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STEOP – Literatur im historischen Kontext Inhalt
STEOP – Literatur im historischen Kontext Inhalt 1. Vorlesung – Hartmann von Aue „Der arme Heinrich“................................................................................... 1 2. Vorlesung – Frühe Neuzeit/Reformation: Thüring von Ringoltingen: Melusine; Martin Luther: Sendbrief über das Dolmetschen ............................................................................................................................................. 4 03. Vorlesung – Barocklyrik ................................................................................................................................... 6 04. Vorlesung – Bürgerliches Trauerspiel – Sturm und Drang – Schiller: „Kabale und Liebe“, Lenz: „Der Hofmeister“ ........................................................................................................................................................... 10 05. Vorlesung – Erlebnislyrik – Der junge Goethe ............................................................................................... 13 06. Vorlesung – Realismus – Adalbert Stifter – Granit......................................................................................... 14 07. Vorlesung – Moderne: Franz Kafka ................................................................................................................ 17 08. Vorlesung – Moderne + Gegenwart ................................................................................................................ 19 1. Vorlesung – Hartmann von Aue „Der arme Heinrich“ Besonderheiten Mittelalter: Bis 16. Jahrhundert sind Texte Handschriften => Unikate Heldenepik zB „Nibelungenlied“ wird regelmäßig ohne Autorenname überliefert Der Autor o Autor wird oft im Prolog genannt, oder von anderen Autoren erwähnt, die sich auf ihn beziehen oder von ihm absetzen. o Autoren schrieben meist immer Auftragsdichtung, man kannte seinen Auftraggeber und sein Erstpublikum (Hofsgesellschaft) o Während dem Schreibprozess bekamen sie von den Auftragsgeber Lohn und Brot o Auftragsgeber bekommt mehr Ansehen als Autor Hartmann von Aue: Ca 1180 begonnen zu dichen und um 1230 bereits wieder gestorben Herkunftsort Aue, durch seine Werke, späteren Dichter und Liederhandschriften bezeugt. Swaben um genauer zu sein, jetzt Baden-Württemberg, Voralberg, Ostschweiz und Teile des Elsaß Sprache deutet auf alemannische Herkunft Hartmann könnte Ministeriale (ehemalig kleiner Adelige, der sozial abgestiegen eine ranghohe Stellung an einem Hof einnimmt) gewesen sein könnte Werke: o Erec o Gregoruis o Der arme Heinrich (ca 1200) o Iwein Prolog: Gleich am Anfang kommt es zu einem contradictio in adiecto (Widerspruch) o Entweder man ist Ritter oder ein Gelehrter o Als Ritter bezeichnet man jemanden, der ein Pferd besitzt, zum Kampf benötigte Fähigkeiten, höfisches Benehmen und Minnesang o Gelêret => weißt auf eine Schulausbildung hin o verschiedenen’, mislîchenBücher => weißt auf die Fähigkeit in mehreren Sprachen wie Deutsch, Latain und altfranzösisch gelesen zu haben o Er ist also der perfekte Ritter, hat alle Tugenden, jedoch wird nicht erwähnt, dass er gläubig war. 1 Inhalt: Heinrich erkrankt an Lepra, doch im Gegensatz zum biblischen Hiob, der es klaglos erduldet, sucht Heinrich Ärzte in Montpellier und Salerno auf, welche ihm mitteilen, dass seine Krankheit nur durch das Herzblut einer reinen, heiratsfähigen Jungfrau, die es auch noch freiwillig vergießen würde, geheilt werden kann. Er erkennt die Unmöglichkeit der Heilung und verschenkt seine Besitztürmer an arme Verwandte und Kirche, nur ein Rodungshof, auf dem freie Meiersleute wohnen, behält er. Heinrich hat ein gutes Verhältnis mit den Meiersleuten und wie es der Zufall will haben sie eine achtjährige Tochter, mit der Heinrich ein sonderbares Verhältnis hat. Er schenkt ihr Haarspangen, Spiegel und Ringe, Geschenke die einem Kind angemessen sind, aber auch einer Geliebten. Während seinen Aufenthalt dort, bekennt Heinrich, dass seine Weltverhaftetheit ihm wohl Gottes Strafe eingebracht habe. Außerdem erzählt er von der unmöglichen Heilung und auch das Mädchen bekommt es mit, und möchte sich sofort opfern. Nachdem sie die Eltern und Heinrich überredet hat und schlußendlich auch den Arzt, ziehen sich Arzt und Mädchen in ein Kämmerlein zurück. Während das Mädchen nackt da liegt und der Arzt das Messer schärft, blickt Heinrich durch ein Astloch hinein und erkennt, dass er schon ein Wrack ist und das Mädchen noch jung und ein ganzes Leben vor sich hätte und verhindert die Opfergabe, sehr zu Freuden des Arztes und zum Ärger des Mädchens. Sie ziehen heim, Gott erbarmt sich und heilt Heinrich, jener erhält alle Ländereien zurück und heiratet schlußendlich das Mädchen. Interpretation: Es geht Hartmann wohl darum die Ansprüche Gottes und der Welt zu vermitteln. Die Geschichte spielt in der realen Welt, Montpellier und Salerno sind tatsächlich seit dem 10. Jahrjundert medizinische Zentren. Mitteralterliche Familien schaffen sich gerne einen besonderen „Spitzenahn“, der die Besonderheit des Geschlechts begründet. Deshalb erzählt Hartmann von einem Heinrich, der auch aus der Aue kommt, ein Meiersmädchen heiratet und deshalb eine Standesminderung hinnehmen muss, die dann Hartmann betrifft. Könnte eine Märendichtung sein, da es meistens extrem unterschiedliche Mehrfachfassungen gibt und die handschriflich überlieferten Texte gehen auch weit von Hartmanns Version weg. In Handschrift A: Mädchen ist 8, bei Opferentschluss 11 oder 12 In Handschrift B: Mädchen ist 12, bei Opferentschluss 15 oder 16, was der Astloch Szene eine erotische Komponente gibt, welche auch durch Textänderungen verstärkt wird. Außerdem heiraten die beiden war, aber ziehen sich aus der Welt zurück und leben in einem Doppelkloster bis sie sterben. Hier bleibt das Mädchen eine Braut Christi, da sie unangerührt bleibt. In Fragment E: Wird Heinrich geheilt auf dem Rückweg, aber die Eheschließung fehlt. 3 Auslegungen: Legende: Gott legt Menschen eine Prüfung auf, aber Heinrich ist kein Heiliger, sonstigen Legenden gibt es einen Heiligen Mirakelerzählung: Ein Wunder geschieht, jedoch sind Wunder auch an Heilige, meist Maria, gebunden Außerdem fehlt es an der Wundermächtigkeit eines bestimmten Kultes. Exempel: eine Beispielerzählung, jedoch fehlt hierfür die Auslegung Beim Schreiben eines mittelhochdeutschen Texts um 1200 hat der Autor meist eine altfranzösische oder latainische Vorlage frei bearbeitend übersetzt. Auch Heinrich stellt es im Prolog so dar, als ob er so verfahren sei, jedoch gibt es in jenen Sprachen keine ähnlichen Geschichten. Der Text scheint reine Erfindung zu sein, möglichereiweise inspiriert durch die franzöische Novellistik. Silvester-Legende Anregungen findet Hartmann besonders in der Aussatzlegende, der Silvester-Legende. Auch hier wird der Kaiser Konstantin, ein Heide, vom Aussatz befallen und das Heilmittel wäre ein Bad im Blut unschuldiger Kinder. Doch durch das Wehgeschrei der Mütter lässt er von diesem Plan ab und ihm erscheinen im Traum Apostel Peter und Paul, welche meinen er solle sich an den Papst Silvester wenden. Ein Bad im Wasser der Traufe rettet ihn. In beiden Fällen wendet Gott nachdem Verzicht alles in Positive. 2 Unterschiede: Die Freiwilligkeit des Opfers fällt bei der Silvester-Legende weg, die Klage der Mütter ändert seine Meinung. Amicus und Amelius In einer Freundschaftssage aus dem Mittelalter rettet ein Freund den anderen, indem er seine beiden Söhne opfert. Die Geschichte endet mit der Wiederauferstehung der Kinder und der Heilung des Freundes. Hier kann Hartmann das Motiv der Freiwilligkeit gefunden haben. Schuldzuweisung: Als der arme Heinrich erkrankt, wird nirgends gesagt warum, es gibt jediglich einen Hinweis auf Absalon, der den von seinem Vater König David ungestraften Inzest seines Bruders an seiner Schwester rächt und wegen Auflehnung getötet wird. Jedoch sind Absalon und Hiob nicht mit Heinrich zu vergleichen weil jener weder duldet wie Hiob, noch auflehnt wie Absalon. Als Meier Heinrich nach der der Heilung fragt, antwortet Heinrich mit einer subjektiven Annahme der Schuld, seine frühere Gottesferne. Heinrich sagt nie, dass sein Weltleben schlecht war, sondern unvollständig und dies sei wohl der Grund für seine Strafe. //// Hartmann verweist auf den Tod, aber meint eher den Tod als Verkehrung des irdischen Glücks, da niemand tatsächlich stirbt. Das Mädchen: Es überredet zuerst die Eltern sich zu opfern, danach geht es zu Heinrich, welcher aber entschlossen ablehnt. Er weist darauf hin, dass Kinder sich schnell etwas in den Kopf setzen, was