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Probleme der italienischen Etymologie - uk

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Probleme der italienischen Etymologie - uk
Probleme der italienischen
Etymologie
1
2. SITZUNG AM 19.04.2010
Themenübersicht
2
 WISSENSCHAFTSGESCHICHTE
 19.04.10 Die vorwissenschaftliche Etymologie
(Antike bis 18. Jahrhundert)
 26.04.10 Die Etablierung der Etymologie als
wissenschaftliche Disziplin im 19.
Jahrhundert
 03.05.10 Die italienische Etymologie des 20.
Jahrhunderts
 10.05.10 Die italienische Etymologie des 20. und 21.
Jahrhunderts
 17.05.10 Etymologische Großprojekte – Max Pfisters Lessico
etimologico italiano
Themenübersicht
3
 FALLSTUDIEN
 31.05.10

07.06.10

14.06.10

21.06.10
Die Entstehung lexikalischer Einheiten: die
Wortbildung und semantische
Begriffsschöpfung
Die Entstehung lexikalischer Einheiten: die
Entlehnung
Vorrömischer Substrateinfluss im
Italienischen sowie in den italienischen
Dialekten
Das Problem der Dubletten: lateinischer
Erb- und Lehnwortschatz
Themenübersicht
4
 FALLSTUDIEN
 28.06.10

05.07.10
Germanischer Superstrateinfluss im
Italienischen
Der Einfluss von Kulturadstraten im
Italienischen
 LEISTUNGSKONTROLLE (je nach Studiengang)
 12.07.10
Allgemeine Wiederholung
 19.07.10
Abschlussklausur
Einige Begriffe und Zeichen
5
 < hat sich entwickelt aus
 > hat sich entwickelt zu
 Etymon = das Ursprungswort, z.B. lat. FLUMEN (> it.
fiume)
 Volksetymologie, z.B. dt. Platzangst (= psych.
Agoraphobie) bei dichtem Gedränge im Fahrstuhl etc.,
Friedhof (wo die Toten ihren Frieden finden) etc.
Die Etymologie und ihre
historische Entwicklung
6
DER ETYMOLOGIE -BEGRIFF
IN DER ANTIKE
7
 Bereits im griechischen Altertum gab es
Herklit
philosophische Strömungen, die der
„Richtigkeit“ der „Namen“ nachgingen,
allerdings wurde für diese Tätigkeit in der
Regel nicht der Begriff „Etymologie“
verwendet.
 So fragte sich bereits Heraklit von
Ephesos (um 500 v. Chr.), inwiefern der
Name eines Dinges die Wahrheit einer
Sache widerspiegelt.
 Also, inwiefern der Name tatsächlich dem
durch ihn bezeichneten Gegenstand
entspricht.
8
 Platon beschäftigte sich in seinem Dialog
Platon, Kratylos
Kratylos eingehend mit der Richtigkeit
der Namen.
 In diesem Dialog lässt Platon einen
Vertreter der mystisch-religiösen These,
laut derer alle Wörter ihre Bedeutung von
Natur aus haben und keiner Definition
bedürfen, antreten gegen einen Vertreter
der eher modernen, im Kratylos erstmals
bezeugten Gegenthese, laut derer der
Zusammenhang von Wörtern und ihrer
Bedeutung auf der willkürlichen
Festlegung durch den Menschen beruht.
Die Etymologie und ihre
historische Entwicklung
9
DER ETYMOLOGIE -BEGRIFF
IM MIT TELALTER
10
 Caput XXIX.

Isidor von Sevilla
De etymologiarum
libri XX
DE ETYMOLOGIA.
 Etymologia est origo vocabulorum,
cum vis verbi vel nominis per
interpretationem colligitur. […]
 Sunt autem etymologiae nominum
aut ex causa datae, ut «reges» a
[regendo et] recte agendo, aut ex
origine, ut «homo,» quia sit ex humo,
aut ex contrariis ut a lavando
«lutum,» dum lutum non sit
mundum, et «lucus,» quia umbra
opacus parum luceat. […]
11
 Caput XXIX.

