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Universität Pardubice Philosophische Fakultät Berliner Stadtviertel Kreuzberg vor und nach der Wende

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Universität Pardubice Philosophische Fakultät Berliner Stadtviertel Kreuzberg vor und nach der Wende
Universität Pardubice
Philosophische Fakultät
Berliner Stadtviertel Kreuzberg vor und nach der Wende
Jana Ettlová
Abschlussarbeit
2011
-0-
-1-
-2-
Prohlášení autorky
Prohlašuji:
Tuto práci jsem vypracovala samostatně. Veškeré literární prameny a informace, které
jsem v práci využila, jsou uvedeny v seznamu použité literatury. Byla jsem seznámena s
tím, že se na moji práci vztahují práva a povinnosti vyplývající ze zákona č. 121/2000
Sb., autorský zákon, zejména se skutečností, že Univerzita Pardubice má právo na
uzavření licenční smlouvy o užití této práce jako školního díla podle § 60 odst. 1
autorského zákona, a s tím, že pokud dojde k užití této práce mnou nebo bude
poskytnuta licence o užití jinému subjektu, je Univerzita Pardubice oprávněna ode mne
požadovat přiměřený příspěvek na úhradu nákladů, které na vytvoření díla vynaložila, a
to podle okolností až do jejich skutečné výše.
Souhlasím s prezenčním zpřístupněním své práce v Univerzitní knihovně
V Pardubicích dne 30. 06. 2011
Jana Ettlová
-3-
Danksagung
Ich möchte mich herzlich bei allen bedanken, die mich bei der Anfertigung dieser
Abschlussarbeit unterstützt haben. Mein Dank richtet sich vor allem an Frau Mgr.
Bianca Beníšková-Schulze, Ph.D. für die zahlreichen Konsultationen und wertvollen
Ratschläge. Weiterhin bedanke ich mich ganz herzlich bei Herr PhDr. Jan Čapek, Ph.D.
und Herr Dr. Peter Kistler aus der Universität Bayreuth, für die Ermöglichung des
kurzfristigen Studienaufenthalts in Berlin-Kreuzberg. Mein Dank gilt natürlich auch
dem DAAD für mein Stipendium. Ich bedanke mich außerdem bei meiner Familie,
ohne deren Unterstützung diese Arbeit nicht entstanden wäre.
-4-
ANNOTATION
Die Abschlussarbeit befasst sich mit dem ehemaligen West-Berliner Stadtviertel Kreuzberg.
Zu Beginn der Arbeit werden Bau der Berliner Mauer und die Entwicklung des Stadtviertels
Kreuzberg von den sechziger Jahren bis zum Fall der Berliner Mauer im Jahre 1989 näher
beleuchtet. Danach wird die Zeit nach der Wende bis zum Jahre 2010 betrachtet, sowie die
Fusion mit dem ehemaligen Ost-Berliner Stadtviertel Friedrichshain. Am Ende meiner
Abschlussarbeit werden persönliche Erkenntnisse der Autorin von dem Studienaufenthalt in
Friedrichshain - Kreuzberg beschrieben. Zugleich werden hier auch die Ergebnisse des
Fragebogens auswerten und analysiert.
SCHLAGWÖRTER
Kreuzberg, Friedrichshain, SO36, Kreuzberg 61, Oberbaumbrücke, Berliner Mauer, BRD, DDR
NÁZEV
Berlínská městská čtrvrť Kreuzberg před a po pádu Berlínské zdi
SOUHRN
Závěrečná práce se zabývá původní západoberlínskou městskou čtvrtí Kreuzberg. Na
začátku práce bude blíže objasněna stavba berlínské zdi a vývoj samotné čtvrti od
počátku šedesátých let, po pád Berlínské zdi roku 1989. Dále bude popsáno období po
převratu do roku 2010, stejně jako spojení bývalé východoberlínské čtvrti
Friedrichshain k městské části Kreuzberg. Na konci práce budou popsány vlastní
poznatky autorky ze studijního pobytu ve čtvrti Friedrichshain-Kreuzberg. Zároveň zde
budou analyzovány a vyhodnoceny výsledky dotazníku.
KLÍČOVÁ SLOVA
Kreuzberg, Friedrichshain, SO36, Kreuzberg 61, Oberbaumbrücke, Berlínská zeď, Německá
demokratická republika, Spolková republika Německo
-5-
TITLE
The Berliner District Kreuzberg before and after the fall of the Berlin Wall
ABSTRACT
This work is about the original district of Kreuzberg in West Germany.
The introduction explains the development of the Kreuzberg district from the 1960s
until the fall of The Berlin Wall in 1989 as well as illumination of it's construction.
Following this is the period from the cataclysm until 2010, as well as the connection of
the original district of Friedrichshain to Kreuzberg. In conclusion, you will find author’s
knowledge from a research fellowship at Friedrichshain-Kreuzberg, as well as
questionnaire evaluation and analysis.
KEYWORDS
Kreuzberg, Friedrichshain, SO36, Kreuzberg 61, Oberbaumbrücke, The Berlin Wall,
The German Democratic Republic, Federal Republik of Germany.
-6-
Inhaltsverzeichnis:
I. Einleitung ................................................................................................................ - 8 II. Theoretischer Teil .................................................................................................. - 9 1. Berliner Bezirke ................................................................................................. - 9 1.1 Berliner Bezirk Kreuzberg ......................................................................... - 11 2. Die Berliner Mauer .......................................................................................... - 11 2.1 Opfer und Helden der Mauer im Bezirk Kreuzberg................................... - 13 2.2 Grenzübergänge zwischen West- und Ost-Berlin ...................................... - 15 2.3 Grenzübergänge zwischen Kreuzberg und andere Stadtbezirke ................ - 16 3. Die sechziger Jahre in Kreuzberg .................................................................... - 18 3.1 Bohème am Berliner Montmartre .............................................................. - 20 4. Die siebziger und achtziger Jahre in Kreuzberg .............................................. - 22 4.1 Die erste Hausbesetzung ............................................................................ - 23 4.2 Mauerfall 9. November 1989 und seine Folgen ......................................... - 27 5. Die neunziger Jahre .......................................................................................... - 28 5.1 Die East Side Gallery ................................................................................. - 30 6. Die Fusion von Kreuzberg und Friedrichshain am 1.1.2001 ........................... - 31 6.1 Topographie des Terrors ............................................................................ - 32 6.2 Bezirksmuseum Friedrichshain-Kreuzberg ................................................ - 32 6.3 1. Mai in Friedrichshain-Kreuzberg ........................................................... - 34 III. Praktischer Teil .................................................................................................. - 36 1. Ziel der Forschung ........................................................................................... - 37 2. Hypothesen: ..................................................................................................... - 37 3. Beschreibung der Untersuchung und eigene Erkenntnisse .............................. - 37 3.1 Reliabilität .................................................................................................. - 39 3.2 Validität ...................................................................................................... - 39 3.3 Repräsentativität / Objektivität .................................................................. - 39 4. Auswertung der Fragen .................................................................................... - 39 5. Auswertung der Hypothesen ............................................................................ - 44 IV. Zusammenfassung.............................................................................................. - 46 V. Resumé ................................................................................................................ - 48 VI. Literaturverzeichnis ........................................................................................... - 50 VII. Internetquellen .................................................................................................. - 51 VIII. Anhang ............................................................................................................ - 52 -
-7-
I. Einleitung
„Billig, bunt und fröhlich – diese Schlagwörter treffen zwar sowohl auf
Kreuzberg als auch Friedrichshain zu. Dennoch kann man die beiden
Schwesterbezirke beileibe nicht in einen Topf werfen (…) Kreuzberg war vor der
Wende Berlins Bezirk mit der stärksten Außenwirkung. Als Punk-Nest und ÖkoBeet im Schatten der Mauer erlangte Kreuzberg in erster Linie durch die 1.MaiRandale und die Hausbesetzungen gegen die Kahlschlagsanierungen einen
berühmt-berüchtigten Ruf. Zudem gilt der Stadtteil auch heute noch als größte
türkische Exklave außerhalb der Türkei. Der Begriff Multikulti begann hier zu
gedeihen und wurde teilweise auch gelebt, lange bevor er überhaupt im
deutschen Selbstverständnis geprägt war.“1
Diese Definition Kreuzbergs beschreibt das Stadtviertel zutreffend. Die folgende
Abschlussarbeit mit dem Name: Kreuzberg vor und nach der Wende bemüht sich diesen
Stadtbezirk möglichst genauer zu analysieren. Im ersten Teil der Arbeit wird auf
theoretischen Hintergründen eingegangen, im zweiten Abschnitt folgt dann ein
praktischer Teil.
Das erste Kapitel beschäftigt sich mit dem Berliner Bezirk seit 1945 und verfolgt die
Geschichte bis heute. Sie befasst sich näher mit dem Bau der Berliner Mauer, den
dortigen Opfern und Helden an der Mauer, die Berliner Grenzübergänge und beschreibt
die damalige Situation Kreuzbergs in West-Berliner. Ich beleuchte die erste
Hausbesetzungen und spezifische Atmosphäre der sechziger Jahre genauer. Weiterhin
beschäftige ich mich mit den siebziger und achtziger Jahren bis einschließlich des Falls
der Berliner Mauer.
Im weiteren Kapitel wird der Ost-Berliner Bezirk Friedrichshain näher betrachtet und
die Fusion mit dem damaligen West-Berliner Bezirk Kreuzberg erwähnt. Ich befasse
mich natürlich auch mit den neunziger Jahren in den neu-fusionierten Bezirk
Friedrichshain-Kreuzberg. Dieses Kapitel beinhaltet auch Informationen über das
Kreuzberg Museum und einer der bekanntesten Ruine der Mauer - East Side Gallery.
1
URL:<http://www.in-berlin-brandenburg.com/Berliner_Bezirke/Friedrichshain-Kreuzberg/>[zit. 201102-20].
-8-
Am Ende dieses Kapitel folgt eine kurze Erklärung der jährlichen Krawalle vom 1.Mai
in Kreuzberg.
Im letzten Kapitel folgt der praktische Teil und hier wird mein kurzfristiger
Studienaufenthalt in Berlin-Kreuzberg im Oktober 2010 näher beschrieben. Ich
analysiere meine eigenen Auswertungen der persönlichen Forschung. Am Ende dieser
Arbeit wird ein Fragebogen ausgewertet, den ich in Friedrichshain-Kreuzberg gemacht
habe.
II. Theoretischer Teil
1. Berliner Bezirke
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Berlin in vier Sektoren aufgeteilt, den
amerikanischen, den britischen, den französischen und den sowjetischen Sektor und
wurde damit zu einer sogenannten Vier-Sektorenstadt. Mit dem Mauerbau am
13.August 1961 folgte die Trennung in Ost-Berlin und West-Berlin. Die Trennung
bestand bis Mauerfall am 9. November 1989. Von 1945 bis 2001 waren in Berlin
insgesamt in 23 Bezirke untergliedert, (siehe Anhang Nr. 1). In West-Berlin, bzw. im
amerikanischen Sektor befanden sich die Bezirke, Kreuzberg, Neukölln, Tempelhof,
Schöneberg, Steglitz und Zehlendorf. Der britische Sektor unterteilte sich in die
Bezirke Tiergarten, Wilmersdorf, Charlottenburg und Spandau. Zum französischen
Sektor gehörten die Bezirke Reinickendorf und Wedding und zum sowjetischen Sektor
die Bezirke Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Pankow, Weissensee,
Hohenschönhausen, Lichtenberg, Marzahn, Hellersdorf, Treptow und Köpenick. 2
Durch eine Gebietsreform, die im Jahre 2001 in Kraft trat, reduzierte sich Anzahl der
Bezirke von 23 auf 12. Unverändert blieben nur die drei größten Bezirke, Neukölln,
Reinickendorf und Spandau. Die übrigen wurden meistens von zwei vorher
eigenständigen Bezirken zu einem neuen zusammengeschlossen. Dank der neuen
2
Vgl. URL: <http://www.berlinermaueronline.de/karten/berlinkarten_01.htm>[zit.2011-3-15].
-9-
Bezirksstruktur wurde gleichzeitig eine gewisse Angleichung der Einwohnerzahl
erreicht.3
Der
Bezirk
Friedrichshain-Kreuzberg
wurde
Gebietsreformgesetz aus den bisherigen Bezirken
zum
1.1.2001
nach
dem
Friedrichshain und Kreuzberg
gebildet. Die Fusion war sehr außergewöhnlich, weil sich Kreuzberg im ehemaligen
West-Berlin befand, wohingegen Friedrichshain im damaligen Ost-Berlin lag. Ähnlich
wurde nur ein Bezirk verbunden und zwar der Bezirk Mitte.4 Auf der Karte (siehe
Anhang Nr. 2) sind alle gegenwärtigen 12 Berliner Bezirke zu erkennen: Mitte,
Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow, Charlottenburg-Wilmersdorf, Spandau, SteglitzZehlendorf,
Tempelhof-Schöneberg,
Neukölln,
Treptow-Köpenick,
Marzahn-
Hellersdorf, Lichtenberg und Reinickendorf. Nach den Angaben des Amt für Statistik
Berlin Brandenburg vom 30. November 2010 sind die Berliner Bezirke mit dem
Einwohnerzahl folgend geordnet:
1. Mitte (insgesamt 333 172 Einwohner, davon 91 251 Ausländer)
2. Friedrichshain-Kreuzberg (insgesamt 269 924 Einwohner, davon 56 729
Ausländer)
3. Pankow (insgesamt 370 488 Einwohner, davon 24 545 Ausländer)
4. Charlottenburg-Wilmersdorf (insgesamt 320 322 Einwohner, davon 58 216
Ausländer)
5. Spandau (insgesamt 225 963 Einwohner, davon 27 899 Ausländer
6. Steglitz-Zehlendorf (insgesamt 295 806 Einwohner, davon 30 723 Ausländer)
7. Tempelhof-Schöneberg (insgesamt 336 282 Einwohner, davon Ausländer)
8. Neukölln (insgesamt 311 824 Einwohner, davon 66 992 Ausländer)
9. Treptow-Köpenick (insgesamt 242 574 Einwohner, davon 7 995 Ausländer)
10. Marzahn-Hellersdorf (insgesamt 249 956 Einwohner, davon 10 224 Ausländer)
11. Lichtenberg (insgesamt 261 417 Einwohner, davon 20 183 Ausländer)
12. Reinickendorf (insgesamt 241 490 Einwohner, davon 23 381 Ausländer.
3
Vgl. URL:<http://www.berlin.de/berlin-im-ueberblick/politik/bezirke.de.html.>[zit.2011-03-20].
Vgl. Chod, k. und Schwenk, H. und Weißpflug, H.. (2003):Berliner Bezirkslexikon FriedrichshainKreuzberg., S. 7.
4
- 10 -
Offiziell wurde zum 30.November 2010 in Berlin 3 459 218 Einwohner angemeldet,
davon sind 2 986 897 Deutsche und 472 321 Ausländer. 5
1.1 Berliner Bezirk Kreuzberg
Der Bezirk Kreuzberg existiert seit der Verwaltungsreform von 1920 und wurde aus der
ehemaliger Friedrichstadt, der Luisenstadt und der Tempelhofer Vorstadt gebildet.
Seinen Name erhielt der Bezirk nach dem 66 Meter hohen natürlichen Erhebung
Kreuzberg, wo Schinkels Nationaldenkmal für die Befreiungskriege von 1813-1815 zu
besichtigen ist.6 Bevor Kreuzberg sein heutiger Name enthielt, hieß er kurzzeitig
Hallesches Tor. Der heutige Stadtteil, in Verbindung mit dem ehemaligen Ost-Berliner
Bezirk Friedrichshain, hat insgesamt 269 924 Einwohner und ist 20,2 km² groß.