ihnen aber auch schnell wieder leid tut und meint, dass die Eltern sie noch brauche. In einer kleinen Szene wird nun die Reaktion aller beschrieben: Alle weinen, aber aus unterschiedlichen Gründen: Die Eltern, weil sie ihre Tochter verlieren, Heinrich wegen der unbegreiflichen „triuwe“ des Mädchen und weil er nicht weiß, wie er sich verhalten soll, das Mädchen, weil sie befürchtet, Heinrich würde ihr Opfer nicht annehmen. Sie redet am meisten und argumiert viel und gescheit für ein Kind. Sie sieht den Tod als Erlösung ihrer Seele und der Instandhaltung ihrer Reinheit. Sie meint, die Eltern werden in Armut verfallen ohne Heinrich, sodass sie so leben müssten, dass sie wünschten sie wären tot, oder sie müsste einen Bauern heiraten, aber das Leben einer Bäuerin sei auch sehr hart. Das Mädchen sieht sich als Braut Christi (eine bekannte mystische Denkfigur), doch ist gleichzeitig deutlich (und das muss man ihr zum Vorwurf machen), dass sie Christus eben nur gemäß ihrer Erfahrung denken kann: eben als Bauern, der ihrer idealisierten Wirklichkeit entstammt. Viele werfen dem Mädchen Heilsegoismus vor, jedoch darf man nicht vergessen, dass Heinricht erkennt, dass sie überzeugt ist, das Richtige zu tun, und mit kindlichen Verlangen versucht es durchzusetzen. Merkwürdig ist auch, dass das Mädchen nach den Schimpftiraden ihre Sprache, die es mit dem Opferentschluss gewonnen hat, wieder verliert. Es wird nicht einmal gefragt, obwohl es damals üblich wäre, ob es heiraten möchte, obwohl es sich doch eigentlich zuvor gegen die Ehe geäußert hat. Zweckbündnis: Mädchen und Heinrich Heinrich muss von der Welt vollständig loslassen, um sie wiederzugewinnen. Dass aber tut er erst in dem Moment, in dem er auf das Opfer des Mädchens verzichtet. Da aber wird er für das Mädchen uninteressant, da sie durch seine Weltbezogenheit ihr Seelenheil sichern wollte. 3 2. Vorlesung – Frühe Neuzeit/Reformation: Thüring von Ringoltingen: Melusine; Martin Luther: Sendbrief über das Dolmetschen Thüring von Ringoltingen: Melusine Generell: Der Buchdruck fasst durch Gutenberg schon langsam Fuß, doch um einem Risiko zu entgehen wird auf Latain gedruckt, wodruch die Zielgruppe geringer ist. Parallel zu den Drucken entstehen aber nach wie vor noch Handschrfiten, davon sind immerhin 17 heute noch erhalten. Zunächst wurde die Melusine in Handschrift überliefert. Der Erstdruck der Melusine geschah 1477, allein bis 1500 lassen sich 13 Auflagen nachweisen, was quasi einem Bestseller damals entsprach. Jedoch war die Melusine thematisch nicht sehr modern, nur die Form änderte sich von dem damaligen Reimpaarvers zu Prosa. Thüring geht sehr mitteralterlich vor und greift auf eine altfranzösische Vorlage zurück, der Autor Couldrette um 1401 in Form einer Versfassung lieferte. Der Stoff der Geschichte ist wesentlich älter, schon um 1200 herum findet er in latainischer Literatur Erwähnung. Das Adelsgeschlecht Mère Lusignan, derer Melusine die Stammmuter ist, ist ein sehr bedeutendes Adelsgeschlecht in Frankreich und verteilte sich fleißig in familiären Verzweigung über Europa. Meist steht zu Beginn des Adelgeschlechts ein mythisches Wesen. Grund dafür ist die Genealogie, die das mitteralterliche Denken sehr geprägt hat, jedoch aus christlicher Perspektive paradox, da ja alle von Adam und Eva abstammen und dementsprechend eigentlich gleich sind. Deswegen kam der Gedanke der Genealogie, um sich zu unterscheiden, wie würde es nicht besser gelingen, wenn der Spitzenahn zum Beispiel eine Fee ist. Es ist besser, von einer Fee abzustammen als seine Genealogie bis auf Adam zurückführen zu müssen, denn es geht ja in Genealogien nicht darum, Herkunft zu zeigen, sondern Differenz zu erzeugen, und das kann man nur, indem man an einem Punkte aus der Genealogie ausschert und einen Ursprung setzt . Die Geschichte der gestörten Martenehe wird oft erzählt im Mittelalter. Dabei handelt es sich darum, dass der Partner eines Menschen irgendwie übernatürlich ist, meist der weibliche Part. Es geht darum, dass ein Tabu begründet wird, und dieses Tabu aber auch auf jeden Fall gebrochen wird. Inhalt Reymund stammt aus einer Familie mit vielen Söhnen, deswegen wir er vom befreundeten Grafen Emmerich aufgenommen. Reymund erstich jenen zufällig, als ein wilder Eber (hochgefährlich und sexuell aggressives Tier nach mittelalterlicher Tradition) sie angreift. Das ganze geschieht blöderweise ohne Zeugen und während Reymund beschäftigt ist eine Klage an sein Glück zu schicken, lässt das Pferd die Zügel schleifen und wählt den Weg zu einem Brunnen, wo 3 Damen stehen. Die Jüngste von ihnen spricht Reymund bei seinem Namen an und gibt ihm den Rat zu behaupten, dass er und der Graf getrennt worden seien und er für seine Dienste ein Land in der Größe einer Hirschhaut verlangen soll. Bedingungen für die Ratschläge ist, dass er sie heiraten muss und sie samstags nicht gesehen darf. Reymund willigt ein. Der Durstbrunnen, das Zentrum Melusines Macht lässt ein Schloss, eine chrstliche Kapelle und Bedienstete herausspringen und die Ehe wird abgeschlossen, nur Melusines Herkunft bleibt unbekannt. Sie gebährt jedes Jahr ein Kind, welches immer ein Makel haben, und baut jedes Jahr ein Schloss. Die Erzählung widmet sich nun den Söhnen und deren Heldentaten, heiraten und Herrschaften übernehmen, alle miteinander eine Musterkarriere durchlaufen. Nur Reymund bleibt sehr passiv und untergeordnet während Melusine beinahe Perfektion ist, zwischen dem jährlichen gebären, Schlösser baut und unerschöpfliche Machtmittel, wie Geld und Menschen, hat. Reymunds Bruder kommt zu Besuch, da Reymund seine zwei Söhne Goffroey und Freymunt in die weite Welt hinaus aufbrechen. Reymunds Bruder macht Reymund darauf aufmerksam, dass eine Frau nicht diesen Freiraum genießen kann, ohne dass man Verdacht schöpft, dass sie sich den ehelichen Pflichten entzieht. Oberstes Gebot eines Mannes ist die Kontrolle über seine Frau und so beobachtet er seine Melusine beim Baden und entdeckt ihren Wurmschwanz. Sofort bereut er den Tabubruch und hofft, dass sie es auch nicht gemerkt hat. Und sie spielt mit, den solange nichts an die Öffentlichkeit dringt, ist auch keine Konsequenz zu erwarten. 4 Goffroy, Reymunds Sohn kämpft gerade mit Riesen als er durch einem Brief seines Vaters erfährt, dass sein Bruder Freymunt einem Kloster beigetreten ist. Sogleich brennt er das von seiner Mutter erbaute Kloster ab und tötet alle darin und reitet danach zum nächsten Riesenabenteuer. Reymund hört von diesem Brudermord, gibt Melusine die Schuld in der Öffentlichkeit, nennt sie „Meerfee“, welches Melusine in Ohnmacht wirft. Als sie wieder aufwacht hält sie eine Klagerede, verflucht Reymund und fliegt dreimal um das Schloss bevor sie mit einem Schrei verschwindet. Zuvor gibt sie aber noch Anweisungen und Prophezeiungen von sich, unteranderem, dass ihr Sohn Horribel getötet werden muss, da sonst Krieg übers Land ziehe. Eigentlich könnte hier die Geschichte gehen, aber sie geht sonderbarer Weise noch weiter. Melusine ist nicht ganz verschwunden, sie säugt nachts ihre kleinen Kinder und Goffroy erfährt in seinem nächsten Abenteuer die Vorgeschichte seiner Mutter. Die außerweltliche Ahnfrau erhält Eltern und zwei Schwestern. König Helmas von Albanien ist mit Persina verheiratet, die dem Gatten das Tabu auferlegt, dass er seine Frau nicht im Kindbett besuchen darf. Der König bricht das Tabu und die Mutter zieht mit ihren drei Töchtern nach Avalon, eine klassische Feeninsel. Später rächen sich die Töchter am Vater, schließen ihn in Stein ein, worauf die Mutter wiederum die Töchter verflucht. Sie sollen für immer unerlöst bleiben und sie verweigern sich dem Männlichen, wodurch sie wiederum auch bestraft werden. Dies erfährt Goffroy an einem Berg, in dem er die Grabtafel seines Großvaters liest. Es tut sich ein Generationenschema auf, Männer brechen jedesmal das auferlegte Tabu. Dort wo Männer wichtig sein sollen, werden es plötzlich die Frauen mit ihrem eigenartigen Wesen. Es folgt ein ausführlicher, das Geschlecht von Lusignan lobender Nachspann, der dann auch das Geschlecht mit den Heidenkämpfen und dem Königreich von Jerusalem in Verbindung bringt und die Erzählung beendet. Interpretation Oftmals kommt zu Klagen bezüglich der Wirkung von Fortuna (= Glück, Schicksal). Das Rad der Fortuna trägt Reymund erst nach oben, und schließlich auch wieder hinunter. Das Zorn-Motiv: Goffroy mit dem Eberzahn und Reymund verbindet ganz stark der Zorn. Goffroy in dem plötzlich das Kloster niederbrennt und Reymund, der plötzlich eine Wut auf Melusine hat und ihr die Schuld für die Defekte seiner Söhne gibt. Es gibt zwei Konfigurationen von Vätern und Söhnen, die einen gehen vom