Isidor von Sevilla
De etymologiarum
libri XX
DE ETYMOLOGIA.
 Quaedam etiam facta sunt ex
nominum derivatione, ut a prudentia
«prudens»; quaedam etiam ex
vocibus, ut a garrulitate «garrulus»;
[…]
12
 Etymologicum Genuinum (Byzanz, 9.
Jh.) =
 Etymologicum Magnum (Byzanz, ca.
1050) = Ἐτυμολογικὸν Μέγα
Etymologie und Wortgeschichte:
Wissenschaftsgeschichte
(14. bis 18. Jahrhundert)
13
Sprachhistorisches Denken im ausgehenden
Mittelalter
 Dante Alighieri (1265-1327)
 De vulgari eloquentia
 Latein ist unveränderlich
 Alle Volkssprachen verändern sich in
Zeit und Raum
 Hebräisch ist die Ursprache aller
Menschen
 Turmbau zu Babel
 Entstehung verschiedener
Sprachfamilien mit zunehmender
Diversifizierung
 (…)
14
15
 Totum vero quod in Europa restat ab
Dante, De vulgari
eloquentia
Die Entstehung der
romanischen
Sprachen
Sie gehen auf einen
gemeinsamen
Ursprung zurück
(der von Dante
allerdings nicht mit
der lat. Sprache
identifiziert wird),
da sie für die
Begriffe ähnliche
Wörter haben
istis, tertium tenuit ydioma, licet
nunc tripharium videatur; nam alii
oc, alii oïl , alii sì affirmando
locuntur; ut puta Yspani, Franci et
Latini. Signum autem quod ab uno
eodemque ydiomate istarum trium
gentium progrediantur vulgaria, in
promptu est, quia multa per eadem
vocabula nominare videntur, ut
Deum, celum, amorem, mare,
terram, est, vivit, moritur, amat, alia
fere omnia.
16
 Das Ganze aber, was in Europa von diesen
Dante, De vulgari
eloquentia
Dt. Übers.
Über die
Volkssprache, K. L.
Kannegießer, Leipzig
1845
an übrig bleibt, nahm eine dritte Mundart
ein, wenn sie gleich nicht dreifach
scheint. Denn Einige sprechen bejahend
Oc , Andere Oil , Andere Si , nämlich die
Spanier, Franzosen und Lateiner. Ein
Zeichen aber, daß von einer und
derselben Mundart dieser drei Völker
Sprachen abstammen, ist bereit, weil sie
Vieles mit denselben Ausdrücken
benennen, zum Beispiel Deum, Caelum,
Amorem, Mare, Terram, und Vivit,
Moritur, Amat, fast alles Andere.
17
 Accipiunt etenim prefati cives ab
Dante, De vulgari
eloquentia
Besonderheiten der
Aussprache werden
auf die Langobarden
zurückgeführt
In moderner
Terminologie würde
man von
Substrateinflüssen
sprechen
Ymolensibus lenitatem atque
mollitudinem, a Ferrariensibus vero
et Mutinensibus aliqualem
garrulitatem, que proprie
Lombardorum est …
18
 Es nehmen auch die obgenannten Bürger
Dante, De vulgari
eloquentia
Dt. Übers.
Über die
Volkssprache, K. L.
Kannegießer, Leipzig
1845
von den Imolesen Lindigkeit und
Weichheit an, von den Ferraresen aber
und Modenesen ein gewisse
Geschwätzigkeit, welche den Lombarden
eigenthümlich ist. Diese glauben wir sei
aus der Vermischung mit den
longobardischen Fremdlingen den
Landbewohnern zurückgeblieben…
19
 Die Frage nach der Herkunft des
Italienischen
Flavio Biondo
 Das
Bewusstsein, dass die
Germaneneinfälle im spätantiken
Italien bei der Herausbildung der
italienischen Sprache bzw. der
italienischen Dialekte eine
entscheidende Rolle gespielt haben
könnten, ist zuerst von Flavio Biondo
zu einer Sprachursprungstheorie
entwickelt worden.
20
 Die Frage nach der Herkunft des
Flavio Biondo
Italienischen
 Flavio Biondo hat sich nicht nur in
seinem Traktat De verbis romanae
locutionis mit der Geschichte des
Lateinischen und der Entstehung des
volgare beschäftigt, sondern auch in
seiner Schrift Italia illustrata (14481453), wobei die Korrumpierung des
Lateinischen nicht mehr bei der
Eroberung Italiens durch Goten und
Vandalen angesetzt wurde, sondern
erst bei der Langobardenherrschaft.
21
 Die Frage nach der Herkunft des
Poggio Bracciolini
Italienischen
 Poggio Bracciolini verweist zusätzlich
auf Ereignisse wesentlich älteren
Datums, nämlich aus der Zeit der
römischen Eroberungen.