Kreuzberg gliedert sich nach den Nummern der damaligen Zustellpostämter in
westlicher gelegen „Kreuzberg 61“ (Südwest 61) und dem östlichen „Kreuzberg 36“(So
36) (siehe Anhang Nr.3) Bis zur Wiedervereinigung im Jahre 1989 befand sich der
Bezirk am östlichen Rand West-Berlins und grenzte an drei Seiten zur DDR - Mitte,
Friedrichshain und Treptow (von insgesamt 18,7 km der Grenze grenzten 8,7 km an Ost
Berlin.) Nördlich verlief die Grenzziehung in Form von Mauer und Spree, südöstlich
markierte den Landwehrkanal die Grenze zum real existierenden Sozialismus.7
2. Die Berliner Mauer
Am 26.Mai 1952 sperrte die DDR die Demarkationslinie zur Bundesrepublik und die
Grenze zwischen DDR und West-Berlin. Bis dahin war die sogenannte „grüne Grenzen“
offen, denn es wurde lediglich durch Stacheldraht und Sperrzonenschilder abgeriegelt.
In Berlin wurde insgesamt 241 Straßen von West-Berlin nach Ost-Berlin gesperrt.
Dennoch war die Flucht nach West Berlin mit der S-Bahn oder über Straßenübergänge
zwischen den drei Westsektoren und dem einem Ostsektor bis Jahre 1961 relativ
5
Vgl. URL: <http://www.statistik-berlin-brandenburg.de/Publikationen/Stat_Berichte/2010/SB_A11_A2-4_q02-10_BE.pdf>. [zit.2011-02-20].
6
Vgl. Lang, B. (1998): Mythos Kreuzberg: Ethnographie einse Stadtteils (1961-1995)., S. 17.
7
Vgl. Lang, B. (1998): Mythos Kreuzberg: Ethnographie einse Stadtteils (1961-1995)., S. 17.
- 11 -
gefahrlos möglich. Zwischen 1949 und 1961 haben rund 2,7 Mio. Menschen die DDR
und Ost-Berlin verlassen. 8 Am 15. Juni 1961 sagte noch Chef der SED Walter Ulbricht:
„Niemand hat die Absicht, einer Mauer zu errichten!“9 Eine große Lüge der Politiker,
wie viel deutsche Bürger bald feststellen mussten.
Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle hatten im ersten Halbjahr 155 000 Personen
die DDR und Ost-Berlin verlassen. In den Nachtstunden dem 13.August 1961 begannen
die paramilitärischen Einheiten die Mauer bauen. Bis zum Spätnachmittag des
14.August 1961 gelang es noch etwa 6900 Personen aus Ost-Berlin über die noch
provisorisch abgesperrten Grenzen nach West-Berlin zu flüchten. Später wurde eine
rund vier Meter hohe Betonplattenwand aufgebaut und riegelte Ost-Berlin nun gänzlich
von West-Berlin ab. Gegenwärtig war ein Übergang von Ost-Berlin nach West-Berlin
nur noch mit einem gültigen Passierschein möglich. Trotz Berliner Mauer und der
innerdeutschen Grenze gelang von 1961 bis 1989 rund 475.000 Menschen die Flucht in
den „goldenen Westen“. Im gleichen Zeitraum starben nach offiziellen Angaben an der
Mauer mehr als 125 Menschen bei Fluchtversuchen.10 Ab 1971 und 1972 kam es zu
ersten Verbesserung in den Beziehungen zwischen beiden Staaten. Unter dem Einfluss
der Perestroika Politik des sowjetischen Generalsekretärs Michail S. Gorbatschow
verschärften sich die innenpolitischen Probleme in DDR in achtziger Jahren und es
entwickelte sich eine wachsende Oppositionsbewegung. Ab August 1989 besetzen
zahlreiche DDR-Bürger die Botschaften in Prag und Warschau sowie die ständige
Vertretung in Ost-Berlin. Die Regierung in Ungarn machte den „Eisernen Vorhang“
zwischen Österreich und Ungarn durchlässig. In der DDR kam es fast gleichzeitig zur
friedlich verlaufenden Revolution und diese Entwicklungen führten am 9. November
1989 zur Öffnung der Berliner Mauer.11
8
Vgl. URL: <http://www.berlin.de/mauer/geschichte/index.de.html> .[zit. 2011-21-03].
Flemming, T. (2008): Berlin im Kalten Krieg, Der Kampf um die geteilte Stadt., S. 57.
10
Vgl. Landesarchiv Berlin (Hg.).(2010) : Die Berliner Mauer 1961-1989., S. 7.
11
Vgl. Landesarchiv Berlin (Hg.).(2010) : Die Berliner Mauer 1961-1989., S. 8.
9
- 12 -
2.1 Opfer und Helden der Mauer im Bezirk Kreuzberg
Am 13.August 1961 machte der Mauerbau die innerstädtischen Grenzen zwischen
Kreuzberg, im amerikanischen Sektor und Treptow, Mitte und Friedrichshain im
sowjetischen Sektor für die Bewohner Berlins undurchlässig. Nur die Angehörige der
Alliierten, ausländische Zivilisten und Diplomaten konnten an der Friedrichstraße über
den Kontrollpunkt Checkpoint Charlie weiter passieren. Das Amerikanische, englische,
französische und sowjetische Militär gehörten nun zum Bild der Stadt. Durch die
Trennung Berlins und die stetige Repräsentation des Militärs, waren auch
Fluchtversuche von Ost-Berlin nach West-Berlin nichts Außergewöhnliches mehr.
Am 17. August 1962 versuchte der 18-jährige Peter Fechter mit seinem Arbeitskollegen
Helmut Kulbeik die Mauer in der Zimmerstraße in der Nähe vom Checkpoint Charlie zu
überqueren. Beide Freunde erreichten über einen Hinterhof Grenzanlagen. Peter Fechter
befand sich gerade auf der Mauer, als er angeschossen wurde, zurück auf die OstBerliner Stadtsteite fiel und schließlich verblutete. Sein Todeskampf dauerte etwa eine
Stunde, obwohl er mehrmals um Hilfe rief, wurde ihm nicht geholfen. Auf der
Westseite des Grenzbereichs Zimmerstraße hatten sich inzwischen Hunderte von
Journalisten und Demonstranten versammelt. Später schrieb ein Journalist über den
traurigen Vorfall:
„Um möglichst unbeobachtet den toten Peter Fechter bergen zu können, warfen die
Grenzer Nebelgranaten nach West Berlin.“12
Abends demonstrierten Hunderte Menschen in West-Berlin. Autos gingen in Flammen
auf und die Polizei schützte die Grenze nach Ost-Berlin. Sowjetische Soldaten wurden
mit Steinen angegriffen und übel beschimpft, wenn sie auf Patrouillenfahrt durch West
Berlin waren.
Nur wenige Meter von der Stelle entfernt, an der Peter Fechter verblutete, grub im Jahre
1962 Rudolf Müller aus der Nostizstraße einen Tunnel. Er war durch die Mauer von
12
Düspohl, M. (2009): Kleine Kreuzberg Geschichte., S. 118-119.
- 13 -
seiner Familie getrennt worden. Der Tunnel war von der Baustelle des Axel-SpringerVerlagsgrundstücks Richtung Osten zum Keller der Zimmerstraße 56. Am 18.Juni 1962
um 7 Uhr beobachtete der DDR-Grenzposten Reinhold Huhn, wie Rudolf Müller den
Hof in Zimmerstraße 56 verließ und in Richtung Leipziger Straße lief. Eine Stunde
später kehrte Rudolf Müller mit zwei Frauen und einem Kind zurück. Müller gelang mit
seiner Familie die Flucht nach West-Berlin. Dennoch forderte diese Flucht ein Opfer,
der Grenzposten Reinhold Huhn lag tot am Boden. Die Medien in Westdeutschland
und der DDR machten daraufhin die jeweils andere Seite dafür verantwortlich. Posthum
erhielt Reinhold Huhn ein Denkmal in der Jerusalem Straße, welches nach dem
Mauerfall aber abgerissen wurde. Im 1999 wurde Rudolf Müller wegen Totschlags an
dem Grenzer Reinhold Huhn vom Landgericht in Berlin
zu einer einjährigen
Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.13
Im Nordosten Kreuzbergs wurde der tief gelegene Grünzug zwischen Spree und
Englebecken mit Trümmerschut aufgefüllt, um eine sichere Grenze zu errichten. Auf
der Seite des Kreuzbergers Bezirk verlief die Grenze entlang die Fassade der
Mietshäuser. Es ging vor allem um die Leuschner Straße und den Bethaniedamm. Die
Mauer wurde einige Meter versetzen davor errichtet. Das führte zu der Situation, dass
der Zugang zu den Häusern in Kreuzberg über die Ost-Berliner Seite führte.
Westberliner Staatsbeamten war dort die Passage untersagt. Dies führte wiederum dazu,
dass die Postbeamten keine Briefe und Pakete mehr in diesen Bereich befördern
könnten. Im Osten Kreuzbergs bildeten Flutgraben, Spree und Landwehrkanal eine
Wassergrenze zu Ost-Berlin. Die Oberbaumbrücke, die den sowjetischen Sektor mit
dem amerikanischen Sektor verband, wurde abgesperrt. Die U-Bahn Linie 1 endete auf
der Haltestelle Schlesisches Tor. Als die ersten Passierscheinabkommen im Jahre 1963
in Kraft traten, durften Westberliner die Brücke mit besonderem Visum als Fußgänger
überqueren. Die Spree gehörte damals in ihrer ganzen Breite zu Friedrichshain – also zu
der DDR. Die Kinder, die im Kreuzberger Ufer beim Spielen ins Wasser fielen, gerieten
in tödliche Gefahr. Rettungsmaßnahmen von Ostberliner Seite wurde erst mit großer
Verzögerung ergriffen und Westberliner Rettungsdienste mussten warten, bis sie die
13
Vgl. Düspohl, M. (2009): Kleine Kreuzberg Geschichte., S. 118-119.
- 14 -
Genehmigung aus der DDR zur Rettung bekamen. Es starben angeblich fünf Kinder, die
wegen der Bürokratie zwischen den beiden Stadtsektoren sterben mussten.
Das erste Opfer war 6-jährige Andreas Seng aus der Cuvrystaße, der von einem
Spielkameraden ins Wasser gestoßen wurde. Am 11.Mai 1975 ertrank an seinem
fünften Geburtstag Cetin Mert. Der türkische Junge versuchte seinen verlorenen Ball
aus der Spree zu fischen. Erst 45 Minuten nach dem Unglück steuert ein
Grenzsicherungsboot der DDR auf den Unfallort zu. Eine weitere Stunde später bargen
die Taucher der DDR-Grenztruppen den Leichnam des Kindes. Aber bevor der
Leichnam frei gegeben wurde, wurde das tote Kind in das Gerichtsmedizinische Institut
der Charité in Ost-Berlin gebracht und erst Tage später seinen Eltern überreicht. Dieses
Verhalten entfesselte wütende Proteste, nicht nur unter der türkischen Bevölkerung
gegen das DDR-Regime. 2000 Teilnehmer der Demonstration positionierte sich am
19.Mai 1975 mit Transparente, auf denen stand: „Nieder mit dem Mördersystem
Kommunismus“ in Deutsch und Türkisch. Ganze Demonstration wurde von der Stasi
mit Teleobjektiven von anderer Uferseite festgehalten. Im Oktober 1975 trat endlich ein
Abkommen in Kraft, welches den West-Berliner Rettungskräften Hilfseinsätze bei
Wasserunfällen ermöglichte.14
2.2 Grenzübergänge zwischen West- und Ost-Berlin
„ Am 13. August 1961 ließ die Führung der DDR die Grenze zu West-Berlin
schließen. Für West-Berliner, Bürger der Bundesrepublik Deutschland und
ausländische Staatsangehörige legte das Innenministerium der DDR am 22.
August sieben Straßenübergänge und einen Bahnübergang fest. Ost-Berlinern
und Bürgern der DDR war das Passieren der Grenze verboten. Der Verkehr
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin lief über
Transitstrecken mit weiteren Übergangsstellen.“ 15
Vor dem Mauerbau gab es in Berlin neben S- und U-Bahn 81 offene Straßenzüge, auf
denen die Berliner vom Ost- nach West-Berlin reisen konnten. Am Tag des Mauerbaus
wurden davon 67 durchgehende Straßenzüge abgesperrt und später sogar zugemauert.
14
Vgl. Düspohl, M. (2009): Kleine Kreuzberg Geschichte., S. 120-121.
15
URL: <http://www.berlin.de/mauer/grenzuebergaenge/index/index.de.php>. [zit.2011-03-23].
- 15 -
Verbleibende
Übergängen:
Brandenburger
Tor,
Kopenhagener-,
Wollank-,
Brunnenstraße, Puschkinallee, Elsen- und Rudower Straße wurden ganz geschlossen.
An innerstädtischen Grenzübergangstellen in Richtung West-Ost blieben für Ausländer
und Diplomaten die Friedrichstraße (Checkpoint Charlie), für Bevölkerung der BRD
die Bornholmer Straße und Heinrich-Heine Straße. für die Einwohner West-Berlins
waren vier Übergangstellen Chausseestraße, Invalidenstraße, Oberbaumbrücke und
Sonnenallee.
Für
Bahnreisende
diente
die
Grenzübergangstelle
Bahnhof
Friedrichstraße. Die Grenzübergänge Heinrich-Heine-Straße, Oberbaumbrücke und
Checkpoint Charlie befanden sich an den Grenzen zu Kreuzberg.16 Alle Berliner
Grenzübergänge sind auf der Karte im Anhang zu sehen. (Anhang Nr.4 )
2.3 Grenzübergänge zwischen Kreuzberg und andere Stadtbezirke
Grenzübergang Friedrichstraße - Checkpoint-Charlie / zwischen Mitte und Kreuzberg
Checkpoint Charlie verband in der Friedrichstraße den Ost-Berliner Bezirk Mitte und
den West-Berliner Bezirk Kreuzberg. Von 1961 bis 1990 war es die einzige
Grenzübergangstelle für die Angehörigen der alliierten Streitkräfte zwischen West- und
Ost-Berlin. Wegen seiner Bestimmung zum Übergang für die Angehörigen der alliierten
Streitkräfte war der Grenzübergang Friedrichstraße im Oktober 1961 Schauplatz der
sog. „Panzerkonfrontation“. (siehe Anhang. Nr. 5) Die DDR Grenztruppen versuchten
bei den West-Alliierten, Passkontrollen vorzunehmen, was von dem Vier-Mächte Status
aber verweigert wurde. Nachdem die Passkontrollen der Ostberliner Grenzsoldaten an
den Folgentagen wiederholten wurden, gingen am 25. Oktober auf West-Berliner Seite
mehrere US-Panzer in Stellung. Die Situation eskalierte am folgenden Tag, als sich
auch auf Ost-Berliner Seite sowjetischen Panzer positionierten. Rund 48 Stunden
standen sich die Panzer nur weniger Meter voneinander entfernt schussbereit gegenüber.
Erst am Morgen des 25.Oktober begannen die Sowjets mit dem Abzug ihrer Panzer.
Nach dem beiderseitigen Rückzug konnten die West-Alliierten wieder frei und ohne
Kontrollen nach Ost-Berlin reisen. Als Symbol für die Auseinandersetzung zwischen
den Weltmächten ist der „Checkpoint Charlie“ zum bekanntesten Kontrollpunkte
16
Vgl. Landesarchiv Berlin (Hg.).(2010): Die Berliner Mauer 1961-1989., S. 96.
- 16 -
geworden.17 Zu einem der bekanntesten Opfer des Grenzübergangs Checkpoint Charlie
gehört Peter Fechter, der bei dem Fluchtversuch nach West Berlin von einem DDRGrenzpolizisten angeschossen wurde und starb. (Siehe Kapitel: Opfer, Helden und
Henker der Mauer im Bezirk Kreuzberg.)
Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße / Prinzenstraße zwischen Mitte und Kreuzberg
Am Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße wurden der Waren- und der Postverkehr der
beiden Stadthälften Berlins kontrolliert. Flächenmäßig gehörte der Grenzübergang zu
den größeren Passierstellen. Der Übergang war nur für Bundesbürger mit Reisepass
geöffnet. Am 18.April 1962 versuchten hier drei Männer aus Ost-Berlin mit einem
Lastwagen die Schlagbäume des Kontrollpunktes zu durchbrechen. Dem Fahrer Klaus
Brüske gelang es den Wagen auf West-Berliner Gebiet zu steuern, aber leider überlebte
er seinen Fluchtversuch nicht, seine beiden Mitfahrer wurden schwer verletzt.
Am 26. Dezember 1965 wollten zwei Männer aus West-Berlin den Grenzübergang
Heinrich-Heine-Straße passieren. Sie hatten zwei Frauen aus Ost-Berlin im Auto
versteckt. Die Frauen wurden jedoch von Grenzsoldaten der DDR entdeckt. Der 27jährige Heinz Schönberger wurde erschossen, weil er den Wagen gefahren hatte und
nach der Entdeckung der beiden Frauen zu Fuß fliehen nach West-Berlin fliehen wollte.
Der westdeutsche Freund von Heinz Schönberger und die beiden ostdeutschen Frauen
wurden verhaftet.18
Grenzübergang Oberbaumbrücke / zwischen Kreuzberg und Friedrichshain
Die Oberbaumbrücke wurde im Jahre 1896 eröffnet und überspannte die Spree
zwischen Friedrichshain und Kreuzberg. Dieser Grenzübergang durfte von 1961 bis
1989 nur von Fußgängern benutzt werden. Nordwestlich am Grenzübergang direkt an
der Mühlenstraße zwischen der Oberbaumbrücke und dem Ost-Bahnhof steht
sogenannte "East-Side-Gallery", ein bemaltes Stück der hinteren Sperrmauer.
17
Vgl. Landesarchiv Berlin (Hg.).(2010): Die Berliner Mauer 1961-1989., S. 97.
Vgl. URL:
<http://www.berlin.de/mauer/grenzuebergaenge/heinrich_heine_strasse/index.de.php>[zit.2011-03-23].
18
- 17 -
Die Spree wurde von einigen Flüchtigen aus der DDR bezwungen, doch leider gelang
dies nicht in allen Fällen. Am 5. Oktober 1961 sprang Udo Düllick in die Spree und
wollte so den Ost-Berlin verlassen. Doch bevor er das sichere West-Berliner Ufer
erreichte, verließen ihn seine Kräfte und er ertrank. Am damaligen Gröbenufer konnten
ihn die West-Berliner Feuerwehrmänner nur noch tot aus dem Wasser bergen. In dem
Grenzabschnitt zwischen Elsen- und Schillingbrücke ertrank insgesamt sechs Menschen
und fünf weitere (Werner Probst, Anton Walzer, Hans Räwel, Heinz Müller und
Manfred Weylandt) wurden bei dem Versuch von DDR-Grenzposten erschossen. 19
3. Die sechziger Jahre in Kreuzberg
Durch den Mauerbau ist Kreuzberg zu einem Stadtrandgebiet geworden. Der
Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg war abgeschlossen, dennoch war die dortige
Wohnsituation schlecht. Die Wohnungsbaugesellschaften zusammen mit der Berliner
Bauindustrie und Bauverwaltung bildeten deshalb ein mächtiges Interessenbündnis für
die „Sanierung“ der Altbauquartiere im Stadtteil Kreuzberg. Das Leitmotiv der
Sanierung lautete: „Licht, Luft und Sonne“. Als Sanierungsgrund galten die
mangelhaften
Ausstattungen
der
Wohnungen,
die
dichte
und
ungeordnete
Mischbebauung und die nicht dem Berliner Durchschnitt entsprechende Sozialstruktur.
Viele Menschen wünschten sich ein komfortableres Wohnen, wie z.B. Innentoilette,
Bad, Balkon und Zentralheizung.
Der Berliner Senat beschloss im Jahr 1963 das erste Stadterneuerungsprogramm und
das „Sanierungsgebiet Kreuzberg-Kottbusser Tor“ wurde mit elf Planungseinheiten
festgesetzt. Nach Wedding-Gesundbrunnen war es das zweitgrößte Sanierungsgebiet
Europas: 107 Ha groß mit (in 1961) 37 022 Menschen in 16 923 Wohnungen und
16 300 Beschäftigten in 1740 Betrieben. Der Kahlschlag vom Wasserplatz begann
relativ schnell und erste Neubauten wurden im Jahre 1968 fertig gestellt. Die letzten
Neubauten wurden dann bis zum Jahr 1978 errichtet und von Berliner Bürgern bezogen.
19
Vgl. URL: <http://www.berlin.de/mauer/grenzuebergaenge/oberbaumbruecke/index.de.php>[zit. 201103-24].
- 18 -
In diesem ersten Sanierungsbereich blieben nur drei alte Gewerbegebäude und ein
Wohngebäude erhalten. Der Rest des Gebietes wurde komplett erneuert. Südlich dauerte
die Sanierung etwas länger und erst 1972 war die Planung endgültig fertig. 90 Prozent
der 3500 Wohnungen und alle Gewerbegebäude sollten abgerissen werden. Das neue
Städtebauförderungsgesetzt verlangte aber inzwischen, dass die geplanten Maßnahmen
mit den Mietern und übrigen Betroffenen „zu erörtern“ seien.20
Die Nordhälfte des Platzes am Kottbusser Tor wurde von einer privaten
Investorengruppe aufgekauft, abgerissen und neu bebaut: Bis 1974 entstand dort das
Neue Kreuzberger Zentrum (NKZ) mit 295 Wohnungen.
„Die weiteren großen Altbauquartiere des Sanierungsgebietes verharrten
derweil im Wartestand – mit allen negativen Folgen, die die
»Sanierungserwartung« mit sich brachte: Zunächst sprach sich herum, dass
»saniert« werden soll. Es entstanden unter den Mietern und kleinen
Gewerbetreibenden Unsicherheiten und Ängste. Die ersten zogen weg. Alte und
weniger mobile Menschen blieben zurück. Dann wurden die Häuser nach und
nach von den Wohnungsbaugesellschaften aufgekauft, die als Sanierungsträger
im Auftrag des Senats tätig wurden. Die Altbesitzer versuchten den Verkauf
möglichst lange hinauszögern, um durch Unterlassung der Instandhaltung und
in Erwartung von Wertsteigerungen möglichst hohe Einnahmen zu erzielen. Die
Gebäude verkamen. Freiwerdende Wohnungen wurden an Menschen vermietet,
die woanders keine Wohnung bekamen.“21
Wegen der geringen Mietkosten und den vielen freien Wohnungen zogen vor allem
ausländische Familien, junge Menschen und Studenten nach Kreuzberg. Die
Mietverträge waren bis zum Abriss befristet und deshalb besonders attraktiv für junge
Menschen. Im Jahr 1961 zogen vor allem jugoslawische, griechische und türkische
Gastarbeiter nach Kreuzberg, die von Berliner Großunternehmen angeworben wurden,
Diese Gastarbeiter waren zumeist in der Elektro- und Textilbranche beschäftigt. Die
Arbeiter sollten in Kreuzberg nur „für kurze Zeit“ verweilen und dann wieder zurück in
ihr Heimatland kehren. Doch viele holten schon nach wenigen Monaten ihre Familien
nach Deutschland und brachten sie so ins Berliner Stadtviertel Kreuzberg. Einige der
damaligen Gastarbeiter wohnen noch heute in Kreuzberg. Die Gastarbeiter lebten am
Anfang in Wohnheimen und fanden dann aber billige Wohnungen. Die Stadtsanierer
20
21
Vgl. Düspohl, M. (2009): Kleine Kreuzberg Geschichte., S. 122-123.
Düspohl, M. (2009): Kleine Kreuzberg Geschichte., S. 124.
- 19 -
bezeichneten die Gastarbeiter als „Zwischenmieter“ und sahen in ihnen keine
langfristige Wohnungsmieter. Die alten Bauten in Kreuzberg wurden also zum Abriss
bestimmt, denn die dortigen Wohnungsverhältnisse entsprachen nicht den aktuellen
Wohnstandards Berlins. Die Gastarbeiter wollten ihr hart verdientes Geld für eine neue
Existenz im Heimatland sparen.
Nachdem die Familien der Gastarbeiter nach Berlin gekommen waren, suchten einige
der Frauen einen Arbeitsplatz. Viele von ihnen arbeiteten bei Siemens oder in dem
Unterhaltungselektronik-Konzern Telefunken. Die türkischen Frauen unterschieden sich
äußerlich sehr von dem heutigen Bild der türkischen Frau in langen, weiten Kleidern
und das Haar mit einem Kopftuch bedeckt. Vor allem die jungen, türkischen Frauen
kleideten sich der Mode entsprechend, so trugen sie auch die Mini-Mode und das Haar
offen, was in Widerspruch zu der islamischen Vorschrift war.
Eine weitere Gruppe, die nach Berlin ab 1973 kam,
waren sogenannte
„Heiratsmigrantinnen“. Sie wurden nicht in den Arbeitsprozess eingegliedert und
deswegen lernten auch langsamer die deutsche Sprache. Das gilt auch für die große
Gruppe der Asylsuchenden, der politischen Flüchtlinge und der Kurden. Die „zweite
Generation“, die in Kreuzberg geboren wurde, ist gut in das deutsche System integriert.
Dennoch bezeichnen sie sich häufig als „Heimatlose“, weil sie zwischen den Kulturen
stehen.22
3.1 Bohème am Berliner Montmartre
Kreuzberg war in den sechziger Jahren sehr alternativ und wurde oft mit dem Pariser
Montmartre verbunden und verglichen. Dies erklärt auch der Zeitgenosse Hellmut
Kotschenreuther in dem Buch von Barbara Lang:
„Was für Paris einst der Montmartre und Montparnasse waren, das wurde für
das Nachkriegs-Berlin in einem sehr spezifischen Sinn der Stadtbezirk
Kreuzberg: eine Brutstätte und ein Refugium der Nicht-bzw. der Noch-nichtAngepassten, wo das bunte und triste Chaos und der künstlerische Wildfuchs
besser als anderswo gediehen.“23
22
23
Vgl. Düspohl, M. (2009): Kleine Kreuzberg Geschichte., S. 125.
Lang, B. (1998): Mythos Kreuzberg: Ethnographie eines Stadtteils (1961-1995)., S. 114.
- 20 -
Die Künstlerbohème, aber auch ein soziales Milieu etablierte sich in den
heruntergekommenen Altbauten. Sie boten eine unorthodoxe Kunst. Die bekannteste
und zugleich wichtigste Institution war die Galerie »Zinke« in der Oranienstraße, die
von Robert Wolfgang Schnell, Günter Bruno Fuchs, Günter Anlauf und Sigurd
Kuschnerus gegründet wurde. Auf der ersten Vernissage wurde der Bilderzyklus
»Berlin von hinten« vorgestellt. Dessen Intention war es gerade etablierten Bürger
Einblicke hinter die Mauer zu geben. Fast gegenwärtig organisierte der Maler Kurt
Mühlenhaupt in Kreuzberg den ersten „Bildermarkt“. Auf diesem Markt, der am
Anfang ein Trödelladen war, durfte jeder Bürger seine Kunst ausstellen. Am
wichtigsten waren aber die Kneipen, die den Künstlern als Entfaltungs-,
Kommunikations- und Präsentationsraum dienten. In Kreuzberger Kneipen treffen sich
derzeit auch noch Prominenten wie Karl Dall, Ulrich Schamoni oder Günter Grass.24
Barbara Lang zitiert den Helmut Kreuzer in ihrem Buch:
„Die Kneipen ermöglichen den Zusammenhalt, interne Feste und Sèancen, sie
bieten Raum für die intellektuelle Auseinandersetzung oder das persönliche
Gespräch, für Spiel und Tanz, schließlich fungieren sie auch als Bühne für
Rollen, die man für seines gleichen genauso wie vor dem „bürgerlichen“
Publikum spielt.“ 25
Schlussendlich kann man sagen, die Geschichte und die Entwicklung des Stadtteils
Kreuzberg bildeten vor allem die Künstler. Sie lebten in noch nicht renovierten
Altbauwohnungen, im unattraktiven Mauerrandgebiet, aber dies bot die Möglichkeiten,
die sie noch nie zuvor geboten bekommen hatten. Der vor Barbara Lang analysierten
Artikel in die Morgenpost aus dem 15.11.1964 porträtieren die Künstlerviertel so:
Kreuzberg „ist und bleibet einer der typischsten Bezirke Berlins: Hier würde
Zille heute noch einige seiner Typen und Motive finde. Hier passt immer noch
Paule mit dem Leierkasten hin. Hier begegnet einem jetzt noch »een Stück von
det olle Berlin«. (…) Und die Menschen (…) Sie sagen zum wildfremden
Busnachbarn nicht Herr, sondern Männeken, sie gehen nicht tanzen, sondern
zum Schwof. Ein wenig rauh ist manchmal der Ton in SO 36, und wer allzu
24
25
Vgl. Lang, B. (1998): Mythos Kreuzberg: Ethnographie eines Stadtteils (1961-1995)., S. 116.
Lang, B. (1998): Mythos Kreuzberg: Ethnographie eines Stadtteils (1961-1995)., S. 116.
- 21 -
»fürnehm« tut, bleibe lieber in seiner Gegend. Aber wer ihn liebt, der herben
Hinterhof-Charme, der wird schnell Freunde finden!26
Der Stadtteil Kreuzberg in sechziger Jahren war bekannt durch den Treff der Bohèmens,
der Verkannten und der Intellektuellen. Derzeit vergleicht man dieses Stadtviertel mit
Heampstead in London, Greenwich Village in New York oder St.Germain des Près in
Paris.27 Dank der Kreuzberger Bohème ist dieses Stadtviertel Zentrum einer lebendigen
und innovativen Szene geworden.
4. Die siebziger und achtziger Jahre in Kreuzberg
In den siebziger und den frühen achtziger Jahren war Kreuzberg nicht mehr ein
romantischer Aussteigerort für Bohèmens, sondern entwickelte sich immer mehr zu
einem problematischen Randbezirk. Die neuen sozialen Bewegungen suchten in
Kreuzberg einen Ort, an dem sie ihre alternativen Lebens-, Wohn-, und Arbeitsformen
realisieren konnten. Politisch wurde Kreuzberg zum Agitationsraum Nr.1 im Kampf
gegen das »Schweinesystem« und die Punks, die in der bundesrepublikanischen
Gesellschaft keine Zukunft für sich selbst sahen. Sie fanden in Kreuzberg einen
passenden Ort, wo man dieser Gesellschaft symbolisch den Rücken kehren konnte.28
Wie Barbara Lang in ihrem Buch beschreibt, ist Kreuzberg von Berliner Montmartre
zum „Ghetto“ geworden. In einem Artikel der FAZ erschien:
„Kreuzberg ist »deprimierendes«, »hässlich-abstoßendes« und »entsetzliches« Ghetto
mit allen Zeichen des Zerfalls, der Verwahrlosung, des Elends.“ 29
Neben den Punks und anderen Bewegungen waren in Kreuzberg auch die
Studentenbewegungen aktiv. Sie mobilisierten sich primär in den Stadtvierteln
Charlottenburg, Wilmersdorf oder Dahlem. Erst nach dem Attentat auf Rudi Dutschke
am 11. April 1968 veränderte sich die Situation schlagartig. In Kreuzberg entstand nun
eine wilde, linke Theaterszene, die von dem Regisseure Peter Stein gegründet wurde.
26
Zitiert von Barbara Lang, (1998): Mythos Kreuzberg: Ethnographie eines Stadtteils (1961-1995)., S.
116.
27
Vgl. Lang, B. (1998): Mythos Kreuzberg: Ethnographie eines Stadtteils (1961-1995)., S. 116.
28
Vgl. Lang, B. (1998): Mythos Kreuzberg: Ethnographie eines Stadtteils (1961-1995)., S. 120.
