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forschung magazin November 2012

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forschung magazin November 2012
magazin
forschung
November 2012
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Impressum /// Herausgeber: Vizepräsident für Forschung und Technologietransfer, Prof. Dr. Matthias Hannig, Universität des Saarlandes. Redaktion: Beate Wehrle,
RWE MEET 'N SPEED TOUR 2012:
DAS KOMPAKTE BEWERBUNGSTRAINING.
Bodenplatte aus hochleitfähigem Kupfer wassergekühlt.
mit einer Gleichstromquelle verbunden. Da in diesem Verfahren Temperaturen bis ca. 3000 °C erreicht werden können, sind sowohl die Lanze aus hochschmelzendem Wolfram als auch die
der Erschmelzung der Materialien in einem Plasma. Die Kathode, meist in Form einer beweglichen Lanze, und die als Anode fungierende Bodenplatte der Prozesskammer sind für den Betrieb
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebrs wieder. Titelmotiv: Das Verfahrensprinzip eines Lichtbogenofens (engl. »arc melter«) basiert auf
Anzeigenverwaltung und Druck: VMK – Verlag für Merketing und Kommunikation GmbH, Tel.: 06243/909-0, Fax: 06243/909-400, www.vmk-verlag.de ISSN: 0937-7301 Preis: EURO 2,50
Fotos: wenn nicht anders gekennzeichnet, eigenes Archiv der Autoren. Motiv S. 19: ©view7/photocase.com
Postfach 15 11 50, 66041 Saarbrücken, Tel.: 0681/302-2656, Fax:0681/302-4270, E-Mail: [email protected]. Erscheinungsdatum: November 2012
Präsidialbüro, Tel.: 0681/302-3886 Satz und Gestaltung: Maksimovic & Partners, Agentur für Werbung und Design GmbH Vertrieb: Präsidialbüro der Universität des Saarlandes,
Dipl.-Ing. Jochen Heinrich
Professor Dr. Ralf Busch
Romanische Übersetzungswissenschaft
Anne Weber
Prof. Dr. Jens Dittrich
Prof. Dr.-Ing. Matthias Nienhaus
Antriebstechnik
Kurznachrichten
4 Amorphe Metalle als Konstruktionswerkstoffe
Metallische Werkstoffe
6 Von barbarischen Muttersprachen und erschröcklichen
Morden: die Saarbrücker Übersetzungsbibliographien
Informatik
12 Die Zehn-Minuten-Herausforderung – Über Science Slams*
14 Phantasie und Realität – Elektrische Antriebe im
menschlichen Körper
19 Aus der Forschung
magazin forschung
Amorphe Metalle als
Konstruktionswerkstoffe
seit der Vorstellung der ersten amorphen Bauteile durch die
Caltech-Ausgründung Liquidmetal Technologies Inc., USA,
Anfang des 21. Jahrhunderts Aufmerksamkeit in den Konstruktionsabteilungen der herstellenden Industrie. MMG
vereinen Vorteile von Metallen und Kunststoffen und eröffnen die Möglichkeit, komplexe Bauteile mit hohen Festigkeiten gegenüber den Standardverfahren günstiger herstellen zu können. Das Alleinstellungsmerkmal der MMG sind
Festigkeiten von ca. 2 GPa bei Legierungen auf Zr-Basis in
Kombination mit einer elastischen Dehnung von bis zu 2 %
und der daraus resultierenden Fähigkeit, elastische Energie
Professor Dr. Ralf Busch
Dipl.-Ing. Jochen Heinrich
Metallische Werkstoffe
Amorph erstarrende metallische Legierungen zeigen außergewöhnliche Eigenschaften im Hinblick auf mechanische
Kennwerte in Verbindung mit den möglichen Formgebungsmethoden. Sie bestechen u.a. durch hohe Festigkeiten
(ca. 2 GPa bei Legierungen auf Zirkoniumbasis) sowie eine außergewöhnliche Elastizität und lassen sich wie Thermoplaste im Spritzgussverfahren endformnah verarbeiten. Werkstoffwissenschaftlern am Lehrstuhl für Metallische
Werkstoffe ist es nun gelungen, eine kostengünstige Legierung zu entwickeln und deren Halbzeuge im Spitzgussverfahren unter dem Aspekt einer ökonomischen Serienfertigung von Konstruktionsteilen zu verarbeiten.
günstige massivglasbildende Halbzeuge herzustellen und
MMG-Artikel im Druckgussverfahren im Hinblick auf eine
ökonomische Serienfertigung zu prozessieren.
Im Rahmen der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten entstand die massivglasbildende metallische Legierung
namens »AMZ4«,die sich aus den Komponenten Zr, Nb, Cu
und Al zusammensetzt. AMZ4 ist eine Legierung ohne das
toxische Be und unterscheidet sich dadurch wesentlich von
der kommerziell am weitest verbreiteten Legierung auf ZrBasis »Vitreloy 1«. AMZ4 enthält außerdem kein Ni, um einer
durch Sauerstoffbestandteile begünstigten Primärkristallisation von NiZr2-änlichen Phasen vorzubeugen und dadurch
die Sauerstofftoleranz der Legierung zu erhöhen. Positiver
Nebeneffekt ist eine verbesserte Biokompatibilität. Der Kostenvorteil von AMZ4 gegenüber anderen MMG-Legierungen sowohl hinsichtlich der Materialkosten als auch bei
der Herstellung der Rohlegierung wird durch die Verwendung einer kommerziellen Zr-Nb-Vorlegierung Zr705 technischer Reinheit ermöglicht. Die Materialkosten für die Vorlegierung sind bei ca. 10-fachem Sauerstoffgehalt der Vorlegierung im Vergleich zu reinen Zr-Kristallstäben um ein 10faches niedriger. Bei insgesamt etwa ¾ Massenanteil von Zr
und Nb in AMZ4 bestimmt der Kostenanteil dieser Elemente
wesentlich den Legierungspreis. Ein weiterer Vorteil der Vorlegierung ist das bereits gelöst vorliegende hochschmelzende
Nb. Das Zulegieren der weiteren Komponenten Cu und Al
Abb. 2: Lichtbogenofen zum Erschmelzen und Legieren der metallischen
Reinelemente im Plasma
Abb. 1: Amorphe Metalle weisen aufgrund der hohen Oberflächenspannung der Schmelzen und der fehlenden Ausbildung
Metalle und deren Legierungen sind Funktions- und Konstruktionswerkstoffe mit vielfältigen Eigenschaften. Aufgrund ihrer mechanischen Eigenschaften und zahlreichen Urform-, Umform- und Fügemöglichkeiten wie Gießen, Pressen
und Schweißen finden sie hauptsächlich Anwendung in mechanisch hoch beanspruchten Konstruktionen.
Gewöhnlich sind Metalle als kristalline Werkstoffe bekannt, deren Atome auf atomarer Skala auf definierten Plätzen mit Translationssymmetrie angeordnet sind. Bei bestimmten metallischen Legierungen führen jedoch spezielle
Herstellungsbedingungen zur regellosen Anordnung der
Atome, einer sogenannten amorphen Struktur und nicht zur
Ausbildung eines kristallinen Gefüges. Beispielsweise kann
in schmelzmetallurgischen Verfahren wie dem Gießen bei
ausreichender Abkühlrate und Erstarrungsgeschwindigkeit
die amorphe Anordnung der Atome in der Schmelze auch
bei tiefen Temperaturen erhalten bleiben. Während des Abkühlprozesses steigt die Viskosität der unterkühlten Schmelze
stetig an bis das Material als fest erscheint, d.h. auf experimenteller Zeitskala keine atomaren Umordnungsprozesse
beobachtet werden können. Strukturell sind diese Materialien vergleichbar mit Gläsern.
Die Materialklasse der massivglasbildenden metallischen
Legierungen wurde in den frühen 70er Jahren des 20. Jahrhunderts bei Experimenten von H.S. Chen mit Legierungen
auf Pd-Basis in den Bell Laboratories, USA bekannt. Ca. 15
Jahre später folgten durch A. Inoue an der Tohoku University, Japan, die ersten edelmetallfreien massivglasbildenden
Legierungen auf Basis von La oder Mg und wenig später
durch A. Peker und W.L. Johnson am California Institute of
Technology (Caltech), USA, die Vitreloy™-Familie Zr-basierter Legierungen. Im Gegensatz zu den bereits 1960 ebenfalls am Caltech entdeckten metallischen Gläsern in Form
von 10 µm dünnen Bändern aus einer binären Au-Si-Legierung lassen sich Metallische Massivgläser (MMG) bzw. »Bulk
Metallic Glasses« (BMG) vollständig amorph in den Dimensionen ≥1 mm x 1 mm x 1 mm herstellen und sind dadurch als
Konstruktionswerkstoff interessant.
Veröffentlichungen der wachsenden Gemeinde von Wissenschaftlern auf dem Gebiet der MMG erregen spätestens
Metallische Werkstoffe
eines kristallinen Gefüges spiegelglatte Oberflächen auf
74
35
zu speichern. Im Vergleich zu Stählen bzw. Polymeren mit
einer Festigkeit von ca. 1 GPa bzw. 0,25 GPa und maximal
möglichen Dehnungen von ca. 0,5 % bzw. 2 % können MMG
eine bis zu 8-fache elastische Energie speichern.
Auch die Möglichkeiten zur Formgebung der MMG sind
für kristalline Metalle ungewohnt. MMG können ähnlich der
Kunststoffe und Silikatgläser ohne Erstarrungsschwindung in
Endform gebracht werden. Dadurch eignen sich MMG prinzipiell zur Herstellung von Bauteilen in Serienfertigungsverfahren wie dem Spritzguss, ohne dass diese noch weitere
Bearbeitungsschritte wie beispielsweise eine Wärmebehandlung im Anschluss an die Formgebung erfordern.
Aufgrund der Materialeigenschaften und der endformnahen Verarbeitungsmöglichkeiten können MMG als Konstruktionswerkstoffe besondere Anforderungen erfüllen. Die
Eigenschaften der MMG lassen sich optimal in komplexen
Bauteilen in Dimensionen mehrerer Millimeter mit hohen
Ansprüchen an die mechanische Belastbarkeit und/oder Elastizität nutzen. Ausgereizter Stand der Technik für die Herstellung ähnlicher Bauteile ist bisher der Feinguss von kristallinen Metallen. Nachteile des Verfahrens sind der hohe
Fertigungsaufwand aufgrund mehrerer Prozessschritte und
die nur durch nachträgliches Härten bei Cu-Be- oder Fe-CoLegierungen erzielbaren begrenzten Festigkeiten von 1,3
GPa bzw. 1,5 GPa.
Den Einsatz der MMG als Konstruktionswerkstoff erschweren allerdings bislang noch die hohen Materialkosten,
die eingeschränkte Verfügbarkeit der MMG-Legierungen
und der Mangel an geeigneten Verarbeitungsanlagen. Der Arbeitsgruppe des Lehrstuhls für Metallische Werkstoffe an der
Universität des Saarlandes ist es unter Leitung von Prof. Dr.
Ralf Busch in Kooperation mit der Firma Nonnenmacher
GmbH & Co. KG in Ölbronn-Dürrn nun gelungen, kosten-
Abb. 3: Halbzeuge einer massivglasbildenden metallischen Legierung (a) für die
Fertigung von amorphen metallischen Druckgussartikeln (b)
kann dadurch bei deutlich kürzeren Prozesszeiten zur Homogenisierung der Schmelze und niedrigeren Temperaturen als
im Vergleich zu Hochtemperatur-Plasmaschmelzverfahren in
Lichtbogenöfen erfolgen. Halbzeuge der Rohlegierung werden anstelle im Induktionsofen in einem nachweislich hochskalierbaren Verfahren hergestellt. Verschiedene Gießexperimente bestätigen, dass amorphe Proben von AMZ4 mit einer
kritischen Dicke von 5 mm hergestellt werden können. In Anbetracht des hohen Sauerstoffgehalts mit bis zu 1 at% des bei
der Herstellung von AMZ4 verwendeten Zr technischer
Reinheit ist die gegebene Glasbildungsfähigkeit ein Indiz für
eine hohe Sauerstofftoleranz dieser Zr-basierten Legierung.
