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Christian Scholz / Volker Stein
Christian Scholz / Volker Stein unter Mitwirkung von Heiko Banaszak, Dirk Frank, Natali Lebro, Nicole Kaufmann, Michael Klein, Melanie Kreh, Katja Geschwind Servicekaufmann/Servicekauffrau als Perspektive für die Dienstleistungsgesellschaft Institut für Managementkompetenz (imk) Saarbrücken 2002 Danksagung Die Studie „Servicekaufmann/Servicekauffrau als Perspektive für die Dienstleistungsgesellschaft wäre nicht realisierbar gewesen ohne die ideelle und finanzielle Unterstützung durch (selber serviceorientierte) Institutionen aus dem Saarland. Wir danken herzlich der Kooperationsstelle Hochschule und Arbeitswelt an der Universität des Saarlandes (Frau Birgit Roßmanith und Herrn Univ.-Prof. Dr. Hans Leo Krämer), der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Landesbezirk Saar (Herrn Jürgen Grandjot) sowie der Arbeitskammer des Saarlandes (Frau Gertrud Schmidt) als unseren Auftraggebern. Desweiteren haben wir uns sehr über die extrem kooperative Haltung ausgewählter saarländischer Unternehmen und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefreut, die in der Studie an passender Stelle Erwähnung finden werden. Den studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am imk gilt unser Dank für intensive Recherchen und unermüdliche Koordination. Christian Scholz Volker Stein Saarbrücken, [email protected], 01.05.2002 Inhaltsverzeichnis 1 Problemstellung und Zielsetzung................................................................ 5 2 Theoretische Grundlagen ......................................................................... 11 2.1 Bedeutung der Dienstleistung .......................................................... 11 2.2 Sollqualifikationen: Qualifikation 2007.............................................. 12 2.3 Istqualifikationen: Berufsbilder ......................................................... 18 2.4 Berufsbild-Entstehung...................................................................... 26 3 Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“ ............................. 31 3.1 Konzeption: Ausbildungsnetzwerk ................................................... 31 3.2 Ergebnis: Service-Lehrmodule ......................................................... 35 3.2.1 Einführungsveranstaltung ........................................................ 35 3.2.2 Gruppenintrapreneurship......................................................... 37 3.2.3 Grenzenlosigkeit und Virtualisierung ....................................... 40 3.2.4 Technisierung durch Aufgeschlossenheit ................................ 41 3.2.5 Kundennutzenorientierung als Denkhaltung ............................ 43 3.2.6 Persönliche Individualisierung ................................................. 43 3.2.7 Flexibilisierung ......................................................................... 45 3.2.8 Globalisierung.......................................................................... 46 3.2.9 Wertschöpfungsprimat............................................................. 47 3.2.10 Intelligente Organisation .......................................................... 49 3.2.11 Berufsbildpolarisierung ............................................................ 50 3.3 Evaluation: Innovationsaspekte........................................................ 51 3.3.1 Erfahrungen der Unternehmen und Lehrenden ....................... 51 3.3.2 Erfahrungen der Auszubildenden ............................................ 53 3.3.3 Erfahrungen der Koordinatoren ............................................... 56 3.4 Zwischenfazit ................................................................................... 57 4 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] 4 Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in der Berufsschule“ ........................ 59 4.1 Konzeption: Berufsschul-Netzwerk .................................................. 59 4.2 Ergebnis: Bürokratische Steuerungshindernisse.............................. 63 4.3 Theoretische Erklärung des Scheiterns: Darwiportunismus ............. 67 4.4 Zwischenfazit ................................................................................... 70 5 Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“............. 73 5.1 Konzeption: Kooperationsnetzwerke................................................ 74 5.1.1 Kooperationsbeeinflussende Rollen ........................................ 74 5.1.2 Kooperationsformen ................................................................ 75 5.1.3 Bildung von Kooperationen...................................................... 77 5.2 Manifestation: Kooperations-Infrastruktur im Saarland .................... 79 5.2.1 Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer (KWT) .... 80 5.2.2 Institut für Technologietransfer (FITT) ..................................... 81 5.2.3 Kooperationsstelle Hochschule und Arbeitswelt (KHA) ........... 82 5.2.4 Zentrale für Produktivität und Technologie e.V. (ZPT)............. 83 5.2.5 Universitäre Institute ................................................................ 84 5.2.6 IHK Saarland ........................................................................... 86 5.2.7 Firmendatenbank des Ministeriums für Wirtschaft ................... 88 5.2.8 Zusammenführung................................................................... 89 5.3 Implikation: Steigerung der Kooperationseffektivität? ...................... 92 5.4 Zwischenfazit ................................................................................... 93 6 Fazit ......................................................................................................... 95 6.1 Lernnotwendigkeiten ........................................................................ 95 6.2 Handlungsempfehlungen ................................................................. 97 6.3 Umsetzungen ................................................................................. 100 6.4 Ausblick.......................................................................................... 101 [email protected] Problemstellung und Zielsetzung 5 1 Problemstellung und Zielsetzung In der Dienstleistungsgesellschaft stellt der Servicegedanke einen der zentralen Ansatzpunkte aktueller und zukünftiger Strategien dar (vgl. z.B. Bruhn 2001; Corsten 2001). Dies gilt im besonderen in den Sektoren Handel, Banken und Versicherungen aufgrund der hier stark ausgeprägten Kundenorientierung und der großen Konkurrenzdichte des Sektors. Die Beschäftigung mit Themen aus dem Servicebereich ist aktuell breitgefächert zu beobachten: So umfaßt allein die Liste lieferbarer Bücher, die sich diesem Thema explizit vom Titel her widmen, aktuell knapp 630 Titel, wie eine Recherche bei Anbietern wie www.amazon.de nach dem Oberbegriff „Service“ zeigt. Vor allem Unternehmensberatungen und Softwareanbieter setzen auf die Verbesserung ihrer Servicequalität: Letztlich hat die Verbreitung des Internets zu dem Anspruch geführt, Dienstleistungen zu jeder Zeit und an jedem Ort zu konsumieren. Auch das Saarland beschäftigt sich massiv mit dem Servicegedanken: Auf dem Weg zum „Informatikland Saarland“ und über eine „Innovationsstrategie für das Saarland“ wurde und wird eine Regionalstrukturstrategie verfolgt, die sich gerade durch die Bereitstellung vielfältiger Service- und Intermediationsfunktionen auszeichnet. So initiieren Akteure wie zum Beispiel die Landesregierung des Saarlandes, die IHK, die Arbeitskammer oder die Gewerkschaften eine Vielzahl von Arbeitsprojekten, teilweise unter wissenschaftlicher Begleitung der Universität des Saarlandes. In diesem Zusammenhang nimmt die Ausbildung im Sektor Handel, Banken und Versicherungen einen immer höheren Stellenwert als Zukunftsmotor für die Serviceorientierung ein. Gerade dort hat sich herauskristallisiert, daß die Etablierung einer zukunftsfähigen Service-Infrastruktur bereits bei der Ausbildung des Personals beginnt, das diese Infrastruktur später mit wertschöpfenden Aktivitäten ausfüllen wird. Ein entsprechendes Leitbild entwarf die Studie „Szenario 2007 – Neue Be- 6 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] rufsbilder und Qualifikationen für Banken, Handelsunternehmen und Versicherungen“ (vgl. Scholz/Herz 1998), die in Zusammenarbeit mit der Arbeitskammer des Saarlandes, der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen sowie der Kooperationsstelle für Arbeitswelt und Hochschulen durch das Institut für Managementkompetenz (imk) an der Universität des Saarlandes durchgeführt wurde. Aus dieser Studie ergab sich die Notwendigkeit einer Zukunftsorientierung im Dienstleistungssektor. Insbesondere läßt sich aus dieser Studie ein zentraler Kerngedanke ableiten, der zu einer Weiterführung des Projekts führte, nämlich der integrative Aspekt einer Ausbildung im Servicebereich. ¹ Da alle drei Branchen Versicherungen, Banken und Handel mit Service zu tun haben, warum kann es hier in der Ausbildung nicht standardisierte Servicemodule geben, die von allen Auszubildenden gleichmäßig gelernt werden, ergänzt um eine branchenspezifische Vertiefung? Eine solche modularisierte Ausbildung setzt die Bereitstellung, Vermittlung und Akzeptanz konkreter Inhalte und somit die Kooperation von mehreren Beteiligten voraus. Zudem stellt eine Standardisierung an Ausbildungsleistungen einige grundlegende Bedingungen: – Die Serviceausbildung ist aktuellen Marktanforderungen anzupassen. – Die Ausbildung ist effektiv und effizient zu gestalten. – Die Ausbildung ist weitgehend zu flexibilisieren. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, schematische Anforderungen an die serviceorientierte Berufsausbildung vorzugeben und diese in der Bildungslandschaft mit ihren gegebenen Strukturen umzusetzen. Hieran hat nicht nur die Forschung ein vitales Interesse: Auch die Gewerkschaften müssen daran interessiert sein, sich bereits in der Phase der Ausbildung möglicher Mitglieder intensiv zu engagieren. Dies tut in diesem Projekt die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, die seit der Fusion [email protected] Problemstellung und Zielsetzung 7 mit weiteren Gewerkschaften 2001 zur Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in dieser aufgegangen ist, durch ihre inhaltliche und finanzielle Beteiligung. Die Gewerkschaft arbeitet so an tragfähigen Zukunftsentwürfen für ihre Mitglieder mit und weist nicht zuletzt durch solche Aktivitäten ihre Existenzberechtigung immer wieder neu nach. Hinsichtlich einer Verbesserung der Standortqualität und der auch in der Zukunft tragfähigen Ausgestaltung von Arbeitsbeziehungen im Saarland hat sich auch die Arbeitskammer des Saarlandes an der vorliegenden Studie beteiligt. Sie fokussiert insbesondere auf die Beschäftigungspolitik und die Regionalentwicklung – beides Themen, die im Mittelpunkt dieser Studie stehen. Gemeinsam mit der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, der Arbeitskammer des Saarlandes sowie der Kooperationsstelle Hochschule und Arbeitswelt an der Universität des Saarlandes führt das Institut für Managementkompetenz (imk) an der Universität des Saarlandes die vorliegende Studie „Servicekaufmann/Servicekauffrau: Ein Beruf der Zukunft in der Dienstleistungsgesellschaft“ durch. Dieses Forschungsprojekt sollte untersuchen, inwieweit die Verschmelzung der Berufe Bankkaufmann/Bankkauffrau, Einzelhandelskaufmann/Einzelhandelskauffrau sowie Versicherungskaufmann/Versicherungskauffrau zu einem übergreifenden Berufsbild „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ heute bereits durchführbar ist und wo letztlich die Schwierigkeiten einer Realisierung auftreten könnten. Langfristiges Ziel ist es, dazu beizutragen, die drei Berufsbilder gegebenenfalls durch den modular konzipierten Ausbildungsberuf „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ zu ersetzen, der sich gleichsam an der Servicekompetenz wie an den Kernkompetenzen der einzelnen Branchen orientiert. Damit betrifft das Projektziel die Beantwortung von drei Fragestellungen: 1. Läßt sich das Berufsbild „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ modular zwischen Unternehmen verschiedener Branchen in einem Praxisversuch realisieren? 8 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] 2. Läßt sich das Berufsbild „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ modular zwischen Berufsschulen verschiedener Branchen in einem Praxisversuch realisieren? 