29
Lang, B. (1998): Mythos Kreuzberg: Ethnographie eines Stadtteils (1961-1995)., S. 120.
- 22 -
Legendär war auch unter dem Theater gelegene Kneipe Zodiak, die als Proben- und
Auftrittsort von Gruppen wie Tangerine Dream gegründet wurde. Zodiak war
Geburtsort der elektronischen Musik. Die Studenten wohnten damals in den frei
gewordenen Wohnungen, wie beschreibt Martin Düspohl in ihrem Buch:
„Sie richteten sich mit Möbeln vom Sperrmüll ein und fühlten sich wohl in dem
morbiden Ambiente der zum Abriss freigegebenen Quartiere, lebten von
Gelegenheitsjobs und experimentierten mit neuen Lebensformen: Ihren Alltag
bestimmten Musik, Kunst, freie Liebe und Marihuana, später auch härter
Drogen.“30
Mit den ausländischen Nachbarn verband die Studenten anfänglich wenig. Viele junge
Leute, die nach Kreuzberg kamen, stammten aus der schwäbischen Provinz. Sie bildeten
bald eine eigene große ethnische Kommunität, die sogar größer als die türkische
Kommunität in Kreuzberg wurde. Zu den Neu-Kreuzbergern gehörten damals die
Brüder Peter, Gert und Ralph Möbius von dem Hoffmann Comic Theater. Dies war eine
linke Theatergruppe, die aus dem Hessischen stammte. Die Gruppe zog in eine
Fabriketage in Oranienstraße 45. Bei Auftritten trug sie fantasievolle Masken, hantierte
mit stilisierten Requisiten und zum Abschluss jeder Szene wurde ein Song gespielt. 31
4.1 Die erste Hausbesetzung
In der Mitte der siebziger Jahre stand das Diakonissen-Krankenhaus Bethanien am
Mariannenplatz leer. Die Architektin Sigrid-Zschach plante den Abriss. Es sollte ein
großer Wohnungsneubau dort entstehen. Dagegen agitierte ohne große Resonanz eine
Stadtteilgruppe. Gegenüber hatte eine Lehrlingsgruppe in einem Fabrikgebäude am
Mariannenplatz ein selbst verwaltetes Jugendzentrum gegründet und weitere Räume
besetzt. Fernsehen und Rundfunk wurden schnell darauf aufmerksam. Eine Gruppe des
Süddeutschen Rundfunks geriet auf dem Mariannenplatz in eine Auseinandersetzung
zwischen Polizei und Besetzern. Aus dieser brodelnden Stimmung entstand der Plan,
einen Teil des Bethaniens zu besetzen. Am 8. Dezember 1971 starteten daher die
Aktivisten bei einem Auftritt der „Scherben“ (eine damalige Band) ein Aufruf für die
30
31
Düspohl, M. (2009): Kleine Kreuzberg Geschichte., S. 127.
Vgl. Düspohl, M. (2009): Kleine Kreuzberg Geschichte., S. 127-129.
- 23 -
Besetzung des Bethaniens. Hunderte Menschen strömten nach dem Konzert in die Alten
TU-Mensa und nahmen das ehemalige Schwestern-Wohnheim des Krankenhauses in
Besitz. Die Polizei nahm damals keine Notiz von der Besetzung. Wenige Tage zuvor
wurde Aktivist des anarchistischen Linken Georg von Rauch erschossen und die
Besetzer benannten das Haus nach ihm. Nach langen Verhandlungen gelang die
Duldung der Besetzung. Im Jahre 1972 beteiligten sich die Rauch-Haus-Jugendlichen
an politischen Kampagnen wie den Protesten gegen die Fahrpreiserhöhungen der BVG.
Am 1.Mai 1972 fand in Zusammenarbeit dieser Gruppen das erste große Fest am
Mariannenplatz statt. Dies entwickelte sich zu einer langen Tradition von Straßenfesten
in Berlin. Nach Besetzung des Bethanien in West-Berlin kam es in weiteren 400 Städten
in der BDR zu Hausbesetzungen.32
Am 5. Juni 1977 wurde die leerstehende Feuerwache in der Reichenberger Straße von
den Stadtteilgruppen besetzt. Sie wollten dort ein Kommunikationszentrum aufbauen.
Sechs Wochen später wurde aber der Raum von der Polizei zwangsgeräumt und
abgerissen. Im Frühjahr 1981 bekam die Hausbesetzerbewegung einen Aufschwung, die
niemand erwartet hat. Fast jeden Tag wurden in Kreuzberg, aber auch in anderen
Bezirken leer stehende Mietshäuser besetzt. 33
„Die Bewegung nutzte das Machtvakuum, das durch den Legitimationsverlust
des Berliner Senats (Garski-Bauskandal, Wohnungsnot usw.) entstanden war,
und ging in die Offensive. Träume von einer »Freien Republik Kreuzberg«
schienen wahr zu werden. Eine eigene Infrastruktur der Szene entstand: ein
Frauenstadtteilzentrum in der Mariannenstraße, ein Bauhof für Besetzer in der
Manteuffelstraße, das Kunst- und Kulturzentrum »KuKuCK«, der
Kinderbauernhof an der Adalbertstraße, das Gesundheitszentrum mit den
autonomen Sanitätern im »Heilehaus« Waldemarstraße sowie verschiedene
große Projekte, in denen alternative Formen des Zusammenlebens und –
Arbeitens entwickelt und erprobt wurden“34
Der SPD/FPD-Senat trat am 15. Januar 1981 zurück. Ein Interims-Senat regierte bis zu
den von der Opposition durchsetzen Neuwahlen weiter. Der Interims-Senat entwickelte
die „Berliner Linie der Vernunft“. Die besetzten Häuser sollten demnach nur geräumt
32
Vgl.Düspohl, M. (2009): Kleine Kreuzberg Geschichte., S. 132-133.
Vgl. Düspohl,M. (2009): Kleine Kreuzberg Geschichte., S. 139-140.
34
Düspohl, M. (2009): Kleine Kreuzberg Geschichte., S. 140.
33
- 24 -
werden, wenn es die Eigentümer verlangen und die Voraussetzungen für den sofortigen
Beginn von Sanierungsmaßnahmen vorliegen. Im März ließ der Senat drei besetzte
Häuser räumen und versuchte danach andere Hausgemeinschaften mit ständigen
Durchsuchungen und Ermittlungen weiter unter Druck zu setzen. Bei einer
Durchsuchungsaktion wurde am 7. April 1981 der gesamte Besetzerrat festgenommen.
Es wurde insgesamt 132 Leute verhaftet, unter anderem auch der Sohn des damaligen
Polizeipräsidenten. Die Nummer der besetzten Häuser wuchs an. 1981 waren in Berlin
169 Häuser besetzt, allein 80 davon im Stadtviertel Kreuzberg. Die Situation verschärfte
sich als der Bausenator Rasremborski veranlasste, neun besetzte Häuser zu räumen. Die
Besetzter riefen den Krieg aus. Am 22. September 1981 kam es zur radikalen Räumung
von acht besetzten Häusern, dabei wurde der junge Demonstrant Klaus-Jürgen Rattay
von einem BVG-Bus überfahren.35
Der stetige Anstieg der Gewalt beider Seiten entfernte sich immer weiter von dem
gewünschten Ziel einer friedlichen Lösung. Man diskutierte intensiv über Legalisierung
der besetzten Häuser. Im September 1983 unterzeichnete der Senat einen Vertrag,
indem festgelegt wurde, dass acht besetzte Häuser in Kreuzberg legalisiert und
selbstverwaltet saniert werden können. Im Februar 1982 entstanden zwölf Grundsetzte
der „Behutsamen Stadterneuerung“, die in Kurzfassung lauteten:
1. Die Erneuerung muss mit den Bewohnern geplant und substanzerhaltend
realisiert werden.
2. Planer,
Bewohner
und
Gewerbetreibende
sollen
in
Zielen
und
Erneuerungsmaßnahmen übereinstimmen. Technische und soziale Planung
müssen Hand in Hand gehen.
3. Die Eigenart Kreuzbergs soll erhalten und Vertrauen wiedergeweckt werden.
Substanzbedrohende Bauschäden sind sofort zu beseitigen.
4. Behutsame Grundriss-Änderungen sollen neues Wohnen ermöglichen.
5. Erneuerung soll stufenweise erfolgen.
6. Der Bestand soll durch wenige Abrisse, Hofbegründung und Fassadengestaltung
verbessert werden.
35
Vgl. Düspohl, M. (2009): Kleine Kreuzberg Geschichte., S. 140.
- 25 -
7. Öffentliche
Einrichtungen,
Straßen,
Plätze
und
Grundflächen
sind
bedarfsgerecht zu erneuern und zu ergänzen.
8. Beteiligung und materielle Rechte der Betroffenen bei der Sozialplanung müssen
geregelt werden.
9. Alle Entscheidungen müssen offen gefunden und möglichst vor Ort diskutiert
werden. Betroffenenvertretungen sind zu stärken.
10. Stadterneuerung bracht Vertrauen, feste Finanzzusagen und Gelder, die schnell
und fallbezogen bereitstehen.
11. Neue Trägerformen sind zu entwickeln, treuhänderische Sanierungsaufgaben
und Baumaßnahmen sind zu trennen.
12. Die behutsame Stadterneuerung muss langfristig gesichert sein. 36
Die Modernisierung und Instandsetzung der Wohnungen geschah häufig in baulicher
Selbsthilfe zusammen mit den Initiativgruppen. Insgesamt wurden 90 000 Quadratmeter
Gewerbeflächen modernisiert, so entstanden neue Gewerbehöfe und kleinere Fabriken.
Neben den schnellen Instandsetzungen wurden die Errichtung von Kindertagesstätten
und Nachbarschaftstreffpunkten sowie die Verbesserung der Schulgebäude betrieben.
Es wurde auch ein neues Kreuzberger Zentrum geschaffen und weitere Projekte
realisiert. Im März 1987 nahmen viele Stadteilbewohner an der Protestaktion „Berlin
wird helle“ gegen die geplante Aufhebung der gesetzlichen Mietpreisbindung teil. Der
Demonstrationstag fiel auf den 1.Mai, Ausschreiten und Krawalle wiederholen sich
seitdem regelmäßig bis heute. 37
36
37
Düspohl,M. (2009): Kleine Kreuzberg Geschichte. , S. 143-144.
Düspohl,M. (2009): Kleine Kreuzberg Geschichte., S. 146.
- 26 -
4.2 Mauerfall 9. November 1989 und seine Folgen
Am 9. November 1989 fiel nach über 28 Jahren die Berliner Mauer. Für Kreuzberg aber
auch für Friedrichshain bedeutete die Überwindung der betonierten Grenze die
Rückkehr ins Herz der Stadt.
„Noch in der Nacht war die Oberbaumbrücke über die Spree wieder passierbar
–allerdings nur von Ost nach West. Morgens rollten Trabis und Ladas über den
Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße zum Moritzplatz. Quasi über Nacht war
Kreuzberg von seinem Nischendasein wieder ins Zentrum Berlins gerückt. Der
Weg zurück in die Berliner Normalität verlief aber alles andere als geradlinig.
Schon bald griff die Furcht um sich, der Kreuzberger Ortsteil SO 36 könne im
Zuge der Wiedervereinigung und später des Regierungsumsatzzuges Heimstatt
für Yuppies und Besserverdienende werden, zum Nachteil der dort lebenden
Bevölkerung.“ 38
Stattdessen wurde aber Kreuzberg ärmer und die Erwerbslosigkeit stieg an. Die
türkischen Arbeitnehmer mussten ihre Arbeitsplätze den billigeren Kollegen aus dem
Ostteil überlassen. Kleine Geschäfte im Kiez konnten dem Druck nicht standhalten und
zogen um oder schlossen ihre Türe für immer. Die günstigen noch nicht sanierten
Wohnungen in den Ostbezirken wie Friedrichshain oder Mitte zogen vor allem die
Studenten an. Viele Familien nutzten die Möglichkeit mit staatlichen Hilfen ein
Reihenhaus zu erwerben oder zogen in ein renommierteres Stadtviertel um. 39
„Von der Hauptstadtentscheidung des Deutschen Bundestages, dem
Hauptstadtvertrag und den im Berlin-Bonn-Gesetz getroffenen Entscheidungen,
das neue politische Zentrum des Staates in Berlin zu schaffen, blieben auch die
weiteren städtebaulichen Planungen in den Bezirken Friedrichshain und
Kreuzberg nicht unberührt. Sie eröffneten beiden zentrumsnahen Bezirken mit
ihren Wachstum Potenzialen (z.B. zwischen Alexanderplatz und Ostkreuz, an
den Regionalbahnhöfen, dem Spreegürtel entlang der Schlesischen Straße und
dem Gebiet um die Kochstraße) Entwicklungschancen.“40
38
Duspohl, M. (2009): Kleine Kreuzberg Geschichte., S. 149.
Vgl. Düspohl, M. (2009): Kleine Kreuzberg Geschichte., S. 150-151.
40
Chod, K.. und Schwenk, H. und Weißpflug, H. (2003): Berliner Bezirkslexikon FriedrichshainKreuzberg., S. 61.
39
- 27 -
5. Die neunziger Jahre
Die öffentlichen Mittel für die Stadterneuerung im Viertel Kreuzberg wurden drastisch
gekürzt, weil das vorhandene Geld im Ostteil dringender benötigt wurde. Mieterläden,
Beratungseinrichtungen und viele Initiativen mussten ihre Aktivitäten einstellen. Für
manche war Kreuzberg 36 am Ende der 90er ein „Loser-Bezirk“ geworden. Es waren
aber auch positive Tatsachen in Kreuzberg zu verzeichnen, z.B. eine gute Versorgung
mit Kindereinrichtungen, Schulen und Geschäfte für den täglichen Bedarf, die gute
Nachbarschaft und vor allem das Zusammengehörigkeitsgefühl im multikulturellen
Kiez. Auch die Kultur-, Bildungs- und Vergnügungsangebot war sehr hoch anzusehen.
„Die zweite und dritte Generation der Arbeitsmigranten war in den 90er Jahren
schon viel stärker mit den Lebensbedingungen des Aufnahmelandes ihrer Eltern
und Großeltern verwachsen – nur dass diese sich inzwischen auch verändert
hatten.“ 41
Deutschland und Berlin waren vornehmlich im Westen in vielerlei Hinsicht
internationaler geworden. Lebensgewohnheiten, Geschmack und die deutsche Sprache
hatten sich auch unter dem Einfluss der Migration verändert.
„Trotzdem wird bei türkischstämmigen Jugendlichen, die in Berlin-Kreuzberg
geboren sind und nur noch wenig Kontakt zum Heimatland ihrer Eltern oder
Großeltern haben, und die die türkische Sprache, insbesondere die
Schriftsprache, nur unzureichend oder gar nicht beherrschen, heute –mehr als
zwanzig Jahre – ein wachsender „türkischer Nationalismus“ beobachtet, häufig
gepaart mit einer neuen Frömmigkeit, also Hinwendung zu den Angeboten der
Moscheevereine.“42
Diese Entwicklung ist auch ein Ergebnis der Nachwendezeit. Die wirtschaftlich
unabhängigen und mobilen Bevölkerungsteile kehrten dem Bezirk nach und nach den
Rücken. Die ethnische und soziale Durchmischung war in SO 36 in vielen Straßenzügen
und in den Schulen bald nicht mehr vorhanden.
41
42
Düspohl. M. (2002): Kleine Kreuzberg Geschichte. S. 152.
Düspohl.M. (2002): Kleine Kreuzberg Geschichte. S. 152.
- 28 -
Der Ausländeranteil in Kreuzberg stieg stetig an, daher ist das Stadtviertel noch
multikultureller geworden. Im Unterschied zu den 60er und 70er Jahren, als in
Kreuzberg vor allem türkische Mitbürger lebten, wohnen in den 90er Jahren viele
unterschiedliche Kulturen und Menschen aus ganzen Europa und sogar der ganzen Welt
im Stadtviertel. Viele von diesen zugezogenen Menschen waren politische Flüchtlinge.