Vater weg und erfüllen ihre genealogische Funktion. Und dann gibt es Goffroy, in ihm kehrt die „Sünde“ des Vater wieder, wie in Melusine der Fluch der Mutter wiederkehrt. Am schlimmsten erwischt es jedoch Freymunt, dessen Klostereintritt zur Katastrophe führt, Melusine begründet die Tat Goffroys zwar mit den Untaten der Mönche, jedoch ist das interpretationsbedürftig. Am Ende der Erzählung tritt Reymund einem Kloster bei während Goffroy ein neues baut, dies gescheiht nach beider Beichte und Absolution beim Papst. Der Klostereintritt Freymunts, des am wenigsten entstellten Bruders, suggeriert Sündenfreiheit, Normalität Man kann einige Parallen zwischen der Geschichte und Thüring von Ringoltingen finden. Die Familie von Ringoltingen hatte zuvor einen anderen Namen und lebte auch als Bauernfamilie an einem anderen Ort. Sie kommen jedoch an Geld und kaufen sich in Bern den Namen von Ringoltingen, da die ursprüngliche Adelsfamilie gerade am aussterben ist. Sie gewinnen an Ansehen in Bern, jedoch breitet sich der Familienbaum nicht wie in Melusine erzählt über ganz Europa aus, sondern stirbt dann mit Tühring wieder aus. Feengeschichten beginnen auch im Mittelalter ihre literarische Karriere als Liebesgeschichten; Genealogie und Aufstieg sind Themen, die sie in einem spezifischen literarischen Kontext behandeln – und sie werden dann wieder zu Geschichten, in denen die Romantik (Friedrich de la Motte Fouqués Undine) der die Moderne (Ingeborg Bachmanns Undine geht) über Liebe und Geschlechterbeziehungen nachdenken. Martin Luther: „Sendbrief vom Dolmetschen Ein wichtiger Traditionsstrang innerhalb der deutschsprachigen Literatur betrifft Texte, die über die Verwendung der deutschen Sprache reflektieren. Ein Weißenburger Mönch namens Otfrit begründet, dass er sich zwar bewusst ist, dass das Deutsche (fränkische) der heiligen Sprache Latain zwar unterlegen ist, aber er nach einer eigenen Tradition sucht, die sich gegen die französische und niederländische Dichtung behaupten kann. Während der Buchdruck im 15. Jahrhundert noch scheitert, gibt es im 16. Jahrhundert schon wirtschaftliche Erfolge. Und das hat letztlich auch mit der Reformation zu tun: Martin Luther und seine Mitstreiter sind nicht nur Theologen sondern auch begnadete Publizisten. Es ist formelhaft, aber nicht falsch: Buchdruck und Reformation fördern sich gegenseitig. 5 Als der „Sendbrief vom Dolmetschen“ 1530 erschien hatte Luther erst das Neue Testament und Teile des Alten Testament übersetzt. Beides erschien dann vollständig un erlebte innerhalb von 2 Jahren 22 Auflagen und 110 Nachdrucke, die heute als Raubdrucke bezeichnet werden würden, da Luther und Verleger nichts daran verdienten. Man hat Luthers Theologie immer wieder auf eine griffige Dreischrittformel zurückgeführt: sola fide, sola gratia, sola scriptura: Allein der Glaube, allein die Gnade Gottes, allein die Schrift. Luther stellt sich die theologische Frage, ob nicht die Sünde der Menschen größer ist als die Güte Gottes. Schließlich meint er, dass der Glaube allein den Menschen vor Gott wertvoll macht, nicht seine Taten. Hier greift er die Kirche an, den die hat das Fegefeuer erfunden, welches diesseits und jenseits zu ihren finanziellen Nutzen verbindet. Um dem entgegenzusetzen übersetzt er die Bibel, damit sich Menschen selbst ein Bild von der heiligen Schrift machen können und geht sehr offensiv positiv mit der deutschen Sprache um. Luther argumentiert gegen die Papisten, dass er nicht nur die Bibel, sondern auch Astistoteles lesen kann. Er übersitzt im Gegensatz zu anderen nicht Wort zu Wort, sondern Sinn für Sinn. Hieronymus Emser sorg für einen weiteren Wutausbruch Luthers, als er Luther Übersetzung nimmt und einige Passagen korrigiert um damit quasi eine Copyrightverletzung zu begehen. Luthers Vollbibel erhält eine Vorrede, in der sich Luther gegen solchen geistlichen Diebstahl wendet. Auch hat er ein Privileg seines Fürsten erhalten, dass nur mit seiner Genehmigung und nur sein Drucker die Bibel nachdrucken darf. Schlusswort Beide Texte stehen zwischen Mittelalter und Moderne, beide sind aber noch sehr viel stärker dem Mittelalter verhaftet. Das gilt auch für Luther, der ja vom Selbstverständnis her zunächst ein Reformer (und kein Reformator) war, der sich schließlich, wenn man plakativ formuliert, der Reformation als politischer Bewegung auch nicht gewachsen gezeigt hat und von ihr überrollt wurde. Altes besteht weiter oder wird in neue Formen umgegossen (so entstehen aus vielen mittelalterlichen Versromanen Prosafassungen, die gleichzeitig die kunstvolle Ästhetik mittelalterlicher Texte auf bloße Inhaltsangaben reduzieren). In viel schnellerer Folge treten neue wichtige Themen auf (so wird z.B. das Thema der Genealogie, das Jahrhunderte lang viele Texte bestimmte, vom Thema Geld abgelöst, das dann wiederum in wenigen Jahrzehnten vom Thema Bildung als thematischer Fokus der Romanproduktion überholt wird), während sich andererseits bestimmte Motive als erstaunlich langlebig erweisen. Der Buchdruck schließlich bringt ganz eigene Gattungen hervor: Kurze Anekdoten, die auf einem Blatt verbreitet werden; Aktualitätenliteratur, die von Pesttraktaten zu Türkenkalendern reicht. Schließlich gibt es nun zum ersten Mal ein Phänomen, dass aus der Literaturgeschichte nicht mehr wegzudenken ist und in Zukunft in ganz unterschiedlichen Kontexten auftaucht: Der Bestseller – eine Kategorie, die die beiden sehr unterschiedlichen Texte dieser Sitzung vereint. 03. Vorlesung – Barocklyrik Im 17 Jahrhundert war man noch immer weit vom Berufsautor entfernt, jedoch gab es vermehrt Mäzene Die Zahl der Literatur stieg ständig, auch die der deutschen Literatur o Reformierte Länder, in welchen Dramen auf Deutsch aufgeführt wurden: Schlesien Norddeutschland Nürnberg o Katholische Länder, in welchen lateinische Jesuitendramen aufgeführt werden: Habsburgerreich Veröffentlichung: o Literatur weiterhin nur als (handgeschriebenes) Manuskript o Im Laufe des 16 Jahrhunderts hat sich der Buchdruck durchgesetzt o ein Druck eines Buches ist gleichzusetzen mit einer Veröffentlichung o Jedoch wird das Buch zumeist nicht nach Wunsch des Autor gedruckt bzw. meistens sogar ohne dessen Genehmigung Es bilden sich zwei Gruppen heraus: o Humanisten 6 o Schreiben meist auf Latein Fixieren sich thematisch aber nicht mehr so auf ihre Gelehrsamkeit und den Wunsch die Antike wiederzubeleben Meistersinger//Sprachgesellschaften = Institution der Dichtung & Sprachpflege Schaffen über gemeinsame Kunstübung einen zünftischen Zusammenhalt Daraus entwickelt sich dann die „fruchtbringende Gesellschaft“ (1617 durch Fürst Ludwig I.) Weiter Gesellschaften entstehen in und um Hamburg und in Nürnberg. Die Mitglieder dieser Gesellschaften erhalten „Gesellschaftsnamen“, die Gleichheit vor der Kunst suggerieren sollen. Es entsteht ein Bewusstsein der deutschen Sprache gegenüber und man erkennt die wichtige Rolle der nicht-deutschsprachigen Vorbilder an, wobei es jene zu überwinden gilt Vorschläge der Gesellschaften (Eindeutschungsversuche) Jungfrauenzwinger für Kloster Tagebuch, Nachwort, letzter Wille Fast alle Barockdichter waren in einer solchen Gesellschaft involviert, da dies auch eine Art Vermittlung zwischen Auftragsgebern und Ausführenden war. Barockdichtung bestand aus: Dramen Kurze, sprachlich witzige Komödie Romane, welche sich über viele tausende Seiten und Bände hinausstrecken Schäferroman Lyrik o Zeichenhaftigkeit der Dinge ist sehr wichtig, ähnlich wie die Genealogie im Mittelalter o Ein Buch ohne Illustrationen ist zweitklassig. Martin Oppitz (1597 – 1639) Buch von der Deutschen Poetery von Martin Opitz Wird als Gründungsmanifest der deutschen Literatur gesehen Oppitz wollte wohl durch diese Manifest auf sich aufmerksam machen und eine zentralere Position für sich erwerben, da er zuvor viel an den Grenzen zu tun hatte Wenige literaturgeschichtlichen Anmerkungen, jedoch zitiert er Walther von der Vogelweide In seinen Beispielen orientiert er sich an französischer und niederländischer Dichtung, welche meist daraus heraus übersetzt sind Er fordert nach einem reinen Reim und dem Einhalten der Versmaße bei natürlichem Wortakzent, beides wurde im 16. Jahrhundert völlig vernachlässigt. o Inhalt Gegenübersetzung von Gelehrsamkeit und Vergnügen des „wirklichen“ Lebens 1 Strophe: Studieren und Vergnügen stehen sich gegenüber 2 Strophe: Zweck des Studierens und Tod stehen sich gegenüber => Studieren ist sinnlos 3 Strophe: Anfang und Ende ist die Rede von Wein, in der Mitte die menschlichen Leiden, die der Wein ertränken soll 4. und 5. Strophe: Melonen und Zucker stehen für üppiges Essen und Gesellschaft und Musik für irdisches Vergnügen. Es endet