3. Läßt sich für das Berufsbild „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ und dessen Gestaltung von den Kooperationsstrukturen, die im Saarland bestehen, etwas lernen? Das Projekt besteht aus drei Teilprojekten: – Teilprojekt I: Qualifikation 2007 im Unternehmen – Teilprojekt II: Qualifikation 2007 in der Berufsschule – Teilprojekt III: Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor Zielsetzung der ersten beiden Teilprojekte ist es, das neue Berufsbild „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ modellhaft für die Praxisanwendung zu konzipieren und zu realisieren. Die Auszubildenden sollen in erster Linie in die Lage versetzt werden, vernetzt zu denken und dies in ihrem Berufsleben umzusetzen. Hierzu ist die Unterstützung durch die ausbildenden Unternehmen sowie die Berufsschulen unumgänglich. Vernetztes Denken ist aber auch der erste Schritt, um offen zu sein für Kooperationen – und hier betrachtet der dritte Bereich, inwieweit dies im Saarland bereits geschieht. Abbildung 1 zeigt das aus der Zielsetzung abgeleitete Design der Realisationsstudie: Ausgehend von den theoretischen Vorarbeiten aus “Qualifikation 2007” ergibt sich das Projekt „Servicekauf- mann/Servicekauffrau“, das auf der Unternehmens-, Berufsschul- und der Kooperationsebene umgesetzt wird. [email protected] Problemstellung und Zielsetzung Projektion “Qualifikation 2007” 9 Analyse heutiger Berufsbilder Teilprojekt I: Qualifizierung 2007 in Unternehmen Teilprojekt II: Qualifizierung 2007 in der Berufsschule Teilprojekt III: Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor Servicekaufmann/Servicekauffrau als innovatives, zukunftsfähiges Berufsbild Abbildung 1: Projektdesign [email protected] Theoretische Gundlagen 11 2 Theoretische Grundlagen 2.1 Bedeutung der Dienstleistung Dienstleistungen dienen wie Sachgüter der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Im Unterschied zu den Sachgütern lassen sich Dienstleistungen jedoch nicht lagern. Die Produktion und der Verbrauch von Dienstleistungen fallen zeitlich zusammen. Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung erfaßt Dienstleistungen neben den Sektoren Land- und Forstwirtschaft und warenproduzierendes Gewerbe als dritten Wirtschaftsbereich (tertiärer Sektor). Hierzu zählen unter anderem Handel und Verkehr, private Dienstleistungen (z.B. Banken, Versicherungen, Beherbergungsgewerbe) sowie die öffentliche Verwaltung. Die hohe Bedeutung des Dienstleistungssektors ist zu Beginn des neuen Jahrtausends unbestritten. Der Anteil von Dienstleistungen am Bruttoinlandsprodukt Deutschlands beträgt in den vergangenen Jahren in etwa 60%. Trotz Stagnation und teilweise gesättigten Märkten weisen die Prognosen im europäischen Bereich eine dynamische Entwicklung der meisten Dienstleistungsbranchen auf. Aufgrund der Entwicklungen auf dem Gebiet der Kommunikationstechnik und Informationsverarbeitung kommt es zu grenzüberschreitenden Wettbewerbsformen und einer Erosion ursprünglicher Branchengrenzen, was beispielsweise besonders charakteristisch für die Finanzdienstleistungsmärkte ist. Eine fehlende umfassende Theorie der marktorientierten Führung von Dienstleistungsunternehmen gilt als Defizit, das nicht zuletzt auf die hohe Komplexität und Heterogenität des Untersuchungsgegenstandes „Dienstleistung“ zurückzuführen ist. So werden etwa die automatisierten Bankleistungen ebenso den Dienstleistungen zugerechnet wie in einem persönlichen Kundenkontakt erbrachte Leistungen einer Unternehmensberatung (vgl. Meffert 1994, 306). Der Dienstleistungssektor ist eine der größten Wachstumsbranchen der Zukunft. Bereits heute verlangt der Kunde zunehmend mehr Serviceleistungen von einem Unternehmen. Bei stetig steigender Konkurrenz auf den einzelnen 12 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] Märkten hat man erkannt, daß Service- und Kundenorientierung eine der wichtigsten Kernkompetenzen der Zukunft sein werden. 2.2 Sollqualifikationen: Qualifikation 2007 Die im Jahr 1998 abgeschlossene Studie des imk „Qualifikationen 2007: Neue Berufsbilder für Banken, Handelsunternehmen und Versicherungen“ (Scholz/Herz 1998) leitet systematisch Anforderungen für zukünftige Arbeitnehmer in Dienstleistungsunternehmen her und spezifiziert die in einer Ausbildung notwendigerweise zu erwerbenden Grundlagen. Sie resultiert in einem Szenario, wohin sich die Ausbildung für die Dienstleistungsbranchen in den nächsten Jahren inhaltlich entwickeln wird. Europäische Integration, Globalisierung und Technisierung in allen Branchen sowie weitere Faktoren führen in der Studie zu dem Schluß, daß ein Arbeitnehmer im Jahr 2007 mit zehn Soll-Qualifikationen ausgestattet sein muß (Abbildung 2). [email protected] Theoretische Gundlagen 13 1. Technisierung 6. Intelligente Organisation Der weitgehend transparente Markt und die überwiegend medialisierte Gesellschaft 2007 verlangen von Banken, Handelsunternehmen und Versicherungen, über alle potentiellen Kundenschnittstellen zu verfügen, um die denkbaren Kontaktformen mit dem Kunden realisieren zu können. 2007 ist die Halbwertzeit des Wissens so radikal gesunken, daß lediglich die Banken, Handelsunternehmen und Versicherungen im Markt erfolgreich sein werden, die ihre Wissensbasis permanent aktualisieren und weiterentwickeln. Grundannahmen 2. Globalisierung 7. Berufsbildpolarisierung Im vollständig globalisierten Wettbewerb 2007 bestehen Banken, Handelsunternehmen und Versicherungen nur dann, wenn sie einen entscheidenden Knotenpunkt in einem regionalen Netz besetzen. 2007 werden in Banken, Handelsunternehmen und Versicherungen zwei Gruppen von Mitarbeitern beschäftigt sein: hoch spezialisierte Experten und Generalisten. 3. Wertschöpfungsprimat 8. Gruppenintrapreneurship Gearbeitet wird 2007 in Banken, Handelsunternehmen und Versicherungen nur noch dann, wenn Wertschöpfung stattfindet, und dort, wo Wertschöpfung stattfindet. Der zentrale Ansatzpunkt im Arbeitsleben 2007 in Banken, Handelsunternehmen und Versicherungen ist die Gruppe, gesehen als kernkompetenzkonzentriertes und strategieorientiertes autonomes Wertschöpfungscenter. Konsequenz Finalität 4. Kundennutzenorientierung 9. Persönliche Individualisierung Banken, Handelsunternehmen und Versicherungen, in denen nicht ausnahmslos jeder an der Dienstleistungserstellung Beteiligte den Kundennutzen als oberste Maxime hat, werden bis 2007 aus dem Markt katapultiert. 2007 werden sich Banken, Handelsunternehmen und Versicherungen aufgrund des zu nehmenden Kostendrucks eine betriebliche Individualisierung ihrer Mitarbeiter nicht mehr leisten können; deren persönliche Individualisierung kann daher nur noch über deren Arbeit selbst erfolgen. 5. Flexibilisierung 10. Grenzenlosigkeit und Virtualisierung 2007 ist Flexibilität für Banken, Handelsunternehmen und Versicherungen die notwendige Bedingung für eine erfolgreiche Bewältigung der Umweltvarietät. Banken, Handelsunternehmen und Versicherungen 2007 nutzen bewußt die Situation der Grenzenlosigkeit durch wechselseitigen akultativen Zugriff auf die Ressourcen der anderen. Instrumentalität Ausblick Abbildung 2: Zehn Sollqualifikationen für Dienstleistungsberufe (Scholz/Herz 1998, 134) 14 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] Diese zehn Soll-Qualifikationen wurden zunächst kurz konkretisiert: 1. Technisierung: Noch mehr als schon im heutigen Arbeitsalltag wird ein selbstverständlicher und sicherer Umgang mit aktuellen und zukünftigen technischen Möglichkeiten wie Internet, e-mail und anderen zukunftsorientierten Technologien von Mitarbeitern erwartet werden. Der Kunde muß den Eindruck haben, von dem Mitarbeiter kompetent beraten zu werden, wobei dessen Sicherheit im Umgang mit den technischen Hilfsmitteln eine große Rolle beigemessen wird. Technologieaufgeschlossenheit und Geistesflexibilität rücken immer mehr in den Vordergrund einer modernen Gesellschaft. Für die bestehenden Bildungssysteme erfordert dies eine höhere Technikorientierung in der Ausbildung an Schulen und innerhalb der Betriebe. 2. Globalisierung: Die zunehmende Globalisierung in allen Sektoren der Wirtschaft wird neue Anforderungen an die Arbeitnehmer stellen. Zu diesen neuen Anforderungen zählen unter anderem fundierte Sprachkenntnisse sowie interkulturelle Kompetenz. Die Unternehmen und ihre Mitarbeiter müssen sich zu diesem Zwecke sowohl mittels Sprache als auch durch Kulturverständnis flexibel und kundennah präsentieren. 3. Wertschöpfungsprimat: Mehr denn je wird in Zukunft die Leistungsorientierung und Kernkompetenzausrichtung der Arbeitnehmer an Bedeutung gewinnen. Der Mitarbeiter muß sich bewußt machen, daß er durch seine persönliche Leistungserstellung ein tragender Bestandteil der Wertschöpfung im Unternehmen ist. Durch Erkennen des gesamtwirtschaftlichen Zusammenhangs kann sich jeder einzelne seine Bedeutung im Unternehmen bewußt machen. Die verkäuferischen Fähigkeiten wie etwa kundenbedarfsgerechte Abschlußsicherheit werden mehr und mehr an Wichtigkeit gewinnen, um die Wertschöpfungskette zu optimieren. [email protected] 4. Theoretische Gundlagen 15 Kundennutzenorientierung: Kundenorientierung muß als oberstes Gebot verinnerlicht werden. Das Erkennen der Ziele und Bedürfnisse von Kunden spielt hierbei die ausschlaggebende Rolle, da so die Effektivität und Effizienz der Kundenbeziehung gesteigert werden können: Nur wenn ein Kunde seinen Nutzen aus einem Geschäft erkennt, wird er es tätigen. Sicheres Auftreten und eine Interpretation der Körpersprache erleichtern mit rhetorischer Geschicklichkeit die Gesprächsführung und auch -dauer, wobei die Optimierung der Kundeninteressen im Mittelpunkt steht. 5. Flexibilisierung: Die Unternehmen und Mitarbeiter müssen sich aus den veralteten und zum Teil überholten Strukturen von festen Arbeitszeiten, örtlich gebundenen Arbeitsplätzen, festen Entgeltsystemen oder langfristigen Arbeitsverträgen lösen. Die dazu notwendige Flexibilität muß bereits in der Ausbildung erlernt und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden. Ist dies hingegen nicht der Fall, kann es zu Unsicherheit im Umgang mit Veränderungen im Arbeitsumfeld kommen und als Reaktion darauf zu Frustrationen. 6. Intelligente Organisation: Eine Organisation wird dann zur intelligenten Organisation, wenn sie sich auf diejenigen Wissenselemente in der Wertschöpfungskette konzentriert, in denen sie „the best“ in einem gegebenen Umfeld ist oder sein kann (Kernkompetenzorientierung). Das zur Verfügung stehende Wissen soll nicht nur erweitert werden, sondern zielgerichtet optimiert und an geänderte Umweltsituationen angepaßt werden. Die Unternehmen der Zukunft werden noch stärker durch Komplexität und Dynamik geprägt sein, als dies heute schon der Fall ist. Deshalb muß der Mitarbeiter eine gewisse Sensibilität entwickeln, um Veränderungen innerhalb des Teams, der Märkte und seiner Umwelt erkennen zu können. 16 7. „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] Berufsbildpolarisierung: Das zukünftige Unternehmen muß erkennen, daß eine Unterteilung der Arbeitnehmer in Spezialisten und Generalisten unumgänglich ist. Ein Unternehmen braucht ein breit gefächertes Mitarbeiterspektrum: Einige Mitarbeiter benötigen den Überblick über den Gesamtzusammenhang, andere jedoch müssen nicht zwingend alle Aufgaben im Unternehmen bewältigen. Daher müssen bereits in der Ausbildung verschiedene Möglichkeiten parallel nebeneinander existieren. Denkbar ist, daß dies beispielsweise durch eine verkürzte generelle Basisausbildung mit anschließender Wahl zwischen einem generellen oder einem speziellen Zweig realisiert werden kann. Dazu müssen für eine an Kernkompetenzen orientierte Ausbildung die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, zudem müssen Anreize zu selbständigem Wissenserwerb generiert werden. 8. Gruppenintrapreneurship: Bereits heute ist absehbar, daß Unternehmen in der Zukunft ihre Kunden stärker segmentieren und in Kategorien und Key Accounts unterteilen müssen. Parallel dazu muß es zur Ausbildung von Teamstrukturen kommen, die einen gewissen Autonomiespielraum besitzen. Die Unternehmen können diese Entwicklung fördern beziehungsweise beschleunigen, indem sie Aufgabeninhalte so definieren, daß sie nicht mehr von Einzelnen, sondern von Teams erledigt werden müssen. Diese müssen in ihren Anforderungen einerseits klar voneinander getrennt agieren, andererseits müssen sie aber Schnittpunkte und Gemeinsamkeiten zur Zusammenarbeit untereinander suchen. Daraus folgt, daß der Teamfähigkeit der einzelnen Mitarbeiter eine große Bedeutung zukommt und sich eine Teamkultur entwickeln muß. Förderlich ist in dem Zusammenhang die Verankerung von sozialer Kompetenz als Lernziel bereits in der Ausbildung. 