsberechtigung,
Mathematiknote, etc. kontrolliert.
Analyseverfahren
Inwieweit eine Änderung der relevanten Variablen Angst und Selbstkonzept in Statistik stattgefunden hat, wird mit Hilfe von Latent
Change Modellen (u.a. McArdle, 2009) geprüft. Hier wird unter der Annahme starker faktorieller Invarianz geprüft, ob sich der
latente Mittelwert der latenten Variable im Laufe der Veranstaltung geändert hat. In einem zweiten Schritt werden individuelle
Faktoren und lehr-lernspezifische Veranstaltungsbedingungen als Kovariate in das Modell integriert, die sowohl hinsichtlich ihres
Einflusses auf die latenten Variablen zu Beginn als auch auf die Veränderung während der Veranstaltung untersucht werden. So
kann differenziert betrachtet werden, ob Unterschiede zwischen bestimmten Studierendengruppen bereits zu Beginn vorliegen,
oder ob sich die Unterschiede im Laufe der Veranstaltung bedingt durch bestimmte wahrgenommene Lehr-Lernbedingungen
verringern, vergrößern oder gleich bleiben.
Ergebnisse
Es zeigt sich, dass in allen drei Dimensionen die Angst im Laufe der Veranstaltung signifikant abgenommen hat, während das
Selbstkonzept gestiegen ist. Die Angst nimmt im Mittel stärker ab, je größer sie zu Beginn der Veranstaltung ausgeprägt war.
Das Selbstkonzept steigt im Mittel stärker an, je geringer es zu Kursbeginn ausgeprägt war. Bei den kontrollierten LehrLernbedingungen können insbesondere eine klare Strukturierung der Inhalte und der Veranstaltung sowie die Wahrnehmung des
Dozenten das Selbstkonzept beeinflussen. Kaum Unterschiede ergeben sich bei der Veränderung der Angstdimensionen
zwischen männlichen und weiblichen Studierenden im Laufe des Semesters. Studierende mit einem Mathematikleistungskurs,
als ein Indikator für unterschiedliche Vorerfahrungen im mathematisch-statistischen Bereich, haben zwar in zwei von drei
Angstdimensionen geringere Ausprägungen zu Beginn des Kurses, jedoch werden diese Effekte im Laufe des Kurses
ausgeglichen, in dem die Studierenden mit Grundkurs mehr Angst abbauen. Im Zuge der Konferenz werden die Befunde
dargestellt und im (internationalen) Forschungskontext diskutiert.
ID: 445 / C 02 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Didaktik Mathematik, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, Motivation und Emotion
Stichworte: Formatives Assessment, Selbstwirksamkeit, Lehrertraining
Die Wirkung eines Lehrertrainings auf die Rückmeldepraxis im Unterricht: Welche Rolle spielt die
Selbstwirksamkeit der Lehrkraft?
Birgit Schütze1, Katrin Rakoczy2, Eckhard Klieme2, Michael Besser3, Dominik Leiss3
1
Universität Münster, Deutschland; 2Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung; 3Leuphana Universität
Lüneburg
Theoretischer Hintergrund
Formatives Assessment gilt als einer der stärksten Einflussfaktoren schulischen Lernens (Black & Wiliam, 1998a, b; Hattie, 2009).
Dennoch ist noch relativ unklar, wie dieses vielversprechende Konzept möglichst erfolgreich in den Unterricht implementiert
werden kann. Die Implementation kann sich u.a. hinsichtlich der Art und Intensität der Anleitung von Lehrkräften (z.B. durch
Trainings, Materialien) unterscheiden (vgl. z.B. Souvignier, Förster & Salaschek, 2014 & Wiliam, Lee, Harrison & Black, 2004).
Eine erfolgreiche Implementation hängt außerdem auch von den Eigenschaften der Lehrkraft selbst ab (z.B. Gräsel, 2010), bspw.
könnte die Selbstwirksamkeitsüberzeugung (Bandura, 1986) der Lehrkraft eine wesentliche Rolle bei der Umsetzung der
Intervention spielen (z.B. Stein & Wang, 1988). Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit der Frage, ob ein 6-tägiges
Lehrertraining zu formativem Assessment und Rückmeldung ausreicht, um die Rückmeldepraxis von Lehrkräften im
Mathematikunterricht zu beeinflussen und ob die Selbstwirksamkeit der Lehrkraft hierbei eine moderierende Funktion hat. Für
ein besseres Verständnis dieser Zusammenhänge werden das deklarative Rückmeldewissen nach dem Training und die
Fähigkeit Rückmeldung in einer Testsituation zu generieren als vermittelnde Variablen untersucht.
Forschungsfragen
(1) Gibt es einen indirekten Trainingseffekt auf die Veränderung der Rückmeldepraxis im Unterricht vermittelt über (a) deklaratives
Rückmeldewissen und (b) die Fähigkeit Rückmeldung in einer Testsituation zu geben. (2) Wird dieser indirekte Effekt durch die
Selbstwirksamkeit der Lehrkraft moderiert?
Methode
67 Haupt- und Realschullehrkräfte nahmen entweder an einem Training zu formativem Assessment und Rückmeldung im
Mathematikunterricht (Rückmeldetraining) oder an einem Training zu mathematischem Modellieren und Problemlösen
(Problemlösetraining) teil. Jedes Training erfolgte in zwei jeweils dreitägigen Blöcken (T1 & T2). Zwischen beiden
Trainingsblöcken lagen 10 Wochen. Die Selbstwirksamkeit der Lehrkräfte in Bezug auf Rückmeldung (Cronbachs α = .67) wurde
mit einem Lehrerfragebogen zu Beginn von T1 erfasst. Deklaratives Rückmeldewissen (Cronbachs α = .84) und die Fähigkeit zur
Generierung von Rückmeldung in einer Testsituation (Cronbachs α = .93) wurden nach T2 getestet. Die Rückmeldepraxis der
Lehrkräfte im Unterricht wurde mittels Schülerfragebogen vor T1 (Cronbachs α = .73) und 4-6 Wochen nach T2 (Cronbachs α =
.86) erfragt. Die Individualeinschätzungen der Rückmeldepraxis wurden auf Klassenebene aggregiert (Marsh et al., 2012). Die
statistische Auswertung erfolgte mittels Pfadanalysen in MPlus.
Ergebnisse
(1) Lehrkräfte, die am Rückmeldetraining teilgenommen haben, weisen ein größeres deklaratives Wissen über Rückmeldung auf
als Lehrkräfte aus der Problemlösebedingung, β = .48, 95%-KI [.06, .91]. Entsprechendes Rückmeldewissen ist positiv mit der
Fähigkeit assoziiert, lernförderliche Rückmeldung in Testsituationen geben zu können, β = .37, 95%-KI [.15, .58]. Dies hat aber
keinen Effekt auf die Änderung der unterrichtlichen Rückmeldepraxis, β = .16, 95%-KI [-.26, .56]. In Übereinstimmung hiermit
zeigt das Rückmeldetraining im Vergleich zum Problemlösetraining zwar (vermittelt über das deklarative Rückmeldewissen)
einen indirekten Effekt auf die Fähigkeit, Rückmeldung in Testsituationen zu geben, β = .18, 95%-KI [.03, .44], nicht aber auf die
Veränderung der Rückmeldepraxis im Mathematikunterricht, β = .02, 95%-KI [-.01, .21]. (2) Diese Effekte werden (bei
Berücksichtigung der Gesamtstichprobe) nicht durch die Selbstwirksamkeit der Lehrkraft moderiert. Betrachtet man aber nur die
Lehrkräfte, die das Rückmeldetraining erhalten haben, zeigt sich, dass der Effekt des deklarativen Rückmeldewissens auf die
Fähigkeit, lernförderliche Rückmeldung in Testsituationen zu geben positiv durch die Selbstwirksamkeit der Lehrkraft beeinflusst
wird, β = .37, 95%-KI [.08, .73].
Diskussion
Zusammengenommen deuten diese Befunde darauf hin, dass es mit dem 6-tägigen Rückmeldetraining gelungen ist, deklaratives
Wissen über Rückmeldung und dessen Anwendung zu fördern. Hierbei scheint die Selbstwirksamkeit der Lehrkraft eine
moderierende Funktion zu haben. Lehrkräfte scheinen allerdings Schwierigkeiten zu haben, ihre Fähigkeit Rückmeldung in
Testsituationen lernförderlich zu gestalten auch im alltäglichen Mathematikunterricht umzusetzen. Zu diskutieren ist u.a., wie ein
entsprechender Transfer zukünftig gefördert werden kann.
ID: 448 / E 03 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Mathematischnaturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: Vorstellungen, Experimentieren, Kompetenz, Kompetenzmodelle, Erkenntnisgewinnung
Wissensbasierte Vorstellungen über hypothetisch-deduktives Arbeiten und Experimentieren im
naturwissenschaftlichen Unterricht – Erfassung, Struktur und Zusammenhänge zu Kompetenzen der
Erkenntnisgewinnung
Andreas Nehring
Leibniz Universität Hannover, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Die Förderung von Kompetenzen zur Umsetzung naturwissenschaftlicher Untersuchungen und die Entwicklung eines
Verständnisses naturwissenschaftlicher Denk- und Arbeitsweisen stellen ein zentrales Ziel des naturwissenschaftlichen
Unterrichts dar (KMK, 2005). Dabei kann der Begriff Verständnis als „ein konsistentes System wissensbasierter Vorstellungen“
beschrieben werden (Urhahne, Kremer, & Mayer, 2008, S. 71). Gleichzeitig nehmen Kompetenzmodelle zur Konkretisierung von
Teilkompetenzen Bezug auf ein hypothetisch-deduktives Vorgehen (Klos, Henke, Kieren, Walpuski, & Sumfleth, 2008; Wellnitz
et al., 2012) sowie auf spezielle Arbeitsweisen wie bspw. die Variablenkontrollstrategie beim Experimentieren (Nehring, Nowak,
Upmeier zu Belzen, & Tiemann, 2015; Wirth, Thillmann, Künsting, Fischer, & Leutner, 2008). Der sog. Konsistenz-Hypothese
entsprechend kann eine hohe Ähnlichkeit zwischen den Vorstellungen und der Struktur von Anforderungssituationen hilfreich für
deren Bewältigung und damit lernförderlich sein (Bromme, Pieschl, & Stahl, 2014; Muis & Franco, 2010).
Studienziele und Fragestellungen
Vor diesem Hintergrund bestand das Ziel der vorliegenden Studie darin, wissensbasierte Vorstellungen auf Grundlage eines
Kompetenzmodells (Nehring et al., 2015; Nowak, Nehring, Tiemann, & Upmeier zu Belzen, 2013) zu beschreiben, um im Sinne
der Konsistenz-Hypothese eine Passung zwischen Vorstellungen und kompetenzorientierten Anforderungen bei der Anwendung
des hypothetisch-deduktives Vorgehens und der Variablenkontrollstrategie zu erreichen. Daraufhin wurde eine realiable
Erfassung wissensbasierter Vorstellungen umgesetzt, um herauszufinden, welche Faktorstruktur sich hinsichtlich der
wissensbasierten Vorstellungen nachweisen lässt und welche Zusammenhänge zu den entsprechenden Kompetenzen im Fach
Chemie bestehen.
Methode
Zur Bearbeitung dieser Studienziele wurde ein Fragebogeninstrument entwickelt und in einer Querschnittsstudie zusammen mit
einem bestehenden Instrument zur Erfassung der Kompetenzen beim Experimentieren im Fach Chemie (Nehring, 2015) bei 135
Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen neun und zehn eingesetzt. In Anlehnung an bestehende Ansätze zur Erfassung
von Vorstellungen (Lederman et al., 2014) wurden auf Grundlage fachdidaktischer Literatur (z. B. Hamman, 2004) adäquate und
nicht adäquaten Aussagen über das hypothetisch-deduktive Vorgehen und die Variablenkontrollstrategie beim Experimentieren
genutzt, um Likert-skalierte Items zu formulieren. Eine positive Polung der Items wurde über den Fragebogen konstant gehalten.
Damit zeigten hohe Itemwerte eine hohe Ausprägung sowohl adäquater und als auch nicht adäquater Vorstellungen an.
Ergebnisse
Zur Absicherung der Qualität der Skalen wurden Trennschärfe- und Reliabilitätsanalysen durchgeführt, wobei 43 Items im
Fragebogen verblieben. Dabei wurde deutlich, dass die Erfassung adäquater wissensbasierter Vorstellungen sowohl für das
hypothetisch-deduktive Vorgehen (α = .83, .32 < rit < .60) als auch für die Anwendung der Variablenkontrollstrategie beim
Experimentieren (α = .88, .39 < r(it) < .68) mit konsistenten Skalen gelingt. Im Falle nicht-adäquater Vorstellungen ist dies teilweise
der Fall (α = .78, .25 < rit < .65 bzw. α = .56, .23 < r(it) < .32 ). Eine explorative Faktorenanalyse unter Verwendung der ParallelTest-Methode nach O’Connor (2000) mit sämtlichen Items verwies dabei auf das Vorliegen von vier Faktoren. Die Anwendung
einer Quartimax-Rotation für korrelierte Faktoren ergab eine Varianzaufklärung von 40 Prozent und hohe Ladungen auf vier
inhaltlich interpretierbaren Faktoren. Diese umfassen Items adäquater und nicht adäquater Vorstellungen jeweils zum
hypothetisch-deduktiven Vorgehen und zur Variablenkontrollstrategie, wobei das Vorliegen adäquater Vorstellungen mit einer
mittleren Abnahme nicht-adäquater Vorstellungen einhergeht (r = -.30, p < 0.001). Weiterhin konnte gezeigt werden, dass
zunehmend adäquate wissensbasierte Vorstellungen mit höheren Kompetenzausprägungen beim Experimentieren einhergehen
(r = .24, p < 0.01 bzw. r = .32, p < 0.001), während keine signifikanten Zusammenhänge zwischen den nicht adäquaten
Vorstellungen und den Kompetenzen gefunden wurden (r = .12, n. s. bzw. r = .02, n. s.).
Diskussion
Insgesamt verweisen die Ergebnisse auf eine vergleichsweise hohe Unabhängigkeit von vier Arten von wissensbasierten
Vorstellungen, während adäquate Vorstellungen förderlich für die Kompetenzausprägung sein zu scheinen und nicht-adäquate
Vorstellungen diese mglw. nicht behindern. Der Vortrag diskutiert das psychometrische und fachdidaktische Potential dieser
Ergebnisse mit Blick auf weitere Forschungen und die Unterrichtspraxis.
ID: 449 / H 04 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Sonstige Didaktiken
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Motivation und Emotion
Stichworte: Lernen aus Texten, metakognitive Überwachung, konzeptuelles Wissen, prozedurales Wissen, Statistik
Einstellung gegenüber Statistik und metakognitives Verstehen eines Statistiktexts: Differentielle Effekte
von Einschätzungszeitpunkt und Verständnisart
Anja Prinz, Stefanie Golke, Mareike Ehlers, Jörg Wittwer
Institut für Erziehungswissenschaft, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland
Beim Lernen aus Texten ist es erforderlich, das eigene Verstehen metakognitiv zu überwachen, um mögliche
Verständnisprobleme zu beseitigen. Lernende haben allerdings oft Schwierigkeiten, ihr Verständnis beim Lesen eines Textes zu
beurteilen. Ein Grund ist, dass sie dazu neigen heuristische Hinweisreize (z.B. Vertrautheit mit einem Thema) heranzuziehen,
die markante Anhaltspunkte für das Verständnis darstellen, die jedoch nicht unmittelbar mit der Qualität der tatsächlichen
Textrepräsentation, die das Textverständnis widerspiegelt, zusammenhängen. Vor allem Vorhersagen des Textverständnisses
sind häufig ungenau, während die Einschätzung des Textverständnisses in der Rückschau, etwa nach Bearbeitung eines
Verständnistests, gewöhnlich akkurat ist.
Ein heuristischer Hinweisreiz, den Lernende zur Verständniseinschätzung speziell bei Statistiktexten heranziehen könnten, ist
ihre Einstellung gegenüber Statistik. Beim Verstehen von Statistiktexten ist zu beachten, dass sowohl konzeptuelle Aspekte (z.B.
Was ist Varianz?) als auch prozedurale Aspekte (z.B. Wie berechnet man Varianz?) eine wichtige Rolle spielen. Bislang wurde
die metakognitive Einschätzung beim Lesen von Statistiktexten jedoch weder in Abhängigkeit von der Einstellung gegenüber
Statistik noch für das konzeptuelle und prozedurale Verstehen beforscht.
Deshalb haben wir in einer Studie untersucht, inwiefern die Einstellung gegenüber Statistik die Genauigkeit der metakognitiven
Einschätzung über das konzeptuelle und prozedurale Verständnis eines Statistiktexts beeinflusst.
An der Studie nahmen N = 29 Studierende, die einen Einführungskurs in Statistik besuchten, teil. Zunächst lasen die
Studierenden einen Statistiktext über Streuungsmaße. Nach dem Lesen wurden sie über die Art der Aufgaben im anschließenden
Verständnistest informiert. Der Test bestand aus 4 Aufgaben zur Erfassung des konzeptuellen Verständnisses und aus 4
Aufgaben zur Erfassung des prozeduralen Verständnisses. Anschließend schätzten die Studierenden für beide Aufgabenarten
ein, wie viele der Aufgaben sie richtig beantworten würden. Danach bearbeiteten sie den Test. Nach der Bearbeitung schätzten
die Studierenden erneut für beide Aufgabenarten die Zahl richtig beantworteter Aufgaben ein. Schließlich wurde die Einstellung
gegenüber Statistik erhoben. Um die Genauigkeit des metakognitiven Verständnisses zu ermitteln, wurde die Differenz zwischen
Einschätzung und Testleistung für beide Aufgabenarten berechnet. Entsprechend stellten positive Werte eine Überschätzung,
negative Werte hingegen eine Unterschätzung dar.
Die Ergebnisse zeigten, dass eine positivere Einstellung gegenüber Statistik eher zu einer Unterschätzung bei der Vorhersage
des prozeduralen Verständnisses führte. Die Genauigkeit der Vorhersage des konzeptuellen Verständnisses wurde hingegen
nicht von der Einstellung beeinflusst. Das Ergebnis verdeutlicht, dass Lernende ihre Einstellung gegenüber Statistik als
heuristischen Hinweisreiz nur zur Einschätzung ihres prozeduralen Verständnisses, nicht aber zur Einschätzung ihres
konzeptuellen Verständnisses heranziehen. Dies deutet darauf hin, dass Lernende mit ihrer Einstellung gegenüber Statistik vor
allem prozedurale Aspekte und weniger konzeptuelle Aspekte assoziieren. Dass eine positivere Einstellung eher zu einer
Unterschätzung des prozeduralen Verständnisses führt, kann methodisch damit erklärt werden, dass eine positivere Einstellung
mit einem besseren prozeduralen Verständnis zusammenhängt, wodurch eher Unterschätzungen als Überschätzungen möglich
sind.
Weiterhin zeigten die Ergebnisse, dass die Einstellung gegenüber Statistik keinen Einfluss auf die Genauigkeit der Einschätzung
des prozeduralen Verständnisses in der Rückschau hatte, während eine positivere Einstellung eher zu einer Überschätzung des
konzeptuellen Verständnisses in der Rückschau führte. Demnach scheinen Lernende zur Beurteilung ihres prozeduralen
Verständnisses vor allem Informationen über ihre tatsächliche Leistung bei der Bearbeitung des Verständnistests heranzuziehen
und in ihr Urteil weniger ihre Einstellung gegenüber Statistik einfließen zu lassen. Zur Beurteilung des konzeptuellen
Verständnisses hingegen liefert die Bearbeitung der Testaufgaben offensichtlich keine verlässlichen Hinweisreize, weshalb
Lernende bei der Einschätzung vor allem ihre Einstellung gegenüber Statistik berücksichtigen.
Die Ergebnisse machen insgesamt deutlich, dass die Einstellung gegenüber Statistik eine bedeutende Rolle für die Genauigkeit
der metakognitiven Einschätzung über das Verständnis eines Statistiktexts spielt. Besonderer Förderbedarf scheint bei der
Einschätzung des konzeptuellen Verständnisses zu liegen, das vor allem bei einer positiven Einstellung gegenüber Statistik in
der Rückschau überschätzt wird, wodurch eventuell wichtige remediale Maßnahmen ausbleiben.
ID: 450 / E 04 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Soziologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Methoden der empirischen Bildungsforschung, Schulentwicklung
Stichworte: sozialräumlich benachteiligte Schulstandorte, Sozialindex, evidenzbasierte und kontextsensible Schulentwicklung,
Schulqualität, Lernstandserhebungen
Gestaltungsqualität von Schulen in sozialräumlich depriviertem Umfeld – Ein Vergleich von
erwartungswidrig effektiven und ineffektiven Schulen
Tanja Webs1, Kevin Isaac2, Eva Wisberg1, Nina Bremm3, Heinz Günter Holtappels1, Annika Hillebrand1
1
Institut für Schulentwicklungsforschung/TU Dortmund; 2Qualitäts- und UnterstützungsAgentur – Landesinstitut für Schule;
3
Universität Duisburg-Essen
Als differenzielle Lern- und Entwicklungsmilieus bieten Schulen je nach sozialräumlichem Schulumfeld und Schülerkomposition
sowie schulischer und unterrichtlicher Ausgestaltung Kindern und Jugendlichen unterschiedliche Möglichkeiten für ihre Leistungsund Persönlichkeitsentwicklung (Baumert et al., 2006). Die Qualität und Effektivität der Einzelschule ist dabei – gemäß der
Kontingenztheorie – abhängig von der Anpassungsfähigkeit der schulinternen, pädagogisch-organisatorischen Lern- und
Arbeitsprozesse an die schulexternen Kontextbedingungen, die Zusammensetzung und die Lernvoraussetzungen der
Schülerschaft (Creemers et al., 2000). Je nach schulspezifischer Ausgestaltung der Lernkultur können Schulen somit
herkunftsbedingte Disparitäten kompensieren oder aber verstärken bzw. die Potenziale der Lernenden nicht ausreichend fördern.
In benachteiligten und privilegierten Schulstandorten können daher erwartungswidrig effektive und ineffektive Schulen identifiziert
werden (Burkard et al., 2014; Holtappels, 2008).
Internationale Forschungsergebnisse zeigen, dass insbesondere effektive Schulen in herausforderndem Umfeld, die im
angloamerikanischen Sprachraum auch als improving schools in challenging circumstances bezeichnet werden, sich auf
schulischer Ebene u.a. durch kooperativ-partizipatives Schulleitungshandeln, Nutzung von Evaluationsdaten, datengestützte
Aktivitäten der Schulentwicklung, gemeinsame Visionen und Ziele, Kooperation im Kollegium, wertschätzendes Sozialklima, hohe
Leistungserwartungen an die Lernenden, Nutzung außerschulischer Ressourcen und Netzwerke sowie auf Unterrichtsebene u.a.
durch stärker strukturierte und anwendungsorientierte Lernprozesse und kurzfristigere Lernziele mit unmittelbarem Feedback
auszeichnen (Muijs et al., 2004). Hierzulande ist jedoch der Forschungsstand zu Merkmalen von effektiven Schulen in schwieriger
Lage bisher unzureichend (Racherbäumer et al., 2013). Evidenzbasierte und kontextsensible Schulentwicklungsmaßnahmen
lassen sich daraus bislang nicht ableiten (van Ackeren, 2008).
Angesichts des Forschungsdesiderates wird in dem Beitrag das Erkenntnisinteresse verfolgt, Prozessmerkmale auf Schul- und
Unterrichtsebene zu identifizieren, die die Lernzuwächse von Schülerinnen und Schülern an Schulen in sozialräumlich
depriviertem Umfeld fördern können. Konkret wird folgenden Forschungsfragen nachgegangen:
1. Lassen sich auf der Grundlage schulexterner Standortbedingungen und der Schülerleistung Schulen hinsichtlich ihrer
erwarteten und davon abweichenden Leistungen gruppieren? Kann eine solche Klassifizierung auf Basis von Merkmalen der
Schülerkomposition validiert werden?
2. Welche schulinternen Gestaltungsmerkmale differieren signifikant zwischen den ermittelten erwartungskonformen sowie
erwartungswidrig starken und schwachen Schulgruppen in sozialräumlich benachteiligter Lage?
Den Untersuchungskontext bildet das Projekt „Potenziale entwickeln – Schulen stärken“, dessen Ziel darin liegt,
Schulentwicklungsprozesse an Schulen in herausforderndem Umfeld evidenz- und netzwerkbasiert zu fördern.
Als Datengrundlage dienen auf Schulebene aggregierte Individualdaten zum einen der Zentralen Prüfungen in Klasse 10 sowie
der Lernstandserhebungen in Klasse 8 im Fach Mathematik, differenziert nach Anspruchsniveau, zusammen mit den
Standorttypen für Schulen in Nordrhein-Westfalen (1. Frage), zum anderen die in der fragebogengestützten Eingangserhebung
des Projekts erfassten Angaben von 1.105 Lehrenden und 3.183 Lernenden zu schulexternen und -internen Arbeitsbedingungen
an 36 Schulen der Sekundarstufe I in der Metropole Rhein-Ruhr (2. Frage). Basierend auf den Standorttypen und den
Mathematikkompetenzen in Klasse 8 werden in einem ersten Schritt regressionsanalytisch die Mathematikprüfungsnoten in
Klasse 10 vorhergesagt und anhand von Abweichungen der tatsächlichen Werte von den Erwartungswerten die Schulen erwartet
bzw. unerwartet starken und schwachen Schulgruppen zugeordnet. Rekurrierend auf der Forschungslage zu effektiven Schulen
in schwieriger Lage werden in einem zweiten Schritt Schulqualitätsmerkmale wie Schulleitungshandeln, Kooperation im
Kollegium, Schul- und Arbeitsklima und Schulentwicklungsaktivitäten aus Sicht der Lehrenden sowie Merkmale der
Unterrichtsqualität wie effektive Zeitnutzung, kognitive Anregung, Binnendifferenzierung und individuelle Förderung aus Sicht der
Lernenden hinzugezogen und mittels Varianzanalysen Unterschiede zwischen den ermittelten Schulgruppen hinsichtlich dieser
Merkmale signifikanzstatistisch geprüft.
Die Ergebnisse zeigen, dass im Sinne der Fragestellung erwartungskonforme und erwartungswidrig starke und schwache
Schulgruppen in schwieriger Lage ermittelt werden können. Allerdings bestehen zwischen diesen Schulgruppen nicht in allen
analysierten Prozessmerkmalen auf Schul- und Unterrichtsebene signifikante Unterschiede.
Die gewonnenen Befunde liefern empirische Hinweise darauf, welche Gestaltungsmerkmale auf Schul- und Unterrichtsebene
Lernzuwächse von Schülerinnen und Schülern an Schulen in sozialräumlich depriviertem Umfeld fördern können und daher als
Ansatzpunkte datengestützter und kontextsensibler Maßnahmen schulischer Qualitätsentwicklung von Schulen in
herausforderndem Umfeld infrage kommen.
ID: 451 / G 16 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Lese- und Sprachförderung, Motivation und Emotion
Stichworte: Feedback, Elternhaus, Grundschule, Motivation, Selbstkonzept
Rückmeldungen zu Leseprozessen in Elternhaus und Schule im Zusammenhang mit der Lesemotivation
von Kindern im dritten und vierten Grundschuljahr
Frank Hellmich, Fabian Hoya
Universität Paderborn, Deutschland
Das Unterstützungsverhalten von Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrern gilt als eine wichtige Voraussetzung für das Lernen von
Kindern im Grundschulalter. Rückmeldungen zu Lernprozessen und Lernergebnissen kommt dabei eine besondere Bedeutung
zu. Unter Rückmeldungen werden Informationen verstanden, die Eltern oder Lehrerinnen und Lehrer Kindern in der Folge von
Lernleistungen bereitstellen, um Diskrepanzen zwischen den aktuell erbrachten Leistungsergebnissen und den zu erreichenden
Lernzielen aufzuzeigen und zu verdeutlichen (vgl. Hattie & Timperley, 2007, S. 87). Während mittlerweile verschiedene Studien
zu den Bedeutungen der Rückmeldungen von Eltern (vgl. z. B. Gonzales-DeHass, Willems & Holbein, 2005) sowie Lehrerinnen
und Lehrern (vgl. Schweinle, Meyer & Turner, 2006) für die Lern- und Leistungsmotivation von Kindern vorliegen, fehlen
momentan noch Untersuchungen zu der Frage, ob Rückmeldungen im Elternhaus oder in der Schule eine größere Rolle für die
Entwicklung der Lernmotivation von Kindern im Grundschulalter (und darüber hinaus) spielen. Unter rein quantitativem Aspekt
betrachtet geben Eltern ihren Kindern häufiger Feedback zu Lernprozessen als Lehrerinnen und Lehrer (vgl. Hess, Dickson,
Price und Leong, 1979; Sun und Rao, 2011). Weitgehend ungeklärt ist in diesem Zusammenhang allerdings, wie Rückmeldungen
in Elternhaus und Schule von Kindern verarbeitet werden und sich auf ihre Lernprozesse und deren Bedingungen auswirken.
In unserer Studie wird vor diesem Hintergrund am Beispiel des Leseunterrichts in der Grundschule untersucht, ob und inwiefern
Unterschiede in der intrinsischen und extrinsischen Lesemotivation durch kindliche Wahrnehmungen von positiven
Rückmeldungen der Eltern und von denjenigen der Lehrkräfte vorhergesagt werden können. Dabei nehmen wir an, dass Effekte
der wahrgenommenen Rückmeldungen auf die Lesemotivation der Schülerinnen und Schüler aus dem dritten und vierten
Grundschuljahr durch ihre lesebezogenen Selbstkonzepte sowie ihre Selbstwirksamkeitsüberzeugungen im Lesen mediiert
werden.
Im Rahmen der Studie wurden N=684 Kinder dritter und vierter Grundschulklassen zu ihrer intrinsischen und extrinsischen
Lesemotivation, ihren lesebezogenen Selbstkonzepten sowie zu ihren Selbstwirksamkeitsüberzeugungen im Lesen befragt.
Zusätzlich gaben die Kinder Auskunft zu den von ihnen im Elternhaus und in der Schule erfahrenen positiven Rückmeldungen
zu ihren Leseprozessen. Die Ergebnisse zeigen schwache bivariate Zusammenhänge zwischen dem von den Kindern
wahrgenommenen Feedback ihrer Eltern sowie ihren lesebezogenen Selbstkonzepten (r=.38; p≤.001), ihren
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (r=.17; p≤.001), ihrer intrinsischen (r=.30; p≤.001) und extrinsischen Lesemotivation (r=.23;
p≤.001). Das von den Kindern wahrgenommene positive Feedback der Lehrkräfte korreliert auf schwachem Niveau hoch- bzw.
höchstsignifikant mit den lesebezogenen Selbstkonzepten (r=.42; p≤.001), den Selbstwirksamkeitsüberzeugungen im Lesen
(r=.13; p≤.001) sowie der intrinsischen (r=.20; p≤.001) und der extrinsischen Lesemotivation (r=.10; p≤.01). Das von den Kindern
wahrgenommene Feedback der Eltern korreliert auf mittlerem Niveau mit demjenigen der Lehrerinnen und Lehrer (r=.59; p≤.001).
Die Befunde aus einem in Mplus berechneten Strukturgleichungsmodell verdeutlichen dabei, dass die intrinsische und die
extrinsische Lesemotivation der Kinder jeweils durch die wahrgenommenen positiven Rückmeldungen im Elternhaus erklärt
werden können. Der Zusammenhang zwischen der extrinsischen Lesemotivation und den perzipierten positiven Rückmeldungen
im Elternhaus wird erwartungsgemäß durch die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen der befragten Kinder im Lesen mediiert.
Durch die Analysen wird weiterhin deutlich, dass Unterschiede in den lesebezogenen Selbstkonzepten der Schülerinnen und
Schüler eher durch Unterschiede in den wahrgenommenen positiven Rückmeldungen der Lehrkräfte als durch die perzipierten
Rückmeldungen der Eltern erklärt werden können. Entgegen den theoretischen Annahmen werden in dem
Strukturgleichungsmodell allerdings Unterschiede in der intrinsischen und extrinsischen Lesemotivation der Kinder nicht durch
Differenzen in den von ihnen wahrgenommenen positiven Rückmeldungen der Lehrerinnen und Lehrer erklärt.
Die im Rahmen der Ergebnisse unserer Studie veranschaulichte Bedeutung elterlicher Rückmeldungen für die Lesemotivation
von Kindern im Grundschulalter könnte bei der Weiterentwicklung von ‚Family Literacy‘-Programmen Berücksichtigung finden,
bei denen die aktive Elternmitarbeit bei der Entwicklung schriftsprachlicher Kompetenzen von Kindern im Vor- und
Grundschulalter im Vordergrund steht.
ID: 452 / G 04 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Soziologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Gesundheit/ Stress/ Belastung, Schulentwicklung
Stichworte: Organisationale Resilienz, Sozialräumlich benachteiligte Schulstandorte, Widerstandsfähigkeit, Salutogenese,
Latent Profile Analysis
Muster organisationaler Resilienz von Schulen in sozialräumlich benachteiligter Lage
Christine Neumann1, Tanja Webs2, Nina Bremm1, Isabell van Ackeren1
1
Universität Duisburg-Essen; 2Institut für Schulentwicklungsforschung/TU Dortmund
Ergebnisse von Schulleistungsvergleichsstudien zeigen, dass zusätzlich zu individuellen Lernvoraussetzungen auch
sozialräumliche Kontextbedingungen, einhergehend mit der sozioökonomischen Schülerkomposition, die Bildungserfolge von
Schülerinnen und Schülern beeinflussen können (Baumert et al., 2006). Insbesondere Schulen in sozialräumlich benachteiligtem
Umfeld stehen daher unterschiedlichen Risikofaktoren für erfolgreich verlaufende Bildungsprozesse ihrer Schülerinnen und
Schüler gegenüber, die auf Ebene des Schulstandortes, der Schülerzusammensetzung, aber auch der einzelschulischen
Gestaltungsqualität liegen können (Holtappels, 2008). Neben Schulen, denen eine Kompensation von Risikofaktoren schulischer
Bildung kaum gelingt, lassen sich ebenso Schulen identifizieren, die trotz ungünstiger Arbeitsbedingungen und
Lernvoraussetzungen der Lernenden hohe Lernzuwächse bei ihren Schülerinnen und Schülern erzielen (Muijs et al., 2004;
Racherbäumer et al., 2013). Diese Schulen weisen ein hohes Maß an Lern- und Problemlösefähigkeit auf, die auf eine starke
Widerständigkeit zurückgeführt werden kann (Ungericht & Wiesner, 2011).
