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STEOP – Literatur im historischen Kontext Inhalt

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STEOP – Literatur im historischen Kontext Inhalt
STEOP – Literatur im historischen Kontext
Inhalt
1. Vorlesung – Hartmann von Aue „Der arme Heinrich“................................................................................... 1
2. Vorlesung – Frühe Neuzeit/Reformation: Thüring von Ringoltingen: Melusine; Martin Luther: Sendbrief
über das Dolmetschen ............................................................................................................................................. 4
03. Vorlesung – Barocklyrik ................................................................................................................................... 6
04. Vorlesung – Bürgerliches Trauerspiel – Sturm und Drang – Schiller: „Kabale und Liebe“, Lenz: „Der
Hofmeister“ ........................................................................................................................................................... 10
05. Vorlesung – Erlebnislyrik – Der junge Goethe ............................................................................................... 13
06. Vorlesung – Realismus – Adalbert Stifter – Granit......................................................................................... 14
07. Vorlesung – Moderne: Franz Kafka ................................................................................................................ 17
08. Vorlesung – Moderne + Gegenwart ................................................................................................................ 19
1. Vorlesung – Hartmann von Aue „Der arme Heinrich“
Besonderheiten Mittelalter:



Bis 16. Jahrhundert sind Texte Handschriften => Unikate
Heldenepik zB „Nibelungenlied“ wird regelmäßig ohne Autorenname überliefert
Der Autor
o Autor wird oft im Prolog genannt, oder von anderen Autoren erwähnt, die sich auf ihn
beziehen oder von ihm absetzen.
o Autoren schrieben meist immer Auftragsdichtung, man kannte seinen Auftraggeber und sein
Erstpublikum (Hofsgesellschaft)
o Während dem Schreibprozess bekamen sie von den Auftragsgeber Lohn und Brot
o Auftragsgeber bekommt mehr Ansehen als Autor
Hartmann von Aue:
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Ca 1180 begonnen zu dichen und um 1230 bereits wieder gestorben
Herkunftsort Aue, durch seine Werke, späteren Dichter und Liederhandschriften bezeugt. Swaben um
genauer zu sein, jetzt Baden-Württemberg, Voralberg, Ostschweiz und Teile des Elsaß
Sprache deutet auf alemannische Herkunft
Hartmann könnte Ministeriale (ehemalig kleiner Adelige, der sozial abgestiegen eine ranghohe Stellung
an einem Hof einnimmt) gewesen sein könnte
Werke:
o Erec
o Gregoruis
o Der arme Heinrich (ca 1200)
o Iwein
Prolog:

Gleich am Anfang kommt es zu einem contradictio in adiecto (Widerspruch)
o Entweder man ist Ritter oder ein Gelehrter
o Als Ritter bezeichnet man jemanden, der ein Pferd besitzt, zum Kampf benötigte Fähigkeiten,
höfisches Benehmen und Minnesang
o Gelêret => weißt auf eine Schulausbildung hin
o verschiedenen’, mislîchenBücher => weißt auf die Fähigkeit in mehreren Sprachen wie
Deutsch, Latain und altfranzösisch gelesen zu haben
o Er ist also der perfekte Ritter, hat alle Tugenden, jedoch wird nicht erwähnt, dass er gläubig
war.
1
Inhalt:
Heinrich erkrankt an Lepra, doch im Gegensatz zum biblischen Hiob, der es klaglos erduldet, sucht Heinrich
Ärzte in Montpellier und Salerno auf, welche ihm mitteilen, dass seine Krankheit nur durch das Herzblut einer
reinen, heiratsfähigen Jungfrau, die es auch noch freiwillig vergießen würde, geheilt werden kann. Er erkennt die
Unmöglichkeit der Heilung und verschenkt seine Besitztürmer an arme Verwandte und Kirche, nur ein
Rodungshof, auf dem freie Meiersleute wohnen, behält er.
Heinrich hat ein gutes Verhältnis mit den Meiersleuten und wie es der Zufall will haben sie eine achtjährige
Tochter, mit der Heinrich ein sonderbares Verhältnis hat. Er schenkt ihr Haarspangen, Spiegel und Ringe,
Geschenke die einem Kind angemessen sind, aber auch einer Geliebten.
Während seinen Aufenthalt dort, bekennt Heinrich, dass seine Weltverhaftetheit ihm wohl Gottes Strafe
eingebracht habe. Außerdem erzählt er von der unmöglichen Heilung und auch das Mädchen bekommt es mit,
und möchte sich sofort opfern. Nachdem sie die Eltern und Heinrich überredet hat und schlußendlich auch den
Arzt, ziehen sich Arzt und Mädchen in ein Kämmerlein zurück. Während das Mädchen nackt da liegt und der
Arzt das Messer schärft, blickt Heinrich durch ein Astloch hinein und erkennt, dass er schon ein Wrack ist und
das Mädchen noch jung und ein ganzes Leben vor sich hätte und verhindert die Opfergabe, sehr zu Freuden des
Arztes und zum Ärger des Mädchens.
Sie ziehen heim, Gott erbarmt sich und heilt Heinrich, jener erhält alle Ländereien zurück und heiratet
schlußendlich das Mädchen.
Interpretation:
Es geht Hartmann wohl darum die Ansprüche Gottes und der Welt zu vermitteln.
Die Geschichte spielt in der realen Welt, Montpellier und Salerno sind tatsächlich seit dem 10. Jahrjundert
medizinische Zentren.
Mitteralterliche Familien schaffen sich gerne einen besonderen „Spitzenahn“, der die Besonderheit des
Geschlechts begründet. Deshalb erzählt Hartmann von einem Heinrich, der auch aus der Aue kommt, ein
Meiersmädchen heiratet und deshalb eine Standesminderung hinnehmen muss, die dann Hartmann betrifft.
Könnte eine Märendichtung sein, da es meistens extrem unterschiedliche Mehrfachfassungen gibt und die
handschriflich überlieferten Texte gehen auch weit von Hartmanns Version weg.
In Handschrift A: Mädchen ist 8, bei Opferentschluss 11 oder 12
In Handschrift B: Mädchen ist 12, bei Opferentschluss 15 oder 16, was der Astloch Szene eine erotische
Komponente gibt, welche auch durch Textänderungen verstärkt wird. Außerdem heiraten die beiden war, aber
ziehen sich aus der Welt zurück und leben in einem Doppelkloster bis sie sterben. Hier bleibt das Mädchen eine
Braut Christi, da sie unangerührt bleibt.
In Fragment E: Wird Heinrich geheilt auf dem Rückweg, aber die Eheschließung fehlt.
3 Auslegungen:
 Legende: Gott legt Menschen eine Prüfung auf, aber Heinrich ist kein Heiliger, sonstigen Legenden
gibt es einen Heiligen
 Mirakelerzählung: Ein Wunder geschieht, jedoch sind Wunder auch an Heilige, meist Maria,
gebunden Außerdem fehlt es an der Wundermächtigkeit eines bestimmten Kultes.
 Exempel: eine Beispielerzählung, jedoch fehlt hierfür die Auslegung
Beim Schreiben eines mittelhochdeutschen Texts um 1200 hat der Autor meist eine altfranzösische oder
latainische Vorlage frei bearbeitend übersetzt. Auch Heinrich stellt es im Prolog so dar, als ob er so verfahren
sei, jedoch gibt es in jenen Sprachen keine ähnlichen Geschichten. Der Text scheint reine Erfindung zu sein,
möglichereiweise inspiriert durch die franzöische Novellistik.
Silvester-Legende
Anregungen findet Hartmann besonders in der Aussatzlegende, der Silvester-Legende. Auch hier wird der Kaiser
Konstantin, ein Heide, vom Aussatz befallen und das Heilmittel wäre ein Bad im Blut unschuldiger Kinder.
Doch durch das Wehgeschrei der Mütter lässt er von diesem Plan ab und ihm erscheinen im Traum Apostel Peter
und Paul, welche meinen er solle sich an den Papst Silvester wenden. Ein Bad im Wasser der Traufe rettet ihn.
In beiden Fällen wendet Gott nachdem Verzicht alles in Positive.
2
Unterschiede:

Die Freiwilligkeit des Opfers fällt bei der Silvester-Legende weg, die Klage der Mütter ändert
seine Meinung.
Amicus und Amelius
In einer Freundschaftssage aus dem Mittelalter rettet ein Freund den anderen, indem er seine beiden Söhne
opfert. Die Geschichte endet mit der Wiederauferstehung der Kinder und der Heilung des Freundes.
Hier kann Hartmann das Motiv der Freiwilligkeit gefunden haben.
Schuldzuweisung:
Als der arme Heinrich erkrankt, wird nirgends gesagt warum, es gibt jediglich einen Hinweis auf Absalon, der
den von seinem Vater König David ungestraften Inzest seines Bruders an seiner Schwester rächt und wegen
Auflehnung getötet wird. Jedoch sind Absalon und Hiob nicht mit Heinrich zu vergleichen weil jener weder
duldet wie Hiob, noch auflehnt wie Absalon. Als Meier Heinrich nach der der Heilung fragt, antwortet Heinrich
mit einer subjektiven Annahme der Schuld, seine frühere Gottesferne.
Heinrich sagt nie, dass sein Weltleben schlecht war, sondern unvollständig und dies sei wohl der Grund für seine
Strafe.
////
Hartmann verweist auf den Tod, aber meint eher den Tod als Verkehrung des irdischen Glücks, da niemand
tatsächlich stirbt.
Das Mädchen:
Es überredet zuerst die Eltern sich zu opfern, danach geht es zu Heinrich, welcher aber entschlossen ablehnt. Er
weist darauf hin, dass Kinder sich schnell etwas in den Kopf setzen, was ihnen aber auch schnell wieder leid tut
und meint, dass die Eltern sie noch brauche.
In einer kleinen Szene wird nun die Reaktion aller beschrieben: Alle
weinen, aber aus unterschiedlichen Gründen: Die Eltern, weil sie ihre Tochter verlieren,
Heinrich wegen der unbegreiflichen „triuwe“ des Mädchen und weil er nicht weiß, wie er sich
verhalten soll, das Mädchen, weil sie befürchtet, Heinrich würde ihr Opfer nicht annehmen.
Sie redet am meisten und argumiert viel und gescheit für ein Kind. Sie sieht den Tod als Erlösung ihrer Seele
und der Instandhaltung ihrer Reinheit. Sie meint, die Eltern werden in Armut verfallen ohne Heinrich, sodass sie
so leben müssten, dass sie wünschten sie wären tot, oder sie müsste einen Bauern heiraten, aber das Leben einer
Bäuerin sei auch sehr hart. Das Mädchen sieht sich als Braut Christi (eine bekannte mystische Denkfigur), doch
ist gleichzeitig deutlich (und das muss man ihr zum Vorwurf machen), dass sie Christus eben
nur gemäß ihrer Erfahrung denken kann: eben als Bauern, der ihrer idealisierten Wirklichkeit
entstammt.
Viele werfen dem Mädchen Heilsegoismus vor, jedoch darf man nicht vergessen, dass Heinricht erkennt, dass
sie überzeugt ist, das Richtige zu tun, und mit kindlichen Verlangen versucht es durchzusetzen. Merkwürdig ist
auch, dass das Mädchen nach den Schimpftiraden ihre Sprache, die es mit dem Opferentschluss gewonnen hat,
wieder verliert. Es wird nicht einmal gefragt, obwohl es damals üblich wäre, ob es heiraten möchte, obwohl es
sich doch eigentlich zuvor gegen die Ehe geäußert hat.
Zweckbündnis: Mädchen und Heinrich
Heinrich muss von der Welt vollständig loslassen, um sie wiederzugewinnen. Dass aber tut er erst in dem
Moment, in dem er auf das Opfer des Mädchens verzichtet. Da aber wird er für das Mädchen uninteressant, da
sie durch seine Weltbezogenheit ihr Seelenheil sichern wollte.
3
2. Vorlesung – Frühe Neuzeit/Reformation: Thüring von
Ringoltingen: Melusine; Martin Luther: Sendbrief über
das Dolmetschen
Thüring von Ringoltingen: Melusine
Generell:
Der Buchdruck fasst durch Gutenberg schon langsam Fuß, doch um einem Risiko zu entgehen wird auf
Latain gedruckt, wodruch die Zielgruppe geringer ist.
Parallel zu den Drucken entstehen aber nach wie vor noch Handschrfiten, davon sind immerhin 17 heute
noch erhalten.
Zunächst wurde die Melusine in Handschrift überliefert. Der Erstdruck der Melusine geschah 1477,
allein bis 1500 lassen sich 13 Auflagen nachweisen, was quasi einem Bestseller damals entsprach.
Jedoch war die Melusine thematisch nicht sehr modern, nur die Form änderte sich von dem damaligen
Reimpaarvers zu Prosa.
Thüring geht sehr mitteralterlich vor und greift auf eine altfranzösische Vorlage zurück, der Autor
Couldrette um 1401 in Form einer Versfassung lieferte. Der Stoff der Geschichte ist wesentlich älter,
schon um 1200 herum findet er in latainischer Literatur Erwähnung. Das Adelsgeschlecht Mère
Lusignan, derer Melusine die Stammmuter ist, ist ein sehr bedeutendes Adelsgeschlecht in Frankreich
und verteilte sich fleißig in familiären Verzweigung über Europa. Meist steht zu Beginn des
Adelgeschlechts ein mythisches Wesen. Grund dafür ist die Genealogie, die das mitteralterliche Denken
sehr geprägt hat, jedoch aus christlicher Perspektive paradox, da ja alle von Adam und Eva abstammen
und dementsprechend eigentlich gleich sind. Deswegen kam der Gedanke der Genealogie, um sich zu
unterscheiden, wie würde es nicht besser gelingen, wenn der Spitzenahn zum Beispiel eine Fee ist. Es
ist besser, von einer Fee abzustammen als seine Genealogie bis auf Adam zurückführen zu müssen,
denn es geht ja in Genealogien nicht darum, Herkunft zu zeigen, sondern Differenz zu erzeugen, und
das kann man nur, indem man an einem Punkte aus der
Genealogie ausschert und einen Ursprung setzt
.
Die Geschichte der gestörten Martenehe wird oft erzählt im Mittelalter. Dabei handelt es sich darum,
dass der Partner eines Menschen irgendwie übernatürlich ist, meist der weibliche Part. Es geht darum,
dass ein Tabu begründet wird, und dieses Tabu aber auch auf jeden Fall gebrochen wird.
Inhalt
Reymund stammt aus einer Familie mit vielen Söhnen, deswegen wir er vom befreundeten Grafen
Emmerich aufgenommen. Reymund erstich jenen zufällig, als ein wilder Eber (hochgefährlich und
sexuell aggressives Tier nach mittelalterlicher Tradition) sie angreift. Das ganze geschieht blöderweise
ohne Zeugen und während Reymund beschäftigt ist eine Klage an sein Glück zu schicken, lässt das
Pferd die Zügel schleifen und wählt den Weg zu einem Brunnen, wo 3 Damen stehen. Die Jüngste von
ihnen spricht Reymund bei seinem Namen an und gibt ihm den Rat zu behaupten, dass er und der Graf
getrennt worden seien und er für seine Dienste ein Land in der Größe einer Hirschhaut verlangen soll.
Bedingungen für die Ratschläge ist, dass er sie heiraten muss und sie samstags nicht gesehen darf.
Reymund willigt ein.
Der Durstbrunnen, das Zentrum Melusines Macht lässt ein Schloss, eine chrstliche Kapelle und
Bedienstete herausspringen und die Ehe wird abgeschlossen, nur Melusines Herkunft bleibt unbekannt.
Sie gebährt jedes Jahr ein Kind, welches immer ein Makel haben, und baut jedes Jahr ein Schloss.
Die Erzählung widmet sich nun den Söhnen und deren Heldentaten, heiraten und Herrschaften
übernehmen, alle miteinander eine Musterkarriere durchlaufen. Nur Reymund bleibt sehr passiv und
untergeordnet während Melusine beinahe Perfektion ist, zwischen dem jährlichen gebären, Schlösser
baut und unerschöpfliche Machtmittel, wie Geld und Menschen, hat.
Reymunds Bruder kommt zu Besuch, da Reymund seine zwei Söhne Goffroey und Freymunt in die
weite Welt hinaus aufbrechen. Reymunds Bruder macht Reymund darauf aufmerksam, dass eine Frau
nicht diesen Freiraum genießen kann, ohne dass man Verdacht schöpft, dass sie sich den ehelichen
Pflichten entzieht. Oberstes Gebot eines Mannes ist die Kontrolle über seine Frau und so beobachtet er
seine Melusine beim Baden und entdeckt ihren Wurmschwanz. Sofort bereut er den Tabubruch und
hofft, dass sie es auch nicht gemerkt hat. Und sie spielt mit, den solange nichts an die Öffentlichkeit
dringt, ist auch keine Konsequenz zu erwarten.
4
Goffroy, Reymunds Sohn kämpft gerade mit Riesen als er durch einem Brief seines Vaters erfährt, dass
sein Bruder Freymunt einem Kloster beigetreten ist. Sogleich brennt er das von seiner Mutter erbaute
Kloster ab und tötet alle darin und reitet danach zum nächsten Riesenabenteuer.
Reymund hört von diesem Brudermord, gibt Melusine die Schuld in der Öffentlichkeit, nennt sie
„Meerfee“, welches Melusine in Ohnmacht wirft. Als sie wieder aufwacht hält sie eine Klagerede,
verflucht Reymund und fliegt dreimal um das Schloss bevor sie mit einem Schrei verschwindet. Zuvor
gibt sie aber noch Anweisungen und Prophezeiungen von sich, unteranderem, dass ihr Sohn Horribel
getötet werden muss, da sonst Krieg übers Land ziehe.
Eigentlich könnte hier die Geschichte gehen, aber sie geht sonderbarer Weise noch weiter. Melusine ist
nicht ganz verschwunden, sie säugt nachts ihre kleinen Kinder und Goffroy erfährt in seinem nächsten
Abenteuer die Vorgeschichte seiner Mutter. Die außerweltliche Ahnfrau erhält Eltern und zwei
Schwestern.
König Helmas von Albanien ist mit Persina verheiratet, die dem Gatten das Tabu auferlegt, dass er seine
Frau nicht im Kindbett besuchen darf. Der König bricht das Tabu und die Mutter zieht mit ihren drei
Töchtern nach Avalon, eine klassische Feeninsel. Später rächen sich die Töchter am Vater, schließen
ihn in Stein ein, worauf die Mutter wiederum die Töchter verflucht. Sie sollen für immer unerlöst
bleiben und sie verweigern sich dem Männlichen, wodurch sie wiederum auch bestraft werden.
Dies erfährt Goffroy an einem Berg, in dem er die Grabtafel seines Großvaters liest. Es tut sich ein
Generationenschema auf, Männer brechen jedesmal das auferlegte Tabu. Dort wo Männer wichtig sein
sollen, werden es plötzlich die Frauen mit ihrem eigenartigen Wesen. Es folgt ein ausführlicher, das
Geschlecht von Lusignan lobender Nachspann, der dann auch das Geschlecht mit den Heidenkämpfen
und dem Königreich von Jerusalem in Verbindung bringt und die Erzählung beendet.
Interpretation
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