 In Begriffen der modernen Linguistik
kann man von einem Konflikt
zwischen Anhängern der
Substrattheorie (Etrusker, Kelten
etc.) auf der einen Seite und von
Vertretern der Superstrattheorie
(Goten, Langobarden etc.) auf der
anderen sprechen.
22
 Die Frage nach der Herkunft des
Pietro Bembo
Italienischen
 Neben
der Frage nach der Herkunft
der italienischen Sprache stellten sich
die Gelehrten der Renaissance auch
die Frage nach dem Ursprung
einzelner Wörter.
 In seinen Prose della volgar lingua
(1525) indentifiziert Pietro Bembo
zahlreiche Ausdrücke der
mittelalterlichen Dichtersprache als
Entlehnungen aus dem
Okzitanischen.
23
 Die Frage nach der Herkunft des
Alberto Acarisio
Italienischen
 Auch Alberto Acarisio hat in seinem
Vocabolario (1543) bereits Angaben
zur Etymologie einzelner Lemmata
gemacht, die bei lateinischer
Herkunft zwar eine hohe
Trefferquote aufweisen, bei
germanischer Abstammung aber
meistens ins Leere greifen und sich
auf dem Niveau von Volksetymologie
bewegen.
24
Die Frage nach dem
Einfluss vorrömischer
Sprachen
Bei der Frage nach
dem Ursprung der
italienischen
Sprache rückte
sporadisch das
Etruskische ins
Blickfeld diachroner
Sprachbetrachtung,
so etwa in Pier
Francesco
Giambullaris Gello,
de l’Origine della
lingua fiorentina
(1546).
25
 Die Frage nach der Herkunft des
Italienischen
Girolamo Muzio
 Girolamo Muzio (1496-1576), dessen
sprachtheoretische Schriften 1583
posthum unter dem Titel Battaglie in
Difesa dell’italica lingua erschienen
sind, beispielsweise glaubte nicht an
den Einfluss des Etruskischen bei der
Herausbildung des Toskanischen.
 Seiner Meinung nach wurde die
Sprache der Etrusker vollkommen
von der Sprache Roms verdrängt.
 Für ihn spielten die germanischen
Eroberer eine entscheidende Rolle.
26
Claudio Tolomei
und Benedetto
Vrchi
 Die Frage nach der Herkunft des
Italienischen
 Claudio
Tolomei (1492-1556) führt
im Cesano de la lingua toscana
(1555) das volgare auf das
Lateinische zurück, verweist aber
auch auf Einflüsse aus dem
Etruskischen und Germanischen.
 Benedetto Varchi (1503-1565)
betont im Ercolano (1564/1570)
weniger die durch die Barbaren
herbeigeführte sprachliche
Korrupierung, sondern vielmehr die
Geburt einer neuen Sprache.
27
 Die Frage nach der Herkunft des
Ludovico
Castelvetro
Italienischen
 Ludovico Castelvetro (1505-1571)
entwickelte in seiner Correzione
d’alcune cose del Dialogo delle lingue
di Benedetto Varchi, e una Giunta al
primo libro delle Prose di M. Pietro
Bembo dove si ragiona della volgar
lingua (1563/1572) eine sehr
ausgeglichene Theorie zum Ursprung
des volgare.
28
 Vom Vulgärlatein zum Volgare: drei
Ludovico
Castelvetro
Entwicklungsstufen nach Castelvetro
 Die
zunehmende Wichtigkeit der
vulgärlateinischen Varietät in Rom.
 Die Dominanz des Vulgärlateinischen
während der Gotenherrschaft.
 Der Übergang vom korrumpierten
Latein zum volgare während der
Herrschaft der Langobarden nach
mehreren Generationen.
29
 Die Frage nach der Herkunft des
Italienischen
Celso Cittadini
 Mit Celso
Cittadinis Schriften
Trattato della vera origine e del
processo e nome della nostra lingua
(1601) und Origini della volgar
toscana favella (1604) setzte eine
philologische Wende in der
diachronen Sprachforschung auf der
Grundlage intensiver antiker und
spätantiker Quellenstudien ein.
 Cittadini setzt den Sprachwandel
bereits vor der Barbarenherrschaft
beim Vulgärlatein der Antike an.
 Er geht in Übereinstimmung mit
Varchi von einer diglossischen
Zweiteilung des Lateinischen aus.
Der Beginn einer eigenständigen
etymologischen Lexikographie
30
1 7 . U N D 1 8 . JA H R H U N D E RT
31
 Die etymologische Lexikographie
Die Anfänge der
ital. Etymologie
im 17. Jahrhundert