Die Gründe für das Verlassen ihrer Heimat waren Kriege, Folter, Repression oder
rassistische Verfolgung. Im Stadtviertel Kreuzberg fanden palästinensische Flüchtlinge
aus dem Libanon, iranische Flüchtlinge, politisch Verfolgte aus dem Irak und
Afghanistan, Anhänger der politische Opposition gegen die Militärdiktaturen in Polen
und Türkei, Kurden oder auch Juden aus den GUS Staaten eine neue Heimat. Auch
heute noch bilden sie einen beträchtlichen Anteil der Kreuzberger Bürger. Die
bevölkerungsgrößte Gruppe unter ihnen bilden die Polen und die Palästinenser.
Die Migranten aus der Türkei bilden in Kreuzberg eine große Kommunität mit einer
eigenen Infrastruktur. Die polnischen Mitbürger bemühten sich ebenfalls schnell sich an
das neue Leben anzupassen. Daher hinterließen sie Spuren auch im Kreuzberger
Kulturbetrieb. In der Oranienstraße 34 saß der Polnischer Sozialrat, welcher Beratung
und verschiedene Veranstaltungen für Zuwanderer aus Polen bietet. Auf dem
Höhepunkt der Fluchtbewegungen nach Deutschland 1992 stellten insgesamt 438 191
Menschen einen Asylantrag. Im folgenden Jahr wurde das Asylgesetzt in Deutschland
stark verändert und die Zahlen sanken rapide. 43
Es kam auch zu einer großen Veränderung im äußeren Bild des Stadtviertels. Zwischen
1990 und 1997 wurden über 5500 Baugenehmigungen erteilt und über 270 Neubauten
errichtet. Das Kreuzbergdenkmal wurde mit einem Kostenaufwand von ca. 6,5 Million
DM rekonstruiert, ebenso wie die Thomas-Kirche und andere Baudenkmale. Im
historischen Areal SO 36 hielten Studios und Büros im alten Fabrikgebäude Einzug, das
Gebiet erhielt nach dem Mauerfall eine besonders günstige Anbindung an den
Friedrichshainer Teil. Auch im Beriech der alten Industriestandorte siedelten sich neue
Gewerbe und Dienstleistungsbetriebe an. 44
43
Düspohl, M. (2002): Kleine Kreuzberg Geschichte. S 154-155.
Chod, K. und Schwenk, H. und Weißpflug, H. (2003): Berliner Bezirkslexikon FriedrichshainKreuzberg., S. 63-64.
44
- 29 -
Ein bedeutender Anlass des 90er ist die Bezeichnung der Oberbaumbrücke (siehe
Anhang. Nr.6) als Symbol des alten Bezirks. Am 14. Oktober 1995 kam eine
Wiederinbetriebnahme der U-Bahn Strecke. Die Linie U1 fuhr nun zum ersten Mal nach
der Wende durch Oberbaumbrücke von der östlichen Warschauer Straße zum
westlichen Schlesischen Tor und zurück.45
Bis 1997 wurden in Kreuzberg zahlreiche Baugenehmigungen erteilt und über eine
Vielzahl an Neubauten errichtet. Das historische Zeitungsviertel um die Kochstraße
herum, wurde durch den Axel-Springer-Komplex bebaut und ein „World Fashion
Center“ aufgebaut, dies soll an die Kreuzberger Tradition als Textilstandort erinnern.
Auch im Bereich der Industriestandorte an der Schlesischen Straße (Siehe Anhang.
Nr.7) siedelten sich
neue Gewerbe- und Dienstleistungsbetrieben an. Alte
Industriestandorte wurden durch neue Konzepte wirtschaftlich wiederbelebt.
5.1 Die East Side Gallery
Der längste erhaltene Abschnitt der Berliner Mauer steht an der Grenze zwischen
Kreuzberg und Friedrichshain. Dieses Mauerstück ist etwa 1,3 Kilometer lang und
wurde im Frühjahr 1990 von Künstler aus 21 Ländern verschönert. Eines der
bekanntesten Bilder der East Side Gallery ist ein durch die Mauer brechender Trabant
von Birgit Kinder, als Symbol der Wiedervereinigung. (Siehe Anhang. Nr.8) Neben
diesem Bildnis hat der russischen Künstler Dmitrij Vrubel einen Bruderkuss zwischen
Erich Honecker und Leonid Iljitsch Brezhnev dargestellt. (Siehe Anhang Nr.9) Dieses
riesige Ensemble aus vielen verschiedenen Bildern wurde offiziell im September 1990
eröffnet. Anfänglich war geplant, dieses verbleibende Stück Berliner Mauer als
Wanderausstellung durch die ganze Welt zu schicken. Dies würde aber durch die
deutsche Stiftung Denkmalschutz verhindert, welche das Gesamtkunstwerk im
November 1991 unter Denkmalschutz stellte und somit den Abbau der
East Side
Gallery verhinderte. Auch in der Gegenwart ist das Bildensemble an der Berliner Mauer
ein beliebtes Reiseziel von Menschen aus aller Welt.
45
Chod, K.. und Schwenk, H. und Weißpflug, H. (2003): Berliner Bezirkslexikon FriedrichshainKreuzberg., S. 63.
- 30 -
6. Die Fusion von Kreuzberg und Friedrichshain am 1.1.2001
Der letzte große Einschnitt in der Kreuzberger Geschichte war der Verlust seiner
selbstständigen Existenz als Bezirk im Jahre 2001. In der Bezirksreform wurde
festgelegt, dass der Stadtteil Kreuzberg mit dem ehemaligen Ostberliner Stadtviertel
Friedrichshain fusioniert. Diese Reform trat am 1. Januar 2001 in Kraft. Nach
jahrelangen Diskussionen hatte sich der damalige Koalitionsausschuss der Berliner SPD
und CDU darauf geeinigt, die Zahl der Bezirke zu reduzieren. (vgl. Kapitel 1, S.) Es war
das größte Reformprojekt in der Verwaltung der Hauptstadt seit 1920. Die fusionierten
Bezirke Friedrichshain und Kreuzberg hatten im Jahr 2001 ungefähr 250 000
Einwohner und einer Gesamtfläche von 2016 ha.46
Die beiden Ortsteile verbindende Oberbaumbrücke ist zum Symbol des neuen Bezirks
geworden.
„ Eine Viertel Million Menschen aus ungefähr 148 Nationen und Ethnien lebt
heute im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg friedlich zusammen – manchmal eher
nebeneinander als miteinander. Über die Jahre und Jahrhunderte hinweg gaben
die Kreuzberger durch die Vermischung ihrer jeweiligen Traditionen und
Kulturen und mit ihrem Gestaltungswillen und ihrer Durchsetzungskraft der
lokalen Gesellschaft immer mehr wieder ein neues Gesicht. „47
Der fusionierte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist ein bedeutender wirtschaftlicher
Standort geworden. Gleiches gilt auch für die kulturellen Traditionen. Als Kulturmagnet
zählen die Theater, die Museen, zahlreiche Ausstellungsprojekte und die Galerien. Sehr
bedeutend ist der Ausstellungsort „Topographie des Terrors“ geworden. Weitere
Attraktionen sind Kabaretts, Kinos, Kneipen und Restaurants. Der neue Fusionsbezirk
verfügt über 18 öffentliche Bibliotheken. 48
46
Vgl. Chod, K. und Schwenk, H. und Weißpflug, H. (2003): Berliner Bezirkslexikon FriedrichshainKreuzberg., S. 65.
47
Düspohl, M. (2009): Kleine Kreuzberg Geschichte., S. 157.
48
Chod, K. und Schwenk,H. und Weißpflug, H. (2002): Berliner Bezirkslexikon FriedrichshainKreuzberg., S. 64.
- 31 -
6.1 Topographie des Terrors
Auf dem heutigen Gelände der Ausstellung „Topographie des Terrors” befanden sich
von 1933 bis 1945 die wichtigsten Zentralen des nationalsozialistischen Terrors im
deutschen Reich. Hier befanden sich die Reichsführung der SS, das Geheime
Staatspolizeiamt und während des Zweiten Weltkriegs auch das Reichssicherheitshauptamt. Nach dem Ende des Krieges wurde das Gelände vollständig planiert. Erst
1987 wurde es unter dem Namen „Topographie des Terrors” der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht. Unter den zahlreichen Erinnerungsorten, Denkmälern und Museen
über die nationalsozialistische Zeit in Berlin nimmt die „Topographie des Terrors” als
„Ort der Täter” eine besondere Stellung ein.49 Im Zentrum der Hauptstadt informiert sie
am authentischen Ort über die Zentralen des SS- und Polizeistaats und macht die
europäische Dimension der NS-Schreckensherrschaft sichtbar. Es soll als Mahnmal
gesehen werden. Die Eröffnung des Dokumentationszentrums „Topographie des
Terrors“ sowie des neu gestalteten historischen Geländes erfolgte am 6. Mai 2010.
6.2 Bezirksmuseum Friedrichshain-Kreuzberg
Seit 1978 beschäftigte sich das Kunstamt Kreuzberg mit der Historie des Stadtviertels
und seit 1990 hat das Museum ein eigenes Haus in der Adalbertstraße. Auch das im
Jahre 1987 entstandene Heimatmuseum in Friedrichshain verbarg interessante Schätze
und deshalb wurden im Jahre 2005 nach der Fusion der beiden Stadtviertel auch beide
Museen zusammengeführt. Seither trägt die Institution den Namen Bezirksmuseum
Friedrichshain-Kreuzberg. Das Museum und seine Mitarbeiter befassen sich mit der
Geschichte beider Ortsteile. Als Ausstellungs- und Veranstaltungsort trägt das
gemeinsame Haus in der Adalbertstraße den Namen Kreuzberg Museum. ( siehe
Anhang. Nr.10) Das Fabrikgebäude, wo sich die Veranstaltungen befinden, bietet einen
authentischen Hintergrund für die historische Druckerei und Setzerei des Museums.
Ursprünglich befand sich dieses Gebäude im Hinterhof, aber im Zuge der ersten
Sanierung wurde es am Anfang der siebziger Jahre abgerissen. So entstand vor dem
Gebäude Platz für Spielflächen und eine Grünanlage. Der Altbau wurde komplett
restauriert.
49
Vgl. URL:< http://www.topographie.de/historischer-ort/>[zi.2011-05-24].
- 32 -
Das Museum funktioniert als Gedächtnis des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Zu
dem wichtigsten Arbeitsbereich gehört ohne Zweifel das umfangreiche Archiv zur
Geschichte beider Ortsteile. Dazu bietet das Museum wechselende Ausstellungen zur
Regional- und Stadtgeschichte. Es geht vor allem um Themen wie Zuwanderung,
Industrie und Gewerbe. Weiterhin wird in einer Dauerausstellung zu der
Stadtentwicklung und Migrationsgeschichte informiert.
In der ersten Etage ist derzeitig eine Ausstellung mit der Name: Stadtentwicklung,
Stadtsanierung und Protestbewegung: Geschichte wird Gemacht! Diese Ausstellung
wurde von mehr als 60 Leute errichtete und sie zeigt die Geschichte der Stadtsanierung
und Protestbewegungen am Kottbusser Tor.
Dem Bezirksmuseum Friedrichshain-Kreuzberg unterliegt auch das lokalgeschichtliche
Archiv und die Studiensammlung, die als Serviceeinrichtung funktioniert. Es ist ein
sogenanntes Beratungsbüro z.B. für Wissenschaftler, Lehrer und Schüler oder
Geschichtswerkstätten. Die Sammlung des Museums dokumentiert die historische
Stadtgestaltung und das Leben in Kreuzberg und Friedrichshain durch verschiedene
Materialien wie Fotos, Ansichten, Postkarten und anderes Bildmaterial. In der
Präsenzbibliothek
sind
hauseigene
Archiv-
und
Schriftensammlungen
zur
Friedrichshain-Kreuzberger und Berliner Geschichte.
Unter anderem veranstaltet das Museum verschiedene Stadtführungen wie Theodor
Fontane in Kreuzberg, Vom Kotti zum Bethanien das legendäre SO36, Juden in
Kreuzberg, Zeitungsstadt Berlin, Kreuzberg radikal oder X-Berg-Tag. Bei der
Veranstaltung X-Berg-Tag laden fünf türkische Kreuzbergerinnen die Besucher zu einer
Reise nach „Klein Istanbul“ in Kreuzberg ein. Inbegriffen ist der Besuch des
Kreuzbergmuseum, einer Kreuzberger Moschee und ein gemeinsames Mittagessen im
türkischen Restaurant. Das Bezirksmuseum bietet also den Besuchern viele
- 33 -
Möglichkeiten, diese Stadtviertel auch auf multikultureller Ebene besser zu
kennenlernen.50
6.3 1. Mai in Friedrichshain-Kreuzberg
Die Demonstrationen am 1. Mai haben eine lange Tradition. Als einer der ersten
traurigen Höhepunkte gilt ein Streit am 1. Mai 1929. Vorweg wurden sämtliche
Demonstrationen verboten um Unruhen in der Bevölkerung zu vermeiden. Als sich aber
am 1. Mai 1929 viele Menschen in mehreren Bezirken versammelten, griff die Polizei
unter Leitung des sozialdemokratischen Polizeipräsident Karl Zörgiebel ein und machte
von ihren Schusswaffen rigoros Gebrauch. Die traurige Bilanz der Tage vom 1. bis 3.
Mai 1929 sind 32 tote Demonstranten und mehrere Schwerverletzte. Die
Maidemonstration im Jahr 1929 ging als „Blutmai“ in die Geschichte ein.
Einen weiteren traurigen Höhepunkt des 1. Mai in Berlin kann auf das Jahr 1933 datiert
werden. Die Nationalsozialisten machten den 1. Mai zum „Feiertag der nationalen
Arbeit“ und im Reich wurden überall Großveranstaltungen organisiert, so kam es im
Jahr 1933 auch in Berlin zu einem „Nazi – Aufmarsch“. Auf dem Tempelhofer Feld
fand die damals angeblich größte Menschenversammlung aller Zeiten in Berlin statt. Es
nahm sich rund 1,5 Millionen Menschen an der Veranstaltung der Nationalsozialisten
und über allem wehten die Hakenkreuzfahnen.51
„Den Ausgangpunkt für die Tradition der eigenständigen Revolutionären 1.MaiDemonstration in Berlin legten die Ereignisse des Jahres 1987… Nach dem
Zerfall der Hausbesetzerbewegungen in Westberlin überlebten die Autonomen
als eigene politische Richtung, diversifizierten sich aber an viele Kleingruppen,
die sehr unterschiedliche Themenfelder zu ihrem jeweiligen Hauptanliegen
machten (Anti-AKW – vor allem Gorleben und Wackersdorf, Antimilitarismus,
Theoriefragen, Kaffeeklatsch-Kampagne, die Zeitschrift radikal). Insgesamt
wurde diese Zeit als Phase der Stagnation, ohne Bewegungsdynamik,
bewertet.“52
50
Vgl. URL:
<http://www.kreuzbergmuseum.de/fileadmin/user_upload/dokumente_presse/Imagebroschuere_BM_FK_
72dpi.pdf> [zit. 2011-05-21].
51
Rucht, D. (2003): Berlin, 1.Mai 2002 Politische Demonstrationsrituale., S. 24-25.
52
Rucht, D. (2003): Berlin, 1.Mai 2002 Politische Demonstrationsrituale., S. 57.
- 34 -
Die politische Großwetterlage in West-Berlin im Jahre 1987 war geprägt durch die 750Jahr-Feier Berlins und den Volkzählungsboykott. Kreuzberg war ein Stadtteil, in deren
die Hausbesetzerbewegung zwar durch die unterschiedlichsten repressiven und
integrativen Sozial- und Sicherheitsstrategien eingedämmt war, die sozialen und
politischen Widersprüche aber immer härter wurden. Das wurde besonders durch die
prekäre soziale Lage deutlich. So hatten etwa 50 Prozent der deutschen und etwa 70
Prozent der ausländischen Bewohner Kreuzbergs weder eine Ausbildung noch einen
Arbeitsplatz.