Oftmals kommt zu Klagen bezüglich der Wirkung von Fortuna (= Glück, Schicksal). Das Rad
der Fortuna trägt Reymund erst nach oben, und schließlich auch wieder hinunter.
Das Zorn-Motiv: Goffroy mit dem Eberzahn und Reymund verbindet ganz stark der Zorn.
Goffroy in dem plötzlich das Kloster niederbrennt und Reymund, der plötzlich eine Wut auf
Melusine hat und ihr die Schuld für die Defekte seiner Söhne gibt.
Es gibt zwei Konfigurationen von Vätern und Söhnen, die einen gehen vom Vater weg und
erfüllen ihre genealogische Funktion. Und dann gibt es Goffroy, in ihm kehrt die „Sünde“ des
Vater wieder, wie in Melusine der Fluch der Mutter wiederkehrt. Am schlimmsten erwischt es
jedoch Freymunt, dessen Klostereintritt zur Katastrophe führt, Melusine begründet die Tat
Goffroys zwar mit den Untaten der Mönche, jedoch ist das interpretationsbedürftig. Am Ende
der Erzählung tritt Reymund einem Kloster bei während Goffroy ein neues baut, dies gescheiht
nach beider Beichte und Absolution beim Papst. Der Klostereintritt Freymunts, des am
wenigsten entstellten Bruders, suggeriert Sündenfreiheit, Normalität
Man kann einige Parallen zwischen der Geschichte und Thüring von Ringoltingen finden. Die
Familie von Ringoltingen hatte zuvor einen anderen Namen und lebte auch als Bauernfamilie
an einem anderen Ort. Sie kommen jedoch an Geld und kaufen sich in Bern den Namen von
Ringoltingen, da die ursprüngliche Adelsfamilie gerade am aussterben ist. Sie gewinnen an
Ansehen in Bern, jedoch breitet sich der Familienbaum nicht wie in Melusine erzählt über ganz
Europa aus, sondern stirbt dann mit Tühring wieder aus.
Feengeschichten beginnen auch im Mittelalter ihre literarische Karriere als Liebesgeschichten;
Genealogie und Aufstieg sind Themen, die sie in einem spezifischen literarischen Kontext
behandeln – und sie werden dann wieder zu Geschichten, in denen die Romantik (Friedrich de
la Motte Fouqués Undine) der die Moderne (Ingeborg Bachmanns Undine geht) über Liebe
und Geschlechterbeziehungen nachdenken.
Martin Luther: „Sendbrief vom Dolmetschen
Ein wichtiger Traditionsstrang innerhalb der deutschsprachigen Literatur betrifft Texte, die über die Verwendung
der deutschen Sprache reflektieren. Ein Weißenburger Mönch namens Otfrit begründet, dass er sich zwar
bewusst ist, dass das Deutsche (fränkische) der heiligen Sprache Latain zwar unterlegen ist, aber er nach einer
eigenen Tradition sucht, die sich gegen die französische und niederländische Dichtung behaupten kann.
Während der Buchdruck im 15. Jahrhundert noch scheitert, gibt es im 16. Jahrhundert schon wirtschaftliche
Erfolge. Und das hat letztlich auch mit der Reformation zu tun: Martin Luther und seine Mitstreiter sind nicht
nur Theologen sondern auch begnadete Publizisten. Es ist formelhaft, aber nicht falsch: Buchdruck und
Reformation fördern sich gegenseitig.
5
Als der „Sendbrief vom Dolmetschen“ 1530 erschien hatte Luther erst das Neue Testament und Teile des Alten
Testament übersetzt. Beides erschien dann vollständig un erlebte innerhalb von 2 Jahren 22 Auflagen und 110
Nachdrucke, die heute als Raubdrucke bezeichnet werden würden, da Luther und Verleger nichts daran
verdienten.
Man hat Luthers Theologie immer wieder auf eine griffige Dreischrittformel zurückgeführt:
sola fide, sola gratia, sola scriptura: Allein der Glaube, allein die Gnade Gottes, allein die
Schrift.
Luther stellt sich die theologische Frage, ob nicht die Sünde der Menschen größer ist als die Güte Gottes.
Schließlich meint er, dass der Glaube allein den Menschen vor Gott wertvoll macht, nicht seine Taten. Hier
greift er die Kirche an, den die hat das Fegefeuer erfunden, welches diesseits und jenseits zu ihren finanziellen
Nutzen verbindet. Um dem entgegenzusetzen übersetzt er die Bibel, damit sich Menschen selbst ein Bild von der
heiligen Schrift machen können und geht sehr offensiv positiv mit der deutschen Sprache um.
Luther argumentiert gegen die Papisten, dass er nicht nur die Bibel, sondern auch Astistoteles lesen kann. Er
übersitzt im Gegensatz zu anderen nicht Wort zu Wort, sondern Sinn für Sinn.
Hieronymus Emser sorg für einen weiteren Wutausbruch Luthers, als er Luther Übersetzung nimmt und einige
Passagen korrigiert um damit quasi eine Copyrightverletzung zu begehen.
Luthers Vollbibel erhält eine Vorrede, in der sich Luther gegen solchen geistlichen Diebstahl wendet. Auch hat
er ein Privileg seines Fürsten erhalten, dass nur mit seiner Genehmigung und nur sein Drucker die Bibel
nachdrucken darf.
Schlusswort
Beide Texte stehen zwischen Mittelalter und Moderne, beide sind aber noch sehr viel stärker dem Mittelalter
verhaftet. Das gilt auch für Luther, der ja vom Selbstverständnis her zunächst ein Reformer (und kein
Reformator) war, der sich schließlich, wenn man plakativ formuliert, der Reformation als politischer Bewegung
auch nicht gewachsen gezeigt hat und von ihr überrollt wurde. Altes besteht weiter oder wird in neue Formen
umgegossen (so entstehen
aus vielen mittelalterlichen Versromanen Prosafassungen, die gleichzeitig die kunstvolle
Ästhetik mittelalterlicher Texte auf bloße Inhaltsangaben reduzieren). In viel schnellerer
Folge treten neue wichtige Themen auf (so wird z.B. das Thema der Genealogie, das
Jahrhunderte lang viele Texte bestimmte, vom Thema Geld abgelöst, das dann wiederum in
wenigen Jahrzehnten vom Thema Bildung als thematischer Fokus der Romanproduktion
überholt wird), während sich andererseits bestimmte Motive als erstaunlich langlebig
erweisen. Der Buchdruck schließlich bringt ganz eigene Gattungen hervor: Kurze Anekdoten,
die auf einem Blatt verbreitet werden; Aktualitätenliteratur, die von Pesttraktaten zu
Türkenkalendern reicht. Schließlich gibt es nun zum ersten Mal ein Phänomen, dass aus der
Literaturgeschichte nicht mehr wegzudenken ist und in Zukunft in ganz unterschiedlichen
Kontexten auftaucht: Der Bestseller – eine Kategorie, die die beiden sehr unterschiedlichen
Texte dieser Sitzung vereint.
03. Vorlesung – Barocklyrik




Im 17 Jahrhundert war man noch immer weit vom Berufsautor entfernt, jedoch gab es vermehrt Mäzene
Die Zahl der Literatur stieg ständig, auch die der deutschen Literatur
o Reformierte Länder, in welchen Dramen auf Deutsch aufgeführt wurden:
 Schlesien
 Norddeutschland
 Nürnberg
o Katholische Länder, in welchen lateinische Jesuitendramen aufgeführt werden:
 Habsburgerreich
Veröffentlichung:
o Literatur weiterhin nur als (handgeschriebenes) Manuskript
o Im Laufe des 16 Jahrhunderts hat sich der Buchdruck durchgesetzt
o ein Druck eines Buches ist gleichzusetzen mit einer Veröffentlichung
o Jedoch wird das Buch zumeist nicht nach Wunsch des Autor gedruckt bzw. meistens sogar
ohne dessen Genehmigung
Es bilden sich zwei Gruppen heraus:
o Humanisten
6


o
Schreiben meist auf Latein
Fixieren sich thematisch aber nicht mehr so auf ihre Gelehrsamkeit und den Wunsch
die Antike wiederzubeleben
Meistersinger//Sprachgesellschaften = Institution der Dichtung & Sprachpflege
 Schaffen über gemeinsame Kunstübung einen zünftischen Zusammenhalt
 Daraus entwickelt sich dann die „fruchtbringende Gesellschaft“ (1617 durch Fürst
Ludwig I.)
 Weiter Gesellschaften entstehen in und um Hamburg und in Nürnberg.
 Die Mitglieder dieser Gesellschaften erhalten „Gesellschaftsnamen“, die Gleichheit
vor der Kunst suggerieren sollen.
 Es entsteht ein Bewusstsein der deutschen Sprache gegenüber und man erkennt die
wichtige Rolle der nicht-deutschsprachigen Vorbilder an, wobei es jene zu
überwinden gilt
 Vorschläge der Gesellschaften (Eindeutschungsversuche)
 Jungfrauenzwinger für Kloster
 Tagebuch, Nachwort, letzter Wille
 Fast alle Barockdichter waren in einer solchen Gesellschaft involviert, da dies auch
eine Art Vermittlung zwischen Auftragsgebern und Ausführenden war.
Barockdichtung
bestand aus:
 Dramen
 Kurze, sprachlich witzige Komödie
 Romane, welche sich über viele tausende Seiten und Bände hinausstrecken
 Schäferroman
 Lyrik
o Zeichenhaftigkeit der Dinge ist sehr wichtig, ähnlich wie die Genealogie im Mittelalter
o Ein Buch ohne Illustrationen ist zweitklassig.
Martin Oppitz
(1597 – 1639)
 Buch von der Deutschen Poetery von Martin Opitz
 Wird als Gründungsmanifest der deutschen Literatur gesehen
 Oppitz wollte wohl durch diese Manifest auf sich aufmerksam machen und eine
zentralere Position für sich erwerben, da er zuvor viel an den Grenzen zu tun hatte
 Wenige literaturgeschichtlichen Anmerkungen, jedoch zitiert er Walther von der
Vogelweide
 In seinen Beispielen orientiert er sich an französischer und niederländischer Dichtung,
welche meist daraus heraus übersetzt sind
 Er fordert nach einem reinen Reim und dem Einhalten der Versmaße bei natürlichem
Wortakzent, beides wurde im 16. Jahrhundert völlig vernachlässigt.
o Inhalt
 Gegenübersetzung von Gelehrsamkeit und Vergnügen des „wirklichen“ Lebens
 1 Strophe: Studieren und Vergnügen stehen sich gegenüber
 2 Strophe: Zweck des Studierens und Tod stehen sich gegenüber => Studieren ist
sinnlos
 3 Strophe: Anfang und Ende ist die Rede von Wein, in der Mitte die menschlichen
Leiden, die der Wein ertränken soll
 4. und 5. Strophe: Melonen und Zucker stehen für üppiges Essen und Gesellschaft und
Musik für irdisches Vergnügen.
 Es endet mit „will mit andern lustig seyn/ Muß ich gleich alleine sterben“
o Interpretation
 Das Gedicht wirkt zeitlos, es könnte in allen Epochen entstanden sein
 Oppitz hat diese Gedicht auf einer französischen Vorlage verfasst, als Ode, die zur
Fröhlichkeit anregen soll
 An Herrn Heinrich Schützen/ auff siner liebsten Frawen Abschied
o Eine Anlass- oder Gelegenheitsdichtung, welche im Barock sehr genutzt wird
7
o