Ein Verfahren zur Formgebung der Halbzeuge wurde in Kooperation bei unserem Industriepartner Firma Nonnenmacher Gmbh & Co. KG, die auf den Mikroguss metallischer
Bauteile spezialisiert sind, entwickelt und aufgebaut. Da der
Druckguss massivglasbildender metallischer Schmelzen im
Vergleich zum Feinguss prinzipiell mit weniger Aufwand verbunden ist und zu höherwertigen Gussteilen führt, wurde eine
Literatur
—
J. H E I N R I C H , R. B U S C H : Europäische Patentanmeldung EP 12 000 730:
Bulk metallic glass forming alloy
—
B. N O N N E N M AC H E R , J. H E I N R I C H , R. B U S C H : Europäische Patentanmeldung
EP 11 009 331: Kaltkammer-Spritzgießvorrichtung
—
J. H E I N R I C H , R. B U S C H : Processing of a bulk metallic glass forming alloy based on
industrial grade Zr, Intermetallics 25 (2012) 1–4
—
J. H E I N R I C H , R. B U S C H , F. M ü L L E R , S. G R A N DT H y L L , S. H ü F N E R :
Role of aluminum as an oxygenscavenger in zirconium based bulk metallic glasses,
Appl. Phys. Lett. 100 (2012) 71909
—
S. M O Z G OVOy, J. H E I N R I C H , U.E. K LOT Z , R. B U S C H : Investigation of mechanical,
corrosion and optical properties of an 18 carat Au-Cu-Si-Ag-Pd bulk metallic glass,
Intermetallics 18 (2010) 2289
—
J. S C H RO E RS : Processing of Bulk Metallic Glass, Advanced Materials 22 (2009) 1566
—
R. B U S C H , J. S C H RO E RS , and W.H. WA N G : Thermodynamics and Kinetics of Bulk
Metallic Glass, MRS Bulletin 32 (2007)
—
W.L. J O H N S O N : Bulk glass-forming metallic alloys: science and technology,
MRS Bulletin 24 (1999)
Von barbarischen Muttersprachen und erschröcklichen
Morden: die Saarbrücker Übersetzungsbibliographien
Anne Weber
Romanische Übersetzungswissenschaft
B
Nach jahrhundertealten Übersetzungen suchen, verschiedene Übersetzungen vergleichen, die Entwicklung
einzelner Sprachen verfolgen, das Übersetzen an sich
und die Rolle des Übersetzers untersuchen – für die Bearbeitung solcher Themen in der Übersetzungswissenschaft braucht man vor allem eins: Texte. Aber wie findet
man die? Mithilfe von Übersetzungsbibliographien, die
Angaben zu Übersetzungen (eventuell auch in mehrere
Sprachen) und den zugehörigen Originalen liefern. Die
Erstellung solcher Sammlungen ist allerdings keine
leichte Aufgabe, denn es müssen viele Informationen
(Autor, Titel, Ausgangs- und Zielsprache, Erscheinungsjahr und -ort, Standort, etc.) zusammengestellt und in
eine Datenbank eingegeben werden.
Professor Dr. rer. nat. Ralf
usch
studierte Physik an der Universität Göttingen, wo er seine
Promotion 1992 mit einer Arbeit zu »Analytische Feldionmikroskopie der Reaktion in Zr-Co Doppelschichten« abschloss. Von 1992 – 1993 arbeitete er als Wissenschaftlicher
Mitarbeiter am dortigen Institut für Metallphysik. Von 1993
– 1996 war er Feodor Lynen Stipendiat der Alexander von
Humboldt Stiftung und arbeitete zunächst als Research Fellow, später als Senior Research Fellow am California Institute
of Technology in Pasadena, USA. 1999 wurde er als Assistant
Professor am Department of Mechanical Engineering der
Oregon State University in den USA berufen, 2004 dort zum
Associate Professor (mit Tenure) ernannt. Seit 2005 hat er an
der Universität des Saarlandes den Lehrstuhl für Metallische
Werkstoffe inne. Seit 2011 ist er auch Geschäftsführer des
Saarbrücker Steinbeis-Forschungs- und Entwicklungszentrums für amorphe Metalle.
Seine Forschungsinteressen liegen in der Physikalischen
Metallkunde und schließen die Bereiche Thermodynamik
und Kinetik metastabiler Phasenbildung, Metallische Gläser,
Bio- und Nanomaterialien sowie Verbundwerkstoffe ein.
H
Dipl.-Ing. Jochen
einrich
studierte Maschinenbau mit Vertiefung Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnik an der Universität Karlsruhe
(TH). Seit 2006 ist er Doktorand und wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Lehrstuhl Metallische Werkstoffe unter Leitung von Prof. Dr. Ralf Busch. Das Thema seiner eingereichten Dissertation lautet »Massivglasbildende metallische Legierungen als Konstruktionswerkstoff – Materialoptimierung
und Technologieentwicklung zur Herstellung und Verarbeitung«.
Im Rahmen mehrerer Drittmittelprojekte wurde eine
neue massivglasbildende Legierung (siehe Europäische Patentanmeldung EP11009331) und Kaltkammer-Spritzgießvorrichtung (siehe EP12000730) erfunden. Aktuelle Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten konzentrieren sich auf
die Hochskalierung der Technologie Metallischer Massivgläser auf einen industriellen Produktionsmaßstab.
Metallische Werkstoffe/Übersetzungswissenschaft
für die Verarbeitung von MMG-Halbzeugen geeignete Vakuum-Spritzgussanlage erarbeitet. Diese Anlage erwies sich
als für die reproduzierbare Herstellung amorpher Bauteile
geeignet. Das Verfahren ermöglicht nicht nur die Herstellung
höherwertiger MMG-Artikel als Konkurrenz zu typischen
MIM- und Feingussteilen, sondern stellt bei der Verwendung
von Legierungen wie AMZ4 zudem eine ökonomisch interessante Methode dar. Ein wesentlicher Vorteil der Konstruktion gegenüber bestehenden jedoch nicht industriell eingesetzten schmelzmetallurgischen Verfahren zur Verarbeitung von MMG besteht in der Tauglichkeit für eine Massenproduktion aufgrund wesentlicher Detaillösungen wie die
Anordnung aller Module innerhalb einer Vakuumkammer,
eine Schmelzstation für an das Werkzeugvolumen angepasste
Halbzeuge sowie der horizontale Materiafluss. Dies äußert
sich in hochwertigen amorphen Gussartikeln und einer Taktzeit der Teileherstellung von ca. 15 Sekunden.
Die Untersuchungen und Entwicklungen erwiesen sich
aufgrund der Komplexität der Arbeiten als besonders umfangreich und aufwändig. Dennoch ist es gelungen, massivglasbildende metallische Legierungen als Konstruktionswerkstoff Anwendungen zugänglich zu machen. Die MMGLegierung AMZ4 sowie die Verfahren zur Halbzeugfertigung und schmelzmetallurgischen Formgebung sind Innovationen, die die an sie gestellten Prozess- und Wirtschaftlichkeitsanforderungen erfüllen. Sie ermöglichen, die Vorteile
und Alleinstellungsmerkmale der MMG-Technologie gezielt
zu nutzen.
Die Kombination der thermophysikalischen und ökonomischen Eigenschaften von AMZ4 ist eine Besonderheit dieser massivglasbildenden metallischen Legierung. Aufgrund
der potenziellen Verwertungsmöglichkeiten von AMZ4 hat
die PatentVerwertungsAgentur (s. Seite 19 f.) für die Universität des Saarlandes ein Schutzrecht beim Europäischen
Patentamt beantragt. Für den Schutz der entwickelten Spritzgießvorrichtung zur Formgebung von MMG-Artikeln hat
Firma Nonnenmacher GmbH & Co. KG gemeinsam mit der
Universität des Saarlandes ebenfalls eine europäische Patentanmeldung eingereicht.
Diese Innovationen werden den MMG hoffentlich zu
einem Durchbruch als Konstruktionswerkstoff verhelfen. Bei
steigender Nachfrage und entsprechend sinkenden Kosten ist
die Substitution mechanisch belasteter Kunststoffanwendungen ein interessanter nächster Schritt.
Der Lehrstuhl für Romanische übersetzungswissenschaft der
Universität des Saarlandes unter Leitung von Prof. Dr.Alberto
Gil hatte sich bereits von 2005 bis 2008 dieser Herausforderung gestellt und das DFG-geförderte Projekt Saarbrücker
Übersetzungsbibliographie – Erstellung einer elektronischen romanisch-deutschen Übersetzungsbibliographie nichtfiktionaler
Texte (SÜB)1 durchgeführt. Im Rahmen dieses Vorhabens wurden bibliographische Daten zu deutschen übersetzungen aus
den romanischen Sprachen (schwerpunktmäßig Französisch
und Italienisch, in geringem Umfang auch Spanisch und Portugiesisch) erfasst.2 Gesucht wurden hier alle übersetzungen
von Sachtexten, die zwischen 1450 und 1850 (Französisch) bzw.
1450 und 1912 (übrige Sprachen) erschienen waren. Die Ergebnisse dieser Arbeiten sind online unter http://sueb.uni-saarland.de/ frei zugänglich.
Nun hat der Lehrstuhl ein zweites Projekt in Angriff genommen: Seit April 2011 werden in der ebenfalls von der DFG
geförderten Saarbrücker Übersetzungsbibliographie – Latein
(SÜB-Latein)3 übersetzungen aus dem Lateinischen mitsamt
Originalen erfasst. Dabei wird die leicht überarbeitete Infrastruktur des ersten Projekts genutzt, um übersetzungen von
Sachtexten – diesmal allerdings aus dem Zeitraum 1450 bis
1750 – zusammenzustellen. Seit April 2012 erfolgt dieses Projekt in Kooperation mit dem Inhaber des Lehrstuhls übersetzungswissenschaft: Französisch der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Prof. Dr. Vahram Atayan, wodurch sich insbesondere neue Möglichkeiten für die Bearbeitung einschlägiger Literatur in der dortigen Universitätsbibliothek eröffnen.
1
Alberto GIL ist Professor für Romanische übersetzungswissenschaft an der Universität des Saarlandes.
Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet
der Text- und kontrastiven Linguistik sowie der Rhetorik und übersetzungswissenschaft.
Vahram ATAyAN ist Professor für übersetzungswissenschaft: Französisch an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Seine Forschungsschwerpunkte sind
die linguistische Argumentationstheorie, Textlinguistik
und Fachsprachenforschung.
Projektpartner Prof. Vahram Atayan mit den
studentischen Hilfskräften Manuel Langhans,
Bettina Fetzer und Bettina von Polenz
Anne Weber ist Diplom-übersetzerin für Französisch,
Englisch sowie Italienisch und als wissenschaftliche Mitarbeiterin für die Projektkoordination zuständig. Ihre
Forschungsinteressen liegen im Bereich der Wortbildung,
der Werbesprachforschung sowie der Fachsprachenforschung.
Daniele Moretti ist Diplom-übersetzer für Italienisch, Englisch sowie Französisch und als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Kontrolle und Revision tätig.
Seine Forschungsinteressen sind die Analyse des öffentlichen Diskurses und die Argumentationstheorie.
Federführend war der Lehrstuhl für Romanische übersetzungswissenschaft der Universität
des Saarlandes, Projektpartner waren das Iberoamerikanische Institut PK Berlin sowie die
Universitäts- und Landesbibliothek Bonn; Geschäftszeichen INST 13408/1–1 und GI 354/2–1.
76
2
über dieses Projekt wurde im magazin forschung 2/2007 bereits berichtet (S. 25–30).
37
3
Geschäftszeichen des Projekts: GI 354/5–1.
Projektleiter Prof. Alberto Gil mit Projektkoordinatorin Anne Weber und dem wissenschaftlichen
Mitarbeiter Daniele Moretti
wurde teilweise bereits im Titel durch einen expliziten Hinweis
auf die Treue der übersetzung kundgetan:
Artickel des Sechsjährigen Still- und Frieden-Standes zwischen d. Königl. Majestät in Polen und [...] Schweden, Groß Fürsten in Litthauen etc. [...] an einem: Und dann Der Königl. Majest. und Königr. Schweden andern Theils. Auffs treulichste auß
d. Latein. ins Deutsche versetzet (erschienen 1629).