Das Phänomen der Kompensation von Vulnerabilitäten wird in der Organisationsforschung als organisationale Resilienz
bezeichnet (Gebauer & Kiel-Dixon, 2009; McManus et al., 2008). Gemeint ist damit, die Kapazität von Organisationen, unter
Einfluss von Risikofaktoren, Belastungen zu bewältigen, stabilitätssichernde Organisationsfunktionen herzustellen oder zu
bewahren (Sutcliffe & Vogus, 2003), positive Überzeugungen und Einstellungen im organisationalen Kontext zu (re-)produzieren
(Vogus & Sutcliffe, 2007), organisationale Selbsterneuerung und Innovation voranzutreiben (Reinmoeller & van Baardwijk, 2005)
und damit insgesamt ein erhöhtes Maß an Passung an die Arbeitsbedingungen zu entwickeln (Sutcliffe & Vogus, 2003). Resiliente
Organisationen verfügen über resiliente Akteure, die sich durch eine erhöhte Selbstwirksamkeitsüberzeugung (Mallak, 1998),
eine ausgeprägte Innovationsbereitschaft (Shin et al., 2010), höhere Arbeitszufriedenheit und stärkere Verbundenheit mit der
Organisation (Youseff & Luthans, 2007) auszeichnen. Das Konstrukt organisationaler Resilienz wurde bislang noch nicht auf die
Organisationsform Schule übertragen und im Kontext von Schulen in herausforderndem Umfeld untersucht.
Angesichts des skizzierten Forschungsdesiderates widmet sich der Beitrag dem Erkenntnisinteresse, wie Schulen in
sozialräumlich benachteiligter Lage mit unterschiedlichen Ausprägungen organisationaler Resilienz Vulnerabilitätsfaktoren
kompensieren können. Konkret wird folgenden Forschungsfragen nachgegangen:
1. Können anhand der Merkmale organisationaler Resilienz Gruppen von Schulen in vornehmlich sozialräumlich deprivierter
Lage und mit eher sozioökonomisch benachteiligter Schülerschaft identifiziert werden, die sich durch spezifische organisationale
Resilienzmuster auszeichnen?
2. Lassen sich systematische Differenzen zwischen den identifizierten schulischen Resilienzmustern hinsichtlich der
Gestaltungsqualität auf Schul- und Unterrichtsebene sowie der schulischen Ergebnisqualität ermitteln?
Als Datengrundlage dient die fragebogengestützte Eingangserhebung des Projekts „Potenziale entwickeln – Schulen“ stärken.
Die Stichprobe umfasst 36 Schulen der Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen, die an herausfordernden Standorten arbeiten.
Genutzt werden auf Schulebene aggregierte Individualdaten von Lehrkräften (n=1.105) sowie von Schülerinnen und Schülern
(n=3.183) und deren Eltern (n=2.146). Merkmale organisationaler Resilienz, wie kollektive Selbstwirksamkeitserwartung,
Innovationsbereitschaft im Kollegium, Arbeitszufriedenheit und schulbezogenes Commitment sowie weitere Merkmale der
schulischen Ausgestaltung werden aus Lehrkräftesicht eingeschätzt, wohingegen Merkmale der Schülerzusammensetzung, der
Unterrichtsgestaltung und der Ergebnisqualität aus Sicht der Lernenden und ihrer Eltern abgebildet werden. Alle Skalen weisen
eine zufriedenstellende Reliabilität auf (α>.7). Die Klassifizierung der Schulen erfolgt mittels latenter Profilanalyse und die weitere
Differenzierung wird varianzanalytisch zufallskritisch abgesichert.
Mit Blick auf die erste Forschungsfrage zeigen die Ergebnisse, dass vier schulische Resilienzgruppen identifiziert werden können:
Zwei mit unterdurchschnittlichem bzw. durchschnittlichem Niveau über alle Resilienzmerkmale (n=8 bzw. n=17) und zwei mit
überdurchschnittlichen Resilienzprofilen, wobei sich die eine Gruppe durch höhere Zufriedenheit und schulbezogenes
Commitment (n=9) und die andere durch stärkere Innovationsbereitschaft im Kollegium und kollektive
Selbstwirksamkeitserwartung auszeichnet (n=2). In Bezug auf die zweite Forschungsfrage wird deutlich, dass insbesondere die
beiden
Schulgruppen
mit
(unter-)durchschittlichem
Resilienzniveau
schwierigere
Kontextbedingungen
und
Schülerkompositionen aufweisen und auch hinsichtlich weiterer Merkmale der Gestaltungs- und Ergebnisqualität, wie u.a. dem
Arbeitsklima im Kollegium, Schüler-Lehrer-Beziehungen, Schulentwicklungsaktivitäten und dem Wohlbefinden der Lernenden in
der Schule ungünstiger abschneiden.
Basierend auf den Befunden werden forschungsbezogene Konsequenzen zur vertiefenden Analyse von organisationaler
Resilienz im Schulkontext aufgezeigt und schulpraktische Schlussfolgerungen zur Förderung organisationaler Resilienz von
Schulen in sozialräumlich deprivierter Lage diskutiert.
ID: 456 / E 14 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Soziologie
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung, Bildung im Sekundarbereich, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung
Stichworte: Keywords: Berufs-biographische Forschung, Intra-Kohortenvergleich, Entwicklungspsychologie,
Generationssoziologie
50 Jahre Göttinger Längsschnittuntersuchung (GLU): Von der Berufseignung, über Lehrerfolg, weitere
Aus- und Weiterbildung, zu Karrieren, Berufserfolg und Lebenszufriedenheit der Lebensspanne des
gesamten Erwerbslebens
Sylvia-Maria Schröder, Micha Strack, Peter Faßheber
Georg-Elias-Müller-Institut für Psychologie, Universität Göttingen, Deutschland
Hintergrund
Besonders Längsschnittstudien erlauben, Erwartungen über Bildungserfolge zu prüfen. Aus der Perspektive der BiographieForschung wird deutlich, dass die gesellschaftlichen Umstände (bspw. gesamtgesellschaftliche Ausrichtung, Veränderungen im
Zuge der Wiedervereinigung in Deutschland, ökonomische Globalisierung und Konjunktur) moderieren, ob individuelles
Engagement oder betrieblich angeregte Weiterbildung zur beruflichen Entwicklung beitragen können.
Fragestellung
Das Design der GLU-Längsschnittstudie ist gekennzeichnet durch eine sozioökonomisch homogene Ausgangskohorte
(Metallfacharbeiterlehrlinge eines Jahrgangs einer Region). Starke Varianz in der Bildungs- und Berufsentwicklung über die
weitere Lebensspanne bis zum Übergang in den Ruhestand kann im Sinne des Tagungsthemas als „erwartungswidrig“
interpretiert werden.
Methodisches Vorgehen
Zu Beginn ihrer Metallfacharbeiter-Lehre 1964 wurden 161 männliche Jugendliche in eine umfangreiche persönlichkeits- und
eignungsdiagnostische Eingangsuntersuchung der Göttinger Längsschnittuntersuchung (GLU) einbezogen. Die Teilnehmer
verfügten im Regelfall über einen Volksschulabschluss mit achtjähriger Schulzeit.
Die eingesetzte Eignungsdiagnostik basiert auf dem Persönlichkeitsmodell von Gottschaldt (1960), und ähnelt heutigen
Assessment Centern (Hübner, 1992). Prognosen zum dreieinhalbjährigen Ausbildungszeitraum wurden mit Erfolgskriterien der
Ausbildung korreliert (Faßheber, 1970).
Mitte der 1980-er Jahre wurden Kriterien und aktendiagnostische Prognosen für den Berufserfolg formuliert. Diese wurden mit
den Daten verglichen, die 1989/90 in Interviews mit insgesamt 96 wiederaufgesuchten Probanden dokumentiert und in das
Göttinger Berufs-Verlauf-Modell (GBVM) übertragen werden konnten (Faßheber et al., 1992; Schröder 1993). Im GBVM wurden
alle Aus- und Weiterbildungsaktivitäten der Teilnehmer bis zum Alter von etwa 40 Jahren erfasst und in einem Index der
beruflichen Statusentwicklung aufbereitet.
50 Jahre nach Lehrbeginn, im Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand, konnten von 2012-2014 insgesamt 82 Probanden
der GLU zum dritten Mal aufgesucht und zu ihrem weiteren Werdegang interviewt werden.
Ergebnisse
In den Interviews von 1989/90 wurde eine Vielzahl unerwarteter Bildungsaktivitäten der Probanden deutlich (Schröder, 1993).
Vielseitige und ausgeprägte Aktivitäten vieler Probanden führten zu zahlreichen Weiterentwicklungen, sowohl über häufig erfolgte
fortgeschrittene allgemeinbildende Abschlüsse, als auch über berufliche Weiterbildung zu anspruchsvollen beruflichen
Tätigkeiten und Berufs-Positionen. Der GBVM-Wert streut zwischen -2,5 und 9 Indexpunkten (MW 3.4 SD 2.3). Bspw. erwarben
15 Probanden die Mittlere Reife, weitere 10 Probanden die Allgemeine Hochschulreife, 17 Pbn. einen Fachhochschulabschluss
und sieben Pbn. einen Universitätsabschluss, davon zwei sogar eine Promotion.
Die Interviews von 2012-2014, die die Folgezeit nach 1990, sowie den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand der Pbn.
fokussieren, führen demgegenüber zu anderen Ergebnissen.
Zwar zahlt sich die in der ersten Hälfte des Berufslebens kumulierte Bildung erwartungskonform im Alter aus (Korrelation GBV
zu t2 mit Haushaltseinkommen zu t3 r=.56; mit bedarfsgewichtetem Äquivalenzeinkommen r =.55, p<.01). In der zweiten Hälfte
des Berufslebens zeigt sich aber eine Stagnation weiterer Bildungsanstrengungen. Eigeninitiativen für Weiterbildung sind deutlich
zurückgegangen. Teilnahmen an vom Arbeitgeber initiierten Weiterbildungskursen kamen vor, betrafen aber meist
arbeitspsychologisch empfohlene Maßnahmen zum Gesundheitsverhalten im weitesten Sinne. Eine nennenswerte Ausnahme
bilden die acht im eigenen Unternehmen selbständig arbeitenden Teilnehmer. Über das Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze
hinaus sind sie weiterhin berufstätig. Noch immer lassen sie innovative Interessen erkennen, verbunden mit (weiter)bildungsbezogenen Anstrengungen. Diese umfassen im Falle eines erfolgreichen mittelständischen Unternehmers sogar die
Etablierung und den Ausbau einer betriebseigenen Bildungsakademie.
Anhand der Ergebnisse lassen sich Lebenszyklus-, Kohorten- und Periodeneffekte des biographischen Bildungs- und
Lebenserfolgs diskutieren.
ID: 457 / G 16 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Schulentwicklung
Stichworte: Schulentwicklung, Implementationsforschung, Transferforschung, Schulen in schwieriger Lage
Kooperation von Wissenschaft, Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie? Einblicke in ein
Forschungs- und Entwicklungsprojekt zu Schulen in sozialräumlich benachteiligter Lage
Nina Bremm1, Veronika Manitius2
1
Universität Duisburg-Essen, Deutschland; 2Qualitäts- und UnterstützungsAgentur - Landesinstitut für Schule NRW (QUA - LiS
NRW)
Die Relevanz von gelingenden Transfer- und Implementationsprozessen für die erfolgreiche Umsetzung von Reformen sowohl
auf System- als auch Schulebene gilt in der Schulentwicklungsdiskussion als unbestritten (van Holt 2014; Gräsel 2010; Klieme
et al. 2007). So betont auch die KMK in ihrer jüngst überarbeiteten Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring: „Die Aufgabe der
Landesinstitute und Qualitätseinrichtungen der Länder besteht in diesem Zusammenhang darin, Forschungswissen in
Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen adressatengerecht für die Schulen, die Bildungsadministration und die
Bildungspolitik aufzubereiten und zu verbreiten. Um nachhaltig Wirkung in der Fläche erzielen zu können, bedarf es ferner
besonderer Implementations- und Transferstrategien in den Ländern“ (KMK 2015, 14). Damit werden Wissenschaft und
Landesinstitute als zentrale Kooperationspartner benannt, die Wissen für Schulen und Administration aufbereiten und
transferieren sollen. Unklar bleibt jedoch, wie solche Kooperationsstrukturen konkret auszugestalten sind und was „besondere“
Implementations- und Transferstrategien für Schulen und Bildungsadministration kennzeichnet.
Das Forschungs- und Schulentwicklungsprojekt „Potenziale entwickeln – Schulen stärken“ fokussiert in seiner konzeptionellen
Anlage die enge Zusammenarbeit von Wissenschaft (Universitäten Duisburg-Essen und Dortmund) und Landesinstitut (Qualitätsund UnterstützungsAgentur – Landesinstitut für Schule NRW – QUA-LiS) im Wissensmanagement und in der Transferarbeit. Als
weitere Akteure sind die Stiftung Mercator, 36 Schulen in schwieriger Lage aus der Metropolregion Ruhr und die
Bildungsadministration (MSW NRW, Bezirksregierungen NRW, Kompetenzteams NRW) in das Projekt eingebunden. ‚Potenziale
entwickeln- Schulen stärken’ ermittelt mithilfe einer quantitativen Längsschnittuntersuchung neues Wissen zu Kontext- und
Prozessmerkmalen von Schulen in schwieriger Lage. Das parallel realisierte Fallstudiendesign in sechs Schulen erlaubt eine
Verknüpfung dieser Daten mit qualitativ vertiefenden Fallanalysen schulischer Prozesse. Mit dem evidenzbasiert und
entwicklungsoffen konzipierten Ansatz der Netzwerk- und Schulentwicklungsarbeit wird flexibel an den im Forschungsteil
identifizierten Bedarfen gearbeitet. Hierbei werden die im Bildungssystem vorhandenen Akteure und Strukturen gezielt
eingebunden. Die standardisierte Evaluation der Netzwerk- und Schulentwicklungsarbeit und das gemeinsame
Wissensmanagement von Landesinstitut und Wissenschaft generieren systematisierte Informationen über erfolgreiche
Entwicklungsstrategien von Schulen in schwieriger Lage. Die enge Kooperation zwischen Wissenschaft und Landesinstitut und
die konzeptionelle Einbildung von Administration und Schulen seit Projektstart bildet die Grundlage für den Transfer der
Projekterkenntnisse. 'Potenziale entwickeln – Schulen stärken' kann insofern modellbildend für Kooperationen im Sinne
nutzeninspirierter Grundlagenforschung sein und neue Hinweise auf erfolgreiche „Implementations- und Transferstrategien in
den Ländern“ (KMK 2015, 14) liefern.
Im Beitrag werden erste Ergebnisse der Wissens- und Transferstrategie der Wissenschaft und des Landesinstituts vorgestellt.
Es wird der Fragestellung nachgegangen, welche Faktoren zentral für gelingende Schulentwicklungsarbeit für Schulen in sozial
deprivierten Kontexten sind und inwiefern diese Erkenntnisse auf Relevanz für die Überführung in nachhaltige Strukturen geprüft
werden können. Dabei wird auf theoretische Überlegungen und Methoden aus dem Wissensmanagement (Willke 2004, Heitmann
2013, Probst et al. 2003) und der Implementationsforschung (Petermann 2014) zurückgegriffen, die dazu genutzt werden, das in
den Schulentwicklungsprozessen der Projektschulen generierte Wissen mittels theoretisch hergeleiteter Instrumente zu
dokumentieren und zu analysieren, der Administration zuzuführen und im Hinblick auf Relevanz für Implementationsbemühungen
in die Fläche, z.B. für das Fortbildungssystem, zu überprüfen.
Als Datengrundlage dienen leitfadengestützten Interviews, die mit 5 Lehrkräften, welche die Projektschulen als externe
Expert/innen in ihrer Schulentwicklung begleiten, geführt und inhaltsanalytisch ausgewertet wurden. Die Ergebnisse dieser
Exploration zeigen zum einen erste Hinweise auf relevante Schlüsselfaktoren für das Gelingen von Schulentwicklungsarbeit in
belasteten Kontexten, die perspektivisch mit den Daten der quantitativen und qualitativen wissenschaftlichen Begleitforschung in
Beziehung gesetzt und gespiegelt werden können und so eine multimethodische und mehrperspektivische Datengrundlage für
die von der KMK geforderten Implementations- und Transferstrategien ermöglichen. Die Befunde werden zum anderen mit Blick
auf die Frage diskutiert, welche Erkenntnisse aus einem solch konkreten Schulentwicklungsprojekt Relevanz für den
systemischen Transfer aufweisen. Mit Bezug auf die Transferforschung werden die Rollen und mögliche Zuständigkeiten der
vielfältigen Akteure im Projekt dahingehend analysiert, inwieweit der Ansatz von Potenziale entwickeln – Schulen stärken eine
geeignete Bottom-Up-Transferstrategie darstellt.
ID: 460 / G 16 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Vorschulische Bildung
Stichworte: frühe Kindheit, Temperament, häusliche Lernumwelt, Risikofaktoren, Nationales Bildungspanel
Bedingungen gelungener Mutter-Kind-Interaktion bei Kindern mit schwierigem Temperament
Jan-David Freund, Anja Sommer, Sabine Weinert
Otto-Friedrich Universität Bamberg, Deutschland
Die Qualität der häuslichen Lernumwelt und insbesondere der Mutter-Kind-Interaktion in der frühen Kindheit hat sich wiederholt
als bedeutsamer und langfristiger Prädiktor einer günstigen sprachlichen, kognitiven und sozio-emotionalen Entwicklung des
Kindes gezeigt (z.B. Pearson et al., 2011). Unter dieser Qualität wird gerade in früher Kindheit sowohl sensitives als auch
anregendes Interaktionsverhalten verstanden. Sensitivität meint dabei ein Verhalten, das angemessen auf kindliche Bedürfnisse
und Interessen eingeht (Ainsworth et al., 1974). Anregendes Interaktionsverhalten dagegen wird häufig im Sinne eines
Scaffolding-Prozesses beschrieben, das aufbauend auf dem Konzept der Zone proximaler Entwicklung von Vygotsky ein dem
Kind zugewandtes Verhalten meint, durch das ihm während eines Lernprozesses ein hinsichtlich Intensität und Niveau
angemessenes Maß an Unterstützung zukommt (z.B. Rogoff, 1990).
Das mütterliche Verhalten insbesondere in der unmittelbaren Interkation mit dem Kind wird neben verschiedenen anderen
Faktoren auch durch Charakteristika des Kindes beeinflusst. Eines davon ist das Temperament, also die angeborene, stabile
und über Situationen hinweg kontingente Modulation der Reaktionen auf interne und externe Anforderungen. Immer wieder
konnte ein Zusammenhang von schwierigem Temperament des Kindes und einer Verringerung günstigen Verhaltens der Mutter
gezeigt werden (z.B. Therriault et al., 2011). Allerdings fand sich in einer Metastudie von Paulussen-Hoogeboom und Kollegen
(2007) insgesamt nur ein schwacher Zusammenhang von Temperament und mütterlicher Sensitivität, während er in
Risikogruppen deutlich höher ausfiel. Außerdem konnte gezeigt werden, dass derartige Risikofaktoren den emotionalen Stress
in der Familie erhöhen (Conger et al., 2010). Daher ist anzunehmen, dass die Qualität mütterlichen Interaktionsverhaltens
möglicherweise nur bei vorliegenden Risikofaktoren durch das kindliche Temperament beeinträchtigt wird, während ohne
Risikofaktoren die Qualität mütterlichen Verhaltens weitgehend oder sogar vollständig robust gegenüber dem Einfluss des
kindlichen Temperaments ist.
Diese Annahme wurde untersucht, indem der Zusammenhang schwierigen Temperaments und günstigen Elternverhaltens in der
Mutter-Kind-Interaktion bei Familien mit unterschiedlich vielen vorliegenden Risikofaktoren verglichen wurde. Insbesondere das
Zusammentreffen mehrerer Risikofaktoren wurde als Umstand vermutet, der die benötigten Kompensationsressourcen schwächt
und daher mit einem stärkeren negativen Zusammenhang einhergehen sollte.
Die Daten zur Untersuchung der Fragestellung stammen aus der repräsentativen Stichprobe der ersten Welle der Startkohorte
Neugeborene und frühkindliche Bildung des Nationalen Bildungspanels (NEPS, Blossfeld et al., 2011), die bei knapp 3500
Kindern (davon für diese Studie relevant N = 2183) ab einem Alter von 6-8 Monaten (M = 6.96; SD = 0.81; 51.2% Jungen)
bildungsrelevante Faktoren und frühkindliche Entwicklung im Längsschnitt untersucht.
Die Erfassung der Qualität mütterlichen Verhaltens erfolgte anhand von Videoaufnahmen von halb-standardisierten Mutter-KindInteraktionen, die im Haushalt der Familie erstellt wurden (Sommer & Mann, 2015). Die Kodierung mütterlicher Sensitivität
(Beobachterübereinstimmung: 90%) erfolgte anhand der eigens dafür entwickelten makroanalytischen Eltern-Kind-InteraktionsEinschätzskala (EKIE; Sommer & Mann, 2015). Scaffolding (Beobachterübereinstimmung: 82%) wurde im Rahmen des NEPSergänzenden DFG-Projekts ViVA anhand eines mikroanalytischen Verfahrens erhoben, durch welches das Handlungsniveau des
Kindes und eine entsprechend angemessene Unterstützung der Mutter erfasst wurde. Kindliches Temperament (gemessen mit
einer 9-Item Version des IBQ-R-VSF – Bayer et al., 2015) und Kontextfaktoren wurden mithilfe eines Elterninterviews erfragt. Als
Risikofaktoren wurden verschiedene die Ressourcen der Mutter potenziell schwächende Faktoren definiert (z.B. psychische
Belastung der Mutter, Status als Alleinerziehende, Armut, niedriger Bildungsgrad).
Zur Untersuchung der Fragestellung wurde für verschiedene anhand der Risikofaktoren gebildete Subgruppen der
Zusammenhang des berichteten Temperaments mit der beobachteten Sensitivität und Scaffolding der Mutter ermittelt. In
Übereinstimmung mit der Befundlage wurde für die Gesamtstichprobe nur ein geringer Zusammenhang festgestellt. Eine gezielte
Betrachtung der Subgruppen ergab jedoch eine mit der Anzahl an Risikogruppen, denen Mutter und Kind angehörten, deutlich
wachsende Bedeutung.
Dieser Befund stützt die Annahme, dass die Abwesenheit relevanter Risiken protektiv hinsichtlich der ungünstigen Folgen eines
schwierigen frühkindlichen Temperaments für die Qualität der häuslichen Lernumwelt wirkt.
ID: 463 / C 02 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Didaktik Mathematik, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Lehrerexpertise
Stichworte: Professionelle Handlungskompetenz von Lehrkräften, Fachdidaktisches Wissen, Überzeugungen,
Unterrichtsqualität, Lehrerfortbildungen
Wirkung von Lehrerfortbildungen auf die Entwicklung professioneller Handlungskompetenz und die
Qualität von Unterricht
Michael Besser1, Dominik Leiss1, Birgit Schütze2, Katrin Rakoczy3
1
PH Freiburg, Deutschland; 2Westfälische Wilhelms-Universität Münster; 3Deutsches Institut für Internationale Pädagogische
Forschung
Eine Auseinandersetzung mit professioneller Handlungskompetenz von Lehrkräften stellt ein zentrales Element aktueller
Bildungsforschung dar (Baumert & Kunter, 2006). Vielfältige Studien zeigen in diesem Kontext insbesondere einen Einfluss von
fachdidaktischem Wissen sowie von Überzeugungen als ausgewählte Facetten professioneller Handlungskompetenz auf die
Qualität von Unterricht auf (Kunter u. a., 2013; Tatto u. a., 2012). Weitestgehend unklar ist jedoch, wie fachdidaktisches Wissen
und Überzeugungen im Rahmen von Lehrerfortbildungen gezielt verändert werden können und inwieweit hierdurch die Qualität
von Unterricht verbessert werden kann. Zwar diskutieren zentrale Übersichtsartikel notwendige Bedingungen für den Erfolg von
Lehrerfortbildungen (Cobb & Jackson, 2011; Desimone, 2009; Lipowsky, 2004), hinreichende, generalisierbare
Bedingungsfaktoren für eine erfolgreiche Umsetzung von Fortbildungsangeboten für Lehrkräfte mit Blick auf die Entwicklung
dieser Facetten professioneller Handlungskompetenz und die Qualität von Unterricht werden hier jedoch nicht beschrieben.
Aufbauend auf diesem Forschungsdesiderat untersucht das DFG-Forschungsprojekt COCA die Wirkung von Lehrerfortbildungen
auf die Entwicklung professioneller Handlungskompetenz von Lehrkräften im Schuldienst sowie auf die Qualität von Unterricht.
Am spezifisch-fachdidaktischen Beispiel einer lernförderlichen Implementation formativen Assessments (Black & William, 2009;
Maier, 2010) in kompetenzorientierten Mathematikunterricht wird im Projekt den folgenden Forschungsfragen nachgegangen:



Forschungsfrage 1: Inwieweit gelingt es, im Rahmen von Lehrerfortbildungen das spezifisch-fachdidaktische Wissen von
Mathematiklehrkräften zu formativem Assessment im kompetenzorientierten Mathematikunterricht gezielt zu fördern?
Forschungsfrage 2: Inwieweit lassen sich durch Lehrerfortbildungen Überzeugungen von Mathematiklehrkräften zur
lernförderlichen Implementation formativen Assessment im Mathematikunterricht (weiter-)entwickeln.
Forschungsfrage 3: Inwieweit geht eine eventuelle Veränderung von fachdidaktischem Wissen und Überzeugungen mit
einer Verbesserung der Unterrichtsqualität – hier: einer Verbesserung der Implementation formativen Assessment in den
Unterricht – einher?
Innerhalb der Studie haben 67 Lehrkräfte entweder an Fortbildungen zu formativem Assessment im kompetenzorientierten
Mathematikunterricht (Untersuchungsbedingung A; UB A; N = 30) oder aber an Fortbildungen zu allgemein-didaktischen Fragen
kompetenzorientierten Mathematikunterrichts (Untersuchungsbedingung B; UB B; N = 37) teilgenommen. Die Fortbildungen
erstreckten sich über drei Monate, zur Evaluation wurden folgende Instrumente administriert: (1) PCK-Test zur Erfassung des
allgemein-fachdidaktischen Wissen aller Lehrkräfte zu Beginn der Fortbildungen (COACTIV-Test; siehe auch (Krauss u. a.,
2008)). (2) PCK-FA-Test zur Erfassung des fortbildungssensitiven, spezifisch-fachdidaktischen Wissens der Lehrkräfte zu
formativem Assessment im kompetenzorientierten Mathematikunterricht am Ende der Fortbildungen (Test fokussiert gezielt
Inhalte aus UB A). (3) Lehrerfragebogen zu Überzeugungen aller Lehrkräfte zur lernförderlichen Implementation formativen
Assessments in den eigenen Mathematikunterricht; erhoben zu Beginn (MZP 1), während (MZP 2) und am Ende (MZP 3) der
Fortbildungen. (4) Schülerfragebogen zur wahrgenommenen Qualität der Implementation formativen Assessments in den
Mathematikunterricht; ebenfalls erhoben zu MZP 1, 2 und 3.
Quantitative Analysen bzgl. der Wirksamkeit der Fortbildungen zeigen auf: Lehrkräfte aus UB A schneiden am Ende der
Fortbildungen im PCK-FA-Test signifikant besser ab als Lehrkräfte aus UB B (t(65) = 6.66; p = .00; d = 1.63). Unter Kontrolle der
Leistung im PCK-Test lässt sich etwa 40% effektspezifischer Varianz durch die Fortbildungen (ANCOVA; F(1, 64) = 44.80, p <
.00, = .41) erklären (Forschungsfrage 1). Dieser Unterschied im spezifisch-fachdidaktischen Wissen am Ende der Fortbildungen
geht mit einer Veränderung von Überzeugungen zur Implementation lernförderlichen Assessment in den Unterricht einher, die
jedoch nur in geringem Umfang und allein auf 10%-igem Niveau durch eine Interaktion von Messzeitpunkt und
Fortbildungsteilnahme (Varianzanalyse mit Messwiederholung; F(1) = 3.42, p = .07, ε^2= .05) erklärt werden kann
(Forschungsfrage 2). Trotz dieser Ergebnisse konnte jedoch die durch die Schüler wahrgenommene Qualität der Implementation
formativen Assessments in den Mathematikunterricht nicht gesteigert werden (Forschungsfrage 3).
Trotz einer Wirkung der Fortbildungen auf fachdidaktisches Wissen und Überzeugungen von Lehrkräften zeigt sich somit keine
Veränderung der durch die Schüler wahrgenommenen Unterrichtsqualität. Mit Blick auf Fragen nach der Bedeutung von
Lehrerfortbildungen auf die Weiterentwicklung von Schule gilt dieses Ergebnis im Rahmen des Vortrags kritisch zu reflektieren
und Implikationen für weiterführende Forschung zu erörtern.
ID: 464 / G 16 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Gesundheit/ Stress/ Belastung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung
Stichworte: Informelle Bildungsaktivitäten, Qualitative Längsschnittanalyse, Bewältigungsstrategien, Lernimpulse, Lernen in
sozialen Beziehungen
Entwicklung informeller Bildungsprozesse über das Erwachsenenalter
Jana Wienberg
Universität Hamburg, Deutschland
Theoretischer Hintergrund:
Die vorliegende Untersuchung entstand im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojektes „Perspectives of Ageing in the
Process of Social and Cultural Change“ des Marsilius-Kollegs („Center for Advanced Study“) (Nähere Informationen zu den
Projekttätigkeiten und zum Marsilius-Projekt „Perspectives of Ageing in the Process of Social and Cultural Change” sind auf der
Homepage
des
Marsilius-Kollegs
zu
finden:
URL:
http://www.marsilius-kolleg.uniheidelberg.de/projekte/perspectivesageing.html).
Die durchgeführte Analyse des bildungswissenschaftlichen Teilprojektes (Wienberg 2014) liegt dem Leitgedanken der
Reservehypothese im Hinblick auf die kognitive Leistungsfähigkeit im Alter zugrunde. Theoriegeleitet knüpfen lerntheoretische
Überlegungen im Sinne Lebenslangen Lernens sowohl an funktionelle Theorien der Kognitiven Reserve als auch auf
entwicklungspsychologische Konzepte, wie die Lebensaufgaben einzelner Phasen von Erikson (1988), Havighurst (1972) und
Thomae (1983), das Entwicklungsmodell der selektiven Optimierung einzelner Funktionsbereiche von Baltes & Baltes (1989a)
oder dem Konzept des „erfolgreichen Alterns“ (Baltes/Baltes 1989b) Bezug genommen.
Fragestellung:
Es wurde der Forschungsfrage nachgegangen, inwieweit insbesondere informelle Bildungsaktivitäten eine protektive Funktion
für ein „erfolgreiches“ Altern haben. Konkret wurde untersucht, welche Lerngelegenheiten mit zunehmendem Alter genutzt
werden, welche Anlässe Lernimpulse bieten und welche Lernmodi mit zunehmendem Lebensalter an Bedeutung gewinnen.
Im Zusammenhang mit Bewältigungsstrategien – auch i.S. des Resilienz-Konzeptes – mit (altersspezifischen)
Herausforderungen oder auch alltäglichen Anforderungen und Wendepunkten im Lebenslauf umzugehen, sollen insbesondere
informelle Bildungsprozesse darüber Aufschluss geben, wodurch „protektive“ Ressourcen i.S. einer Kompetenz für ein
selbstbestimmtes, autonomes Alter aufgebaut bzw. über die Lebensspanne entwickelt werden.
Methode:
Ausgangspunkt für den vorliegenden Beitrag ist eine qualitative Analyse basierend auf den Daten der „Interdisziplinären
Längsschnittstudie des Erwachsenenalters“ (ILSE) (Schmitt/Wahl/Kruse 2008). Die ILSE-Studie wurde durch das Deutsche
Zentrum für Alternsforschung an der Universität Heidelberg, in Kooperation mit den Universitäten Leipzig und Rostock
durchgeführt (gefördert durch: BMBF, BMFSFJ, MWK Baden-Württemberg). Die „ILSE“ ist durch ihren im Längsschnitt- und
Kohortenansatz, Ost-West-Differenzierung, Bezugnahme auf das mittlere und höhere Erwachsenenalter, Verknüpfung von
biografischer Perspektive und gegenwärtiger Lebenssituation sowie Interdisziplinarität gekennzeichnet.
Die Untersuchung wurde auf der Basis eines theoretischen Samplings halbstandardisierter Interviews mit ILSE-Proband/-innen
qualitativ analysiert, um so Hinweise auf informelle Lernprozesse, z.B. in der Bewältigung von kritischen Lebensereignissen zu
erhalten bzw. das Zusammenwirken verschiedener Lernprozesse im Lebenslauf empirisch aufzuarbeiten. Hierbei wurde das
Lernen in unterschiedlichen Kontexten – unter Berücksichtigung verschiedenartige Lernpotenziale und Lerninhalte - und vor dem
Hintergrund der jeweiligen Bildungsbiografie qualitativ ausgewertet. Die Auswertung erfolgte in Form einer inhaltsanalytischen
Auswertung des Datenmaterials entlang eines Kategoriesystems – in Anlehnung an den „Adult Education Survey“ (European
Commission EUROSTAT 2005; European Commission EUROSTAT 2007).