Hier ist der Anlass der frühe Tod der Ehefrau von Komponisten Heinrich Schütz, welcher als
allerbeste deutsche Komponist gefeiert wurde. Nach dem Tod der Frau versucht Oppitz
Heinrich Schütz wieder zum Musizieren zu bewegen, weil jener schrecklich frustriert ist. In
diesem Gedicht inszeniert Oppitz ihn als Orpheus unsrer Zeiten. Dies motivierte Schütz
wiederum sehr und schrieb zu einem Schäferspiel „Dafne“, welche Oppitz für Schütz schrieb,
eine Musik dazu, die leider nicht mehr erhalten ist. Die Frage, ob es sich um die erste deutsche
Oper handeln könnte, bleibt leider ungeklärt, Fakt ist jedoch, dass Schütz oft genug in Italien
war, um diese Kunstform kennengelernt zu haben.
Eines von Oppitz Zielen war Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft zu werden, was jedoch bis
1629, also 10 Jahre vor seinem Tod erreicht wurde. Grund dafür war, dass er keine Berührungsängste
vor katholischen Herrschern hatte, wobei die Gesellschaft protestantisch war.
Als Oppitz 1939 an Pestepidemien stirbt, schreibt Paul Flemings über sein Abbleben und meint, dass
Pindar, der Odendichter, Homer, der Epiker und Maro in Opitz wiedergeboren waren. Fleming
inszeniert Opitz außerdem noch als Rächer Germaniens, der nun auch gestorben ist – und mit ihm jede
Hoffnung sowohl auf Germanien als auch auf Kunst.
Andreas Gryphius
(1616 – 1664)

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
Vertreter der schlesischen Barockdichtung
Studiert in Leiden in Niederlande hört doch vermutlich René Descartes zu und verbringt viel Zeit mit
Leichensezierungen
Später reist er nach Frankreich und Italien, wo er zahlreiche Kontakte knüpft. Jedoch reist er über den
Seeweg, da der 30 Jährige Krieg gerade aktiv ausgetragen wird und verheerende Folgen mit sich bringt,
unteranderem Hungersnöte, da zerstörte Felder und höherer Versorgung wegen Heer und Seuchen,
welche die Bevölkerung in etlichen Gegenden um zwei Drittel reduziert. Dadurch zeigen die Kunst des
14. Jahrhunderts und die Dichtung des Barocks deutliche Parallelen: Beide haben eine Todesobsession.
Hauptgegenstand in seinen Gedichten ist zumeist Gott
Es ist alles Eitel
o Klassisches Beispiel für Alexandriner in Versform: ein sechshebiger Iambus mit einer
Mittelzäsur
o Der Gegensatz von Jetzt und zukünftigen Verfall ist fast durchgehend präsent.
o Es gibt mehrere Fassungen, in einer spricht ein Ich (Könnte aus heutiger Sicht aber kein
lyrisches Ich, sondern ein Mantel-Ich sein, dass sich auf jeden Menschen beziehen kann,
jedoch wird durch die Du-Version klar, dass doch das Lyrische Ich gemeint war), in der
anderen ein Du. ACHTUNG: im anderen Script falsch
Tränen des Vaterlands (1636)
o Auch hier gibt es mehrere Fassungen
o Es handelt von einer Leidensgemeinschaft „wir sind doch nunmehr gantz/ ja mehr denn gantz
verheeret“.
o Die ersten drei Verse handeln vom Krieg und dessen Folgen, Ressourcenlosigkeit
o Die nächsten drei Verse stellen das Ende jeder Autorität vor, Kirche und Rathaus für geistliche
und weltliche Autorität, Ende einer gesicherten Exekutive, die Jungfrauen nicht davor schützen
konnten geschändet zu werden.
o Ärger als der Krieg sind die Schrecken der Konfessionskriege, die für viele den Verlust des
Seelenheils bedeuten.
o Das interessante daran ist, dass obwohl Gryphius Protestant war, es aus jeder konfessionellen
Perspektive wahr ist.
An die Sternen
o Ist ein Art Ausdruck der Hoffnung
o Die Hoffnung auf Jenseits hat fast etwas Euphorisches
 Dass das Jenseits als positives Gegenbild zur schlechten Wirklichkeit entworfen wird
ist die Grundtendenz jeder Vanitas-Dichtung
Paul Gerhardt
(1607-1676)


Gerhardt ist ein Theologe und Prediger
Er studierte Theologie Wittenberg und wird schließlich Diakon der Berliner Nikolaikirche, wobei er
gegen Ende seines Lebens nach Lübben geht.
8
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Er verfasst lateinische Texte und Predigten und auch 139 heute noch erhaltene Liedtexte, welche
Liedtexte einfacher Form (keine für sich stehenden Kunstwerke) sind, fast naiv und ungekünstelt und
wahrscheinlich deshalb so erfolgreich. Sogar heute wird er noch aktiv rezipiert.
Am Ende steht immer das Paradies.
o Sommergesang
 Erste Strophe: Gottes Gaben werden in Natur und Jahreszeit genossen
 Strophe 2-6 schildern eine Sommeridylle, die immer irdischer wird
 Strophe 8 erklärt er das Singen zum Gottesdient.
 Und dann beginnt er die Perspektive auf Paradies welches dann in der zweiten Hälte
in Paradieshoffnung endet.
Friedrich von Logau
(1605-1655)
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schlesische Dichterschule
Logau schreibt sehr viel
er schaffte Epigramme
o kurzes, meist zweiversiges Gedicht mit sarkastischer, satirischer Aussage
o Sprachwitz
o Mittelalterliche Sentenz fließt ein, damals noch unter Freidank (didaktische Zweizeiler)
bekannt
Deutsche Sinn-Getichte Drey Tausend (1654)
o Besteht aus Epigrammen (kurzen Stichel-Gedichten) und langen Sinngedichten
o Wild zusammengemischt: Hochzeitsgedichte, Zeitkritisches, Grabinschriften etc
Vom Könige in Engeland
o Hier schreibt er sehr zeitgerecht, wie in England ein König der Prozess gemacht wrude, da er
den Tod von unzähligen Untertanen verantworten musste.
Christian Hoffmann von Hoffmanswaldau
(1616-1679)

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Dichterphänomen
Schreibt Gedichte, Theaterstücke und auch einen fiktiven Briefwechsel
Er war Bürgermeister in Breslau und reiste viel durch Europa, wodurch er viel Dichtung kennenlernte.
Seine Gedichte (auch Minnesang verfasste er) kursierten in Abschriften, die dann zum Druck gebracht
wurden, nicht er selbst veranlasst den Druck, da er sich selbst als gebildeter Politiker sah. Er als
Gegenbewegung gegen unautorisierter Publikationen stelle Hoffmann eine eigene Auswahlausgabe
zusammen, die aber erst nach seinem Tode veröffentlicht wurde.
In seinen Gedichten etabliert er immer mehr das Erotische, seine Werkausgabe „Sinngedichte und
Zeitkritisches“ begründet die Rubrik „Galante Gedichte“
Galate Gedichte:
o Das Sonnet – Vergänglichkeit der Schönheit
 Brüste, Mund, Schulter etc werden im Detail beschrieben, alles Körperteile, die auch
heute noch erotisch aufgefasst werden.
o Alabnie
 Der erste Verse ist ein Hinweis auf die Kürze des Lebens, wobei das carpe-diem
Motiv gleich erotisch gewandelt wird, dass es im Alter für Sexualität zu spät ist
 dritte Strophe: konkret sexuelle Aufforderung
 vierte Strophe: Welch menschen-satz macht uns diß neue weh?
 Mittelalterliche Theologie: Unkeuschheit Evas durch Adams Willen → frey von
Begierde
 Begehren als Los aller Menschen – dadurch Reglemtierungen
o An Lauretten (Gedicht)
 Es geht darum mit der Geliebte zu schlafen
 Erste drei Verse sind eine konventionelle Bitte um Erhörung
 4 Verse geht es darum, dass „die Seele gleich entfliesst“. Der „kleine Tod“ ist ein
Hüllwort für den Orgasmus
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Catharina Reginas von Greiffenberg
(1633-1694)





Niederösterreichischer Adel
Protestantisch und versuch Leopold I. den Kaiser in Wien zum Prestantismus zu bekehren, was aber
scheitert.
Wird zwangsverheiratet
Ihr Werk ist monothematisch geistlich ausgerichtet, jedoch sprachlich von hoher Qualität
Stark expressive Ausdruckmittel
o Frühling-Lied
 Erinnert stark an Paul Gerhardt
 Jede vier Verse bilden eine Strophe
Zusammenfassung
 zwei Tendenzen:
o skeptische, negative, weltverneinende Tendenz
 Hintergrund des 30-jährigen Krieges und des Konfessionenstreits
o Tendenz zum Höfisch-Galanten und Verspielten
 vgl. andere Repräsentationsformen des Barock (Theater, Musik...)
 Umfang- und Facettenreichtum der Barocklyrik
04. Vorlesung – Bürgerliches Trauerspiel – Sturm und
Drang – Schiller: „Kabale und Liebe“, Lenz: „Der
Hofmeister“





Der Sprung von 17. ins 18. Jahrhundert ist groß. Der Beginn des 18. jahrhunderts ist noch geprägt von
den Ausläufern des literarischen Barocks.
Objektive Lyrik = Natur als Buch Gottes
Lyrik wird subjektiver => Barthold Heinrich Brockes (1680-1747)
o Konzentriert sich mehr auf Gegenstände und vergisst immer wieder auf Gott
o Beschreibt alles
Der Roman etabliert sich.
o Vorallem Abenteuerromane wie Daniel Defoes „Robinson Crusoe“, die Robinsonade wird in
Deutschland mit der Utopie verbunden und daraus entsteht von Johann Gottfried Schnabel
„Die Insel Felsenburg“ , welche auch extrem erfolgreich ist. In dem Buch von Schnabel wird
zuerst das schlechte Europa in Einzelbiographien geschildert, was dann in Abenteuerlust
ausartet.
Im Drama ändert sich auch einiges: Tragödie (eher für Adel) und Komödie (eher bürgerliche) wurden
wegen Ständeklausel getrennt
o „Die zärtlichen Schwestern“
 Schlußwort ist „Bedauern sie mich“, nachdem sich ein Paar am Ende findet und, dass
andere sich trennt
 Es ist wohl wichtiger über Gefühle zu reden als sie zu haben
o Als archetypische Vertreter gelten Lessings Miss Sara Sampson und Emilia Galotti Letzteres
weist starke Ähnlichkeiten mit in der Sturm und Drang Zeit entstanden Kabale und Liebe von
Schiller.
Friedrich Schiller