Nach den ersten sporadischen
Erklärungsversuchen zur Herkunft
einzelner Wörter bildete sich im Laufe
des 17. Jahrhunderts eine selbständige
etymologische Lexikographie heraus.
32
 Die etymologische Lexikographie im
Die Anfänge der
ital. Etymologie
Ottavio Ferrari
(1617-1626)
Rhetorikprofessor
aus Mailand
17. Jahrhundert
 Ottavio
Ferrari, Origines Linguae
Italicae (1676)
 in lat. Sprache geschrieben
 Berücksichtigung norditalienischer
dialektaler Elemente
 Vorbilder:
 Sebastián de Covarrubias y Orozco
 Gilles Ménage
33
 Die etymologische Lexikographie im
17. Jahrhundert
Gilles Ménage
 Das
erste umfangreiche italienische
Herkunftswörterbuch, die Origini
della lingua italiana des Franzosen
Gilles Ménage, der bereits 1650
seine Origines de la langue françoise
veröffentlicht hatte, wurde von 1666
bis 1669 zunächst in Paris, dann 1685
erneut in Genf publiziert.
Gilles Ménage und der Beginn der etymologischen Lexikographie
(1650)
34
http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k50789h
Gilles Ménage
Spätere Bearbeitung
von 1750
 Vgl. http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k507912
35
Bearbeitung von dem Arzt
Augustin François Jault (1750)
36
37
Gilles Ménage
38
Gilles Ménage
Gilles Ménages
39
Ménage: „Korrumpierung von Sprachen“
40
 Vier Hauptquellen, die bisweilen neue Sprachen
hervorbringen
Veränderung (changement)
 Hinzufügung (addition)
 Kürzung (retranchement)
 Vertauschung von Buchstaben (transposition des lettres)