9. Persönliche Individualisierung: Der Wertewandel in der Gesellschaft führt zu einer immer stärkeren Individualisierung. Eigenverantwortung erstreckt sich auch auf die individuelle Per- [email protected] Theoretische Gundlagen 17 sonalentwicklung, die zwar vom Personalentwickler inspiriert werden kann, aber dennoch Initiative vom einzelnen Mitarbeiter erfordert. Die Auszubildenden müssen bereits während ihrer Ausbildung Karrieremanagement für ihren eigenen Berufsweg erlernen. Des weiteren muß die Vorstellung von dem, was Karriere überhaupt bedeutet, geprägt werden. Man darf sich nicht auf Aufstiegsautomatismen verlassen, sondern muß auch bereit sein, eigenverantwortlich seine Karriere zu planen und Verantwortung zu übernehmen. Diese Eigenschaften bilden einen wesentlichen Bestandteil der persönlichen Individualisierung, die sich nicht nur auf den beruflichen Alltag beschränkt, sondern in hohem Maße im privaten Umfeld erworben wird. 10. Grenzenlosigkeit und Virtualisierung: Grenzenlosigkeit und Virtualisierung wirken sich auch auf die Qualifikation von Auszubildenden aus und fordern eine stärkere Selbstorganisation. Die Auszubildenden müssen dahingehend trainiert werden, daß sie ihre Arbeit selbständig organisieren und ihre Bearbeitungsprozesse selbst gestalten lernen. Im virtuellen Raum erhöht sich der Freiheitsgrad, was automatisch zu einer Erhöhung der Fehlerquellen führt, die durch ein Fehlermanagement wiederum reduziert werden könnten. Schnittstellen zu anderen Unternehmensbereichen spielen hier eine wichtige Rolle, da auch der Umgang mit der Konkurrenz ein Lernprozeß ist. Diese Sollqualifikationen sind unmittelbar servicerelevant. Sie zu verstehen ist die erste Voraussetzung für ihre Vermittlung an Auszubildende in Serviceberufen. Dennoch ist es allein mit dem Verständnis dieser Inhalte nicht getan: Sie müssen in konkrete Lernmodule umgesetzt werden, die innerhalb einer halb- oder eintägigen Lehreinheit vermittelbar sind. Zudem ist der organisatorische Rahmen für diese Vermittlung zu schaffen. Damit sind die Verantwortlichen für die Gestaltung zukunftsfähiger Qualifizierungssysteme im Dienstleistungsgewerbe – die Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Gewerkschaften, Unternehmensverbände und Unternehmen – insgesamt angesprochen. Sie tragen letztlich nicht nur inhaltlich, sondern auch durch die organisatorische und psychologische Unterstützung der neuen Lerninhalte 18 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] und der mit ihnen verbundenen neuen Lernformen zum Wandel in der Berufsausbildung im Servicebereich bei. ¹ Eine organisatorische Schwierigkeit besteht darin, den zeitlichen Rahmen und die strukturellen Ansatzpunkte für anstehende Veränderungen zu finden: Hier bietet es sich an, den „ersten Schritt“ mutig anzugehen, um für veraltete Entwicklungen die für notwendig gehaltenen institutionellen Veränderungen anzustoßen. 2.3 Istqualifikationen: Berufsbilder Durch die permanenten marktlichen und technischen Veränderungen am Arbeitsplatz sowie in der Arbeitswelt insgesamt und da die „Haltbarkeit von Wissen“ immer weiter sinkt, gibt es keine konstante Definition eines „erforderlichen Wissens“ mehr. In der Konsequenz sind geänderte Qualifikationen erforderlich, die schon während der Ausbildung entwickelt werden müssen. Nicht nur die Qualifikationen der Mitarbeiter, sondern auch die Qualifikationsvoraussetzungen der Auszubildenden sind damit betroffen. Ein Berufsbild beschreibt einen Beruf, die zu seiner Ausübung notwendigen Fähigkeiten und die dazugehörige Ausbildung sowie die in ihm möglichen Aufstiegsmöglichkeiten. In Deutschland erkennt der Bundesminister für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung Ausbildungsberufe staatlich an und erläßt für diese Ausbildungsordnungen. Sie beschreiben Dauer und Inhalt der Ausbildung und sind somit Grundlage des Ausbildungsvertrages, der die Modalitäten der Ausbildung regelt, und des Ausbildungsplans, der den Gang der Ausbildung detailliert beschreibt. Allgemein ist ein Konzentrationsprozeß in der dualen Berufsausbildung festzustellen: Seit Inkrafttreten des Berufsbildungsgesetzes im Jahr 1969 wurden fast 300 Ausbildungsberufe neu geordnet, abgeschafft, reformiert oder neu geschaffen (vgl. Kreissparkasse Tübingen 1998). 1997 gab es 356 Ausbil- [email protected] Theoretische Gundlagen 19 dungsordnungen, davon 72 kaufmännische und Dienstleistungsberufe sowie 284 gewerblich-technische Berufe (Abbildung 3). Abbildung 3: (vgl. Kreissparkasse Tübingen 1998) Die Ausbildungsberufe Bankkaufmann/Bankkauffrau, Versicherungskaufmann/Versicherungskauffrau, sowie Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel werden in Deutschland staatlich anerkannt (§1 Verordnung über die Berufsausbildung) und erstrecken sich über einen Zeitraum von 3 Jahren, wobei eine Verkürzung auf 2,5 Jahre bei Realschülern beziehungsweise 2 Jahre bei Abiturienten vorgenommen werden kann. Gegenstand der Berufsausbildung sind der Erwerb von Fertigkeiten und Kenntnissen von/über (§3 Verordnung über die Berufsausbildung): – das ausbildende Unternehmen und seine Struktur, beziehungsweise Aufgliederung der einzelnen Abteilungen und deren Aufgaben, – Markt- und Kundenorientierung sowie – Rechnungswesen und Steuerung. Diese Fertigkeiten und Kenntnisse sollen so vermittelt werden, daß der Auszubildende zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit befähigt wird, die insbesondere selbständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren einschließen. 20 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] Der Auszubildende ist verpflichtet, ein Berichtsheft zu führen, das er während der Arbeitszeit schreiben darf. Der Ausbildungsrahmenplan ist gesetzlich vorgegeben. Der Ausbildungsbetrieb muß dafür Sorge tragen, daß der Auszubildende möglichst viele Abteilungen durchläuft, um alle Fertigkeiten und Kenntnisse in der Praxis zu erlernen. Allerdings hat der Auszubildende selbst darauf zu achten, daß die zu erreichenden Ziele auch erreicht werden, d.h. daß die einzelnen Unterpunkte der Gliederung erarbeitet werden müssen. Die Fertigkeiten, Kenntnisse und Lernziele sind während der gesamten Ausbildungszeit zu vermitteln. Um den Wissensstand der erlangten Fertigkeiten und Kenntnisse ermitteln zu können, muß sich der Auszubildende in der Mitte des zweiten Ausbildungsjahres einer Zwischenprüfung unterziehen, die dem entsprechenden Beruf angepaßt wird. Das Gleiche gilt für die Abschlußprüfung, allerdings ist hier der Umfang weitreichender und umfaßt sämtliche in der Verordnung über die Berufsausbildung des jeweiligen Berufes aufgeführten Fertigkeiten und Kenntnisse: • Die Abschlußprüfung für den Bankkaufmann/die Bankkauffrau (vgl. VOBk 1997) erstreckt sich auf die im Ausbildungsrahmenplan aufgeführten Fertigkeiten und Kenntnisse sowie auf den im Berufsschulunterricht vermittelten Lehrstoff, soweit er für die Berufsausbildung wesentlich ist. Die Prüfung ist in den Teilbereichen Bankwirtschaft (180 Minuten: Kontoführung, Zahlungsverkehr, Geld- und Vermögensanlage, Kreditgeschäft), Rechnungswesen und Steuerung (90 Minuten: praxisbezogene Fälle analysieren und bearbeiten, und dabei Zusammenhänge von Rechnungswesen und Steuerung verstehen) sowie Wirtschafts- und Sozialkunde (90 Minuten: Arbeits- und sozialrechtliche Rahmenbedingungen, Personalwesen und Berufsbildung, Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik) schriftlich und im Prüfungsfach Kundenberatung (20 Minuten) mündlich durchzuführen. • Die Abschlußprüfung für den Versicherungskaufmann/die Versicherungskauffrau (vgl. VO-Vers 1996) erstreckt sich auf die im Ausbildungsrah- [email protected] Theoretische Gundlagen 21 menplan aufgeführten Fertigkeiten und Kenntnisse sowie auf den im Berufsschulunterricht vermittelten Lehrstoff, soweit er für die Berufsausbildung wesentlich ist. Die Prüfung ist in den Bereichen Arbeitsorganisation und Rechnungswesen (90 Minuten: Der Auszubildende soll bei den praxisbezogenen Fällen zeigen, daß er die Sachgebiete versteht, Aufgaben analysieren, Lösungsmöglichkeiten entwickeln und darstellen kann), Organisation der Versicherungswirtschaft, Leistungserstellung, Vertrieb und Märkte und Versicherungsprodukte für Privatkunden (insgesamt 180 Minuten), Wirtschafts- und Sozialkunde (90 Minuten: Arbeitsrecht und soziale Sicherheiten, Personalwirtschaft und Berufsbildung, Wirtschaftsordnung und -politik, unternehmerisches Handeln) schriftlich und im Prüfungsfach Kundenberatung (20 Minuten) mündlich durchzuführen. • Die Abschlußprüfung für den Kaufmann/die Kauffrau im Einzelhandel (vgl. VO-Eh 1987) erstreckt sich auf die im Ausbildungsrahmenplan aufgeführten Fertigkeiten und Kenntnisse sowie auf den im Berufsschulunterricht vermittelten Lehrstoff, soweit er für die Berufsausbildung wesentlich ist. Die Prüfung ist in den Prüfungsfächern Einzelhandelsbetriebslehre (120 Minuten: Betrieb, Beschaffung, Lagerung, Rechnungswesen, Warenwirtschaft), Waren und Verkauf (120 Minuten: Werbung und Verkaufsförderung, Warensortimente, Beratung und Verkauf), Wirtschafts- und Sozialkunde (90 Minuten: praxisbezogene Fälle oder Aufgaben aus der Berufsund Arbeitswelt bearbeiten und dabei zeigen, daß allgemeine wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge der Berufs- und Arbeitswelt dargestellt und beurteilt werden können) in schriftlicher Form durchzuführen. Die mündliche Prüfung sollte nicht länger als 30 Minuten dauern und ist in Form eines Prüfungsgespräches durchzuführen. Der Prüfling soll unter Berücksichtigung der warengruppenspezifischen Besonderheiten aufgrund ihm mit angemessener Vorbereitungszeit gestellter Aufgaben zeigen, daß er betriebspraktische Vorgänge und Problemstellungen bearbeiten kann. Anhand dieser kurzen Aufschlüsselung ist klar zu erkennen, daß der Schwerpunkt in allen drei Prüfungen in zwei Abschnitten auf die berufsspezifischen 22 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] Kenntnisse abzielt, ein allgemeinbildender Teil zu Wirtschafts- und Sozialkunde enthalten ist und die Serviceorientierung in die mündliche Prüfung in Form eines Kundenberatungsgespräches integriert ist, wobei immer noch vor allem die vermittelte Fachtheorie als Basis dient. Dennoch stellen die Berufsbilder bereits heute auch neben der Fachkompetenz auf serviceorientierte Inhalte ab (Übersicht 1): Methodenkompetenz • • • • • • • • • • • • • • Personale • Kompetenzen • • • • • Sozialkompetenz Bankfachliches Wissen für Laien verstehbar wiedergeben können Strategie und Technik der Gesprächsführung Beratungstechnik/-geschick Fähigkeit zur Kundeneinschätzung Informationsbeschaffung und -auswertung Fähig sein, die "mir" angemessenen Gesprächs- und Verhandlungsstrategien auszuwählen Grenzen der eigenen Kompetenz erkennen, Spezialisten einsetzen Sich in den Kunden hineinversetzen können Menschenkenntnis, Bedürfnisse erkennen und einschätzen können Die Perspektive des anderen einnehmen können Auf Menschen zugehen können Vertrauen gewinnen können Offenheit, Fairness, Dienstleistungsbereitschaft Kundenorientiert beraten und verhandeln können Problemlösungsfähigkeit, Flexibilität, Kreativität, Fantasie Unvereinbare Anforderungen situativ ausbalancieren können Ich-Stärke und moralische Integrität Konfliktfähigkeit Teamfähigkeit Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit Übersicht 1: Serviceorientierte Inhalte der Bankberufsausbildung (Bankazubis.de 2001) Die zeitliche Gliederung der Ausbildung zum Bankkaufmann/zur Bankkauffrau (Übersicht 2) zeigt dies ebenfalls auf: Theoretische Kenntnisse werden am Ende vor allem zu den Berufsspezifika vorausgesetzt, und diese Schwerpunkte lassen sich auch im praktischen Teil erkennen. Allerdings scheint die umfangreiche Service-Komponente eher im Rahmen eines „beiläufigen Lernens“ vermittelt werden zu sollen. [email protected] Theoretische Gundlagen 23 1. Ausbildungsjahr Abschnitt 1 Grundausbildung (2-4 Monate), Kontoführung, Markt- und Kundenorientierung, Rechnungswesen, Stellung, Rechtsform und Organisation in Verbindung mit Personalwesen und Berufsbild, Lernziele, Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Umweltschutz Abschnitt 2 Filialausbildung (2-4 Monate), nationaler Zahlungsverkehr Abschnitt 3 Einführung in die Kundenberatung (4-6 Monate), Anlage auf Konten 2. Ausbildungsjahr Abschnitt 1 Anlageberatung (4-6 Monate), Anlage in Wertpapieren, Steuerung Abschnitt 2 Finanzprodukte (2-4 Monate), Anlage in anderen Finanzprodukten Abschnitt 3 Privatkundenbereich ( 2-4 Monate), standardisierter Privatkunde 3. Ausbildungsjahr Abschnitt1 Kreditgeschäft (2-4 Monate), Baufinanzierung, Firmenkredite, Personalwesen, Berufsbildung, Lernziele Abschnitt 2 Außenhandel (2-4 Monate), internationaler Zahlungsverkehr Abschnitt 3 Lücken ausbügeln (4-6 Monate), mindestens zwei der Berufsbildpositionen Kontoführung, Geld- und Vermögensanlage, Kreditgeschäft sind zu vertiefen Übersicht 2: Ausbildungsgliederung des Bankkaufmanns/der Bankkauffrau (nach Ausbildungsplan zu VO-Bk 1997) Für die zeitliche Gliederung der Versicherungskaufleute (Übersicht 3) gilt das gleiche wie bei den Banken, auch hier sind die berufsspezifischen Schwerpunkte unschwer erkennbar. 