Kabale und Liebe
o Der Titel entstand bei der Uraufführung in Frankfurt 1784. Die Reaktionen dabei waren von
weit positiv bis sehr negativ (Karl Philipp Moritz wollte sich nie wieder mit dem „Schiller
Schmutze“ befassen)
o Aufbau:
 Es geht um die Auseinandersetzung zwischen Adel und Bürgertum, Hierachien und
Aufstieg, dem Gegensatz von Tugen- und Geblütsadel. Im Prinzip also nichts neues
 Das Selbstbewusst des dritten Standes „der Bürger“ ist neu.
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


o
o
Dichomien (Zergliederung), welche den Grundkonflikt und das Ende bestimmen.
5 Akte, jedoch scheinen die Szenen lose aneinander gereiht zu sein. Es wechselt
zwischen bürgerlichen Wohnzimmer (immer als Zimmer bezeichnet) und höfischer
Inszenierung (immer als Saal bezeichnet)
Es werden innerhalb der Akte immer die Schauplätze gewechselt, erst im vierten Akt
nur mehr zwischen den fürstlichen und im fünften Akt bleibt man in Zimmer des
Millers.
Inhalt:

Die eigentliche Geschichte ist höchst simpel: Ferdinand, der Sohn des (adligen)
Präsidenten von Walter am Hof eines ungenannten (und nicht auftretenden) deutschen
Herzogs, liebt die Tochter des bürgerlichen Musikers Miller, Louise, und diese ihn.
Beide Väter stehen gegen diese Liebe, Miller aus Standeserwägungen, von Walter,
weil er andere Pläne für seinen Sohn hat, da er ihn mit der Maitresse des Herzogs,
Lady Milford, verheiraten will. Diese liebt aber Ferdinand. Der Sekretär des
Präsidenten (mit dem furchtbaren sprechenden Namen Wurm) liebt Louise, die ihn
hasst, und er spinnt im Auftrag des Präsidenten eine Intrige, auf die Ferdinand
hereinfällt, der eifersüchtig Louise umbringt, sich ebenfalls tötet, während Lady
Milford das Land des Herzogs verlässt. So die grobe Grundstruktur des Stücks, die
eines deutlich macht: Auch wenn das Ende tragisch ist, so ist die Grundstruktur eine
ambivalente, denn sie entspricht mit den sich überkreuzenden Liebespaaren auch der
einer Liebeskomödie (etwa im Stile Shakespeares oder Beaumarchais’).
Interpretation
 Insgesamt ist das zentrale Liebespaar, Ferdinand und Luise nur drei Szenen bzw
Szenenfolgen gemeinsam auf der Bühne
 Miller meint, dass seine Tochter zu schlecht für den Präsidenten Sohn sei, aber zu
kostbar, um seine Hure zu sein.
 In der zweiten Szene wird deutlich, dass Sekretär Wurm in Luise verliebt ist und den
Miller bietet ein gutes Wort für ihn einzulegen. Miller findet es aber zurecht komisch,
wenn ein Liebhaber den Vater zu Hilfe ruft und weist ihn ab.
 Miller ist in seiner väterlichen Rolle der Bestimmung dem Präsidenten am
ähnlichsten, denn beide wollen die Eheschließung zwischen Ferdinand und Luise aus
Standesunterschieden heraus verhindern. Außerdem ist für beide klar, dass sie über
ihre Kinder bestimmen dürfen.
 Beim Präsidenten liegt es an der Genealogie, er sieht seinen Sohn als nichts
weiteres als die Geschlechtsfortpflanzung
 Beim Miller eher das vierte Gebot, der absolute Gehorsam, den eine Tochter
ihrem Vater schuldig ist
 Immerhin jedoch erlaubt Miller seiner Tochter frei einen Mann innerhalb
ihres Standes zu wählen, was der Präsident nicht zulässt.
 Für Miller scheint die Kirche ein Allheilmittel zu sein – das versagt. Nachdem Luise
von der Messe zurück kommt, denkt sie noch immer an Ferdinand („Ich dachte,
meine Louise hätte den Namen in der Kirche gelassen?)
 Louise ist sich der Unmöglichkeit der Liebe durchaus bewusst und will sich auch ihm
entsagen für dieses Leben. Es ist klar, dass es den Ort für diese Liebe nicht gibt, der
Tod der beiden wird immer wieder angedeutet
 Die zwei Liebenden sind sehr unterschiedlich, während Ferdinand stürmisch und
kaum mit Rücksicht agiert ist Louise mit Widerstandslosigkeit und Kraftlosigkeit
gewappnet. Louise hat es schon innerlich aufgegeben, was auch den Anfang des
Unglücks ist.
 Ferdinand weiß, dass sein Vater Vorgänger hat umgebracht, um in der jetzigen
Situation als Präsident zu sein. Dies will er als Druckmittel verweden.
 Ferdinand versteht alles bürgerliche an Louise schlichtweg nicht, die politische und
moralische Rücksichten und die Pflichten der Familie als sie sagt „Laß mich die
Heldin dieses Augenblicks sein – einem Vater den entflohenem Sohn wieder
schenken“
 Erst in der letzten Begegnung zwischen Louise und Ferdinand, als beide schonergiftet
sind, gesteht Louise die Falschheit des vom Präsidenten zitierten Briefes an den
Hofmarschall ein und Ferdinand möchte seinen Vater umbringen
 Die Liebesgeschichte aber wird, wenn überhaupt, dann nur im Jenseits eine Hoffnung
auf Erfüllung haben, so, wie es Louise bereits in der ersten Szene, in der sie auftritt,
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



angedeutet hat. Von daher hat das Stück eigentlich keine Weiterentwicklung, sondern
lässt nur die einmal getroffene Aussage aufgrund der Umstände Realität werden.
Es zeichnet den Präsidenten aus, dass er die einzige Hauptfigur des Dramas ist, die
nicht liebt, den er sieht seinen Sohn bloß als ein Werkzeug um seine Genealogie
weiterzuführen, indem er sie mit Lady Milford verheiratet
Lady Milford ist die Gegenspielerin des Präsidenten, sie will die Heirat um sich selbst
zu von einem Herzog zu entbinden. Als Ferdinand sie besucht, ist er der dominierend
im Gespräch, als Louise sie besucht, übernimmt sie die Oberhand bis Louise sich
schließlich dem Ferdinand entsagt und ihn ihr überlässt. Anschließend verzichtet sie
selbst auf Ferdinand, verschenkt ihre Besitztümer und flieht nach England.
Es geht, das wird mehr als deutlich, um den Gegensatz von außen und innen: Die
Figuren, allen voran Louise, wollen einen Innenraum retten, in dem sie sich selbst und
völlig anders, als die Welt sie sieht, entwerfen wollen. Louise verteidigt diesen
Innenraum nicht nur gegen ihren Vater oder die Lady, sondern auch gegen Ferdinand
– mit katastrophalen Folgen, denn nur durch ihre vermeintliche Kühle wird die Intrige
für Ferdinand überhaupt glaubhaft. Die Lady aber zieht die Konsequenz, als sie
merkt, dass ihr Innenraum und die Außenwelt unvereinbar geworden sind: Sie
wechselt ihre Existenz.
Miller ist ebenso wenig Vorbild wie der Präsident. Auch seine Tochter scheitert an
dem Willen des Vaters.
Jakob Michael Reinhold Lenz



Lenz wurde in Livland eines Pfarrers geboren und geht nach Straßburg wo er Goethe kennenlernt und
und nach Weimar folgt. Dort fällt er aber in Ungnade von Goethe und wird in Moskau Hofmeister und
stirbt dort 1792.
Der Hofmeister erschien 10 Jahre vor Kabale und Liebe und bezeichnet eher den Anfang des Sturm und
Drangs, kabale und Liebe eher das Ende.
Der Hofmeister
o Wieder 5 Akte, jedoch in sich geschlossene Geschichte, wobei örtlich und zeitlich viele
Dimensionen vergehen in dem Buch
o Eine Komödie, jedoch steht im Manuskript Lust- und Trauerspiel, jedoch durchgestrichen.
o Das ganze Stück besteht aus einer Reihe von Einzeltragödien, die am Schluss in das Happy
End einer Komödie gezwungen wird
o Tragödie des Hofmeisters Läuffer
 Hofmeister für Major Bergs Sohn Leopold
 dann: Unterricht der Tochter Gustchen
 Verlieben in Gustchen
 Gustchen: verliebt ihn Cousin Fritz
 Anzeichen einer Schwangerschaft
 => Flucht Läufers
 Aufspüren durch den Major
 Selbst-Kastration beim Anblick von Gustchens Sohn
o Tragödie des Majors
 Sohn Fritz in öffentlicher Schule
 Trennung des Paares Fritz/Gustchen
 Abstieg Fritz: Schuldgefängnis, Flucht
 => Tragödie in der Entfremdung von Vater und Sohn
o Gustchens Tragödie
 Schwangerschaft
 Rückzug in den Wald
 Versuch des Ertrinkens nach erfolgloser Suche nach dem Vater
o Mechanik des Happy Ends
 Rettung Gustchens durch den Vater
 Lotteriegewinn von Fritz und Pätus: Schuldenrückzahlung
 Aussöhnen des geheimen Rats mit Leopold
 Wiedersehen Fritz und Gustchen
 Liebe zwischen dem Hofmeister und der Bauerntochter Lise
o Thema:
 Erziehung wird in Dialogen diskutiert
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

Welt wird auf Gegensätzen aufgebaut und zerbrechen auch daran. Schlussendlich
ist einiges widersprüchlich, man weiß nicht, wessen Sohn Gretchens Kind ist etc
Die Welt ist leidend und die Liebe wird am Ende auf alles gekleistert und dann ist
alles gut.
Anfangs wollen alle Ideale sein: Fritz und Gustchen –Romeo und Julia und am Ende
richtet sich die Liebe auf reale Personen.
Man findet Parallelen zum Urfaust, beide handeln von dem Gelehrten, das Gretchen
schwängern.
Die Sprache ist sehr auf die Charaktere abgestimmt. Der Edle spricht auch so, der
Dumme schafft nicht mal grammatisch klare Sätze.
05. Vorlesung – Erlebnislyrik – Der junge Goethe
Erlebnisdichtung:
Mit Goethe beginnt ein Literarischer Neuanfang, da er es schafft als sensibles Individium, persönliche
Texte zu verfassen, sodass Leser das beschriebene Erlebnis beim Lesen nachvollziehen.
Vorgeschichte:




Goethe las, bevor er nach Sessenheim kam, das Buch „The Vicar of Wakefield“ von Oliver Goldsmith,
und übertrug die Romanfamilie auf die Pfarrersfamilie in Sessenheim.
Er verliebte sich dort in die Frederiker aus Sessenheim, als er jedoch nach Frankfurt zieht und sie ihn
dann später in Straßburg (?) besucht, merkt er, wie peinlich ihm dieses Landei in der Stadt ist und
macht deswegen mit ihr Schluß. Lenz eifert dann Frederike nach, was natürlich nichts bringt, daraus
entsteht dann von Georg Büchner „Lenz“
Als Referendar in Wetzler verliebt sich Goethe in die Gattin eines Kollegen.
Später kommt er wieder in ein so ein Liebesdreieck, und verliebt sich ebenfalls in eine Verheiratete, es
kommt zum Eklat und Goethe hört von einem Bekannten, der sich aufgrund von unerwiderter Liebe
erschossen hat. Daraufhin schreibt Goethe wie im Rausch „die Leiden des jungen Werthers“
Inspiration für Goethe:

Briefromane:
o Richardson – „Pamela“ (1740)
o Rousseaus – Julie ou la Nouvelle Héloïse (1761)
Briefromane sind sehr intim, da sie zumeist für die private Kommunikation verwendet wird.
Dementsprechend wird hierbei das eigene Innenleben in Schrift gefasst
Vermarktung
 Goethe vermaktet sich gut, denn er gibt an, dass alles was er schreibt echt sei. Sein lyrisches Ich
bekommt ein Seelenleben
 Durch diese moderne Selbstinszenierung entsteht eben diese neue Form des Seelenlebens
o Autobiographischer Pakt von Philippe Lejeune:
(Da Autobiographien sehr populär waren zu der Zeit)
 Autor kann über sein sein Leben schreiben und es als Autobiographie verkaufen, dem
Leser bleibt überlassen ob er es glaubt. Anders kann aber auch der Autor über die
Lebensgeschichte einer fiktive Person schreiben, welche aber wiederum war sein
kann. Dies ist ein Pakt der zwischen Autor und Leser stattfindet.
 Die Literatur strukturiert die Wahrnehmung des jungen Goethes, sie liefert ihm die Bücher, die er dann
im Leben wieder erkennt und zu eigener Literatur verarbeitet.
 Durch Goethes Autobiographie „Bruchstücke einer großen Konfession“, wo eben die Echtheit bestätigt
wird.
 Durch die Entstehung des Copyrights verdiente Goethe sehr gut, dadurch, dass der Werther ein
Bestseller wurde, umso besser
 Auch das Plagiat und unerlaubte Vermehren von Texten galt dadurch als verboten
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3 Gedichte
Anakreontik (griech.), nach dem altgriech. Lyriker Anakreon (6. Jh. v. Chr.) benannte Stilrichtung der deutschen
und europäischen Dichtung Mitte des 18. Jh. (Rokoko), verspielt-galant, immer um die Themen Liebe,
Freundschaft, Natur, Wein, Geselligkeit kreisend. Ersten zwei Gedichte fallen unter Anakreontik

Kloppstock: Das Rosenband
o Präteritum
o Reimlos und einfach geschrieben
o Wiederholung weißt auf die gegenseitige Liebe hin
o Letzte Zeile versinkt in Traumwelt
o Man legt wert darauf Empfingunden nachzuvollziehen, ist aber eher eine ideal Vorstellung
 Goethe: Kleine Blumen, kleine Blätter
o Präsens
o Heiratsantrag an Frederike
o Motive
 Frühlingsgott
 Windgott Zephyr
 Rosen
 Liebesglück
o Wirklichtkeitsnaher als Klopstock
o „Sie“ wird im Laufe des Gedichts zu „du“
o Es ist aus dem echten Leben gegriffen, also aus echten Gefühlen entstanden
o Steigung von der Rosenmetapher zur Verlobungsformel
 Goethe: Willkommen und Abschied (Sessenheimer Lieder)
o Die Natur wird menschförmig, sie spiegelt das Innere des Protagonisten
o Die Natur und die Geliebte werden zum Resonanzraum des „Ichs“, welches Bilder und
Erregungszustände wiederspiegeln => Projektion
o Aufbau
 zunächst mütterlich-zart
 dann unheimlich und grausig
 letztlich feindlich und bedrohlich

Die Leiden des jungen Werther
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zunächst anonymes Erscheinen
Ohne moralischen Zeigefinger=> Selbstmord wird nicht von Autor gewertet
Vorbemerkung vom Herausgeber und erst gegen Ende übernimm der Herausgeber wieder das Wort
Antworten werden immpliziert, ansonsten ist das Buch ein langer Monolog
Lotte ist die ideale Frau um eine Familie zu gründen => keine Gesellschaftsdame, sondern seelenvolle
Mutter (Damals war es üblich, dass die Mütter ihre Kinder an Gehilfen abgaben und nichts mit der
Erziehung zu tun hatten
neuer Soziotyp: intellektuell, selbstbewusst - aber als subaltern wahrgenommen
Lotte und Werther verstehen sich durch Klopstock und langem Tanzen sehr gut, es bedarf keine Worte.
06. Vorlesung – Realismus – Adalbert Stifter – Granit
18. Jahrhundert

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Mehr Leser – junge Männer und Frauen jeden Alters
Frauen lieben Romane, es steht generell das Krankheitsbild „Lesesucht“, die zum absoluten Verfall
führen soll
Neue Gattungen:
Almanache
 meist einmal im Jahr erscheinende Schrift zu einem thematisch abgegrenzten
Fachbereich
o Antohologien
 eine Sammlung ausgewählter Texte verschiedener Autoren oder eine themenbezogene
Zusammenstellung aus literarischen, musikalischen oder grafischen Werken.
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o

Periodika
 Es handelt sich um den Fachbegriff für Heftreihen, Gazetten, Journale, Magazine,
Zeitschriften und Zeitungen.
Die neuen Gattungen erlauben Autoren ihre Existenz auf Schreiben zu begründen (davor waren sie ja
von Brotarbeiten und Mäzen abhängig). Jedoch Unterwerfen sie sich dadurch dem
Publikumsgeschmack.
19. Jahrhundert

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
Massenpresse
Schulpflicht (40% - 75% der Bevölkerung kann lesen)
Zeitschriften haben einen Bildungsauftrag, der sich an die ganze Familie richtet. Sie soll eine
elementare Bildung und eine Weiterbildung darstellen
Fontanes skandalöses Effi Briest erschien in der „deuschen Rundschau“
Bildung ist nicht nur Wissen, sondern kümmert sich um die Entwicklung einer bürgerlicher
Persönlichkeit
Gryphius

„Es is alles eitel“ – Das „Ich“ ist einfach nur das sprachlcihe Ich, deshalb auch schnell mit „du“
aussetzbar
Bei Goethe wird dem ich aber soviel Seelenmüll aufgeladen, dass es ein bestimmtes Ich sein
muss.
Realismus
(1840-1900)
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Bezeichnet die Literatur des 19 Jahrhunderts nach der Goethezeit
Poetologische Programmatik (?)
o Nachahmung der Wirklichkeit vs. Erfindung einer imaginären Welt
o Poetik soll sich auf die Wirklichkeit bezeihen und nicht zu phantastisch und ideal sein
Fontane: Realismus ist die Widerspiegelung alles wirklichen Lebens, aller wahren Kräfte.
o Es geht jedoch nicht um die Widerspiegelung im Sinne der Wiederholung
Das Große, die historischen Umbrüche oder die menschlichen Tragödien im Reflex der kleinen Dinge
darzustellen
Realismus will Banales + Alltägliches etwas Bedeutsames + Allgemeingültiges verleihen
Das Detail trägt Motive und Sinn in Erzählungen
Phantastische Elemente können durchaus trotzdem vorkommen wie zB in Granit das Vögelchen, dass
das Krautrezept zwitschert oder das Märchenhafte, wo Mädchen geheilt, geheiratet und ins Schloß
gebracht wird
Adalbert Stifter

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Brach Jus vor letztem Examen ab, war Hauslehrer und später dann Inspekteur in Oberösterreichischen
Volksschulen, konnte aber auch herrlich von Literatur und Journalismus leben
Erzählungen liegen meist in 2 Fassungen vor, einmal in einer journalistischen- und einmal in einer
Buchfassung, dadurch konnte man doppeltes Honorar für nur einen Text bekommen. Natürlich wurden
zumeist einige Kleinigkeiten verändert.
Stifter versucht pädagogische Elemente einzubauen, einerseits Weltwissen, andererseits, wie Kinder in
der Welt von Erwachsenen integriert werden (besonders in Granit)
Das sanfte Gesetz: Achtung, Gerechtigkeit, Sitte etc
Da Stifter aufgrund der März-Revolution von Wien nach Linz flüchten musste, spielt er auch gerne mit
dem Wechsel vom städtischen aufs ländliche, wobei die Integration in kleine Gemeinschaften auch sehr
wichtig sind.
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Friedrich Hebbel




Ist der Meinung, dass Stifer das Große, den Blick ins menschliche Herz und die Psychologie der
Figuren vernachlässigt und sich zu sehr den kleinen und unbedeutsamen widmet
Stifter antwortet darauf, dass die kleinen, kontinurlichen Bewegungen mehr Bedeutung haben, als die
grundstürzenden Naturschauspiele, da diese immer aktiv sind, und nicht die Ausnahme
Nur der Unkundige konzentriert sich auf das Zerstörerische
So gesehen ist Stifter sehr konservativ, ihm sind zB die Tugenden der sich liebenden Ehegatten
wichtiger als die erotische Leidenschaft
Granit

Im kleinen eingefasst wird das Große erzählt, und die kleine „Katastrophe“ wird durch die Erzählung
der Großen relativiert bzw das Kind wird „geheilt“
 Pechbrenner Andreas stellt die Verbindung zwischen den beiden Erzählungen da, in dem er dem Kind
die Füße mit Pech anstreicht und selbst ein Nachfahre der der Pechbrenner ist
 Anhand der Landschaft erzählt der Großvater die Geschichte (Ah schau, der Baum dort, da saß der
Vogel, der das Kräuterrezept zwitscherte).
 Orte bekommen so ihre Geschichte, werden Merkstellen von Ereignissen:
Rahmenerzählung
Binnenerzählung
Kindergeschichte + Pech + Spaziergang mit Großvater Großvater erzählt über Pestepidemie
Pech
Schwarzes Pech