Die lateinische Sprache war also in Deutschland lange Zeit
von besonderer Bedeutung, und die übersetzung ins Deutsche
spielte eine wichtige Rolle beim übergang vom Latein zur
Volkssprache. Eine entsprechende Bibliographie kann diese
spannende Entwicklung dokumentieren und als Grundlage für
vielfältige Forschungsfragen dienen. Gerade im Bereich der
Neulateinischen Forschung besteht einschlägigen Autoren zufolge ein enormer Nachholbedarf (so etwa Roloff 1998: iii.),
nicht zuletzt auch im Bereich »bibliographische[r] Fleißarbeiten« (Koller ²1998: 210f.).
Wir bauen uns eine Datenbank
Für die Erstellung einer Bibliographie sind konzeptionelle
und methodische Vorüberlegungen notwendig, insbesondere
um die zu erwartende Datenmenge einzugrenzen. Ein wichtiger Aspekt ist hierbei die bereits erwähnte Beschränkung auf
Sachtexte, die sich an der bestehenden Vorgängerdatenbank
orientiert. Zudem ist der literarische Bereich schon deutlich
besser erschlossen und in der einschlägigen Literatur findet sich
bisweilen der Hinweis, dass gerade die zahlreichen übersetzungen in den Bereichen Medizin, Mathematik und Astronomie, Recht und Regierung, Kunst und Architektur, Landwirtschaft, Militärwissenschaft und Technologie in ihren verschiedenen Ausprägungen bisher vernachlässigt wurden. Denn obwohl die Fachkommunikation in lateinischer Sprache vonstattenging, benötigten die Praktiker – so etwa Stadtärzte und
Chirurgen – häufig übersetzungen, da sie eben nicht lateinisch
gebildet waren.
Der Beginn des Erfassungszeitraums ist 1450 und orientiert sich an der Erfindung des Buchdrucks. Hierbei geht es allerdings um das Erscheinungsjahr der übersetzung, Originale
dürfen – natürlich, denn sie müssen vor der übersetzung vorliegen – etwas älter sein, jedoch frühestens 1250 veröffentlicht.
Somit beschränkt sich die Datenbank im Wesentlichen auf neulateinische Vorlagen, wobei auch spätmittelalterliche Einflüsse
noch berücksichtigt werden.Ausgeschlossen sind hingegen antike Vorlagen, die ebenso wie die literarischen Texte in der Vergangenheit bereits recht ausführlich bearbeitet wurden.
Neben den bibliographischen Kerndaten wie Autor, Erscheinungsjahr, etc., werden auch bis zu vier Standorte, d.h.
deutsche Bibliotheken, die im Besitz des jeweiligen Werkes
sind, erfasst und es wird – soweit möglich – ein Link zu einer
digitalisierten Version angegeben. Außerdem wird für die lateinischen Werke ein Kulturkreis angegeben, um die Nutzer
darüber zu informieren, aus welchem Land das jeweilige Werk
stammt. In der Ergebnisausgabe (s. Abb. 1) sind zusammengehörige übersetzungen und Originale direkt miteinander verlinkt.
Ebenso wie die romanisch-deutsche Vorgängerdatenbank
ist auch die Saarbrücker Übersetzungsbibliographie – Latein
online frei verfügbar und lädt zum Ausprobieren ein:
http://sueb.uni-saarland.de/latein/. Die Einrichtung einer gemeinsamen Suchschnittstelle beider Sammlungen ist geplant.
Abb. 1: Ergebnisausgabe einer übersetzung
und 1912 erschienen) erfasst wurden, lag der Anteil der ermittelten Originale deutlich höher, in erster Linie weil hier auf
bestehende Bibliographien zurückgegriffen werden konnte,
die entsprechende Informationen bereits beinhalteten. Insgesamt ergibt sich für die beiden Datenbanken folgende Erfassungslage, wobei die Zahlen für das Französische und Italienische endgültig, die Zahlen für das Lateinische hingegen
vorläufig sind:
Zu den insgesamt 7572 übersetzungen aus romanischen
Sprachen konnte also in 1135 Fällen kein Original ermittelt
werden, es sind aber immerhin 5216 zugehörige Originale erfasst. Die Summe der nicht ermittelten Originale und der Originale entspricht nicht der Anzahl der übersetzungen, weil einige Originale mehrfach übersetzt wurden, sodass einem
einzigen Original mehrere übersetzungen zugeordnet sind.
Für das Lateinische liegt die Zahl der nicht ermittelten Originale bei 1782; für die insgesamt 4419 übersetzungen wurden
2171 Originale gefunden.
Interessant ist auch die thematische Verteilung der erfassten Texte aus beiden Datenbanken, die bereits einen Hinweis
Französ. Italien.
Übersetzungen
Abb. 2: Internetpräsenz des DFG-Projekts Saarbrücker
Übersetzungsbibliographie – Latein
Übersetzungswissenschaft
Wieso gerade Latein?
Bei der Beantwortung der Frage, weshalb man sich am
Lehrstuhl für Romanische übersetzungswissenschaft nun ausgerechnet mit Latein befasst, kommen mehrere Aspekte zusammen: Zunächst einmal ist die lateinische Sprache sozusagen die »Mutter« aller romanischen Sprachen und somit aus
einer historischen Perspektive von Interesse. Außerdem war
Latein einschlägigen Autoren zufolge mindestens vom 14. bis
zum 18. Jahrhundert die Kommunikationssprache der europäischen Intelligenz, sie war aber auch weit über den Kreis der
akademisch Gebildeten hinaus verbreitet und wurde gar zur
Sprache des frühneuzeitlichen Tourismus (vgl. Roloff 1998: i.).
Entsprechendes kann man in Bezug auf die heutige Zeit für das
Englische feststellen, das einerseits zur Universalsprache vieler moderner Wissenschaften geworden ist und andererseits
auch zum »Notnagel« zeitgenössischer Touristen. Seit dem
Mittelalter und bis weit in die Neuzeit hinein fanden also fachliche Gespräche fast ausschließlich in lateinischer Sprache statt.
Dies ermöglichte »einen vielseitigen geistig-kulturellen Austausch, der die gesamte europäische Kultur durchzieht und bis
heute mitbestimmt« (Seibicke ²1998: 2382).
Schließlich spielte Latein zudem gerade in Deutschland
lange Zeit eine besondere Rolle: Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts erschienen hier in allen denkbaren Fächern mehr lateinische als deutsche Bücher. Dies hatte mehrere Gründe,
insbesondere empfanden viele deutsche Humanisten ihre Muttersprache – etwa im Gegensatz zu den Franzosen – als »barbarisch« (vgl. IJsewijn 1990: 48) und verfassten deshalb ihre
Werke in der »ästhetisch und kommunikativ überlegenen« lateinischen Sprache (vgl. Reiffenstein 1984: 195f.). Aber auch in
anderen europäischen Ländern war Latein als Sprache der Wissenschaft lange Zeit dominant und verlor seine Rolle als kulturelle und wissenschaftliche Zweitsprache Europas erst im
19. und 20. Jahrhundert nach und nach. Bekanntermaßen war
noch im letzten Jahrhundert in jedem schulischen Curriculum
der Erwerb des Latinums vorgesehen und Latein somit in höheren Bildungsschichten weiterhin verbreitet.
Die Ablösung der lateinischen Sprache durch die einzelnen Nationalsprachen bedeutete zweierlei: Zum einen wurde
dazu übergegangen, Texte direkt in der Volkssprache zu verfassen, zum anderen wurden bereits auf Latein verfasste Texte
in die jeweiligen Landessprachen übersetzt. Interessant ist hierbei, dass der deutsche Frühhumanismus – und hier weicht
Deutschland von anderen Sprachräumen Europas ab – verstärkt auf die übersetzerische Textproduktion zurückgriff (vgl.
Limbeck 2005: 2). Auch ging es bei der Aufklärung insbesondere darum, »die bisher den Gelehrten vorbehaltene Weisheit
auch den Ungelehrten, d.h. dem Frauenzimmer und dem Bürgerstande zugute kommen zu lassen« (Fränzel 1914: 25), was
in der Fachliteratur häufig als Popularisierung oder gar Demokratisierung des Wissens bezeichnet wird. Auch in der Renaissance stellten übersetzungen noch den weitaus größten
Marktanteil an volkssprachlichen Buchtiteln in Deutschland
dar (vgl. Finger 2007: 1411). Die deutschsprachigen Leser hatten häufig eine Vorliebe für übersetzungen aus dem Lateinischen, denn zum einen wurden bestimmte Autoren als Autoritäten anerkannt und zum anderen galten solche übersetzten
Texte als besonders lesenswert, da sie stilistisch dem Lateinischen nachempfunden waren: Um die geradezu als minderwertig geltende deutsche Sprache aufzuwerten, bemühten sich
die übersetzer um eine exakte Nachbildung des lateinischen
Originals (vgl. Albrecht 2007: 1091; Limbeck 2005: 3, 28). Dies
78
39
Auf der Suche nach dem Original … einige Zahlen
Zu den besonderen Herausforderungen bei der Erstellung
einer übersetzungsbibliographie gehört die Recherche der jeweiligen Originale. Einerseits gibt es zahlreiche Texte, die zwar
explizit als übersetzung bezeichnet werden, wo sich jedoch keinerlei Informationen zu einem möglichen Original finden lassen, andererseits gibt es vermutlich etwa ebenso viele Texte,
bei denen es sich zwar um übersetzungen handelt, die aber
nicht ausdrücklich als solche deklariert sind. In letzterem Falle
sind die Vorarbeiten der großen Bibliotheken sehr hilfreich, die
nach Möglichkeit den Einheitssachtitel, d.h. den Titel der ersten originalsprachlichen Ausgabe, mit angeben.Auch der Einheitssachtitel birgt aber seine Tücken, da in der Regel nur der
Haupttitel angegeben wird und dieser häufig Lateinisch ist,
selbst wenn das Werk an sich in einer Nationalsprache verfasst
wurde und somit für die Datenbank nicht relevant ist. Dies ist
besonders häufig auch bei deutschen Texten der Fall:
Observationes Feudales Iuridico-Politico-Practicae Selectae. Das ist: Auserlesene Anmerckungen über die Lehen-Gerechtigkeit: Aus denen Geistlichen und Weltlichen Rechten auch
Lehen-Gebräuchen und berühmter Rechts-Gelehrter Schrifften
gezogen und [...] in teutscher Sprach verfasset. Nach vieler Verlangen herausgegeben und mit einem nutzlichen Register versehen von Georg Egidius von Sickhenhausen Ihro Chur-Fürstl.
Durchl. in Bayrn weiland wohlverordneten Pflegern zu Hartenstein (erschienen 1689).
Die Gesamtzahl der ermittelten Originale ist aufgrund dieser Schwierigkeiten deutlich geringer als die Zahl der erfassten übersetzungen. Im romanisch-deutschen Vorgängerprojekt SÜB, in dessen Rahmen übersetzungen aus dem Französischen (zwischen 1450 und 1850 erschienen) sowie aus dem
Italienischen, Spanischen und Portugiesischen (zwischen 1450
∑ Rom. 4
Latein
BS 5
∑ Lat.
5016
1963
7572
4143
276
4419
511
1782
nicht
ermitteltes
Original
416
1135
1693
1693
≈
≈
≈
≈
≈
≈
10%
21%
15%
41%
41%
40%
Originale
3646
1196
5216
—
—
2171
Tab. 1: Ergebnisse der beiden Datenbanken SüB und SüB-Latein (Stand: Sept. 2012)
auf mögliche zukünftige Forschung gibt: So sieht man gleich
auf den ersten Blick, dass die lateinische Sprache im Bereich
Religion extrem dominant ist. Für die übersetzung aus dem
Französischen fällt hingegen der Bereich Geschichte, politische
Aktualität und Geographie ins Auge – das Zeitgeschehen im
Nachbarland war damals schon von besonderem Interesse.