24 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] 1. Ausbildungsjahr Abschnitt 1 Grundausbildung (2-3 Monate), Stellung, Rechtsform und Struktur, Kompetenzen der Mitarbeiter, Personalwesen und Berufsbildung, Lernziele, Arbeitssicherheit, Umweltschutz und rationelle Energieverwendung Abschnitt 2 (4-6 Monate), Antragsbearbeitung in Verbindung mit Versicherungsprodukten für Privatkunden Abschnitt 3 (4-6 Monate), Vertrieb und Marketing, Lernziele, weitere Versicherungsprodukte des Ausbildungsunternehmens, weitere Finanzdienstleistungen 2. Ausbildungsjahr Abschnitt 1 (4-6 Monate), Vertragsbearbeitung in Verbindung mit Versicherungsprodukten für Privatkunden Abschnitt 2 (4-6 Monate), Bedeutung der Versicherungswirtschaft in der Gesamtwirtschaft, Versicherungsmärkte, Vertrieb und Marketing, Lernziele, kundenorientierte Kommunikation Abschnitt 3 ( 2-3 Monate), Produktgestaltung 3. Ausbildungsjahr Abschnitt1 (4-6 Monate), Leistungsbearbeitung Abschnitt 2 (3-4 Monate), Buchführung, Kostenrechnung, Planungsrechnung und Controlling, Revision Abschnitt 3 (2-3 Monate), Personalwirtschaft und Berufsbildung, Lernziele Übersicht 3: Ausbildungsgliederung des Versicherungskaufmanns/ der Versicherungskkauffrau (nach Ausbildungsplan zu VO-Vers 1996) Allerdings tritt in den drei Ausbildungsberufen immer häufiger ein Kundenwunsch nach einem Allround-Service in den Vordergrund, der sowohl den Geldtransaktionsbereich sowie den Versicherungsschutz abdeckt als auch Konsumschwerpunkte berücksichtigt. „Gerade bei traditionell eher starren Berufsbildern wie dem Bankkaufmann/der Bankkauffrau und dem Versicherungskaufmann/der Versicherungskauffrau ist eine Zusammenlegung von Berufen sehr schwierig, da sie sich in weiten Teilen überschneiden, aber im Detail sehr variieren“. Jürgen Grandjot, Gewerkschaftssekretär für Handel-Banken-Versicherungen im Saarland, Interview am 31.08.2000. Es gibt bereits seit 1998 das Berufsbild „Servicekaufmann/-frau im Luftverkehr“ für Berufe, die im kundennahen Bereich von Luftverkehrs-, Flughafenund Abfertigungsgesellschaften arbeiten. Jedoch ist hier die Branchengrenze noch relativ bindend. Allerdings zeigt sich bereits der allgemeine Trend zum berufspädagogischen Muster der Abfolge von beruflicher Grundausbildungsphase und anwendungsbezogener Spezialisierung. [email protected] Theoretische Gundlagen 25 Bereits vor einigen Jahren entstand in den hier untersuchten Branchen das Berufsbild des Finanzdienstleisters, der einen Zusammenschluß der Berufe Bankkaufmann/Bankkauffrau – Versicherungskaufmann/Versicherungskauffrau darstellt und vor allem die Vermittlung von Finanzdienstleistungen unterstützen soll. Ein wesentliches Motiv ist daher die Herstellung der Qualität der Beratungsleistung, die – im Gegensatz zur einfachen Vertriebsleistung – von der Erklärung der komplexen Produkte abhängig ist (vgl. IFF 1997). Auch die 1993 erfolgte Einrichtung des dualen Studiengangs der Universität Saarbrücken, Lehrstuhl für Bankbetriebslehre, bei dem man neben dem BWL-Diplom eine Ausbildung zum Bankkaufmann erwirbt, kann als Reaktion auf die zunehmende Komplexität der Branche und die Integration von Grundlagen- mit Spezialwissen angesehen werden, allerdings ausgerichtet auf die Zielgruppe der Studierenden. ¹ Der Servicekaufmann/Die Servicekauffrau hingegen stellt von der Idee her in der kaufmännischen Berufsausbildung eine branchenbezogene Erweiterung des Finanzdienstleisters (Bank plus Versicherung) um den Einzelhandel dar. Zudem erfolgt eine inhaltliche Erweiterung der integrativen Aktivitäten aufgrund der in allen drei Berufsbildern existierenden Serviceanforderungen. Vor allem in der Schweiz wurden bereits entsprechende Reformschritte in der kaufmännischen Berufsausbildung und auch in der berufsqualifizierenden Weiterbildung vorgenommen, wobei die Absolventinnen und Absolventen der kaufmännischen Grundausbildung grundlegendes Können und Wissen, mit dem sie grundsätzlich im gesamten Berufsfeld produktiv tätig und einsatzfähig sind, vermittelt bekommen. Dies ist auf lebenslanges Lernen sowie auf Flexibilität in der Wahrnehmung und Mitgestaltung von Arbeitstätigkeiten im kaufmännischen Berufsfeld ausgerichtet. Lehrlinge übernehmen bereits nach einigen Wochen kleinere selbständige Arbeiten im Betrieb, um Selbständigkeit zu üben. Auch der schulische Ausbildungsabschnitt ist auf Selbstorganisation im Lernen ausgerichtet. Diese Ausbildungsform soll den Auszubilden- 26 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] den eine höhere Flexibilität im Berufsfeld ermöglichen, und den Umgang mit Fachkompetenzen, Methodenkompetenzen und Sozialkompetenzen zu erleichtern (vgl. www.berufsbildung.ch zur Reform der kaufmännischen Grundausbildung; zudem Schweizerische Kommission für Bankfachprüfungen 2001 oder das Projekt „Neue Grundausbildung Verkauf.CH“ des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie). 2.4 Berufsbild-Entstehung Die Entstehung eines neuen Berufsbildes wird vom Bundesinstitut für Berufsbildung (1998) wie folgt erläutert: „Die durch den technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel ausgelösten Veränderungen in den Qualifikationsanforderungen an die Beschäftigten werden in der Regel zunächst durch Weiterbildung gedeckt. Erst wenn sich diese Veränderungen in einer hinreichenden Breite in den Unternehmen durchgesetzt haben, werden die inhaltlichen Vorschriften für Ausbildungs- und Studiengänge den Veränderungen angepaßt. Dabei läßt sich über die letzten Jahrzehnte ein deutlicher Trend zur Entspezialisierung beziehungsweise Generalisierung der Ausbildung feststellen. Nach dem Berufsbildungsgesetz werden neue Ausbildungsberufe von Arbeitgebern und Gewerkschaften bei der Bundesregierung als Verordnungsgeber beantragt. Die Bundesregierung beauftragt sodann das Bundesinstitut für Berufsbildung, unter Hinzuziehung von Sachverständigen aus der Praxis, das neue Berufsbild zu erarbeiten.“ Die grundlegende Idee dieser Studie, für Versicherungen, Banken und den Handel ein einheitliches Berufsbild und damit auch eine einheitliche Ausbildung zu schaffen (Abbildung 4), könnte sich auf diese beschriebene Weise durchsetzen lassen. Allerdings sind hierzu Informationen notwendig, ob ein entsprechendes Vorgehen überhaupt realisierbar ist. Theoretische Gundlagen Handel Handel Banken Versicherungen Banken Versicherungen Service-Kaufmann [email protected] 27 ServiceKaufmann H B Generalist Spezialist V Abbildung 4: Entwicklungsperspektive des Berufsbildes „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ Für Deutschland wurde für die vorliegende Studie zunächst recherchiert, inwieweit die drei betroffenen Ausbildungsgänge bereits heute ähnliche inhaltliche Anforderungen verlangen. Aus der nachstehenden Übersicht 4 ist zu erkennen, in welchen Teilbereichen es bei den einzelnen Berufsbildern zu Überschneidungen kommt. Hierbei steht „+“ für einen vorgesehenen Ausbildungsinhalt und „–“ für einen nicht explizit vorgesehenen. Diese Übersicht wurde durch das Zusammenfügen der Lehrbestandteile der Ausbildung mit Hilfe der Broschüren von Bertelsmann erstellt, mit dem Ziel, Übereinstimmungen herauszukristallisieren und somit eine entsprechende Grundlage für die Ausbildung zum Servicekaufmann/zur Servicekauffrau zu erlangen. 28 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ Das ausbildende Unternehmen: • Stellung, Rechtsform, Organisation • Personalwesen und Berufsbild • Information- und Kommunikationssysteme • Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz • Umweltschutz und rationelle Energieverwendung • Kompetenz der Mitarbeiter • Arbeitsorganisation • Warenwirtschaft • Struktur des Einzelhandels Markt- und Kundenorientierung, Vertrieb: • Kundenorientierte Kommunikation • Marketing und Vertrieb • Verbraucher- und Datenschutz/Datensicherheit • Bed. der Branchenwirt. in der Gesamtwirtschaft Kontoführung und Zahlungsverkehr: • Kontoführung • Nationaler Zahlungsverkehr • Internationaler Zahlungsverkehr Geld- und Vermögensanlage: • Anlage auf Konten • Anlage in Wertpapieren • Anlage in anderen Finanzprodukten Kreditgeschäft: • Standardisierte Privatkredite • Baufinanzierung • Firmenkredite Versicherungsmärkte und Vertrieb: • Versicherungsmärkte • Kundeninteresse • Produktgestaltung Produkte und Leistungserstellung: • Versicherungsprodukte für Privatkunden • Weitere Versicherungsprodukte des Ausbildungsunternehmens • Antragsbearbeitung • Vertragsbearbeitung • Leistungsbearbeitung Beschaffung: • Einkaufsplanung/-abwicklung Lagerung: • Warenannahme/-lagerung • Bestandsüberwachung Absatz: • Verkaufsvorbereitung/-abrechnung • Warensortimente Rechnungswesen und Steuerung: • Buchführung • Kostenrechnung • Steuerung und Planungsrechnung • Revision [email protected] H B V + + + + + + + + + + + - + + + + + + + - + + + + + + + + + + - + + + - - + + + + - + + + - - - + + + - - + + + + + + - - + + - - + + - - + + - + + + - + + + + Übersicht 4: Inhaltliche Überschneidungen in den drei Berufsbildern [email protected] Theoretische Gundlagen 29 Wie aus der detaillierten Aufschlüsselung zu entnehmen ist, gibt es eine Reihe von Themengebieten, die in allen drei Ausbildungsberufen parallel verlaufen und somit die Basis für das neue Service-Berufsbild bilden könnten. Auffällig ist jedoch, daß die zentralen Servicegedanken in der Ausbildung lediglich implizit auftauchen, obwohl sie eine grundlegende Voraussetzung für das Arbeiten in einem Dienstleistungsberuf darstellen. Um diesen Sachverhalt genauer analysieren zu können, wurde die Umsetzung in Form von Pilotprojekten nötig, wie sie die Teilprojekte I bis III dieser Studie darstellen. [email protected] Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“ 31 3 Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“ Im ersten Teilprojekt der Umsetzung wird untersucht, inwieweit Kooperationen zwischen Unternehmen möglich und erwünscht sind, um unter Einbeziehung der Auszubildenden sowie deren Ausbildern ein neues Berufsbild im Servicebereich zu definieren. Das Pilotprojekt ist auf der Basis der Studie „Qualifikation 2007“ aufgebaut und will daher grundsätzlich folgende Fragen erörtern: • Ist das theoretische Konzept generell in der Ausbildung in Banken, Versicherungen sowie im Einzelhandel umsetzbar? • Sind dem Konzept Grenzen gesetzt, und welche sind dies? • Wie stehen die ausbildenden Unternehmen diesem Vorhaben gegenüber? • Wie stehen die Auszubildenden diesem Vorhaben gegenüber? • Wie könnte eine langfristige Realisierung des Projektes aussehen? Hierdurch werden das Berufsbild Servicekaufmann/Servicekauffrau ansatzweise konkretisiert und mögliche Ausbildungsinhalte festgelegt. Der Beruf des Servicekaufmanns/der Servicekauffrau soll hier eine effiziente und effektive Verschmelzung der noch eigenständigen Berufe Einzelhandelskaufmann/Einzelhandelskauffrau, Bankkaufmann/Bankkauffrau und Versicherungskaufmann/Versicherungskauffrau aufzeigen und so eine zukunftsorientierte Umstrukturierung der Ausbildung sowohl auf inhaltlichem wie auch auf prozessualem Gebiet ermöglichen. 3.1 Konzeption: Ausbildungsnetzwerk Um einen arbeitsfähigen, aber gleichsam „repräsentativen“ Querschnitt aus den beteiligten Branchen Handel, Banken und Versicherungen zu erhalten, wurden zunächst sechs Saarbrücker Unternehmen akquiriert (Übersicht 5), je zwei aus einer Branche, wobei eine kurzfristige Absage erfolgte. Es verblieben die folgenden fünf Unternehmen, die bereits an der Studie „Qualifikation 2007“ teilgenommen hatten: 32 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ • Saarland Versicherungen • Saarbank eG • Deutsche Bank Saar AG • Globus Saarbrücken-Güdingen • Kaufhof AG [email protected] Diese Unternehmen stellten je drei Auszubildende für dieses Projekt zeitweise frei. Insgesamt nahmen 16 Auszubildende auf freiwilliger Basis an diesem Projekt teil. Ziel dieses Projektes ist, das Berufsbild „Servicekaufmann/-frau aufbauend auf der Studie „Qualifikationen 2007 – Neue Berufsbilder und Qualifikationen für Banken, Handelsunternehmen und Versicherungen“ zu konkretisieren. Grundlage dafür sind zehn Schlüsselqualifikationen (näher erläutert im beiliegenden Informationsmaterial), die im Rahmen von Personalentwicklungsmaßnahmen den ausgewählten Auszubildenden in Form von Lehrveranstaltungen, Praxistagen und übergreifenden Lernpools nahegebracht werden. Eine dieser Personalentwicklungsmaßnahmen soll jeweils von einem der sich am Projekt beteiligenden Unternehmen aus den Bereichen Handel, Banken und Versicherungen übernommen werden, so daß die insgesamt 18 Auszubildenden (je drei aus jedem Unternehmen) auch einen Tag in Ihrem Unternehmen verbringen. Welche dieser Schlüsselqualifikationen von Ihrem Unternehmen übernommen wird, möchten wir gerne beim ersten Treffen mit Ihnen vereinbaren. Die verbleibenden vier Schlüsselqualifikationen werden von den projektfinanzierenden Organisationen sowie von uns vermittelt. Übersicht 5: Auszug aus dem imk-Akquisitionsanschreiben an die Unternehmen Insgesamt wurde ein lose gekoppeltes Ausbildungsnetzwerk geschaffen, das durch das imk organisiert wurde. Im einzelnen umfaßte die Koordination die Kommunikation mit den Unternehmen, die Terminkoordination der einzelnen Veranstaltungstermine mit den Unternehmen, die Erläuterung der inhaltlichen Vorgaben der Vorstudie sowie die Rücksprache mit Dozenten. Zudem wurde projektbegleitend eine Internetseite (www.orga.uni- sb.de/forschung/servicekaufmann) aufgebaut, die Interessenten einen Überblick über das Projekt ermöglichte. [email protected] ¹ Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“ 33 Das Faszinierende an der Konzeption liegt in seiner zukunftsweisenden Struktur: Jedes Unternehmen bringt als Partner seine Kernkompetenzen ein, nämlich die Inhalte, die es als bestes vermitteln kann. Diese werden möglichst ohne bürokratischen Zusatzaufwand zusammengeführt. Es entsteht ein Ausbildungsnetzwerk in Form einer virtuellen Struktur (Scholz 2000): eine temporäre, projektbezogene Integration von Kernkompetenzträgern zur Erreichung eines definierten Ergebnisses. Die bereits in Kapitel 2.1 erläuterten Module wurden hier in Kooperation mit den Unternehmen auf praktischer Ebene umgesetzt. Die Lerninhalte wurden in den Modulen den Auszubildenden in Form von Gruppenarbeiten, Diskussionsrunden und Spielen nähergebracht. Die Unternehmen konnten sich selbst überlegen, wie sie ihre Inhalte präsentieren wollen. In Rücksprache mit dem imk entstanden so zielgruppenangepaßte Lehrmodule für die einzelnen Schlüsselqualifikationen im Dienstleistungsbereich. Sehr wichtig war die Rückmeldung der Erfahrungen der Ausbilder sowie der Auszubildenden nach Abschluß der Workshops. Hier ist äußerst aussagekräftiges Feedback eingegangen, das zur Bewertung des Pilotprojekts notwendig ist. Nachfolgend wird der behandelte Stoff und dessen Umsetzung im Modul erörtert. Übersicht 6 informiert über den zeitlichen Ablauf des Pilotprojektes zum Servicekaufmann/zur Servicekauffrau. 