Ergebnisse:
Es lässt sich ein Wandel der Bildungssettings über die Lebensspanne feststellen, der durch eine Zunahme des Lernens in
informellen Kontexten im höheren Erwachsenenalter gekennzeichnet ist. In diesem Zusammenhang nimmt das informelle Lernen
in sozialen Beziehungen eine zentrale Rolle ein: Dieses dient u.a. zur Orientierung im Prozess der Entscheidungsfindung und
der Ergreifung von Bildungschancen und übt einen prägenden Einfluss auf das (Lern-)Verhalten sowie die
Selbstwirksamkeit(serwartung) aus. „Gut funktionierende“ soziale Netzwerke – unabhängig von ihrer Größe und dem Ausmaß
der Unterstützung – kann eine „Pufferfunktion“ gegenüber lernhemmenden Einflüssen zugesprochen werden. Hierbei besteht
keine Korrelation zwischen der Größe und des Ausmaßes an Unterstützung, vielmehr üben die Qualität, Heterogenität, Dichte
und Multiplexität einen maßgeblichen Einfluss aus. Insbesondere jene Fähigkeiten wie die Entwicklung der Reflexionsfähigkeit,
kritische Distanz und Dimensionen der Mündigkeit wurden vornehmlich in informellen Lernkontexten erworben. Diesen
Fähigkeiten kann eine erhöhte Bedeutsamkeit zugeschriebenen werden aufgrund eines zunehmenden Erfordernisses von
Selbstorganisation/-steuerung an das Individuum.
Die Untersuchung liefert Hinweise zur Entwicklung von informellen Bildungsaktivitäten über das Erwachsenenalter und
verdeutlicht, welche Lernanlässe (die über die unmittelbare Krisenbewältigung hinausgehen), Lernimpulse sowie -modi bspw.
biografische Wendepunkte oder Transitionen sich bieten können. Die Befunde zu informellen Bildungsaktivitäten sollen, i.H. auf
eine bedarfsorientierte Konzeption, als Brücke zwischen institutionellen (Weiter-)Bildungsangeboten und niedrigschwelligen,
aufsuchenden Angeboten und Strukturen im informellen Kontext dienen.
ID: 465 / E 15 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Soziologie
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung
Stichworte: Soziale Ungleichheit, Übergang in Ausbildung, Migranten, Ausbildungsstellenmarkt
Fremdselektionsprozesse beim Übergang in duale Ausbildungen – Zum differenziellen Einfluss von
Migrationshintergrund
Dennis Föste, Gabriel Nagy, Jan Retelsdorf
IPN - Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik an der Universität Kiel, Deutschland
Problemstellung:
Formale Ausbildungsabschlüsse sind in Deutschland von langfristiger Bedeutung für Arbeitsmarktintegration und Erwerbsverlauf
(Konietzka 2008). So werden individuelle Chancen beim Übergang in einen horizontal wie vertikal gegliederten Arbeitsmarkt
beträchtlich durch die (formale) berufliche Qualifikation beeinflusst (Konietzka, 1999; Kreckel 2004). Unterschiede etwa in
Einkommen, Prestige und Arbeitslosigkeitsrisiko sind so vielfach schon im Ausbildungsberuf angelegt (Weil und Lauterbach
2011). Ein sozial-selektiver Zugang zu (bestimmten) Ausbildungsplätzen lässt sich folglich als kritisch für die (Re-)Produktion
sozialer Disparitäten begreifen.
In bisherigen Untersuchungen zu Fremdselektionsprozessen beim Übergang in eine betriebliche Ausbildung ergab sich bereits
Evidenz für schlechtere Einmündungschancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund (Schneider et al., 2014; Diehl et al.,
2009). Dies wird im Rahmen dieses Beitrags zunächst repliziert. Hieran anschließend wird untersucht inwiefern dieser Effekt mit
der regionalen Bevölkerungszusammensetzung varriiert.
Theoretischer Hintergrund:
Ausgehend von einer ökonomischen Konzeptualisierung des Übergangs in die berufliche Erstausbildung nehmen Betriebe als
Gatekeeper (Kohlrausch, 2012) für die Erklärung des Entstehens sozialer Disparitäten eine zentrale Rolle ein. Sie sind die
Letztentscheider, die aus einem Pool an Bewerbern, Auszubildende selegieren. Für diese Entscheidungsfindung stehen ihnen
lediglich begrenzte Informationen zur Verfügung, sodass sie zur Bewertung der potenziellen Eignung von Bewerbern auf Signale
und Indizes zurückgreifen (Spence 1973, 2002). Während Signale erworbene Personenmerkmale wie Zertifikate bezeichnen,
handelt es sich bei Indizes um zugeschriebene Personeneigenschaften wie Geschlecht oder Migrationshintergrund. Beide dienen
der (sozialen) Kategorisierung von Bewerbern und können entsprechend ihres Signalwertes zur (Re-)Produktion sozialer
Disparitäten beitragen (Solga, 2005).
Die Chancen von Bewerbern mit mehrheitlich negativ-bewerteten Indizes oder Signale fallen demnach geringer aus, als die der
jeweiligen Vergleichsgruppe(n). Welche Personeneigenschaften wie bewertet werden, hängt allerdings auch vom (sozialen)
Kontext der Bewertenden ab. Variiert der Bezugsrahmen der Entscheider, kann damit auch die Wertigkeit von Signalen und
Indizes variieren. So erscheint es möglich, dass der Signalwert eines Migrationshintergundes von der Bevölkerungsstruktur im
Bezugsraum abhängt.
Vor diesem Hintergrund ergeben sich folgende Fragestellungen:


Bestätigen sich schlechtere Einmündungschancen in eine betriebliche Berufsausbildung von Jugendlichen mit
Migrationshintergrund?
Wird dieser Effekt durch den Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund im Bezugsraum moderiert?
Methode:
Für die Analyse wird der Datensatz der Teilstudie TOSCA-10 (2007) des Forschungsprojekts „Transformation des
Sekundarschulsystems und akademische Karrieren“ (TOSCA) verwendet. Die untersuchte Teilstichprobe dieser
Übergangsstudie umfasst n=1012 baden-württembergische Realschüler, die sich schwerpunktmäßig auf eine bestimmte duale
Ausbildung beworben haben. Die Datenerhebung erfolgte am Ende des Schuljahres 2006/07, also noch vor Ende des
Bewerbungsprozesses. Die Daten sind somit hinsichtlich des Bewerbungserfolgs rechtszensiert.
Als Indikator für die unterschiedlichen Chancen von Jugendlichen am Ausbildungsmarkt dient die Anzahl der Bewerbungen bis
zur ersten Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Die Angaben zum Geburtsland von Schülern und ihren Eltern werden auf
Basis einer breiten Definition des Begriffs Migrationshintergrund in einer dichotomisierten Variable zusammengafsst. Zur
Quantifizierung des Bevölkerungsanteils mit Migrationshintergrund wurden die Gemeinde-Daten des Zensus 2011 verwendet.
Als Kontrollvariablen werden unter anderen Geschlecht, Noten, Klassenwiederholungen, Merkmale des Bewerbungsverhalten
sowie Abiturientenquote im Bewerbungsberuf berücksichtigt.
Die Untersuchung des Einflusses von Migrationshintergrund auf den Bewerbungserfolg erfolgt mittels einer Censored Negative
Binomial Regression (Hardin und Hilbe 2012, S.302ff), mit robusten, nach Gemeinden geclusterten Standardfehlern. Dies trägt
der Quantifizierung des Bewerbungserfolgs durch eine Zählvariable Rechnung und ermöglicht die Berücksichtigung
rechtszensierter Daten (Hilbe 2012). Zudem wird die Nestung von Bewerbern in regionalen Märkten so berücksichtigt. Zum
Umgang mit fehlenden Werten werden Multiple Imputations by Chained Equations (van Buuren et al. 1999) verwendet. Es werden
100 Datensätze mit jeweils 50 Iterationen erzeugt.
Ergebnisse:
Die Bewerbungschancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund variieren mit dem jeweiligen Anteil der Bevölkerung mit
Migrationshintergrund in der Gemeinde. Je geringer dieser Anteil desto schlechter sind ihre Chancen. In einer Gemeinde mit
durchschnittlich ausgeprägtem Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund bewerben sie sich circa 1,2 mal häufiger, bevor sie
zu Vorstellungsgesprächen geladen werden.
ID: 466 / E 14 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Wirtschafts- und Berufspädagogik
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung
Stichworte: Übergangssystem, Kompetenzentwicklung, mathematische Kompetenzen, diskrete Messmodelle
Die Entwicklung mathematischer Kompetenzen im Übergangssystem
Simon Weißeno, Susan Seeber
Georg-August-Universität Göttingen, Deutschland
Mit der Diskussion um den Bildungserfolg von Schüler/-innen ohne Ausbildungsplatz rückt die Erfassung der
Kompetenzwicklungen in den Maßnahmen des Übergangssystems in den Fokus (vgl. Lehmann, & Hoffmann, 2009).
Insbesondere die schulischen mathematischen Kompetenzen sind bedeutsam für den Erfolg in einer beruflichen Erstausbildung
(Neumann et al., 2013). Die ausbildungsvorbereitenden einjährigen Maßnahmen des Übergangssystems sollen deshalb gezielt
die mathematischen Kompetenzstände der Schüler/-innen verbessern, da sie u.a. auf Grund der mangelnden mathematischen
Kompetenzen keinen Ausbildungsplatz bekommen haben (Seeber, 2013). Die meist querschnittlich angelegten Studien deuten
darauf hin, dass die Kompetenzstände heterogen am Ende einer Maßnahme sind (vgl. Nickolaus, & Norvig, 2009).
Längsschnittliche Studien zeigen, dass kaum Entwicklung in den mathematischen Kompetenzen erfolgt. Dieser Trend setzt sich
dann teilweise in der beruflichen Erstausbildung fort (Geißel et al., 2013). Bisher fehlen jedoch vertiefende Informationen darüber,
ob die mathematischen Kompetenzen sich heterogen zeigen und in einer einjährigen ausbildungsvorbereitenden
Bildungsmaßnahme ausdifferenzieren. Die einjährigen Maßnahmen setzen sich aus Schüler/-innen zusammen, die meist bereits
mathematische Kompetenzen in unterschiedlichen Bildungsgängen und Maßnahmen erlernt haben. Ihnen wird geringe bis kaum
allgemeine mathematische Kompetenz bescheinigt (vgl. Münk, 2011). Dabei wählen die Schüler/-innen zu Beginn der
Maßnahmen berufliche Orientierungen, in denen die allgemeinen mathematischen Kompetenzen unterschiedlich gefördert
werden. Die Identifizierung heterogener Entwicklungen wurde bislang methodisch nicht mit den angemesseneren diskreten
Modellen (z.B. von Davier, 2005) vorgenommen.
Dazu soll drei Fragen nachgegangen werden: 1) Lässt sich die mathematische Kompetenzverteilung und ihre Entwicklung durch
diskrete Kompetenzklassen beschreiben? 2) Wie verändern sich die mathematischen Kompetenzen nach einer einjährigen
Maßnahme? 3) Gibt es unterschiedliche Entwicklungen in den mathematischen Kompetenzen nach vorherigem Schulabschluss,
Geschlecht, Migrationshintergrund und beruflicher Orientierung?
Hierfür wurden Daten aus der einjährigen Berufsfachschule in Niedersachsen der IBIS-Studie (N=622) herangezogen. Den
Schüler/-innen wurde zu zwei Messzeitpunkten ein Mathematiktest, einer zu Beginn, der zweite am Ende der einjährigen
Maßnahme, vorgelegt. Zunächst wurden beide Tests separat mit dem Rasch-Modell skaliert. Anschließend wurden die separaten
Rasch-Modelle gegen Modelle des diskreten structured General Diagnostic Model-Ansatz (Xu, & von Davier, 2008) geprüft.
Hierfür wurden zwei log-linear formulierte General Diagnostic Modelle, das erste Modell mit sieben und das zweite mit drei
Kompetenzklassen, spezifiziert. Nach der Evaluierung, welcher Modellansatz zur weiteren längsschnittlichen Skalierung
herangezogen werden kann, wurde die Zeitinvarianz der Ankeritems überprüft. Die identifizierten Ankeritems mit zeitinvarianten
Schwierigkeiten wurden für die Verbindung beider Tests auf einer gemeinsamen Skala in einem mehrdimensionalen
längsschnittlichen Modell auf Gleichheit restringiert. Abschließend wurde die Passung des längsschnittliche Modells geprüft und
die Kompetenzentwicklung untersucht.
Die Analyseergebnisse eines Rasch-basierten längsschnittlichen Modells zeigen bei den Schüler/-innen der einjährigen
berufsvorbereitenden Maßnahme ein leichtes Wachstum der mathematischen Kompetenzen. Die Ergebnisse stehen im Einklang
mit bisherigen Studien, die ein geringes Wachstum im Übergangssystem erfassten. Die Studie gibt des Weiteren Hinweise darauf,
dass die Förderung in den Maßnahmen zu einer homogenen Kompetenzentwicklung führen. Die Konsequenzen für die
Einmündung in die berufliche Erstausbildung sollen diskutiert werden.
ID: 467 / F 02 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Sonderpädagogik, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Inklusion, Lehrer(aus)bildung, Motivation und Emotion
Stichworte: Inklusion, Einstellungen, Motivation, Studentinnen und Studenten, Grundschule
Einstellungen zur Inklusion im Zusammenhang mit der Motivation für die Beschäftigung mit
inklusionsspezifischen Fragestellungen bei Studentinnen und Studenten des Lehramts an Grundschulen
Gamze Görel1, Frank Hellmich1, Susanne Schwab2
1
Universität Paderborn, Deutschland; 2Universität Bielefeld, Deutschland
Im Zuge der Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen durch die Bundesrepublik
Deutschland steht die Grundschule als Institution vor besonderen Herausforderungen. Zukünftig gilt es, `Gemeinsames Lernen´
für alle Kinder zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie die Ausbildung angehender
Grundschullehrerinnen und -lehrer zu gestalten ist. Die Wertschätzung der Heterogenität im Klassenzimmer wird von der
Europäischen Agentur für Entwicklungen in der sonderpädagogischen Förderung (2012) als ein bedeutsamer Teil des Profils von
Lehrkräften für den inklusiven Unterricht erachtet. Hierzu zählen insbesondere angemessene Einstellungen und Haltungen von
(angehenden) Lehrkräften zum inklusiven Unterricht in der Grundschule. In den vergangenen Jahren wurden vor diesem
Hintergrund vereinzelt Studien durchgeführt, bei denen Einstellungen zur Inklusion von (angehenden) Lehrkräften untersucht
wurden. Der bisherige Forschungsstand gibt Hinweise darauf, dass sich Einstellungen von Lehrkräften durch Erfahrungen aus
dem `Gemeinsamen Unterricht´ von Kindern mit und ohne sonderpädagogischem/n Förderbedarf (vgl. z. B. Avramidis & Kalyva,
2007) oder durch Selbstwirksamkeitsüberzeugungen in Bezug auf die Gestaltung inklusiven Unterrichts (vgl. z. B. Savolainen,
Engelbrecht, Nel & Malinen, 2012) erklären lassen. Unbeantwortet ist allerdings gegenwärtig die Frage, welche Auswirkungen
Einstellungen zur Inklusion von Lehramtsstudentinnen und -studenten auf ihre Motivation haben, sich mit inklusionsspezifischen
Fragestellungen während ihres Studiums auseinanderzusetzen. Vor diesem Hintergrund untersuchen wir im Rahmen unserer
Studie, ob und inwiefern sich Unterschiede in der Motivation bei Studentinnen und Studenten des Lehramts an Grundschulen
über Unterschiede in ihren Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, ihren Erfahrungen aus dem `Gemeinsamen Unterricht´ im
Rahmen von Unterrichtspraktika, ihrem allgemeinen Studieninteresse sowie ihren Einstellungen zur Inklusion erklären lassen.
Im Speziellen nehmen wir dabei an, dass der Effekt der Einstellungen zur Inklusion auf die Motivation durch die Erfahrungen aus
dem `Gemeinsamen Unterricht´ moderiert wird.
In unserer Studie wurden N=765 Studentinnen und Studenten des Lehramts an Grundschulen an sieben Universitätsstandorten
in Deutschland anhand eines Fragebogens befragt. Die Studentinnen und Studenten wurden gebeten, Auskunft zu ihren
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen in Hinblick auf die Gestaltung eigenen inklusiven Unterrichts, zu ihren Einstellungen zur
Inklusion, zu ihren Erfahrungen aus dem `Gemeinsamen Unterricht´ im Rahmen von Unterrichtspraktika, zu ihrem allgemeinen
Studieninteresse sowie zu ihrer Motivation, sich mit inklusionsspezifischen Inhalten in ihrem Studium auseinanderzusetzen, zu
geben. Die einzelnen Fragebogenskalen verfügen über gute bis sehr gute Reliabilitäten (α=.82 bis α=.86).
Die Ergebnisse zeigen, dass die Motivation für die Beschäftigung mit inklusionsspezifischen Fragestellungen im Studium jeweils
auf höchstsignifikantem Niveau mit den Einstellungen zur Inklusion (r=.50), dem allgemeinen Studieninteresse (r=.20), den
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (r=.29) sowie den Erfahrungen aus dem `Gemeinsamen Unterricht´ im Rahmen von
Unterrichtspraktika (r=.21) korreliert. Die Befunde aus einem in AMOS 21 berechneten Strukturgleichungsmodell verdeutlichen,
dass die Einstellungen der Studentinnen und Studenten zur Inklusion bei einer aufgeklärten Varianz von 34 Prozent durch ihre
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen sowie ihre Erfahrungen aus dem integrativen bzw. inklusiven Unterricht im Rahmen von
Schulpraktika erklärt werden können. Unterschiede in der Motivation, sich mit inklusionspädagogischen Fragestellungen im
Studium zu beschäftigen, werden – bei einer Varianzaufklärung von 37 Prozent – durch Unterschiede in den Einstellungen der
Studentinnen und Studenten zur Inklusion sowie durch Differenzen in ihrem allgemeinen Studieninteresse bestimmt. Entgegen
den theoretischen Annahmen wird der Effekt der Einstellungen zur Inklusion auf die Motivation nicht durch die Erfahrungen aus
dem `Gemeinsamen Unterricht´ bei den befragten Studentinnen und Studenten des Lehramts an Grundschulen moderiert.
Die Befunde geben zusammenfassend Hinweise auf die Bedeutung von Praxiserfahrungen im Rahmen des
Grundschullehramtsstudiums für die Entwicklung von Einstellungen zur Inklusion und unterstreichen die Relevanz geeigneter
positiver Einstellungen für die Motivation von Studentinnen und Studenten, sich mit inklusionsspezifischen Fragestellungen im
Laufe des Studiums zu beschäftigen.
ID: 468 / H 17 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Methoden der empirischen Bildungsforschung, Unterrichtsentwicklung/ Unterrichtsqualität
Stichworte: Instruktionssensitivität; Testkonstruktion; Validität; Mehrebenen IRT; DIF
Modellierung der Instruktionssensitivität polytomer Test- und Fragebogenitems
Alexander Naumann1,2, Johannes Hartig1, Jan Hochweber3
1
Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF), Deutschland; 2IDeA Forschungszentrum Frankfurt,
Deutschland; 3Pädagogische Hochschule St. Gallen (PHSG), Schweiz
Antworten von Schülerinnen und Schülern auf Fragebogen- oder Leistungstestitems dienen regelmäßig als Basis für
pädagogische oder politische Rückschlüsse über Schule und Unterricht (Hascher & Schmitz, 2010; Pellegrino, 2002). Eine valide
Interpretation der individuellen Schülerantworten hinsichtlich der Merkmale der Aggregatebene erfordert jedoch, dass das
Antwortverhalten der Schülerinnen und Schüler tatsächlich von Schule und Unterricht beeinflusst ist. Jedoch zeigten Grossman,
Cohen, Ronfeldt und Brown (2014) erst kürzlich, dass das Ausmaß, in dem Testleitung und Unterricht empirisch
zusammenhängen über verschiedene Tests hinweg stark variieren kann. Das heißt, Tests können unterschiedlich stark dazu in
der Lage sein, Effekte desselben Unterrichts aufzufangen.
Die psychometrische Eigenschaft eines Tests oder eines Items, Unterrichtseffekte aufzufangen, wird als Instruktionssensitivität
bezeichnet (Polikoff, 2010). Zwar sind mittlerweile zahlreiche Ansätze zur Messung der Instruktionssensitivität von Items
verfügbar (ibd.), diese beschränken sich jedoch maßgeblich auf dichotome Items. Ziel der vorliegenden Studie ist es daher, die
Instruktionssensitivität polytomer Items zu modellieren.
Grundlage für unsere Modellierung bildet das längsschnittliche Mehrebenen-IRT Modell (LMLIRT; Naumann, Hochweber, &
Hartig, 2014), welches gebräuchliche Verfahren zur Messung von Instruktionssensitivität integriert. Ein Vorteil dieses Modells ist
es, dass es eine Beurteilung dichotomer Items dahingehend erlaubt, inwiefern sie sensitiv für a) Unterschiede zwischen Klassen,
und b) Unterschiede zwischen unterrichteten und nicht-unterrichteten Schülerinnen und Schülern sind. Dazu werden im LMLIRTModell klassenspezifische Veränderungen von Itemschwierigkeiten über Messzeitpunkte geschätzt. Die klassenspezifischen
Itemschwierigkeitsveränderungen werden als normalverteilt angenommen, wobei Mittelwert und Varianz als statistische
Indikatoren für die Sensitivität eines Items dienen. Das heißt, es werden zwei Arten von Sensitivität unterschieden, a) globale
Sensitivität, die angibt, inwiefern sich die Schwierigkeit eines Items über Klassen innerhalb einer Stichprobe im Mittel über die
Zeit verändert, und b) differenzielle Sensitivität, die angibt, inwiefern die Veränderung der Itemschwierigkeit über Klassen hinweg
variiert.
Als Erweiterung des Partial-Credit-Modells (PCM; Masters, 1982) lässt sich das LMLIRT Modell in zwei Varianten auf polytome
Items übertragen. Der ersten Variante liegt die gängige Form des PCM zugrunde, in der für ein Item mit K Antwortkategorien K1 Stufenparameter für die Schwierigkeit der Übergänge zwischen den einzelnen Antwortkategorien geschätzt wird. Wir erweitern
das PCM, um klassenspezifische Veränderungen der Stufenparameter zu schätzen. Auf Basis von Mittelwert und Varianz der
Normalverteilung der klassenspezifischen Stufenschwierigkeitsveränderungen können dann jeweils analog zum LMLIRT-Modell
die globale und differenzielle Sensitivität der Antwortkategorien bestimmt werden. Diese Modellvariante bietet sich insbesondere
für Leistungstestitems an, bei denen die einzelnen Antwortkategorien qualitativ unterschiedliche Anforderungen an die
Schülerinnen und Schüler stellen.
Die zweite Modellvariante fußt auf der sogenannten „expanded“ Parametrisierung des PCM (Penfield, Myers, & Wolfe, 2008). In
der „expanded“ Parametrisierung werden die Stufenparameter innerhalb eines K-stufigen Items in einen Lokations- und K-1
Schwellenparameter zerlegt. Der Lokationsparameter bestimmt die Lage des Items auf der latenten Merkmalsdimension,
während die Schwellenparameter die Schwierigkeit der Übergänge zwischen den einzelnen Antwortkategorien relativ zur
Lokation widerspiegeln. Durch Schätzung klassenspezifischer Veränderungen über die Zeit für Lokation- und
Schwellenparameter kann analog zur vorherigen Modellvariante die globale und differenzielle Sensitivität bestimmt werden.
Diese Variante bietet sich insbesondere für Likert-Items an. Hier stellen die einzelnen Antwortkategorien keine spezifischen
Anforderungen über den Grad an Zustimmung oder Ablehnung hinaus an die Schülerinnen und Schüler.
Beide Modellvarianten wurden exemplarisch auf Fragebogen- und Leistungstestitems des IGEL-Projekts (Hardy et al., 2011)
angewendet. IGEL ist eine quasi-experimentelle Interventionsstudie zu individueller Förderung in der Grundschule. Der
Datensatz umfasste 1060 Kinder in 54 Klassen (Jahrgangsstufe drei). Alle Leistungstestaufgaben zeigten sich global sensitiv,
wobei die kognitiv anspruchsvolleren Antwortkategorien zudem vergleichsweise stark differenziell sensitiv waren.
Fragebogenitems waren maßgeblich differenziell sensitiv.
Zusammenfassend funktionierten beide Modellvarianten gut in der Anwendung auf empirische Daten. Unser Ansatz erlaubte es,
die Instruktionssensitivität polytomer Items zu quantifizieren. Je nach Zweck der Messung können so passende Items selektiert
werden, um eine valide Interpretation der Resultate zu gewährleisten.
ID: 469 / C 04 Einzelbeiträge: 6
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Grundschulbildung
Stichworte: Soziale Akzeptanz, Kinder mit Migrationshintergrund, türkischsprachige Kinder, Homophile-Bias,
Klassenkomposition
Soziale Akzeptanz von Kindern mit Migrationshintergrund. Welche Bedeutung hat die
Klassenkomposition für eine gelungene soziale Akzeptanz?
Stefanie Brimmers, Anna Südkamp, Sarah Lange, Sylvia Mira Wolf, Heinrich Tröster
TU Dortmund, Deutschland
Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund sind in der Schule häufiger von sozialer Ausgrenzung bedroht als Kinder
ohne Migrationshintergrund (z. B. von Grünigen, Kochenderfer-Ladd, Perren & Alsaker, 2012). Vor dem Hintergrund einer
steigenden Anzahl von Kindern mit Migrationshintergrund in deutschen Schulklassen (Statistisches Bundesamt, 2015) und der
Bedeutung der Akzeptanz durch Peers für die psychosoziale Entwicklung und den Bildungserfolg (Chen, Rubin & Li, 1997;
Wentzel & Asher, 1995), erscheint dieser Befund alarmierend.
Ein Grund für die ungünstige soziale Position von Kindern mit Migrationshintergrund könnte darin liegen, dass sie häufig
Mitglieder einer Minderheitengruppe in ihrer Klasse sind. Eckhart (2005) konnte zeigen, dass mit steigendem Anteil an Kindern
mit Migrationshintergrund in der Klasse auch ihre soziale Position besser ist. Somit sind Kinder mit Migrationshintergrund
möglicherweise weniger sozial akzeptiert, weil Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Ethnizitäten vorzugsweise mit Kindern
ihrer eigenen ethnischen Gruppe agieren (Homophilie-Bias; McPherson, Smith-Lovine & Cook, 2001). Entsprechend fanden
Reinders und Mangold (2005), dass 67 % der Freundschaften von Jugendlichen intraethnisch sind. Allerdings wurde in dieser
Studie der Anteil der Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlichen ethnischen Gruppen in der Klasse nicht berücksichtigt.
In der vorliegenden Studie soll zum einen die soziale Akzeptanz von Kindern mit Migrationshintergrund unter Berücksichtigung
der ethnischen Klassenkomposition analysiert werden. Es wird vermutet, dass Kinder mit Migrationshintergrund ungünstigere
soziometrische Positionen in der Klasse einnehmen als Kinder ohne Migrationshintergrund und dass ihre soziometrische Position
mit steigendem Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund positiver ausfällt. Zum anderen soll überprüft werden, ob die
Schülerinnen und Schüler eine Bevorzugung ihrer eigenen ethnischen Gruppe zeigen (Homophilie-Bias).
Zur Überprüfung dieser Hypothesen wurden N = 531 Schülerinnen und Schüler aus 24 Grundschulklassen befragt. Das
durchschnittliche Alter lag bei M = 9.5 Jahren (SD = 0.9), 41 % der Kinder hatten einen Migrationshintergrund, die größte Gruppe
war dabei türkischer Herkunft (20 % der Gesamtstichprobe). Der Migrationshintergrund wurde über die Familiensprache
operationalisiert. Die Schülerinnen und Schüler beantworteten einen soziometrischen Fragebogen mit sechs Wahlfragen (z. B.
Neben wem möchtest du gerne sitzen?) und sechs Ablehnungsfragen (z. B. Neben wem möchtest du nicht sitzen?). Die Anzahl
der Nominierungen war dabei nicht begrenzt. Aus diesen Nennungen wurden der soziometrische Wahlstatus und
Ablehnungsstatus berechnet: Dazu wurde die Anzahl erhaltener Wahlen (bzw. Ablehnungen) über alle sechs soziometrischen
Fragen aufsummiert und durch die Anzahl möglicher Wahlen (bzw. Ablehnungen) geteilt. Zur Berechnung des Homophilie-Bias
wurde die Differenz zwischen dem Anteil abgegebener intraethnischer Wahlen und dem Anteil der Mitglieder der Eigengruppe in
der Klasse gebildet. Dadurch erhält man einen Wert der vom Anteil der Kinder der Eigengruppe in der Klasse unabhängig und
somit auch zwischen verschiedenen Klassen vergleichbar ist. Der Homophilie-Bias wurde für die zwei größten ethnischen
Gruppen berechnet: deutschsprachige und türkischsprachige Kinder. Die Daten wurden mit R mehrebenenanalytisch
ausgewertet (R Core Team, 2014).
Es zeigt sich, dass Kinder mit Migrationshintergrund einen geringeren Wahlstatus und einen höheren Ablehnungsstatus haben
als Kinder ohne Migrationshintergrund. Berücksichtigt man den Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund, so zeigt sich ein
signifikanter Moderatoreffekt des Anteils, sowohl auf den Zusammenhang zwischen Migrationsstatus und Wahlstatus, als auch
auf den Zusammenhang von Migrationsstatus und Ablehnungsstatus. Kinder mit Migrationshintergrund haben höhere
soziometrische Positionen, je mehr Kinder mit Migrationshintergrund in der Klasse sind. Die Analyse des Homophilie-Bias zeigt,
dass deutschsprachige Kinder bei soziometrischen Wahlen ihre Eigengruppe bevorzugen, bei Ablehnungsfragen zeigt sich dies
nicht. Türkischsprachige Kinder zeigen keine Bevorzugung der Eigengruppe, hier konnte ein Homophilie-Bias weder für
soziometrische Wahlen noch für Ablehnungen gefunden werden.
Die Ergebnisse werden in Bezug auf die Frage nach den Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren für eine gelungene soziale
Integration von Kindern mit erhöhtem Risiko für soziale Ausgrenzungen diskutiert.
ID: 475 / F 01 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Soziologie
Thematisches Cluster: Genderforschung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Ökonomie und Bildung
Stichworte: adult education; lifelong learning; barriers; gender, family; welfare state regimes; PIAAC
Participation in Lifelong Education: Analyzing Individual Barriers across Different Welfare State Regimes
Natascha Massing, Britta Gauly
GESIS-Leibniz Institut für Sozialwissenschaften, Deutschland
Lifelong learning is becoming increasingly important in today’s societies. Individuals have to maintain and develop their skills in
order to cope with changing demands, such as new technologies. Our research compares participants of adult education with
non-participants across countries with different institutional frameworks and welfare state regimes. When focusing on nonparticipants, we analyze perceived barriers to adult education, considering gender differences and family composition.
In an early work, Cross (1981) distinguishes between situational, institutional and dispositional barriers in participation to adult
education. Rubenson and Desjardins (2009) resort to the Bounded Agency Model in explaining how barriers are produced and
how an interaction between different kinds of barriers can arise. They put forward that each welfare state regime affects barriers
to participation through the policies in place. In addition to a direct effect through policies, welfare states can also have an impact
on individual perceptions. We analyze countries that belong to the three “classical” types of welfare states, according to EspingAndersen (1990), and in addition extend it by the “Southern type” (Leibfried, 1993).
We contribute to ongoing research on barriers to lifelong learning with the following research questions: 1. Are there gender
differences in participation in adult education and do they persist when controlling for family structure and employment status? 2.
What are the main barriers to participation in adult education and how are they related to having young children? 3. Do perceived
barriers differ across countries with different welfare state regimes?
Recent data from the Programme for the International Assessment of Adult Competencies (PIAAC) offer the opportunity to
analyze participation in adult education across countries. We use logistic regressions in order to estimate the likelihood to
participate for women in comparison to men. We adjust this estimation by introducing control variables such as age, education,
employment status and family structure.
First descriptive results indicate that only in Nordic countries women are significantly more likely to participate in adult education
then men. Multivariate regression analysis shows that part of this gender imbalance is related to other factors, such as
employment status and family structure. When controlling for these, women are more likely to participate in adult education across
different welfare state regimes. Regarding non-participation, the most important barriers reported by both men and women are
financial reasons, being too busy at work, and having family responsibilities. Having children seems to have a different effect on
men and women, as in particular women with young children report family responsibilities as a barrier. However, in Nordic
countries the gender differences seem to be less distinct.
Summing up, our results indicate that the likelihood to participate in adult education for individuals with different socio-economic
background varies across countries. It seems likely that institutional frameworks have an impact on the extent adults take part in
further education and training. Our research provides insights into better understanding why adults are deterred from engaging
in further education and which policies might reduce some of the barriers, therefore increasing the opportunity to participate.
ID: 478 / E 04 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Grundschulbildung
Stichworte: Chancenungleichheit, Mixed-Methods, Rekontextualisierung, Förderung
Schulspezifische Muster der Differenzierung von Schüler/innen und Förderangeboten unter
Berücksichtigung schulischer Prozessmerkmale. Ein mixed-methods-Design zur Analyse schulischer
Differenzierungspraxis in Primarschulen.
Franziska Bühlmann1, Chantal Kamm1, Marcus Emmerich2, Katharina Maag Merki1
1
UZH, Schweiz; 2FHNW, Schweiz
Theorie und Empirie*Fettdruck*
Verschiedene Studien verweisen auf bestehende Chancenungleichheiten im Bildungssystem (u.a. Müller 2013; Wolter, 2013).
Für die Schweiz konnten Felouzis & Charmillot (2013) einen Zusammenhang zwischen Chancenungleichheit und sozialer
Segregation in der Sekundarstufe 1 aufzeigen. Im interkantonalen Vergleich zeigt der Kanton Zürich den stärkste Zusammenhang
zwischen sozio-ökonomischem Status und Chancenungleichheit (ebd., S. 195).
Die Entstehung von Chancenungleichheit beim Übertritt in die Sekundarstufe 1 kann durch Bildungswahlentscheidungen von
Individuen erklärt werden (u.a. Baumert et al., 2009). Dabei zeigen sowohl primäre Effekte (bspw. die herkunftsabhängigen
individuellen Leistungen), als auch sekundäre Effekte, wie die herkunftsabhängigen Bildungsaspirationen der Eltern, die
Empfehlungspraxis der Lehrpersonen und die Bildungsaspirationen der Schüler/innen, einen sozial selektiven Einfluss auf
Bildungschancen (u.a. Becker & Lauterbach, 2010; Stocké, 2013).