Forschung und Perspektiven
Die in den Saarbrücker Übersetzungsbibliographien gesammelten Daten sind für zahlreiche Fächer nutzbar: Im Bereich der Kulturwissenschaften wird – insbesondere durch die
thematische Klassifikation und die Zuordnung zu einem Kulturkreis – die Untersuchung der Verbreitung kultureller Phänomene in Europa erleichtert. Auch für die Fachgeschichtsforschung, die historisch orientierte Fachsprachenforschung
und die Germanistik liefern die Datenbanken umfassendes
Material zur Analyse. Für die neulateinische Philologie ist die
Originalsammlung von besonderem Nutzen, da hier zahlreiche
bisher eher unbekannte Werke erfasst sind. Und natürlich sind
die Bibliographien gerade auch für Translationswissenschaftler von Interesse, da sie beispielsweise die Identifikation über4
Spanisch, Portugiesisch sowie übersetzungen mit einer oder mehreren romanischen Brückensprachen eingeschlossen. Hinzu kommen noch etwa 2900 Datensätze, die aus der französischdeutschen Übersetzungsbibliothek 1770 –1815 von Lüsebrink/Reichardt übernommen werden
konnten.
5
Werke mit Latein als Brückensprache, die also aus einer beliebigen Sprache zunächst ins
Lateinische und erst danach in die deutsche Sprache übersetzt wurden.
Die Hochschulen
des Saarlandes laden
ein zum
heute, wie lösten sie gewisse Schwierigkeiten und was können
wir heute vielleicht noch von ihnen lernen? Insbesondere die
gleichzeitige Berücksichtigung beider Sammlungen stellt für
viele Fragen ein wertvolles Instrument dar.
Literatur
—
Albrecht, Jörn (2007): »Bedeutung der übersetzung für die Entwicklung der Kultursprachen«,
in: Kittel, Harald et al. (Hrsg.): übersetzung/Translation/Traduction. Ein internationales
Abb. 3: Thematische Verteilung der in beiden Datenbanken
erfassten übersetzungen (absolute Zahlen)
Handbuch zur übersetzungsforschung, 2. Teilband, Berlin, New york, de Gruyter, 1088 –1108.
—
Finger, Heinz (2007): »Sozio-kulturelle Kontexte und Bedingungen des übersetzens in der
Renaissance: Förderer, Märkte, Publikum«, in: Kittel, Harald et al. (Hrsg.): übersetzung/
Translation/Traduction. Ein internationales Handbuch zur übersetzungsforschung,
2. Teilband, Berlin, New york, de Gruyter, 1410 –1415.
—
Fränzel, Walter (1914): Geschichte des übersetzens im 18. Jahrhundert, Leipzig, Voigtländer.
—
IJsewijn, Jozef (1990): Companion to Neo-Latin Studies. Part I: History and Diffusion of
Neo-Latin Literature. Second entirely rewritten edition, Löwen, University Press.
—
Koller, Werner (²1998): »übersetzungen ins Deutsche und ihre Bedeutung für die deutsche
Sprachgeschichte«, in: Besch, Werner et al. (Hrsg.): Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur
Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, 1. Halbband, Berlin, New york,
De Gruyter, 210 –229.
—
Limbeck, Sven (2005): Theorie und Praxis des übersetzens im deutschen Humanismus.
Albrecht von Eybs übersetzung der ›Philogenia‹ des Ugolino Pisani, Online-Veröffentlichung, URL: http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/2147/; 06.08.2012.
—
Nord, Christiane (1993): Einführung in das funktionale übersetzen. Am Beispiel von Titeln
und überschriften, Tübingen, Francke.
—
Reiffenstein, Ingo (1984): »Deutsch und Latein im Spätmittelalter. Zur übersetzungstheorie
des 14. und 15. Jahrhunderts«, in: Besch, Werner et al. (Hrsg.): Festschrift für Siegfried Grosse
zum 60. Geburtstag, Göppingen, Kümmerle.
—
Roloff, Hans-Gert (1998): »Die Erschließung der neulateinischen Literatur und Europa«
in: Trans, Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Nr. 3. (http://www.inst.at/trans/3Nr/
roloff.htm; 06.08.2012).
—
Seibicke, Wilfried (²1998): »Fachsprachen in historischer Entwicklung«, in: Besch, Werner et
al. (Hrsg.): Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer
Erforschung, 2. Halbband, Berlin, New york, De Gruyter, 2377–2391.
—
Weber, Anne/Moretti, Daniele/Atayan, Vahram (im Druck): »Zwischen Deutschland und
Romania: die Saarbrücker übersetzungsbibliographien als Werkzeug der Sprach-, Kultur- und
Translationswissenschaften«, für: Lavric, Eva/Pöckl, Wolfgang (Hrsg.): Akten der vii.
Internationalen Arbeitstagung zum romanisch-deutschen und innerromanischen
Sprachvergleich, Innsbruck, 5. – 8. September 2012.
Übersetzungswissenschaft
setzerischer Konventionen im Vergleich zwischen verschiedenen Sprachenpaaren oder auch ihre Entwicklung durch die
Jahrhunderte ermöglichen.
Es wurden auch bereits einige tentative Untersuchungen
durchgeführt (vgl. hierzu sowie zu den weiteren Forschungsfragen z.B.Weber/Moretti/Atayan i.D.), schwerpunktmäßig anhand der Titel von übersetzungen, die häufig als eigenständige
Textsorte angesehen werden (vgl. Nord 1993: 43f.).
So wurde beispielsweise bei einem Vergleich von deutschen
Texten mit den Ausgangssprachen Latein und Französisch hinsichtlich vorhandener Wertungen festgestellt, dass sich in beiden Fällen Aufwertungen des Autors finden lassen, die im Original nicht vorhanden waren, sondern erst bei der übersetzung
hinzugefügt wurden, etwa hoch-/ wohlgelehrt, (hoch-)ehrwürdig, vor-/fürtrefflich und berühmt, wobei natürlich unterschiedliche Schreibweisen und Varianten berücksichtigt werden müssen:
Dialogus oder ein gesprech: Febris ganant. Durch den ernvesten und hochberümpten Ulrich von Hutten in Latein beschryben ietz durch gut güner zu deutsch gemacht (erschienen
1519).
Hinweise auf die Treue waren bei übersetzungen aus dem
Lateinischen deutlich häufiger als bei übersetzungen aus dem
Französischen. Dies dürfte wie oben bereits angesprochen dem
extrem hohen Prestige der lateinischen Sprache in der damaligen Zeit geschuldet sein. Demgegenüber waren negative Wertungen insgesamt vergleichsweise selten und bezogen sich häufig auf im Werk behandelte Personen oder Ereignisse, was sich
im übrigen auch für übersetzungen aus dem Italienischen festhalten lässt:
Warhafftiger bericht, von dem erschröcklichen Mordt, an acht
vnd achtzig Christlichen, vnschüldigen personen, vmb des Euangelions willen zu Montalto, im Königreich Napolis begangen
den 11. Junii 1561 (erschienen 1561).
Gerade durch solcherlei Emotionalisierung und Wertung
wird die Appellfunktion der Titel (vgl. Nord 1993: 143ff.) deutlich: Schon damals wurden geschickt verschiedene Mittel eingesetzt, um den Rezipienten zur Lektüre zu animieren.
Interessante Untersuchungen sind aber auch zu weiteren
Fragestellungen möglich: Wie unterscheiden oder ähneln sich
z.B. Mehrfachübersetzungen desselben Ausgangstextes? Welche thematischen Schwerpunkte wurden bei der übertragung
aus unterschiedlichen Kulturräumen gesetzt? Und nicht zuletzt: Was haben die übersetzer damals anders gemacht als
Samstag
19. 1. 2013
7 10
3 11
www.uni-saarland.de/winterball
Congresshalle Saarbrücken
19 Uhr
Einlass und Sektempfang
Die 10-Minuten-Herausforderung –
Über Science Slams*
nach jedem Vortrag oder am Ende der Veranstaltung statt
(durch Punktkarten, Klatschen oder Murmeln). Der Sieger
bekommt als Siegprämie das »goldene Gehirn«. Die Siegervideos landen oft auf youtube.
Wer tritt auf? Science Slams sind zunächst nicht beschränkt auf eine bestimmte Gruppe oder Altersklasse. Meistens treten Nachwuchswissenschaftler auf. Aber es treten
auch immer öfter Professorenkollegen auf wie z.B. in Kassel,
Münster, Mannheim, Stuttgart, Bodensee, bis hin zur Langen
Prof. Dr. Jens Dittrich
Informatik
Abb. 2: Der Saarbrücker Informatikprofessor Jens Dittrich hat den Science Slam
am 7. Juni 2012 bei der IdeenExpo in Hannover für sich entschieden
und wird im August 2013 im Finale stehen. (Foto: »IdeenExpo«)
Die Uhr tickt, der Vortragende hat zehn Minuten Zeit, sein Projekt einem fachfremden
Publikum zu erklären, möglichst verständlich und unterhaltsam. Science Slams boomen
in Deutschland, inzwischen werden sogar Meisterschaften ausgetragen.
* Der Erstabdruck dieses Beitrags findet sich in »Forschung & Lehre«, 9/12, S. 736 –737
ich so erklären, dass jeder Student die Chance hat sie zu verstehen. Und so, dass er sich nicht dabei langweilt. Und so, dass
er nicht hinterher denkt »Informatik ist aber doof!«. Das ist
die Herausforderung.
Popularitätsgewinn
Science Slams haben in den letzten Jahren enorm an Popularität gewonnen. 2006 in Darmstadt begonnen gibt es inzwischen in über fünfzig Städten Veranstaltungen. Hinzu
kommen ›Slams‹ in der Schweiz, Österreich, Dänemark,
Schweden, Finnland, Russland und sogar Chile. Es gibt deutsche Meisterschaften (den Deutschlandslam, Aufzeichnung
der gesamten Veranstaltung vom November 2012 unter
http://bit.ly/Xrmbke), thematisch spezialisierte Slams (z.B.
den Science Slam im Wissenschaftsjahr: Zukunftsprojekt
Erde, gefördert vom Bundesbildungsministerium) bis hin zu
Science Slams für Jugendliche (Junior Science Slam). Erste
Universitäten integrieren Science Slams in Wissenschaftstage
(z.B. Berlin, Potsdam und Stuttgart) oder bieten Workshops
an (z.B. die Universität des Saarlandes).
Ein typischer Science Slam
Wie verläuft ein typischer Science Slam? Veranstaltungsorte sind neben Hörsälen gerne auch Kino-, Konzert- oder
Theatersäle. Die meisten Veranstaltungen finden abends statt.
Da der Auftritt als erster Slammer etwas undankbar ist, startet der Abend mit einem ›Opferlamm‹. Dies ist ein erfahrener Slammer, der als Warm-up den ersten Vortrag außerhalb
der Wertung hält. Danach beginnt der eigentliche Wettbewerb. Die Reihenfolge der Vortragenden wird ausgelost.
Nach zehn Minuten wird jeder der Vortragenden unterbrochen und das Publikum befragt, ob sie oder er noch eine kurze
Verlängerung bekommt, um den Vortrag zu beenden. Die Bewertung der Vorträge findet – je nach Veranstalter – direkt
Abb. 1: Das Publikum beim Science Slam bestimmt den Gewinner.
(Foto: »IdeenExpo«)
Nacht der Wissenschaften in Berlin, wo kürzlich ein Science
Slam vom Präsidenten der TU Berlin eröffnet wurde. Einzige
Bedingung für die Teilnahme ist, dass man über ein eigenes
Forschungsgebiet zu berichten weiß.
Informatik
Der Hörsaal ist brechend voll, fast alle Laptops sind geöffnet, die Zu»hörer« aktualisieren fleißig ihren Facebook-Status (»wieder langweilig!«), beantworten E-Mails, spielen
Computerspiele oder diskutieren den neusten Klatsch. Der
Dozent kämpft sich mühsam durch Powerpoint-Textwüsten
und liest leicht genervt fünfhundert erwachsenen Menschen
seine Folien vor.Wir haben das alle schon mal als Dozent oder
Zuhörer erlebt: Willkommen zum Konferenzvortrag, Willkommen zur Vorlesung!
Der Konzertsaal ist brechend voll. Niemand hat einen
Laptop geöffnet. Die Stimmung ist ausgelassen. Der Dozent
erklärt sein neuestes Forschungsergebnis. Das Publikum hat
Spaß und versteht. Spaß an Wissenschaft. Versteht ein völlig
fremdes Thema aus einem ganz anderen Fachgebiet. Es hätte
für heute Abend viele andere spannende Optionen gegeben.