mit „will mit andern lustig seyn/ Muß ich gleich alleine sterben“ o Interpretation Das Gedicht wirkt zeitlos, es könnte in allen Epochen entstanden sein Oppitz hat diese Gedicht auf einer französischen Vorlage verfasst, als Ode, die zur Fröhlichkeit anregen soll An Herrn Heinrich Schützen/ auff siner liebsten Frawen Abschied o Eine Anlass- oder Gelegenheitsdichtung, welche im Barock sehr genutzt wird 7 o Hier ist der Anlass der frühe Tod der Ehefrau von Komponisten Heinrich Schütz, welcher als allerbeste deutsche Komponist gefeiert wurde. Nach dem Tod der Frau versucht Oppitz Heinrich Schütz wieder zum Musizieren zu bewegen, weil jener schrecklich frustriert ist. In diesem Gedicht inszeniert Oppitz ihn als Orpheus unsrer Zeiten. Dies motivierte Schütz wiederum sehr und schrieb zu einem Schäferspiel „Dafne“, welche Oppitz für Schütz schrieb, eine Musik dazu, die leider nicht mehr erhalten ist. Die Frage, ob es sich um die erste deutsche Oper handeln könnte, bleibt leider ungeklärt, Fakt ist jedoch, dass Schütz oft genug in Italien war, um diese Kunstform kennengelernt zu haben. Eines von Oppitz Zielen war Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft zu werden, was jedoch bis 1629, also 10 Jahre vor seinem Tod erreicht wurde. Grund dafür war, dass er keine Berührungsängste vor katholischen Herrschern hatte, wobei die Gesellschaft protestantisch war. Als Oppitz 1939 an Pestepidemien stirbt, schreibt Paul Flemings über sein Abbleben und meint, dass Pindar, der Odendichter, Homer, der Epiker und Maro in Opitz wiedergeboren waren. Fleming inszeniert Opitz außerdem noch als Rächer Germaniens, der nun auch gestorben ist – und mit ihm jede Hoffnung sowohl auf Germanien als auch auf Kunst. Andreas Gryphius (1616 – 1664) Vertreter der schlesischen Barockdichtung Studiert in Leiden in Niederlande hört doch vermutlich René Descartes zu und verbringt viel Zeit mit Leichensezierungen Später reist er nach Frankreich und Italien, wo er zahlreiche Kontakte knüpft. Jedoch reist er über den Seeweg, da der 30 Jährige Krieg gerade aktiv ausgetragen wird und verheerende Folgen mit sich bringt, unteranderem Hungersnöte, da zerstörte Felder und höherer Versorgung wegen Heer und Seuchen, welche die Bevölkerung in etlichen Gegenden um zwei Drittel reduziert. Dadurch zeigen die Kunst des 14. Jahrhunderts und die Dichtung des Barocks deutliche Parallelen: Beide haben eine Todesobsession. Hauptgegenstand in seinen Gedichten ist zumeist Gott Es ist alles Eitel o Klassisches Beispiel für Alexandriner in Versform: ein sechshebiger Iambus mit einer Mittelzäsur o Der Gegensatz von Jetzt und zukünftigen Verfall ist fast durchgehend präsent. o Es gibt mehrere Fassungen, in einer spricht ein Ich (Könnte aus heutiger Sicht aber kein lyrisches Ich, sondern ein Mantel-Ich sein, dass sich auf jeden Menschen beziehen kann, jedoch wird durch die Du-Version klar, dass doch das Lyrische Ich gemeint war), in der anderen ein Du. ACHTUNG: im anderen Script falsch Tränen des Vaterlands (1636) o Auch hier gibt es mehrere Fassungen o Es handelt von einer Leidensgemeinschaft „wir sind doch nunmehr gantz/ ja mehr denn gantz verheeret“. o Die ersten drei Verse handeln vom Krieg und dessen Folgen, Ressourcenlosigkeit o Die nächsten drei Verse stellen das Ende jeder Autorität vor, Kirche und Rathaus für geistliche und weltliche Autorität, Ende einer gesicherten Exekutive, die Jungfrauen nicht davor schützen konnten geschändet zu werden. o Ärger als der Krieg sind die Schrecken der Konfessionskriege, die für viele den Verlust des Seelenheils bedeuten. o Das interessante daran ist, dass obwohl Gryphius Protestant war, es aus jeder konfessionellen Perspektive wahr ist. An die Sternen o Ist ein Art Ausdruck der Hoffnung o Die Hoffnung auf Jenseits hat fast etwas Euphorisches Dass das Jenseits als positives Gegenbild zur schlechten Wirklichkeit entworfen wird ist die Grundtendenz jeder Vanitas-Dichtung Paul Gerhardt (1607-1676) Gerhardt ist ein Theologe und Prediger Er studierte Theologie Wittenberg und wird schließlich Diakon der Berliner Nikolaikirche, wobei er gegen Ende seines Lebens nach Lübben geht. 8 Er verfasst lateinische Texte und Predigten und auch 139 heute noch erhaltene Liedtexte, welche Liedtexte einfacher Form (keine für sich stehenden Kunstwerke) sind, fast naiv und ungekünstelt und wahrscheinlich deshalb so erfolgreich. Sogar heute wird er noch aktiv rezipiert. Am Ende steht immer das Paradies. o Sommergesang Erste Strophe: Gottes Gaben werden in Natur und Jahreszeit genossen Strophe 2-6 schildern eine Sommeridylle, die immer irdischer wird Strophe 8 erklärt er das Singen zum Gottesdient. Und dann beginnt er die Perspektive auf Paradies welches dann in der zweiten Hälte in Paradieshoffnung endet. Friedrich von Logau (1605-1655) schlesische Dichterschule Logau schreibt sehr viel er schaffte Epigramme o kurzes, meist zweiversiges Gedicht mit sarkastischer, satirischer Aussage o Sprachwitz o Mittelalterliche Sentenz fließt ein, damals noch unter Freidank (didaktische Zweizeiler) bekannt Deutsche Sinn-Getichte Drey Tausend (1654) o Besteht aus Epigrammen (kurzen Stichel-Gedichten) und langen Sinngedichten o Wild zusammengemischt: Hochzeitsgedichte, Zeitkritisches, Grabinschriften etc Vom Könige in Engeland o Hier schreibt er sehr zeitgerecht, wie in England ein König der Prozess gemacht wrude, da er den Tod von unzähligen Untertanen verantworten musste. Christian Hoffmann von Hoffmanswaldau (1616-1679) Dichterphänomen Schreibt Gedichte, Theaterstücke und auch einen fiktiven Briefwechsel Er war Bürgermeister in Breslau und reiste viel durch Europa, wodurch er viel Dichtung kennenlernte. Seine Gedichte (auch Minnesang verfasste er) kursierten in Abschriften, die dann zum Druck gebracht wurden, nicht er selbst veranlasst den Druck, da er sich selbst als gebildeter Politiker sah. Er als Gegenbewegung gegen unautorisierter Publikationen stelle Hoffmann eine eigene Auswahlausgabe zusammen, die aber erst nach seinem Tode veröffentlicht wurde. In seinen Gedichten etabliert er immer mehr das Erotische, seine Werkausgabe „Sinngedichte und Zeitkritisches“ begründet die Rubrik „Galante Gedichte“ Galate Gedichte: o Das Sonnet – Vergänglichkeit der Schönheit Brüste, Mund, Schulter etc werden im Detail beschrieben, alles Körperteile, die auch heute noch erotisch aufgefasst werden. o Alabnie Der erste Verse ist ein Hinweis auf die Kürze des Lebens, wobei das carpe-diem Motiv gleich erotisch gewandelt wird, dass es im Alter für Sexualität zu spät ist dritte Strophe: konkret sexuelle Aufforderung vierte Strophe: Welch menschen-satz macht uns diß neue weh? Mittelalterliche Theologie: Unkeuschheit Evas durch Adams Willen → frey von Begierde Begehren als Los aller Menschen – dadurch Reglemtierungen o An Lauretten (Gedicht) Es geht darum mit der Geliebte zu schlafen Erste drei Verse sind eine konventionelle Bitte um Erhörung 4 Verse geht es darum, dass „die Seele gleich entfliesst“. Der „kleine Tod“ ist ein Hüllwort für den Orgasmus 9 Catharina Reginas von Greiffenberg (1633-1694) Niederösterreichischer Adel Protestantisch und versuch Leopold I. den Kaiser in Wien zum Prestantismus zu bekehren, was aber scheitert. Wird zwangsverheiratet Ihr Werk ist monothematisch geistlich ausgerichtet, jedoch sprachlich von hoher Qualität Stark expressive Ausdruckmittel o Frühling-Lied Erinnert stark an Paul Gerhardt Jede vier Verse bilden eine Strophe Zusammenfassung zwei Tendenzen: o skeptische, negative, weltverneinende Tendenz Hintergrund des 30-jährigen Krieges und des Konfessionenstreits o Tendenz zum Höfisch-Galanten und Verspielten vgl. andere Repräsentationsformen des Barock (Theater, Musik...) Umfang- und Facettenreichtum der Barocklyrik 04. Vorlesung – Bürgerliches Trauerspiel – Sturm und Drang – Schiller: „Kabale und Liebe“, Lenz: „Der Hofmeister“ Der Sprung von 17. ins 18. Jahrhundert ist groß. Der Beginn des 18. jahrhunderts ist noch geprägt von den Ausläufern des literarischen Barocks. Objektive Lyrik = Natur als Buch Gottes Lyrik wird subjektiver => Barthold Heinrich Brockes (1680-1747) o Konzentriert sich mehr auf Gegenstände und vergisst immer wieder auf Gott o Beschreibt alles Der Roman etabliert sich. o Vorallem Abenteuerromane wie Daniel Defoes „Robinson Crusoe“, die Robinsonade wird in Deutschland mit der Utopie verbunden und daraus entsteht von Johann Gottfried Schnabel „Die Insel Felsenburg“ , welche auch extrem erfolgreich ist. In dem Buch von Schnabel wird zuerst das schlechte Europa in Einzelbiographien geschildert, was dann in Abenteuerlust ausartet. Im Drama ändert sich auch einiges: Tragödie (eher für Adel) und Komödie (eher bürgerliche) wurden wegen Ständeklausel getrennt o „Die zärtlichen Schwestern“ Schlußwort ist „Bedauern sie mich“, nachdem sich ein Paar am Ende findet und, dass andere sich trennt Es ist wohl wichtiger über Gefühle zu reden als sie zu haben o Als archetypische Vertreter gelten Lessings Miss Sara Sampson und Emilia Galotti Letzteres weist starke Ähnlichkeiten mit in der Sturm und Drang Zeit entstanden Kabale und Liebe von Schiller. Friedrich Schiller Kabale und Liebe o Der Titel entstand bei der Uraufführung in Frankfurt 1784. Die Reaktionen dabei waren von weit positiv bis sehr negativ (Karl Philipp Moritz wollte sich nie wieder mit dem „Schiller Schmutze“ befassen) o Aufbau: Es geht um die Auseinandersetzung zwischen Adel und Bürgertum, Hierachien und Aufstieg, dem Gegensatz von Tugen- und Geblütsadel. Im Prinzip also nichts neues Das Selbstbewusst des dritten Standes „der Bürger“ ist neu. 10 o o Dichomien (Zergliederung), welche den Grundkonflikt und das Ende bestimmen. 