34 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] 25.03.1999 Eröffnungsveranstaltung imk (Prof. Dr. Scholz/Frau Lebro) 25.-26.03.1999 Unternehmensplanspiel PLUS-P imk (Dr. Stein) 12.04.1999 Gruppenintrapreneurship Saarland Versicherungen (Herr Christmann) 22.04.1999 Grenzenlosigkeit und Virtualisierung Saarbank e.G. (Frau Hartmann, Frau Baltes, Herr Deutsch, Frau Krause, Frau Jacoby, Herr Schmid, Herr Messinger) 03.-04.05.1999 Technisierung Kaufhof AG (Frau Igel-Nels) 11.05.1999 Kundennutzenorientierung Deutsche Bank Saar AG (Frau Brose) 27.05.1999 Persönliche Individualisierung Kooperationsstelle für Hochschule und Arbeitswelt (Frau Roßmanith) 07.-08.06.1999 Flexibilisierung Globus Saarbrücken-Güdingen (Frau Stratmann) 22.06.1999 Globalisierung Arbeitskammer des Saarlandes (Frau Mallok) 29.06.1999 Wertschöpfungsprimat imk (Prof. Dr. Scholz) 01.07.1999 Intelligente Organisation imk (Frau Lebro/Herr Klein) 02.07.1999 Abschlußveranstaltung imk (Prof. Dr. Scholz) 13.08.1999 Berufsbildpolarisierung Gewerkschaft HBV, Landesbezirk Saar (Herr Grandjot) Übersicht 6: Zeitliche Verteilung der Lehrmodule In einem relativ kurzen Zeitraum wurde auf die zehn Schlüsselqualifikationen für das Berufsbild eines Servicekaufmanns/einer Servicekauffrau eingegangen, und in der Gruppe wurden die wichtigsten Kernpunkte erarbeitet. Dies war terminlich gar nicht so einfach zu koordinieren: Zwar sollten alle teilnehmenden Auszubildenden an allen Lehrmodulen teilnehmen. Allerdings durften sich keine Überlappungen mit Berufsschulveranstaltungen ergeben, wobei die beteiligten Auszubildenden an verschiedenen Berufsschulen mit unterschiedlichen Blockstrukturen ausgebildet werden. Daher waren Freistellungen während der Unternehmensphasen notwendig, die aber gleichzeitig das Versäumen anderer Ausbildungsinhalte implizierten. Daß die Unternehmen [email protected] Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“ 35 trotz dieser Schwierigkeiten zur Kooperation bereit waren und konstruktiv eine Gesamtlösung finden halfen, ist um so bemerkenswerter. ¹ Die Zusammenarbeit mit den ausbildenden Unternehmen wurde im Zeitraum Januar 1999 bis Juli 1999 erfolgreich abgeschlossen: Insgesamt 16 Auszubildende aus verschiedenen saarländischen Unternehmen der Branchen Handel, Banken und Versicherungen nahmen an den zehn „Servicekaufmann/-frau–Tagen“ (in denen jeweils eine der zehn Schlüsselqualifikationen vermittelt wurde) bei unterschiedlichen Unternehmen sowie bei Kooperationspartnern teil. 3.2 Ergebnis: Service-Lehrmodule Die erarbeiteten und durchgeführten Service-Lehrmodule werden in der Reihenfolge ihrer Durchführung dargestellt. Zur Umsetzung wurden die Unternehmen hinsichtlich verschiedener Fragestellungen sensibilisiert: • Welche Service-Qualifikation kann das Unternehmen gut vermitteln? • Was erwartet das Unternehmen im Bereich dieser Service-Qualifikation von den Auszubildenden? • Was sind thematische Konkretionen, die alle Dienstleistungsbranchen betreffen? Bereits in die Konzeptionierung der Lehrmodule wurde so eine Perspektivenerweiterung eingebaut. Im folgenden werden die Lösungen kurz präsentiert: konkrete Lehrmodul-Vorschläge, die in der beschriebenen Form auch durchgeführt wurden. 3.2.1 Einführungsveranstaltung Ziel einer Einführungsveranstaltung ist es zunächst, einen organisatorischen Überblick über das Gesamtprojekt zu geben. Hierzu gehören Ziel und Ablauf des Pilotprojektes, das ja nicht zuletzt durch seine Struktur für alle Beteiligten neu ist. 36 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] Gleichzeitig lernen sich die teilnehmenden Auszubildenden gegenseitig kennen. Hierzu dient unter anderem auch ein Fragebogen zur Person, der – zusammen mit einem Paßfoto – ausgehängt wird, damit man erste Eindrücke zu den Beteiligten sammeln kann. Inhaltlich beginnt ein modularer Kurs sinnvollerweise mit einer Übung, die den Gesamtzusammenhang des zu erlernenden Gebietes abdeckt (Übersicht 7). Dies ist in diesem Fall eine Unternehmenssimulation, bei der es auf Kundenorientierung gegenüber den externen Kunden sowie den internen Kunden (dem Personal) ankommt. Ein geeignetes Unternehmensplanspiel ist hier PLUS-P, ein „Planspiel zur Unternehmenssimulation unter besonderer Berücksichtigung des unternehmerischen Personalmanagements“, das vom imk angeboten wird (www.orga.uni-sb.de/lehre/plusp/). • • • • • • • Realisation und Integration betriebswirtschaftlicher Grundfunktionen Anwenden von vorgegebenen Management-Techniken Sukzessives Aufdecken von Zusammenhängen Umgang mit „black boxes“, mit Vernetzung, mit stochastischen Zusammenhängen, mit Verzögerungen und Rückkopplungen Erlernen von Arbeitsmethodiken, speziell Analysetechniken, Umgang mit der Zeit und Arbeiten im Team Begreifen von Personalmanagement als einem zentralen „Produktionsfaktor“, der umfassend zu realisieren ist und auf die anderen betrieblichen Aspekte abzustimmen ist Erkennen der Bedeutung von „soft facts“ wie Unternehmenskultur und Unternehmensimage Übersicht 7: Lernziele von PLUS-P Als interaktives, PC-gestütztes General Management Game deckt PLUS-P die „klassischen“ Bereiche Finanzen, Absatz, Produktion und Beschaffung ab. Zu den Besonderheiten von PLUS-P zählt die hochgradige Vernetzung zwischen den Unternehmensbereichen und den Spielerteams (den fiktiven Unternehmen) untereinander. Ganzheitliches und vernetztes Denken läßt sich leichter erlernen, wenn die Auswirkungen von Entscheidungen in vernetzten Systemen transparent werden. PLUS-P fördert das Denken in Systemzusammenhängen, weckt das Verständnis für komplexe Situationen und bereitet auf die Zukunft vernetzter Unternehmen vor (Abbildung 5). [email protected] Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“ 37 Bestand Bedarf Einsatz Führung Beschaffung Kosten Entwicklung Freisetzung Planungsfunktion Rohstoffe F&E Betriebsstoffe Maschinen Handelsware Werbung Marktforschung Absatzprognose Vertrieb Preispolitik Produktionsmengen Finanzanlagen Bilanz/GuV/Selbstkosten Zahlungsverhalten Kreditaufnahme (c) PRISMA Prof. Scholz GmbH Abbildung 5: Die Vernetzung von PLUS-P Die These, daß die Mitarbeiter eines Unternehmens entscheidend zum Unternehmenserfolg beitragen, ist unbestritten, allerdings ist sich der Mitarbeiter nicht immer ausreichend über seine persönlich-tragende Rolle in der Wertschöpfungskette bewußt. Dies war ein Gesichtspunkt, der den Auszubildenden in ihren Teams näher gebracht wurde, in dem diese nicht als Auszubildende, sondern als Manager in einem Unternehmen tätig waren. Nach Ablauf vorher festgelegter Spielperioden steht das Unternehmen als Gewinner fest, das die vereinbarten Unternehmensziele am besten umsetzen konnte. PLUS-P läßt sich vom Spielleiter auf jede konjunkturelle Situation einstellen, auch auf Rezession. 3.2.2 Gruppenintrapreneurship Diese Schlüsselqualifikation (Übersicht 8) betrifft den gesamten Dienstleistung-Sektor, d.h. Handel, Banken und Versicherungen. In diesem Modul wur- 38 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] den zehn Regeln für die Arbeit im Team besprochen, die wesentlich sind für eine gute und produktive Entwicklung im Team. Sie gehen auf eine entspannte Situation ein, beziehen sich auf ein gutes Klima, in dem offen und ehrlich wichtige Punkte geklärt werden, und auch konstruktive Kritik nicht fehlen sollte, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Die drei Ebenen der Zusammenarbeit wurden aufgegriffen und erläutert. Es handelt sich hierbei um – die Aufgabenbewältigung auf der Sachebene, – die Organisation und Vorgehensweise auf der Geschäftsordnungsebene sowie – das Miteinander-Umgehen auf der Beziehungsebene. Die Sachebene fragt nach einer nüchternen (sachlichen) Betrachtungsweise des Problems, wo auch das Fachwissen eine tragende Rolle spielt. Die Geschäftsebene bewegt sich auf der Ebene der Vorgehensweise und thematisiert, welche Hilfsmittel und Methoden zum Einsatz kommen und welche Normen und Regeln gelten. Diese Art der transparenzerhöhenden Organisation kann viel Zeit und Kraft sparen. Die Beziehungsebene spielt ebenfalls eine wichtige Rolle im Team, denn dort spiegeln sich Emotionen und Befindlichkeiten gegenüber einzelnen Teammitgliedern wider. Diese drei Ebenen existieren natürlich nicht getrennt voneinander, sondern überschneiden und beeinflussen sich gegenseitig. • • • • • • • Begrüßung, Organisation etc. Kurze Vorstellungsrunde Auflockerungsübung: Warum sind wir hier? Was ist unser Thema? Was verstehen Sie darunter? Fragen zur Offenheit in der Gruppe Gruppenübungen (u.a. Johari-Fenster, Themenzentrierte Interaktion, Zehn Regeln für die Arbeit im Team, Feedback, Lebensbaum) Theorie Zusammenfassung Übersicht 8: Workshop-Planung (Auszüge) von Herrn Christmann Störfaktoren werden in einer Gruppe dann wirksam, wenn in einer Teamsituation nicht eigene Meinungen gleichberechtigt gefunden und vertreten werden, sondern eine Anpassung an eine persönliche Autorität stattfindet. Damit können Lösungen entstehen, die nicht kritisch genug durchleuchtet sind, bezie- [email protected] Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“ 39 hungsweise gute Vorschläge von weniger autoritären Persönlichkeiten unterschlagen werden. Ein weiterer Gesichtspunkt ist das Differenzieren von Entscheidungen nach ihrer Wichtigkeit : Hier wird Flexibilität auf der Geschäftsordnungsebene nötig, um nicht an sinnlosen Vorgehensweisen festzuhalten. Die Sachebene ist der Problematik ausgesetzt, ein optimales Mittelmaß an Systematik, Logik und Intuition zu finden. Dies betrifft etwa die zeitliche Reihenfolge von Detailentscheidungen und Grundsatzentscheidungen. In einem Team, das sich seiner Gemeinsamkeiten bewußt ist, herrscht ein Klima des Vertrauens. Das ermöglicht und erleichtert ihm die klare Definition unterschiedlicher Standpunkte und hilft, in der Vielfalt nicht das Chaos, sondern eine Chance zu sehen, über kreative Arbeit zu einer größeren gemeinsamen Einheit zu gelangen. Zur Vermittlung wurde das von Luft und Ingham (1955) konzipierte JOHARIFenster (Abbildung 6) herangezogen, das in freies Handeln, Verbergen und Vermeiden, blinder Fleck und Unbewußtes aufgeteilt sind. Jede neue Situation bewirkt bei den Handelnden Unsicherheit, die nach und nach in bestimmten Handlungskonstellationen (A-D) bewältigt wird, deren förderlichste die Konstellation des freien Handelns (A) ist. Lediglich das Fenster des Unbewußten bleibt weitgehend konstant. anderen bekannt anderen nicht bekannt dem Selbst bekannt A Freies Handeln, bewußte Verhaltensweisen und Motivationen B Bereich des Vermeidens und Verbergens dem Selbst nicht bekannt C Bereich der blinden Flecken D Bereich des Unbewußten Abbildung 6: JOHARI-Fenster (nach Jarvis, o.J.) Mit Hilfe von Kopien wurden diese theoretischen Aspekte erläutert und in Gruppenarbeiten vertieft. 