Aber fünfhundert Menschen sind lieber hierher gekommen:
Willkommen zum Science Slam!
Ohne Zweifel gibt es bereits viele exzellente Konferenzvorträge und Vorlesungen, die didaktisch gelungen und zugleich unterhaltsam sind. Aber Science Slams treiben diesen
Anspruch auf die Spitze. Bei einem Science Slam haben Vortragende nur zehn Minuten Zeit, ihre Bachelor-/Master-/Doktorarbeit oder ihr Forschungsprojekt einem fachfremden
Publikum möglichst prägnant und witzig zu erklären.
Zehn Minuten reichen nicht aus, um komplexe Fachbegriffe einzuführen, langatmig auszuschweifen, mich in Details
zu verlieren oder die Struktur meines Vortrags spontan über
den Haufen zu werfen und zu improvisieren. Zehn Minuten
reichen auch nicht aus, um zum Beispiel mir als Informatiker
einem Nicht-Informatiker den Grundstudiumsstoff zu vermitteln, den man eigentlich verstanden haben muss, um die
Fragestellungen meines Spezialgebiets innerhalb der Informatik überhaupt begreifen zu können. Zehn Minuten reichen
nur noch für die Essenz. Den Kern. Und diese Essenz muss
7 12
3 13
Sieben Argumente dafür
Warum sollte mich das interessieren?
1. Science Slams trainieren die eigenen Präsentationskünste
und verbessern damit mit hoher Wahrscheinlichkeit den
nächsten Konferenzvortrag oder die nächste Vorlesung.
2. Science Slams entschlüsseln Wissenschaft. Was vorher
durch Fachterminologie verborgen und nur für eine kleine
Schar Eingeweihter zugänglich war, ist jetzt entschlüsselt
und damit durch eine breite Masse versteh- und bewertbar. Im Idealfall kann fachfremdes Publikum inhaltliches
Feedback geben.
3. Science Slams verbessern den Transfer zwischen unterschiedlichen Forschungsgebieten.
4. Science Slams verbessern den Transfer zwischen Forschung
und Industrie.
5. Science Slams können als Begleitung zu einer Veröffentlichung deren »Impact« erhöhen.
6. Science Slams können im Idealfall Schüler für das eigene
Fach und für die eigene Universität begeistern und als Studierende gewinnen.
7. Science Slams machen einfach Spaß.
Dass der Autor dieses Beitrages selbst ein äußerst erfolgreicher Slammer ist, verdeutlicht eine Kurzrecherche im Internet. Auf den Seiten der IdeenExpo 2013 etwa erfährt man,
dass »Jens Dittrich von der Universität des Saarlandes mit 72
von 80 möglichen Punkten am 07. Juni 2012 den Science Slam
gewann. Dem Informatiker gelang es, innerhalb von zehn Minuten ein aktuelles Forschungsprojekt im Bereich Hadoop
zu erklären. Hadoop ist eine Software, die täglich über Plattformen wie Google oder Facebook von nahezu jedem Internetnutzer unbewusst genutzt wird. Mit gewitzten Gleichnissen und Selbstironie demonstrierte er, wie intensive Rechenprozesse mit großen Datenmengen gelingen. Die über 600
Gäste im voll besetzten Pavillon qualifizierten Dittrich mit
dem Gewinn für das Finale auf der IdeenExpo 2013.«
(http://bit.ly/Sy9mqc). Desweiteren hat er im Oktober 2012
die Süddeutschen Meisterschaften gewonnen und sich damit
als einziger Professor für das Finale der Deutschen Meisterschaften qualifiziert. Dort belegte er im November vor 1000
Zuschauern im ZKM in Karlsruhe den 4. Platz. Die Redaktion drückt dem multibegabten Wissenschaftler weiterhin die
Daumen.
D
Prof. Dr. Jens
ittrich
studierte Informatik an der Universität Marburg, wo er
2002 im Bereich Datenbanksysteme promovierte. Von 2003
bis 2004 arbeitete er bei der SAP AG im Bereich Hauptspeicherdatenbanken/Column Stores. Von 2004 – 2008 war er
Oberassistent in der Systems Group der ETH Zürich. Seit
2008 leitet er den Lehrstuhl für Informationssysteme, Fachrichtung Informatik, an der Universität des Saarlandes. Seine
Forschungsprojekte kreisen um das Thema »Schneller Zugriff
auf sehr große Datenmengen«. Er hat bereits mehrfach erfolgreich an Science Slams teilgenommen und bietet auch
Workshops zu diesem Thema an.
Phantasie und Realität – Elektrische Antriebe
im menschlichen Körper
Die bereits heute erzielten Erfolge mit Geräten dieser Art
sowie die darüber hinaus stetig wachsenden Möglichkeiten
der Medizin rücken die Notwendigkeit von frei im menschlichen Körper agierenden Robotern in weite Ferne.
Für minimalinvasive medizinische Eingriffe im Köperinnern ist noch immer aus guten Gründen die unmittelbare
Kontrolle durch Fachpersonal zwingend. Wie dies bereits
heute zum Wohle des Menschen mit Hilfe motorbetriebener
Herzkatheter gelingt, zeigen die beiden folgenden Beispiele.
Prof. Dr.-Ing. Matthias Nienhaus
Antriebstechnik
Seit Jahrzehnten beflügeln phantastische Bilder und Filme über U-Boote in unseren Blutbahnen oder Roboter im
Einsatz gegen gefährliche Krankheiten die Phantasie. 1966, als die Mikrosystemtechnik noch ganz am Anfang
ihrer Entwicklung stand, lief in den deutschen Kinos der US-Film »Die Phantastische Reise« an. Damals war man
noch sehr weit von einer realen Umsetzung entfernt. Und heute?
Der folgende Beitrag zeigt ausgewählte Geräte mit elektrischen Antrieben für den Einsatz im menschlichen
Körper, bei deren Realisierung der Autor mitwirkte. Diese Erfahrungen bilden heute eine wichtige Basis für die
Forschung und Lehre am 2010 neu eingerichteten Lehrstuhl für Antriebstechnik (LAT) an der Universität des
Saarlandes (UdS).
Abb. 1: Kinofilm, Fantastic Voyage, USA, 1966
förmige und sich konisch verjüngende Form des Impella ist
einerseits für eine hohe Pumpförderrate und andererseits für
eine möglichst geringe Schädigung der vergleichsweise großen roten Blutkörperchen ausgelegt. Der antreibende Elektromotor muss hinsichtlich seiner Leistung und Geometrie
den für die jeweilige Pumpleistung berechneten Abmessungen angepasst werden. Insbesondere darf er aus strömungstechnischen Erwägungen heraus keine Vergrößerung gegenüber der Impella-Einheit darstellen.
Bürstenlose Elektromotoren mit elektronischer Kommutierung und einem Hochleistungsmagneten als Rotor erweisen sich als geeignete Antriebe für diese Art von Blutpumpen. Als vorteilhafte Eigenschaften sind insbesondere
die Betriebssicherheit im überlastbereich und die gute Miniaturisierbarkeit dieser Antriebe zu nennen. Die erforderliche Ansteuerung kann von außerhalb des Körpers erfolgen.
Die Kühlung des extrem belasteten Elektromotors erfolgt
durch das vorbeiströmende Blut. Ohne diese Blutkühlung
würde der Motor innerhalb von nur wenigen Sekunden thermisch zerstört. Mit Blutkühlung kann der Motor ohne überhitzungsgefahr im Dauerbetrieb über mehrere Tage Blut befördern. Es ist leicht nachvollziehbar, dass neben dem thermischen Verhalten der sicheren Funktion eine große Bedeutung sowohl bei der Entwicklung als auch bei der Produktion
zukommt. Aus diesem Grund erfolgen neben einer besonders gründlichen Endprüfung zahlreiche Zwischenprüfungen
während des Produktionsprozesses mit besonderem Augenmerk auf die bei diesen Motoren äußerst filigrane Wicklung.
Die Elektromotoren der Blutpumpen liefern wahre
Höchstleistungen auf kleinstem Raum. Einerseits reicht die
Förderrate der Impella-Pumpen nahe an die Ruheförderrate
des menschlichen Herzens heran.Andererseits beanspruchen
die künstlichen Pumpsysteme nur einen Bruchteil des Herzvolumens.
Abb. 3: Blutpumpe
Bildquelle: Abiomed
Die Vorstellung von winzigen Robotern, die sich ferngelenkt
oder selbständig durch den Körper bewegen, um diesen zu
erkunden oder medizinische Eingriffe vorzunehmen, ist
schon einige Jahrzehnte alt. Einer Realisierung dieser Phantasien sind die Wissenschaftler durch die Fortschritte bei der
Miniaturisierung von Bauteilen und Systemen bis heute deutlich näher gekommen. Aber ist dieser Ansatz auch zielführend im Sinne einer besseren medizinischen Versorgung? Was
sollen die Mikromaschinen konkret im Köper machen und
was besser nicht? Wie ist ihre einwandfreie Funktion unter
allen Umständen sicherzustellen? Diese Fragen drängen sich
angesichts der oben gezeigten Bilder auf und dürften vor
einem Eingriff bei betroffenen Patienten zu angeregten Diskussionen mit den verantwortlichen Medizinern führen.
Tatsächlich wird es wohl noch lange dauern, bis Patienten der
Einsatz von frei im Körper navigierenden Maschinen zu erläutern ist. Ob es jemals dazu kommt, ist zumindest heute
kaum absehbar. Viel wahrscheinlicher ist es, dass die heute
bereits existierenden Lösungen weiter entwickelt und in ihren
Einsatzmöglichkeiten systematisch ausgebaut werden. Dazu
gehören neben den hier beispielhaft vorgestellten motorisierten Geräten heute bereits zahlreiche implantierbare Sensoren, die z.B. den Zuckergehalt im Blut, das Wachstum von
Tumoren oder den Blutfluss in den Venen rückmelden. Auch
aktive Systeme, wie Herzschrittmacher, Defibrillatoren in der
Brust oder in den Schädelknochen eingelassene Wandler für
die Umsetzung von Luft- in Körperschwingungen für Hörgeschädigte demonstrieren den heutigen Stand der Technik.
Antriebstechnik
Abb. 2: Nanoroboter im Blut. Schon bald Wirklichkeit? Quelle: Forschung & Innovation, Nr. 52, Juni 2007
7 14
3 15
Blutpumpe
Patienten mit einer akuten Herzschwäche wird immer
öfter für einen Zeitraum von 3 bis 10 Tagen über einen Katheter eine Blutpumpe in die rechte Herzklappe eingesetzt.
Diese Blutpumpe wird von außen kontrolliert, über den Katheter mit Energie versorgt und entlastet durch die Pumpleistung das geschwächte Herz, so dass es sich wieder erholen
kann. Die Erholung des Herzens erfolgt tatsächlich oft in vergleichsweise kurzer Zeit, so dass typischerweise nach maximal 10 Tagen eine akute Gefährdung des Patienten überwunden ist. Danach kann die Blutpumpe wieder entfernt
werden und die weitere Behandlung üblicherweise medikamentös erfolgen.
Die Blutpumpe wird bisher in zwei Ausführungen mit unterschiedlicher Pumpleistung und unterschiedlichem Durchmesser gefertigt [1]. Die Blutpumpe mit einer Förderrate von
bis zu 2,5 Litern Blut pro Minute hat einen Außendurchmesser von 4 Millimetern. Die leistungsfähigere Variante mit
einer Förderrate von bis zu 5 Litern Blut pro Minute hat einen
Außendurchmesser von 7 Millimetern. Als zentrale Funktionseinheit für die Blutförderung kommt jeweils eine motorisch angetriebener Impella zum Einsatz. Der Impella arbeitet vergleichbar zu einer Schiffsschraube. Das Besondere
daran ist jedoch die spezifische Geometrie. Die schrauben-
Abb. 4: Wicklung, Permanentmagnet-Rotor, Stator-Blechpaket von links nach rechts
Bildquelle: Faulhaber
Abb. 5: Blutpumpe zur Unterstützung der Herzfunktion
Bildquelle: Abiomed
Ultraschall-Katheter
Eine noch drastischere Miniaturisierung des Elektromotors und die Erweiterung um ein dreistufiges Getriebe war
spezifisch angepassten Getrieben zum Einsatz. Sie sorgen für
eine gleichmäßige 360°-Scan-Bewegung und verschließen bei
Bedarf die Austrittsöffnung für die Röntgenstrahlen. Mit
Wolfram als Material für alle strahlenbelasteten Teile inklusive der Kugellager gelingt es, die Röntgenstrahlung gezielt
abzuschirmen bzw. nur dorthin gelangen zu lassen, wo Messdaten zu erfassen sind. Eine besondere Herausforderung aus
Sicht des Antriebes waren die spezifisch zu entwickelnden Kugellager und die Integration von Motor und Getriebe in den
verfügbaren Bauraum.