5 Akte, jedoch scheinen die Szenen lose aneinander gereiht zu sein. Es wechselt zwischen bürgerlichen Wohnzimmer (immer als Zimmer bezeichnet) und höfischer Inszenierung (immer als Saal bezeichnet) Es werden innerhalb der Akte immer die Schauplätze gewechselt, erst im vierten Akt nur mehr zwischen den fürstlichen und im fünften Akt bleibt man in Zimmer des Millers. Inhalt: Die eigentliche Geschichte ist höchst simpel: Ferdinand, der Sohn des (adligen) Präsidenten von Walter am Hof eines ungenannten (und nicht auftretenden) deutschen Herzogs, liebt die Tochter des bürgerlichen Musikers Miller, Louise, und diese ihn. Beide Väter stehen gegen diese Liebe, Miller aus Standeserwägungen, von Walter, weil er andere Pläne für seinen Sohn hat, da er ihn mit der Maitresse des Herzogs, Lady Milford, verheiraten will. Diese liebt aber Ferdinand. Der Sekretär des Präsidenten (mit dem furchtbaren sprechenden Namen Wurm) liebt Louise, die ihn hasst, und er spinnt im Auftrag des Präsidenten eine Intrige, auf die Ferdinand hereinfällt, der eifersüchtig Louise umbringt, sich ebenfalls tötet, während Lady Milford das Land des Herzogs verlässt. So die grobe Grundstruktur des Stücks, die eines deutlich macht: Auch wenn das Ende tragisch ist, so ist die Grundstruktur eine ambivalente, denn sie entspricht mit den sich überkreuzenden Liebespaaren auch der einer Liebeskomödie (etwa im Stile Shakespeares oder Beaumarchais’). Interpretation Insgesamt ist das zentrale Liebespaar, Ferdinand und Luise nur drei Szenen bzw Szenenfolgen gemeinsam auf der Bühne Miller meint, dass seine Tochter zu schlecht für den Präsidenten Sohn sei, aber zu kostbar, um seine Hure zu sein. In der zweiten Szene wird deutlich, dass Sekretär Wurm in Luise verliebt ist und den Miller bietet ein gutes Wort für ihn einzulegen. Miller findet es aber zurecht komisch, wenn ein Liebhaber den Vater zu Hilfe ruft und weist ihn ab. Miller ist in seiner väterlichen Rolle der Bestimmung dem Präsidenten am ähnlichsten, denn beide wollen die Eheschließung zwischen Ferdinand und Luise aus Standesunterschieden heraus verhindern. Außerdem ist für beide klar, dass sie über ihre Kinder bestimmen dürfen. Beim Präsidenten liegt es an der Genealogie, er sieht seinen Sohn als nichts weiteres als die Geschlechtsfortpflanzung Beim Miller eher das vierte Gebot, der absolute Gehorsam, den eine Tochter ihrem Vater schuldig ist Immerhin jedoch erlaubt Miller seiner Tochter frei einen Mann innerhalb ihres Standes zu wählen, was der Präsident nicht zulässt. Für Miller scheint die Kirche ein Allheilmittel zu sein – das versagt. Nachdem Luise von der Messe zurück kommt, denkt sie noch immer an Ferdinand („Ich dachte, meine Louise hätte den Namen in der Kirche gelassen?) Louise ist sich der Unmöglichkeit der Liebe durchaus bewusst und will sich auch ihm entsagen für dieses Leben. Es ist klar, dass es den Ort für diese Liebe nicht gibt, der Tod der beiden wird immer wieder angedeutet Die zwei Liebenden sind sehr unterschiedlich, während Ferdinand stürmisch und kaum mit Rücksicht agiert ist Louise mit Widerstandslosigkeit und Kraftlosigkeit gewappnet. Louise hat es schon innerlich aufgegeben, was auch den Anfang des Unglücks ist. Ferdinand weiß, dass sein Vater Vorgänger hat umgebracht, um in der jetzigen Situation als Präsident zu sein. Dies will er als Druckmittel verweden. Ferdinand versteht alles bürgerliche an Louise schlichtweg nicht, die politische und moralische Rücksichten und die Pflichten der Familie als sie sagt „Laß mich die Heldin dieses Augenblicks sein – einem Vater den entflohenem Sohn wieder schenken“ Erst in der letzten Begegnung zwischen Louise und Ferdinand, als beide schonergiftet sind, gesteht Louise die Falschheit des vom Präsidenten zitierten Briefes an den Hofmarschall ein und Ferdinand möchte seinen Vater umbringen Die Liebesgeschichte aber wird, wenn überhaupt, dann nur im Jenseits eine Hoffnung auf Erfüllung haben, so, wie es Louise bereits in der ersten Szene, in der sie auftritt, 11 angedeutet hat. Von daher hat das Stück eigentlich keine Weiterentwicklung, sondern lässt nur die einmal getroffene Aussage aufgrund der Umstände Realität werden. Es zeichnet den Präsidenten aus, dass er die einzige Hauptfigur des Dramas ist, die nicht liebt, den er sieht seinen Sohn bloß als ein Werkzeug um seine Genealogie weiterzuführen, indem er sie mit Lady Milford verheiratet Lady Milford ist die Gegenspielerin des Präsidenten, sie will die Heirat um sich selbst zu von einem Herzog zu entbinden. Als Ferdinand sie besucht, ist er der dominierend im Gespräch, als Louise sie besucht, übernimmt sie die Oberhand bis Louise sich schließlich dem Ferdinand entsagt und ihn ihr überlässt. Anschließend verzichtet sie selbst auf Ferdinand, verschenkt ihre Besitztümer und flieht nach England. Es geht, das wird mehr als deutlich, um den Gegensatz von außen und innen: Die Figuren, allen voran Louise, wollen einen Innenraum retten, in dem sie sich selbst und völlig anders, als die Welt sie sieht, entwerfen wollen. Louise verteidigt diesen Innenraum nicht nur gegen ihren Vater oder die Lady, sondern auch gegen Ferdinand – mit katastrophalen Folgen, denn nur durch ihre vermeintliche Kühle wird die Intrige für Ferdinand überhaupt glaubhaft. Die Lady aber zieht die Konsequenz, als sie merkt, dass ihr Innenraum und die Außenwelt unvereinbar geworden sind: Sie wechselt ihre Existenz. Miller ist ebenso wenig Vorbild wie der Präsident. Auch seine Tochter scheitert an dem Willen des Vaters. Jakob Michael Reinhold Lenz Lenz wurde in Livland eines Pfarrers geboren und geht nach Straßburg wo er Goethe kennenlernt und und nach Weimar folgt. Dort fällt er aber in Ungnade von Goethe und wird in Moskau Hofmeister und stirbt dort 1792. Der Hofmeister erschien 10 Jahre vor Kabale und Liebe und bezeichnet eher den Anfang des Sturm und Drangs, kabale und Liebe eher das Ende. Der Hofmeister o Wieder 5 Akte, jedoch in sich geschlossene Geschichte, wobei örtlich und zeitlich viele Dimensionen vergehen in dem Buch o Eine Komödie, jedoch steht im Manuskript Lust- und Trauerspiel, jedoch durchgestrichen. o Das ganze Stück besteht aus einer Reihe von Einzeltragödien, die am Schluss in das Happy End einer Komödie gezwungen wird o Tragödie des Hofmeisters Läuffer Hofmeister für Major Bergs Sohn Leopold dann: Unterricht der Tochter Gustchen Verlieben in Gustchen Gustchen: verliebt ihn Cousin Fritz Anzeichen einer Schwangerschaft => Flucht Läufers Aufspüren durch den Major Selbst-Kastration beim Anblick von Gustchens Sohn o Tragödie des Majors Sohn Fritz in öffentlicher Schule Trennung des Paares Fritz/Gustchen Abstieg Fritz: Schuldgefängnis, Flucht => Tragödie in der Entfremdung von Vater und Sohn o Gustchens Tragödie Schwangerschaft Rückzug in den Wald Versuch des Ertrinkens nach erfolgloser Suche nach dem Vater o Mechanik des Happy Ends Rettung Gustchens durch den Vater Lotteriegewinn von Fritz und Pätus: Schuldenrückzahlung Aussöhnen des geheimen Rats mit Leopold Wiedersehen Fritz und Gustchen Liebe zwischen dem Hofmeister und der Bauerntochter Lise o Thema: Erziehung wird in Dialogen diskutiert 12 Welt wird auf Gegensätzen aufgebaut und zerbrechen auch daran. Schlussendlich ist einiges widersprüchlich, man weiß nicht, wessen Sohn Gretchens Kind ist etc Die Welt ist leidend und die Liebe wird am Ende auf alles gekleistert und dann ist alles gut. Anfangs wollen alle Ideale sein: Fritz und Gustchen –Romeo und Julia und am Ende richtet sich die Liebe auf reale Personen. Man findet Parallelen zum Urfaust, beide handeln von dem Gelehrten, das Gretchen schwängern. Die Sprache ist sehr auf die Charaktere abgestimmt. Der Edle spricht auch so, der Dumme schafft nicht mal grammatisch klare Sätze. 