40 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] 3.2.3 Grenzenlosigkeit und Virtualisierung Die Realisierung dieses Moduls (Übersicht 9) wurde auf Basis des Internets durchgeführt, da es zur Zeit das wohl beste Medium zur Verdeutlichung von Grenzenlosigkeit und Virtualisierung ist. Im einzelnen wurden zunächst durch die Auszubildenden des ausrichtenden Unternehmens selbst die Entstehungsgeschichte des Internets sowie seine Verbreitung in Europa und speziell auch in Deutschland vermittelt. Darüber hinaus wurde den Auszubildenden erläutert, daß viele Unternehmen parallel dazu noch ein firmeneigenes Intranet betreiben. Dort finden die Mitarbeiter unternehmensinterne Informationen, Mitteilungen der verschiedensten Abteilungen sowie die Möglichkeit, trotz räumlicher Distanz mit anderen Abteilungen oder Geschäftsbereichen in Kontakt zu treten. Dabei wird das klassische Prinzip der Informationsverteilung („Bringschuld“) durch eine Informationsbereitstellung ersetzt, die durch die Mitarbeiter im Sinne einer „Holschuld“ genutzt wird. Weitere Virtualisierungs- und Globalisierungstendenzen zeigen die vermehrte Nutzung von Telearbeit, Teleconsulting und Videokonferenzen, die laut Prognosen auch in den nächsten Jahren noch weiter ansteigen werden. Diese Tendenzen haben nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf die Arbeitnehmer in der zukünftigen Arbeitswelt. Sie müssen keine langen Anfahrtswege zu ihrem Arbeitsplatz in Kauf nehmen, da der Arbeitsplatz häufig ein Büro zu Hause ist. Außerdem ist der Einzelne dann nicht mehr an starre Arbeitszeitregelungen gebunden, sondern kann seine Arbeit zu beliebigen Zeiten erledigen. Das alles stellt neue und vielfältige Anforderungen an die Mitarbeiter, denn einerseits erhöht es die Eigenverantwortung, andererseits aber auch die Unsicherheit, nicht optimal mit diesen Freiräumen umgehen zu können. [email protected] • • • • • • • Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“ 41 Begrüßung und Vorstellung der Saar Bank eG Themeneinführung „Internet“ durch die Auszubildenden der Bank Vorstellung des Direktvertriebskonzeptes, Besuch des Internet-Cafés in einer Filiale Internet-Seminar Vortrag zum Thema „Grenzenlosigkeit und Virtualisierung“ Fallbeispiel „Virtualisierung“ Gruppenfoto Übersicht 9: Workshop-Planung (Auszüge) der Saar Bank Als ein Beispiel für Grenzenlosigkeit wurde der Direktvertrieb angesprochen, wo der Kundenkontakt nur noch auf virtueller Basis besteht und alle Geschäftsvorfälle auch in diesem abgewickelt werden. Abschließend wurde die Theorie durch Präsentation eines interaktiven Lernprogramms für Bankkaufleute in die Praxis umgesetzt. Die Auszubildenden bei der Saar Bank 3.2.4 Technisierung durch Aufgeschlossenheit In allen Unternehmen steigt der Grad der Technisierung stetig an. So werden Mitarbeiter in nahezu allen Abteilungen regelmäßig mit technischen Neuerungen konfrontiert. Dies kann im internen Dienst genauso der Fall sein wie 42 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] im Kundenverkehr oder in der Einführung neuer Mitarbeiterinformationssysteme. Jedes Unternehmen hat die für seine Branche beziehungsweise sein Geschäftsfeld speziell abgestimmte EDV-Unterstützung, mit der die Angestellten möglichst problemlos arbeiten können. Dies erfordert regelmäßige Schulungen seitens der Unternehmen, aber auch ein hohes Maß an Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit seitens der Mitarbeiter. Denn jeder muß sich bewußt sein, daß der eigene Fehler unter Umständen auch zu Fehlermeldungen in anderen Abteilungen führen kann. Außerdem muß darauf geachtet werden, daß sich die Angestellten nicht vor den neuen Technologien verschließen oder sie gänzlich abblocken. Deshalb muß der Nutzen jederzeit für alle erkennbar sein. Möglichkeiten, dies zu umgehen, sind Mitarbeiterinformationssysteme wie spezielle Seiten im Intranet oder firmeneigene Kommunikationssysteme in Form von Business TV, wie es z.B. bei Kaufhof bereits existiert. Technisierung im Kundenverkehr (Übersicht 10) kann sich auf verschiedenste Art und Weise darstellen. Einerseits verlangen Kunden bei neuen Technologien genaue Informationen, denn es fördert die Akzeptanz, wenn der Angestellte eine kompetente Beratung anbieten kann. Andererseits muß ein Unternehmen auch die neuen Technologien wie das Internet nutzen, um neue potentielle Kunden auf sich aufmerksam zu machen. Des weiteren sollte der Kunde die Möglichkeit haben, auch außerhalb der Öffnungszeiten verschiedene Serviceangebote nutzen zu können. Praktisch umsetzbar ist das insbesondere in den Bereichen Online-Banking, virtuelle Kaufhäuser oder sonstige, internetbasierende Dienstleistungsangebote. • • • • • Ziel: Wir wollen zeigen, daß es auch im Einzelhandel wichtig ist, mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten und als Mitarbeiter aufgeschlossen gegenüber technischen Neuerungen zu sein! Darstellung: Technologien aus verschiedenen Bereichen Logistik: insbesondere Warenwirtschaftssystem Service: Internet-Shopping, Geschenk-Service-Terminals, Buchshop, Styling-Spiegel Mitarbeiter-Informationssysteme: Unternehmensfernsehen k-TV, CD-Rom zum interaktiven Lernen, Intranet Übersicht 10: Workshop-Planung (Auszüge) von Frau Igel-Nels [email protected] Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“ 43 3.2.5 Kundennutzenorientierung als Denkhaltung In diesem Lernmodul wurden die Qualifikationen zum Thema der Kundennutzenorientierung (Übersicht 11) in Dreier-Gruppen erarbeitet, unter dem Gesichtspunkt, daß sich der Auszubildende selbst als Kunde sieht. Verkaufsgespräche wurden geführt und bewertet, um die Chancen und Schwächen der Einzelnen herauszufitern und gegebenenfalls zu verbessern. Je besser der Kundenberater sich auf den Kunden einstellen kann, desto erfolgreicher wird die Beratung, da „Fachjargon“ vermieden werden kann und dennoch die Kompetenz sichtbar ist. Nur durch guten Service kann eine langfristige Kundenbindung entstehen beziehungsweise kann der Kundenstamm erweitert werden. • • • • • Ziel: Teilnehmer zum Thema Kundenorientierung sensibilisieren durch eigene Erfahrungen in der Kundenrolle Kundennutzen: Was kann man sich darunter vorstellen? (Erläuterungen, Diskussion) Bedarfsgerechte Beratung, was kann ich dazu tun? Gruppenarbeit: „Wie sieht Ihrer Meinung nach guter Service aus?“ Erfahrung als Kunde (Rollenspiel) Übersicht 11: Workshop-Planung (Auszüge) von Frau Brose Insbesondere erkannten die Teilnehmer, wie unterschiedlich Service sein kann. Dabei wurden äußerst positive wie auch äußerst negative Erfahrungen gemacht. Die als positiv empfundene Workshop-Atmosphäre ergab auch die Möglichkeit, die zum Teil sehr unterschiedlichen Auffassungen von Kundenorientierung der einzelnen Unternehmen zu erörtern. Dies führte zur Erkenntnis, daß nur über guten Service dem Unternehmen langfristig Kunden erhalten und der Kundenstamm ausgeweitet werden kann. 3.2.6 Persönliche Individualisierung Dieses Modul (Übersicht 12) geht auf den Begriff der Individualität eines jeden Menschen ein, die sich mit dem Wunsch nach individueller Sinnstiftung des Lebens befaßt. Als Kommunikation bezeichnet man alles, was zwischen zwei oder mehr zusammentreffenden Lebewesen geschieht. Um diesen Begriff herum wurden Elemente gesammelt, mit deren Hilfe Kommunikation zustande kommt. So kann die Übermittlung von Informationen auf unterschiedli- 44 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] chen Ebenen erfolgen. Es kann sich um die fachliche Kompetenz handeln, d.h. der Sachverhalt muß bekannt sein, die soziale Kompetenz, d.h. der Wunsch zu überzeugen erfolgt durch die ausgestrahlte Persönlichkeit, die Logik im Denken, d.h. Informationen sollten strukturiert und nachvollziehbar überbracht werden, oder Rhetorik, d.h. die Kunst des Redens und des Ausdruckes. Des weiteren wurde der Wandel des Begriffes „Karriere“ besprochen. Früher machte man Karriere in einem Unternehmen, indem man hierarchische Ebenen erklomm. Karriere heute definiert sich zunehmend darüber, ständig dazuzulernen und persönliche Kompetenzen weiterzuentwickeln. Der Karrierebegriff an sich wird daher immer individueller. Was Karriere machen bedeutet, wird in Zukunft jeder für sich selbst beantworten müssen. Hier wurden in einer Vorstellungsrunde von jedem einzelnen Auszubildenden seine Karrierevorstellungen dargelegt, die auch Rückschlüsse auf persönliche Individualisierung zulassen. [email protected] Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“ Thema 1. Wechselseitige Rückmeldungen geben über persönliche Symbole 2. Studienergebnisse zum Thema Individualisierung vorstellen 3. Individualisierung verändert gesellschaftliches Zusammenleben und Wertevereinbarungen. 4. Karriere, Eigenverantwortung im Beruf Ziele Individualität der anderen erkennen und sich in sie hineinfühlen. Sich wechselseitig besser kennenlernen Den Ausgangspunkt des Workshopthemas bestimmen Gesellschaftliche Entwicklungen und unternehmerische Konsequenzen wurden zur Diskussion gestellt. Individuelle Positionen zu den Themen möglichst breit herausarbeiten und kennenlernen 5. Individualisierung braucht Methoden kennenlernen, um Team-, Konflikt- und MoIndividualisierung im Unterderationsfähigkeiten im nehmen und für die KarriereUnternehmen planung zielfördernd beteiligungs- und teamorientiert fruchtbar zu machen 6. Die persönlichen Fähigkei- Die persönlichen Fähigkeiten ten und Stärken kennen, und Stärken benennen könfördern und beruflich ein- nen und fruchtbar in die Karbringen riereplanung einbeziehen 7. Zeitgemäßer Karrierebeg- Klassisch hierarchieorientierriff te Karrierebegriffe hinterfragen 8. Resümee, Wechselseitige Rückmeldung 45 Methode Symbolische Rückmelderunde These vorlesen Folienvortrag mit Diskussion Moderierte Diskussion mit Kartentechnik Folienvortrag zu Konfliktmanagement und Moderationsmethoden Meditative Reise (moment of excellence), persönliches Brainstorming, Gruppenbrainstorming Zeitschriftenartikel: Neue Karrierewege – Starker Auftritt Übersicht 12: Workshop-Planung (Auszüge) von Frau Roßmanith 3.2.7 Flexibilisierung In diesem Modul (Übersicht 13) wurde eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, wie sie am Markt entstanden ist, genauer untersucht. Da der Kunde im Hinblick auf Service zu jeder Tageszeit eine ausreichende Betreuung seiner Einkäufe vorfinden sollte, kann die Arbeitszeit optimal an die Öffnungszeiten angepaßt werden. Die Abkopplung der individuellen persönlichen Arbeitszeit von der allgemeinen Öffnungszeit bedeutet, daß das Volumen der Regelarbeitszeit aus dem Tarifvertrag nicht mehr gleichmäßig auf die Woche beziehungsweise den Monat verteilt werden kann. Einzelne Mitarbeiter(-gruppen) planen versetzte/gestaffelte Arbeitszeiten innerhalb des Betriebes, d.h. die Arbeitszeiten innerhalb der Gesamtbelegschaft differieren und sind im Rahmen der Öffnungszeiten variabel. Dies führt zu Interessenskonflikten zwi- 46 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] schen dem gesellschaftlichem Umfeld, den Mitarbeiterinteressen, Gesetzen und Betriebsvereinbarungen sowie den Unternehmensinteressen. Ziel ist es, ökonomisch und sozial ausgewogene Arbeitszeit, attraktive Arbeitsplätze, Verteilung der Arbeitszeit in partnerschaftlicher Form und Flexibilität im Sinne der Souveränität der Mitarbeiter zu erlangen. Die bisherige Arbeitszeitfestlegung mußte durch eine flexible Regulierung ersetzt werden, die Rücksicht nehmen konnte auf: – den unterschiedlichen Arbeitsanfall (Kundenfrequenz), – die individuellen Arbeitsaufgaben sowie – die persönlichen Lebenssituationen der Mitarbeiter. Dieser Aspekt der Flexibilität betrifft hauptsächlich das handelnde Gewerbe, da dort eine Anpassung der Arbeitszeit an immer weiter ausgedehnte Öffnungszeiten erfolgen muß. Dies wurde anhand von Rechenbeispielen genauer erörtert, wobei Teams konkrete Einsatzpläne unter realistischen Bedingungen erstellen und gegebenenfalls entstehende Konflikte lösen mußten, was ebenfalls einen Gesichtspunkt der notwendigen Flexibilität darstellt. • • • • Fallstudie: Einführung einer teamorientierten Jahresarbeitszeit Vorstellung zweier unterstützender EDV-Programme EDV-unterstützte Personaleinsatzplanung in Großabteilungen Aufgaben zur Personaleinsatzplanung Übersicht 13: Workshop-Planung (Auszüge) von Frau Stratmann 3.2.8 Globalisierung Parallel zur Globalisierung schreitet auch die Europäische Integration immer schneller voran, wobei das Saarland durch seine geographische Lage besonders von letzterem stark betroffen ist. In dieser Lerneinheit (Übersicht 14) sollten die Auszubildenden anfangs in einem Brainstorming angeben, was ihnen zum Thema Globalisierung einfällt beziehungsweise was sie damit assoziieren. Als Beschleunigungsfaktoren der Globalisierung wurden vor allem das Internet sowie die fortschreitende Technisierung in allen Bereichen genannt. Insbesondere das Internet ermög- [email protected] Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“ 47 licht es gegenwärtig theoretisch jedem Unternehmen, ein „Global Player“ zu werden, sich internationale Märkte zu erschließen und auf diesen auch agieren zu können. Ein zweiter Themenschwerpunkt wurde auf den voranschreitenden europäischen Integrationsprozeß gelegt sowie auf die Auswirkungen für das Saarland, das eine strategisch sehr günstige Position besitzt. Außerdem wurden bereits existierende und geplante Formen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich erläutert. • • • Sammlung von Stichworten zum Thema Globalisierung Erarbeitung des Wesens und der Grundstrukturen der Globalisierung Rollenspiel zu den konkreten Auswirkungen der Globalisierung im Saarland und zur Anwendung des erworbenen Wissens Übersicht 14: Workshop-Planung (Auszüge) von Frau Mallok Praktisch geübt wurde grenzübergreifende Zusammenarbeit anhand des Rollenspiels „Eurozone – Ja oder Nein“, in dem eine Situation zur Entscheidungsfindung im Landtag simuliert wurde. Desweiteren wurde dargestellt, wie sich saarländische Unternehmen einem grenzübergreifenden Wettbewerb stellen und wie sie es durch unterschiedliche Strategien in unterschiedlichen Branchen schaffen, sich international zu positionieren. 