Abb. 6: Der Ultraschall-Transducer am vorderen Ende des Katheters wird vom
antreibenden Getriebemotor hin und her bewegt, um einen Bildwinkelbereich von plus/minus 30 ... 45 ° zehn Mal pro Sekunde aufzeichnen zu
können (Bildquelle: Faulhaber)
Abb. 7: Einzelteile des Ultraschall-Herzkatheters: Ultraschall-Transducer (A)
mit Lagerungen (B, C), nicht-fokussierender Linse (D) und Magnet (E),
Motor mit dreistufigem Planetengetriebe (F) und Halterung (G), Thermistor
verschlossenes Rohr mit ca. 3,3 Millimeter Durchmesser im Verglich zu
einem US-Cent mit 19,05 mm Durchmesser (Bildquelle Faulhaber)
Röntgenkapsel
Dass die Einnahme von Pillen überwacht werden kann
und diese darüber hinaus auch noch Messdaten aus dem
Magen-Darm-Trakt liefern, ist mit den heute verfügbaren
Sensoren bereits Realität. Nun ist es sogar möglich, lokal mit
minimaler Strahlenbelastung für den Patienten dreidimensionale Röntgenaufnahmen des Magen-Darm-Traktes aufzuzeichnen. Benötigt werden diese Messdaten zur Früherkennung von Darmkrebs. Vor dem Hintergrund, dass Darmkrebs eine der häufigsten Todesursachen bei Krebserkrankungen ist und bei Früherkennung ausgezeichnete Heilungschancen bestehen, leuchtet der Bedarf an einer effizienten
und preiswerten Methode für Massen-Screenings unmittelbar ein.
Unter dem Begriff »CheckCap« [3] wurde ein Gerät entwickelt, das wie eine Tablette eingenommen werden kann und
dann mit der Nahrung in ca. 48 Stunden ohne separaten
Antrieb auf natürlichem Wege durch den Magen-Darm-Trakt
wandert und wieder ausgeschieden wird. Es sind abgesehen
von einer Einweisung keine medizinischen Vorbereitungen,
wie invasive Verfahren oder eine Sedierung erforderlich.
Der Patient schluckt die ca. 30 Millimeter lange Röntgenkapsel mit einem Durchmesser von 11 Millimetern und setzt
danach seine tägliche Routine fort, während die Kapsel
schmerzlos durch den Köper wandert und Messdaten an eine
mitgeführte Empfänger-Speicher-Einheit sendet. Lediglich
kleine Mengen von Standard-Kontrastmittel sind ergänzend
zu den Mahlzeiten einzunehmen.
Das System umfasst eine schluckbare Kapsel, einen Empfänger, Bildverarbeitungssoftware und eine Datenbank für
den webbasierten Zugriff und Analyse. Um 360° Röntgenbilder in hoher Qualität bei gleichzeitig geringer Strahlenbelastung im Dickdarm aufzeichnen zu können, ist eine geeignete Strahlenquelle in der Röntgenkapsel mitzuführen. Sowohl für den eigentlichen 360°-Scan als auch für die Abschirmung der Röntgenstrahlung außerhalb des Dickdarms
und in den Phasen, wo keine relative Bewegung im Dickdarm
stattfindet, kommen elektromagnetische Mikromotoren mit
Abb. 8: Schluckbare Röntgenkapsel »Check Cap« [3] (Bildquelle: Check-Cap)
Nach Abschluss der noch laufenden medizinischen Erprobung wird erwartet, klinisch signifikante Polypen mit gleicher Genauigkeit erfassen zu können, wie dies mit der heutigen Standard-Koloskopie erfolgt. Wenn keine auffälligen Polypen erkannt werden, ist die Untersuchung abgeschlossen.
Im anderen Fall erfolgt eine vorgeschriebene therapeutische
Darmspiegelung (Koloskopie).
Mechatronik als Schlüssel zur Lösungsfindung
Die drei oben beschriebenen Beispiele bieten einen allgemein verständlichen Einblick aus der Sicht eines Ingenieurs
in motorbetriebene Geräte für den medizinischen Einsatz im
menschlichen Körper. Für die Lösung der geschilderten Aufgabenstellungen mussten an mehreren Stellen neue Wege be-
Antriebstechnik
für die Entwicklung eines Katheters für Ultraschalluntersuchungen im menschlichen Herz erforderlich [2]. Der Außendurchmesser des Ultraschall-Katheters betrug nur 3,3 Millimeter. Lange Zeit war nicht klar, ob es gelingen würde, einen
hinreichend kleinen und leistungsfähigen Antrieb zu realisieren. Schließlich war für eine ausreichende Bildqualität bei
der Herzuntersuchung der aktive Ultraschallkopf in einem
Winkelbereich von ±30 − 45 ° zehn Mal pro Sekunde im Katheter hin und her zu bewegen. Es zeigte sich bereits zu einem
frühen Zeitpunkt der Entwicklung, dass mit Hilfe eines Getriebes die extrem hohen Drehzahlen des Mikromotors von
bis zu 100.000 Umdrehungen pro Minute und das geringe
Drehmoment vergleichbar zum Sekundenzeiger einer Quarzarmbanduhr in den geforderten Bereich umzusetzen war. Als
besondere Komplikation waren zahlreiche Mikroleiter für
den elektrischen Betrieb des Ultraschallkopfes bei jeder
Schwingung mitzubewegen ohne diesen zu beschädigen. Außerdem sollten die Bewegungen im Katheter für qualitativ
hochwertige Ultraschallbilder möglichst ruckfrei erfolgen.
Wegen der außerordentlich kleinen Abmessungen ließen
sich im Elektromotor keine Sensoren zur Unterstützung der
Ansteuerung unterbringen. Um die geforderte oszillierende
Bewegung mit definierter Amplitude dennoch darstellen zu
können, musste diese Funktion in die passend entwickelte Ansteuerelektronik ausgelagert werden. Letztlich konnte mit
Hilfe eines bzgl. Schrittfrequenz und Schrittweite spezifisch
optimierten Mikroschrittbetriebes den Spezifikationen entsprochen werden.
Wie bei der Herzpumpe erfolgt die Kühlung des Elektroantriebs während der Untersuchung im menschlichen
Herz über vorbeiströmendes Blut. Es leuchtet unmittelbar
ein, dass dabei das Blut auch punktuell nicht überhitzt werden darf und der Antrieb trotz seiner extremen Leistungsdichte möglichst energieeffizient arbeiten muss. Relativiert
werden diese thermischen Betrachtungen und die mit zunehmender Miniaturisierung bei elektromechanischen Antrieben zumeist überproportional steigenden Verluste durch
die absolut gesehen geringe Leistungsaufnahme im Bereich
von Milliwatt. Der vorgestellte Ultraschall-Katheter befindet sich aktuell in der medizinischen Erprobung.
(H), Befüll- (I) und Ventilationsrohr (J), Befüllnadel (K), vorderseitig
Abb. 9: Röntgenkapsel »Check Cap« [3] wandert mit der Nahrung durch den
Körper und sendet 3D-Röntgenaufnahmen vom Dickdarm an eine
7 16
Empfangs-Speicher-Einheit für die spätere Auswertung am Rechner
3 17
(Bildquelle: Check-Cap)
schritten werden. Neben der Produkt- und Produktionsentwicklung waren im Vorfeld umfangreiche Forschungsaufgaben zu bearbeiten. Beispielhaft seien hier die Wälzlager aus
Wolfram und die selbsttragenden Wicklungen mit kleinsten
Drahtquerschnitten von 40 Mikrometer, also dünner als ein
Menschenhaar, angeführt.
Bei der Lösung antriebstechnischer Aufgabenstellungen
ist das Arbeiten in interdisziplinär zusammengesetzten Arbeitsgruppen die Regel. Für diese Interdisziplinarität steht bei
den Ingenieurwissenschaften in besonderer Weise die Mechatronik, zu der an der UdS das Fachgebiet Antriebstechnik gehört. Ursprünglich stand bei der Realisierung von Maschinen und Geräten die Mechanik im Mittelpunkt. Mit dem
Aufkommen elektronischer Bauelemente entstanden zunehmend Lösungen, in denen Teilaufgaben elektromechanisch
oder bereits rein elektronisch realisiert werden konnten. In
dem Maße, wie elektronische Schaltkreise komplexer und
leistungsfähiger wurden, nahm die Bedeutung von Software
und damit die der Informationstechnik zu.
Heute werden Aufgabenstellungen mit Auftraggebern im
Wesentlichen auf funktionaler Ebene beschrieben. Die Art
der Realisierung, ob mechanisch, elektronisch oder software-basiert, ist dem gegenüber nachgeordnet. Eine funktionsbasierte Herangehensweise stellt jedoch heute regelmäßig die Software in den Mittelpunkt und nutzt Hardware in
Form von Sensoren und Aktoren nur soweit und in der Qualität, wie sie von der Software nicht substituiert bzw. preisgünstiger realisiert werden kann. Dies gilt auch für die Antriebstechnik mit ihren unverkennbaren Wurzeln in der
Elektromechanik. Tatsächlich kann heute lediglich über Anpassungen in der Ansteuersoftware bei einem sonst unveränderten Elektromotor ein ganz unterschiedliches Verhalten
erzielt werden. In der Antriebstechnik hat dies einen Vorgang des Umdenkens ausgelöst, der noch in vollem Gange ist
und noch viele Innovationen hervorbringen wird.
Forschung und Lehre am Lehrstuhl für Antriebstechnik
Die drei vorgestellten Lösungen für die Medizintechnik
sind Beispiele aus den unter Mitwirkung des Autors durchgeführten Arbeiten. Es wurden zahleiche weitere Aufgabenstellungen auch aus den Bereichen Mess-, Kommunikationsund Raumfahrttechnik bearbeitet [5,6].
Der Schwerpunkt der Forschung am LAT liegt auf den
elektromagnetischen Klein- und Mikroantrieben im Leistungsbereich zwischen 0,1 und einigen hundert Watt [4]. Eingesetzt werden diese im Bereich der allgemeinen Gerätetechnik, der Automatisierungs- und Robotertechnik, der
Medizintechnik sowie der Automobil- und Raumfahrttechnik. Im Fokus steht dabei das mechatronische Antriebssystem, bestehend aus dem elektromagnetischen Energiewandler mit Sensoren z.B. zur Rotorlageerfassung, mechanischen Gliedern wie z.B. Getrieben und einer integrierten
elektronischen Ansteuerung. Bei der systematischen Suche
nach weiterführenden Lösungswegen werden angrenzende
Themenfelder wie unkonventionelle Aktoren, Tribologie,
Mess- und Regelungstechnik sowie die Berücksichtigung von
Material- und Fertigungsaspekten in unsere Forschung einbezogen.
Auf dieser Basis arbeiten wir an der Verbesserung bestehender und der Erforschung neuer Antriebskonzepte und
-systeme mit dem Ziel einer in punkto Leistung und Funktionalität optimierten Integrationsdichte und Effizienz.
Literatur
1
Abiomet: http://www.abiomed.com
2
Faulhaber: http://faulhaber-group.de
3
Check-Cap: http://check-cap.com
4
http://www.lat.uni-saarland.de
5
Nienhaus, M.: »Miniaturisierte Servoantriebe mit kapazitivem Encoder«.