Bestrafung des Jungen (Mutters Strafgericht)
Pest
Schwarzer Tod

Pestepidemie (göttliches Strafgericht)

Sonderschicksal: Pechbrennerfamilie
versucht dem Schicksal zu fliehen, nur der
Junge überlebt
Dann tritt das Märchenhafte ein, dass er das
Mädchen findet, pflegt und sie schließlich
nach der Heilung wieder in eine Gesellschaft
kommen, wo sie heiraten und ein Schloß
haben
Danach wird die Geschichte wieder
alltäglich, und richtet sich darauf, dass der
Pechbrenner Andreas der Nachfolger des
Jungen sei
Interessant ist auch, dass ein ungebildetes
Kind, die Natur lesen kann, obwohl Stifter ja
so wert auf die „Bildung“ legt
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Interpretation
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
Landschaft wird gelernt, die Namen stehen für das „Kultur-Werden“ der Natur – Nur so kommt
Ordnung in die Welt
Anaphe: Wiederholug von Wort und Struktur (sehr häufiges Element der Geschichte)
Pestepidemie: soziale Katastrophe (Kinder lieben ihre Eltern nicht mehr und umgekehrt etc)
Durch das Abfragen der Landschaft erfüllt Großvater seinen Bildungsauftrag
Stifter erzählt viel und lässt vieles gerne ungeklärt.
Kaum/Keine Psychologie in seinen Figuren, er bleibt immer als Erzähler „außen“
Es geht um das Erfassen der Welt in Namen, Aufzählungen und Aufzeichnungen
Es geht nicht um die Darstellung der Wirklichkeit, die aus dem Alltäglichen und Banalen das
Wesentliche und Sinnhafte heraus entwickeln will. Stifter sucht die Dinge der Welt als solche, in ihrer
Banalität und Undurchschaubarkeit zu erfassen – und zwar über die Worte, mit denen man diese Dinge
benennen kann
o Dies ist auch ein Schritt ins 20 Jahrhundert, wo die Literatur eine Wendung vornimmt. Die
Wendung der Literatur auf die Sprache selbst
16
07. Vorlesung – Moderne: Franz Kafka
Die klassische Moderne
1900-1930
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„Bewusstsein d Krise“, denn Moderne ist eine Krise und Krisenhaftigkeit ist modern
Modern bedeutet auf der Höhe der Zeit zu sein, sich mit jetzt, heute, aktuellem zu konfrontieren
Aber auch alle bisherigen Gegebnheiten hinter sich zu lassen
1) Die Krise des Ich
a. Psychologie der Wahrnehmung
 Herrmann Ebbinghaus lässt Menschen sinnlose Silbenfolgen lernen, um
festzustellen, wie der Mensch Wirklichkeit wahrnimmt und speichert. Mensch
wird zu einem Speicher-System
b. Philosophie der Wahrnehmung
 Ernst Mach hat begonnen die Welt neu ausseinander zu legen, und zwar in
folgende Teile:
1. das Ding = der menschliche Körper ist ein Gedankensymbol für einen
Empfindungskomplex von relativer Stabilität
2. Elemente der Welt = Empfindungen wie Farben, Töne, Dru´ücke,
Räume etc
3. Das Ich = ein an den Leib gebundener Komplex von Erinnerung,
Stimmungen, Gefühlen und Gedanken, der dementsprechend instabil
und täglich variabel ist
c. Theorie der Seele
 Sigmund Freud ist der Meinung, dass die Seele Bewusstes und Unbewusstes
aufteilt
 Ödipus-Komplex: Kind liebt einen Elternteil, aber der andere Elternteil will
den geliebten Elternteil nur für sich beanspruchen, sexuell und so, deshalb
wirds dem Kind verboten. Diese Theorie geht davon aus, dass der Mensch bei
der Geburt in eine Konstellation gerät, wo er aufgrund seiner Wünsche, bloß
Schuld auf sich laden kann und von Verbotenem umstellt wird, da die Mutter,
das erste und prägendste Liebesobjekt ist.
2) Die Krise der Sprache
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Ferdinand de Saussure: Sprache variirt, Bedeutungen werden willkürlich festgelegt,
deswegen ist eine Weltkenntnis durch die Sprache unmöglich
Hugo von Hoffmannsthal: Chandos Brief: Worte haben für Chando keinen natürlichen Bezug
mehr zu ihren Bedeutungen und zur Welt, auf die sie sich beziehen. Sie fühlen sich im Mond
an wie modrige Pilze!
3) Die Krise der Kultur
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Durch die Urbanisierung, Technisierung etc. wird von einer Überfeinerung der Kultur
gesprochen.
Das moderne Leben überfordert die Menschen, Großstädte, anonyme Menschenmassen,
Abgestumpftheit
Das Leben erscheint überkomplex und fad, zu kompliziert und zu banal
Dies führt zu:
o Intellektuelle Jeremiaden (den allgemeinen gesellschaftlichen Verfall beklagendes
Werk)
o Futurismus feiert die unmenschlich, objektive, kalte Technik als Überwindung des
verkrusteten, lebensfeindlcihen Alten
o Expressionismus: schrille Bilder der Weltzerstörung und Gewalt
Man wünscht sich Krieg, um wieder das Gefühl zu haben, als EIN Volk zu kämpfen
Die Krise der Kultur führt zu der Zerstörung dieser Kultur
Als der Krieg dann vor der Türe steht, begegnet man ihm mit einer unfassbaren Euphorie,
Aufbruchs und Befreiungsgefühl, man freut sich auf die Einigung und Einheit der Gesellschaft,
die davor zu Individualisiert ist.
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Außerdem hoft man durch den Krieg auf eine ästhetische Erneuerung, dass man sich wieder
auf das Existentielle konzentriert und dadurch eine komplett neue Kunst entsteht.
Franz Kafka
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War Zeuge des Expressionismusses und 1 Weltkrieges
Lebte ewig Prag, kam erst gegen Endes seines Lebens nach Berlin, und starb schlußendlich in
Klosterneuburg an Lungentuberkulose
Er war Jurist in einer Versicherungsanstalt, deshalb spielen das Rechtwesen und Bürokratie so eine
große Rolle in seinen Werken. Häufig sind seine Erzählungen fiktive Protokolle oder
Berichterstattungen
Fand Freud unheimlich interessant
„Das Urteil“ empfand er als Durchbruch seines eigenen Stils
Die Krise des Ichs findet sich in seinen Werken oft wieder
Kafka befolgte das Gebot der Moderne sich immer radikal dem aktuellem zu stellen, aber auf eine sehr
zurückhaltende Art.
Er schrieb Literatur, die sich auf die historische Zeit bezog, aber nicht von ihr handelt.
Meistens werden in seinen Werken alle Details aufgenommen, um alle Umstände zu kennen, nur um
dann zu erfahren, dass man es nicht richtig verstanden hat, getäuscht wurde, oder alles missverstanden
hat => Die Krise des Ichs
Egal was man tut, es ist nie richtig  Man steht immer wieder vor einer Aporie
(Ratlosigkeit/Ausweglosigkeit)
Verhältnis von Subjekt und Institution
o Das Subjekt bei Kafka hat die Institution, von der es abhängig ist, immer auf eine schuldhafte
Weise nicht verstanden.
1) Beim Bau der chinesischen Mauer
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Erschien 1917 im Oktavheft C
Abgebrochener Text, wie viele seiner Texte
Abhandlung/Aufsatzmäßig
Inhalt:
o Chinesische Mauer wird gebaut, um sich vor den Nomaden zu schützen.
o Die Mauer wird mit einem Teilbausystem gebaut, jedoch stellt sich die Frage, wie die
Mauer schützen soll, wenn sie nicht zusammen hängt.
o Die ersten 3 Seiten wird darüber erläutert, den Teilbau zu argumentieren, jedoch
kommt man dann zu dem Argument, dass die Führerschaft es schon beabsichtigt
haben muss, etwas Unzweckmäßiges zu bauen. „Sonderbare Folgerung“
2 Themen:
o Mauerbau
 Nationale Arbeitsleistung
 Jahrzehntelange Planung
 Unendliche Anstrengung eines Einzelnen ist gefragt
 Abwehr gegen die Nomaden, die aber noch niemand gesehen hat
o Kaisertum
 Die Geschichte einer Verfehlung
 Das Habsburger-Reich ist so groß´, dass jeder den Kaiser verehrt, aber keiner
eine Ahnung hat, wer gerade Kaiser ist, und der Kaiser verfügt nicht über die
Kommunikationmitteln, um sein Volk zu kontaktieren
 Teilbausystem = Vielvölkerreich des Habsburger-Reiches
Vereinigungsrausch (Blut, Bürder, Volk) bilden Parallelen zum 1. Weltkrieg
o Die allgemeine Mobilmachung vor dem 1. Weltkrieg, also das Organisatorische, die
Versorgung, der Transport der Waffen und Soldaten etc wird in der Erzählung durch
den Mauerbau symbolisiert
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2) Ein altes Blatt
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Ein abgeschlossener Text
Eine Momentaufnahme/Zeugenaussage
Inhalt:
o Ein Schuster beobachtet die Nomaden in der Haupstadt, wie sie sich wie Barbaren
benehmen, und auf einmal einen lebendigen Ochsen anknabbern und schlußendlich
vollkommen verschlingen!
Die Nomanen stellen den kulturelle Feind da, so wie man die Feindschaft zwischen der
deutsch-österreichischen Allianz gegen England und Frankreich als Krieg der Kulturen
bezeichen könnte => „clash of cultures“
Die Nomaden haben keine Sprache, sondern scheinen sich mit Signalen zu verständigen, so
wie Dohle. => Kafka auf Tschechisch bedeutet „Dohle“
o Die Parallele dazu ist, dass Kafka das Pragerdeutsch spricht, welches eig nur eine
Papiersprache ist in Prag,
o Saussures Einsicht der Zeichensysteme wird übernommen, wer keine gemeinsame
Kultur hat, kann womöglich die Sprache des Anderen vielleicht gar nicht als Sprache
wahrnehmen.
3) Der Bau
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Einer der späteren Texte Kafkas, kurz vor seinem Tod geschrieben
Interpretationsansätz
o Häufig wird der Bau als Allegorie Kafkas eigenen Werkes verstanden: „Ich habe den
Bau eingerichtet und er scheint wohlgelungen“
o Parallelen zum 1 WK: Reflexion aus der Innenperspektive der Frontsoldaten im
Schützengraben => Verteidigung und Beobachtung