41
Gilles Menage und die Etymologie
des Italienischen
42
43
Gilles Ménage
(Egido Menagio)
Le origini della
lingua italiana
(21685)
44
Gilles Ménage
(Egido Menagio)
Mitglied der
Accademia della
Crusca
Er wollte die
Accademia für die
Etymologie
interessieren
Brief an die
Accademia im
Wörterbuch
abgedruckt
45
Gilles Ménage
(Egido Menagio)
46
Gilles Ménage
(Egido Menagio)
Brief der
Accademia an
Gilles Ménage
47
Gilles Ménage
(Egido Menagio)
Von der
Verwandtschaft
und dem Wandel
der Buchstaben
48
A
Gilles Ménage
(Egido Menagio)
 levato dal
principio
 posto nel principio
 fraposto nel mezzo
 cangiato in E
 cangiato in AE
 cangiato in I
 Cangiato in O
 (…)
49
Gilles Ménage
(Egido Menagio)
50
Gilles Ménage
(Egido Menagio)
Vgl. Cortelazzo/Zolli, DELI I, p.1
< lat. parl. *abbaclare (da baculum
‚bastone‘)
51
Gilles Ménage
(Egido Menagio)
Vgl. Cortelazzo/Zolli, DELI I, p.1, 103
Da avvicinare a bagliore
Vc. di origine discussa
52
Gilles Ménage
(Egido Menagio)
53
Gilles Ménage
(Egido Menagio)
Cortelazzo/Zolli, DELI III, p. 694
< macula(m)
54
Gilles Ménage
(Egido Menagio)
Cortelazzo/Zolli, DELI V, p. 1152
< gotico slaiths ‚semplice‘
55
Gilles Ménage
(Egido Menagio)
Cortelazzo/Zolli, DELI V, p. 1156
< exalbare
56
Gilles Ménage
(Egido Menagio)
Cortelazzo/Zolli, DELI V, p. 1399
< Vc. Germ. (hosa)
Ludovico Muratori und die
Vorwegnahme einer wissenschaftlichen
Etymologie
57
58
Der Beginn der
wissenschaftlichen
Etymologie
 Ludovico Muratori (1672-1750)
 Er absolvierte
ein Studium an der
Universität Modena und legte dort
1692 in den Fächern Philologie und
Jurisprudenz sowie 1694 in
Philosophie Prüfungen ab.
 1694 empfing er die Priesterweihe.
 1700 erhielt Muratori von Rinaldo
d’Este, Herzog von Modena, eine
Anstellung als Archivar und
Bibliothekar.
 Diese Position bekleidete er bis zu
seinem Lebensende.
59
Biblioteca Estense
(Modena)
60
Ludovico Muratori
 DISSERTAZIONE XXXIII
 Dell’origine o sia dell’Etimologia delle voci
Italiane.
 Si è trattato nella precedente
Dissertazione in generale dell’origine
della Lingua Italiana; convien ora
aggiugnere qualche particolar notizia
intorno ai vocaboli dalla medesima
adoperati. Veramente lo studio
dell’Etimologie suol parere a taluno
una vana fatica, quasiché lieve frutto
di erudizione se ne ricavi.
61
Ludovico Muratori
 DISSERTAZIONE XXXIII
 Dell’origine o sia dell’Etimologia delle voci
Italiane.
[…]
 Ma altro è
il sentimento de’ Saggi;
perché siccome gli amatori di essa
erudizione tendono a scoprire tutti i
costumi degli antichi, così anche
amano di conoscere onde sia venuta
la massa delle parole componenti il
proprio linguaggio.
 […]
62
Ludovico Muratori
 DISSERTAZIONE XXXIII
 Dell’origine o sia dell’Etimologia delle voci
Italiane.
 Per quel che concerne l’Italiana, molti
presero ad illustrar l’origine ed
etimologia delle sue voci, e son qui
spezialmente da menzionare il
Castelvetro e il Tassoni Modenesi, il
cardinal Bembo, l’Accarisio, il Monosini,
Celso Cittadini, Carlo Dati, Francesco
Redi, Antonio Salvini, e principaltnente
Ottavio Ferrari, ed Egidio Menagio,
l’ultimo de’ quali, tuttoché Franzese,
illustrò non poco la nostra lingua
coll’Opera intitolata: Le Origini della
Lingua Italiana, nell’anno 1685.
63
Ludovico Muratori
 DISSERTAZIONE XXXIII
 Dell’origine o sia dell’Etimologia delle voci
Italiane.
 Ma sia a me permesso di dire,
mancar di molto in chi ha finquì
ricercato onde sia nata buona copia
de’ nostri vocaboli: imperciocché
troppo facilmente si persuasero
uomini dotti che quasi tutte le voci
Italiane sieno derivate dalla lingua
Latina o Greca: nel che li credo io
ingannati. Ci sono altre nazioni,
presso le quali si dee cercare, e si
truova l’origine di non pochi de’
nostri vocaboli.
64
 ADESSO. Nunc. L’Eritreo e il Menagio
Ludovico Muratori
Catalogo
Di molte voci Italiane,
delle quali si cerca
l’origine
Lettere A - B
pensano nato questo avverbio da ad et
ipsum, sottintendendo tempus o
momentum. È lodevole opinione.
Contuttociò s’ha da riflettere che ad
ipsum tempus o momentum non esprime
punto il Latino nunc, adesso. E però
sarebbe da vedere se mai la lingua
Germanica potesse averci dato un tale
avverbio, usando essa ietz, itz, itzo,
significante nunc. Premesso l’ad, ne
sarebbe uscito adesso, o adess, come
molti Longobardi pronunziano.
65
 AVELLO. Luogo
Ludovico Muratori
Catalogo
Di molte voci Italiane,
delle quali si cerca
l’origine
Lettere A - B
dove si sepelliscono i
morti, Sepoltura: così spiegano
questa voce gli Autori del
Vocabolario Toscano. Meglio
avrebbero fatto dicendo arca o cassa
sepolcrale. Secondo il Menagio
l’origine è questa: Alvus, alveolus,
avellus, avello. Non è inverisimile.
Ovvero (dic’egli) da cavum, cavellum,
chavellum, havellum, avello.