Innovative Klein- und Mikroantriebstechnik, Würzburg, Germany, September 2010
6
K
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Von der Gesetzesnovellierung zur Erfolgsgeschichte – Die PatentVerwertungsAgentur
der saarländischen Hochschulen/PVA
Nienhaus, M., Kleen, S.: »Small Synchronous Motor for Driving an Optical
Despeckling Unit«, Actuator 2012, Bremen, Germany, Juni 2012
Im Jahr 2001 wurde die Universität des Saarlandes
Wissens- und Technologietransfer GmbH (WuT GmbH) gegründet, um den wirtschaftlichen Teil der Aktivitäten der
Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer (KWT)
zu übernehmen. Die WuT GmbH ist ein hundertprozentiges
Tochterunternehmen der Universität des Saarlandes.
Neben den Geschäftsbereichen Existenzgründung sowie
Messen und Kongresse kam 2002 die PatentVerwertungsAgentur der saarländischen Hochschulen (PVA) als neuer
Bereich dazu.
Am 7. Februar 2002 trat die Novellierung des § 42 ArbNErfG mit Gesetz vom 18.1.2002 (BGBl i vom 24.1.02, 414)
in Kraft. Hierdurch wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen des Erfindungs- und Patentwesens im Hochschulbereich grundlegend umgestaltet. Für Erfindungen an Hochschulen gilt seither, dass jede Erfindung, die ein Hochschulbeschäftigter in dienstlicher Eigenschaft gemacht hat,
dem Dienstherrn vom Erfinder zu melden ist.
Zuvor hatten Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter die Mö glichkeit, ihre Erfindungen eigenstä ndig zu patentieren und zu vermarkten (sogenanntes »Hochschullehrerprivileg«), was aber nur von wenigen genutzt wurde. Seit
2002 kö nnen die deutschen Hochschulen ä hnlich wie Industrieunternehmen die Erfindungen ihrer Mitarbeiter in Anspruch nehmen, patentieren und vermarkten. Den Erfindern
stehen im Falle der Inanspruchnahme 30 % der Bruttoeinnahmen als Erfindervergü tung zu. Um möglichst viele innovative Ideen aus der Wissenschaft in neue Produkte und
Dienstleistungen zu überführen und so das Wirtschaftswachstum in Deutschland voranzutreiben, wurden in allen
Bundeslä ndern Patentverwertungsagenturen gegrü ndet mit
der Aufgabe, sowohl das Erfindungsmanagement als auch die
Vermarktung der Patente professionell abzuwickeln.
Abb. 10: Mikro- und Kleinantriebe für den Einsatz im Bereich der allgemeinen
Gerätetechnik, der Automatisierungs- und Robotertechnik,
der Medizintechnik sowie der Automobil- und Raumfahrttechnik
In der Lehre steht die Vermittlung eines aktuellen und gut
strukturierten Grundwissens in der vielseitigen und hoch entwickelten elektrischen Antriebstechnik im Vordergrund.
Immer leistungsfähigere Werkzeuge und Methoden treiben
hier die Entwicklungen voran. Quelle wichtiger Impulse sind
Abb. 11: Lithographisch hergestellte Mikrospulen vor einer Pinzette für den Einsatz
in miniaturisierten Elektromotoren
seit vielen Jahren die großen Fortschritte in der Leistungselektronik, Mikroprozessortechnik und Kommunikationstechnik. Das stärker werdende Streben nach höherer Effizienz im Zuge eines bewussteren Umgangs mit unserer
Umwelt ist darüber hinaus Triebfeder für immer neue Anstrengungen zur Erforschung und Entwicklung verbesserter
Antriebssysteme.
Antriebstechnik /Kurznachrichten
N
Prof. Dr.-Ing. Matthias
ienhaus
ist seit September 2010 Inhaber des Lehrstuhls für Antriebstechnik in der Fachrichtung Mechatronik an der Universität des Saarlandes. Dabei handelt es sich um eine
Stiftungsprofessur, finanziert vom Stifterverband für die
Deutsche Wissenschaft aus Mitteln der Claussen-Simon-Stiftung, zusätzlich unterstützt durch die Stiftung ME Saar.
Professor Nienhaus studierte Feinwerktechnik an der FH
Furtwangen, Elektrotechnik an der Universität ErlangenNürnberg und promovierte in Kaiserslautern in der Mikrosystem- und Montagetechnik.
Sein beruflicher Weg führte ihn zunächst über eine Uhrmacherlehre zur Marine als Fernmeldegerätemechaniker.
Seine erste Anstellung als Entwicklungsingenieur trat er bei
Bosch in Heidelberg im Bereich Raumfahrtgeräte an. Zwei
Jahre später nahm er das Universitätsstudium auf, gefolgt
von einer Anstellung bei Siemens in der Röntgenfertigung in
Erlangen. Daran schloss sich eine fast sechsjährige Zeit am
Institut für Mikrotechnik Mainz an, in die sowohl die Promotion als auch die als Leiter der Gruppe »Elektromechnische Systeme« und die als Leiter der Abteilung »Feinwerktechnik« fiel. Ende 2000 war er Mitbegründer der mymotors
& actuators GmbH, deren Geschäftsziel die Entwicklung,
Produktion und der Verkauf von Klein- und Mikroantrieben
war. Er leitete diese Firma mit 15 Mitarbeitern durchgängig
als Geschäftsführer bis 2009. Danach wechselte er bis zu seiner Rufannahme zu Faulhaber nach Schönaich als Bereichsleiter Mikrosysteme und verantwortete dort die Entwicklung
und Produktion von Mikro- und Kleinantrieben an den
Standorten Schönaich bei Stuttgart und Albertirsa in Ungarn.
urznachrichten aus der Forschung
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Abb.: Seit 2002 bringt die PVA Innovationen im Saarland zum Laufen
Die PVA (www.kwt-uni-saarland.de) ist eine der kleinsten
deutschen Agenturen und die einzige Institution im Saarland,
die aktive Patentvermarktung betreibt. Sie wurde 2002 eingerichtet und aufgebaut und betreut derzeit knapp 2.000 patentrelevante Wissenschaftler im Saarland. Zu Beginn betreute die PVA nur die Hochschule fü r Technik und Wirtschaft
des Saarlandes und die Universitä t des Saarlandes. Seit 2010
sind auch das Zentrum fü r Mechatronik und Automatisie-
rungstechnik (ZeMA GmbH) und das pharmazeutische Forschungsinstitut PharmBioTec GmbH Teil des saarlä ndischen
Patentverbundes. Die PVA betreut exklusiv alle an diesen
Einrichtungen entstehenden Erfindungen und Patente.
Nachdem die PVA bereits in den ersten Fö rderperioden
hervorragend im Ranking des Projektträ gers Jü lich abschloss
und regelmä ßig zu den besten deutschen PatentVerwertungsAgenturen zä hlte, belegt der saarlä ndische Patentverbund im Ranking fü r die Fö rderperiode 2008 bis 2010 Platz
1 bei der Hö he der Verwertungseinnahmen pro Wissenschaftler und jeweils mindestens Platz 3 bei der Anzahl der
gemeldeten Erfindungen pro Wissenschaftler. Auch in der
CHE-Untersuchung vom August 2012 (http://www.che-ranking.de/downloads/CHE_AP158_Erfindungsmeldungen_2012.pdf) liegt die Universität des Saarlandes bei den gemeldeten Erfindungen in den Fächern Chemie, Biologie,
Pharmazie und Elektrotechnik in der Spitzengruppe der
deutschen Hochschulen. Dies zeigt einmal mehr, dass die
saarländischen Forscher ausgesprochen erfindungsreich sind.
Finanzierung
Der Patentverbund der saarlä ndischen Hochschulen finanziert sich aus Mitteln des Bundes, des Saarlandes sowie
aus Eigenbeiträ gen der WuT GmbH, der Universitä t des
Saarlandes und der anderen Partner. Die Bundesfö rderung
betrug zu Beginn 100% und wurde dann schrittweise auf jetzt
40% reduziert.
Aus den Gesamtmitteln wird ein Dienstleistungsauftrag
an die PVA zur exklusiven Be- und Verwertung aller bei den
Partnern entstehenden Erfindungen vergeben.
Außerdem werden hieraus die Kosten der Patentanmeldung, -aufrechterhaltung und -durchsetzung getragen, so dass
den Erfindern keine Kosten entstehen.
Aus den Erlö sen erhalten die Erfinder 30 %, ohne dass
dabei Kosten in Abzug gebracht werden.
Struktur und Arbeit der PVA
Fü r die Betreuung der Erfinder und die Vermarktungsaktivitä ten sind unter Leitung von Dipl.-Kfm. Axel Koch insgesamt drei Mitarbeiter zustä ndig. Inhaltlich ist die Arbeit in
die Themenbereiche Informatik, Life Science sowie Ingenieurwissenschaften/ Werkstoffwissenschaften/Sonstiges aufgeteilt. Jeder Mitarbeiter ist in seinem Bereich sowohl fü r die
Bewertung als auch fü r die Vermarktung der dort entstehenden Erfindungen zustä ndig. Außerdem betreut er wä hrend
des Anmelde- und Erteilungsprozesses die Zusammenarbeit
mit den Patentanwä lten.
In der Bewertungsphase, die maximal vier Monate dauern kann, in der Regel aber deutlich kü rzer ist, nimmt die PVA
anhand einer Patentrecherche eine Einschä tzung der Erfindung im Hinblick auf die Patentfä higkeit und den mö glichen
Schutzumfang vor. Gleichzeitig werden die Vermarktungschancen der Erfindung evaluiert. Auf Basis der Bewertungsergebnisse erstellt die PVA nach Rü cksprache mit den
Erfindern ein Gutachten fü r die Hochschul- bzw. Instituts-
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urznachrichten aus der Forschung
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urznachrichten aus der Forschung
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leitung, auf dessen Basis diese ü ber die Inanspruchnahme
oder Freigabe der Erfindung entscheidet.
Nach erfolgter Inanspruchnahme wird ein Patentanwalt
mit der Ausarbeitung einer Patentanmeldung beauftragt. Die
PVA koordiniert den weiteren Patenterteilungsprozess und
entwirft eine passende Patentstrategie. Unmittelbar nach erfolgter Patentanmeldung beginnt die Verwertung. Dabei wird
nicht nur auf die bestehenden Kontakte der Erfinder zurückgegriffen, aber auch potenzielle neue Partner werden recherchiert und kontaktiert. Die PVA begleitet den gesamten
Verwertungsprozess und fü hrt die Verhandlungen bis zur Abschlussreife. Der Abschluss des Vertrages obliegt dann der
Hochschule beziehungsweise dem Institut und dem Lizenznehmer.
Sobald ein Verwertungsvertrag unterschrieben ist, ü bernimmt die PVA dessen U
̈ berwachung. Sie vereinnahmt im
Inkassoauftrag die Lizenzgebü hren und bereitet die Abrechnung der Erfindervergü tung vor. Ergä nzt werden die Dienstleistungen der PVA durch Seminare, Fachvorträ ge und andere Sensibilisierungsmaßnahmen, die den Wissenschaftlern
kostenlos angeboten werden. Auch unterstützt sie die Hochschulen beim Aushandeln der Klauseln bzgl. des Umgangs mit
geistigem Eigentum in Kooperationsverträ gen mit der Industrie (Vgl. hierzu auch den Beitrag Busch_Heinrich S. 4– 6 ff.).
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•
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Die PVA der saarlä ndischen Hochschulen ist eine
kleine PVA. Sie arbeitet daher in der Verwertung sehr
eng im Netzwerk mit anderen kleinen PVAs und Technologietransfer-Organisationen wie der ZPT und der IHK
zusammen, um einen optimalen Zugang zu potenziellen
Lizenzinteressenten zu erhalten.
Die PVA berä t die Hochschul- und Institutsleitungen bereits vor der Entstehung von Erfindungen intensiv beim
Abschluss von Kooperationsverträ gen mit der Industrie
und ü bernimmt Teile der Verhandlungen, um mö glichst
vorteilhafte Regelungen fü r die in den Kooperationen
entstehenden Erfindungen auszuhandeln.
Die PVA arbeitet sehr eng mit den Hochschul- und
Institutsleitungen der betreuten Einrichtungen sowie den
jeweiligen Rechts- und Haushaltsabteilungen zusammen
und wird daher als interne Einrichtung wahrgenommen
und nicht wie viele große PVAs als externe Einrichtung.