3.2.9 Wertschöpfungsprimat Anknüpfungspunkt für die Vermittlung der Idee und Wichtigkeit des Wertschöpfungsprimats war die Diskussion von Kernkompetenzen. Als ein zentrales Konzept aus dem strategischen Management dient es der langfristigen Positionierung von Unternehmen im Wettbewerb. Die zugrunde liegende Konzeption von Kernkompetenzen läßt sich anhand eines Schnittstellendiagramms verdeutlichen (Abbildung 7): Kernkompetenzen bestehen dann, wenn ein Unternehmen – über eine Fähigkeit verfügt, die andere Wettbewerber nicht besitzen, 48 – „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] diese Fähigkeit mit dem originären Geschäftszweck des Unternehmens in Verbindung steht und – für diese Fähigkeit ein relevanter Markt besteht. Damit befinden sich die Kernkompetenzen in der Schnittmenge dieser drei Kriterienkreise. originäre Nähe komparativer Vorteil vorhandener Markt Abbildung 7: Kernkompetenz (nach Prahalad/Hamel 1990, 84) Die Auszubildenden sollten hierzu in ihren Unternehmen die Kernkompetenzen in ihren Bereichen konkret recherchieren. Hierzu mußten sie Informationen über das Leistungsspektrum des Unternehmens, über die Geschichte des Unternehmens sowie über das Wettbewerbsumfeld des Unternehmens beschaffen und analysieren. [email protected] Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“ 49 Die Gruppe der Auszubildenden zu Gast am imk Workshopatmosphäre am imk 3.2.10 Intelligente Organisation Keine Organisation ist optimal auf seine Umwelt eingestellt. Deshalb muß es immer wieder zu neuen Anpassungsprozessen kommen. Zu Beginn wurden 50 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] den in vier Gruppen aufgeteilten Auszubildenden Umschläge ausgeteilt, in denen sich je ein Satz befand, wobei jedes Wort in Silben zerschnitten war. Das Lernprinzip bestand darin, erstmal das Problem zu erkennen und dann zur Lösung des Problems im gegenseitigen Austausch mit den anderen Gruppen stehen. In diesem Modul (Übersicht 15) wurde der Begriff der Intelligenten Organisation erklärt. Eine Organisation ist dann „intelligent“, wenn sie in der Lage ist: – Wissen langfristig zu speichern und es bei Bedarf wieder abzurufen, – aus früheren Erfahrungen zu lernen und das Gelernte anzuwenden, – sich aufgrund von Wissen, Erfahrungen und Erlerntem auf neue, unbekannte Situationen einzustellen und – sich an Veränderungen anzupassen. Damit versteht man unter einer intelligenten Organisation die Fähigkeit eines Unternehmens, sich durch Lernen eine Wissensbasis zu schaffen und diese entsprechend zu nutzen. • • • Strukturierung von unternehmerischer Intelligenz Lernfähigkeit, Lernblockaden, Lernauslöser (Gruppendiskussionen) Fallbeispiel: Wie weiß eine Organisation, daß sie etwas gelernt hat? Übersicht 15: Workshop-Planung (Auszüge) von Frau Lebro und Herrn Klein Die Auszubildenden bekamen die Aufgabe gestellt, die Fähigkeiten ihres Unternehmens in bezug auf diese Fähigkeiten einzuordnen. 3.2.11 Berufsbildpolarisierung Die Strukturverschiebung zwischen den Wirtschaftsbereichen hatte heftige Rückwirkungen auf die Beschäftigung. Das zeigt sich an der langfristigen Entwicklung der Beschäftigten in Deutschland. Das produzierende Gewerbe verlor seit den 70er Jahren ca. 2,5 Millionen Arbeitsplätze, ähnliches gilt auch für die Land- und Forstwirtschaft. Dagegen hat der Dienstleistungssektor einen Umfang von mehr als 6 Millionen Beschäftigten erreicht. Dies hat zu einer Verschiebung der Beschäftigungsstruktur geführt. Durch diese Umstruktu- [email protected] Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“ 51 rierung am Arbeitsmarkt ist auch die Zahl von Kooperationen und Fusionen erheblich gestiegen. Diese Strukturverschiebungen wurden im Workshop (Übersicht 16) via Zeitungsartikel und Statistiken vermittelt, die den Strukturwandel im Dienstleistungssektor erkennen lassen und somit auch ein Umdenken im Servicebereich nötig machen. • • • • • • • • • • • • • • • Vorstellung Klärung der These Berufsbildpolarisierung Material Entwicklung des Dienstleistungsbereiches Fusion, Zusammenschluß von Unternehmen Wer gehört wem? Kundenwünsche – Dienstleistung aus einer Hand Kundensegmentierung Beispiel Call-Center, Internet-Verkauf Generalist – Spezialist Beispiel Autokauf Vergleich der Ausbildungsordnungen Auf welche Qualifikationen kommt es in der Zukunft an? Diskussion Spiel: Jeder soll ein Produkt von einem anderen Dienstleistungsanbieter verkaufen Zusammenfassung und Diskussion Übersicht 16: Workshop-Planung (Auszüge) von Herrn Grandjot 3.3 Evaluation: Innovationsaspekte Im Rahmen dieses Projektes wurden alle Beteiligten – Auszubildende, Dozenten und interne Koordinatoren in den Betrieben –, soweit erreichbar, um ein Feedback gebeten, das anschließend ausgewertet wurde, um sich ein Bild über den Ablauf des Projektes zu machen. 3.3.1 Erfahrungen der Unternehmen und Lehrenden Alle Dozenten wurden in einem Interview bezüglich ihrer gemachten Erfahrungen, Eindrücke, Wünsche und Kritikpunkte befragt. Generell war das Feedback sehr positiv. 52 ¹ „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] Gerade der unbürokratische Aufwand und die Möglichkeit, durch das imk die Organisation an einer Stelle gebündelt zu haben, haben den Ablauf in dieser Form ermöglicht, wie es bei öffentlichen Institutionen nicht der Fall gewesen wäre. Einige Unternehmen haben die Gestaltung des Moduls ihren Auszubildenden überlassen, die durch diese Ausarbeitung einen riesigen Erfahrungsschatz sammeln konnten. Auch eine – durch das Projekt nicht vorgegebene – Weitergabe der in den Modulen gewonnenen Informationen und Erfahrungen der teilnehmenden Auszubildenden an ihre Mitauszubildenden im Unternehmen fand positiven Anklang bei einer Reihe von Mitwirkenden. Ein Unternehmen hat das gesamte Projekt auf einen Tag komprimiert und auf die restlichen Auszubildenden im Unternehmen übertragen. Zu Beginn des Projektes gab es einige Bedenken bezüglich der doch recht unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen der Auszubildenden, da hier sowohl Auszubildende mit Hauptschulabschluß als auch Abiturienten dem gleichen Projekt beiwohnten. Im Verlauf jedes einzelnen Moduls haben sich diese Bedenken der jeweiligen Dozenten zerschlagen, denn alle Auszubildenden haben an Diskussionen, Workshops, Gruppenarbeiten und Vorstellungsrunden aktiv mitgearbeitet und Denkanstöße zur Lösung von Problemen beigetragen. ¹ Sollte es einen einheitlichen Ausbildungsgang zum Servicekaufmann/Servicekauffrau geben, müßte dieser dennoch die unterschiedlichen Voraussetzungen der Auszubildenden systematisch mit berücksichtigen, d.h. auch Hauptschüler müssen bei entsprechender Aufbereitung der Materie folgen können. Auch ist gerade im Bereich des Handels eine größere Praxisorientierung gewünscht, um kundengerechter zu beraten. [email protected] Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“ 53 Die in diesem Zusammenhang geäußerte generelle Kritik an Berufsschulen ist allgemein sehr groß: Immer wieder wurde darauf verwiesen, daß gerade im Bereich des Handels, der Banken und Versicherungen permanent Neuerungen aufkommen, deren Umsetzung auf berufsschulischer Ebene kaum stattfindet. Veraltetes Wissen wird Auszubildenden vermittelt und computergestütztes Arbeiten vernachlässigt, da nicht die nötigen Mittel zur Verfügung stehen. Generell war eine entspannte Atmosphäre sowie eine Entwicklung der Auszubildenden spürbar geworden, die den Ausbildern positiv im Gedächtnis geblieben sind. Der Aspekt der Gruppenarbeit wurde bei allen Befragungen unabhängig voneinander aufgegriffen und als sehr positiv in Erinnerung geschildert. Gerade der Praxisbezug innerhalb der einzelnen Bausteine hat zu einem großen Verständnis beigetragen, dies eventuell auch in der Praxis umzusetzen. Eine große Problematik stellte die Befreiung der Auszubildenden zur Teilnahme für das Pilotprojekt dar. Der Aufwand erstreckte sich auf die Antragstellung zur Befreiung der Auszubildenden, die von Jugend-ArbeiterVertretung (JAV) über die Abteilungsleiter bis hin zur Vorstandsebene genehmigt werden mußte. Die Bekanntgabe von Terminen erfolgte oft zu kurzfristig, so daß die gegenseitige Teilnahme auch der Ausbilder nicht immer gewährleistet war. Schwierig war generell der Theorie-Praxis-Transfer der Qualifikationen: Hier mußten die Qualifizierungs-Konzepte, die sich auf einer hohen theoretischen Abstraktionsebene befanden, für Auszubildende nutzbar gemacht werden. Hierbei half die Unterstützung der Koordination durch das imk. Jedoch war die Integration der Lehrenden in die Projektplanung noch stärker gewünscht. 3.3.2 Erfahrungen der Auszubildenden Im Anschluß an die einzelnen Lehrmodule wurde den Auszubildenden in der Regel die Frage nach unmittelbarem Feedback gestellt. Dies war dann aller- 54 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] dings sehr situationsbezogen noch beeinflußt von den noch unreflektierten Eindrücken. Überwiegend stellte es sich jedoch als positives Feedback dar. Das imk hat bewußt eine andere zeitliche Einteilung gewählt: eine Befragung der (dann noch verfügbaren) teilnehmenden Auszubildenden mit gut einem halben Jahr Abstand zum Pilotprojekt. Zweck war es, den nachhaltigen Nutzen der Ausbildungsmaßnahmen erfassen zu können. Der Rücklauf war naturgemäß geringer als die ursprüngliche Zahl der 16 Teilnehmenden, aber immerhin sind 6 gut verwertbare Fragebögen eingegangen. Diese Fragebögen bestanden aus acht Fragen (Übersicht 17). 1. Hat Dir das Pilotprojekt Servicekaufmann/-frau gefallen? 2. Welchen Nutzen hast Du aus dem Pilotprojekt gezogen? 3. Wie würdest Du die Kernaussage der einzelnen Module in je einem Satz zusammenfassen? 4. Welche Veränderungen bezüglich der Module wären aus Deiner Sicht sinnvoll? (Struktur, Durchführung, Planung) 5. Erachtest Du die zusammengeschlossene Ausbildung der drei Berufe (Bank-, Versicherungs- und Einzelhandelskaufmann/-frau) als sinnvoll? 6. Hat dieses Projekt Dein Wissen erweitert? Wenn ja, wie wurde es genutzt? 7. Wenn Du noch einmal vor der Entscheidung stehen würdest, Dich für einen Beruf entscheiden zu müssen, würdest Du durchaus auch den eines/r Servicekaufmanns/-frau in Betracht ziehen? (Bitte kurz begründen) 8. Welche Vor- und Nachteile siehst Du bei der großflächigen Umsetzung dieses Pilotprojektes in die Realität? Übersicht 17: Auszüge aus dem Fragebogen der Auszubildenden Ganz eindeutig stehen das Kennenlernen anderer Auszubildenden in den verschiedenen Berufsrichtungen sowie das breitgefächerte Angebot an Diskussionsrunden innerhalb der einzelnen Module an erster Stelle, dicht gefolgt von dem großen Interesse, einen Praxispart von 1-3 Wochen in einer branchenfremden Kooperationsunternehmung zu absolvieren. Sehr interessant sind die (mit zeitlichem Abstand erhobenen) Ergebnisse zum wahrgenommenen Nutzen (Übersicht 18). Obwohl aus sechs auszuwertenden Fragebögen keine statistisch einwandfreien Ergebnisse ableitbar sind, sagt doch schon der beobachtbare Trend etwas über die subjektive Zufriedenheit aus. Alle Ergebnisse liegen in bezug zu dem rechnerischen Mittelwert [email protected] Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“ 55 von 3,5 auf der Seite der hohen Bewertung. Besonders wichtig sind die Resultate bezüglich der Verbreiterung der Wahrnehmung („neue Sichtweisen“) und der Teamfähigkeit, was mit „social skills“ zu tun hat. Die Perzeption hinsichtlich der Serviceorientierung ist dagegen etwas diffus: Einerseits hat sich die Serviceorientierung in der Selbstwahrnehmung stark verbessert, andererseits der Umgang mit den Kunden nicht so stark. Dies deutet darauf hin, daß es noch ein zu bewältigender Schritt ist, von der mentalen Serviceorientierung zur tatsächlich handlungsrelevanten Umsetzung zu gelangen. Item Umgang mit Kunden hat sich verbessert Umgang mit der vorhandenen Technologie erleichtert Teamfähigkeit gefördert Neue Sichtweisen kennengelernt Meine Serviceorientierung hat sich verbessert Das Projekt hat meine Flexibilität gesteigert Ich sehe mich durch das Projekt im Vorteil gegenüber den Mitauszubildenden in meinem Unternehmen Hat mein Interesse für andere Berufe geweckt Mittelwert (zwischen 1=hoch und 6=niedrig) 3,0 3,2 1,7 1,3 2,2 2,7 2,3 2,3 Übersicht 18: Feedback zum Nutzen aus dem Pilotprojekt (n=6) Als Verbesserungsvorschläge für eventuelle Folgeveranstaltungen wurden Tagesseminare beziehungsweise ein Wochenseminar angegeben, damit die einzelnen Themen komprimierter vermittelt werden können. Bezüglich der Inhalte wurde ausgedehntere Information gewünscht, um eine geeignetere persönliche Vorbereitung leisten zu können und somit die Aufnahmefähigkeit zu optimieren. ¹ Nicht in allen Unternehmen wurde das Modell aufgegriffen, um es den dort verbleibenden Auszubildenden zugänglich zu machen. Dennoch wurden die zehn Module in einer eintägigen Kurzversion einem gesamten Ausbildungsjahrgang in einem Unternehmen durch die teilnehmenden Auszubildenden selbst präsentiert. 