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Prof. Dr. Jan Henrik Klement Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht Sommersemester 2014

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Prof. Dr. Jan Henrik Klement Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht Sommersemester 2014
Prof. Dr. Jan Henrik Klement
Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht
Besonderes Verwaltungsrecht III: Wirtschaftsverwaltungsrecht
Sommersemester 2014
Tutorium – Fall 6: Ein Geselle will mehr
Inhalte: Eintragung in die Handwerksrolle; Vorgaben des Unionsrechts für das Handwerksrecht; Inländerdiskriminierung
Sachverhalt:
Der französische Staatsbürger François (F) erlernte in einem Malerbetrieb in Frankreich das
Handwerk des Malers und Lackierers. Im Dezember 2005 legte er dort die Gesellenprüfung
ab. Anschließend war er einige Monate als angestellter Geselle in seinem vormaligen Ausbildungsbetrieb tätig. Schon im Jahr 2006 hatte F vom Angestelltendasein genug und erstand in
Frankreich eine eigene Werkstatt, in welcher er sein Gewerbe eigenständig ausübte.
Im Jahr 2012 lernte F die Frau seiner Träume kennen: Friseurin Annemarie, die im nahegelegenen saarländischen Städtchen Saarstadt einen eigenen Laden betrieb. Die Liebe zwischen
beiden war so groß, dass F schon bald „Nägel mit Köpfen“ machte. Unter dem Eifelturm als
eisern schweigendem Zeugen machte er seiner A in Paris einen Heiratsantrag, den A ohne
eine Sekunde des Zögerns dankbar annahm. Um möglichst nah bei seiner Zukünftigen sein
zu können, veräußerte F seinen Betrieb in Frankreich, siedelte nach Saarstadt über und erwarb dort einen Malerbetrieb.
In diesem Betrieb teilt sich F die Arbeit mit einem Angestellten. Bei der Arbeit kommen
kaum technische Hilfsmittel zum Einsatz. Folgende Tätigkeiten werden ausgeübt:
- Fassaden streichen mit mineralischer Fassadenfarbe, Silikat-Fassadenfarbe oder SilikonharzFassadenfarbe
- Fassaden verputzen mit Mineralputz, Silikatputz oder Silikonharzputz,
- Fassaden mit Vollwärmeschutz dämmen,
- Tapezieren mit Mustertapeten,
- Tapezieren mit Raufaser,
- Tapezieren mit Glasgewebe,
- Wände im Innenbereich mit Füll- und Glättspachtel erspachteln,
- Streicharbeiten im Gebäudeinnenbereich mit Dispersionsfarbe, Silikatfarbe oder Latexfarbe,
Stand: 28.05.2014
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- Lackieren von Türen und Fenstern mit Acryllack oder lösemittelhaltigem Lack,
- Lackieren von Türen und Fenstern mit Acryllasur oder lösemittelhaltiger Lasur
Im Frühjahr des Jahres 2014 erhielt F erstmals eine Aufforderung des Ordnungsamts Saarstadt, sich in die Handwerksrolle bei der Handwerkskammer des Saarlandes eintragen zu
lassen. Anderenfalls dürfe er sein Handwerk nicht weiter ausüben. F schimpfte sehr über die
deutschen „formalités“ und reagierte nicht.
Das Ordnungsamt trat in Kontakt zur Handwerkskammer und zur Industrie- und Handelskammer des Saarlandes. Beide erklärten in einer gemeinsamen Erklärung, dass die Voraussetzungen einer Untersagung der Fortsetzung des Betriebes gegeben seien.
Daraufhin erging nach einer Anhörung des F am 7. März 2014 eine begründete Untersagungsverfügung des Ordnungsamtes, die F die weitere Führung des Betriebes untersagte. Sie
wurde am 7. März 2014 auf den Postweg gebracht.
F ist empört über die Vorgehensweise der deutschen Behörden. Auch Ausländer seien
schließlich Grundrechtsträger. Außerdem erschwere das deutsche Handwerksrecht in nicht
hinnehmbarer Weise die Niederlassung von EU-Bürgern in Deutschland.