Eine andere Sichtweise bieten organisationstheoretische Ansätze, welche eine mögliche Ursache für Chancenungleichheit bei
der Organisation Schule, unter anderem aufgrund ihrer Selektionsfunktion, untersuchen (Gomolla & Radtke, 2007; Sieber, 2006).
Das Konzept der institutionellen Diskriminierung geht davon aus, dass Differenzen zwischen Schüler/innen nicht gegeben sind,
sondern aufgrund von „sozialen Prozeduren“ in der Schule hergestellt werden (Bommes & Radtke, 1993, S.487). Dabei ist das
Handeln in organisationale Regeln und Normen eingebunden, welches direkt oder indirekt verschiedenen Gruppen von
Schüler/innen ungleiche Chancen zukommen lässt (ebd., S.490f).
Im Mehrebenenmodell des Schulwesens beschreibt das Konzept der Rekontextualisierung den aktiven Gestaltungsanteil von
Akteuren auf der jeweiligen Ebene, wobei sich das Handeln sowohl auf institutionell-organisatorische Rahmenbedingungen,
(bspw. Selektionsauftrag) wie auch auf spezifische Handlungsbedingungen untergeordneter Ebenen (bspw. elterliche
Bildungsaspirationen) bezieht (Fend, 2008).
Rekontextualisierungsprozesse, welche für die Bearbeitung von Chancenungleichheit relevant sind, lassen sich nur erschliessen,
wenn man die Schule und das Handeln der Akteure darin untersucht. Bislang fehlen allerdings entsprechende Studien, die
insbesondere auch einen Fokus auf die Differenzierungspraktiken der Lehrpersonen gelegt haben.
Fragestellung*Fettdruck*
Ausgewählt wurden zwei Primarschulen, in welcher die Lehrpersonen die elterlichen Bildungserwartungen ähnlich wahrnehmen.
Erwartet wird, dass durch schulspezifische Rekontextualisierungsleistungen unterschiedliche Handlungsmuster sichtbar werden.
Welche Muster bezüglich Differenzierung von Schüler/innen zeigen sich in der Praxis der untersuchten Schulen? Stehen diese
in einem Zusammenhang mit Schul- und Prozessmerkmalen aus der Perspektive der Schüler/innen und Lehrpersonen?
(1) Zeigen sich Unterschiede in den untersuchten Schulen, wie Schüler/innen nach expliziten und impliziten Kriterien zu
Förderangeboten zugeteilt werden?
(2) Unterscheiden sich die Schulen bezüglich Schul- und Prozessmerkmalen aus der Perspektive der Schüler/innen und
Lehrpersonen?
(3) Können schulspezifische Interpretationsmuster des Handelns auf Schulebene herausgearbeitet werden?
Design und Methode*Fettdruck*
Für die Studie „kontextorientierte Schulentwicklung“ wurden sieben Primarschulen der Stadt Zürich mit einem kriterialen Sample
ausgewählt. In diesen Schulen wurden Schulleitungsinterviews sowie je zwei Gruppendiskussionen mit Lehr- und Fachpersonen
durchgeführt. Zusätzlich wurden Schul- und Prozessmerkmale mittels standardisierter Fragebogen mit Schüler/innen der 4.6.Klasse (N=476) sowie Lehr- und Fachpersonen (N=179) erhoben.
Die Analyse von schulspezifischen Strukturen, Praktiken und Prozessen wird mit einem mixed methods Design bearbeitet.
Ausgewählt wurden zwei Schulen, welche bezüglich wahrgenommener Bildungserwartungen vergleichbar sind. Für ein vertieftes
Verständnis der Praxis dieser beiden Schulen werden einerseits qualitative Daten aus Gruppendiskussionen und
Schulleitungsinterviews herangezogen, wobei Differenzierungspraktiken von Lehrpersonen mit dokumentarischer Methode
analysiert werden (Bohnsack, 2007). Andererseits werden quantitative Daten zu wahrgenommenen Schul- und
Prozessmerkmalen deskriptiv und inferenzstatistisch ausgewertet. Mit den Ergebnissen der qualitativen und quantitativen
Auswertungen werden schulspezifische Muster herausgearbeitet.
Vorläufige Ergebnisse*Fettdruck*
(1) Die beiden Schulen unterscheiden sich bezüglich expliziter und impliziter Kriterien der Zuteilungspraxis zu Förderangeboten.
Beispielsweise liegt der Fokus der einen Schule auf der Förderung von leistungsstarken Schüler/innen, die Akteure der anderen
Schule orientieren sich stärker an leistungsdurchschnittlichen Schüler/innen.
(2) Die quantitativen Daten zeigen, dass sich die beiden Schulen in verschieden Schul- und Prozessmerkmalen wie bspw. der
Wahrnehmung von förderorientiertem Schulleitungshandeln unterscheiden.
(3) Schulspezifische Muster werden aufgrund weiterer Ergebnisse der qualitativen und quantitativen Auswertungen
herausgearbeitet.
ID: 479 / G 02 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Motivation und Emotion
Stichworte: Selbstwirksamkeit, Sprachhandlungskompetenz, Mixed Methods
Bewältigung sprachlicher Herausforderungen – Wie selbstwirksam sind Schülerinnen und Schüler am
Ende der Grundschulzeit?
Melanie Radhoff1, Raphaela Porsch2
1
TU Dortmund, Deutschland; 2Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Die kompetente Beherrschung der deutschen Sprache gilt als unabdingbare Voraussetzung für den Schulerfolg in Deutschland
(Gogolin, 2009). Während einige Aspekte der Sprachkompetenz, beispielsweise das Lesen (Hohn et al., 2013), bereits in vielen
Studien umfassend analysiert worden sind, wird in diesem Beitrag ein bislang eher weniger berücksichtigter Aspekt betrachtet,
die Sprachhandlungskompetenz. Sie umfasst die Reflexion der Rahmenbedingungen von Kommunikation und impliziert die
Entscheidung zu einer erfolgversprechenden verbalen Strategie (Ingendahl, 1975). Die Ausprägung tatsächlicher (sprachlicher)
Kompetenzen ist dabei maßgeblich davon beeinflusst, inwiefern Individuen sich zutrauen, eine bestimmte Handlung erfolgreich
ausführen zu können. Die Selbstwirksamkeitserwartung hat besonders im schulischen Bereich nicht nur einen Einfluss auf die
Leistungsfähigkeit, sondern auch auf die Motivation und das Durchhaltevermögen bei herausfordernden Aufgaben (vgl. z.B.
Bandura, 1994; Prücher, 2002; Bandura & Locke, 2003).
Fragestellung
Im Rahmen der vorgestellten Studie liegt das Erkenntnisinteresse darin zu eruieren, wie ausgeprägt die allgemeinen sowie die
spezifisch auf Aspekte der Sprachhandlungskompetenz bezogenen Selbstwirksamkeitserwartungen von Schülerinnen und
Schülern am Ende der vierten Klasse sind. Darüber hinaus wird der Frage nachgegangen, welche Strategien die Kinder zur
Bewältigung konkreter sprachlicher Aufgaben anwenden und welche Schwierigkeiten sie diesbezüglich benennen. Schließlich
wird danach gefragt, ob die Ausprägung der Selbstwirksamkeitserwartung einen Einfluss darauf hat, ob Schwierigkeiten berichtet
werden, beziehungsweise welche Art von Schwierigkeiten zugrunde liegen.
Methode
Die Erhebung basiert auf der Herangehensweise der Mixed Methods im Rahmen einer querschnittlichen Fragebogenstudie von
Schülerinnen und Schülern (N = 444) am Ende der vierten Klasse. Der Fragebogen beinhaltet unter anderem eine vierstufige
Likert-Skala zur allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung (α = .76), die an die 2. World Vision Kinderstudie angelehnt ist (World
Vision Deutschland, 2010), sowie eine neu implementierte vierstufige Likert-Skala zur spezifischen Selbstwirksamkeitserwartung
der Sprachhandlungskompetenz (α = .78). Diese Skalen wurden mit quantitativen Verfahren ausgewertet. Zusätzlich umfasste
der Fragebogen Items im offenen Aufgabenformat. Es wurden Aufgaben gestellt, die konkrete sprachliche Herausforderungen
auf der Grundlage unterschiedlicher Sprachhandlungstypen darboten und sowohl Bewältigungsstrategien als auch mögliche
Schwierigkeiten der Schülerinnen und Schüler erfragt. Diese Aufgaben wurden mit der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet
(Mayring, 2007). Mit Hilfe von Chi-Quadrat-Tests wurde anschließend der Zusammenhang zwischen der Ausprägung der
Selbstwirksamkeitserwartung und der Schwierigkeit bei der Bewältigung der Aufgabe untersucht. Damit sollen Ergebnisse der
quantitativen und qualitativen Datenanalyse zusammengebracht werden und einen vertiefenden Einblick in die
Funktionsmechanismen der Bewältigung sprachlicher Anforderungen liefern.
Ergebnisse
Die Ausprägung der Selbstwirksamkeitserwartungen ist sowohl bei der allgemeinen (M = 3.2, SD = .78) als auch bei der
spezifischen Skala (M = 2.99, SD = .80 hoch. Damit bestätigen sich Ergebnisse früherer Studien, die Schülerinnen und Schülern
der Grundschule insgesamt hohe Selbstwirksamkeitserwartungen bescheinigen (vgl. z.B. Schunk & Pajares, 2009). Dennoch
weisen sowohl im Bereich der allgemeinen als auch der spezifischen Selbstwirksamkeitserwartungen 14 Prozent der Kinder sehr
niedrige Kompetenzerwartungen auf. Bei der Bewältigung der sprachlichen Anforderungen lässt sich einerseits der Gebrauch
konstruktiver Strategien identifizieren, deren Verwendung die Wahrscheinlich einer erfolgreichen Kommunikation erhöht.
Andererseits lassen sich auch destruktive Strategien ausmachen, die die Wahrscheinlichkeit, langfristig erfolgreich zu
kommunizieren, eher minimieren. In Bezug auf die Schwierigkeiten, die sprachlichen Herausforderungen bewältigen zu können,
finden sich sowohl internal als auch external attribuierte Probleme. Es lässt sich vermuten, dass auf lange Sicht diejenigen
Personen mehr Vertrauen in eigene Fähigkeiten haben werden, die Erfolg internal und Misserfolg external attribuieren (Möller &
Jerusalem, 1997). In dieser Studie zeigt sich in der Tendenz, dass Schülerinnen und Schüler mit sehr hoch ausgeprägten
Kompetenzüberzeugungen im sprachlichen Bereich, seltener zu internalen Attribuierungen bei Schwierigkeiten neigen (p < .02*).
Diese und weitere Ergebnisse werden im Rahmen der Ergebnispräsentation zusammen mit Überlegungen zur Messbarkeit des
Konstrukts diskutiert.
ID: 480 / H 17 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Schulentwicklung
Stichworte: Evidenzorientierung, Datennutzung, Schulleitungshandeln, Strukturgleichungsmodellierung
Evidenzorientierte Einstellungen und epistemologische Überzeugungen der Schulleitung und ihr Einfluss
auf die Datennutzung
Ramona Buske, Martin Stump, Olga Zlatkin-Troitschanskaia
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Im Kontext des neuen Steuerungsmodells im deutschen Schulwesen gewinnt evidenzbasierte Schul- und Unterrichtsentwicklung
zunehmend an Bedeutung. Viele Studien zeigen jedoch, dass Lehrkräfte oftmals nur bedingt evidenzorientiert handeln (ZlatkinTroitschanskaia, Seidel & Stump, 2013). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie evidenzbasiertes Handeln in
Schulen systematisch gefördert werden kann (s. hierzu das Projekt ‚Evidenzbasiertes Handeln im schulischen
Mehrebenensystem‘ (EviS) im Rahmen des BMBF-Forschungsschwerpunkts ‚Steuerung im Bildungssystem‘). Ausgehend von
den Befunden zur Schlüsselrolle der Schulleitung in Schulentwicklungsprozessen (z.B. Moolenaar, Daly & Sleegers, 2010) wird
das Führungshandeln von Schulleitung als Einflussfaktor auf das evidenzbasierte Handeln von Lehrkräften untersucht (z.B.
Wayman, Spring, Lemke & Lehr, 2012) und bedeutsame Effekte empirisch ermittelt (Stump, Zlatkin-Troitschanskaia & Mater,
2015). Die Prädiktoren evidenzorientierten Handelns von Schulleitung sind bislang weitaus weniger erforscht. Hier setzt die
vorliegende Studie an und untersucht basierend auf dem Forschungsstand Einstellungen der Schulleitung gegenüber
wissenschaftlichen Befunden als Prädiktoren der Nutzung von Daten. So zeigen z.B. Bach, Wurster, Thillmann, Pant und Thiel
(2014), dass die Datennutzung durch Schulleitungen damit zusammenhängt, ob diese die Daten als nützlich wahrnehmen.
Weiterhin können Überzeugungen der Schulleitung über die Entstehung, Gültigkeit und Rechtfertigung von Wissen in den
Wissenschaften als ein bedeutender Einflussfaktor angenommen werden. Wie z.B. Urhahne (2006) und Priemer (2006) zeigen,
sind epistemologische Überzeugungen für eine kritische Betrachtung von Wissenschaft und Evidenz bedeutsam und können u.a.
Motivation, Denken, Schlussfolgern, Problemlösen beeinflussen.
Fragestellung
Um die Prädiktoren für die Datennutzung von Schulleitung zu untersuchen, werden in diesem Beitrag die Zusammenhänge
zwischen Einstellungen der Schulleitung gegenüber wissenschaftlicher Forschung und (generiertem) Wissen sowie
epistemologischen Überzeugungen der Schulleitung und deren Datennutzung mittels Strukturgleichungsmodellierungen
untersucht.
Methode
Dem hier vorgestellten Beitrag liegen die Daten der Schulleitungsbefragung aus dem Projekt EviS zugrunde. In Rheinland-Pfalz
wurden anhand standardisierter Fragebögen 297 Schulleitungen verschiedener Schultypen zu Aspekten ihres
Schulleitungshandelns, ihren Einstellungen gegenüber wissenschaftlicher Forschung und (generiertem) Wissen und ihren
epistemologischen Überzeugungen anhand erprobter Skalen wie in Anlehnung an Schiefele, Moschner und Husstegge (2002)
sowie Stumm, Dormann und Mohr (2010) sowie zur Nutzung verschiedener interner (z.B. interne Schulevaluation) und externer
(z.B. Schulinspektion) Datenquellen befragt.
Die angenommenen Zusammenhänge zwischen der Datennutzung der Schulleitung einerseits sowie den evidenzorientierten
Einstellungen und den epistemologischen Überzeugungen der Schulleitung als deren potentiellen Einflussgrößen andererseits
wurden anhand von Strukturgleichungsmodellierungen mittels der Software SmartPLS 3 (Ringle, Wende & Becker, 2014) für den
varianzbasierten Partial Least Squares (PLS)-Ansatz analysiert. Eine hierzu vergleichende Analyse mittels des
kovarianzbasierten Ansatzes wird derzeit durchgeführt.
Ergebnisse
Die vorliegenden Befunde verweisen darauf, dass sowohl die Einstellungen der Schulleitung gegenüber wissenschaftlicher
Forschung und (generiertem) Wissen als auch ihre epistemologischen Überzeugungen deren Datennutzung insgesamt nur in
geringem Maße beeinflussen. Den stärksten, signifikanten Einfluss zeigt eine negative Einstellung zu wissenschaftlicher
Forschung und wissenschaftlichen Empfehlungen (β-Pfadkoeffizient = 0,39; T-Statistik = 6,393) auf die Nutzung von internen
und externen Datenquellen. Ein weiterer signifikanter, jedoch schwacher, Zusammenhang kann zwischen der Einstellung der
Schulleitung gegenüber Wissen und deren Nutzung von externen Daten (wie z.B. aus den vergleichenden Studien wie VERA)
nachgewiesen werden (β-Pfadkoeffizient = 0,17; T-Statistik = 2,542).
Im Vortrag werden diese und weitere Befunde, mögliche Interpretationen, Forschungsimplikationen sowie Grenzen der Studie
kritisch diskutiert. Das evidenzorientierte Handeln der Schulleitung im Rahmen ihres Führungshandelns ist für die Förderung des
evidenzorientierten Lehrer-Handelns von wesentlicher Bedeutung. Insgesamt leistet die Studie einen Beitrag zur empirischen
Bestimmung derjenigen Prädiktoren, die evidenzorientiertes Schulleitungshandeln begünstigen bzw. behindern können.
ID: 481 / H 17 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung
Stichworte: Hochschulforschung, Studierfähigkeit, Kompetenzkomponenten, Konfirmatorische Faktorenanalyse, Messinvarianz
Die Erfassung studienrelevanter Kompetenzen vor dem Hintergrund individueller Gruppenzugehörigkeit
Joana Abelha Faria, Anna Rau, Miriam Barnat
Universität Hamburg, Deutschland
Die Definition und Ausdifferenzierung des Kompetenzbegriffs nach Weinert (2001) ist im Kontext empirischer Bildungsforschung
insbesondere im schulischen Bereich ausgearbeitet und erweitert worden. Im Hochschulkontext steht eine Spezifikation des
Kompetenzbegriffs hingegen noch weitestgehend aus. Eine Übertragung des Begriffs mit seinen domänenspezifischen
Ausdifferenzierungen bedarf der besonderen Berücksichtigung der strukturellen Unterschiede der Lernsettings in den jeweiligen
Institutionen (vgl. Helmke, Rindermann & Schrader 2008). Diese bestehen beispielsweise in dem Grad an Freiheit, dem Ausmaß
an Spielräumen, der Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Lernens sowie der Rolle individueller Interessen und
Kompetenzprofile. Im Fokus der Diskussion um den Kompetenzbegriff im Hochschulkontext stehen deshalb studienrelevante
Kompetenzen wie bspw. bereichsspezifisches Vorwissen, Lernstrategien, Lernmotivation, Selbstkonzept und Handlungskontrolle
(vgl. Schaper 2012). Allerdings existiert bislang kaum empirisches Wissen darüber, auf welche Art und Weise diese Kompetenzen
zusammenwirken und inwiefern von einem übergeordneten Kompetenzkonstrukt im Hochschulkontext ausgegangen werden
kann.
Im vorliegenden Beitrag soll untersucht werden, inwiefern sich die für das Studium als relevant angesehenen Kompetenzen
empirisch abbilden lassen. Dabei wird insbesondere der Frage nachgegangen, ob sich die jeweiligen Konstrukte als konstant
über verschiedene Gruppen von Studierenden (Hochschultyp, Studienfach, Eingangsvoraussetzungen, etc.) hinweg zeigen oder
ob der Kompetenzbegriff im Hochschulkontext über die Domänenspezifität hinaus vor dem Hintergrund individueller
(Studien)Merkmale beispielsweise unter Berücksichtigung heterogener Bildungsbiographien betrachtet werden muss.
Die Daten für die Untersuchung liefert das BMBF-Forschungsprojekt StuFHe („Studierfähigkeit – institutionelle Förderung und
studienrelevante Heterogenität“), in dem Studierfähigkeit als übergeordnetes Konstrukt verschiedener Kompetenzkomponenten
und individueller Eingangsvoraussetzungen angesehen wird, welches die Realisierung indi-vidueller Studienziele sowie die
Bewältigung von Studienanforderungen ermöglicht. Auf einer qualitativen Vorstudie aufbauend wurde ein Fragebogen entwickelt,
welcher einerseits Konstrukte einbezieht, die sich in der hochschulbezogenen Kompetenzforschung als relevant erwiesen haben
(wie z.B. kognitive, motivationale, volitionale, soziale und organisatorische Kompetenzen) und andererseits neu entwickelte Items
beinhaltet, die auf Ergebnisse der qualitativen Vorstudie zurück gehen.
Der Onlinefragebogen wurde zu Beginn des Wintersemesters 2015/2016 an ca. 15.000 Erstsemesterstudierende an 4
Hochschulen verschickt, sodass konkrete Fallzahlen erst zum Ende des Jahres vorliegen werden.
Mittels der konfirmatorischen Faktorenanalyse sollen die der Studierfähigkeit zugrunde liegenden Konstrukte überprüft und auf
ihre Zusammenhänge hin analysiert werden. Erste Ergebnisse hierzu lieferten die Daten der Pilotierung des Fragebogens im Mai
2015 (n=162). Anhand des Pilotierungsdatensatzes konnten die im Fragebogen aufgenommenen Konstrukte weitestgehend
empirisch abgebildet werden. Dabei wurde überprüft, ob die Daten am angemessensten über ein Mehrfaktorenmodell, ein Modell
mit einem Faktor 2. Ordnung, einem Generalfaktorenmodell oder einem Nested-Factor-Modell abgebildet werden konnten. Für
die Dimension Lernstrategien, Organisatorische Kompetenzen und Studienziele wurde jeweils ein Faktor zweiter Ordnung
ermittelt, für alle weiteren Dimensionen (Fach- und Methodenvorwissen, Selbsteinschätzung, Lernmotivation, Handlungskontrolle
und Zielbindung, Epistemologie und Soziale Kompetenzen) passte das Mehrfaktorenmodell am besten auf die Datenstruktur. Vor
dem Hintergrund der als eher gering zu bezeichnenden Stichprobengröße konnten für alle Messmodelle zufriedenstellende
Fitwerte erreicht werden (CFI zwischen .936 und .997; TLI zwischen .925 und .981; RMSEA zwischen .028 und.079).
Für die vorliegende Untersuchung soll anhand der Daten der Haupterhebung nicht nur überprüft werden, inwiefern sich die
theoretischen Konstrukte empirisch abbilden lassen. Die jeweiligen Konstrukte werden auch auf Messinvarianz bezüglich der
bereits genannten spezifischen Merkmale der Studierenden hin untersucht. Hierzu wird das Programm MPlus unter Nutzung des
FIMLs (Full Information Maximum Likelihood) und der Funktion Type=complex herangezogen, da sich damit sowohl die fehlenden
Werte berücksichtigen lassen als auch der Clusterstruktur der Daten angemessen begeg-net werden kann.
Die Ergebnisse sollen Hinweise darauf liefern, in welchem Verhältnis die verschiedenen Kompetenzkomponenten zueinander
stehen und ob von einem allgemeingültigen Konstrukt von Studierfähigkeit über verschiedene Gruppen von Studierenden hinweg
ausgegangen werden kann. Des Weiteren liefern die Analysen die Grundlage für die Modellierung von Kompetenzprofilen von
Studierenden, die im weiteren Projektverlauf un-ter Berücksichtigung von Heterogenitätsmerkmalen und spezifischen
Förderangeboten analysiert werden sollen, um Hinweise auf die Wirkungsweisen hochschulischer Förderangebote in der
Studieneingangsphase zu erhalten.
ID: 482 / A 15 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Schulentwicklung, Unterrichtsentwicklung/ Unterrichtsqualität
Stichworte: Personalentwicklung, Lernstandserhebungen, Vergleichsarbeiten, Schulleitungshandeln, data-based-decisionmaking, data-wise-leadership
"Evidenzbasierte Personalentwicklung im Kontext Neuer Steuerung - Eine qualitative Studie zu
Bedingungen, Formen und Barrieren der Nutzung von VERA-Daten bei der schulleitungsgesteuerten
Förderung professionellen Lehrkräftehandelns in Brandenburg"
Jasmin Tarkian
Freie Universität Berlin, Deutschland
Evidenzbasiertes Handeln gilt gemäß Erkenntnissen der Schuleffektivitätsforschung als wichtiger Erfolgsfaktor für die
Qualitätsentwicklung von Schule und Unterricht (Schildkamp & Kuiper 2010; Hattie 2009). Doch der Weg von Daten zu Taten
findet nicht zwangsläufig und automatisch statt, sondern ist, wie Studien zur Rezeption und Nutzung von VERA-Rückmeldedaten
bei Lehrkräften zeigen, voraussetzungsreich und damit im Ergebnis bislang hinter den Erwartungen der Bildungspolitik
zurückgeblieben (Thiel 2007, S. 164; Maier 2008, S. 99).
Als zentralem "Bindeglied für die Synchronisation von Top-down und Bottom-up-Strategien" (Fullan 2001 nach Schratz et al.
2010, S. 9) kommt den Schulleitungen ein wesentliches Potential zur Stärkung der Nutzungsaktivitäten im Kollegium und ihrer
Ausrichtung auf die intendierte Schul- und Unterrichtsentwicklung zu (vgl. Leithwood & Riehl 2005). Die innerschulische
Personalentwicklung, Baustein systematisch angelegter Schulentwicklung, bietet ihnen einen sich dazu in besonderem Maße
anbietenden Einflussbereich: Mit zielgerichteter Fortbildungsplanung, der Durchführung von Mitarbeiter-Feebackgesprächen
oder der Verabredung von Ziel-Leistungsvereinbarungen stehen SchulleiterInnen im Kontext erweiterter Handlungsspielräume
verschiedene Instrumente für eine auf Qualitätsentwicklung fokussierte Förderung und Weiterqualifizierung der
Lehrkräfteprofession zur Verfügung, die sich auch im Kontext von low-stakes-Systemsteuerung für einen Einbezug von
Rückmeldungen aus Vergleichsarbeiten eignen und damit im Sinne eines instructional leaderships wirksam werden können.
Eine offizielle Beauftragung der Schulleitungen zu solch einer evidenzbasierten Personalentwicklung gibt es bislang nicht, auch
wenn sich aus dem handlungstheoretischen Modell datengestützter Intervention zur Erweiterung innerorganisationaler
Handlungskapazitäten (vgl. Argyris 1997; Rolff 2008, S. 151) durchaus Empfehlungen zu einer entsprechenden Adaption für das
Aufgabentableau schulischen Führungshandelns ableiten ließen. Studien, die der Frage nachgehen, inwieweit in der Praxis
schulischer Personalentwicklung (dennoch) bereits extern administrierte Daten eingesetzt werden, suchte man im
deutschsprachigen Raum bisher vergeblich. Erstmals wurde nun aus den survey-Daten der StABil-Studie bekannt, dass knapp
jede zweite Schulleitung im Bundesland Brandenburg im Zusammenhang mit Personalentwicklungsprozessen auf VERA-Daten
zurückgreift (Bach et al. 2014).
Ungeklärt bleibt hier allerdings, in welcher Weise genau die Schulleitungen die Rückmeldedaten dabei verwenden und damit die
Frage, welche Qualität ihren Aktivitäten - ausgehend vom Zyklenmodell nach Helmke & Hosenfeld (2005) bzw. der
Nutzungssystematik nach Johnson (1998) - tatsächlich zukommt. Dies dürfte insbesondere im Vergleich mit der Verwendung
anderer Datensorten wie z.B. schulintern generierter Evidenz interessant sein.
Zum anderen ist weitestgehend unbeantwortet, welche Merkmale die Schulleitungen zu einer entsprechenden Nutzung der
Testergebnisse veranlassen bzw. welche Umstände eine Verwendung von VERA 3- bzw. VERA 8-Rückmeldungen im Rahmen
schulischer Personalarbeit hemmen. Aufschlussreich wäre es insofern, mit Blick auf die urteilbildenden Referenzsysteme der
Entscheider (vgl. Weiss & Bucuvalas 1980a, b) Faktoren(konstellationen) aufzudecken, die im Kontext eines "sensemaking
process" (Coburn 2004) nutzungsförderlich wirken. Umgekehrt finden sich mit Blick auf die Feststellung von Nutzungsbarrieren
erste Hinweise im „Autonomie-Egalitäts-Syndrom“ nach Lortie (1975) bzw. dem Phänomen "kollegialer Beißhemmung"
(Strittmatter 1994), die offenbar besonders im Kontext eines "primus-inter-pares"- Sozialgefüges an Schulen eine Rolle spielen.
Aus der daraufhin mit entsprechenden Fragestellungen konzipierten, leitfadengestützten Interviewstudie, in der auf Basis eines
kontrastiven, an den StABil-Datensatz angeschlossenen Samplings nach qualitativem Stichprobenplan (vgl. Kluge & Kelle 1999)
18 Brandenburger Schulleitungen aus Grund- und Sekundarschulen zu ihrer Personalentwicklungspraxis und den Hintergründen
der dabei getroffenen Datennutzungsentscheidungen befragt wurden, werden im Vortrag deskriptive Ergebnisse zur ersten
Fragestellung im Kontext rezeptions- und nutzungstheoretischer Konzeptualisierungen vorgestellt. Diese sollen im Weiteren
durch eine entscheidungstheoretische Betrachtung ergänzt werden, bei der mit Blick auf die Referenzsysteme der Schulleitungen
Deutungsangebote entwickelt werden, die im Spannungsfeld zwischen rationaler und verhaltenswissenschaftlich begründbarer
Entscheidungsfindung liegen.
Alle Interviews, die mit erklärten Datennutzern wie auch -nichtnutzern unterschiedlicher Schulformen, -größen und regionaler
Verwaltungsbezirke Brandenburgs geführt worden sind, wurden auf Basis der inhaltlich strukturierenden (zum Teil auch:
evaluativen) qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (1993) sowie ihrer Weiterführung durch Kuckartz (2012) mit einer
typisierenden Zielrichtung ausgewertet, da für den späteren Studienverlauf eine Musterbildung der unterschiedlichen
Handlungen, Einstellungen und Entscheidungsreferenzen angestrebt wird.
ID: 485 / A 03 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Fremdsprachenunterricht
Stichworte: Mehrsprachigkeit, bilinguale Erziehung, Sprachpolitik, soziale und individuelle Einflussfaktoren, focus group, Erfolg
im Spracherwerb
Förderliche und hinderliche Faktoren für eine multilinguale Erziehung: Die Einstellungen der
Grundschullehrpersonen in einer heterogenen Grenzregion
Barbara Gross
Freie Universität Bozen, Italien
Die Mehrsprachigkeit der Bürger/innen ist eines der wichtigsten Ziele der Europäischen Union (COM, 2008), dessen Erreichung
in vielen Teilen Europas aufgrund von äußeren Bedingungen erschwert wird (Baur, 2006; Nelde, 2006). Neben der Muttersprache
sollten alle Europäer zwei weitere Sprachen beherrschen. Die Mehrsprachigkeit wird auch im Kleinen, wie z.B. in Südtirol (Italien),
angestrebt (Egger, 2001; Baur, 2006). Die Sprach- und Bildungspolitik Südtirols ist sehr stark auf die Mehrsprachigkeit der
Bürger/innen ausgerichtet, obwohl es immer noch nach Sprachgruppen getrennte Schulsysteme gibt (Kofler & Profanter, 2006;
Augschöll, 2006). Eltern, Kinder und Lehrpersonen äußern vielfach den Wunsch, die Sprache der anderen Sprachgruppe besser
zu beherrschen. Das Bedürfnis nach Mehrsprachigkeit wird von 60 Prozent der deutschsprachigen und 90 Prozent der
italienischsprachigen Bevölkerung geäußert (Autonome Provinz Bozen-Südtirol, 2015; Autonome Provinz Bozen-Südtirol, 2006).
Die Ergebnisse, welche Schüler/innen nach langjährigem Sprachunterricht erzielen, reflektieren allerdings nicht immer die
Bestrebungen der Schulen und Elternhäuser. Die Sprachpolitik antwortete in Vergangenheit auf die Forderung der Gesellschaft
mit der Möglichkeit in den italienischen Kindergärten und Grundschulen die Anzahl der Wochenunterrichtsstunden in der
sogenannten „Zweiten Sprache” zu erhöhen. Italienische Grundschulen haben in der Provinz Bozen je nach Schwerpunkt der
Schule von normalerweise sechs bis zu 13 Wochenstunden Unterricht in deutscher Sprache (Autonome Provinz Bozen-Südtirol,
2009a). Deutsche Grundschulkinder haben ab der zweiten Klasse vier und ab der vierten Klasse fünf Stunden Italienisch pro
Woche (Autonome Provinz Bozen-Südtirol, 2009b). Geht es um die deutschen Bildungseinrichtungen so wird eine verstärkte
Zusammenarbeit der Lehrkräfte beider Landessprachen von Seiten der Sprachpolitik abgelehnt, da dies eine Gefahr für die
eigene Muttersprache darstelle und die Angebote in der Provinz zum Erlernen der Sprache ausreichend wären. Außerdem
werden erwartungswidrige Ergebnisse einer unzureichenden Ausbildung der Zweitsprachlehrer/innen sowie der fehlenden
Motivation im Elternhaus zugeschrieben (Landtag, 2015). Grundschullehrpersonen geben an, dass die Voraussetzungen für die
Erreichung des Bildungserfolges nicht stimmen würden (Baur et al., 2009). Eine Verbesserung verlange nach einer Veränderung
in kulturellen und schulorganisatorischen Aspekten. Die negativen Auswirkungen eines nach Sprachgruppen getrennten
Schulsystems wurden auch in anderen Kontexten, wie dem finnischen (Tikka, 2009) dokumentiert und erforscht. Immer noch
wird darüber diskutiert, ob die Mehrsprachigkeit als positiv oder negativ für die Gesellschaft einzuschätzen ist. Gogolin und
Neumann (2009) zeigen, dass diese Debatte eng mit der historischen Vorstellung, dass ein Staat und die Menschen, die in ihm
leben, „normalerweise” einsprachig seien, verbunden ist. Dies zeigt sich sehr stark auch im geographischen Kontext dieser Studie
(Landtag, 2015).
Das Ziel dieser Forschung war es, den Zusammenhang von verschiedenen Faktoren, welche den Bildungserfolg in einer
multilingualen Erziehung beeinflussen, interdisziplinär zu umreißen. Dabei geht es um Faktoren, welche die Schüler/innen selbst,
die Lehrpersonen und Eltern in einer heterogenen Gesellschaft betreffen, aber auch externe Faktoren, wie außerschulische
Kontaktmöglichkeiten, das Schulcurriculum und die politische Macht. Die subjektiven Einstellungen und Werte der Lehrpersonen
standen hierbei im Vordergrund. Um diese Informationen zu erhalten, wurden mit den Lehrpersonen der deutschen sowie der
italienischen Grundschulen vier focus groups (Morgan, 2003; Baldry, 2005), zwei pro Sprachgruppe (Deutsch und Italienisch),
durchgeführt. Es nahmen insgesamt 24 Lehrpersonen der Zweiten Sprache an diesen Diskussionen teil. Die Datenanalyse
erfolgte anhand der Methode des konstanten Vergleichs nach Glaser & Strauss (Glaser, 1992; Glaser & Strauss, 1967; Leech &
Onwuegbuzie, 2008). Die Ergebnisse zeigen förderliche und hinderliche Faktoren auf, welche die mehrsprachige Erziehung und
den Bildungserfolg in einer mehrsprachigen Grenzregion beeinflussen. Die gewonnenen Ergebnisse dienen der
Weiterentwicklung der Studie in einem mixed methods Ansatz, wobei die Schüler/innen und Eltern in die Forschung
miteinbezogen werden sollen.