Entwicklung neuer Speicherform für Windund Solarenergie
Patentverwertung als zentraler Wertschöpfungsfaktor
Die erfolgreiche Vermarktung der an den saarländischen
Hochschulen und Forschungseinrichtungen entstandenen
Patente trägt zur Wertschöpfung im Saarland bei. So wurden
kürzlich in einem Kooperationsprojekt von dem Biotechnologen Professor Rolf Müller und der Ursapharm GmbH
patentfähige innovative Ideen entwickelt, die beispielhaft
zeigen, wie das Knowhow der saarländischen Hochschulen
dazu beitragen kann, Arbeitsplätze in der Region zu sichern
und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu stärken.
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Kurznachrichten
Erfolgsfaktoren
Als Basis fü r die erfolgreiche Arbeit der PVA der letzten
zehn Jahre haben sich die folgenden Faktoren herausgestellt:
• Die PVA-Mitarbeiter kennen alle Haupterfinder persö nlich und der komplette Prozess der Erfindungsbewertung, Patentanmeldung und Patentvermarktung findet in
enger Zusammenarbeit und im kontinuierlichen Austausch mit den Erfindern statt. Aus diesem Grund wurde
im vergangenen Jahr auch ein eigenes PVA-Bü ro auf dem
Campus in Homburg erö ffnet.
• Die Verwertung findet aktiv statt. Nach der Recherche der
potenziellen Lizenznehmer findet eine persö nliche Kontaktierung statt. Das dabei entstehende Vertrauensverhä ltnis ist
eine wichtige Grundlage fü r den Vermartungserfolg.
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Die Reaktorkatastrophe von Fukushima brachte in
Deutschland eine Wende in der Energiepolitik mit sich:
Statt auf Atomstrom setzt die Bundesregierung nun auf die
erneuerbaren Energien. Wenn 2022 das letzte Atomkraftwerk vom Netz geht, soll der Strom zu einem großen Teil
aus Wind- und Sonnenenergie stammen. Doch bis dahin ist
es noch ein langer Weg. So fehlen etwa neue Überlandleitungen, die eine bundesweite Stromversorgung garantieren. Zudem müssen Speicherformen entwickelt werden,
die die erzeugte Energie fast ohne Verluste zwischenspeichern können. An neuen effizienteren Speichermöglichkeiten arbeiten derzeit Forscher um Professor Rolf Hempelmann von der Universität des Saarlandes: Sie wollen im
Rahmen eines deutschlandweiten Forschungsverbunds
wiederaufladbare Zink-Luft-Batterien entwickeln, die die
Energie ohne große Verlust speichern und wieder abgeben
können. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert das
Projekt mit rund 450.000 Euro für drei Jahre.
Im Laufe eines Tages schwankt der Strombedarf bei uns
stark: Morgens, wenn zum Beispiel Toaster, Kaffee- und Spülmaschine in Betrieb sind, oder abends, wenn in ganz Deutschland die Lichter in Wohnzimmer und Küche brennen und
Fernseher oder Computer laufen, muss für die privaten Haushalte genug Strom zur Verfügung stehen. Anders sieht es
nachts aus, wenn wir schlafen und unser Stromverbrauch zurückgeht. Auch die Stromerzeugung durch Wind- und Sonnenenergie unterliegt witterungsbedingt Schwankungen. So
erzeugen Sonnenkollektoren beispielsweise bei schlechtem
Wetter und Windräder bei Windstille keine Energie. »Um
künftig Schwankungen bei der Stromversorgung auszugleichen, brauchen wir effiziente Speicherformen, die die erzeugte Energie zwischenspeichern und bei Bedarf wieder abgeben können«, erklärt Rolf Hempelmann, Professor für
Physikalische Chemie an der Universität des Saarlandes.
Pumpspeicherkraftwerke, wie sie etwa in Norwegen oder
der Schweiz vorkommen und die die Energie durch das Hochpumpen von Wasser speichern, sind etwa für Deutschland
keine flächendeckende Lösung. Andere Speicherformen wie
etwa Druckluftspeicher sind mit relativ hohen Kosten verbunden oder besitzen eine geringe Energieeffizienz. Eine Alternative könnten stationäre wiederaufladbare Batterien darstellen, an denen Professor Hempelmann derzeit forscht.
Diese Batterien funktionieren im Prinzip wie Brennstoffzellen, die chemische Energie in elektrischen Strom umwandeln,
nur dass hier das Wasserstoff-Gas durch einen flüssigen Energieträger ersetzt wird – in diesem Fall durch einen sogenannten Zink/Zinkoxid-Schlicker. Wird künftig mehr Strom
produziert als gebraucht, kann der Rest auf diese Weise in
Form von chemischer Energie zwischengespeichert werden.
Steigt der Strombedarf wieder an, kann die gespeicherte chemische Energie wieder in Strom umgewandelt und ins Netz
eingespeist werden. Dieses Entladen einer Zink-Luft-Batte-
rie ist unproblematisch und wird zum Beispiel auch schon in
den Knopfbatterien von Hörgeräten genutzt. Dagegen ist das
Wiederaufladen einer Zink-Luft-Batterie eine technisch-wissenschaftliche Herausforderung, an der die Saarbrücker Forscher arbeiten.
Abb.: An der Entwicklung einer neuen Speicherform für Wind- und Solarenergie
wird derzeit an der Universität des Saarlandes gearbeitet
(Bild: view7/photocase.com)
»Der Energieeffizienzgrad der wiederaufladbaren Zink-LuftBatterien ist deutlich höher als bei gewöhnlichen Batterien«,
erklärt Hempelmann, der bereits seit Jahren an Brennstoffzellen forscht. Darüber hinaus bietet Zink eine Reihe weiterer Vorteile: Der Rohstoff steht in ausreichender Menge zur
Verfügung, er ist günstig, nicht toxisch und umweltverträglich.
Ziel der Wissenschaftler ist es, mit den Batterien ein stationäres Speichersystem zu bauen, das beispielsweise der Industrie zu Verfügung gestellt werden kann.
Das Projekt, das vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird, ist eine Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft, an der neben der Saar-Uni die Technische Universität
Clausthal, die Universität Duisburg-Essen, die Hochschule
Niederrhein, das Zentrum für Brennstoffzellen und die Unternehmen Grillo Werke, Bayer sowie ThyssenKrupp beteiligt sind. Insgesamt werden über 2,4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, 450.000 Euro davon gehen ins Saarland.
Pressemitteilung der Universität des Saarlandes
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urznachrichten aus der Forschung
Gelgerüst des Lungenschleims hindert Nanopartikel am Durchkommen
Wissenschaftler der Universität des Saarlandes und
des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI)
haben die physikalischen Eigenschaften des Lungenschleims enträtselt: Sie fanden heraus, dass im Lungenschleim ein steifes Gelgerüst große, mit Flüssigkeit gefüllte Poren voneinander trennt und die Bewegung von
Nanopartikeln über Porengrenzen hinweg verhindert. Die
Ergebnisse vertiefen das Verständnis von Erkrankungen
der Atmungsorgane, insbesondere von Infektionen, und
unterstützen die Entwicklung neuer Medikamente zur Inhalation. Ihre Forschungsergebnisse veröffentlichten die
Wissenschaftler jetzt in der renommierten Fachzeitschrift
Proceedings of the National Academy of Science (PNAS).
Schleim, auch »Mucus« genannt, überzieht die innere
Oberfläche unserer Atemwege. Das zähfließende Gel befeuchtet die Lunge und verhindert, dass Viren oder kleine Partikel wie Dieselruß ungehindert eindringen. Ungeklärt war
bisher, wie weit sich solche Nanopartikel durch den Schleim
der Lunge bewegen können. Wissenschaftliche Ergebnisse
hierzu widersprachen sich. So konnte bisher nicht erklärt werden, warum bei der Entwicklung von Medikamenten, die inhaliert werden sollen,Wirkstoff-Nanoteilchen bisweilen nicht
am anvisierten Wirkort in den Lungenzellen ankamen, sondern schlicht im Schleim stecken blieben.
Dies haben Pharmazeuten und Physiker jetzt in einer
unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG) finanzierten Studie herausgefunden. An der Studie
beteiligten sich Wissenschaftler des Helmholtz-Instituts für
Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), einer Außen-
Abb.: Gelgerüst des Lungenschleims - Lung mucus. Foto: Kirch et al.
stelle des HZI, sowie Forscher der Saar-Uni, der Université
Paris-Diderot und von Fresenius Medical Care Deutschland.
»Der Mucus der Lunge ist ein besonderes Gel. Er ist völlig
anders gebaut als andere Gele«, erläutert Claus-Michael
Lehr, Professor für Biopharmazie und Pharmazeutische Technologie der Saar-Uni und Leiter der Abteilung »WirkstoffTransport« am HIPS.
»Normale« Gele besitzen eine Mikrostruktur, die einem filigranen Spinnennetz aus dünnen, feinsten Fäden gleicht, die
kleine Poren umschließen. Beim Blick durchs Mikroskop
wirkt der Lungenschleim dagegen wie ein Schwamm: Steife,
dicke Gelstäbe trennen große, mit Flüssigkeit gefüllte Poren.
»Diese Gerüstproteine werden Mucine genannt«, erklärt
Professor Lehr. Die Forscher haben jetzt bewiesen, dass Nanopartikel an diesen Strukturen wie an den Gitterstäben eines
Käfigs hängen bleiben. Dass in vielen Untersuchungen die
Nanopartikel im Schleim als sehr beweglich erschienen, erklärt sich daraus, dass bei diesen Forschungen im Nanometerbereich gearbeitet wurde: Die Partikel bewegen sich innerhalb einer Pore völlig ungehindert; erst wenn sie die
einzelnen Poren zu überwinden versuchen, werden sie an den
»Stäben« ausgebremst.
»Unsere Ergebnisse helfen uns zu verstehen, wie Infektionskrankheiten der Atemwege entstehen und wie diese besser bekämpft werden können. Sie sind insbesondere eine
wichtige Grundlage für die Entwicklung inhalativer Medikamente«, erklärt Professor Lehr. Hierbei muss nach den
neuen Erkenntnissen berücksichtigt werden, wie die Wirkstoffe das Gelgerüst des Schleims überwinden können. Dafür
kommen so genannte mucolytische Verfahren in Betracht, bei
denen die Stäbe quasi durchschmolzen werden: Diese lösen
sich vor dem Nanopartikel auf, lassen ihn passieren, und
schmelzen hinter ihm wieder zusammen.
Die Experimentalphysiker der Saar-Uni um Professor
Christian Wagner untermauerten die Annahme unter anderem mit der Optischen Pinzette. Sie erlaubt es, kleinste Teilchen mit gebündelten Laserstrahlen wie mit einer Pinzette
anzufassen und zu bewegen. »über die Laserstrahlen der Optischen Pinzette können wir die Kraft messen, die erforderlich ist, um das Teilchen im Gel zu bewegen. Das ermöglicht
uns, Rückschlüsse über das Medium zu ziehen, durch das die
Kugel bewegt wird«, erklärt Professor Wagner. »Wir konnten
die Kugel mit gleichbleibender Kraft durch die flüssige Phase
im Inneren der Pore ziehen – genauso wie in einem normalen Gel. Wenn aber die Kugel gegen die Porenwand, also auf
die Gelstäbe des Schleims stieß, konnte der Laserstrahl sie
nicht weiter bewegen«, erläutert Wagner.
Auch Versuche mit dem Rasterkraftmikroskop und weitere Experimente untermauern die These: So durchdrangen
Eisen-Nanopartikel unter dem Einfluss eines magnetischen
Kraftfeldes das »normale« Vergleichsgel ohne Schwierigkeiten, den Lungenschleim aber nicht. Strukturanalysen des
Schleims wurden mit Hilfe der so genannten Kryo-Elektronenmikroskopie von Wissenschaftlern der Fresenius Medical Care Deutschland durchgeführt.
Die Erkenntnisse über die spezielle Struktur des Lungenschleims werden – so erwarten die Forscher – die Entwicklung der nächsten Generation von Medikamenten gegen
Erkrankungen der Atemwege beeinflussen.
Gemeinsame Pressemitteilung der Universität des Saarlandes und des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung
Kurznachrichten
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Entschärft im Geschmack.
Stark in der Wirkung.
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