05. Vorlesung – Erlebnislyrik – Der junge Goethe Erlebnisdichtung: Mit Goethe beginnt ein Literarischer Neuanfang, da er es schafft als sensibles Individium, persönliche Texte zu verfassen, sodass Leser das beschriebene Erlebnis beim Lesen nachvollziehen. Vorgeschichte: Goethe las, bevor er nach Sessenheim kam, das Buch „The Vicar of Wakefield“ von Oliver Goldsmith, und übertrug die Romanfamilie auf die Pfarrersfamilie in Sessenheim. Er verliebte sich dort in die Frederiker aus Sessenheim, als er jedoch nach Frankfurt zieht und sie ihn dann später in Straßburg (?) besucht, merkt er, wie peinlich ihm dieses Landei in der Stadt ist und macht deswegen mit ihr Schluß. Lenz eifert dann Frederike nach, was natürlich nichts bringt, daraus entsteht dann von Georg Büchner „Lenz“ Als Referendar in Wetzler verliebt sich Goethe in die Gattin eines Kollegen. Später kommt er wieder in ein so ein Liebesdreieck, und verliebt sich ebenfalls in eine Verheiratete, es kommt zum Eklat und Goethe hört von einem Bekannten, der sich aufgrund von unerwiderter Liebe erschossen hat. Daraufhin schreibt Goethe wie im Rausch „die Leiden des jungen Werthers“ Inspiration für Goethe: Briefromane: o Richardson – „Pamela“ (1740) o Rousseaus – Julie ou la Nouvelle Héloïse (1761) Briefromane sind sehr intim, da sie zumeist für die private Kommunikation verwendet wird. Dementsprechend wird hierbei das eigene Innenleben in Schrift gefasst Vermarktung Goethe vermaktet sich gut, denn er gibt an, dass alles was er schreibt echt sei. Sein lyrisches Ich bekommt ein Seelenleben Durch diese moderne Selbstinszenierung entsteht eben diese neue Form des Seelenlebens o Autobiographischer Pakt von Philippe Lejeune: (Da Autobiographien sehr populär waren zu der Zeit) Autor kann über sein sein Leben schreiben und es als Autobiographie verkaufen, dem Leser bleibt überlassen ob er es glaubt. Anders kann aber auch der Autor über die Lebensgeschichte einer fiktive Person schreiben, welche aber wiederum war sein kann. Dies ist ein Pakt der zwischen Autor und Leser stattfindet. Die Literatur strukturiert die Wahrnehmung des jungen Goethes, sie liefert ihm die Bücher, die er dann im Leben wieder erkennt und zu eigener Literatur verarbeitet. Durch Goethes Autobiographie „Bruchstücke einer großen Konfession“, wo eben die Echtheit bestätigt wird. Durch die Entstehung des Copyrights verdiente Goethe sehr gut, dadurch, dass der Werther ein Bestseller wurde, umso besser Auch das Plagiat und unerlaubte Vermehren von Texten galt dadurch als verboten 13 3 Gedichte Anakreontik (griech.), nach dem altgriech. Lyriker Anakreon (6. Jh. v. Chr.) benannte Stilrichtung der deutschen und europäischen Dichtung Mitte des 18. Jh. (Rokoko), verspielt-galant, immer um die Themen Liebe, Freundschaft, Natur, Wein, Geselligkeit kreisend. Ersten zwei Gedichte fallen unter Anakreontik Kloppstock: Das Rosenband o Präteritum o Reimlos und einfach geschrieben o Wiederholung weißt auf die gegenseitige Liebe hin o Letzte Zeile versinkt in Traumwelt o Man legt wert darauf Empfingunden nachzuvollziehen, ist aber eher eine ideal Vorstellung Goethe: Kleine Blumen, kleine Blätter o Präsens o Heiratsantrag an Frederike o Motive Frühlingsgott Windgott Zephyr Rosen Liebesglück o Wirklichtkeitsnaher als Klopstock o „Sie“ wird im Laufe des Gedichts zu „du“ o Es ist aus dem echten Leben gegriffen, also aus echten Gefühlen entstanden o Steigung von der Rosenmetapher zur Verlobungsformel Goethe: Willkommen und Abschied (Sessenheimer Lieder) o Die Natur wird menschförmig, sie spiegelt das Innere des Protagonisten o Die Natur und die Geliebte werden zum Resonanzraum des „Ichs“, welches Bilder und Erregungszustände wiederspiegeln => Projektion o Aufbau zunächst mütterlich-zart dann unheimlich und grausig letztlich feindlich und bedrohlich Die Leiden des jungen Werther zunächst anonymes Erscheinen Ohne moralischen Zeigefinger=> Selbstmord wird nicht von Autor gewertet Vorbemerkung vom Herausgeber und erst gegen Ende übernimm der Herausgeber wieder das Wort Antworten werden immpliziert, ansonsten ist das Buch ein langer Monolog Lotte ist die ideale Frau um eine Familie zu gründen => keine Gesellschaftsdame, sondern seelenvolle Mutter (Damals war es üblich, dass die Mütter ihre Kinder an Gehilfen abgaben und nichts mit der Erziehung zu tun hatten neuer Soziotyp: intellektuell, selbstbewusst - aber als subaltern wahrgenommen Lotte und Werther verstehen sich durch Klopstock und langem Tanzen sehr gut, es bedarf keine Worte. 06. Vorlesung – Realismus – Adalbert Stifter – Granit 18. Jahrhundert Mehr Leser – junge Männer und Frauen jeden Alters Frauen lieben Romane, es steht generell das Krankheitsbild „Lesesucht“, die zum absoluten Verfall führen soll Neue Gattungen: Almanache meist einmal im Jahr erscheinende Schrift zu einem thematisch abgegrenzten Fachbereich o Antohologien eine Sammlung ausgewählter Texte verschiedener Autoren oder eine themenbezogene Zusammenstellung aus literarischen, musikalischen oder grafischen Werken. 14 o Periodika Es handelt sich um den Fachbegriff für Heftreihen, Gazetten, Journale, Magazine, Zeitschriften und Zeitungen. Die neuen Gattungen erlauben Autoren ihre Existenz auf Schreiben zu begründen (davor waren sie ja von Brotarbeiten und Mäzen abhängig). Jedoch Unterwerfen sie sich dadurch dem Publikumsgeschmack. 19. Jahrhundert Massenpresse Schulpflicht (40% - 75% der Bevölkerung kann lesen) Zeitschriften haben einen Bildungsauftrag, der sich an die ganze Familie richtet. Sie soll eine elementare Bildung und eine Weiterbildung darstellen Fontanes skandalöses Effi Briest erschien in der „deuschen Rundschau“ Bildung ist nicht nur Wissen, sondern kümmert sich um die Entwicklung einer bürgerlicher Persönlichkeit Gryphius „Es is alles eitel“ – Das „Ich“ ist einfach nur das sprachlcihe Ich, deshalb auch schnell mit „du“ aussetzbar Bei Goethe wird dem ich aber soviel Seelenmüll aufgeladen, dass es ein bestimmtes Ich sein muss. Realismus (1840-1900) Bezeichnet die Literatur des 19 Jahrhunderts nach der Goethezeit Poetologische Programmatik (?) o Nachahmung der Wirklichkeit vs. Erfindung einer imaginären Welt o Poetik soll sich auf die Wirklichkeit bezeihen und nicht zu phantastisch und ideal sein Fontane: Realismus ist die Widerspiegelung alles wirklichen Lebens, aller wahren Kräfte. o Es geht jedoch nicht um die Widerspiegelung im Sinne der Wiederholung Das Große, die historischen Umbrüche oder die menschlichen Tragödien im Reflex der kleinen Dinge darzustellen Realismus will Banales + Alltägliches etwas Bedeutsames + Allgemeingültiges verleihen Das Detail trägt Motive und Sinn in Erzählungen Phantastische Elemente können durchaus trotzdem vorkommen wie zB in Granit das Vögelchen, dass das Krautrezept zwitschert oder das Märchenhafte, wo Mädchen geheilt, geheiratet und ins Schloß gebracht wird Adalbert Stifter Brach Jus vor letztem Examen ab, war Hauslehrer und später dann Inspekteur in Oberösterreichischen Volksschulen, konnte aber auch herrlich von Literatur und Journalismus leben Erzählungen liegen meist in 2 Fassungen vor, einmal in einer journalistischen- und einmal in einer Buchfassung, dadurch konnte man doppeltes Honorar für nur einen Text bekommen. Natürlich wurden zumeist einige Kleinigkeiten verändert. Stifter versucht pädagogische Elemente einzubauen, einerseits Weltwissen, andererseits, wie Kinder in der Welt von Erwachsenen integriert werden (besonders in Granit) Das sanfte Gesetz: Achtung, Gerechtigkeit, Sitte etc Da Stifter aufgrund der März-Revolution von Wien nach Linz flüchten musste, spielt er auch gerne mit dem Wechsel vom städtischen aufs ländliche, wobei die Integration in kleine Gemeinschaften auch sehr wichtig sind. 15 Friedrich Hebbel Ist der Meinung, dass Stifer das Große, den Blick ins menschliche Herz und die Psychologie der Figuren vernachlässigt und sich zu sehr den kleinen und unbedeutsamen widmet Stifter antwortet darauf, dass die kleinen, kontinurlichen Bewegungen mehr Bedeutung haben, als die grundstürzenden Naturschauspiele, da diese immer aktiv sind, und nicht die Ausnahme Nur der Unkundige konzentriert sich auf das Zerstörerische So gesehen ist Stifter sehr konservativ, ihm sind zB die Tugenden der sich liebenden Ehegatten wichtiger als die erotische Leidenschaft Granit Im kleinen eingefasst wird das Große erzählt, und die kleine „Katastrophe“ wird durch die Erzählung der Großen relativiert bzw das Kind wird „geheilt“ Pechbrenner Andreas stellt die Verbindung zwischen den beiden Erzählungen da, in dem er dem Kind die Füße mit Pech anstreicht und selbst ein Nachfahre der der Pechbrenner ist Anhand der Landschaft erzählt der Großvater die