66
 Non
Ludovico Muratori
Catalogo
Di molte voci Italiane,
delle quali si cerca
l’origine
Lettere A - B
ha garbo veruno quest’altra. I
Modenesi dicono albio de’ porci
quella conca di legno o di marmo,
dove quegli animali beono l’acqua
colla crusca: dal Latino alveus, come
pare credibile. Contuttociò non
altronde penso io venuto avello, che
dal Latino labrum, il cui diminutivo è
labellum, nome significante vasi di
pietra, contenenti acqua, olio ed altri
liquori. Lavellum dissero i secoli
posteriori per l’uso di mutare il B in V
consonante.
67
 Labellum
Ludovico Muratori
Catalogo
Di molte voci Italiane,
delle quali si cerca
l’origine
Lettere A - B
in una carta del Puricelli si
vede chiamato il vaso dove ne’
templi si conserva l’acqua benedetta.
E i Modenesi appellano lavello il vaso
di marmo in cui si lavano i vasi della
cucina. Fu trasferito questo nome
alle arche sepolcrali. Io non so mai
come in Toscana si lasciasse cadere L,
e in vece di lavello si dicesse avello.
68
 Nella Vita
Ludovico Muratori
Catalogo
Di molte voci Italiane,
delle quali si cerca
l’origine
Lettere A - B
di Santo Anselmo Abbate
Nonantolano, scritta, per quanto
pare, nel secolo IX (par. II del tomo I
Rer. Ital.), si legge ch’egli fu seppellito
in marmoreo lavello. Abbiamo presso
i Bollandisti al dì 2 di aprile i Miracoli
di Santa Zita Lucchese, defunta nel
1272.
69
 Quivi
Ludovico Muratori
Catalogo
Di molte voci Italiane,
delle quali si cerca
l’origine
Lettere A - B
si legge che fu risanata Chesina
fanciulla ante corpus et lavellum
Sanctae Virginis. Ma Galvano
Fiamma, scrittor Milanese che fioriva
nel 1330, differentemente esprime
questa voce nella Cronica maggiore
MSta, scrivendo al cap. 286: Cujus
corpus jussit Imperator sepeliri in
ecclesia Sancti Ambrosii in loco, ec. Et
in illo navello fecit sculpi imaginem
istius Comitis.
70
 Anche l’Autore
Ludovico Muratori
Catalogo
Di molte voci Italiane,
delle quali si cerca
l’origine
Lettere A - B
della Cronica MSta
intitolata Flos Florum scrive: Et fuit
sepultus in navello Comitum
Angleriae. Qui vedi navellum
significar lo stesso che labellum,
quasiché quell’arche fossero a guisa
di navi. Ma il vero primitivo nome
vien da me creduto labellum. Così
nella Cronica di Bergamo (tomo XVI
Rer. Ital. alla pag. 925) troviamo,
apertum fuisse unum lavellum
existens in ecclesia, ec., in quo
lavellum reperta fuerunt tria corpora
Martyrum.
71
 Nel
Ludovico Muratori
Catalogo
Di molte voci Italiane,
delle quali si cerca
l’origine
Lettere A - B
Glossario del Du-Cange si legge
un solo esempio di albellum. Anche
ivi pare posto in vece di labellum.
72
 Im Laufe
LABELLUM
> avello / lavello
der Sprachgeschichte kann
es zu spontanen Umdeutungen der
Wortgrenzen kommen, wie z.B. bei
dem Substantiv lavello (< lat.
LABELLUM ‚kleines Opferbecken‘), das
in der Toskana von der
Sprachgemeinschaft
fälschlicherweise in die Bestandteile
bestimter Artikel lo (mit Elision) +
avello (l‘avello) zerlegt wurde.
 Außerhalb der Toskana ist die
lautliche Entwicklung hingegen
regelmäßig verlaufen.
73
 Interessant
LABELLUM
> avello / lavello
LABELLUM
LAVELLO
ist ferner die
unterschiedliche semantische
Entwicklung der beiden italienischen
Ausdrücke lavello ‚Spülbecken‘ und
avello ‚Grab‘.
AVELLO = TOMBA
Ludovico Muratori
 In der Dissertazione XXXIII (Dell’origine o sia dell’etimologia
delle voci italiane) [1751] setzt sich Ludovico Muratori äußerst
kritisch mit dem anfangs bewunderten Ménage auseinander:
74
Die Auseinandersetzung mit der Etymologie von it. macchia
75
 „Macchia ha presso di noi un poco diverso significato, e
macchione, denotante una macchia grande. Anche nelle antiche
carte si truova macla e maccla nel senso medesimo. Ma onde
questa voce? ‘Pochi sanno donde venga’ dice il Menagio. Senza
fallo lo saprà egli. In fatti seguita a dire: ‘Viene sicuro (vedi che
franchezza sia questa!) da dumus in questa maniera’. Stia bene
attento il lettore ad ascoltare l’oracolo che così parla: ‘Dumus,
dumum, duma, dumachus, dumaculum, dumacula, macula,
macchia’. Che differenza mai c’è tra il dirne di queste e lo spacciar
inezie? Quando qui si volesse far l’indovino, più comportabile
sarebbe il dire che dal latino macula nacque macchia, usata
metaforicamente per significare un picciolo bosco o folto
ammasso di razze, spine e virgulti, nascente in mezzo alle
campagne, che pare, mirandolo, una macchia in quella superficie.”
Die Auseinandersetzung mit der Etymologie von it. macchia
[1. „Fleck“; 2. „Farbtupfer“; 3. „Makel“, „Schandfleck“; 4. „(für den Mittelmeerraum typischer) Buschwald“]
76
 dūmŭs „Gestrüpp“,
„Gebüsch“
 dumus > dumum > duma >
dumachus > dumaculum >
dumacula > macula >
macchia [G. Ménage]
 Metaphorische Entwicklung