„In der Nacht vom 1. zum 2. Mai explodierte dieses Gemisch aus Frustration,
Wut und Armut im berühmt-berüchtigten Kiez-Aufstand von 1987. Am Vortag
hatte die Polizei eine Razzia in einem Volkzählungsboykott-Büro durchgeführt.
Daraufhin gab es den Versuch, am 1.Mai eine Spontandemonstration u.a. gegen
die Durchsuchung des Büros abzuhalten. Die Polizei verhinderte dies rigoros
und startete darüber hinaus laut Augenzeugenberichten Provokationen gegen
das Stadtfest am Lausitzer Platz in SO 36. Dieses wurde von vielen linken
Gruppen, die ein breites Spektrum (von radikal bis reformerisch) abdeckten,
getragen und organisiert. Daraufhin eskalierte die Situation vollends. Große
Teile der Stadtteilbevölkerung veranstalten zusammen mit Autonomen und
Migrantengruppen der zweiten und dritten Generation (vor allem aus der
Türkei), die diversen autonomen Publikationsorganen als treibende Kraft der
Ausschreitungen benannt werden, schwere Randale in SO36“53
So kam es zu mehreren Straßenschlachten zwischen den Einwohnern Kreuzbergs und
der Polizei, die sich gegen 23:00 Uhr aus dem Kiez rund um die Skalitzer Straße
zurückzog. Daraufhin wurden dutzende Geschäfte beschädigt und geplündert, darunter
auch der berühmte Supermarket „Bolle“ an der Wiener Straße, welcher vollkommen
abbrannte. Dessen Ruine steht noch immer und kann als Mahnmal betrachtet werden.
Erst in den frühen Morgenstunden (gegen 3:00) rückten verstärkte Polizeikräfte mit
Wasserwerfern, Panzerwagen und schweren Räumgeräten im Kiez an und brachte die
Lage unter
Kontrolle.
Bei
dieser
Krawallnacht
wurden
47
Demonstranten
festgenommen. Diese heftigen, sozialen Revolte und Ausschreitungen waren auch für
die Politiker der Stadt sehr überraschend. Insgesamt überwog die Sicht, dass die
Autonomen bei Krawallen als einzige politisch, bewusste Kraft aufgetreten seien.
Aufgrund des 1. Mai 1987 begannen einige autonome Gruppen mit der Organisierung
53
Rucht, D. (2003): Berlin, 1.Mai 2002 Politische Demonstrationsrituale., S. 57-58.
- 35 -
autonomer Stadtteilarbeit. Es sollte um die Übernahme einer Art von politischer
Verantwortung gehen, um die Sozialbeziehungen und um die Verankerung in
Kreuzberg. Die Stadtteilarbeit manifestierte sich u.a. in einer Reihe von Aktion zur
Wohnungsnot und zur Umstrukturierung.54
Die Straßenschlachten wiederholen sich in Kreuzberg jedes Jahr. Die betrunkenen
Randalierer, Linksautonome und junge Ausländer attackieren die Polizei mit Flaschen
oder Steinen. Die Sicherheitskräfte setzen jährlich Tränengas, Schlagstöcke und
Pfefferspray ein. Auf beiden Seiten sind jedes Mal zahlreiche Verletzungen zu
verzeichnen. (siehe Anhang Nr.11 ) Auch die Ausgaben für die Polizeieinsätze werden
von Jahr zu Jahr höher. Seit 2006 haben sich die Kosten rund um den
Demonstrationstag fast verdoppelt, dies belegt Martin Kaul in seinem Artikel: „1.Mai
kostet 5 Millionen Euro“, welcher im taz.de erschien:
„Demnach kostete die Polizei der Einsatz im Jahr 2006 noch rund 2,9 Millionen
Euro, im Jahr 2007 rund 2,8 Millionen Euro uns stieg dann jährlich an. Für das
Jahr 2008 beziffert die Polizei ihre Kosten auf rund 3 Millionen Euro, 2009 auf
rund 3,2 Millionen Euro. Der teuerste Einsatz folgte 2010 mit rund 5 Millionen
Euro.“55
III. Praktischer Teil
Im praktischen Teil dieser Abschlussarbeit werden eigene Untersuchung und
Erkenntnisse beschrieben. Die Untersuchung wurde im Zeitraum vom 21. April bis 25.
April 2011 in Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin durchgeführt. Der Bestandteil dieser
Erforschung war ein Fragebogen, der für Friedrichshainer und Kreuzberger Bewohner
festgesetzt war. Die Autorin dieser Arbeit absolvierte auch im Rahmen des DAAD
Stipendiums von der Universität Bayreuth ein kurzfristiger Studienaufenthalt in
Friedrichshain-Kreuzberg. Dieser Studienaufenthalt verlief vom von 1. bis 10.Oktober
2010 und die Autorin sammelte dort vor allem die notwendige Materiale für ihre
Abschlussarbeit.
54
55
Vgl. Rucht, D.(2003): Berlin 1.Mai 2002 Politische Demonstrationsrituale., S. 57-59.
Vgl. URL:< http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/1-mai-kostet-5-millionen-euro/>[zit. 2011-9-6].
- 36 -
1. Ziel der Forschung
Ziel der Forschung ist die Festgestellung, wie die heutigen Bewohner das Stadtviertels
Friedrichshain-Kreuzberg wahrnehmen. Weiterhin wurden spezifische Fragen zum
jeweiligen Stadtteil vor und nach der Wende gestellt.
2. Hypothesen:
H1 – Die Friedrichshainer werden unterschiedlich antworten auf die Fragen über
Wende, als die Kreuzberger.
H2 – Die Bewohner des heutigen Stadtviertels Friedrichshain-Kreuzberg sind stolz auf
die spezifische Atmosphäre und Multikulturalität in ihrem Stadtviertel.
H3 – In Kreuzberg sind auch manche Bewohner, die in Kreuzberg zu viele Türken
finden.
H4 – Den ersten Mai in Kreuzberg bedeutet für alle Menschen nur die Krawallen.
3. Beschreibung der Untersuchung und eigene Erkenntnisse
Die Untersuchung wurde im Zeitraum vom 21. April bis
25. April 2011 in
Friedrichshain-Kreuzberg durchgeführt. Es wurde insgesamt 105 Fragebogenexemplare
verschickt, 15 davon per E-Mail, wobei die Rückgewinnung leider nullstellig war. Von
insgesamt 105 Fragebögen wurden 50 beantwortet. 25 davon wurden von Bürgern aus
dem ehemaligen Stadtviertel Kreuzberg ausgefüllt und 25 von Bewohnern aus dem
ehemaligen Stadtteil Friedrichshain. Die Stückanzahl der Fragebögen ist absichtlich
homogen gewählt, damit die Forschung und die ermittelten Ergebnisse möglichst exakt
ausgewertet werden können.
Der Fragebogen war lediglich für Bewohner ab dem 40sten Lebensjahr bestimmt. Die
Bedingung für das Ausfüllen des Fragebogens war, dass die Menschen vor und nach der
Wende entweder in Friedrichshain oder Kreuzberg lebten. In Kreuzberg war es
besonders schwierig passende Respondierte zu finden, da hier vor allem Nicht-Berliner
- 37 -
oder nicht gebürtige Kreuzberger leben. Auch die Zusammenarbeit mit der türkischen
Bevölkerung gestaltete sich als sehr schwierig. Als Argument gegen das Ausfüllen des
Fragebogens wurde oft die Fremdheit der deutschen Sprache genannt, obwohl die
Mehrheit der Befragten die deutsche Sprache besser beherrschte als ich. Ein weiteres
Argument war, dass sich die türkischen Bewohner Kreuzbergs nicht als wirkliche
deutsche Bürger betrachten und somit nichts zur deutschen Geschichte Kreuzbergs
sagen konnten oder wollten. Auch meine Erläuterungen, dass sie ein wichtiger
Bestandteil Kreuzberges sind und dessen Geschichte maßgeblich geprägt haben, waren
vergeblich. Schlussendlich gestaltet sich die Erhebung des Fragebogens als äußerst
schwierig.
Wiederum große Bereitschaft fand ich bei den älteren Bewohnern Kreuzbergers. Die
mir auch versicherten, echte Kreuzberger zu sein. Ich traf sehr interessante und nette
Menschen, mit denen ich durchschnittlich eine Stunde sprach. Aus den geführten
Interviews erkannte ich schließlich, dass nicht nur junge Menschen, sondern auch ältere
Bewohner Kreuzbergs sehr tolerant und aufgeschlossen sind. Sie wirkten sehr stolz auf
ihr multikulturelles Stadtviertel. Meine Erkenntnis, dass die Mehrheit von den
Kreuzberger Bürgern kaum oder sogar keine Vorurteile gegenüber Ausländer haben, hat
mich fasziniert. Diese Entwicklung ist natürlich in Großstädten ganz normal, aber nicht
ganz Berlin ist so „bunt“, voll von Freiheit und Demokratie wie der Stadtteil Kreuzberg.
Die Annäherung der spezifischen Atmosphäre im heutigen Friedrichshain-Kreuzberg ist
im Anhang Nr. 12 und 13.
Der Fragebogen enthält insgesamt zehn Fragen. Fünf Fragen waren geschlossene
Fragen (Frage Nr. 1,2,4,6 und 8). Bei den übrigen fünf Fragen (3, 5,7,9 und 10) hatten
die Befragten genügend Platz ihre Antworten zu erweitern. Der vollständigen
Fragebogen befindet sich im Anhang Nr. 14. Ich war bemüht die Fragebögen in
persönlicher Begegnung zu verteilen, da ich mir so eine größere Resonanz auf meine
Fragen erhoffte. Weiterhin verteilte ich meine Fragenbögen in verschiedenen Straßen in
Kreuzberg, um eine Objektivität zu schaffen. Die Forschung in Kreuzberg lief in der
Umgebung von der U-Bahn Stationen: Schlesischen Tor, Kottbusser Tor, im Viktoria
Park, im Görlitzer Park und in der Oranienstraße in SO 36. In Friedrichshain fand die
- 38 -
Befragung in der Umgebung von der U-Bahn Station Frankfurter Tor, im Volkspark
Friedrichshain, am Boxhagener Platz und an der Karl-Marx-Allee statt.
3.1 Reliabilität
Bei der widerholten Befragung kann man ähnliche Ergebnisse erwarten und deshalb ist
die Reliabilität verlässlich.
3.2 Validität
Die Validität ist genügend, weil die geforderten Daten gesammelt wurden. Der
Fragebogen, den ich persönlich verteilt habe, kann als bessere Forschungsmethode
gegenüber dem E-Mail Versand, ansehen werden. Das Versenden des Bogens per EMail erfüllte keinerlei Erwartungen. Aus 15 E-Mails, die vor allem an Ämter,
Organisationen, Museums, Bibliotheken und Schulen verschickt wurden, bekam ich
keine Reaktion. Diese Methode ist deshalb als ungenügend anzusehen.
3.3 Repräsentativität / Objektivität
Es wurde 50 vollständig ausgefüllten Fragebögen gesammelt, wobei der männliche
Anteil der Befragten höher ist als der weibliche Anteil (58% zu 42%). Insgesamt wurde
105 Fragebogen verteilt. 15 Fragebögen habe ich per E-Mail versandt, die übrigen 90
Fragebögen habe ich persönlich verteilt. Von den 90 verteilten Fragebögen bekam ich
exakt 50 ausgefüllte Fragebögen zurück, somit wurden 52,2 % aller Fragebögen
ausgefüllt und mir zurück gesandt.
4. Auswertung der Fragen
Von allen Befragten sind 58% männlich und 42% weiblich. Der größte Teil der
Respondierten ist zwischen 41 bis 50 Jahren alt und somit beträgt ihr Anteil 42 %. 36 %
der Befragten ist zwischen 51 und 60 Jahren alt und 18 % der Respondierten zwischen
61 und 70. Lediglich 4 % der befragten Bewohner waren über 71 Jahre alt. 50% der
Respondierten wohnten in ehemaligen Ostteil Friedrichshain und 50% kamen aus dem
ehemaligen Stadtviertel Kreuzberg.
- 39 -
Frage Nr. 1 - Waren Sie VOR der Wende in Ihrem Stadtviertel mit
dem Lebensniveau zufrieden?
Die erste Frage gibt Auskunft über den Zufriedenheitsgrad der Bewohner mit ihrem
Lebensniveau in ihrem jeweiligen Stadtviertel vor der Wende. Im West-Berliner
Kreuzberg beantworteten 84 % der Bewohner mit zufrieden, 8 % waren unzufrieden
und wiederrum 8 % beantworteten diese Frage nicht. Im Ost-Berliner Stadtteil
Friedrichshain waren 52 % mit dem Lebensniveau zufrieden, 40 %
waren nicht
unzufrieden und 8 % der Respondierten beantworteten diese Frage nicht.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Bewohner beider Stadtteile mit dem
Lebensniveau zufrieden waren. In Kreuzberg antworteten wesentlich mehr mit
zufrieden, hier muss man aber auch den Hintergrund des besseren West-Berliner Lebens
allgemein betrachten. (Die Graphik Nr. 1 befindet sich im Anhang Nr.14)
Frage Nr. 2 - Sind Sie jetzt NACH der Wende in Ihrem Stadtviertel
mit dem Lebensniveau zufrieden?
Die zweite Frage gibt Auskunft über den Zufriedenheitsgrad der Bewohner mit ihrem
Lebensniveau in ihrem jeweiligen Stadtviertel nach der Wende Im West-Berliner
Kreuzberg sind 92 % der Bewohner zufrieden, 4 % unzufrieden und 4 % beantwortete
diese Frage nicht. Im Ost-Berliner Friedrichshain kreuzten 84 % zufrieden und 16 %
unzufrieden an. Diese Frage zeigt deutlich, dass die Bewohner der beiden Stadtviertel
nach der Wende noch zufriedener mit dem Lebensniveau sind. Vor allem aber in
ehemaligen Ost-Berliner Bezirk Friedrichshain. Derweil waren vor der Wende nur 52 %
Respondierten zufrieden, nach der Wende ist der Zahl auf 84% gestiegen. Auch die
Unzufriedenheit des Lebensniveaus in Friedrichshain ist gesunken von 40 % auf 16 %.
Dies zeigt eindeutig, dass der Fall der Berliner Mauer im Jahre 1989 auch die
Zufriedenheit der Menschen in beiden Stadtteilen stark ansteigen ließ und diese
politische Entscheidung auch eine Entscheidung für die dort lebenden Menschen
darstellt. (Die Graphik Nr. 2 befindet sich im Anhang Nr.14)
- 40 -
Frage Nr.3 - Lebten Sie in der näheren Umgebung von der Mauer?
Diese Frage wurde ebenfalls gegliedert, damit die daraus entstehende Graphik
möglichst exakt wird. Im ehemaligen West-Berliner Kreuzberg wohnten 24% der
Respondierten in näherer Umgebung von der Berliner Mauer, 60% wohnten nicht
direkt an der Mauer, sondern irgendwo anders in Kreuzberg, und 16% der Befragten
beantworteten diese Frage nicht. Die Kreuzberger haben die Berliner Mauer sehr
unterschiedlich wahrgenommen. 33% der Bewohner nahmen die Mauer neutral wahr,
33% wie eine feste Grenze, 17 % abstrakt und 17 % sehr stark.