ID: 488 / G 04 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Soziologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Hochschulbildung
Stichworte: migration background, international student mobility, social survey
Mobil, mobiler, Migrant. Warum weisen Studierende der zweiten Migrantengeneration eine höhere
studienbezogene Auslandsmobilität auf als Studierende ohne Migrationshintergrund und Studierende
der ersten Migrantengeneration?
Andreas Sarcletti, Jonas Poskowsky
Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Gemäß Breen und Goldthorpe (1997) führen unterschiedliche Ausstattungen mit Ressourcen zu unterschiedlichen
Bildungsentscheidungen. Da Studierende mit Migrationshintergrund hinsichtlich verschiedener Faktoren wie der finanziellen
Unterstützung durch die Eltern sowie höchstem Bildungsabschluss und beruflicher Position der Eltern und auch bezüglich der
Abiturnote benachteiligt sind (Sarcletti 2015), ist davon auszugehen, dass sie seltener einen (mit Kosten und möglicherweise
Zeitverlust verbundenen) studienbezogenen Auslandsaufenthalt durchführen oder planen als Studierende ohne
Migrationshintergrund. Studierende, die selbst im Ausland geboren wurden, weisen im Gegensatz zu anderen Studierenden mit
Migrationshintergrund die mobilitätsfördernde Ressource „bisherige/eigene Migrationserfahrung“ (Finger 2011; Weenink 2014)
auf, so dass für diese Gruppe eine höhere Mobilitätsneigung angenommen werden kann als für die Studierenden der
sogenannten zweiten Migrant(inn)engeneration (in Deutschland geborene Studierende mit mindestens einem im Ausland
geborenen Elternteil).
Fragestellung
Entgegen bisheriger Studien, die im deutschsprachigen Raum weder einen Effekt des Migrationshintergrundes auf die
Durchführung (Lörz und Krawietz 2011) noch auf die Planung (Lörz et al. 2013) studienbezogener Auslandsaufenthalte feststellen
konnten, zeigen Ergebnisse auf Grundlage der 20. Sozialerhebung, dass Studierende der zweiten Migrant(inn)engeneration zu
signifikant höherem Anteil als Studierende ohne Migrationshintergrund oder der ersten Migrant(inn)engeneration
Auslandsaufenthalte absolviert haben oder planen (45,4 % vs. je 41 %, p < 0,05). Der Beitrag geht daher der Frage nach, warum
gerade diese Gruppe, bei der theoriegemäß materielle Mobilitätshindernisse zu erwarten wären, die aber andererseits nicht über
eigene, mobilitätsbegünstigende Migrationserfahrung verfügt, ein höheres Maß an Auslandsmobilität zeigt.
Daten und Methoden
Als Grundlage der Analysen dienen die Daten der Bachelorstudierenden (ohne Lehramt) aus der 20. Sozialerhebung (Erhebung
im Sommersemester 2012, N=7.726). Unter diesen Studierenden haben insgesamt 22,5 % einen Migrationshintergrund (erste
Generation: 6,5 %, zweite Generation: 16,0 %). Mittels logistischer Regression wird geprüft, ob und ggf. durch welche anderen
Variablen der beschriebene Zusammenhang zwischen Migrant(inn)engeneration und Auslandsmobilität vermittelt ist. Zur
Absicherung der Befunde wird sowohl untersucht, ob ein studienbezogener Auslandaufenthalt bereits absolviert wurde oder (fest)
geplant ist, als auch ausschließlich ob ein Auslandsaufenthalt absolviert wurde; und schließlich, ob Studierende in höheren
Semestern (mehr als vier Fachsemester) auslandsmobil waren.
Ergebnisse
Wie beschrieben widersprechen die deskriptiven Befunde den theoretischen Erwartungen. Studierende der zweiten
Migrant(inn)engeneration haben signifikant häufiger als andere einen Auslandsaufenthalt absolviert oder planen dies fest. Dies
bestätigt sich auch dann, wenn nur die absolvierten Auslandsaufenthalte betrachtet werden, sowie wenn die Analyse auf
Studierende in höheren Semestern beschränkt wird (ohne Migrationshintergrund: 19,0 %, erste Migrant(inn)engeneration: 17,1
%, zweite Migrant(inn)engeneration: 25,2 %, p < 0,01). In multivariaten Analysen wird geprüft, ob diese nicht
erwartungskonformen Ergebnisse z. B. durch Unterschiede in der Finanzierung durch die Eltern, die Bildungsherkunft,
Sprachkenntnisse, unterschiedliche Fächerpräferenzen, die Hochschulart, das Alter oder den Familien-/Partnerschaftsstatus
erklärt werden können.
ID: 492 / H 17 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, Methoden der empirischen Bildungsforschung,
Motivation und Emotion
Stichworte: Unterrichtsintervention, Compliance, Schülermerkmale, Mathematik, Motivation
Compliance mit Schreibaufgaben in einer unterrichtsbasierten Motivationsintervention: Erfassung und
Vorhersage durch individuelle Schülermerkmale
Brigitte Brisson1, Chris S. Hulleman2, Isabelle Häfner1, Anna-Lena Dicke3, Barbara Flunger1, Hanna Gaspard1, Ulrich
Trautwein1, Benjamin Nagengast1
1
Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung, Universität Tübingen; 2Curry School of Education, University of Virginia;
3
University of California, Irvine
Theorie und Fragestellung
Schriftliche Arbeitsaufträge sind häufig Teil von unterrichtsbasierten Interventionen (z.B. Hulleman und Harackiewicz 2009). Im
realen Unterrichtsgeschehen ist es allerdings schwierig zu kontrollieren, ob Schülerinnen und Schüler schriftliches
Interventionsmaterial wie beabsichtigt bearbeiten (O’Donnell 2008). Um besser zu verstehen, wodurch Unterrichtsinterventionen
erfolgreich sind, ist es wichtig, Compliance mit dem Interventionsmaterial (d.h. dessen vollständige und korrekte Bearbeitung) zu
erfassen (Berkel et al. 2011). Die Erforschung der Zusammenhänge von Compliance mit individuellen Schülermerkmalen könnte
überdies einen Einblick in die möglichen Hintergründe von Subgruppeneffekten bei Unterrichtsinterventionen liefern.
In der vorliegenden Studie wurden Daten aus der Interventionsstudie „Motivationsförderung im Mathematikunterricht“ (MoMa)
auf Compliance hin untersucht. Ziel der MoMa-Studie war die Förderung von Nützlichkeitsüberzeugungen zu Mathematik (vgl.
Erwartungs-Wert-Theorie, Eccles et al. 1983). Frühere Untersuchungen zeigten, dass Nützlichkeitsinterventionen besonders
wirksam sind, wenn die Teilnehmenden persönliche anstatt unpersönliche Bezüge zum Lernmaterial herstellen und wenn
Nützlichkeitsargumente selbst generiert anstatt lediglich rezipiert werden (Hulleman et al. 2015). Dementsprechend wurden
Teilnehmende der MoMa-Intervention angeleitet, Schreibaufgaben zur Nützlichkeit der Mathematik zu bearbeiten, in denen sie
persönliche Bezüge herstellen und eigene Nützlichkeitsargumente generieren – Kriterien, die als Compliance-Indikatoren
dienten.
Zum Zusammenhang von individuellen Schülermerkmalen und Compliance mit schriftlichen Interventionsaufgaben ist bisher
wenig bekannt. Angelehnt an Erkenntnisse aus der Forschung zu Hausaufgaben-Compliance (z.B. Trautwein et al. 2006) könnten
jedoch Geschlecht, Gewissenhaftigkeit, kognitive Fähigkeiten, Selbstkonzept und intrinsischer Wert mit Compliance einhergehen.
Anhand den MoMa-Interventionsaufgaben wurde somit untersucht, a) wie die Compliance der Schülerinnen und Schüler
ausgeprägt ist und b) wie Schüler-Geschlecht, Gewissenhaftigkeit, kognitive Fähigkeiten, Selbstkonzept und intrinsischer Wert
mit Compliance zusammenhängen.
Daten
1916 baden-württembergische Gymnasiastinnen und Gymnasiasten der 9. Jahrgangsstufe nahmen an der MoMa-Studie teil. Die
Klassen wurden randomisiert einer Wartekontrollbedingung (N = 635 Schülerinnen und Schüler) oder einer von zwei
Interventionsbedingungen („Text“, N = 720; „Zitate“, N = 561) zugewiesen. In der Intervention bearbeiteten beide
Experimentalgruppen nach einer Powerpoint-Präsentation zur Nützlichkeit der Mathematik einen individuellen Arbeitsauftrag: die
„Text“-Gruppe verfasste freie Texte über die persönliche Nützlichkeit der Mathematik; die „Zitate“-Gruppe bezog Interviewzitate
zur Nützlichkeit der Mathematik auf sich selbst.
Sechs Studierende kodierten die Aufsätze nach den Compliance-Indikatoren „positive Argumentation“ (d.h. für den Nutzen der
Mathematik), „persönlicher Bezug“ und „selbstgenerierte Argumente“. Basierend auf theoretischen Überlegungen wurden die
Indikatoren mit unterschiedlicher Gewichtung zu einem intervallskalierten Compliance-Index zusammengefasst (vgl. Nelson et
al. 2012).
Die individuellen Schülermerkmale wurden vor der Intervention von den Lehrkräften mitgeteilt (Geschlecht) oder mit einem
kognitiven Fähigkeitstest bzw. durch einen Schülerfragebogen (Gewissenhaftigkeit, Mathematik-Selbstkonzept, intrinsischer
Wert der Mathematik) erfasst.
Methode
Getrennt nach Bedingung wurden Häufigkeitsverteilungen für die Compliance-Indikatoren und den Compliance-Index erstellt.
Durch Regressionsanalysen wurde der Zusammenhang des Compliance-Index (abhängige Variable) mit den individuellen
Schülermerkmalen zunächst einzeln (univariate Modelle) und dann zusammen (multivariates Modell) untersucht. Zur
Berücksichtigung der genesteten Datenstruktur wurden die Standardfehler korrigiert.
Ergebnisse
Die Mehrheit der Teilnehmenden argumentierte überwiegend für den Nutzen der Mathematik (Textbedingung: 76%;
Zitatebedingung: 82%). Die meisten Teilnehmenden der Textbedingung stellten mehr persönliche als unpersönliche Bezüge her
(54%) und erwähnten mindestens ein neues Argument für die Nützlichkeit der Mathematik (90%). Die meisten Teilnehmenden
der Zitatebedingung stellten überwiegend unpersönliche Bezüge her (56%) und fanden mindestens ein neues Argument (62%).
Die Häufigkeitsverteilungen der Werte auf der Compliance-Index-Skala erwiesen sich in beiden Bedingungen, besonders in der
Zitatebedingung, als rechtssteil.
Gewissenhaftigkeit, Mathematik-Selbstkonzept und intrinsischer Wert der Mathematik hingen in beiden Bedingungen jeweils
positiv mit Compliance zusammen. Kognitive Fähigkeiten und Geschlecht erwiesen sich nur in der Textbedingung als signifikante
Prädiktoren von Compliance: Mädchen hatten höhere Compliance-Werte als Jungen. In den multivariaten Modellen blieben
Gewissenhaftigkeit und intrinsischer Wert signifikante Prädiktoren in beiden Bedingungen sowie Geschlecht in der
Textbedingung.
Die weitere Untersuchung von Compliance könnte einen näheren Einblick in die genauen Wirkmechanismen der MoMaIntervention geben, beispielsweise in die Hintergründe von Gendereffekten (s. Gaspard et al. 2015).
ID: 496 / H 16 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Schulentwicklung, Unterrichtsentwicklung/ Unterrichtsqualität
Stichworte: Personalentwicklung Schulleitung Schulentwicklung
Welche Bedeutung hat schulische Personalentwicklung für die professionelle Weiterentwicklung von
Lehrkräften und welche Rolle spielen psychologische und organisationale Faktoren?
Anabel Bach
Freie Universität Berlin, Deutschland
Entscheidend für die Verbesserung von Schülerleistungen ist die Qualität von Unterricht (Darling-Hammond, 2000). Als zentrale
Akteure in der Organisation Schule sind Lehrpersonen maßgeblich für die Qualität des Unterrichts verantwortlich. Eine
Verbesserung der schulischen Arbeit kann also nur unter Einbezug des Personals erreicht werden. Schulentwicklung ist demnach
auf Lehrpersonen angewiesen, die ihre professionellen Kompetenzen stetig erweitern. In diesem Sinne hat schulische
Personalentwicklung auf der einen Seite das Ziel der beruflichen Weiterentwicklung der individuellen Lehrperson und erfüllt auf
der anderen Seite, als ein Teilbereich der internen Evaluation einer gemanagten Organisation (vgl. Thiel & Thillmann, 2012), den
Zweck der Optimierung der Organisation Schule. Mit der Ausweitung schulischer Autonomiespielräume erfährt
Personalentwicklung auch in der schulischen Praxis einen erhöhten Stellenwert. Als Bestandteil des Personalmanagements liegt
es im Verantwortungsbereich der Schulleitung (z.B. Meetz, 2007), gezielt Instrumente zur Förderung der beruflichen
Handlungskompetenz von Lehrkräften einzusetzen. Dabei bieten insbesondere individuelle Fördermaßnahmen, wie
Mitarbeitergespräche (ggf. mit Zielvereinbarungen) und Unterrichtsbesuche, Schulleitungen die Möglichkeit, den Lehrpersonen
evidenzbasiert ein unmittelbares Feedback zum eigenen Handeln zu geben. Nach derzeitigem Kenntnisstand für den
deutschsprachigen Raum ist eine gezielte Personalentwicklung jedoch kaum verbreitet (vgl. Steger Vogt, 2014), und es liegen
zudem keine systematische Erkenntnisse zum Zusammenhang von schulischer Personalentwicklung und der professionellen
Weiterentwicklung von Lehrkräften vor (vgl. Thillmann et al., 2015).
Der Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, ob zwischen dem Einsatz personenzentrierter Personalentwicklungsinstrumente
(Mitarbeitergespräche, Unterrichtsbesuche und Zielvereinbarungen) und der professionellen Weiterentwicklung von Lehrkräften
ein positiver Zusammenhang besteht und welchen Stellenwert dabei individuelle Merkmale der Lehrkräfte (LehrerSelbstwirksamkeitserwartung, Arbeitsbelastung, Berufserfahrung) sowie die Kollaboration der Lehrkräften untereinander haben.
Ob die subjektive Bewertung der Personalentwicklungsinstrumente von Seiten der Lehrpersonen den beschriebenen
Zusammenhang beeinflusst, wird ebenfalls untersucht.
Ausgehend von einem theoretisch fundierten Pfadmodell sollen die Forschungsfragen unter Berücksichtigung der
Mehrebenenstruktur empirisch überprüft werden. Im Rahmen des vom Bildungsministerium für Bildung und Forschung
geförderten Forschungsprojekts „Schulen als Steuerungsakteure im Bildungssystem“ wurde eine standardisierten
Lehrkräftebefragung an Berliner und Brandenburger allgemeinbildenden Schulen durchgeführt. Die Stichprobe umfasst N = 51
Schulen; durchschnittlich haben 42 Prozent der Lehrkräfte (N = 13) einer Schule die Fragebögen beantwortet (Range von 2 bis
34 Lehrkräften bzw. 5 bis 90 Prozent). Die vorliegenden Analysen basieren auf Daten von insgesamt N = 658 Lehrkräften. Zur
Operationalisierung der Personalentwicklung wird ein auf drei Items beruhender Index gebildet (Häufigkeit von
Unterrichtsbesuchen, Mitarbeitergesprächen und Zielvereinbarungen). Anhand einer aus vier Items bestehenden Skala wurde
erfragt, ob die Lehrkräfte in den letzten fünf Jahren ihre Unterrichtskompetenzen erweitert haben (Cronbachs α = .92). Als
unabhängige Variablen werden verschiedene Skalen in das Modell aufgenommen.
Erste Analysen bestätigen den angenommenen positiven Zusammenhang der von den Leitungen durchgeführten schulischen
Personalentwicklung und der Weiterentwicklung der Lehrkräfte, sowie die Bedeutsamkeit der weiteren Faktoren zur Erklärung
der Kriteriumsvariable. Da die Auswertungen noch nicht vollständig abgeschlossen sind, können an dieser Stelle noch keine
finalen Ergebnisse dargestellt werden.
ID: 497 / F 05 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Ökonomie, Wirtschafts- und Berufspädagogik
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung, Bildung im Sekundarbereich, Ökonomie und Bildung
Stichworte: Ökonomische Kompetenz, Allgemeinbildung, berufliche Bildung, adaptiver Test, Kalibrierung
Entwicklung eines adaptiven Tests zur Messung ökonomischer Kompetenz bei Jugendlichen
Eveline Wuttke1, Susan Seeber2
1
Goethe Universität Frankfurt, Deutschland; 2Georg-August-Universität Göttingen, Deutschland
Theoretischer Hintergrund:
Ökonomische Kompetenz ist zentral für die erfolgreiche Bewältigung von Alltagsanforderungen (Gestaltung eines
selbstbestimmten Lebens, Rolle als mündiger Bürger, Beitrag zur politischen und ökonomische Entwicklung eines Landes, Aprea
et al. 2015; Beck, 1993; Kaminski & Eggert, 2008; OECD, 2014). In England und den USA ist ökonomische Bildung Teil der
„Literacy“-Bemühungen und wird systematisch an Schulen aller Art bei SchülerInnen aller Altersklassen umgesetzt (Soper &
Walstad, 1987; Whitehead, 1990). In Deutschland ist ihr Stellenwert grundsätzlich unumstritten, jedoch finden sich substantielle
Unterschiede in den Curricula der verschiedenen Bundesländer. Dies stützt die Annahme, dass ökonomische Kompetenzen
Jugendlicher sehr heterogen sind. Bislang fehlen allerdings systematische Studien zu ökonomischen Kompetenzausprägungen.
Ziel der Studie ist es deshalb, einen adaptiven Test zu entwickeln, der zentrale Bestandteile ökonomischen Wissens bei
Jugendlichen in den Abschlussklassen des Sekundarbereichs I und in Klassen des allgemeinbildenden und beruflichen
Sekundarbereichs II misst. Der Test umfasst volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Inhaltsbereiche und erfasst darüber
hinaus finanzbezogenes Wissen (financial literacy). In der Kalibrierungsstudie wurde geprüft, ob die entwickelten Items
verschiedene Schwierigkeitsstufen abdecken und ob mit dem Test, ökonomisches Wissen reliabel und valide gemessen wird.
Methode:
Vorliegende Tests sind insbesondere in Papier-Bleistift-Versionen verfügbar (z.B. WBT, Beck et al. 1998) und umfassen aus
Testzeitgründen einen limitierten Itempool. Alle Items sind von allen ProbandInnen ungeachtet ihres Fähigkeitsniveaus zu
beantworten. Ein adaptiver Test erlaubt dagegen ein den Fähigkeiten entsprechendes Testen in einem vertretbaren Zeitrahmen.
Die Besonderheit adaptiver Testverfahren liegt darin, dass die Zusammenstellung der Aufgaben (Items) und somit die
Niveaufestlegung des Tests erst zur Testlaufzeit in Abhängigkeit von den Antworten der zu testenden Person erfolgt, wobei eine
Überprüfung und Anpassung nach jeder Aufgabe vorgenommen wird. Zur Schwierigkeitsbestimmung werden die Aufgaben in
einer Kalibrierungsphase gemäß des verwendeten statistischen Modells (s. u.) skaliert. Für jeden Teilnehmer entsteht somit ein
individueller Testverlauf. Das adaptive Testen ist an die Item-Response-Theorie (IRT) gebunden, die eine Schätzung des
erreichten Fähigkeitsniveaus anhand der beantworteten Aufgaben ermöglicht (vgl. Weiss & Yoes 1991). Bei der Testentwicklung
wurden vorab relevante Inhaltsbereiche identifiziert Die insgesamt 108 entwickelten Items decken die Inhalte (1) Ökonomisches
Grundlagenwissen (WBT, Beck et al. 1998, 20 Items); (2) ökonomisches Alltagswissen (25 Items), (3) Financial Literacy (49
Items Selbstentwicklung sowie Lusardi & Mitschel, 2014, 10 Items) und (4) Betriebswirtschaftliches Wissen/Rechnungswesen
(Berger et. al. 2015, 10 Items) ab. Darüber hinaus wurden gängige biografische Angaben erfragt (Alter, Geschlecht, Schulbildung,
Bildungshintergrund etc.).
Stichprobe:
Erste Testungen im Rahmen der Kalibrierung wurden im Juli 2015 an vier beruflichen Schulen in Hessen und Baden-Württemberg
bei 440 SchülerInnen (m=227; f=132; 245 gewerblich-technisch, 195 kaufmännisch) online eingesetzt. 22 verfügen über einen
Hauptschulabschluss, 229 über mittlere Reife und 79 über eine Hochschulzugangsberechtigung. Die ersten 10 Items waren von
allen Probanden zu beantworten, die übrigen wurden zufallsgeneriert zugewiesen, wobei maximal 60 Minute für die Bearbeitung
zur Verfügung standen.
Vorläufige Ergebnisse:
Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass die Daten über das einfache Rasch-Modell skalierbar sind. Die Itemfitwerte bewegen
sich im WMSQU zwischen 0,84 und 1,17, die EAP/PV-Reliabilität liegt bei 0,925.
Erste Konstruktprüfungen zeigen erwartete Ergebnisse (positive Korrelation der Testleistungen mit den Schulabschlüssen bzw.
Schulformen der allgemeinbildenden Schulen, auffällige Leistungsdifferenzen zwischen Personen mit und ohne
Migrationshintergrund).
Weitere anstehende Prüfungen sind nach Abschluss der Erhebungen für die Kalibrierung der Items vorgesehen (u.a. Prüfungen
der Dimensionalität und der Subgruppen-Invarianz der Items, DIF-Analysen zu Geschlechter- und Migrationseinflüssen). Die
hypothetisch aufgrund des Forschungsstands angenommene mindestens zweidimensionale Struktur wird ebenfalls nach
Abschluss der Kalibrierungsstudie mit ca. 1.200 Probanden (Ende November 2015) geprüft.
Im Beitrag werden die Ergebnisse der finalen Kalibrierungsstudie zur Kompetenzstruktur und zu Kompetenzniveaus sowie zur
Validität der Items vorgestellt und Konsequenzen für die Aussagekraft des entwickelten Assessments diskutiert.
ID: 501 / B 03 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Motivation und Emotion, Sonstiges
Stichworte: Subjektive Überzeugungen, Metakognition, Persistenz, Schreiben Universität
Subjektive Überzeugungen, Metakognition und individuelle Merkmale im Kontext des wissenschaftlichen
Schreibens im Studium
Yves Karlen
Universität Zürich, Schweiz
Die Fähigkeit wissenschaftliche Texte zu schreiben, stellt eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg im Studium dar. Erfolgreiche
Schreibende planen, überwachen und evaluieren den Schreibprozess, wählen passende Strategien aus und halten das Interesse
und die Motivation aufrecht (Harris & Graham, 2009). Schreiben ist ein komplexer Prozess, der von den Studierenden ein hohes
Maß an Ausdauer und metakognitiven Kompetenzen erfordert (Graham & Harris, 2000). Insbesondere die Eigenschaft
längerfristige Ziele auch bei Schwierigkeiten mit Enthusiasmus zu verfolgen, umfasst ein weiteres Persönlichkeitsmerkmal, das
die Leistung beeinflusst (Duckworth et al., 2007). Neben den metakognitiven Kompetenzen und individuellen
Persönlichkeitsmerkmalen wird der Schreibprozess auch von den subjektiven Überzeugungen beeinflusst (White & Bruning
2005). Personen, die Fähigkeiten als eher veränderbar wahrnehmen, meistern Schwierigkeiten beim Schreiben erfolgreicher,
zeigen eine höhere Persistenz und wenden mehr Strategien an, als Personen, die ihre Fähigkeiten eher als stabiles
Persönlichkeitsmerkmal sehen (Burnette et al., 2013). Bisher ist wenig über subjektive Überzeugungen und über die
Zusammenhänge zwischen verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen sowie zu qualitativen Regulationsaspekten des
Schreibens bekannt. Hier setzt diese Studie an. Im Zentrum steht die Frage nach den Zusammenhängen zwischen subjektiven
Überzeugungen und individuellen Merkmalen im Kontext des wissenschaftlichen Schreibens im Studium. Es wurde
angenommen, dass Studierende, die ihre Schreibkompetenzen als veränderbar ansehen, über mehr metakognitives Wissen,
eine geringere Besorgtheit und Belastung und über mehr Ausdauer verfügen, als Studierende, die Schreibkompetenz als
unveränderlich ansehen.
In dieser Längsschnittstudie mit zwei Messzeitpunkten (t1 = zu Beginn des Semesters, t2 = am Ende des Semesters) wurde zum
ersten Messzeitpunkt bisher N = 38 Studierende in einer Alterspanne von 19 bis 46 Jahren (Durchschnittsalter = 22.5 Jahren,
SD = 4.5) befragt. Die Geschlechterverteilung mit einem überwiegenden Anteil an Studentinnen (85%) entspricht der Population
von Studierenden der Erziehungswissenschaft an der Universität Zürich. Die Online-Erhebung wurde während eines regulären
Kurses durchgeführt.
Anhand von Multiple-Choice-Fragen wurden verschiedene individuelle Merkmale erfasst: Es wurde bestehende Skalen zur
Besorgtheit, Belastung, Persistenz und zum beständigem Interesse eingesetzt (Kuhl & Fuhrmann, 2004; Maag Merki et al., 2004;
Schwarzer & Jerusalem, 1999). Die Skalen weisen zufriedene Reliabilitätswerte zwischen α = .76 und α = .86 auf. Die Skala zu
den subjektiven Überzeugungen zur Veränderbarkeit des wissenschaftlichen Schreibens wurde in Anlehnung an die Skalen von
Spinath und Schöne (2003) konzipiert (α = .65).
Zur Erfassung des metakognitiven Strategiewissens im Bereich Schreiben von wissenschaftlichen Texten wurde ein neu
entwickelter Wissenstest eingesetzt. Dieser umfasst vier Szenarien (Idee finden, Idee umsetzen, Schreibprozess überwachen,
Text überarbeiten). Bei jedem Szenario mussten die Studierenden die Nützlichkeit von vorgegebenen Strategien auf einer Skala
von 1 (= überhaupt nicht nützlich) bis 6 (= sehr nützlich) einschätzen. Diese Einschätzungen wurden mit einem im Vorfeld
durchgeführten Expertenrating verglichen. Für jede Übereinstimmung mit dem Expertenrating erhielten die Studierenden einen
Punkt. Je höher der Score desto mehr metakognitives Strategiewissen besitzen die Studierenden.
Die ersten Analysen der t1 Daten weisen auf Zusammenhänge zwischen subjektiven Überzeugungen, individuellen Merkmalen
und Metakognition hin. Je eher die Fähigkeit zum Schreiben als unveränderbar wahrgenommen wird, umso größer ist die
wahrgenommene Belastung im Studium (r = .42, p < .05) und die Besorgtheit hinschlich der Bewältigung des Studiums (r = .47,
p < .01). Anhand eines Median-Splits wurden zwei Gruppen gebildet. Gruppenspezifische Unterschiede weisen darauf hin, dass
Studierende, die die Fähigkeit zum Schreiben als veränderbar betrachten, über mehr metakognitives Wissens (t = -2.31, df = 36,
p < .05) verfügen, als Studierende, die Schreibfähigkeiten als nicht veränderbar ansehen. Die Resultate liefern erste Hinweise,
dass es für die universitäre Lehre von Bedeutung sein könnte, dass bei der Förderung von Schreibkompetenzen auch die
subjektiven Überzeugungen der Studierenden nicht außer Acht gelassen werden.
An der Tagung können sowohl die Daten des zweiten Messzeitpunktes als auch Leistungsdaten (Leistung bei einer schriftlichen
Arbeit) einbezogen werden.
ID: 504 / G 02 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Soziologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Gesundheit/ Stress/ Belastung, Lehrer(aus)bildung, Schulentwicklung
Stichworte: Lehrerbelastung, Resignationstendenz, berufliche Tätigkeiten/Anforderungen und Kompetenzen, bildungspolitische
Rahmenbedingungen, Person-Environment-Fit
Erklärung der Resignationstendenz von Lehrkräften durch individuelle Tätigkeits- und Kompetenzprofile
und bildungspolitische Rahmenbedingungen
Julia-Carolin Brachem1, Edith Braun2
1
Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, Hannover; 2International Centre for Higher Education
Research, Kassel
Lehrkräfte allgemein- und berufsbildender Schulen stellen eine der wichtigsten Akteursgruppen des Bildungssystems dar, die in
Zeiten von Migration, Inklusion und Ganztagsschule vor immer größeren Herausforderungen steht (Baumert & Kunter 2011;
Eurydice 2004). Lehrkräfte können als „primäre Agent[en]“ (Seitz 2007, S. 57) schulischer Reformen bezeichnet werden, die
neben ihrem pädagogischen Einfluss und ihrer zentralen Rolle für schulische Erfolge auch politischen Einfluss auf
Bildungsprozesse und -entwicklungen besitzen (Marschall & Quadbeck 2014; Neves de Jesus & Lens 2005).
National wie international zählt der Lehrerberuf jedoch zu den Berufen mit besonders hohem, insbesondere psychischem
Belastungspotential (Doll 2010; Klusmann 2011; Künsting et al. 2012; Schaarschmidt 2005). Dieses kann sich langfristig in
höheren Fehlzeiten, Arbeitsunfähigkeiten und Frühpensionierungen sowie einem qualitativ schlechteren Unterricht und
Schulklima äußern (Aktionsrat Bildung 2014; Freitag 1998; Jehle & Schmitz 2007; Klusmann et al. 2006).
Um schulische Qualitätsentwicklung sicherzustellen, bedarf es unter anderem psychisch stabiler und engagierter Lehrkräfte.
Daher interessieren wir uns für die Resignationstendenz von Lehrkräften, die Hinweise auf die Belastbarkeit, die Zufriedenheit
und das Engagement von Lehrkräften gibt (Schaarschmidt & Kieschke 2007). Konkret möchten wir in diesem Beitrag den
Zusammenhang von Resignationstendenz und bestimmten individuellen sowie bildungspolitischen Faktoren analysieren.
Dabei gehen wir folgenden Fragen nach:
(1) Wie ist die individuelle Passung selbstberichteter beruflicher Tätigkeiten/Anforderungen und Kompetenzen (Person-Job-Fit)
bei den Lehrkräften und kann diese als individueller Erklärungsfaktor für Resignationstendenz herangezogen werden?
(2) Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Resignationstendenz von Lehrkräften und strukturellen und örtlichen
bildungspolitischen Rahmenbedingungen?
Die formulierten Zusammenhänge werden schrittweise mittels Strukturgleichungsanalysen überprüft. Die Auswertungen werden
dabei mit STATA 13 durchgeführt.
Als Datengrundlage wird eine Online-Befragung genutzt, an der sich 1.150 Lehrkräfte allgemein- oder berufsbildender Schulen
aus dem gesamten Bundesgebiet beteiligt haben (Projekt KomPaed, DZHW-Absolventenstudien).
Als individuelles Merkmal wird die Passung zwischen den wahrgenommenen Kompetenzen und den Tätigkeiten/Anforderungen
am Arbeitsplatz herangezogen. Zur Operationalisierung bildungspolitischer Rahmenbedingungen werden strukturelle und örtliche
Merkmale verwendet. Als strukturelle Merkmale werden der Schulstandort, das Betreuungsverhältnis, der Schultyp sowie die
Schulträgerschaft herangezogen, als (selbstberichtete) örtliche Merkmale die Schulautonomie und das Schulklima (Brachem, im
Erscheinen).
Die individuelle Passung der Lehrkräfte hinsichtlich der selbstberichteten beruflichen Tätigkeiten/ Anforderungen und
Kompetenzen ist insgesamt relativ ausgeglichen. Es kann jedoch gezeigt werden, dass eine individuelle Überforderung der
Lehrkräfte die Resignationstendenz signifikant erhöht (12 Prozent; p < 0,01).
Bei den strukturellen Rahmenbedingungen wird lediglich ein geringer schultypbezogener Zusammenhang sichtbar, wobei die
Tätigkeit an einer Gesamtschule im Vergleich zur Grundschule die Resignationstendenz der Lehrkräfte verringert (7 Prozent; p
< 0,10). Die Tätigkeit an einem Gymnasium oder einer berufsbildenden Schule weist zwar keinen direkten Zusammenhang auf,
senkt jedoch die individuelle Überforderung der Lehrkräfte (Gymnasium: 9 Prozent; p < 0,10 | berufsbildende Schule: 10 Prozent;
p < 0,05). Somit wirkt der Schultyp in gewissem Maße indirekt, vermittelt über die Passung, auf die Resignationstendenz.
Mit Blick auf die örtlichen Rahmenbedingungen verringert sich die Resignationstendenz der Lehrkräfte signifikant, je positiver
das Schulklima wahrgenommen wird (18 Prozent; p < 0,01).
Abschließend kann festgehalten werden, dass sowohl individuelle als auch bildungspolitische Faktoren Zusammenhänge zur
Resignationstendenz aufweisen, sie jedoch nur einen gewissen Teil der Varianz aufklären können.