Geschichte (Ah schau, der Baum dort, da saß der Vogel, der das Kräuterrezept zwitscherte). Orte bekommen so ihre Geschichte, werden Merkstellen von Ereignissen: Rahmenerzählung Binnenerzählung Kindergeschichte + Pech + Spaziergang mit Großvater Großvater erzählt über Pestepidemie Pech Schwarzes Pech Bestrafung des Jungen (Mutters Strafgericht) Pest Schwarzer Tod Pestepidemie (göttliches Strafgericht) Sonderschicksal: Pechbrennerfamilie versucht dem Schicksal zu fliehen, nur der Junge überlebt Dann tritt das Märchenhafte ein, dass er das Mädchen findet, pflegt und sie schließlich nach der Heilung wieder in eine Gesellschaft kommen, wo sie heiraten und ein Schloß haben Danach wird die Geschichte wieder alltäglich, und richtet sich darauf, dass der Pechbrenner Andreas der Nachfolger des Jungen sei Interessant ist auch, dass ein ungebildetes Kind, die Natur lesen kann, obwohl Stifter ja so wert auf die „Bildung“ legt Interpretation Landschaft wird gelernt, die Namen stehen für das „Kultur-Werden“ der Natur – Nur so kommt Ordnung in die Welt Anaphe: Wiederholug von Wort und Struktur (sehr häufiges Element der Geschichte) Pestepidemie: soziale Katastrophe (Kinder lieben ihre Eltern nicht mehr und umgekehrt etc) Durch das Abfragen der Landschaft erfüllt Großvater seinen Bildungsauftrag Stifter erzählt viel und lässt vieles gerne ungeklärt. Kaum/Keine Psychologie in seinen Figuren, er bleibt immer als Erzähler „außen“ Es geht um das Erfassen der Welt in Namen, Aufzählungen und Aufzeichnungen Es geht nicht um die Darstellung der Wirklichkeit, die aus dem Alltäglichen und Banalen das Wesentliche und Sinnhafte heraus entwickeln will. Stifter sucht die Dinge der Welt als solche, in ihrer Banalität und Undurchschaubarkeit zu erfassen – und zwar über die Worte, mit denen man diese Dinge benennen kann o Dies ist auch ein Schritt ins 20 Jahrhundert, wo die Literatur eine Wendung vornimmt. Die Wendung der Literatur auf die Sprache selbst 16 07. Vorlesung – Moderne: Franz Kafka Die klassische Moderne 1900-1930 „Bewusstsein d Krise“, denn Moderne ist eine Krise und Krisenhaftigkeit ist modern Modern bedeutet auf der Höhe der Zeit zu sein, sich mit jetzt, heute, aktuellem zu konfrontieren Aber auch alle bisherigen Gegebnheiten hinter sich zu lassen 1) Die Krise des Ich a. Psychologie der Wahrnehmung Herrmann Ebbinghaus lässt Menschen sinnlose Silbenfolgen lernen, um festzustellen, wie der Mensch Wirklichkeit wahrnimmt und speichert. Mensch wird zu einem Speicher-System b. Philosophie der Wahrnehmung Ernst Mach hat begonnen die Welt neu ausseinander zu legen, und zwar in folgende Teile: 1. das Ding = der menschliche Körper ist ein Gedankensymbol für einen Empfindungskomplex von relativer Stabilität 2. Elemente der Welt = Empfindungen wie Farben, Töne, Dru´ücke, Räume etc 3. Das Ich = ein an den Leib gebundener Komplex von Erinnerung, Stimmungen, Gefühlen und Gedanken, der dementsprechend instabil und täglich variabel ist c. Theorie der Seele Sigmund Freud ist der Meinung, dass die Seele Bewusstes und Unbewusstes aufteilt Ödipus-Komplex: Kind liebt einen Elternteil, aber der andere Elternteil will den geliebten Elternteil nur für sich beanspruchen, sexuell und so, deshalb wirds dem Kind verboten. Diese Theorie geht davon aus, dass der Mensch bei der Geburt in eine Konstellation gerät, wo er aufgrund seiner Wünsche, bloß Schuld auf sich laden kann und von Verbotenem umstellt wird, da die Mutter, das erste und prägendste Liebesobjekt ist. 2) Die Krise der Sprache Ferdinand de Saussure: Sprache variirt, Bedeutungen werden willkürlich festgelegt, deswegen ist eine Weltkenntnis durch die Sprache unmöglich Hugo von Hoffmannsthal: Chandos Brief: Worte haben für Chando keinen natürlichen Bezug mehr zu ihren Bedeutungen und zur Welt, auf die sie sich beziehen. Sie fühlen sich im Mond an wie modrige Pilze! 3) Die Krise der Kultur Durch die Urbanisierung, Technisierung etc. wird von einer Überfeinerung der Kultur gesprochen. Das moderne Leben überfordert die Menschen, Großstädte, anonyme Menschenmassen, Abgestumpftheit Das Leben erscheint überkomplex und fad, zu kompliziert und zu banal Dies führt zu: o Intellektuelle Jeremiaden (den allgemeinen gesellschaftlichen Verfall beklagendes Werk) o Futurismus feiert die unmenschlich, objektive, kalte Technik als Überwindung des verkrusteten, lebensfeindlcihen Alten o Expressionismus: schrille Bilder der Weltzerstörung und Gewalt Man wünscht sich Krieg, um wieder das Gefühl zu haben, als EIN Volk zu kämpfen Die Krise der Kultur führt zu der Zerstörung dieser Kultur Als der Krieg dann vor der Türe steht, begegnet man ihm mit einer unfassbaren Euphorie, Aufbruchs und Befreiungsgefühl, man freut sich auf die Einigung und Einheit der Gesellschaft, die davor zu Individualisiert ist. 17 Außerdem hoft man durch den Krieg auf eine ästhetische Erneuerung, dass man sich wieder auf das Existentielle konzentriert und dadurch eine komplett neue Kunst entsteht. Franz Kafka War Zeuge des Expressionismusses und 1 Weltkrieges Lebte ewig Prag, kam erst gegen Endes seines Lebens nach Berlin, und starb schlußendlich in Klosterneuburg an Lungentuberkulose Er war Jurist in einer Versicherungsanstalt, deshalb spielen das Rechtwesen und Bürokratie so eine große Rolle in seinen Werken. Häufig sind seine Erzählungen fiktive Protokolle oder Berichterstattungen Fand Freud unheimlich interessant „Das Urteil“ empfand er als Durchbruch seines eigenen Stils Die Krise des Ichs findet sich in seinen Werken oft wieder Kafka befolgte das Gebot der Moderne sich immer radikal dem aktuellem zu stellen, aber auf eine sehr zurückhaltende Art. Er schrieb Literatur, die sich auf die historische Zeit bezog, aber nicht von ihr handelt. Meistens werden in seinen Werken alle Details aufgenommen, um alle Umstände zu kennen, nur um dann zu erfahren, dass man es nicht richtig verstanden hat, getäuscht wurde, oder alles missverstanden hat => Die Krise des Ichs Egal was man tut, es ist nie richtig Man steht immer wieder vor einer Aporie (Ratlosigkeit/Ausweglosigkeit) Verhältnis von Subjekt und Institution o Das Subjekt bei Kafka hat die Institution, von der es abhängig ist, immer auf eine schuldhafte Weise nicht verstanden. 1) Beim Bau der chinesischen Mauer Erschien 1917 im Oktavheft C Abgebrochener Text, wie viele seiner Texte Abhandlung/Aufsatzmäßig Inhalt: o Chinesische Mauer wird gebaut, um sich vor den Nomaden zu schützen. o Die Mauer wird mit einem Teilbausystem gebaut, jedoch stellt sich die Frage, wie die Mauer schützen soll, wenn sie nicht zusammen hängt. o Die ersten 3 Seiten wird darüber erläutert, den Teilbau zu argumentieren, jedoch kommt man dann zu dem Argument, dass die Führerschaft es schon beabsichtigt haben muss, etwas Unzweckmäßiges zu bauen. „Sonderbare Folgerung“ 2 Themen: o Mauerbau Nationale Arbeitsleistung Jahrzehntelange Planung Unendliche Anstrengung eines Einzelnen ist gefragt Abwehr gegen die Nomaden, die aber noch niemand gesehen hat o Kaisertum Die Geschichte einer Verfehlung Das Habsburger-Reich ist so groß´, dass jeder den Kaiser verehrt, aber keiner eine Ahnung hat, wer gerade Kaiser ist, und der Kaiser verfügt nicht über die Kommunikationmitteln, um sein Volk zu kontaktieren Teilbausystem = Vielvölkerreich des Habsburger-Reiches Vereinigungsrausch (Blut, Bürder, Volk) bilden Parallelen zum 1. Weltkrieg o Die allgemeine Mobilmachung vor dem 1. Weltkrieg, also das Organisatorische, die Versorgung, der Transport der Waffen und Soldaten etc wird in der Erzählung durch den Mauerbau symbolisiert 18 2) Ein altes Blatt Ein abgeschlossener Text Eine Momentaufnahme/Zeugenaussage Inhalt: o Ein Schuster beobachtet die Nomaden in der Haupstadt, wie sie sich wie Barbaren benehmen, und auf einmal einen lebendigen Ochsen anknabbern und schlußendlich vollkommen verschlingen! Die Nomanen stellen den kulturelle Feind da, so wie man die Feindschaft zwischen der deutsch-österreichischen Allianz gegen England und Frankreich als Krieg der Kulturen bezeichen könnte => „clash of cultures“ Die Nomaden haben keine Sprache, sondern scheinen sich mit Signalen zu verständigen, so wie Dohle. => Kafka auf Tschechisch bedeutet „Dohle“ o Die Parallele dazu ist, dass Kafka das Pragerdeutsch spricht, welches eig nur eine Papiersprache ist in Prag, o Saussures Einsicht der Zeichensysteme wird übernommen, wer keine gemeinsame Kultur hat, kann womöglich die Sprache des Anderen vielleicht gar nicht als Sprache wahrnehmen. 