In Friedrichshain sieht die Situation ganz anders aus. Bei der Mauer wohnte damals
32% der befragten Bewohner, 56% wohnte irgendwo anders in Friedrichshain und 12 %
der Respondierten beantworteten diese Frage nicht. 38% derjenigen, die in der näheren
Umgebung der Mauer lebten, nahmen die Mauer in wie die Grenze wahr, 37% sehr
schlecht und 25% der Respondierten hatten vor der sicher befestigten Berliner Mauer
Respekt. In der dazugehörigen Graphik wird noch einmal deutlich, dass die Situation
um die Berliner Mauer für Kreuzberger, aber auch für Friedrichshainer sehr schlecht
war. Die Friedrichshainer nahmen die Mauer noch schlechter wahr als die Kreuzberger,
da die Mauer von den DDR Grenztruppen gut bewacht wurde und Fluchtversuche
tödlich enden konnten. Ein weiteres Indiz für den enormen Respekt der DDR Bürger
vor der Mauer ist, dass die Mauer auf östlicher Seite kaum beschmiert oder gesprayt
war, von westlicher Seite zeigte sich hingegen ein anderes Bild. Hier wurden zahlreiche
Graffiti gesprayt. (Die Graphik Nr. 3 befindet sich im Anhang Nr.14)
Frage Nr.4 - Kennen Sie jemanden, der erfolgreich aus der DDR nach
Kreuzberg fliehen konnte?
Diese Frage beweist, wie die Bewohner der beiden Stadtviertel Informationen erhalten
haben.
Während
die
Kreuzberger
meist
informiert
wurden,
bekamen
die
Friedrichshainer nur wenige Informationen über Fluchtversuche von Mitbürgern, daher
hatten sie oftmals keine Ahnung, was hinter der Mauer passierte. Die befragten
Friedrichshainer Bewohner kennen niemanden, der erfolgreich nach Kreuzberg fliehen
konnte. In Kreuzberg kennen lediglich 12% der Befragten jemanden, der aus Ost-Berlin
nach West-Berlin fliehen konnte. (Die Graphik Nr. 4 befindet sich im Anhang Nr.14)
- 41 -
Frage Nr.5 - Was sind Ihrer Meinung nach die drei größten Nachteile
und Vorteile Ihres Wohnorts?
Diese Frage befasst sich mit den Vor- und Nachteilen der beiden Stadtviertel. Die
Ergebnisse der Kreuzberger Befragung zeigt folgende Vorteile: 28 % nennen als größte
Vorteil die Multikulturalität, 20% führten auf, dass Kreuzberger Bürger keine Vorurteile
gegenüber Ausländer hat, 16% empfinden die gute Lage Kreuzbergs als Vorteil, 12%
betiteln Kreuzberg als einzigartig, 12 % finden Kreuzberg voll von Demokratie und
12% nennen die gute und zahlreiche kulturelle Betätigung als Vorteil.
Zu dem genannten Nachteile in Kreuzberg gehören vor allem die Krawalle am 1.Mai
und die Drogen, beide Nachteile beweisen mit 20% der Unzufriedenheit der dort
lebenden Bürger.
16% der Respondierten stört die Arbeitslosigkeit, weitere 16%
nennen den höhen Anteil der türkischen Bevölkerung als Nachteil des Stadtviertels.
12% der Respondierten beantworteten diese Frage nicht, 8% verurteilen die vielen
Neonazis in Kreuzberg und letzten 8 % bemängeln die steigenden Mietpreise.
Die Friedrichshainer benannten die Befragten als größte Vorteile ebenfalls die und das
Multikulturalität, mit 28% der Antworten, weiteren 28% der Respondierten empfinden
als n Vorteil die Kultur und die Clubs. 20% führen die gute Laune als einen Vorteil in
Friedrichshain an. 12% findet Friedrichshain sehr originell und spannend und weitere
12% beantworteten diese Frage nicht.
Der größte Nachteil in Friedrichshain ist die hohe Arbeitslosigkeit und dieses Problem
benennen auch 28% der Respondierten. 24% der Bewohner beantworteten diese Frage
nicht. 20% stören die Drogen, 20% die steigenden Mietpriese und 8 % der Bürger in
Friedrichshain bemängeln die stetig steigende Anzahl an Neonazis. (Die Graphik Nr. 5
befindet sich im Anhang Nr.14)
- 42 -
Frage Nr.6 - Denken Sie, dass Friedrichshain - Kreuzberg in der
Gegenwart gefahrlos ist?
Diese Frage erkundigt sich gezielt nach der Wahrnehmung von Gefahrenquellen im neu
fusionierten Stadtviertel Friedrichshain – Kreuzberg. Die Kreuzberger finden ihre
Stadtviertel zu 60% gefahrlos, zu 40%
finden ihre Stadtviertel gefährlich. Die
Friedrichshainer finden Kreuzberg mit 72% gefahrlos und mit 28% fanden sie das
Stadtviertel gefährlich. (Die Graphik Nr. 6 befindet sich im Anhang Nr. 14)
Frage Nr.7 - Was bedeutet für Sie der 1.Mai in Kreuzberg?
Diese Frage erfasst, wie die Bewohner den 1.Mai in Kreuzberg erleben. 56% der
Kreuzberger sehen den 1.Mai als großen Krawalltag an, 12% findet es gefährlich, 12%
als Demonstrationstag, weiteren 12% beantworteten diese Frage nicht und 8% der
Befragten nehmen den 1.Mai als Tag des Arbeiters wahr. 40% der Friedrichshainer
bezeichnen den Tag als „Tag der Randale“, 24% als große ausgehende Gefahr, 20%
nehmen den 1.Mai als ein ganz normaler Tag wahr und 16% haben den 1.Mai mit dem
Tag der Arbeit verbunden. (Die Graphik Nr. 7 befindet sich im Anhang Nr. 14)
Frage Nr. 8 - Würden Sie sich wieder für Friedrichshain - Kreuzberg
als Wohnort entscheiden?
Diese Frage beschreibt den Zufriedenheitsgrad mit dem Stadtteil FriedrichshainKreuzberg als Wohnort. 68% der befragten Kreuzberger würden sich wieder für
Friedrichshain-Kreuzberg als Wohnort entscheiden und die übrigen 32% würden einen
anderen Wohnort in Berlin wählen. Die Friedrichshainer würden sich mit 88% wieder
für den Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg entschließen, lediglich 12% würden sich für
anderen Wohnort in Berlin entscheiden. (Die Graphik Nr.8 befindet sich im Anhang Nr.
14)
- 43 -
Frage Nr. 9 - Worin liegt der „Zauber“ Kreuzbergs?
Bei dieser Frage geht es um den „Zauber“ Kreuzbergs. Die Kreuzberger finden das
schönste an ihrem Stadtviertel die Multikulturalität, dies zeigen die 48% bei der
Befragung. 20% sehen den „Zauber“ in der Einzigartigkeit des Viertels im Vergleich zu
anderen Stadtteilen Berlins, 12% beschreiben die Freiheit und die spezifische
Atmosphäre als „Zauber Kreuzbergs“ und 8% entscheiden sich für das eigene Flair,
welches das Stadtviertel ausstrahlt. Die Friedrichshainer sehen den „Zauber“ mit 56% in
der Multikulturalität, mit 24% in der Freiheit. 12 % der Befragten beantworten diese
Frage nicht und 8% lieben die spezifische Atmosphäre. (Die Graphik Nr.9 befindet sich
im Anhang Nr.14)
Frage Nr.10 - Worauf sind Sie als Kreuzberger stolz?
Die letzte Frage des Fragebogens beschäftigt sich mit dem Stolz der Bewohner in
Hinblick auf ihr Stadtviertel. Die Kreuzberger sind stolz mit 44% auf die
Multikulturalität, 17 % sind stolz auf die Einzigartigkeit, 13% auf die gegenseitige
Hilfsbereitschaft, 13% auf die Kultur und übrigen 13% sind stolz auf Nichts. Die
Friedrichshainer sind mit 36% stolz auf ihre Multikulturalität, mit 32% auf die Freiheit,
12% beantworteten diese Frage nicht, 8% der Befragten sind stolz auf die Kultur und
übrigen 8% sind wiederum auf Nichts stolz. (Die Graphik Nr. 10 befindet sich im
Anhang Nr. 14)
5. Auswertung der Hypothesen
H1 – Die Friedrichshainer werden unterschiedlich antworten auf die Fragen über
die Wende, als die Kreuzberger Bewohner.
Diese Hypothese wurde bestätigt, die Bewohner des ehemaligen Ost- und West-Berliner
Stadtviertels antworteten in alle Fälle unterschiedlich. Dies hängt wahrscheinlich von
der jahrelangen Trennung von der Berliner Mauer ab. Beispielsweise bei der ersten
- 44 -
Frage waren die Kreuzberger Bürger vor der Wende mit dem Lebensniveau in ihrem
Viertel eher zufrieden als die Friedrichshainer. Nach der Wende waren dann auch die
Friedrichshainer mit dem Lebensniveau zufriedener. Bei der Frage Nr. 2 antworteten die
Respondierten wieder unterschiedlich. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist zwar
ein funktionierter Bezirk, aber dennoch sind nach Ansichten der Bewohner beide
Stadtteile vollkommen unterschiedlich zu betrachten.
H2 – Die Bewohner des heutigen Stadtviertels Friedrichshain-Kreuzberg sind stolz
auf die spezifische Atmosphäre und Multikulturalität in ihrem Stadtviertel.
Diese Hypothese wurde gleich in zwei Fragen bestätigt. 36% der Friedrichshainer und
44% die Kreuzberger sind auf die vorherrschende Multikulturalität in ihrem Bezirk
stolz. 48 % der Friedrichshainer und 56% der Kreuzberger Bürger nennen als „Zauber“
Kreuzbergs die Multikulturalität.
H3 – In Kreuzberg vertreten einige Bewohner die Meinung, es leben zu viele
türkische Bürger in Kreuzberg.
Diese Hypothese wurde indirekt bestätigt. 16% Prozent der Kreuzberger Befragten
haben erklärt, dass es zu viel Türken in Kreuzberg gibt. Gemeint ist hier vor allem
Kreuzberg 36. Dies wurde auch durch der Frage Nr. 5 bestätigt. Auch aus den
Interviews, die ich mit in Kreuzberg lebenden Respondierten geführt habe, geht hervor,
dass dieses Thema zu den Problematiken des Stadtteils gehört. Einerseits sind die
Kreuzberger sehr tolerant und offen, dies zeigt ihr Stolz auf die Multikulturalität,
anderseits werden die vielen Bürger mit türkischer Herkunft also Problem betrachtet.
Das hängt wahrscheinlich auch mit der ansteigenden Kriminalität zusammen.
- 45 -
H4 – Der 1. Mai in Kreuzberg bedeutet für viele Menschen Randale,
Sachbeschädigung und Auseinandersetzung mit der Polizei.
Diese Hypothese wurde überwiegend bestätigt. 56% der Kreuzberger beschreiben den
1.Mai als einen sehr gefährlichen Tag in ihrem Viertel, der gekennzeichnet ist durch
Lärm, Krawalle, Randale, Sachbeschädigungen und Konfrontationen mit der Polizei.
Manche Bewohner nehmen den 1.Mai als Tag des Arbeiters wahr, der seit 1933 ein
gesetzlicher Feiertag in Deutschland ist. Die Friedrichshainer Bürger bestätigen mit
40% die aufgestellte These.
IV. Zusammenfassung
Diese Arbeit soll auf die Einzigartigkeit des West-Berliner Stadtviertels Kreuzberg
aufmerksam machen. Seit Jahren unterschiedet sich Kreuzberg enorm von den anderen
Berliner Stadtteilen. Die Historie des Viertels ist gekennzeichnet von vielen politischen
und kulturellen Einflüssen. Zwischen 1933 und 1945 befand sich in Kreuzberg die
Zentrale des nationalsozialistischen Regimes, dazu gehörten die Reichführung, die
Gestapo und das Reichssicherheitshauptamt. Nach der zweiten Weltkrieg waren in
Kreuzberg weniger als 60% der Häuser bewohnbar und Bau der Berliner Mauer machte
den eigentlichen Innenstadtbezirk Kreuzberg zum Randbezirk des westlichen Teils der
Stadt. Während der Kahlschlagsanierung in den siebziger Jahren war Kreuzberg als
Bezirk der sozial Schwachen und der Rentner bekannt. Kreuzberg blieb arm und die
Hausbesetzer begannen die leerstehenden Wohnräume zu nutzen. Es entstand eine linke
Kulturszene. Seither gilt Kreuzberg als „die größte türkische Stadt außerhalb der
Türkei“. Dieser „exotischer Kiez“ entwickelte eine besondere Attraktivität für
Randgruppen und Außenseiter, für die Jugend im Aufbruch und für Touristen.56
In der vorliegenden Abschlussarbeit wurde zunächst die Aufmerksamkeit der
Entwicklung des Bezirks geschenkt. Es wurden ausführliche Informationen über die
sechziger Jahren, mit dem Bau der Berliner Mauer und seinen Folgen vorgestellt. In den
56
Vgl. Sundermeier, J. und Diehl, S. V. und Labisch, W. (2002): Kreuzbergbuch, S. 2-3.
- 46 -
sechziger Jahren war Kreuzberg Zentrum der Berliner Bohème und zugleich begann
sich hier auch ein „kleines Istanbul“ zu modellieren. 1961 zogen viele Arbeitsmigranten
aus der Türkei nach Kreuzberg, weil die fehlenden Arbeitskräfte nicht durch deutsche
ersetzt werden konnten. Die siebziger und achtziger Jahre werden in Kreuzberg mit den
Hausbesetzerszene in Verbindung gebracht. Derzeit war Kreuzberg nicht mehr ein
romantischer Ort für Bohème, sondern ein problematischer Randbezirk für Aussteiger.
Die neuen sozialen Bewegungen suchten in Kreuzberg einem Ort, an dem sie ihre
alternativen Lebensformen realisierten konnten.
Ein großer Teil der Arbeit wurde dem Mauerfall am 9. November 1989 gewidmet, da
dies ein einprägendes Ereignis und ein Wendepunkt in der deutschen Geschichte
markiert. Große Euphorie empfanden nicht nur Bewohner Kreuzbergs, sondern ganz
Deutschland. Für Kreuzberg, aber auch Friedrichshain bedeutete die Überwindung der
betonierten Teilung die Rückkehr ins Herz der Stadt. Nicht alles war ideal, wie es
anfänglich schein. In die Kapitel über neunziger Jahren wurde die weitere Entwicklung
des Bezirks beschrieben. Der theoretische Teil meiner Abschlussarbeit endet mit dem
letzten tiefen Einschnitt in der Kreuzberger Geschichte, der Verlust der selbstständigen
Existenz als eigener Bezirk. Am 1. Januar 2001 kam es zur Fusion mit dem ehemaligen
Ost-Berliner Bezirk Friedrichshain.
Ein weiterer Teil dieser Abschlussarbeit wurde dem Thema „Mai-Krawallen“
gewidmet. Demonstrationen am 1.Mai haben in Kreuzberg eine lange Tradition und bei
diesen Mai-Nächten kamen schon viele Leute ums Leben. Die historische Entwicklung
ist ein Bestandteil dieser Kapitel.
Im praktischen Teil dieser Abschlussarbeit wurde die Aufmerksamkeit der Forschung
geschenkt. Die Forschung behandelt Ansichten und Verhalten der Bewohner
Kreuzbergs und Friedrichshain. Als Grundlage diente ein selbstständig ausgearbeiteter
Fragebogen über Kreuzberg, welcher den Zeitraum vor und nach der Wende beleuchtet.
Dank des Fragebogens erkennt man die zahlreichen Unterschiede zwischen den
fusionierten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, aber auch Gemeinsamkeiten waren zu
erkennen. Der fusionierte Bezirk funktioniert zwar als ein Gesamtkomplex, aber weist
- 47 -
trotzdem viele Unterschiede auf. Der praktische Teil beinhaltet auch eigene
Erkenntnisse und Auswertungen der Autorin und zeigt authentische Fotographien,
damit jeder Leser dieser Abschlussarbeit eine eigene Vorstellung hat.
Abschließend ist zu sagen, dass meine intensive Beschäftigung mit dem Stadtbezirk
Friedrichhain-Kreuzberg für mich eine Horizonterweiterung bedeutet.
V. Resumé
Tato práce má za cíl poukázat na jedinečnost západoberlínské městské čtvrti Kreuzberg.