Es handelt sich um maulwurfsartiges Tier, dass einen bau hat und Angst vor Feinden, soviel,
dass es kaum mehr ruhig sein kann vor Panik
Es ist in einem –iterativem Präsens geschrieben, dh die Gegenwart von Handlungen, die sich
wiederholen
Es passiert praktisch nichts in der Geschichte, es wird nur geschildert und argumentiert
Die Geschichte hat die Form eines inneren Monolog
o Um den subjektiven Weltzugang des Ichs darzustellen, so dass man die Begrenzung
des Ichs auch mitbekommt
Das Tier verschanzt sich in seinem Bau, aber fürchtet, dass der Bau selbst ihm zur Falle wird
Es kann den eigenen blinden Punkt nicht reflektieren
Handelt zur Abwechslung mal nur von einem Subjekt, beim Versuch für alles Möglichkeiten
vorzusorgen
„Es besser zu wissen“ ist der Nachteil (Aporie), in das sich das Ich hineintreibt
Dies moderne Krise des ichs wird hier in einem Selbstbezug, in dem sich das Ich gerade im
Versuch der Selbsterhaltung selbst zerstört!
08. Vorlesung – Moderne + Gegenwart
Das Drama
 Wird im kollektiv konsumiert, Voraussetzung sind natürlich Theater + Verleger
 Theater Autoren schrieben entweder im Auftrag von einem Theater, oder haben sich mit Stücken
beworben bei einem Theater
 Dann wird das Stück von Schauspielern, Bühnenbildern und Regisseuren aktualisiert, damit es immer
neu und anders ist
 Drama entfaltet sich meist nur bei einer Aufführung, nur beim Lesen wird es schwierig. Heißt natürlich
auch, dass der Autor wissen muss, wie man auf der Bühne inszenieren kann
Friedrich Schiller
„Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet“ 1784 (gleiches Jahr wie Kabale und Liebe)
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Theater soll sich vom Adel und Höfischen lösen und mehr ein bürgerliches Publikum ansprechen
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Kunst soll Verstand und Emotion vereinigen
Theater ermöglicht zB ein Verbrechen zu zeigen, warum es moralisch schlecht ist, aber auch wie das
Innenleben des Verbrechers aussieht, und warum er dieses Verbrechern begangen hat oder vielleicht
sogar musste.
Man soll Erlebnisse machen, die man im echten Leben lieber nicht machen sollte. Natürlich setzt dies
hochprofessionelle Schauspieler voraus, die so gut sind, dass man sich ohne Probleme in sie
hineinversetzen kann
Im Theater sollen sich auch alle Stände und Klassen als Publikum zusammenfinden.
o Sie müssen sich zwar nicht einig sein über den Inhalt des Stückes, aber sie sind sich einig, dass
sie sich damit ausseinandersetzen => Gefühlsgemeinschaft
Das Theater soll bilden: Erfahrungen ermöglich, diese zu differenzieren etc.
Schillers Theater ist durchaus politisch, da er sich als Spiegel der Macht sieht und das ausspricht, was in
er Öffentlichkeit nicht erlaubt wäre.
Berthold Brecht
„Die Maßnahme“ 1930
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Brecht trennt sich von Schillers Ansichten, vom Vergnügungstheater und entwickelt das „epische“
Theater. Hier soll der Mensch aktiviert und nicht amüsiert oder bewegt werden
Brecht will Distanz, Reflexion und Rationalität
o Er will wie beim Lesen, dass sich das Bild erst im Kopf der Zuseher bildet und nicht schon
vorgefertigt auf der Bühne vorweggenommen wird => aktiv erleben, statt passiv zu
konsumieren
o Nicht wiedererkennen, was man schon kennt, sondern kennenlernen, was man nicht selbst
denken oder erleben konnte
Der Verfremdungseffekt
o Kommentare zum Geschehen, die von Personen gesprochen oder als Schrift eingeblendet
o werden
o - sehr plakative Szenenüberschriften; ein Schauspielen, das nicht ‚natürlich’, sondern gerade
o ‚gespielt’ oder sogar ‚falsch’ aussieht und damit jede Identifikation mit einer Bühnenfigur
o unmöglich macht (Brecht sagt einmal, der Schauspieler solle seinen Text so sprechen, als sei
o es ein Zitat)
o - eine sprunghafte, nicht-chronologische Erzählweise
o - keine Kostüme, sondern die normale Kleidung
o - eine ausgestellt artifizielle Sprache; usw.
Stücke die dem epischen Theater entsprechen:
o Das Leben des Galilei
o Mutter Courage
o Der gute Mensch von Sezuan
o Der kaukasische Kreidekreis
o Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui
Die Maßnahme – Ein Lehrstück
o Entstand in der Zeit 1925- 1935, Brechts Lehrstück-Periode
 „Maßnahme“ kam vom „Jasager“, dieses wiederum ist an ein japanisches Stück des
No-Theater Genres angelehnt.
 Es gibt 3 Fassungen
 Einmal auch eine, wo der Junge verneint, und dann eine andere Lösung
gefunden wird
 Lehrstücke dürfen verändert werden, kritisiert und zerlegt. Alles ist möglich
 No Theater (Aus Japan):
 Entpersönlichste Darstellungsweise
 Haupsächlich nur aus Gestern, wenig Deko und Unterbrechungen bestehend.
o Musik ist von Hanns Eisler
o Es ist Material zum Spielen, dadurch werden Menschen aktiviert, nicht unbedingt die
Zuschauer
o Man spielt mehrer Situationen immer anders durch, um dabei zu erfahren, wie es sich aus
anderen Perspektiven funktionieren könnte.
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o Inhalt:
Der Inhalt des Lehrstücks ist kurz folgender: 4 kommunistische Agitatoren stehen vor einem
Parteigericht, dargestellt durch den Massenchor [im Stück: Kontrollchor, EH]. Sie haben in China
Propaganda getrieben und dabei ihren jüngsten Genossen erschießen müssen. Um nun dem Gericht
die Notwendigkeit dieser Maßnahme der Erschießung eines Genossen zu beweisen, zeigen sie, wie
sich der junge Genosse in den verschiedenen politischen Situationen verhalten hat. Sie zeigen, daß
der junge Genosse gefühlsmäßig ein Revolutionär war, aber nicht genügend Disziplin hielt und
zuwenig seinen Verstand sprechen ließ, so daß er, ohne es zu wollen, zu einer schweren Gefahr für
die Bewegung wurde. Der Zweck des Lehrstückes ist also, politisch unrichtiges Verhalten zu
zeigen und dadurch richtiges Verhalten zu lehren.“
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Figuren handeln nicht, sondern spielen vor, wie sie gehandelt haben
 Einer von ihnen ist der Genosse, der erschossen wurde, nur so erfahren sie, warum
der Genosse so gehandelt hat und warum die Entscheidung wichtig war
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Das Stück ist in 8 kurzen Szenen aufgebaut
 Szene 2
 Wie sie ihre Identität auslöschen müssen,
 =>Theater-theorethisch: Figuren sind leere Flächen, psychologisch nicht
nachvollziehbar
 => sich als Person auslöschen: Theater spielen
 Szene 3-6
 Hier wird behandelt, was der junge Genosse viermal falsch gemacht hat.
 Ihre Tarnung fliegt auf und der Jüngste wird auf der Flucht verletzt
 Szene 8
 Die Tötung: um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, wirst du Dinge tun
müssen, die unverzeihlich sind
 Selbst der jüngste Genosse sieht keinen Ausweg aus der Situation außer
seinen eigenen Tod
 Es ist keine Bestrafung, sondern eine Notmaßnahme
 Widersprüche: Ob man die Welt verändern kann, wenn man in Schmutz versinkt
(Unverzeihliches tut) und ob die Welt, die man auf diesen Weg erzeugt, überhaupt
etwas wert ist
Theater der Gegenwart
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Texte sind Experimente, die als offenes Material von Regisseur in jeder Hinsicht verändert werden darf
Material Verabeitungsästhetik tritt auf
„Veränderbar und verändernd“
Elfriede Jelinek
„Ich will nicht spielen und auch nicht anderen dabei zuschauen. Ich will auch nicht andere dazu bringen zu
spielen. Leute sollen nicht etwas sagen und so tun, als ob sie lebten. Ich möchte nicht sehen, wie sich in
Schauspielergesichtern eine falsche Einheit spiegelt: die des Lebens. Der Schauspieler ahmt sinnlos den
Menschen nach, er differenziert im Ausdruck und zerrt eine andere Person dabei aus seinem Mund hervor, die
ein Schicksal hat, welches ausgebreitet wird. Ich will keine fremden Leute vor den Zuschauern zum Leben
erwecken. ... Ich will kein Theater. ... Die Schauspieler sollen sagen, was sonst kein Mensch sagt, denn es ist ja
nicht Leben. Sie sollen Arbeit zeigen. Sie sollen sagen, was los ist, aber niemals soll von ihnen behauptet werden
können, in ihnen gehe etwas ganz anderes vor, das man indirekt von ihrem Gesicht und ihrem Körper ablesen
könne.“
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Theater ist heute häufig Anti-Theater
Abkehr von lebendigen Figuren
Haltung der Spielenden, dass sie währenddessen noch etwas lernen können
Heiner Müller
1929-1995
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Arbeitete und schrieb in der DDR, seine Stücke wurden aber aufgrund der Zensur eher in
Westdeutschland aufgeführt
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Die Hoffnung, mit Gewalt eine zukünftige politische Ordnung herbeizuführen, war für ihn keine Option
mehr (im Gegensatz zu Brecht)
Er nimmt Schillers politische Theater sehr ernst und verabschiedet sich von dem, dass Spielende und
Publikum etwas dabei lernen sollen
Für ihn ist nur mehr die Sprache wichtig
o Reines sprechen
o Montieren von Textfüßen und Zitaten
o Symbolen und sprachlichen Treibgut
o Es ist ein anti-utopisches oder anti-pädagogisch Theater
Außerdem verabschiedet er sich von dem einsamen und genial schaffendem Autor, da er bereits
existierende Texte weiter- und neuschreibt.
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