3) Der Bau Einer der späteren Texte Kafkas, kurz vor seinem Tod geschrieben Interpretationsansätz o Häufig wird der Bau als Allegorie Kafkas eigenen Werkes verstanden: „Ich habe den Bau eingerichtet und er scheint wohlgelungen“ o Parallelen zum 1 WK: Reflexion aus der Innenperspektive der Frontsoldaten im Schützengraben => Verteidigung und Beobachtung Es handelt sich um maulwurfsartiges Tier, dass einen bau hat und Angst vor Feinden, soviel, dass es kaum mehr ruhig sein kann vor Panik Es ist in einem –iterativem Präsens geschrieben, dh die Gegenwart von Handlungen, die sich wiederholen Es passiert praktisch nichts in der Geschichte, es wird nur geschildert und argumentiert Die Geschichte hat die Form eines inneren Monolog o Um den subjektiven Weltzugang des Ichs darzustellen, so dass man die Begrenzung des Ichs auch mitbekommt Das Tier verschanzt sich in seinem Bau, aber fürchtet, dass der Bau selbst ihm zur Falle wird Es kann den eigenen blinden Punkt nicht reflektieren Handelt zur Abwechslung mal nur von einem Subjekt, beim Versuch für alles Möglichkeiten vorzusorgen „Es besser zu wissen“ ist der Nachteil (Aporie), in das sich das Ich hineintreibt Dies moderne Krise des ichs wird hier in einem Selbstbezug, in dem sich das Ich gerade im Versuch der Selbsterhaltung selbst zerstört! 08. Vorlesung – Moderne + Gegenwart Das Drama Wird im kollektiv konsumiert, Voraussetzung sind natürlich Theater + Verleger Theater Autoren schrieben entweder im Auftrag von einem Theater, oder haben sich mit Stücken beworben bei einem Theater Dann wird das Stück von Schauspielern, Bühnenbildern und Regisseuren aktualisiert, damit es immer neu und anders ist Drama entfaltet sich meist nur bei einer Aufführung, nur beim Lesen wird es schwierig. Heißt natürlich auch, dass der Autor wissen muss, wie man auf der Bühne inszenieren kann Friedrich Schiller „Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet“ 1784 (gleiches Jahr wie Kabale und Liebe) Theater soll sich vom Adel und Höfischen lösen und mehr ein bürgerliches Publikum ansprechen 19 Kunst soll Verstand und Emotion vereinigen Theater ermöglicht zB ein Verbrechen zu zeigen, warum es moralisch schlecht ist, aber auch wie das Innenleben des Verbrechers aussieht, und warum er dieses Verbrechern begangen hat oder vielleicht sogar musste. Man soll Erlebnisse machen, die man im echten Leben lieber nicht machen sollte. Natürlich setzt dies hochprofessionelle Schauspieler voraus, die so gut sind, dass man sich ohne Probleme in sie hineinversetzen kann Im Theater sollen sich auch alle Stände und Klassen als Publikum zusammenfinden. o Sie müssen sich zwar nicht einig sein über den Inhalt des Stückes, aber sie sind sich einig, dass sie sich damit ausseinandersetzen => Gefühlsgemeinschaft Das Theater soll bilden: Erfahrungen ermöglich, diese zu differenzieren etc. Schillers Theater ist durchaus politisch, da er sich als Spiegel der Macht sieht und das ausspricht, was in er Öffentlichkeit nicht erlaubt wäre. Berthold Brecht „Die Maßnahme“ 1930 Brecht trennt sich von Schillers Ansichten, vom Vergnügungstheater und entwickelt das „epische“ Theater. Hier soll der Mensch aktiviert und nicht amüsiert oder bewegt werden Brecht will Distanz, Reflexion und Rationalität o Er will wie beim Lesen, dass sich das Bild erst im Kopf der Zuseher bildet und nicht schon vorgefertigt auf der Bühne vorweggenommen wird => aktiv erleben, statt passiv zu konsumieren o Nicht wiedererkennen, was man schon kennt, sondern kennenlernen, was man nicht selbst denken oder erleben konnte Der Verfremdungseffekt o Kommentare zum Geschehen, die von Personen gesprochen oder als Schrift eingeblendet o werden o - sehr plakative Szenenüberschriften; ein Schauspielen, das nicht ‚natürlich’, sondern gerade o ‚gespielt’ oder sogar ‚falsch’ aussieht und damit jede Identifikation mit einer Bühnenfigur o unmöglich macht (Brecht sagt einmal, der Schauspieler solle seinen Text so sprechen, als sei o es ein Zitat) o - eine sprunghafte, nicht-chronologische Erzählweise o - keine Kostüme, sondern die normale Kleidung o - eine ausgestellt artifizielle Sprache; usw. Stücke die dem epischen Theater entsprechen: o Das Leben des Galilei o Mutter Courage o Der gute Mensch von Sezuan o Der kaukasische Kreidekreis o Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui Die Maßnahme – Ein Lehrstück o Entstand in der Zeit 1925- 1935, Brechts Lehrstück-Periode „Maßnahme“ kam vom „Jasager“, dieses wiederum ist an ein japanisches Stück des No-Theater Genres angelehnt. Es gibt 3 Fassungen Einmal auch eine, wo der Junge verneint, und dann eine andere Lösung gefunden wird Lehrstücke dürfen verändert werden, kritisiert und zerlegt. Alles ist möglich No Theater (Aus Japan): Entpersönlichste Darstellungsweise Haupsächlich nur aus Gestern, wenig Deko und Unterbrechungen bestehend. o Musik ist von Hanns Eisler o Es ist Material zum Spielen, dadurch werden Menschen aktiviert, nicht unbedingt die Zuschauer o Man spielt mehrer Situationen immer anders durch, um dabei zu erfahren, wie es sich aus anderen Perspektiven funktionieren könnte. 20 o Inhalt: Der Inhalt des Lehrstücks ist kurz folgender: 4 kommunistische Agitatoren stehen vor einem Parteigericht, dargestellt durch den Massenchor [im Stück: Kontrollchor, EH]. Sie haben in China Propaganda getrieben und dabei ihren jüngsten Genossen erschießen müssen. Um nun dem Gericht die Notwendigkeit dieser Maßnahme der Erschießung eines Genossen zu beweisen, zeigen sie, wie sich der junge Genosse in den verschiedenen politischen Situationen verhalten hat. Sie zeigen, daß der junge Genosse gefühlsmäßig ein Revolutionär war, aber nicht genügend Disziplin hielt und zuwenig seinen Verstand sprechen ließ, so daß er, ohne es zu wollen, zu einer schweren Gefahr für die Bewegung wurde. Der Zweck des Lehrstückes ist also, politisch unrichtiges Verhalten zu zeigen und dadurch richtiges Verhalten zu lehren.“ o Figuren handeln nicht, sondern spielen vor, wie sie gehandelt haben Einer von ihnen ist der Genosse, der erschossen wurde, nur so erfahren sie, warum der Genosse so gehandelt hat und warum die Entscheidung wichtig war o o Das Stück ist in 8 kurzen Szenen aufgebaut Szene 2 Wie sie ihre Identität auslöschen müssen, =>Theater-theorethisch: Figuren sind leere Flächen, psychologisch nicht nachvollziehbar => sich als Person auslöschen: Theater spielen Szene 3-6 Hier wird behandelt, was der junge Genosse viermal falsch gemacht hat. Ihre Tarnung fliegt auf und der Jüngste wird auf der Flucht verletzt Szene 8 Die Tötung: um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, wirst du Dinge tun müssen, die unverzeihlich sind Selbst der jüngste Genosse sieht keinen Ausweg aus der Situation außer seinen eigenen Tod Es ist keine Bestrafung, sondern eine Notmaßnahme Widersprüche: Ob man die Welt verändern kann, wenn man in Schmutz versinkt (Unverzeihliches tut) und ob die Welt, die man auf diesen Weg erzeugt, überhaupt etwas wert ist Theater der Gegenwart Texte sind Experimente, die als offenes Material von Regisseur in jeder Hinsicht verändert werden darf Material Verabeitungsästhetik tritt auf „Veränderbar und verändernd“ Elfriede Jelinek „Ich will nicht spielen und auch nicht anderen dabei zuschauen. Ich will auch nicht andere dazu bringen zu spielen. Leute sollen nicht etwas sagen und so tun, als ob sie lebten. Ich möchte nicht sehen, wie sich in Schauspielergesichtern eine falsche Einheit spiegelt: die des Lebens. Der Schauspieler ahmt sinnlos den Menschen nach, er differenziert im Ausdruck und zerrt eine andere Person dabei aus seinem Mund hervor, die ein Schicksal hat, welches ausgebreitet wird. Ich will keine fremden Leute vor den Zuschauern zum Leben erwecken. ... Ich will kein Theater. ... Die Schauspieler sollen sagen, was sonst kein Mensch sagt, denn es ist ja nicht Leben. Sie sollen Arbeit zeigen. Sie sollen sagen, was los ist, aber niemals soll von ihnen behauptet werden können, in ihnen gehe etwas ganz anderes vor, das man indirekt von ihrem Gesicht und ihrem Körper ablesen könne.“ Theater ist heute häufig Anti-Theater Abkehr von lebendigen Figuren Haltung der Spielenden, dass sie währenddessen noch etwas lernen können Heiner Müller 1929-1995 Arbeitete und schrieb in der DDR, seine Stücke wurden aber aufgrund der Zensur eher in Westdeutschland aufgeführt 21 Die Hoffnung, mit Gewalt eine zukünftige politische Ordnung herbeizuführen, war für ihn keine Option mehr (im Gegensatz zu Brecht) Er nimmt Schillers politische Theater sehr ernst und verabschiedet sich von dem, dass Spielende und Publikum etwas dabei lernen sollen Für ihn ist nur mehr die Sprache wichtig o Reines sprechen o Montieren von Textfüßen und Zitaten o Symbolen und sprachlichen Treibgut o Es ist ein anti-utopisches oder anti-pädagogisch Theater Außerdem verabschiedet er sich von dem einsamen und genial schaffendem Autor, da er bereits existierende Texte weiter- und neuschreibt. 22