macula „Fleck“ > macchia
[L. Muratori]
Muratori
77
 http://www.classicitaliani.it/muratori/dissert33catalogo1.htm
Dialektale Etymologie im 17.
und 18. Jahrhundert
78
79
Ms. in der Biblioteca
Comunale di
Palermo
 Wörterbuch eines anonymen siz.
Lexikographen aus dem 17. Jh.
 Alcanzari, vocab.
Spagn. It.
risparmiare, Lat. Parco…
 Alcanzari, guadagnari…
 Alcanzari, otteniri: et in questo senso
l‘usano li spagnoli…
 […]
 Discuitu. It. Trascuraggine,
negligenza. Lat. Negligentia. Voc.
Spagn. Descuydo.
80
Ms. in der Biblioteca
Comunale di
Palermo
 Placido Spatafora, Dizionario siciliano
ed italiano (spätes 17./frühes 18. Jh.)
 Alcaitu p.b.
(voc. Spagn. alcayde) e
castellano, capitan di fortezza…
 Alcanzari (voc. Spagn.) guadagnare,
conseguire, ottenere, avvanzare…
 Alcanzu (voc. Spagn.) guadagnu,
conseguimento…
 (…)
 Almiranti (voc. Spagn.) ammiraglio,
cioè capitan generale dell‘armata di
mare…
81
Das erste publizierte
etym. Wb. des
Sizilianischen
 Giuseppe Vinci, Etymologicum
siculum (1759)
 Alcanzari, adipisci, hisp.
alcanzar.
 (…)
 Azzotta, azzottari, hispanis
virgae
vocantur açotas, hinc azzottari virgis
caedere.
 (…)
 Gnignu, qui capillos habent crispos,
ab hisp. niño, idest puer, puerum
enim capilli crispi sunt…
82
 Michele Pasqualino, Vocabolario
Etym. Wb. des Siz.
siciliano etimologico italiano e
latino (5 Bde., 1785-95)
Die wissenschaftliche Etymologie
83
BESCHREIBUNG DES SPRACHLICHEN
WANDELS
Die Beschreibung von Sprachwandelprozessen
 Die sprachlichen Veränderungen, die sich von mehreren
Generationen vollzieht und für den Sprachbenutzer
kaum oder meistens überhaupt nicht wahrnehmbar
sind, müssen vom Sprachhistoriker erkannt und
beschrieben werden können.
 Am vielfältigsten sind die Lautveränderungen, die nicht
selten morphosytaktische oder semantische
Konsequenzen nach sich ziehen.
 Bei der Entwicklung vom Lateinischen zum Italienischen
sind z.T. neue Laute entstanden, wie beispielsweise die
stimmhaften und stimmlosen Affrikaten.
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Semantischer Wandel
 Semantische Veränderungen (it. cambiamenti
semantici) können sowohl durch Lautwandel (z.B.
Homophonie) oder aber auch durch kulturellen
und gesellschaftlichen Wandel initiiert werden.
 Auch der Abbau von Polysemie und damit von
Missverständnissen kann eine Rolle spielen.
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Semantischer Wandel
 Bedeutungserweiterung (it. estensione
semantica; allargamento di significato; z.B. lat.
BRACCHIUM ‘Unterarm‘ > it. braccio ‘Arm’);
 Bedeutungsverengung (it. restrizione semantica;
restringimento di significato; z.B. lat. ALTUS, -A, UM ‘hoch’,‘tief’ > it. alto, -a ‘hoch’);
 Bedeutungsverschiebung (it. spostamento
semantico; z.B. lat. COXAM ‘Hüfte’ > it. coscia
‘Schenkel’);
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Semantischer Wandel
 Bedeutungsverbesserung (it. miglioramento
semantico; nobilitazione di significato; z.B. lat.
CABALLUM ‘Klepper‘ > it. cavallo ‘Pferd’ oder
CASAM ‘Hütte’ > it. casa ‘Haus’),
 Bedeutungsverschlechterung (it. peggioramento
semantico; peggioramento di significato; z.B.
arab. faqīh ‘Zollschreiber’ > it. facchino
‘Kofferträger’)
 Bedeutungsübertragung (it. metafora; z.B.
spiegare < lat. EXPLICARE ‘auseinanderfalten’ >
‘erklären’).
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Phonetischer Wandel
 Phonetische Prozesse lassen sich in vier
Haupttypen untergliedern:
a) die Veränderung von Segmenten in ihren
Merkmalen,
 b) die Tilgung von Segmenten,
 c) die Hinzufügung von Segmenten sowie
 d) die Umstellung von Segmenten.