ID: 505 / H 04 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Sonstige Didaktiken
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung
Stichworte: Forschungskompetenz, Validierung, Kompetenzmessung, Hochschuldidaktik, Hochschulforschung
Validierung eines Tests zur Messung von sozialwissenschaftlicher Forschungskompetenz
Christopher Gess1, Sigrid Blömeke2
1
Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland; 2Centre for Educational Measurement (CEMO), University of Oslo, Norwegen
Theoretischer Hintergrund
Die Vermittlung von Forschungskompetenz ist neben der Vermittlung von Fachwissen ein vorrangiges Ziel des
Universitätsstudiums (KMK, 2005; Wissenschaftsrat, 2006) und auch im beruflichen Kontext relevant (Russ-Eft & Preskill, 2009).
Nicht geklärt ist allerdings, wie sozialwissenschaftliche Forschungskompetenz gemessen werden kann.
Theoretische Modelle von sozialwissenschaftlicher Forschungskompetenz liegen nur für Teilbereiche des Forschungsprozesses
vor (research literacy, Groß Ophoff u.a., 2014; information literacy, z. B. Katz, 2007; statistical thinking, z. B. Pfannkuch & Wild,
2004). Der hier vorgestellte Ansatz ist dagegen breiter auf den gesamten Forschungsprozess ausgerichtet. Das Modell von
Forschungskompetenz, verstanden als Fertigkeit, Forschungsprojekte eigenständig durchzuführen, beinhaltet drei
übergeordnete Dimensionen (entwickelt mittels Experteninterviews): Forschungsprozesswissen, qualitatives Methodenwissen
und quantitatives Methodenwissen besteht.
Zu diesem Modell liegt ein Kompetenztest vor, der auf Basis einer Expertenbefragung und eines Item-Panels entwickelt wurde.
Die Inhaltsvalidität wurde über Expertenratings aus Forschung, Lehre und Berufspraxis berücksichtigt (Gess, 2015). Ziel der
vorliegenden Studie ist es, eine Validierung der geplanten Testwertinterpretation als ein Indikator für die Effektivität des
sozialwissenschaftlichen Studiums vorzunehmen.
Fragestellung
Mit dem Testinstrument sollen in Zukunft der Kompetenzzuwachs im Studienverlauf und die Wirksamkeit bestimmter Lehr- und
Lernformen untersucht werden. Entsprechend lautet die zentrale Validierungsfrage, ob sich die Breite und Tiefe
forschungsbezogener Lerngelegenheiten in den Testwerten widerspiegeln. Zudem soll nachgewiesen werden, dass
fortgeschrittene Studierende höhere Kompetenzwerte aufweisen als Studienanfänger.
Methode
Die Analysen basieren auf einer Klumpenstichprobe (n=675 aus 51 Lehrveranstaltungen in 5 Universitäten und 4
sozialwissenschaftlichen Studienfächern).
Das Testinstrument wurde einer IRT-Skalierung im 2PL-Modell unterzogen (Birnbaum, 1968). Zur Beurteilung der Modellgüte
wurde auf die M2-Statistik zurückgegriffen (Maydeu-Olivares, 2013), bei der Item-Passung auf die informationsgewichteten InfitWerte (Wilson, 2005). Für die Validierung der Testwertinterpretationen wurden die im 2PL-Modell WLE-geschätzten
Personenfähigkeiten genutzt (Warm, 1989).
Zur Ermittlung von Gruppenunterschieden wurden die Testwerte von Bachelor- und Masterstudierenden sowie
Bachelorstudierenden im ersten und fortgeschrittenen Semester in gewichteten T-Tests verglichen. Die Studierenden wurden
anhand von Studienfach und Abiturnote gematcht (exaktes Matching, Ho u.a., 2011).
Zur Erklärung der Testwerte durch die Breite und Tiefe der Lerngelegenheiten wurden Strukturgleichungsmodelle untersucht
(mit Teilstichprobe n=328), bei der die geclusterte Datenstruktur berücksichtigt wurde (robuste MLR-Schätzung, Muthén &
Muthén, 2007). Die Breite der Lerngelegenheiten (α=.82) wurde manifest, die Tiefe der Lerngelegenheiten (α=.80) wurde mittels
drei Indikatoren latent modelliert. Die berufliche Motivation (α=.91), wurde als latente Variable aus vier Item-Parcels gebildet
(Bandalos & Finney, 2001; Little, Cunningham, Shahar, & Widaman, 2002). Geschätzt wurde ein Pfadmodell, bei dem ein
indirekter Effekt der Breite der Lerngelegenheiten über deren Tiefe sowie die berufliche Motivation als indirekter Effekt über Breite
und Tiefe der Lerngelegenheiten berücksichtigt wurden. Die Analysen wurden sowohl für den Gesamtscore als auch separat für
die drei Kompetenzdimensionen durchgeführt, wobei jeweils nur die zugehörigen Lerngelegenheiten einbezogen wurden.
Ergebnisse
Der Fit des eindimensionalen Modell 2PL-Modells ist gut (χ²(324)=364.96, p=.073, RMSEA=.014, SRMSR=.037, CFI=0.97). Alle
Items weisen sehr gute Passung auf (0.95≤wMNSQ≤1.07). Die empirische Reliabilität der WLE-Schätzung der
Personenfähigkeiten ist mit .74 akzeptabel.
Für die Untersuchung von Gruppenunterschieden zwischen Bachelor- und Masterstudierenden konnten 507 der 675 Fälle
gematcht werden – für die anderen Fälle lagen keine exakten Partner mit gleicher Abiturnote und gleichem Studienfach vor.
Studierende im Master weisen hypothesenkonform ein um θ=0.80 (SE=0.10) höheren WLE-geschätzten Kompetenzwert auf als
Studierende im Bachelor (t=7.85, p<.001).
Für die Untersuchung von Gruppenunterschieden zwischen Erstsemester- und fortgeschrittenen Bachelorstudierende konnten
181 Fälle gematcht werden. Erstsemesterstudierende erreichen hypothsenkonform im Durchschnitt einen WLE-geschätzten
Testwert, der um θ=.73 (SE=0.14) unter dem fortgeschrittener Bachelorstudierender liegt (t=5.16, p<.001).
Das berechnete Pfadmodell zu den Lerngelegenheiten weist eine akzeptable Modellpassung auf (χ²(25)=58.43, p=.0002,
RMSEA=.064, SRMR=.045, CFI=0.96). Die Tiefe der Lerngelegenheiten weist einen signifikanten direkten Zusammenhang
(β/SE=4.05), die Breite der Lerngelegenheiten (β/SE=3.85) und berufliche Motivation (β/SE=3.23) signifikante indirekte
Zusammenhänge mit den Testwerten auf.
ID: 509 / A 13 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Lehrer(aus)bildung, Motivation und Emotion
Stichworte: Berufswahlmotivation, Lehrerselbstwirksamkeit, Praktikum
Einflüsse und Veränderungen von Berufswahlmotivation und Selbstwirksamkeitserwartungen in
universitären Praxisphasen der Lehrerausbildung
Kris-Stephen Besa1,2, Christoph Schüle2, Karl-Heinz Arnold2
1
DZHW Hannover, Deutschland; 2Universität Hildesheim
Theoretischer Hintergrund: Die wissenschaftliche Betrachtung von schulpraktischen Lerngelegenheiten hat auch im Rahmen der
bundesweiten Reformprozesse der universitären LehrerInnenausbildung und den damit einhergehenden veränderten sowie
verlängerten Praxisphasen Konjunktur. Dabei wird in der Forschung der Fokus besonders häufig auf den Erwerb und den Aufbau
berufsbezogener Wissenselemente und Kompetenzen von Lehrkräften gelegt (Besa & Büdcher, 2014). Bei den erfassten
Kompetenzen handelt es sich vor allem um solche, die dem Bereich des Professionswissens zugeordnet werden können,
konkreten Unterrichtsbezug haben und deren Entwicklungsverlauf überprüft werden soll. Andere Kompetenzbereiche, wie die
(intrinsische) Motivation bzw. der Enthusiasmus, die berufsspezifische Selbstwirksamkeitserwartung oder die Selbstregulation
sind eher seltene Betrachtungsgegenstände der Praktikumsforschung, was insbesondere für die Untersuchung der Veränderung
dieser Konstrukte im Längsschnitt gilt. Zumindest für die Selbstwirksamkeitserwartungen liegen mittlerweile einige Ergebnisse
vor, die darauf hinweisen, dass erfolgreiche Praktikumserfahrungen positiven Einfluss auf deren Entwicklung haben (vgl. Bach,
2013). Die intrinsische Motivation als Facette der Berufswahlmotivation Lehramtsstudierender ist zwar in zahlreichen nationalen
und internationalen Studien untersucht (vgl. Rothland, 2014), jedoch in der Regel unter der Annahme einer Zeitstabilität und der
Nutzung als Prädiktor, jedoch nicht als Kriterium. Ob diese Zeitstabilität tatsächlich zutreffend ist, gilt es jedoch zu prüfen: Fasst
man die intrinsische Motivation wie etwa in der COACTIV-Studie (Kunter et al., 2011) als zentrale Kompetenzdimension von
Lehrkräften auf, müsste diese auch durch Lern- bzw. Entwicklungsprozesse veränderbar sein. Neuere Forschungsprojekte, wie
die EMW (König & Rothland, 2011) oder auch die PaLea-Studie (Bauer et al., 2010), berücksichtigen in ihren Designs diese
Annahme und verfolgen die Berufswahlmotivation von angehenden Lehrkräften im Studienverlauf. Wodurch allerdings potentielle
Zuwächse oder Abnahmen der Motivation beeinflusst werden und ob diese auch auf andere Kompetenzfacetten wirken, ist derzeit
als Forschungsdesidarat zu betrachten. Hierbei ist vor allem die Bedeutung der (berufsspezifischen)
Selbstwirksamkeitserwartung zu hinterfragen, da die Motivation auch von Zielsetzungen, Ansprüche und Erfolgserleben
beeinflusst wird (Woolfolk, 2007). Andererseits zeigen aber auch Studien, dass die intrinsische Berufswahlmotivation, einen
bedeutsamen Prädiktor für die Selbstwirksamkeitserwartung darstellen kann (Schüle et al., 2014).
Fragestellung: An diese Überlegungen anknüpfend, untersucht der vorliegende Beitrag, (1) inwiefern sich die intrinsischen
Berufswahlmotivation sowie die Lehrerselbstwirksamkeitserwartung von Studierenden in schulpraktischen Lehrveranstaltungen
verändern und (2) in welcher Art sich diese gegebenenfalls gegenseitig beeinflussen.
Methode: Die Untersuchung erfolgte als Pen&Paper-Befragung an Lehramtsstudierende (N = 460) in einem Zwei-Fach-BachelorStudiengang mit Lehramtsoption. Untersucht wurden drei verschiedenen Praktika mit und ohne eigene Unterrichtsversuche. Die
Befragung der Studierenden erfolgte zu sechs Messzeitpunkten, jeweils vor bzw. nach den zu absolvierenden allgemeinen
Schulpraktika sowie in einer Follow-Up-Erhebung. Die Entwicklung der (intrinsischen) Berufswahlmotivation wurde dabei mit dem
FEMOLA von Pohlmann & Möller (2010) erfasst, die lehramtsspezifische Selbstwirksamkeitserwartung mit der Skala von Schmitz
& Schwarzer (2000). Zur Überprüfung der Entwicklung der intrinsischen Motivation sowie der Lehrerselbstwirksamkeitserwartung
wurden einzelne Latent-Change-Modelle über alle sechs Messzeitpunkte berechnet.
Ergebnisse: Sowohl das Latent-Change-Modell der intrinsischen Motivation als auch das Modell der Lehrerselbstwirksamkeit
zeigen gute Modell-Fit-Werte (Modell Intrinsische Motivation: χ² = 258.82, df = 137, CFI = .955; RMSEA = .044; Modell
Lehrerselbstwirksamkeit: χ² = 65.11, df = 58, CFI = .995; RMSEA = .016) und jeweils signifikante Zuwächse bei den Konstrukten
vor allem in Praxisphasen mit eigenen Unterrichtsversuchen. In den weiteren anstehenden Analysen soll darüber hinaus die
Frage der wechselseitigen Beeinflussung der Konstrukte mittels eines autoregressiven Modells betrachtet werden.
ID: 510 / E 02 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Didaktik Deutsch
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Methoden der
empirischen Bildungsforschung
Stichworte: Wortschatz; Migrationshintergrund; Bildungssprache
Bildungswortschatz und familiärer Sprachgebrauch: Beitrag zu einer kontroversen Diskussion
Franziska Schwabe, Nele McElvany
TU Dortmund, Deutschland
Nationale und internationale Forschungsarbeiten thematisieren die Bedeutung bildungssprachlicher Kompetenzen für
erfolgreiche Lernprozesse im schulischen Kontext. Zentrales Argument dieser Forschungslinie ist, dass das Lernen in allen
Fächern maßgeblich von den bildungssprachlichen Kompetenzen der Lernenden beeinflusst wird (Uccelli et al., 2014). Ein
bedeutsamer Bestandteil der Sprache ist dabei der Wortschatz. Aus Forschung zum Bilingualismus ist bekannt, dass bilinguale
Kinder häufig über im Mittel geringere Wortschatzumfänge in ihren jeweiligen Sprachen verfügen als monolinguale Kinder
(Bialystok, 2009). Theoretisch lässt sich annehmen, dass darüber hinaus bildungssprachliche Wörter Kindern und Jugendlichen
mit sprachlichem Migrationshintergrund, für die angenommen wird, dass sie in ihrem familiärem Umfeld eingeschränkten Kontakt
mit Bildungssprache haben, weniger bekannt sind (Eckhardt, 2008). Die Befunde für den deutschen Sprachraum weisen
allerdings darauf hin, dass Kinder mit sprachlichem Migrationshintergrund nicht überproportional schlechter bei lexikalischbildungssprachlichen Anforderungen abschneiden als monolingual deutschsprachige Kinder (z.B. Heppt et al., 2014, für
Hörverstehen). Vor diesem Hintergrund untersucht der vorliegende Beitrag die Frage, ob nicht nur quantitative
Wortschatzunterschiede, sondern zusätzlich auch qualitative Wortschatzunterschiede im Bereich bildungssprachlicher Wörter
zwischen Kindern mit und ohne sprachlichen Migrationshintergrund bestehen. Dabei wurden die Hypothesen geprüft, dass Kinder
ohne sprachlichen Migrationshintergrund quantitativ in Bezug auf alltags- und bildungssprachliche Wörter (Hypothese 1) und
qualitativ bei bildungssprachlichen Wörtern (Hypothese 2) Vorteile besitzen. Außerdem wurde untersucht, ob diese Befunde auch
unter Kontrolle der sozialen Lage stabil bleiben. Für die Differential Item Functioning (DIF) Analysen in einem GLMM-Ansatz
nach DeBoeck und Kollegen (2011) wurden Daten von N = 1 039 Grundschülerinnen und Grundschülern der dritten Klassenstufe
genutzt (50.3% Mädchen; 40.0% Kinder mit sprachlichem Migrationshintergrund). Hinsichtlich ihres häuslichen Buchbesitzes
unterscheiden sich Kinder mit (> 100 Bücher 31.3%) und ohne Migrationshintergrund (> 100 Bücher 61.9%). Für die Analysen
wurden 98 Wortschatzitems anhand von in der Literatur identifizierten Indikatoren (u.a. Silbenanzahl; thematischer Bezug) in
bildungssprachliche (N = 49) und alltagssprachliche (N = 49) Wörter geteilt und mit einem 1PL-Modell skaliert. Der Gesamttest
weist in beiden Schülersubgruppen mindestens akzeptable Reliabilitäten auf (EAP α > .68). Hypothesenkonform zeigte sich ein
quantitativer Vorteil der Kinder ohne Migrationshintergrund, die im Mittel über höhere Wortschatzkompetenzen verfügten (θMMig = -0.34, SE(θM-Mig) = 0.02; θM-Mono-Deu = 0.22; SE(θM-Mono-Deu) = 0.02; t(903) = 8.87; p < .05). Auch die zweite
Hypothese, dass Kinder mit sprachlichem Migrationshintergrund in bildungssprachlichen Wörtern eine spezifische Schwäche
aufweisen, wurde von den Daten gestützt (Interaktionseffekt ωMig×Bil = -0.04, SE(ωMig×Bil) = 0.02). Das Ergebnismuster blieb
auch unter Kontrolle der sozialen Lage der Kinder stabil. Die Befunde werden im Kontext der aktuellen Debatte um den Einfluss
bildungssprachlicher Anforderungen sowohl auf schulisches Lernen als auch auf Leistungsmessung diskutiert. Hierbei wird auch
der Aspekt der „Fairness“ bei sprachlichen Testaufgaben thematisiert.
ID: 511 / B 03 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Methoden der empirischen Bildungsforschung, Unterrichtsentwicklung/ Unterrichtsqualität
Stichworte: Hattie, Metaanalyse, Meta-Metaanalyse, Problembasiertes Lernen, evidenzbasierte Praxis
Probleme bei Meta-Metaanalysen: Eine Reanalyse von Hatties Daten zum Problembasierten Lernen
Christof Wecker1, Freydis Vogel2, Andreas Hetmanek3
1
Universität Passau, Deutschland; 2Technische Universität München; 3Ludwig-Maximilians-Universität München
Hatties (2009) Idee, bereits in Metaanalysen zusammengefasste Erkenntnisse für instruktionale Entscheidungen weiter zu
verdichten, erscheint hochgradig verlockend. So könnten inkonsistente Befunde wie beispielsweise zum Problembasierten
Lernen aufgeklärt und die umstrittene Frage der Wirksamkeit beantwortet werden (PBL, z. B. Gijbels et al., 2005).
Bei genauerem Hinsehen ergeben sich jedoch methodische Bedenken: Hattie gewichtet die einbezogenen Metaanalysen, denen
zumeist das fixed-effect-Modell zu Grunde liegt, nicht nach der Varianz ihrer Effektstärkenschätzung (vgl. Pant, 2014, S. 94).
Außerdem sind die Konfidenzintervalle aus dem fixed-effect-Modell bei Heterogenität der Studieneffekte zu schmal, was jedoch
in Hatties Ansatz nicht getestet werden kann. Die einbezogenen Metaanalysen überlappen sich ferner teilweise in den
enthaltenen Primärstudien, sodass die statistische Unabhängigkeit verletzt ist und es zu Verzerrungen durch Doppelwertungen
kommen kann. Und schließlich übergeht Hattie wichtige Differenzierungen in Bezug auf Moderatorvariablen aus den
einbezogenen Metaanalysen, z. B. zwischen Effekten auf Wissen und auf Fertigkeiten (Dochy et al., 2003).
In diesem Beitrag wird daher eine Reanalyse von Hatties Datengrundlage zu PBL sowie der zu Grunde liegenden Primärstudien
vorgenommen, um folgende Fragen zu beantworten:
(1) Wie ändert sich die mittlere Effektstärke von PBL, wenn alle acht Metaanalysen unter kokrrekter Gewichtung nach Präzision
gemäß dem fixed-effect-Modell zusammengefasst werden?
(2) Variieren die Effekte zwischen den Primärstudien und, wenn ja, wie hoch ist die random-effects-Schätzung der mittleren
Effektstärke?
(3) Wie hoch sind die Effektstärken auf Wissen und Fertigkeiten?
Methode
Für Fragestellung 1 wurden die acht Metaanalysen zu PBL um fehlende Standardfehler ergänzt und auf der Grundlage des fixedeffect-Modells mit korrekter Gewichtung nach Präzision zusammengefasst.
Für Fragestellung 2 wurde aus den Primärstudientabellen der acht Metaanalysen eine vollständige Primärstudientabelle mit 199
unabhängigen Stichproben erstellt. Bei unterschiedlichen Angaben aus verschiedenen Metaanalysen zum selben Effekt aus einer
Primärstudie wurden die Angaben gemittelt. Die Effektstärken wurden wie bei Dochy et al. (2003) als Effekte auf Wissen vs.
Fertigkeiten klassifiziert, pro Stichprobe zu je maximal einer Effektstärke für Wissen und für Fertigkeiten zusammengefasst, und
auf der Grundlage des random-effects-Modells integriert.
Ergebnisse
(1) Die gewichtete fixed-effect-Meta-Metaanalyse der acht Metaanalysen ergibt einen mittleren Effekt von d = 0.19; CI90% =
[0.17; 0.21]; p < .001 (einseitig). Hatties Schätzung von d = 0.15 (2009, S. 211) unterscheidet sich davon statistisch signifikant.
(2) Die Analyse des rekonstruierten Primärstudiendatensatzes ergibt eine statistisch signifikante Heterogenität zwischen Studien,
QT(df = 198) = 6448.08; p < .001, I2 = .97. Dies indiziert eine random-effects-Analyse der Primärstudieneffektstärken, die einen
mittleren Effekt von d = 0.21 ergibt; CI90% = [0.17; 0.25]; p < .001 (einseitig).
(3) Die Effekte von PBL auf Wissen und Fertigkeiten unterscheiden sich statistisch signifikant, QB(df = 1) = 33.34; p < .01: Der
mittlere Effekt auf Wissen ist nicht statistisch signifikant, d = 0.02; CI90% = [-0.02; 0.07]; p = .16 (einseitig). Der mittlere Effekt
auf Fertigkeiten ist klein, jedoch statistisch signifikant, d = 0.34; CI90% = [0.27; 0.42]; p < .001 (einseitig).
Diskussion
Hatties Schätzung des mittleren Effekts von PBL fällt statistisch signifikant geringer aus als die aus einer fixed-effect-MetaMetaanalyse mit korrekter Gewichtung auf der Grundlage aller Standardfehler. Dieser Ansatz kann jedoch die vorliegende
Heterogenität der Primärstudieneffekte nicht aufdecken und unterschätzt in der Folge die Breite des Konfidenzintervalls für den
mittleren Effekt (vgl. die CIs bei Fragestellung 1 und 2). Bei korrekter random-effects-Analyse liegt PBL in Hatties Rangliste von
Einflussfaktoren 11 Plätze (von 138) höher. Die Nutzung dieser Liste für Entscheidungen zwischen instruktionalen Methoden, die
mehr als 20 Plätze auseinander liegen, kann somit in die Irre führen. Außerdem verdeckt Hatties Ansatz differentielle Effekte auf
unterschiedliche Lernergebnisse. Es erscheint fraglich, ob Meta-Metaanalysen, die aktuelle metaanalytische Standards erfüllen,
derzeit überhaupt durchführbar sind. Dafür wären vollständige und strukturell eindeutige Primärstudientabellen in Metaanalysen
und einheitliche Klassifikationen für zentrale Moderatorvariablen unabdingbar.
ID: 517 / A 14 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Grundschulbildung, Lehrerexpertise
Stichworte: Lehrkrafturteile, Migrationshintergrund, soziale Herkunft
Benachteiligung oder Bevorzugung? Lehrkrafturteile und -erwartungen in Abhängigkeit der sozialen und
ethnischen Herkunft von Schüler(inne)n
Anita Tobisch, Markus Dresel
Universität Augsburg, Deutschland
Die schulischen Leistungen und der Bildungserfolg sind weiterhin eng an die ethnische und soziale Herkunft von Schüler(inne)n
gekoppelt (u.a. Gebhardt, Rauch, Mang, Sälzer & Stanat, 2013; Müller & Ehmke, 2013). Neben individuellen Fähigkeiten,
sprachlichen Kompetenzen u.v.m wird auch die Rolle der Lehrkraft immer wieder diskutiert. Dabei ist die akkurate Einschätzung
von Schüler(inne)n und ihren Leistungen eine zentrale Aufgabe von Lehrkräften. Diese Urteile sind maßgeblich für eine optimale
Unterrichtsplanung und individuelle Förderung notwendig und generieren Erwartungen an zukünftige Leistungen und
Verhaltensweisen. Der Prozess der Urteilsbildung kann theoretisch durch das Kontinuum-Modell der Eindrucksbildung (Fiske &
Neuberg, 1990), das einen Übergang von automatisierten zu kontrollierten Prozessen postuliert, erklärt werden. Anzunehmen
ist, dass die Schülerherkunft in Zusammenhang mit der Verarbeitungsintensität von Informationen steht und verantwortlich für
unterschiedliche Lehrkrafturteile ist.
Der Beitrag geht der Frage nach ob Lehrkräfte unterschiedliche Erwartungen hinsichtlich leistungsrelevanter Variablen in Bezug
auf die ethnische und soziale Herkunft von Schüler(inne)n haben. Trotz der essentiellen Bedeutung der Lehrkrafturteile und erwartungen für den Bildungserfolg von Schüler(inne)n, liegen im deutschsprachigen Raum bislang kaum Befunde vor, die beide
relevanten Herkunftsmerkmale (Sozialschicht und Ethnizität) einbeziehen. Zudem liegt der Fokus überwiegend auf Leistungen
während weitere relevante Merkmale bislang kaum berücksichtigt wurden.
Präsentiert werden die Ergebnisse einer experimentellen Online-Studie mit N = 237 Grundschullehrkräften (51.1 % männlich;
Alter: M = 41.62, SD = 8.49; Dienstjahre inkl. Referendariat: M = 15.34, SD = 8.37). Als Fallvignette wurde ein fiktives
Halbjahreszeugnis mit einer Verbalbewertung (Informationen zum Lern-, Arbeits- und Sozialverhalten) und einer
Ziffernbewertung (Gesamtnotendurchschnitt: 2.11; Notendurchschnitt in den Hauptfächern: 2.33) eines männlichen Schülers der
vierten Jahrgangsstufe eingesetzt. Dabei wurden die soziale sowie die ethnische Herkunft des Schülers durch die randomisierte
Zuweisung der Vornamen experimentell variiert. Die Namen waren dabei sowohl eindeutig einer sozialen Schicht (niedrig vs.
hoch) (Utech, 2011) sowie der deutschen oder türkischen Herkunft (Tobisch, 2013) zuzuordnen. Daraus ergaben sich drei
Experimentalgruppen (1. Kein Migrationshintergrund und hoher sozioökonomischer Status, 2. Kein Migrationshintergrund und
niedriger sozioökonomischer Status, 3. Türkischer Migrationshintergrund und niedriger sozioökonomischer Status). Durch einen
Manipulation-Check wurde die Wahrnehmung der Herkunft durch die Lehrkräfte geprüft (Sozioökonomischer Status: F(2,234) =
28.024, p < .001, _ƞ_2 = .19; Migrationshintergrund: F(2,234) = 2982.833, p < .001, _ƞ2 = .96). Basierend auf den
Schülerinformationen der Fallvignette sollten die Lehrkräfte in einem Fragebogen sowohl ihre Leistungserwartungen an den
Schüler in den Hauptfächern (3 Items, α = .79, in Anlehnung an Finsterwald, 2006), dessen Eignung für das Gymnasium (1 Item,
1=„überhaupt nicht geeignet“ bis 5=„voll und ganz geeignet“), seine schulischen Fähigkeiten (4 Items, α = .88, adaptiert nach
Dickhäuser, Schöne, Spinath & Stiensmeier-Pelster, 2002) sowie seine zukünftige Anstrengungsbereitschaft (5 Items, α_ = .87,
adaptiert nach Ramm et al., 2006) einschätzen.
Varianzanalysen erbrachten signifikante Haupteffekte der Herkunft auf alle untersuchten Variablen (Leistungserwartung, Eignung
für das Gymnasium, schulische Fähigkeiten, Anstrengungsbereitschaft: F(2,234) ≥ 7.540; p < .001, _ƞ_2 ≥ .06). Die berechneten
a priori Kontraste (Kontrast 1: niedriger vs. hoher sozioökonomischer Status; Kontrast 2: Migrationshintergrund vs. kein
Migrationshintergrund) erbrachten zudem signifikante Unterschiede für alle Variablen in Abhängigkeit von der ethnischen und
der sozialen Herkunft. Dies indiziert erwartungsgemäß, dass Lehrkräfte Schüler(innen) mit hohem sozioökonomischem Status
besser einschätzen als Schüler(innen) mit Migrationshintergrund und/oder niedrigem Status.
Entgegen bisheriger Annahmen deuten die Ergebnisse jedoch nicht auf eine Unterschätzung der zukünftigen Leistungen im
Vergleich zu den bisher erbrachten Leistungen von Schülern(inne)n mit Migrationshintergrund und/oder niedrigem
sozioökonomischen Status hin, sondern auf eine Überschätzung deutscher Schüler(innen) mit hohem Status. Die Ergebnisse
werden im Zusammenhang des Kontinuum-Modells diskutiert und deuten auf eine automatisierte Informationsverarbeitung bei
Schüler(inne)n deutscher Herkunft mit hohem sozioökonomischem Status hin.
ID: 521 / A 17 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Hochschulbildung
Stichworte: Internationalisierung der Hochschulbildung, studienbezogene Auslandserfahrungen, internationale Orientierung,
Längsschnittstudie, junges Erwachsenenalter
Chronifiziertes Fernweh? Langfristige Effekte studienbezogener Auslandsaufenthalte auf die
internationale Orientierung junger Akademiker in Deutschland.
Julia Zimmermann
FernUniversität in Hagen, Deutschland
Theoretischer Hintergrund:
Ein Semester in Spanien, ein Sprachkurs in Frankreich, ein Praktikum in China oder den USA – internationale
Mobilitätserfahrungen während der Studienzeit werden durch vielfältige Programme und Institutionen gefördert und prägen die
Bildungsbiographien angehender Akademiker. So weist aktuellen Statistiken zufolge etwa ein Drittel der Studierenden höherer
Fachsemester an deutschen Hochschulen studienbezogene Auslandserfahrungen auf (Deutscher Akademischer
Austauschdienst, 2014).
Bisherige Studien bestätigten Effekte internationaler Mobilitätserfahrungen auf die persönliche Entwicklung junger Erwachsener
(Zimmermann & Neyer, 2013). Bislang liegen jedoch nur wenige Erkenntnisse zu den langfristigen Auswirkungen
studienbezogener Auslandsaufenthalte auf spätere Mobilitätsentscheidungen und internationale Mobilitätsintentionen junger
Akademiker vor. Im Sinne der Exploration einer konzeptionellen Erweiterung des Integrated Model of College Choice (Perna,
2006) ist es dabei von besonderem Interesse, den inkrementellen Vorhersagewert studienbezogener Auslandserfahrungen über
die Effekte etablierter soziodemographischer und psychologischer Mobilitätsprädiktoren hinaus zu ergründen.
Fragestellungen:
Vor diesem Hintergrund liegt der Fokus des vorliegenden Beitrags auf folgenden Forschungsfragen: 1. Haben studienbezogene
Auslandserfahrungen einen langfristigen Effekt auf die internationale Orientierung junger Akademiker und haben sie Einfluss auf
a) weitere internationale Mobilitätserfahrungen und b) internationale Mobilitätsintentionen? 2. Welche Erfahrungsaspekte
studienbezogener Auslandserfahrungen sind ausschlaggebend für eine langfristige internationale Orientierung?
Methode:
Die Daten stammen aus der PEDES-Studie (Zimmermann & Neyer, 2013). Im Rahmen der prospektiven Kontrollgruppenstudie
wurden N = 1390 junge Erwachsene über einen Zeitraum von insgesamt fünf Jahren (2009-2014) mehrfach mittels OnlineInstrumenten befragt. Die Stichprobe umfasst sowohl Studierende, die zum ersten Messzeitpunkt zu Beginn des akademischen
Jahres 2009/10 kurz vor der Ausreise zu einem studienbezogenen Auslandsaufenthalt standen (N = 783), als auch eine
Vergleichsgruppe Kontrollstudierender, die keine konkreten Auslandspläne berichteten (N = 607). Im Rahmen einer
Folgebefragung Ende des Jahres 2014 machten die ehemaligen Auslands- und Kontrollstudierenden Angaben zu a) weiteren
Auslandsaufenthalten, die sie seit Ende der ersten Befragungsphase im Oktober 2010 erlebt hatten (weitere internationale
Mobilitätserfahrungen) und b) ihren Plänen zu weiteren (berufsbezogenen) Auslandsaufenthalten in der Zukunft (internationale
Mobilitätsintentionen). Zudem wurden soziodemographische Merkmale, individuelle Persönlichkeitsmerkmale (Big Five) und
Aspekte der Auslandserfahrung anhand etablierter Messinstrumente erhoben.
Ergebnisse:
Multivariate logistische Regressionen zeigten substantielle Effekte studienbezogener Auslandserfahrungen auf beide Indikatoren
internationaler Orientierung. Darüber hinaus waren höhere Ausprägungen des Persönlichkeitsmerkmals Offenheit positiv, höhere
Ausprägungen der Gewissenhaftigkeit hingegen negativ mit weiteren internationalen Mobilitätsintentionen der jungen
Akademiker verbunden. Analysen der Teilstichprobe ehemaliger Auslandsstudierender zeigten, dass das Ausmaß, in dem der
studienbezogene Auslandsaufenthalt rückblickend als zweckdienlich für das Erreichen beruflicher Ziele bewertet wurde,
ausschlaggebend für weitere internationale Mobilitätsintentionen der auslandserfahrenen jungen Akademiker war.
Diskussion:
Die Befunde sprechen dafür, dass studienbezogene Auslandserfahrungen die internationale Orientierung junger Akademiker
langfristig – auch über den Einfluss von soziodemographischen Merkmalen und Persönlichkeitsmerkmalen hinaus – positiv
beeinflussen. Die ebenfalls beobachteten Zusammenhänge zwischen den Persönlichkeitsmerkmalen Offenheit und
Gewissenhaftigkeit und internationalen Mobilitätsintentionen bestätigen bisherige Befunde zu persönlichkeitsbedingter
Selbstselektion in internationale Mobilitätserfahrungen (Jokela, 2009; Zimmermann & Neyer, 2013) deuten jedoch zugleich darauf
hin, dass diese Zusammenhänge von salienten Entwicklungsaufgaben in unterschiedlichen Phasen des (jungen)
Erwachsenenalters moderiert werden. Theoretische Implikationen hinsichtlich der Prädiktoren und Prozesse individueller
Entwicklung im (jungen) Erwachsenenalter sowie praktische Schlussfolgerungen zur Gestaltung von Maßnahmen zur
Internationalisierung der Hochschulbildung werden abschließend erörtert.