Již léta se Kreuzberg enormně odlišuje od jiných Berlínských čtvrtí. Historie tohoto
okrsku je vyznačována spoustou politických a kulturních vlivů. Mezi léty 1933 až 1945
se v této čtvrti nacházela centrála národně socialistického režimu, ke kterému patřila
správa říše, tajná státní policie a hlavní říšský bezpečnostní úřad. Po druhé světové
válce bylo v Kreuzbergu obyvatelných méně než 60% domů a pozdější stavba Berlínské
zdi udělala z centrálního okrsku, okrajovou čtvrť západní části města. Během sanace
oblasti v sedmdesátých letech byl Kreuzberg známý jako čtvrť sociálně slabých.
Kreuzberg zůstal chudým a squatteři začali využívat prázdně stojící objekty. Vznikla
takzvaná levicová kulturní scéna. Od té doby se také Kreuzbergu přezdívá „ největší
turecké město mimo Turecko“. Tato exotická oblast se stala mimořádnou atrakcí pro
krajní skupiny, samotáře, pro mladé cestovatele a turisty.
V předložené závěrečné práci byla nejprve věnována pozornost vývoji samotné čtvrti.
Byly představeny podrobné informace o šedesátých letech, spolu se stavbou Berlínské
zdi a jejími následky. V šedesátých letech se stal Kreuzberg centrem Berlínských
bohémů a zároveň se zde začal pomalu modelovat takzvaný „malý Istanbul“. Roku
1961 se začali do městské čtvrti Kreuberg stěhovat turečtí dělníci, jelikož pracovní síla
nemohla být německými občany nahrazena. Sedmdesátá a osmdesátá léta byla spojena
v souvislosti se squatterskou scénou. Toho času už nebyl Kreuzberg romantickou čtvrtí
plnou bohému, ale stal se problematickou čtvrtí pro skupinu lidí na okraji společnosti.
- 48 -
Nová sociální hnutí hledala v Kreuzbergu místo, na kterých by mohla realizovat své
životní ideje.
Velká část práce byla věnována pádu Berlínské zdi, který značí zlomový bod v historii
německých dějin. Velkou euforii nepocítili jen obyvatelé městské části Kreuzberg, ale
celé Německo. Pro Kreuzberg, ale i pro Friedrichshain znamenalo zdolání betonového
rozdělení návrat do srdce města. Ne vše bylo ale ideální, jak se zdálo. V kapitole o
devadesátých letech byl popsán další vývoj této čtvrti. Teoretická část této závěrečné
práce končí posledním mezníkem v dějinách Kreuzbergu a to ztrátou samostatné
existence vlastního okrsku. 1. ledna 2001 došlo ke spojení s původní východoberlínskou
čtvrtí Friedrichshain.
Další část této závěrečné práce byla věnována tématu „květnové nepokoje“.
Demonstrace na 1. května má ve čtvrti Kreuzberg dlouholetou tradici a při těchto
květnových nocích přišla už spousta lidí o život. Historocký vývoj je součástí této
kapitoly.
V praktické části této závěrečné práce je věnována pozornost výzkumu. Výzkum
pojednává názory a postoje obyvatel Kreuzbergu a Friedrichshainu. Jako podklad slouží
samostatně vypracovaný dotazník o Kreuzbergu, který osvětluje dobu před a po pádu
Berlínské zdi. Díky dotazníku se ukazují četné rozdíly mezi sloučeným okrskem
Friedrichshain-Kreuzberg, ale také společné rysy. Sloučený okrsek funguje sice jako
celkový komplex, ale přesto poukazuje na spoustu rozdílů. Praktická část také obsahuje
vlastní poznatky, posouzení autorky a ukazuje autentické fotografie, aby měl každý
čtenář této závěrečné práce svou vlastní představu.
Na závěr je potřeba dodat, že má intenzivní činnost s městskou čtvrtí FriedrichshainKreuzberg pro mě znamená rozšíření rozhledu.
- 49 -
VI. Literaturverzeichnis
[1] Düspohl, M. / KreuzbergMuseum (Hg.). (2009): Kleine Kreuzberg Geschichte.
Berlin Story Verlag, Berlin, 160 S., ISBN 978-3-86855-000-9.
[2] Flemming, T. (2008): Berlin im Kalten Krieg, Der Kampf um die geteilte Stadt.
Berlin edition, Berlin-Brandenburg, 57 S., ISBN 978-3-81-48-0162-9.
[3] Chod, K. und Schwenk, H. und Weißpflug, H. (2003): Berliner Bezirkslexikon
Friedrichshain-Kreuzberg. Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH/Edition
Luisenstadt, Berlin, 560 S., ISBN 3-7759-0474-3.
[4] Landesarchiv Berlin (Hg.) (2010): Die Berliner Mauer 1961-1989. Berlin Story
Verlag, Berlin, 126 S., ISBN 978-3-929829-70-9.
[5] Lang, B. (1998): Mythos Kreuzberg: Ethnographie eines Stadteils (1961-1995).
Frankfurt/Main, New York: Campus Verlag, Zugl.: Berlin, Humboldt-Univ., Diss.,
1996, 257 S., ISBN 3-593-36106-X.
[6] Rucht, D. (Hrsg.) (2003): Berlin, 1.Mai 2002 Politische Demonstrationsrituale.
Verlag Leske + Budrich, Opladen, 250 S., ISBN 3-8100-3792-3.
[7] Sundermeier, J. und Diehl, S.V. und Labsich, W. (2002): Kreuzbergbuch.
Verbrecher Verlag, Berlin, 151 S., ISBN 3-935843-03-8.
- 50 -
VII. Internetquellen
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<http://www.berlinermaueronline.de/karten/berlinkarten_01.htm>.
BERLIN.DE: DIE BERLINER BEZIRKE NACH DER GEBIETSREFORM, [online].
[zit. 2011-3-20]. Zugänglich aus: URL: <URL: http://www.berlin.de/berlin-imueberblick/politik/bezirke.de.html>.
BERLIN.DE: BERLINER MAUER 1961-1989: GRENZÜBERGÄNGE, [online]. [zit.
2011-3-23]. Zugänglich aus: URL:
<http://www.berlin.de/mauer/grenzuebergaenge/index/index.de.php>.
BEZIRKSMUSEUM FRIEDRICHSHAIN KREUZBERG, , [online]. [zit. 2011-5-21].
Zugänglich aus: URL:
<http://www.kreuzbergmuseum.de/fileadmin/user_upload/dokumente_presse/Imagebro
schuere_BM_FK_72dpi.pdf>.
DER BAU DER BERLINER MAUER , [online]. [zit. 2011-3-21]. Zugänglich aus:
URL: <http://www.berlin.de/mauer/geschichte/index.de.html>.
FRIEDRICHSHAIN-KREUZBERG: ZWEI UNGLEICHE SCHWESTER, [online].
[zit. 2011-2-20]. Zugänglich aus: URL: <http://www.in-berlin
brandenburg.com/Berliner_Bezirke/Friedrichshain-Kreuzberg/>.
STATISTIK BERLIN BRANDENBURG: BEVÖLKERUNG, [online]. [zit. 2011-220]. Zugänglich aus: URL: <http://www.statistik-berlinbrandenburg.de/Publikationen/Stat_Berichte/2010/SB_A1-1_A2-4_q02-10_BE.pdf>.
TOPOGRAPHIE DES TERRORS, HISTORISCHER ORT, [online]. [zit. 2011-5-24].
Zugänglich aus: URL: <URL: http://www.topographie.de/historischer-ort/>.
TAZ:1.MAI KOSTET 5 MILLIONEN EURO, [online]. [zit. 2011-6-9]. Zugänglich
aus: URL: < http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/1-mai-kostet-5-millionen-euro/>.
- 51 -
VIII. Anhang
Anhang
Nr.1 – Berliner Bezirke von 1945 bis 2001
Anhang
Nr.2 – Berliner Bezirke seit 2001
Anhang Nr.3 – Heinrich-Heine-Straße, Oberbaumbrücke, Checkpoint Charlie
Anhang Nr.4– „Panzerkonfrontation“ im Oktober 1961 / Checkpoint Charlie
Anhang Nr.5 – Oberbaumbrücke / Symbol des neuen Bezirks
Anhang Nr.6 – Schlesische Straße
Anhang Nr.7 – Durch die Mauer brechender Trabant / Bild
Anhang Nr.8 – Bruderkuss zwischen Honecker und Brezhnev / Bild
Anhang Nr.9 – Kreuzberg Museum
Anhang Nr.10 – Krawalle am 1. Mai in Kreuzberg
Anhang Nr.11 – Spezifische Atmosphäre im heutigen Friedrichshain-Kreuzberg
Anhang Nr.12 – Spezifische Atmosphäre im heutigen Friedrichshain-Kreuzberg
Anhang Nr.13 – Der Fragebogen
Anhang Nr.14 – Die Graphik (1-10)
- 52 -
Anhang Nr. 1 - Berliner Bezirke von 1945 bis 2001. (Quelle: URL:<
http://mapsof.net/berlin/static-maps/png/berliner-bezirke-vor-2001/medium-size>, [online].
[aktualisiert 2011-3-21].)
Anhang
Nr.
2
-
Berliner
Bezirke
seit
2001.
(Quelle:
URL:<
http://de.wikipedia.org/wiki/Bezirk_Friedrichshain-Kreuzberg>, [online]. [aktualisiert 2011-322].)
- 53 -
Anhang Nr. 3 – Heinrich-Heine-Straße, Oberbaumbrücke, Checkpoint Charlie, (Quelle: URL:<
http://www.berlin.de/mauer/grenzuebergaenge/index/index.de.php>,
2011-4-22].)
- 54 -
[online].
[aktualisiert
Anhang Nr. 3 – Heinrich-Heine-Straße, Oberbaumbrücke, Checkpoint Charlie, (Quelle: URL:<
http://www.berlin.de/mauer/grenzuebergaenge/index/index.de.php>,
[online].
[aktualisiert
2011-4-22].)
Anhang Nr. 4 – Panzerkonfrontation im 1961 am Checkpoint Charlie (Quelle: URL:<
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Checkpoint_Charlie_1961-10
27.jpg&filetimestamp=20080630055858>, [online]. [aktualisiert 2011-5-22].)
- 55 -
Anhang Nr. 5 Oberbaumbrücke / Symbol des neuen Bezirks. Fotografiert von Jana Ettlová, im
Oktober 2011.
Anhang Nr. 6 - Schlesische Straße, Fotografiert von Jana Ettlová, im Oktober 2011 in
Kreuzberg.
- 56 -
Anhang Nr.7 – Durch die Mauer brechender Traband, East Side Gallery, Berlin, Fotografiert
von Jana Ettlová, im Oktober 2011.
Anhang Nr. 8 – Bruderkuss zwischen Honecker und Brezhnev, East Side Gallery, Berlin,
fotografiert von Jana Ettlová, im Oktober 2011.
- 57 -
Anhang Nr.9 – Kreuzberg Museum, SO 36, Fotografiert von Jana Ettlová, im Oktober 2011.
- 58 -
Anhang Nr.10 – Krawalle am 1.Mai in Kreuzberg.
(Quelle:URL:<http://www.faz.net/s/Rub77CAECAE94D7431F9EACD163751D4CFD/Doc~E0EE8FC2287EE4AB6
B93C3F177F099163~ATpl~Ecommon~SMed.html#7F0B13252D3145A9981E23EA34C419EC>,
[aktualisiert 2011-6-16].)
- 59 -
[online].
Anhang Nr.11 – Spezifische Atmosphäre im heutigen Friedrichshain-Kreuzberg, fotografiert
von Jana Ettlová im Oktober 2011.
- 60 -
Anhang Nr.12 – Spezifische Atmosphäre im heutigen Friedrichshain-Kreuzberg, fotografiert
von Jana Ettlová im Oktober 2011.
- 61 -
Anhang Nr. 13 – Der Fragebogen
Polička 10.4.2011
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich arbeite zurzeit an meiner Abschlussarbeit zum Thema Der Berliner Stadtteil Kreuzberg
vor und nach der Wende. Mein Name ist Jana Ettlová und ich studiere Deutsch für den Beruf
an der Universität Pardubice in der Tschechischen Republik. Ich bräuchte weitere Informationen
zu meinem Thema und deshalb habe ich mich entschieden einen Fragebogen zu entwickeln. Der
Fragebogen nimmt nur wenige Minuten Ihrer Zeit in Anspruch. Da ich nicht in Deutschland
wohne, ist es für mich auch ziemlich schwer, Zeitzeugen zu finden und ein umfangreiches
Interview mit ihnen zu führen.
Deshalb habe ich mich für einen kurzen Fragebogen
entschieden, um eine große Menge an Informationen sammeln zu können. Es würde mich sehr
freuen, wenn Sie mich bei meiner Abschlussarbeit unterstützen und den Fragebogen ausfüllen.
Gerne können Sie diesen Fragebogen auch an weitere Personen weitergeben, die ebenfalls etwas
zu diesem Thema sagen können. Einzige Bedingung für das Ausfüllen des Fragebogens ist, dass
die Person vor und nach der Wende entweder in Friedrichshain oder Kreuzberg lebte/ lebt.
Dieser Fragebogen ist anonym. Alle Angaben werden nur für meine Abschlussarbeit genutzt
und danach gelöscht werden. Den Fragebogen schicken Sie bitte an: [email protected]
Vielen Dank für Ihre Hilfe!
- 62 -
Geschlecht:
Alter:
Ehemaliger Wohnort: (bitte unterstreichen)
Kreuzberg
Friedrichshain
1. Waren Sie VOR der Wende in Ihrem Stadtviertel mit dem Lebensniveau
zufrieden?
ja
nein
2. Sind Sie jetzt NACH der Wende in Ihrem Stadtviertel mit dem
Lebensniveau zufrieden?
ja
Nein
3. Lebten Sie in der näheren Umgebung von der Mauer?
Ja
nein
Wenn ja, wie haben Sie die Mauer wahrgenommen?
4. Kennen Sie jemanden, der erfolgreich aus der DDR
fliehen konnte?
ja
nach Kreuzberg
Nein
5. Was sind Ihrer Meinung nach die drei größten Nachteile und Vorteile Ihres
Wohnorts?
Nachteile
Vorteile
- 63 -
6. Denken Sie, dass Friedrichshain - Kreuzberg in der Gegenwart gefahrlos
ist?
Ja
Nein
7. Was bedeutet für Sie der 1.Mai in Kreuzberg?
8. Würden Sie sich wieder für Friedrichshain - Kreuzberg als Wohnort
entscheiden?
Ja
Nein
9. Worin liegt der Zauber Kreuzbergs?
10. Worauf sind Sie als Kreuzberger stolz?
- 64 -
Anhanng Nr. 14
Graphik Nr.1.
1. Waren Sie VOR der Wende in Ihrem Stadtviertel mit dem Lebensniveau zufrieden?
Graphik Nr. 2.
2. Sind Sie jetzt NACH der Wende in Ihrem Stadtviertel mit dem Lebensniveau
zufrieden?
- 65 -
Graphik Nr.3
3. Lebten Sie in der näheren Umgebung von der Mauer?
- 66 -
Graphik Nr.4.
4. Kennen Sie jemanden, der erfolgreich aus der DDR nach Kreuzberg fliehen
konnte?
Graphik Nr.5.
5. Was sind Ihrer Meinung anch die drei größten Nachteile und Vorteile Ihres
Wohnorts?
- 67 -
Graphik Nr.6.
6. Denken Sie, dass Friedrichshain-Kreuzberg in der Gegenwart gefahrlos ist?
- 68 -
Graphik Nr. 7.
7. Was bedeutet für Sie der 1.Mai in Kreuzberg?
Graphik Nr.8.
8. Würden Sie sich wieder für Friedrichshain-Kreuzberg als Wohnort entschieden?
- 69 -
Graphik Nr. 9.
9. Worin liegt der Zauber Kreuzbergs?
Graphik Nr. 10.
10. Worauf sind Sie als Kreuzberger stolz?
- 70 -
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