89
Phonetischer Wandel
 Die Veränderung von Segmenten
Affrizierung (it. affricazione): die Bildung von
Affrikaten aus Nichtaffrikaten ([j] > [d]), z.B. lat. IAM
> it. già.
 Assibilierung (it. assibilazione): die Erzeugung von
Zischlauten ([t] > [ts]), z.B. lat. PLATEAM > it. piazza.
 Assimilierung (it. assimilazione): die Anpassung eines
Lautes an einen anderen, z.B. lat. FACTUM > it. fatto.

90
Phonetischer Wandel
 Die Veränderung von Segmenten
Betazismus (it. betacismo): der Zusammenfall von [v]
und [b] zu [b], z.B. lat. SERVARE > it. serbare (im
Italienischen ein eher sporadisches Phänomen).
 Degeminierung (it. degeminazione): die Reduzierung
von Doppelkonsonanten, z.B. lat. COMMUNEM > it.
comune.
 Diphthongierung (it. dittongamento): die Aufspaltung
eines Einzelvokals in zwei Vokale, z.B. in lat. PEDEM >
it. piede oder lat. FOCUM > it. fuoco.

91
Phonetischer Wandel
 Die Veränderung von Segmenten
Desonorisierung (it. dezonorizzazione): die
Umwandlung eines stimmhaften Lautes in einen
stimmlosen, z.B. im Lomb. bei der Auslautverhärtung:
lat. NOVUM > *nov > mail. noeuf.
 Dissimilierung (it. dissimilazione): die Differenzierung
identischer oder ähnlicher Laute, z.B. lat. VENENUM >
it. veleno, di raro > di rado
 Geminierung (it. geminazione): die Bildung von
Doppelkonsonanten aus Einzelkonsonanten, z.B. lat.
FEMINAM > it. femmina.

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Phonetischer Wandel
 Die Veränderung von Segmenten
Monophthongierung (it. monottongamento): die
Reduzierung von Diphthongen ([au] > []), z.B. lat.
AURU(M) > it. oro.
 Nasalierung (it. nasalizzazione): die Bildung von
nasalen Lauten aus nichtnasalen ([l] > [n]), z.B. lat.
MULGERE > it. mungere.

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Phonetischer Wandel
 Die Veränderung von Segmenten
Palatalisierung (it. palatlizzazione): die Entstehung
von palatalen Lauten aus nichtpalatalen, z.B. lat.
['kentum] > it. ['tento]; lat. ['gentem] > it. ['dente].
 Sonorisierung (it. sonorizzazione): die Umwandlung
von stimmlosen Lauten in stimmhafte, z.B. lat. PACARE
> it. pagare, lat. ACUM > it. ago.
 Spirantisierung (it. spirantizzazione): die Umwandlung
von Verschlusslauten in Reibelaute ([b] > [v]), z.B. lat.
HABERE > it. avere.

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Phonetischer Wandel
 Die Veränderung von Segmenten
Triphthongierung: die Entstehung von drei
vokalischen Elementen aus einem Vokal ([o] > [wi]),
z.B. lat. BOVES > it. buoi.
 Velarisierung (it. velarizzazione): die Erzeugung von
velaren Konsonanten oder Vokalen aus nicht velaren
([e] > [o]), z.B: lat. DEBERE > it. dovere.

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Phonetischer Wandel
 Die Tilgung von Segmenten
Aphärese (it. aferesi): die Tilgung eines Lautes oder
einer Lautgruppe am Wortanfang, z.B. lat. ECCLESIAM
> it. chiesa.
 Apokope (it. apocope): die Tilgung eines Lautes am
Wortende, z.B. lat. FELICITATEM > alttosk. felicitade >
it. felicità.
 Synkope (it. sincope): die Ausfall von Lauten im
Wortinneren, z.B. lat. FRIGIDU(M) > *FRIGDU.

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Phonetischer Wandel
 Die Hinzufügung von Segmenten




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Anaptyxe (it. anaptissi oder epentesi vocalica): der
Einschub eines Vokals in eine Konsonantengruppe
(z.B. frz. flèche > siz. filiccia).
Epenthese (it. epentesi): der Einschub eines
Konsonanten zwischen zwei Vokale, z.B. RUINAM > it.
rovina.
Epithese (it. epitesi): die Anhängung eines Vokals an
das Wortende, z.B. lat. SUM > it. sono.
Pro(s)these (it. prostesi): die Voranstellung eines
etymologisch nicht begründbaren Vokals, z.B. per
scherzo > tosk. per ischerzo.
Phonetischer Wandel
 Die Umstellung von Segmenten

98
Metathese (it. metatesi): die Lautumstellung ([-er] > [re]), z.B. lat. SEMPER > it. sempre; lat. CASTRATUM >
siz. crastatu.
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