ID: 523 / A 03 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Didaktik Fremdsprachen
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Fremdsprachenunterricht
Stichworte: Fremdsprachenunterricht, Bilingualismus, Duale Immersion, Europaschule, Integration
Effekte dualer Immersion: Sprachliche und fachliche Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I
Johanna Fleckenstein1, Friederike Hohenstein2, Jens Möller2, Jürgen Baumert3
1
Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik; 2Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; 3MaxPlanck-Institut für Bildungsforschung
Bilinguale Beschulung in der dualen Immersion ab der ersten Klasse ist die Grundlage der Staatlichen Europa-Schule Berlin
(SESB). Zentrales Ziel ist neben dem additiven Bilingualismus der Ausgleich von Bildungsnachteilen von Schülerinnen und
Schülern mit Migrationshintergrund. Der Unterricht wird in Deutsch und jeweils einer von neun Partnersprachen (Englisch,
Französisch, Griechisch, Italienisch, Polnisch, Portugiesisch, Russisch, Spanisch, Türkisch) erteilt. Mit der Evaluation der
schulischen Lernprozesse soll es gelingen, die kognitiven, motivationalen und soziokulturellen Effekte der an der SESB
eingeführten Form der bilingualen Beschulung zu ermitteln. Neben dem Vergleich mit Berliner Regelschulen (Vergleichsschulen,
VGLS) ermöglicht die Studie die internationale Verortung von Kompetenzen in der Partnersprache.
Bei dualer Immersion stellt für einen Teil der Schüler die Majoritätssprache die Erstsprache (L1; z.B. Deutsch) dar, während für
den anderen Teil der Schüler eine Minoritätssprache die L1 (z.B. Türkisch) ist. In den USA haben sich nach Thomas und Collier
(2002) haben sich solche Immersionsprogramme (meist Englisch – Spanisch) sowohl den üblichen bilingualen als auch den
traditionellen English only-Programmen überlegen erwiesen. In Deutschland sind Angebote selten, die von Schulbeginn an auf
eine doppelte Alphabetisierung für zwei Sprachgruppen setzen. Generell zeigen sich für ähnliche Unterrichtsformen in
Deutschland aber auch vergleichbare oder bessere Schulleistungen bilingual unterrichteter Schülerinnen und Schüler in der L1
und Mathematik sowie starke Effekte für die L2 (Gebauer, Zaunbauer & Möller, 2013). Die aktuelle Studie bezieht erstmals
mehrere Sprachen als L1 bzw. L2 ein.
Dieser Beitrag fokussiert sich auf den Leistungsstand in der neunten Klasse. Aus dieser Jahrgangsstufe nahmen N = 617 SESBund N = 2389 Regel-Schülerinnen und Schüler an der Untersuchung teil. Der Leistungsvergleich zwischen Schülerinnen und
Schülern der SESB und den VGLS ergab heterogene Befunde: Während sich beim Lesen und in Mathematik keine statistisch
signifikanten Unterschiede zeigten, schnitten in den naturwissenschaftlichen Tests die VGLS etwas besser ab. In Englisch
hingegen wiesen die Schülerinnen und Schüler der SESB deutlich bessere Leistungen auf. In der ersten Fremdsprache Englisch
zeigen die Schülerinnen und Schüler der SESB sogar deutlich bessere Leistungen als die Vergleichsgruppe.
Insbesondere der Ausgleich von Bildungsnachteilen bei Migrationshintergrund scheint an der SESB besser zu gelingen als an
den Regelschulen. Die Betrachtung der Leistungen getrennt nach Migrationshintergrund zeigt, dass Schülerinnen und Schüler
mit einseitigem Migrationshintergrund an den SESB tendenziell besser abschneiden als an VGLS. Dies gilt insbesondere für
Lesen und Englisch, teilweise auch für die Naturwissenschaften. Beim Mathematiktest zeigten sich keine signifikanten
Unterschiede.
Innerhalb der SESB unterscheiden sich die Leistungen teilweise allerdings deutlich in Abhängigkeit vom Prestige der
Partnersprache (kosmopolitisch versus ethnozentristisch geprägte Schulen) und dem sprachlichen Hintergrund der Schülerinnen
und Schüler (Deutsch als L1 versus Partnersprache als L1). Die eingesetzten PISA-Tests in den Partnersprachen ermöglichen
zudem den direkten Vergleich mit den PISA-Ergebnissen der Länder in denen die jeweilige Sprache Verkehrs- und Testsprache
ist. Hierbei zeigte sich, dass die Leistungen der SESB-Schülerinnen und -Schüler in allen Sprachen – mit Ausnahme von Englisch
– unter oder gleichauf mit denen der entsprechenden Länder liegen. Die Ergebnisse werden mit Hinblick auf Stärken und
Schwächen immersiven Unterrichts sowie auf erfolgreiches Integrieren im Rahmen der SESB diskutiert.
ID: 525 / D 12 Einzelbeiträge: 1
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Methoden der empirischen Bildungsforschung, Motivation und Emotion
Stichworte: Längsschnittanalysen, Reziproke Effekte, akademisches Selbstkonzept, Grundschule
Reziproke Effekte in Längsschnittanalysen – Alternative Modell zur Analyse des Zusammenhangs
zwischen Selbstkonzept und Schulleistung
Jan Henning Ehm, Marcus Hasselhorn, Florian Schmiedek
DIPF, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Cross-lagged-panel-Modelle (CLPM) galten lange als Königsweg zur Analyse der wechselseitigen Beeinflussung von zwei oder
mehreren Variablen in Längsschnittdaten ohne experimentelle Variation (Rogosa, 1979). Autoregressionsparameter bilden dabei
die Stabilität von einem Zeitpunkt zum nächsten, querschnittliche Korrelationen das Ausmaß des mittleren linearen
Zusammenhangs zwischen den Variablen innerhalb der Messzeitpunkte und Kreuzregressionen mögliche kausale
Zusammenhänge ab. Aufgezeigt werden konnte durch diese Herangehensweise z.B. ein reziproker Zusammenhang zwischen
akademischen Selbstkonzept und Schulleistung (Marsh & Craven, 2006).
Neben dem CLPM haben sich in den letzten Jahren Latent-Change-Score-Modelle (LCSM) etabliert (Ferrer & McArdle, 2010).
Veränderungen einer Variable von Zeitpunkt zu Zeitpunkt werden hier als messfehlerbereinigte latente Variablen repräsentiert,
sogenannte „latente Differenzwertvariablen“. Eine mögliche wechselseitige Beeinflussung zwischen zwei Variablen wird durch
Regression der Differenzwertvariablen auf die Ausprägung der jeweils anderen Variablen zum vorhergehenden Zeitpunkt erfasst.
Wie Ferrer und McArdle (2003) aufzeigen, können beide Methoden, dass heißt das klassische CLPM und das LCSM, zu
unterschiedlichen Ergebnissen und damit auch zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen hinsichtlich der kausalen
Wirkrichtungen kommen. Unterschiede zwischen den Ergebnisse der klassischen CLPM und der Erweiterung dieses Modells
durch einen Random-Intercept (RI-CLPM) berichten auch Hamaker, Kuiper und Grasman (2015). Sie argumentieren, dass stabile
interindividuelle Unterschiede durch Autoregression nicht adäquat berücksichtigt werden und die Parameterschätzungen der
Kreuzregressionen in CLPM dadurch beeinflusst werden können.
Fragestellung
Die vorliegende Studie geht der Frage nach, ob die unterschiedlichen Methoden zur Analyse des Zusammenhangs zwischen
Selbstkonzept und Leistung zu vergleichbaren Ergebnissen kommen.
Methode
Die Stichprobe bestand aus insgesamt N = 2008 Schülerinnen und Schüler (1. Klasse M = 7;4 Jahre, SD = 6 Monate), deren
mathematisches Selbstkonzept und Schulleistung (Noten) zu vier Messzeitpunkten in der Grundschule erfasst wurden. Die
Schülerinnen und Schüler verteilten sich auf 90 Klassen. Um der Mehrebenenstruktur der Stichprobe Rechnung zu tragen,
wurden alle Analysen mit Mplus 7.2 mit der Option «type is complex» durchgeführt.
Ergebnisse
Im Einklang mit Marsh und Craven (2006) zeigen die Ergebnisse des klassischen CLPM bedeutsame reziproke Effekte zwischen
Selbstkonzept und Leistung auf. Hingegen finden sich im LCSM und RI-CLPM lediglich Effekte der mathematischen Leistung auf
das Selbstkonzept. Die vorliegenden Ergebnisse stellen damit den Effekt des Selbstkonzepts auf die Leistung in der
Grundschulzeit in Frage.
ID: 527 / E 15 Einzelbeiträge: 4
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Genderforschung, Grundschulbildung
Stichworte: Geschlecht, soziale Herkunft, Leistungen, Noten, Übergang
Der Effekt der sozialen Herkunft auf den geschlechtsspezifischen Bildungserfolg am Ende der
Grundschulzeit
Josefine Lühe, Michael Becker, Marko Neumann, Kai Maaz
Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Deutschland
Jungen wiederholen häufiger eine Klasse, sind öfter an Haupt- und Sonderschulen anzutreffen, erlangen seltener das Abitur und
verlassen die Schule öfter ohne Abschluss (Statistisches Bundesamt 2014). Auch der aktuelle Bildungsbericht der OECD stellt
geschlechtsspezifische Bildungsunterschiede in den Mittelpunkt und zeigt, dass unter Fünfzehnjährigen mehr Jungen als
Mädchen das Basiswissen in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften verfehlen (OECD 2015, S. 20). Vor diesem
Hintergrund entstand unter dem Schlagwort der „Jungen als neue Bildungsverlierer“ oder „failing boys“ in den letzten Jahren eine
neue wissenschaftliche und gesellschaftliche Debatte um den Misserfolg und die Benachteiligung von Jungen im Bildungssystem.
Dabei wird jedoch oft übersehen, dass Jungen und Mädchen nicht zwei homogene soziale Gruppen darstellen: „all too often
simplistic, statistical interpretations which concentrate entirely on gender differences serve to shore up a universal notion of boys‘
underachievement” (Lucey und Walkerdine 2000, S. 38).
Insbesondere qualitative und ethnografische Forschungsergebnisse (z.B. Willis 1977; Connolly 2004; Skelton und Francis 2011)
weisen darauf hin, dass Geschlechterunterschiede im Bildungserfolg nicht stabil sind sondern zwischen den sozialen Schichten
variieren. Die spezifische Kombination aus Geschlecht und sozialer Herkunft kann demnach über bspw. Männlichkeitsentwürfe
oder Geschlechterrollenvorstellungen dazu führen, dass Geschlechterunterschiede verstärkt oder verringert werden. Wie in der
Literatur wiederholt moniert wurde, wurde diese wechselseitige Wirkung zwischen Geschlecht und SES durch die quantitative
Forschung bislang jedoch nur unzureichend untersucht (Hannover und Kessels 2011; Hadjar und Hupka-Brunner 2013; Hyde
2014).
Vor diesem Hintergrund untersucht der vorliegende Beitrag, ob und wie der Effekt der Geschlechtszugehörigkeit auf den
Bildungserfolg durch den sozioökonomischen Status (SES) moderiert wird oder ob von uniformen Geschlechtereffekten
unabhängig von der sozialen Herkunft auszugehen ist. Die Grundlage der Untersuchung stellen 5.240 Viertklässlerinnen und
Viertklässler der Studie Der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule – Leistungsgerechtigkeit und regionale,
soziale und ethnisch-kulturelle Disparitäten (TIMSS-Übergangsstudie) dar. Im Fokus der Analysen stehen dabei die Ergebnisse
standardisierter Leistungstests und Schulnoten in Mathematik und Deutsch, sowie Übergangsempfehlungen und realisierte
Übergänge. Damit setzen die Analysen an einem frühen aber kritischen Punkt in der Bildungsbiografie an, da die Schülerinnen
und Schüler kurz vor dem Übergang auf eine weiterführende Schulform und damit vor einer der wichtigsten Statuspassagen ihres
Lebens stehen (Maaz et al. 2006, S. 322), zum anderen können geschlechtsspezifische Leistungsunterschiede auch durch
differenzielle Lernumwelten in Form der unterschiedlichen weiterführenden Schultypen selbst bedingt sein, wie sie zum
Untersuchungszeitpunkt noch nicht bestehen (Hosenfeld et al. 1999).
Die Ergebnisse zeigen für Mathematik, dass der Effekt der Geschlechtszugehörigkeit auf die Leistung sowie auch auf die Note
durch den SES moderiert wird. Demnach ist der Geschlechterunterschied in der Gruppe mit niedrigerem SES größer ausgeprägt.
Darüber hinaus stehen Leistung und Note der Mädchen in einem stärkeren Zusammenhang mit ihrer sozialen Herkunft, als dies
bei Jungen der Fall ist. Für Deutsch zeigt sich hingegen, dass der Effekt der Geschlechtszugehörigkeit auf die Kompetenz nicht
mit der sozialen Herkunft variiert. Darüber hinaus wird in Bezug auf Leistungen und Noten deutlich, dass es Jungen nicht in
gleichem Maße wie Mädchen gelingt, Kompetenzen in gute Schulnoten umzusetzen. Weiterhin zeigen die Ergebnisse, dass der
Effekt der Geschlechtszugehörigkeit auf den Erhalt einer Gymnasialempfehlung durch den SES moderiert wird. Dieser Effekt
verschwindet
erwartungsgemäß
unter
Kontrolle
von
Leistungen
und
Noten,
wohingegen
die
höhere
Gymnasialempfehlungswahrscheinlichkeit für Mädchen bestehen bleibt. In Bezug auf den realisierten Übergang lässt sich keine
Variation der Wirkung der Geschlechtszugehörigkeit mit der sozialen Herkunft feststellen. Es ist davon auszugehen, dass die
gefundenen Effekte am Ende der Grundschule vergleichsweise klein ausfallen und im weiteren Bildungsverlauf durch die
unterschiedlichen Schulformen sowie das Einsetzen der Pubertät (Hannover und Kessels 2008, S. 118) größer ausfallen können.
Insgesamt legen die Ergebnisse eine differenzierte Betrachtung des geschlechtsspezifischen Bildungserfolges nahe.
ID: 528 / G 02 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: Adaptivität, Fehler, Mathematikunterricht, Motivation, Scaffolding
Measuring Scaffolding – Wie können wir adaptiven Lernunterstützung erfassen?
Anke Wischgoll1, Pauli Christine2, Reusser Kurt3
1
Universität Freiburg, Deutschland; 2Universität Fribourg, Schweiz; 3Universität Zürich, Schweiz
Sowohl der vermehrte Anteil an Problemlöseaktivitäten im Unterricht als auch die zunehmend heterogene Zusammensetzung
der Schulklassen verlangt adaptive Lernunterstützung. Die Lehrperson ist gefordert die einzelnen Schülerinnen und Schüler
abgestimmt auf die individuellen Lernvoraussetzungen und Lernfortschritte zu unterstützen.Scaffolding (Wood, Bruner & Ross,
1976) als temporäre, adaptive und auf den Kompetenzaufbau ausgerichtete Unterstützung stellt in diesem Zusammenhang ein
attraktives Konzept dar. Van de Pol und Kollegen (van de Pol & Elbers, 2013; van de Pol, Volman & Beishuizen, 2010) konnten
drei Charakteristika des Konzepts Scaffolding feststellen: contingency, fading und transfer of responsibility. Untersuchungen zum
Lehren und Lernen durch Tutoring haben zudem die Bedeutung des Umgangs mit Fehlern und deren Vorstufen für den Lernerfolg
hervorgehoben (VanLehn, Siler, Murray, Yamauchi & Baggett, 2003). Einen weiteren bedeutsamen Faktor stellt die motivationale
Unterstützung durch die Lehrperson dar (Deci & Ryan, 2000). Trotz des breiten Konsenses darüber, dass Scaffolding eine
wirksame Form der Lernunterstützung darstellt, besteht nach wie vor Bedarf an empirischen Untersuchungen, die zeigen, was
genau produktive Scaffolding-Prozesse im Kontext von schulischem Lernen auszeichnet.
Ziel der präsentierten Studie war es, Scaffolding Prozesse beim Lösen einer Aufgabe zu untersuchen, wie sie typischerweise im
Mathematikunterricht vorkommt. Dazu wurde von 26 Lehrpersonen je eine tutorielle Situation außerhalb des Klassenzimmers
aufgezeichnet und analysiert, um (u.a.) folgende Fragen zu beantworten: Unterscheiden sich erfolgreiche von nicht erfolgreichen
tutoriellen Dialogen (1) in Bezug auf das Vorkommen und die Behandlung von Fehlern und (2) in Bezug auf die Adaptivität der
Unterstützung?
Der aus der schweizerisch-deutschen Videostudie (Klieme, Pauli & Reusser, 2009) stammende Datensatz bestand aus 26
videografierten tutoriellen Lehrer-Schüler-Dialogen von 26 Lehrpersonen aus der Schweiz und aus Deutschland (8./9. Schuljahr).
Eine vorgegebene algebraische Textaufgabe wurde bearbeitet. Anschließend lösten die Schülerinnen und Schüler selbstständig
eine ähnliche Aufgabe. Anhand des Lösungserfolgs bei dieser Transfer-Aufgabe fand eine Unterteilung in “erfolgreiche” und
“nicht erfolgreiche” tutorielle Dialoge statt.
Die mehrteilige qualitativ ausgerichtete Analyse verbindet verschiedene Methoden:
(1) Anhand einer Aufgabenanalyse wurde der Lösungsprozess in Segmente unterteilt.
(2) Lehrer-Schüler-Interaktion: Ein Rating-Instrument wurde entwickelt, mit dem für jedes Segment das Ausmass (a) des
Unterstützungsverhaltens des Tutors und (b) des Beitrags des Schülers/der Schülerin eingeschätzt wurde. Anschließend wurde
die Passung zwischen (a) und (b) wurde gewertet.
(3) (Vorstufen von) Fehler: Vier Arten von Fehlern wurden festgestellt und ihr Ausmass bzw. ihre Bedeutung bezüglich des
Lösungsprozesses bestimmt.
(4) Die motivationale Unterstützung durch den Tutor wurde als „unterstützend“ oder „nicht unterstützend“ (Turner et al., 2002)
eingeschätzt.
(5) Aus den Analysen (1) bis (4) wurden über Verlaufsgrafiken und narrative Beschreibungen Typen des gemeinsamen
Problemlösens gebildet.
Die Ergebnisse zeigen, dass von den Fehlern diejenigen, die auf eine Fehlinterpretation des Textes zurückzuführen sind, in
dieser Studie am häufigsten auftreten. Die weiteren Ergebnisse zeigen, dass in erfolgreichen tutoriellen Dialogen Fehlern
mehrheitlich behoben worden waren. Bei den erfolglosen tutoriellen Dialogen war dies nicht der Fall.
In Bezug auf die Lehrer-Schüler-Interaktion zeigen die Ergebnisse, dass in erfolgreichen tutoriellen Dialogen die Unterstützung
durch die Lehrperson mit den Bedürfnissen des Schülers/der Schülerin übereinstimmte. Dagegen zeigte sich, dass in den nicht
erfolgreichen tutoriellen Dialogen in einzelnen Segmenten diese Passung zwischen Unterstützung und Bedürfnis nicht gegeben
war. Betrachtet man den Gesamtverlauf des Lösungsprozesses in Bezug auf das Scaffolding durch die Lehrperson ist erkennbar,
dass kontrolliertes Fading (Rückzug der unterstützenden Lehrperson abgestimmt auf den aktuellen Wissensstand des
Schülers/der Schülerin) nach Fehlern in erfolgreichen tutoriellen Dialogen häufiger beobachtet wurde als in nicht erfolgreichen.
In nicht erfolgreichen tutoriellen Dialogen wurde eine auf die Behebung von Fehlern folgende Unterstützung und Bestärkung des
Schülers/ der Schülerin nur selten beobachtet.
ID: 533 / H 02 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Motivation und Emotion
Stichworte: Bildungsaspiration, Bildungsentscheidung, Migrationshintergrund
Zur theoretischen Bedeutung und Vergleichbarkeit von Bildungsaspirationen: Variationen nach sozialer
und ethnischer Herkunft
Marina Trebbels
Universität Hamburg, Deutschland
Anknüpfend an Boudons (1974) Ansatz zur Erklärung sozialer Bildungsdisparitäten diskutiert die aktuelle Literatur ethnische
Bildungsdisparitäten als Resultat unterschiedlicher Voraussetzungen für schulischen Erfolg einerseits, und als Folge
systematisch unterschiedlicher Bildungsentscheidungen in Familien mit und ohne Migrationshintergrund andererseits (Heath und
Brinbaum 2007). Im deutschen Raum stützen sich empirische Untersuchungen von Bildungsentscheidungen bisher vornehmlich
auf die Analyse subjektiver Daten in Form von Bildungsaspirationen. Vorliegende Ergebnisse weisen darauf hin, dass Migranten
nicht erst bei Berücksichtigung von Unterschieden in der sozialen Position, sondern bereits vor Kontrolle entsprechender
Merkmale höhere Bildungsaspirationen äußern als Familien ohne Zuwanderungsgeschichte. Diese Beobachtung wird häufig
dahingehend interpretiert, dass die vergleichsweise niedrige Bildungsteilnahme von Migranten vor allem auf Unterschiede in der
Opportunitätsstruktur, nicht aber auf niedrigere Ambitionen zurückzuführen ist (z.B. Gresch et al. 2012; Klieme et al. 2010).
Dieser Schlussfolgerung liegt die geläufige Annahme einer kausalen Wirkung von Bildungsaspirationen auf
Bildungsentscheidungen und tatsächliche Übergänge zugrunde. Während longitudinale Analysen auf eine signifikante Korrelation
zwischen idealistischen und realistischen Bildungsaspirationen und tatsächlicher Bildungsteilnahme hinweisen (z.B. Beal und
Crockett 2010; Domina et al. 2011), sind jedoch sowohl die kausale Interpretation dieser Zusammenhänge als auch der prädiktive
Wert subjektiver Daten zur Vorhersage von Bildungsergebnissen umstritten: Aspirationen könnten vage Präferenzen ohne
Implikationen für das Bildungsverhalten von Schüler/-innen darstellen oder Resultat unzureichenden Wissens über das
Bildungssystem und/oder unrealistischer Selbsteinschätzungen sein (Alexander und Cook 1979; Kerckhoff 1977), und nicht nur
realistische, sondern auch idealistische Aspirationen würden weniger die Motivation von Schüler/-innen als ihre
Erfolgserwartungen widerspiegeln (Alexander und Cook 1979; Bourdieu 1973). Zudem bestehen Zweifel an der Annahme einer
universell gültigen theoretischen Bedeutung von Bildungsaspirationen und somit an ihrer uneingeschränkten Vergleichbarkeit
zwischen Schüler/-innen (cf. B. Becker 2010; Goyette 2008; Trebbels 2014).
Empirische Beobachtungen untermauern die Relevanz dieser Überlegungen für die sinnvolle Interpretation von Ergebnissen aus
der Analyse subjektiver Daten: Beispielsweise zeigen Studien, dass Schüler/-innen dazu tendieren, im Laufe der Bildungskarriere
nicht nur ihre realistischen, sondern auch ihre idealistischen Bildungsaspirationen an ihre wahrgenommenen
Erfolgswahrscheinlichkeiten anzupassen (Armstrong und Crombie 2000). Auch lassen sich in einigen westlichen Ländern
wachsende Diskrepanzen zwischen idealistischen Aspirationen, realistischen Aspirationen, Handlungsorientierungen zur
Realisierung geäußerter Aspirationen und tatsächlicher Bildungsteilnahme verzeichnen. Für den amerikanischen Raum wurde
zudem gezeigt, dass die Stärke dieser Zusammenhänge nach sozialem Status variiert (Goyette 2008).
Zudem nehmen empirische Studien meist den Übergang von der Primar- in die Sekundarstufe und damit elterliche Aspirationen
in den Blick. Einvernehmen besteht jedoch dahingehend, dass die Motivation von Schüler/-innen mit steigendem Alter an
Bedeutung gewinnt und Entscheidungen im Laufe der Bildungskarriere zunehmend von Schüler/-innen selbst getroffen werden
(Erikson und Jonsson 1996; Henz und Maas 1995). Untersuchungen zu den Bildungsaspirationen von Schüler/-innen in späteren
Phasen der Bildungskarriere und ihrer Bedeutung bei der Entstehung ethnischer Bildungsdisparitäten finden sich nur selten.
Der vorliegende Beitrag hat zum Ziel, tiefere Einblicke in die theoretische Bedeutung von Bildungsaspirationen von Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund und damit in deren Rolle bei der Erklärung ethnischer Bildungsdisparitäten zu
gewinnen. Untersucht werden zu diesem Zweck die simultane Entwicklung der idealistischen und realistischen
Bildungsaspirationen von Schüler/-innen der Sekundarstufe 1, der vorgenommenen Handlungen bzw. Handlungsorientierungen
zu deren Realisierung sowie in tatsächlichen Übergängen und den Ergebnissen verschiedener Leistungstests. Datengrundlage
bilden die verfügbaren Wellen der Startkohorten der fünften und neunten Jahrgangsstudie des Nationalen Bildungspanels. Die
Ergebnisse weisen auf eine Variation in der theoretischen Bedeutung der Bildungsaspirationen von Schüler/-innen mit und ohne
Migrationshintergrund und stellen somit deren uneingeschränkte Vergleichbarkeit infrage: Zum einen werden Unterschiede in
obigen Zusammenhängen und deren Entwicklungen zwischen Schüler/-innen mit und ohne Migrationshintergrund identifiziert.
Zum anderen weisen die Ergebnisse flexibler Schätzer für marginale Effekte (MERs) darauf, dass diese Unterschiede an
verschiedenen Stellen der Verteilung des sozialen Status unterschiedlich stark ausgeprägt sind.
ID: 536 / B 01 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Soziologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Lehrer(aus)bildung, Motivation und Emotion
Stichworte: Lehrerbildung, formale Lernumwelt Hochschule, allgemeine Interessen, Person-Environment-Fit, Studienbindung
Lehramtsstudierende und ihre Lernumwelt – die Bedeutung der hochschulischen Lernumwelt und der
Person-Umwelt-Passung für die Bindung an das Lehramtsstudium
Hilde Schaeper, Julia-Carolin Brachem, Kris-Stephen Besa
Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, Hannover
Die individuelle Passung zwischen einer Person und ihrer Umwelt wird im Sinne der organisationspsychologischen PersonEnvironment-Fit-Theorie mit Leistung, Engagement, Zufriedenheit sowie dem Verbleib in Studium und Beruf in Zusammenhang
gebracht (Caplan 1987; Etzel & Nagy 2015; Li et al. 2013; Ostroff & Rothausen 1997; Schmitt et al. 2008). Die Person-UmweltPassung wird dabei als Kongruenz, Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zwischen Merkmalen der Person und ihrer Umwelt
beschrieben (Edwards & Shipp 2007; Kristof-Brown et al. 2005).
Ein relevantes persönliches Merkmal stellen allgemeine Interessen dar, die „eine besondere, durch bestimmte Merkmale
charakterisierte herausgehobene Beziehung einer Person zu einem Gegenstand“ (Krapp 2010, S. 312) widerspiegeln. Angelehnt
an das arbeitspsychologische RIASEC-Modell von Holland (1997) werden hierbei häufig sechs Interessensdimensionen
unterschieden, unter anderem soziale, praktisch-technische und intellektuell-forschende Interessen.
Wie diverse Studien zeigen konnten, weisen Lehramtsstudierende verstärkt soziale Interessen auf (Roloff Henoch et al. 2015;
Rothland 2014; Sinclair 2008). Zudem scheinen sie eine gewisse Praxisorientierung mit zu bringen, wobei sich diese verstärkt
für Lehrkräfte an Primar- und Mittelschulen zeigt (Denzler & Wolter 2008; Klusmann et al. 2009). Cramer (2012, S. 496) weist
zudem darauf hin, dass ein ausgeprägtes Interesse an sozialen und praktisch-technischen Tätigkeiten als „positiver Indikator der
professionellen Entwicklung Lehramtsstudierender“ gelten kann.
Lernumwelten stellen einen wichtigen Kontextfaktor für Bildungsentscheidungen und Kompetenzentwicklung dar. Ausgehend
von Konzeptualisierungen aus der Forschung zur Unterrichtsqualität kann die Lernumwelt Hochschule, die hier als formale
Lerngelegenheit betrachtet wird (zur Unterscheidung von formalen, non-formalen und informellen Lerngelegenheiten vgl. Bäumer
et al. 2011), über das sogenannte SSCO-Modell mit den vier Dimensionen Struktur (Structure), Unterstützung (Support),
Herausforderung (Challenge) und Orientierung (Orientation) beschrieben werden (Bäumer et al. 2011; Schaeper & Weiß (im
Erscheinen)).
Vor diesem Hintergrund soll im vorliegenden Beitrag untersucht werden, (1) wie sich die hochschulische Lernumwelt,
insbesondere hinsichtlich der Aspekte Unterstützung und Orientierung, auf die Studienbindung von Lehramtsstudierenden
auswirkt und (2) ob sich differentielle Effekte der Hochschulumwelt in Abhängigkeit von den persönlichen
Interessensorientierungen der Lehramtsstudierenden (Person-Umwelt-Passung) zeigen.
Für die empirischen Analysen werden Daten der Startkohorte 5 des Nationalen Bildungspanels (NEPS) verwendet
(doi:10.5157/NEPS:SC5:4.0.0). Diese NEPS-Teilstudie untersucht im Längsschnitt und mit unterschiedlichen
Erhebungsverfahren eine Kohorte von Studienanfänger(inne)n des Wintersemesters 2010/2011 an deutschen Hochschulen. Die
Analysen, die auf der zweiten und vierten Panelwelle beruhen, berücksichtigen dabei zwischen 3.554 und 2.715
Lehramtsstudierende.
Der mögliche Zusammenhang zwischen der hochschulischen Lernumwelt und der Studienbindung sowie mögliche Effekte
unterschiedlicher Person-Umwelt-Passungen werden mittels Strukturgleichungsanalysen untersucht.
Mit Blick auf das potenziell soziale Interesse von Lehramtsstudierenden konzentrieren wir uns im Bereich der hochschulischen
Lernumwelt auf die Betrachtung der wahrgenommenen Unterstützung durch Lehrende und das soziale Klima (Support).
Hinsichtlich der angenommenen Praxisorientierung der Lehramtsstudierenden wird die wahrgenommene Orientierung der
Hochschule (Orientation), im Sinne einer Praxis- oder Forschungsorientierung, in den Blick genommen. Zur Operationalisierung
der Person-Umwelt-Passung wird die soziale, praktisch-technische und intellektuell-forschende Interessensorientierung der
Lehramtsstudierenden herangezogen. Bei der Studienbindung konzentrieren wir uns auf die affektive/identifikatorische
Komponente (Grässmann et al. 1998).
Erste Ergebnisse zeigen, dass die hochschulische Lernumwelt hinsichtlich der Aspekte Unterstützung und Orientierung einen
gewissen Teil der Varianz der Studienbindung von Lehramtsstudierenden aufklären kann (W2: R² = 25 Prozent; W4: R² = 14
Prozent). Dabei erhöht sich die Bindung der Lehramtsstudierenden an ihr Studium signifikant (p < 0,01), je besser die
Unterstützung durch Lehrende (W2: 31 Prozent; W4: 24 Prozent) und das soziale Klima (W2: 13 Prozent; W4: 9 Prozent)
eingeschätzt werden. Hinsichtlich der Orientierung der Hochschule, erhöht sich die Studienbindung, je stärker die praxisbezogene
(W2: 15 Prozent; W4: 10 Prozent) und die forschungsbezogene (W2: 12 Prozent; W4: 10 Prozent) Ausrichtung der Hochschule
wahrgenommen wird.
Über die Berücksichtigung von Interaktionseffekten und über Gruppenvergleiche erwarten wir zudem mögliche Auswirkungen
unterschiedlicher Person-Umwelt-Passungen sowie Unterschiede für Studierende verschiedener Lehramtstypen berichten zu
können.