Am 17. März 2014 legt F gegen die Untersagungsverfügung Widerspruch beim zuständigen
Stadtrechtsausschuss von Saarstadt ein. Der Widerspruch wird mit Bescheid vom 1. April
2014 abgewiesen. Am 10. April 2014 erhebt F schließlich Klage beim Verwaltungsgericht des
Saarlandes. Hat die Klage Erfolg?
Zusatzfrage:
Welche Rechtsschutzmöglichkeiten bestünden für F, wenn im vorliegenden Fall nach erfolgter Anhörung (noch) keine Untersagungsverfügung ergangen wäre, bei einer Untersagung
sich aber wichtige Großkunden von ihm abwenden würden und daher seine berufliche Existenz gefährdet wäre?
Lesehinweise:
BVerwG, Beschl. v. 01.4.2004, Az. 6 B 5.04, GewArch 2004, 488-491; A. Glaser, in: A. Glaser/J. H. Klement, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2009, Fall 4, S. 73–96; J. Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 3. Auflage 2013, §
11; U. Kramer, Die Meisterpflicht im Handwerk – Relikt oder Weg in die Zukunft, GewArch 2013, S. 105–111; J.
Gundel, Die Inländerdiskriminierung zwischen Verfassungs- und Europarecht, DÖV 2006, S. 685.
Stand: 18.5.2014
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Auszug aus der Verordnung über die Berufsausbildung im Maler- und Lackierergewerbe
(MalerLackAusbV):
§ 1 Staatliche Anerkennung der Ausbildungsberufe im Rahmen einer Stufenausbildung
Der Ausbildungsberuf Bauten- und Objektbeschichter/Bauten- und Objektbeschichterin sowie der darauf aufbauende Ausbildungsberuf Maler und Lackierer/Malerin und Lackiererin
werden gemäß § 25 der Handwerksordnung für die Ausbildung für das Gewerbe Nr. 10, Maler und Lackierer, der Anlage A der Handwerksordnung staatlich anerkannt.
§ 5 Ausbildungsberufsbild Bauten- und Objektbeschichter/Bauten- und Objektbeschichterin
Gegenstand der Berufsausbildung sind mindestens die folgenden Fertigkeiten und Kenntnisse: (…)
10. Be- und Verarbeiten von Werk-, Hilfs- und Beschichtungsstoffen sowie von Bauteilen,
11. Prüfen, Bewerten und Vorbereiten von Untergründen,
12. Herstellen, Bearbeiten, Behandeln und Gestalten von Oberflächen (…)
Stand: 18.5.2014
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Auszug aus der Verordnung über die für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz geltenden Voraussetzungen für die Ausübung
eines zulassungspflichtigen Handwerks (EU/EWR HwV):
§ 1 Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle
Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die im
Inland zur Ausübung eines Handwerks der Anlage A zur Handwerksordnung eine gewerbliche Niederlassung unterhalten oder als Betriebsleiterin oder Betriebsleiter tätig sein wollen,
wird nach Maßgabe der folgenden Vorschriften auf Antrag eine Ausnahmebewilligung zur
Eintragung in die Handwerksrolle nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 3
der Handwerksordnung für ein Handwerk der Anlage A zur Handwerksordnung erteilt. Die
Möglichkeit einer Ausnahmebewilligung nach § 8 Abs. 1 der Handwerksordnung bleibt unberührt.
§ 2 Anerkennung von Berufserfahrung
(1) Eine Ausnahmebewilligung erhält, wer in dem betreffenden Gewerbe die notwendige
Berufserfahrung im Sinne der Absätze 2 und 3 besitzt. Satz 1 gilt nicht für die in den Nummern 33 bis 37 der Anlage A zur Handwerksordnung aufgeführten Gewerbe.
(2) Die notwendige Berufserfahrung besitzen Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat
der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz zumindest eine wesentliche Tätigkeit des Gewerbes ausgeübt haben:
1. mindestens sechs Jahre ununterbrochen als Selbständige oder als Betriebsverantwortliche, sofern die Tätigkeit nicht länger als zehn Jahre vor der Antragstellung beendet wurde,
(…).
Stand: 18.5.2014
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