ID: 538 / A 13 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Gesundheit/ Stress/ Belastung, Hochschulbildung, Lehrer(aus)bildung
Stichworte: Belastungserleben, Lehrerbildung, Selbstregulation
Die Bedeutung flexibler Zielanpassungsmechanismen für das Belastungserleben angehender Lehrkräfte
Christoph Schüle, Feßler Felix, Schriek Josina, Besa Kris-Stephen, Arnold Karl-Heinz
Universität Hildesheim, Deutschland
Theoretischer Hintergrund: Der Einstieg in den Beruf stellt für viele Lehrkräfte ein besonders kritisches Lebensereignis dar, in
dem sie mit einer Vielzahl von Veränderungen und Herausforderungen konfrontiert werden (Klusmann, Kunter, Voss & Baumert,
2012; Tynjälä & Heikkinen, 2011). Veenman (1984) vermutet hierzu, dass angehende Lehrkräfte im Zuge ihrer praktischen
Erfahrungen eine sich verstärkende Diskrepanz zwischen ihren persönlichen Zielen sowie Idealen und der praktischen Realität
erleben, welche wiederum einen Anstieg des individuellen Belastungsgefühls bedingt. Dem Zwei-Prozess-Modell der
Entwicklungsregulation folgend, können derartige Diskrepanzen zwischen einem derzeitig erlebten Ist- und einem angestrebten
Soll-Zustand durch zwei Regulationsmodi verringert oder beseitig werden (Brandtstädter, 2009; Brandtstädter & Renner, 1990;
Brandtstädter & Rothermund, 2002). Im assimilativen Regulationsmodus versucht eine Person hierbei, der belastenden
Diskrepanz durch aktives, bewusstes und kontrolliertes Problemlösen entgegenzutreten und Ziele sowie Intentionen bis zu ihrer
Erreichung hartnäckig zu verfolgen. Im akkommodativen Regulationsmodus erfolgt demgegenüber eine Verringerung der IstSoll-Diskrepanz durch die Anpassung der Ziele und Intentionen an die gegebene Situation und die vorhandenen
Handlungsoptionen (Meyer & Greve, 2012). Fragestellung: Der vorliegende Beitrag untersucht, (1) ob sich ein Anstieg des
Belastungserlebens bereits im Rahmen eines Praxissemesters des Lehramtsstudiums entfaltet, in dem zwar keine
eigenverantwortliche Übernahme der Aufgaben und Pflichten des Lehrerberufes erfolgt, aber dennoch einzelne
Unterrichtssequenzen und längere Einheiten von Studierenden selbstständig geplant sowie durchgeführt werden und (2)
inwiefern assimilative sowie akkommodative Regulationsmodi Lehramtsstudierenden helfen können, derartige Belastungen
abzupuffern. Methode: Insgesamt 99 Masterstudierende des Lehramtes an Grund-, Haupt- und Realschulen nahmen hierzu im
Rahmen ihres Praxissemesters zu zwei Messzeitpunkten an einer Paper-Pencil-Befragung teil. Der erste Messzeitpunkt (t1)
wurde am Beginn des ersten Mastersemesters durchgeführt. Zwischen dem ersten und zweiten Mastersemester begann für die
Studierenden, zwei Wochen nach Beendigung der Lehrveranstaltungen des ersten Mastersemesters, ein 18-wöchiges
Praxissemester. Da die Studierenden entsprechend ihres Curriculums ab der neunten Praktikumswoche neben ihren
obligatorischen Schulstunden, an zwei Tagen pro Woche zusätzlich ihre universitären Lehrveranstaltungen besuchten, wurde
von einer Konfundierung der Effekte der universitären Lehrveranstaltungen und des Praxissemesters ausgegangen. Daher
erfolgte eine zweite Befragung (t2) zu Beginn der Lehrveranstaltungsphase des zweiten Mastersemesters. Zur
Operationalisierung des Belastungserlebens der Studierenden wurde zu beiden Messzeitpunkten das Maslach Burnout Inventory
(MBI) genutzt. Die Erhebung der assimilativen sowie akkomodativen Regulationsmodi erfolgte an beiden Befragungen mittels
der von Brandtstädter und Renner (1990) entwickelten tenacious goal pursuit and flexible goal adjustment scale. Ergebnisse:
Aufgrund der hohen Interkorrelationen der Faktoren des MBI zu beiden Messzeitpunkten, wurde das Belastungserleben der
befragten Studierenden als Faktor zweiter Ordnung modelliert. Die Veränderung über die Zeit wurde mittels einer Latent-ChangeAnalyse untersucht. Diese zeigt einen mittelgroßen Anstieg im untersuchten Praxissemesters (χ² = 10.89; df = 7; p = n.s.; CFI =
.975; RMSEA = .075; d = .54). Demgegenüber erweisen sich sowohl die assimilative Operationalisierung der hartnäckigen
Zielverfolgung (χ² = 17.98; df = 9; p < .05; CFI = .969; RMSEA = .100; d = -.01) als auch die akkommodative Operationalisierung
der flexiblen Zielanpassung (χ² = 8.09; df = 9; p = n.s.; CFI = 1.00; RMSEA = .000; d = .06) in den einzelnen Latent-ChangeAnalysen als zeitstabil. Im Rahmen eines latenten autoregressiven Modells (χ² = 200.301; df = 123; p < .01; CFI =.908; RMSEA
= .080) zeigen sich zudem die kreuzverzögerten Pfade der hartnäckigen Zielverfolgung (β = -.47; SE = .23; z = -2.03; p < .05)
und flexiblen Zielanpassung (β = -.29; SE = .15; z = -1.99; p < .05) zu t1 auf das Belastungserleben der Studierenden zu t2 als
signifikant.
ID: 540 / D 12 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Hochbegabung
Stichworte: Begabung, Grundschulkinder, Lehrkräfte, Eltern, Merkmalseinschätzungen
Wen(n) Lehrkräfte auswählen: Wer besucht ein außerunterrichtliches Förderprogramm für sehr begabte
und hochbegabte Grundschulkinder aus Sicht von Lehrkräften, Eltern und Schüler/inne/n?
Sandra Rothenbusch1,2, Ingo Zettler3, Thamar Voss2
1
Universität Hannover, Deutschland; 2Universität Tübingen, Deutschland; 3University of Copenhagen, Dänemark
Theoretischer Hintergrund
Lehrkräfte werden oft gebeten Schülerinnen und Schüler (SuS) für Begabtenfördermaßnahmen zu identifizieren. Laut
Lehrerangaben müssen SuS exzellente intellektuelle und kreative Fähigkeiten sowie hohe motivationsbezogene Merkmale
vorweisen, um von ihnen als begabt angesehen zu werden (Schack & Starko, 1990). Lehrkräfte fokussieren damit zentrale
Merkmale vieler Hochbegabungskonzeptionen (siehe Sternberg & Davidson, 2005).
Lehrkräfte können die Intelligenz ihrer SuS relativ gut einschätzen (z.B. r = .51; Fischbach, Baudson, Preckel, Martin, & Brunner,
2013), jedoch werden niedrigere Übereinstimmungswerte für kreativitäts- (Gralewski & Karwowski, 2013, Urhahne, 2011) und
motivationsbezogene (Spinath, 2005) Schülermerkmale berichtet. Lehrerbeurteilungen werden teilweise durch das Geschlecht
(Gralewski & Karwowski, 2013, Hinnant, O’Brien & Ghazarian, 2009, Siegle & Reis, 1998), die Schulleistungen (Fischbach et al.,
2013; Urhahne, 2011) und den sozioökonomischen Status (Speirs Neumeister, Adams, Pierce, Cassady, & Dixon, 2007) der SuS
beeinflusst. Zusätzlich scheinen Lehrkräfte den Zusammenhang zwischen einigen Schülermerkmalen zu überschätzen (Urhahne,
2011).
Von Lehrkräften für Begabtenförderprogramme ausgewählte SuS entsprechen also möglicherweise nur teilweise den
Lehrereinschätzungen. Allerdings bilden sie eine hoch selektive Gruppe, über die recht wenig bekannt ist. Welche Merkmale sie
charakterisieren, wie diese Merkmale zusammenhängen und von anderen wahrgenommen werden, sind relevante Informationen,
um beispielsweise Fördermaßnahmen konzipieren oder adaptieren zu können.
Fragestellung
Im Zentrum der Untersuchung standen zwei Fragen. Zum einen interessierten die Ausprägungen intellektueller Fähigkeiten, des
kreativen Denkens und der Anstrengungsbereitschaft von SuS, die von Lehrkräften für ein Begabtenförderprogramm ausgewählt
wurden. Dafür konzentrierten wir uns auf drei Perspektiven: die der Lehrkräfte, der SuS und ihrer Eltern.
Zum anderen analysierten wir, inwiefern diese Merkmale miteinander, mit dem Geschlecht, der durchschnittlichen Schulnote und
dem sozioökonomischen Status der SuS zusammenhängen. Wir betrachteten die Merkmalszusammenhänge innerhalb und
zwischen den drei Perspektiven.
Methode
Die Stichprobe umfasste Lehrereinschätzungen von 950 SuS, die von den Lehrkräften für den Besuch eines außerunterrichtlichen
Förderprogramms für sehr begabte und hochbegabte Grundschulkinder ausgewählt wurden, Test- und Fragebogendaten von
525 am Programm teilnehmenden SuS sowie Elterneinschätzungen von 809 am Programm teilnehmenden SuS. Die Anzahl der
SuS, denen wir Daten aus mehreren Perspektiven zuordnen konnten, lag bei NLehrkräfte/SuS = 156, NEltern/SuS = 374,
NLehrkräfte/Eltern = 354 und NLehrkräfte/Eltern/SuS = 114. Die SuS waren durchschnittlich 9 Jahre alt (SD = 1; 44% Mädchen).
Lehrkräfte reichten bei Anmeldung der SuS beim Begabtenförderprogramm jeweils eine Checkliste mit der Einschätzung der
verbalen, mathematischen und nonverbalen Fähigkeiten, des kreativen Denkens und der Anstrengungsbereitschaft ein.
Nachdem die Kurse des Begabtenförderprogramms begonnen hatten, testeten wir die SuS während ihrer Kurszeit zu den
entsprechenden Merkmalen. Die SuS reichten Elternfragebögen mit Einschätzungsskalen und Fragen zum sozioökonomischen
Status an ihre Eltern weiter.
Ergebnisse
Die Faktorenstrukturen der Einschätzungsskalen der Lehrkräfte und Eltern zeigten gute Model Fits (z.B. CFI > ,900; RMSEA <
,035). Die von Lehrern und Eltern eingeschätzten Schülermerkmale (intellektuelle Fähigkeiten, kreatives Denken und
Anstrengungsbereitschaft) hingen jeweils stärker miteinander zusammen als die getesteten Schülermerkmale untereinander
(Lehrkräfte: ,52 ≤ r ≤ ,78; Eltern: ,19 ≤ r ≤ ,52; SuS: -,03 ≤ r ≤ ,28). Jedes von Lehrkräften und Eltern eingeschätzte Schülermerkmal
war signifikant mit den Schulnoten assoziiert (Lehrkräfte: -,34 ≤ ß ≤ -,23; Eltern: -,42 ≤ ß ≤ -,10). Die Schulnoten waren ebenfalls
mit den getesteten intellektuellen Fähigkeiten assoziiert (-,36 ≤ ß ≤ -,29), jedoch nicht mit den Testwerten zum kreativen Denken
und zur Anstrengungsbereitschaft. In einem gemeinsamen Modell standen weder das Geschlecht noch der sozioökonomische
Status der SuS signifikant mit den Testergebnissen in Zusammenhang. Bei den Lehrkräften und Eltern zeigten sich jedoch
geschlechtsstereotype Wahrnehmungen. Sie schätzen zudem die verbalen Fähigkeiten von SuS mit niedrigerem
sozioökonomischem Status geringer ein. Die drei Perspektiven waren gering bis mittelstark assoziiert.
Im Vortrag werden detaillierte Analysen vorgestellt und diskutiert sowie ein auf die Theorie und Praxis bezogener Ausblick
gegeben.
ID: 542 / F 04 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich
Stichworte: Bildungsreform, Öffnung, nachträgliche Bildung, Bildungsverlauf, soziale Ungleichheit
Soziale Ungleichheit beim Nachholen des Abiturs
Oliver Winkler
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Deutschland
Seit vier Jahrzehnten können in allen Bundesländern Reformanstrengungen beobachtet werden, die darauf zielen, die Offenheit
und Durchlässigkeit des Bildungssystems zu erhöhen. Während die Hauptlinie dieser Reform auf die Einführung der
Gesamtschule setzte, versuchte eine Nebenlinie dieser Reform (vor allem durch Curricula-Angleichungen) die vertikale Mobilität
zwischen Ausbildungsgängen zu vergrößern, sodass Absolventen einer Schulform sukzessiv höhere Bildungszertifikate
erwerben können. Mit Hilfe dieser nachträglichen Bildungsmöglichkeiten sollen Bildungswege so lange wie möglich offen
gehalten und Bildungsentscheidungen an früheren Schwellen im Bildungsverlauf korrigierbar gemacht werden. Ob bei diesen
Übergängen in nachträgliche Bildung schichtspezifische Unterschiede auftreten oder ob es sich um einen Prozess handelt, der
sozialstrukturell neutral verläuft, ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.
In theoretischer Hinsicht können drei Positionen zu den schichtspezifischen Übergangschancen postuliert werden. Eine erste
Annahme lautet, dass niedrigere Sozialschichten trotz der durch die Bildungsexpansion geschaffenen erweiterten
Bildungsangebote hiervon wenig Gebrauch machen. Vermutlich haben diese Angebote nicht zu einer Verminderung sozialer
Ungleichheit geführt, weil davon auszugehen ist, dass Sozialschichten bei diesen Bildungsentscheidungen mit ähnlichen KostenNutzen-Analysen operieren, wie bei früheren Bildungsübergängen (vgl. auch Hillmert & Jacob 2005). Zudem existieren vermutlich
"verspätete" kumulative Vorteile und große Anreize aus dem Statuserhaltmotiv für höhere Sozialschichten beim nachträglichen
Bildungserwerb (Elman & O'Rand 2004; Breen & Goldthorpe 1997). Eine konfligierende Annahme besagt hingegen, dass ein
Bildungssystem, das früh selektiert, eine größere Gruppe von Personen produziert, die unter ihren Möglichkeiten bleibt. Es
handelt sich um Personen, die ein entsprechendes Leistungsvermögen besitzen, aber durch sekundäre Herkunftseffekte zu
„verhinderten“ Aufsteigern werden. Unter den späten Aufsteigern können Personen aus mittleren Sozialschichten sein, die
während der Realschulzeit gute schulische Leistungen erzielt haben. Für diesen Personenkreis kann das Nachholen des Abiturs
dann die „Überprüfung“ bzw. Realisierung sein (Bourdieu & Wacquant 1994), dass die (nachteilige) Zuordnung im Kindes- und
Jugendalter in einen Bildungsgang aufgrund von sekundären Herkunftseffekten zustande kam. Sie profitieren als „leicht“
Privilegierte von der Öffnung, insbesondere durch den Zweiten Bildungsweg, die für sie zur „zweiten Chance“ wird, weil nun
angenommen werden kann, dass die Leistungen und Aspirationen im Vergleich zum ersten Bildungsübergang stärker
miteinander korrespondieren. Eine weitere Alternativhypothese besagt, dass das Standardmodell des kumulativen
Bildungserwerbs nach Mare (1980) und Boudon (1974) nicht zur Struktur des deutschen Bildungssystems passt, weil
Aufstiegsqualifikationen institutionell eine Besonderheit darstellen. Die Realschule, die institutionell für den Übergang in eine
eigenständige Ausbildung konzipiert wurde, erfährt durch die Öffnung eine weitere Funktion, indem sie auch den Übergang in
das Gymnasium bahnen soll. Die Entscheidung, ob eine Laufbahn anvisiert wird, die zum Abitur führt, kann im Rahmen dieser
Doppelfunktion der Realschule auf einen späteren Zeitpunkt „verlegt“ bzw. kann ein Übergangspunkt "schleichend abgebaut"
werden. Weil eine höhere Anzahl von Entscheidungspunkten im Bildungsverlauf mit stärkerem Einfluss sekundärer
Herkunftseffekte einhergeht, kann angenommen werden, dass Disparitäten hier weniger stark ausfallen.
Empirisch werden diese Annahmen mit der Erwachsenenkohorte des NEPS ereignisdatenanalytisch überprüft. Untersucht wird
die Übergangschance in den gymnasialen Bildungsgang oder Einrichtungen des Zweiten Bildungswegs nach Erhalt der mittleren
Reife. Die Übergangsraten werden parametrisch durch flexible Spline-Funktionen modelliert (Lambert & Royston 2009).
Bei der Zeitdynamik zeigt sich, dass der Prozess des Abitur-Nachholens bei den oberen Schichten sehr viel schneller eingeleitet
wird, während er sich bei den unteren Schichten dieser Prozess über einen sehr viel längeren Zeitraum erstreckt. Die multivariate
Analyse weist nach, dass insbesondere die mittlere Mittelschicht überproportional direkt im Anschluss an die Realschule noch
auf eine gymnasiale Form weitergeht. Diese Möglichkeiten werden von den älteren Kohorten mehr in Anspruch genommen als
von den jüngeren. Insgesamt verweisen diese Ergebnisse auf erfolgreiche Öffnungen für risikoaversere Sozialschichten. Dieses
kompensierende Muster, das sich vor allem auch im Vergleich zum Übertrittsverhalten nach der Grundschule zeigt, ist bei noch
späteren Nachholprozessen weniger ausgeprägt, die insgesamt selten bleiben.
ID: 544 / E 02 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Didaktik Deutsch, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Lese- und Sprachförderung, Unterrichtsentwicklung/ Unterrichtsqualität
Stichworte: individuelle Lernunterstützung, Rechtschreibschwierigkeiten, DaZ, Lehrerprofesionalisierung, Lehrerfortbildung
Individuelle Lernunterstützung zur Überwindung von Rechtschreibschwierigkeiten
Irene Corvacho del Toro
Goethe-Universität, Deutschland
Schüler mit einer diagnostizierten Rechtschreibstörung sind im besonderen Maße in ihrer kognitiven, sozialen und emotionalen
Entwicklung gefährdet. Eine Rechtschreibstörung wirkt sich erheblich auf das schulische Lernen und das soziale Miteinander in
der Schulgemeinschaft aus (von Suchodoletz, 2010). In der Regel bleibt die Rechtschreibleistung langfristig auf stabil niedrigem
Niveau (Klicpera, Gasteiger-Klicpera & Schabmann, 2006; Esser, Wyschkon & Schmidt, 2002; von Suchodoletz, 2007). Ohne
Förderung ist sogar eine Leistungsverschlechterung zu erwarten (Klicpera & Schabmann, 1993).
Bei Schwierigkeiten im Erlernen der Rechtschreibung kann von einer erhöhten Abhängigkeit der Rechtschreibleistung des
Schülers vom Fachwissen der Lehrkraft und vom gut strukturierten Lehr- und Lernmaterial ausgegangen werden (Corvacho del
Toro & Thomé, 2013; Ise & Schulte-Körne, 2012). Das Fachwissen betrifft insbesondere den Zusammenhang zwischen dem
Sprach- und Schriftsystem sowie der Systematik der deutschen Orthographie. Aus fachdidaktischer Perspektive kommen der
qualitativen Fehleranalyse sowie dem Wissen um geeignete Erklärungsansätze eine bedeutende Rolle zu (Corvacho del Toro,
2013, 2014). Eine individuelle Lernunterstützung gilt allgemein als besonders effektiv (Hardy et al., 2011). Im Bereich der
Rechtschreibförderung und –therapie liegen erste Nachweise für die Wirksamkeit einer individuellen Förderung vor (Corvacho
del Toro, 2015). In der Frage der Professionalisierung von Lehrkräften liegen sowohl Befunde zu den Merkmalen von effektiven
Lehrerfortbildungen als auch Nachweise im Bereich des Lesens- und Schreibenlernens für effektive
Professionalisierungsmaßnahmen vor (McCutchen & Berninger, 1999).
Die vorliegende Studie überprüft im Prä-Post-Design, ob Lehrkräfte durch eine Lehrerfortbildung zur „individuellen
Lernunterstützung bei Rechtschreibschwierigkeiten“ ihren Schülern zu einer signifikanten und bedeutsamen Verbesserung in der
Rechtschreibleistung verhelfen können. Die Stichprobe umfasst 60 Schüler der 5., 6., und 7. Klasse (Realschule/Gymnasium),
die aufgrund ihrer schwachen Rechtschreibleistung schulische Förderkurse besuchen. Als Kontrollgruppe fungieren die Schüler
der gleichen Klassenstufe, die an der Maßnahme nicht teilnehmen. Es werden sieben Förderkurse angeboten, die von fünf
Lehrkräften durchgeführt werden. Die teilnehmenden Lehrkräfte haben an einer Fortbildung teilgenommen und werden bei der
Implementierung durch Coachings und Beratungsgespräche begleitet. Die Rechtschreibleistung wird standardisiert mit der HSP
(May, 2012) und im integrierten Schreiben mit der OLFA 3-9 (Thomé & Thomé, 2014) erhoben. Die Intervention sieht 20
Sitzungen vor. Zum Ende der Intervention (März 2016) und zum Ende des Schuljahres (Juli 2016) werden die Lehrkräfte mittels
Leitfaden-Interview befragt, um explorativ mögliche Veränderungen in Einstellungen und Überzeugungen zum
Rechtschreiberwerb und Rechtschreibdidaktik zu untersuchen.
Der Vortrag stellt das Design und die Inhalte der Fortbildung vor. Darüber hinaus werden die Rechtschreibprofile zu Anfang der
Intervention beschrieben und die daraus aufbauenden Fördermaßnahmen beschrieben.
ID: 546 / B 01 Einzelbeiträge: 5
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Sonstige Didaktiken, Didaktiken der Geschichte, Philosophie, Religion,
Gesellschaftswissenschaften
Thematisches Cluster: Unterrichtsentwicklung/ Unterrichtsqualität, Sonstiges
Stichworte: Sportunterricht, Längsschnitt, Motorik, Motivation, Mehrebenenanalyse
Einfluss von Lehrermerkmalen auf motorische und motivationale Aspekte bei Schülern. Ergebnisse aus
der IMPEQT-Studie
Erin Gerlach1, Seiler Sara2, Benjamin Niederkofler3, Christian Herrmann2
1
Universität Potsdam, Deutschland; 2Universität Basel, Schweiz; 3Universität Salzburg, Österreich
Einleitung:
Vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklung einer Schuleffektivitätsforschung in den Kernfächern sind auch die „weichen“
Fächer gefordert, empirische Analysen zur Wirksamkeit unterrichtlicher Maßnahmen und dem Einfluss ihrer Lehrkräfte
vorzulegen. Allerdings ist die Befundlage für das Fach Sport vergleichsweise unbefriedigend (Gerlach et al., 2010). Dies liegt
zum Teil daran, dass man sich über Indikatoren für Schülerlernleistungen bislang kaum eignen konnte. Kleinster gemeinsamer
Nenner sind allerdings im Bereich einer Bewegungskompetenz die Förderung von Kompetenzen und von Motivation zu
lebenslangen Aktivitäten in der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur und im Feld einer Reflexions- und Urteilskompetenz eine
kritisch-konstruktive Teilhabe an der Bewegungskultur. Im Bereich der Bewegungskompetenz zählen neben motorischen
Lernleistungen auch explizit motivationale und volitionale Aspekte zum Zielspektrum des Sportunterrichts. Daher besteht hohes
Interesse daran, relevante Determinanten motorischer und motivationaler Aspekte auf Schülerseite im Sportunterricht zu
identifizieren. Der vorliegende Beitrag geht daher der Fragestellung nach, inwieweit Merkmale der Sportlehrkräfte (Educational
Beliefs, personale Aspekte) und Merkmale guten Sportunterrichts aus Sicht der Lehrkräfte motorische und motivationale Aspekte
auf Seiten der Schüler vorhersagen.
Methode:
In der durch die Eidgenössische Sportkommission finanzierten IMPEQT-Studie (*Im*plementation in *P*hysical *E*ducation and
the *Q*uality of *T*eaching) der Universität Basel, wurden im Rahmen eines einjährigen Längsschnitts neben Merkmalen der
Klassenkomposition (Geschlechtsverteilung, Migrationshintergrund) motorische Basiskompetenzen (Hermann et al., 2015;
Herrmann et al., in review) und motivationale Merkmale (Interesse, Anstrengungsbereitschaft, Selbstkonzept) von knapp 1000
Schülern an Schweizer Schulen erhoben. Parallel wurden Lehrermerkmale (z.B. Enthusiasmus, Burnout) von 42 Lehrkräften und
deren eigenen Einschätzungen der Unterrichtsqualität (z.B. Wirkungs- und Kompetenzorientierung) erhoben. Auf Grund der
geschachtelten Datenstruktur wurden mit Hilfe von Mehrebenanalysen die Veränderung motivationaler und motorischer Aspekte
auf Schülerseite im Längsschnitt analysiert.
Ergebnisse:
In den Mehrebenenanalysen konnten negative Einflüsse des Burnoutmerkmals "Emotionale Erschöpfung" auf die Veränderung
der motivationalen Merkmale ermittelt werden. Einschätzungen der Unterrichtsqualität aus Lehrerperspektive hatten dagegen
kaum Erklärungskraft. Motorische Aspekte wurden - u.a. auf Grund ihrer hohen Stabilität - kaum beeinflusst. Merkmale der
Klassenzusammensetzung (Geschlechtsverteilung, Migrationshintergrund) hatten lediglich einen Einfluss auf die Ausprägung
von Schülermerkmalen, jedoch kaum auf deren Veränderung über ein Jahr. Dabei zeigten Klassen mit höherem Anteil an
Mädchen und Kindern mit Migrationshintergrund schwächere motorische Leistungen. Klassen mit höherem Anteil an Mädchen
zeigten jedoch eine bessere motivationale Entwicklung.
Diskussion:
Die Ergebnisse zeigen, dass personale Aspekte der Lehrkräfte zwar zur Veränderung von Schülermerkmalen im Sportunterricht
beitragen, deren Einschätzung der eigenen Unterrichtsqualität spielte jedoch kaum eine Rolle. Dies stellt einerseits die Frage
nach der unterschiedlichen Wahrnehmung der Unterrichtsqualität aus Sicht von Lehrkräften, Schülern und Beobachter (Clausen,
2002), aber auch nach einer spezifischen Betrachtung der Unterrichtsqualität im Fach Sport. Darüber hinaus ist die "alte" Frage
des geschlechtsheterogenen vs. geschlechtshomogenen Unterrichts im Fach Sport zu diskutieren.
ID: 548 / B 03 Einzelbeiträge: 3
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, Vorschulische Bildung
Stichworte: Frühe naturwissenschaftliche Bildung, pädagogische Qualität, Kompetenz, professionelles Handeln
Die Interaktion von Einrichtungsqualität und Kompetenz bei der Vorhersage pädagogischer
Prozessqualität im Bereich früher naturwissenschaftlicher Bildung
Hendrik Lohse-Bossenz, Julia Rienow
PädQUIS gGmbH, Deutschland
Theoretischer Hintergrund und Zielstellung
Im Zuge vielfältiger Bildungsreformen im frühkindlichen Bereich nimmt die Gestaltung pädagogischer Angebote und Aktivitäten
im Bereich früher naturwissenschaftlicher Bildung einen zunehmend größeren Raum ein. Viele Fachkräfte zeigen in diesem
Bereich jedoch große Zurückhaltung (z.B. Zimmermann, 2011) und scheinen durch die Ausbildung nur unzureichend vorbereitet
zu sein (z.B. Lankes et al., 2011). Eine grundlegende Frage ist, welche Faktoren die Häufigkeit pädagogischer Aktivitäten
beeinflussen. Einige im Bereich der Frühpädagogik entwickelte Modelle nehmen eine „Setting-Perspektive“ ein und sehen die
Qualität und Quantität pädagogischer Prozesse durch die in der Einrichtung vorhandene Struktur- und Orientierungsqualität
bedingt (Tietze et al., 1998). Eher psychologisch orientierte Modelle rücken die individuellen Kompetenzen der Fachkräfte als
ursächlich für deren professionelles Verhalten in den Mittelpunkt (z.B. Anders et al., 2012; Fröhlich-Gildhoff et al., 2011). Der
vorliegende Beitrag zeigt empirisch, dass für die Vorhersage von Prozessqualität eine Berücksichtigung beider Perspektiven
zielführend ist, da individuelle Kompetenzaspekte (Selbstwirksamkeitserwartung) den Einfluss von Strukturqualität (Materialien)
und Orientierungsqualität (Stellenwert früher naturwissenschaftlicher Bildung) auf die Prozessqualität (Häufigkeit durchgeführter
naturwissenschaftlicher Aktivitäten) moderieren.
Methode
Im Rahmen eines von der Klaus Tschira Stiftung geförderten Projekts wurden 127 frühpädagogische Fachkräfte (maximal zwei
aus derselben Einrichtung) zu folgenden Aspekten befragt: Vorhandensein bestimmter Materialien (z.B. „Messbecher“; 78 Items;
0 = nicht vorhanden, 1 = vorhanden; M = 54.20, SD = 11.13), Stellenwert verschiedener Bildungsbereiche in ihrer Bedeutung für
die konzeptionelle Arbeit in der Einrichtung (6 Bereiche; 1 = weniger wichtig bis 6 = wichtig; Verwendung des mittleren
Rangplatzes für „Mathematik, Naturwissenschaft, (Informations-)Technik“; M = 2.16, SD = 1.16), Aktivitäten zur frühen
naturwissenschaftlichen Bildung (z.B. „Mit der Lupe etwas untersuchen“; 8 Items; 1 = gar nicht/selten bis 6 = täglich; M = 2.94,
SD = 1.14) und Selbstwirksamkeitserwartungen für frühe naturwissenschaftliche Bildung (z.B. „Ich schaffe es, unterschiedliche
Situationen zu nutzen, um den Kindern das Beobachten und Erkunden naturwissenschaftlicher Phänomene näherzubringen.“;
10 Items; 1 = trifft gar nicht zu bis 5 = trifft völlig zu; α = .83; M = 3.44, SD = 0.56).
Ergebnisse
Die Schätzung verschiedener linearer Regressionsmodelle zeigt, dass die Anzahl an Materialien (β = .37), aber nicht der
Stellenwert früher naturwissenschaftlicher Bildung in der Einrichtung (β = .02) signifikant die Häufigkeit entsprechender Angebote
vorhersagt (R2 = .13). Auch Selbstwirksamkeit zeigt in einem separaten Modell keinen bedeutsamen Einfluss (β = .15, R2 = .02).
In einem gemeinsamen Modell mit den drei Einflussfaktoren ist nur das strukturelle Merkmal prädiktiv (β = .35, R2 = .14). Fügt
man jedoch die zwei Interaktionsterme zwischen Einrichtungsmerkmalen und Selbstwirksamkeit hinzu, so zeigt sich eine
statistisch signifikante Moderation zwischen dem Stellenwert früher naturwissenschaftlicher Bildung in der Einrichtung und der
Selbstwirksamkeit (β = -.47, R2 = .35): Für Personen mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung spielt der Stellenwert früher
naturwissenschaftlicher Bildung eine geringe Bedeutung für die Häufigkeit entsprechender Angebote. Besitzt eine Fachkraft
jedoch eine geringe Selbstwirksamkeitserwartung, so hängt die Häufigkeit der Angebote positiv mit dem Stellenwert zusammen;
sie wird naturwissenschaftliche Aktivitäten mit den Kindern häufiger durchführen, wenn der Stellenwert dieses Bildungsbereichs
in der Einrichtung hoch ist.
Diskussion
Die hier dargestellten Ergebnisse verbinden auf einer allgemeinen Ebene zwei Perspektiven auf pädagogische Prozesse im
frühkindlichen Bereich, indem einerseits gezeigt werden kann, dass Merkmale der Einrichtung einen unmittelbaren Einfluss auf
die Prozesse in der Einrichtung haben (Strukturqualität auf Prozesse). Andererseits moderieren individuelle Kompetenzaspekte
der Fachkraft die Wirkung der Einrichtung auf die stattfindenden Prozesse. Diese Wechselwirkungen müssen jedoch noch in
Bezug auf andere Einrichtungs-, Kompetenz- und Prozessmerkmale untersucht werden. Auf einer spezifischen Ebene ergeben
sich zwei Ansatzpunkte, um frühe naturwissenschaftliche Bildung stärker in den Einrichtungen zu verankern: 1. Erhöhung der
individuellen Selbstwirksamkeitserwartungen z.B. im Rahmen von Fortbildungen und 2. Steigerung des Stellenwerts innerhalb
der Einrichtung z.B. durch systematische Konzeptionsarbeit in den Einrichtungen.
ID: 554 / F 05 Einzelbeiträge: 2
Einzelbeitrag
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung, Hochschulbildung
Stichworte: Bildungsverläufe, Studienberechtigte, Sequenzmusteranalyse
Die nachschulischen Bildungsverläufe von ost- und westdeutschen Studienberechtigten der Kohorten
1990 und 1999 – Erfolgreich trotz unterschiedlicher Startbedingungen?
Heike Spangenberg
Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, Deutschland
Mit der politischen Wende im Jahr 1989 und der anschließenden Wiedervereinigung Deutschlands standen die ostdeutschen
Abiturient(inn)en der Kohorte 1990 vor der Herausforderung, ihre noch in der DDR gefassten Bildungsentscheidungen an die
neuen Gegebenheiten anzupassen. Die Studienberechtigten der Schulabschlusskohorte 1999 hatten indes nahezu ihre gesamte
Schulzeit im wiedervereinigten Deutschland absolviert. Die institutionellen, aber auch die wirtschaftlichen Bedingungen beim
Start in die berufliche Qualifizierung unterschieden sich nicht nur zwischen den beiden Schulabschlusskohorten, sondern auch
zwischen ost- und westdeutschen Studienberechtigten.
Der Übergang in die anschließende nachschulische Qualifizierung ist eine „sensible“ Phase von besonders nachhaltiger Prägung
für die weitere Bildungs- und Berufsbiografie (Blossfeld, 1988), denn die dort verliehenen Bildungszertifikate sind in unserer
Gesellschaft von zentraler Bedeutung für den Erwerbseinstieg und -verlauf, und zudem unterliegen Entwicklungen im Lebenslauf
endogenen Kausalzusammenhängen (Mayer, 1990). Das Endogenitätsprinzip ebenso wie die zwischen Ost- und
Westdeutschland sowie zwischen den Studienberechtigtenkohorten differierenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und
institutionellen Bedingungen, die einen jeweils spezifischen Rahmen für individuelles Handeln schaffen, lenken das
Untersuchungsinteresse auf den Vergleich der nachschulischen Bildungsverläufe in ihrer Gesamtheit, also unter
Berücksichtigung von Studium, Berufsausbildung, Fortbildung und Promotion. Im Zentrum steht dabei die Frage nach
Konvergenzen bzw. Differenzen zwischen ost- und westdeutschen Studienberechtigten im Kohortenvergleich. Finden sich bei
den ostdeutschen Studienberechtigten beider Kohorten trotz schwieriger Rahmenbedingungen jeweils ähnliche
Bildungsverlaufsmuster wie bei den westdeutschen Schulabsolvent(inn)en? Aufgrund vorhandener Interdependenzen zwischen
Bildung, Beruf und Familiengründung (vgl. Mayer, 1990) sind neben dem Bildungs- auch der Erwerbs- und Familienverlauf zu
berücksichtigen.
Das Lebensverlaufskonzept (Elder & Rockwell, 1978; Kohli, 1985; Mayer, 1990) mit seiner dynamischen Forschungsperspektive,
die die Betrachtung von längeren Sequenzen, und zwar sowohl von Übergängen als auch Verläufen, ermöglicht, wurde zur
Untersuchung der individuellen Bildungsverläufe von Studienberechtigten im Transformationsprozess als Gerüst herangezogen,
anhand dessen Lebensverlaufssequenzen verschiedener Regionen und Kohorten hinsichtlich des Auftretens von Ereignissen,
deren Dauer und Abfolge verglichen wurden. Lebensverlaufsanalysen integrieren darüber hinaus u. a. Ansätze rationaler,
situationsbezogener Entscheidungsfindung (Mayer, 1990).
Die Studien- bzw. Ausbildungsentscheidung ist von hoher Relevanz für die zukünftige Lebensgestaltung, sodass der Akteur im
Entscheidungsprozess versucht, die individuellen Konsequenzen verschiedener Handlungsalternativen abzuschätzen und so
das Risiko einer Fehlentscheidung zu mindern. Instabile Rahmenbedingungen, wie sie insbesondere in den ersten Jahren des
Transformationsprozesses in Ostdeutschland durch umfassende strukturelle Veränderungen vorlagen, erschweren die
Antizipation und könnten beispielsweise zu einer zeitlichen Ausdehnung des Übergangs in
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