56 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] Aufgrund der „Verwandtschaft“ zwischen den einzelnen Berufen wurde eine gemeinsame Basis wahrgenommen, die als Ausgangspunkt für den Servicekaufmann/Servicekauffrau dienen könnte. Generell können sich alle eine solche Berufsausbildung zum Servicekaufmann/zur Servicekauffrau vorstellen, bei dem eine Grundausbildung mit anschließender Spezialisierung erfolgt. In dieser Ausbildung könnte die Ausrichtung auf den Service die Kundenzufriedenheit verbessern, wobei ein unterschiedliches Bildungsniveau der Auszubildenden zu berücksichtigen ist. Mit Spaß und Freude haben die Auszubildenden die Diskussionen und Gruppenarbeiten genutzt, um sich mit den Sichtweisen anderer Berufe vertraut zu machen. 3.3.3 Erfahrungen der Koordinatoren Trotz der hohen Anstrengungen, so viele unterschiedliche Parteien unter einen Hut zu bringen, ist das Feedback der Koordinatoren überwiegend positiv. Größtenteils decken sich die Erfahrungen mit denen der Dozenten, die ober bereits dargestellt wurden. Kleinere Schwierigkeiten wie das kurzfristige Abspringen von Auszubildenden oder Unternehmen wurden durch das imk durch entsprechende Lösungen kompensiert. Aufgrund dieser Gegebenheiten kam es zwangsweise gelegentlich zu spontanen Terminvereinbarungen, die den Unternehmen nicht immer ausreichend Zeit zum Reagieren ließen. Dennoch lief alles sehr unbürokratisch und unkompliziert ab und schuf so auch eine angenehme Beziehung zwischen imk, Unternehmen und Auszubildenden. Ein spezifisch saarländischer Aspekt wurde in diesem Teilprojekt nicht betrachtet: die Saar-Lor-Lux-Integration sowie die damit zusammenhängenden interkulturellen Qualifikationen. Besonders im Saarland müssen Arbeitnehmer und Auszubildende die französische Sprache sicher beherrschen, da vor allem auf diese Weise ein grenzübergreifender Kundenstamm entstehen kann. Bereits bestehende Ansätze sind die zahlreichen VHS – Sprachkurse, Austauschprogramme des Deutsch-Französischen Sekretariats Saarbrücken (in [email protected] Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“ 57 den Bereichen Aus- und Weiterbildung) oder die Aktivitäten des Sprachenzentrums und der entsprechenden Lehrstühle der Universität des Saarlandes. 3.4 Zwischenfazit ¹ Mit der Umsetzung dieser Studie wurde deutlich, daß dieses Konzept generell anwendbar ist, das allerdings auf einer guten Kooperationsbasis zwischen Unternehmen beruhen muß, die nicht aus den gleichen Branchen stammen. Für eine langfristige Realisation dieses Projektes müßten die nötigen Rahmenbedingungen für eine verstärkte Unternehmenskooperation noch geschaffen und umgesetzt werden. Dies bedeutet konkret für die beteiligten Gruppen: • Die Umsetzung des Pilotprojekts in einen regulären Ausbildungsberuf würde Weiterbildungsmaßnahmen bei den Ausbildern erforderlich machen, damit der Wissensbedarf der Auszubildenden ausreichend befriedigt werden kann. Hier sehen Unternehmen mit den zusätzlich nötigen Qualifikationen für ihre Ausbilder kaum Probleme, da der Wissensstand generell regelmäßig erweitert werden muß. • Eine Institutionalisierung würde es erfordern, daß es eine zeitliche Koordination zwischen den Unternehmen und letztlich auch mit den Berufsschulen gibt, um es den Auszubildenden zu ermöglichen, sich zeitlich synchron die servicebezogenen und berufsbildübergreifenden Ausbildungsinhalte anzueignen. • Auch die Gewerkschaften können eine langfristige Etablierung des Berufsbildes „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ unterstützen, indem sie in den Unternehmen bei den Mitarbeitern sowie in der Kommunikation mit den Unternehmensverbänden diese Lösung offen unterstützen. Bei der Definition eines entsprechenden Berufsbildes haben die Gewerkschaften Möglichkeiten der Mitgestaltung. 58 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] Zu klären bleibt auf jeden Fall, ob der Ausbildungsgang von einem Grundbildungsjahr ausgeht und später eine branchenbezogene Spezialisierung erfolgt oder ob von vornherein eine Spezialisierung vorgeschrieben ist, wie es derzeit der Fall ist, und die servicerelevanten Module hier lediglich integriert werden. Unabhängig von der gewählten Variante muß sie die unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen der Auszubildenden berücksichtigen. Das Ziel, das Projekt in ausbildenden Unternehmen und durch sie umsetzen zu lassen und die dabei gemachten Erfahrungen und Auswirkungen zu analysieren, wurde erreicht, so daß im zweiten Teilprojekt die analoge Umsetzung auf Berufsschulebene von Interesse ist. [email protected] Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in der Berufsschule“ 59 4 Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in der Berufsschule“ Die Verschmelzung der heute getrennten Lehrberufe Einzelhandelskaufmann/Einzelhandelskauffrau, Bankkaufmann/Bankkauffrau und Versicherungskaufmann/Versicherungskauffrau zu einem übergeordneten Berufsbild Servicekaufmann/Servicekauffrau müßte bereits zum jetzigen Zeitpunkt im schulischen Alltag vorbereitet werden, wenn man zukünftig eine effektive Adaption der Berufsbilder an die veränderten Umweltanforderungen erreichen will. Dies bedeutet, daß das zur Verfügung stehende Wissen über zukünftige Anforderungen und Qualifikationen auf diesem Sektor in unterrichtskompatibler Form in bestehende Lehrpläne integriert oder diesen als zusätzliche Stoffeinheiten hinzugefügt wird. In dem pilotprojektartigen Praxislauf des Teilprojekts mit den Berufsschulen soll das didaktische und wissenstheoretische Gerüst für die Integration der Idee des Servicekaufmanns/der Servicekauffrau in heutige Lehrpläne von Berufsschulen entstehen. Darüber hinaus bildet es die Grundlage eines Lehrplans des zukunftsbezogenen Ausbildungsberufes Servicekauf- mann/Servicekauffrau. 4.1 Konzeption: Berufsschul-Netzwerk Bei der Untersuchung der Möglichkeiten einer Umsetzung der „Servicekaufmann/Servicekauffrau“-Inhalte in den Berufsschulen sollen voneinander unabhängige saarländische Berufsschulen und deren Lehrer weitgehend eigenständig die evaluierten Schlüsselqualifikationen mit saarländischen Berufsschülern umsetzen. Zusammen mit den Ergebnissen des „Teilprojekts Unternehmen“ soll eine Wertung der Praxisnähe und Umsetzbarkeit der Ideen des Servicekaufmanns/der Servicekauffrau vorgenommen werden. Dabei sind auch speziell die bestehenden und notwendigen Interaktionsräume zwischen den einzelnen noch getrennten Berufsschulen, der Politik, den bestehenden 60 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] Lehrplänen, den Berufsschülern und den Ausbildungsunternehmen aufzuzeigen, zu analysieren, zu bewerten und zu optimieren. Die so gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen schließlich, das neue Berufsbild zu definieren, die einzelnen Bausteine effektiv zu beschreiben und effizient zu strukturieren. ¹ Diese Ausgestaltung unterliegt zahlreichen rechtlichen wie strukturellen Regelungen, wie z.B. Ausbildungsverordnungen der Länder oder Bundesgesetze, was das Erarbeiten einer bundesweit gültigen Ausbildungsverordnung zu einem langfristigen Prozeß machen wird. Die konzeptionelle Herangehensweise wie auch die praktischen Durchführungsrichtlinien waren im „Teilprojekt Berufsschulen“ eng an den Aufbau und die Ausgestaltung des deutschen Berufsausbildungssystems gebunden. Hierzu soll das System der Berufsausbildung zunächst kurz beleuchtet werden. Die Möglichkeiten zur beruflichen Erstausbildung in Deutschland sind vielfältig, wobei das duale System mit weit über 60% aller Auszubildenden den wichtigsten Weg darstellt. Dabei befindet sich der Bereich der beruflichen Schulausbildung (Berufsschulen, Lehrpläne, ...) ausschließlich in der Kompetenz der einzelnen Bundesländer, während die Kompetenz für die Inhalte der betrieblichen Ausbildung beim Bund liegt (Ausbildungsverordnungen werden vom Bundesministerium für Bildung und den Fachministerien gemeinsam erarbeitet). Die beiden Ausbildungsträger stehen aber nicht isoliert nebeneinander, sondern wirken innerhalb eines größeren gesetzlich institutionalisierten Beziehungsgeflechts zusammen („duales System“). Die Berufsschulen untergliedern sich zunächst in drei Grobtypen: – gewerbliche Berufsbildungszentren, – hauswirtschaftliche/sozialpflegerische Schulen und – kaufmännische Berufsbildungszentren. [email protected] Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in der Berufsschule“ 61 Diese Gliederung spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Abschlußzertifikaten (Industrie – Facharbeiter; Wirtschaft - kaufmännische Gehilfenprüfung; Handwerk – Gesellenbrief) wider. Diese zunächst grobe Einteilung erfährt in der Praxis eine weitere Aufschlüsselung, so daß es oftmals berufsspartenweise abgegrenzte Berufsschulen gibt. Dies hat essentielle Auswirkungen auf die Ausgestaltung einer kooperativen Arbeit, wie sie unser Projekt darstellt. Die Idee des Servicekaufmann/der Servicekauffrau als Verschmelzung dreier Berufssparten in ein neues Ausbildungsmuster verlangt von einem Teilprojekt Berufsschulebene, sowohl inhaltliche als auch prozessuale Kooperationen der beteiligten Schulen zu ermöglichen. Auf der inhaltlichen Ebene müssen unterschiedliche Rahmenlehrpläne analysiert und koordiniert werden, auf prozessualer Ebene muß man Akteure von unterschiedlichen Orten, mit unterschiedlichen Konzepten und unterschiedlichen Ausrichtungen in das gleiche Fahrwasser bringen. Hierzu muß die Verflechtung und Interaktion der folgenden Partner, die hier fundamentale Bedeutung aufweisen, analysiert werden (Übersicht 19). Nur wenn die Aufgaben, Stellung, Bedeutung und Rolle der einzelnen Akteure verdeutlicht werden kann, sind Implikationen möglich, ob die Idee des Servicekaufmanns/der Servicekauffrau weiter zu verfolgen ist, ob sie umsetzbar ist, ob sie sinnvoll ist und ob sie effektiv sein kann. 62 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ • • Berufsschulen • • Kompetenzträger als Ort der schulischen Ausbildung die Lehrer im speziellen Basisfiguren zur Umsetzung von Neuerungen und Innovationen Organisationsstruktur der Schulen stellt Vorgaben an Projektstruktur Vielzahl der unterschiedlichen politischen Akteure: Ministerien der Länder, KMK (Kultusminister-Konferenz), Bundesministerien, Schulausschüsse, Schulbehörden, etc. Entscheidungsträger über die Rahmenlehrpläne Ausstattung der Berufsschulen mit Ressourcen Einsatz der Direktoren und Lehrkräfte (Abhängigkeitsstrukturen) Gestaltung des gesetzlichen Rahmens der Schulen notwendiger Kooperationspartner, da ohne Mitarbeit (Freistellungen, ...) keine Realisierung möglich ist als Klientel unverzichtbare Rolle und Bedeutung für Projekt Konzeptioneller Ausbildungs-Rahmen • Standortbezogener Ausbildungs-Rahmen • • Politik • • • Ausbildungsunternehmen Auszubildende Industrie- und Handelskammer Arbeitskammer [email protected] • • Übersicht 19: Akteure im Berufsschul-Umfeld für den Servicekaufmann/die Servicekauffrau Die Vorgehensweise im Teilprojekt war von einer engen Zusammenarbeit mit Kompetenzträgern abhängig: In unserem Fall ist für die Ausbildung der Bankenkaufleute und der Versicherungskaufleute im Saarland je eine einzelne Berufsschule vorhanden, welche alle Auszubildenden des Landes besuchen müssen. Hingegen ist die Ausbildung von Einzelhandelskaufleuten an mehreren Schulen des Saarlandes möglich, hier gibt es wegen der Fülle an Ausbildungsunternehmen verschiedene Schulen für einen einzelnen Beruf. Für das Projekt Servicekaufmann/Servicekauffrau wurden folgende Schulen angesprochen: – KBBZ I Saarbrücken (Bankkaufmann/Bankkauffrau), – KBBZ II Saabrücken (Einzelhandelskaufmann/Einzelhandelskauffrau), – KBBZ Saarbrücken-Halberg (Versicherungskaufmann/Versicherungs- kauffrau). Ziel war es, ein konkretes Pilotprojekt der Berufsschulebene durchzuführen, das wissenschaftlich durch das imk evaluiert werden sollte. [email protected] Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in der Berufsschule“ 63 4.2 Ergebnis: Bürokratische Steuerungshindernisse Der erste Schritt der Umsetzung des Teilprojekts in den Berufsschulen war eine weitere inhaltliche Konkretisierung der zehn Schlüsselqualifikationen. Da sich im Teilprojekt der Unternehmen zeigte, daß ein Verständnis der theoretisch-abstrakten Begriffe für wissenschaftsfernere Personen schwierig sein kann, wurde eine umgangssprachliche Formulierung dieser Inhalte angestrebt. Um sie für Berufsschüler vermittelbar zu machen, wurden zehn Handlungsanweisungen formuliert, die für Unternehmen in der Dienstleistungsbranche überlebenskritisch sind (Übersicht 20). 1. Nur wer für Technik aufgeschlossen ist, kann auch mit ihr umgehen lernen! 2. Globalisierung passiert, egal, ob man es will oder nicht. Darauf muß man sich einstellen! 3. Unternehmen wollen Gewinne machen („Wertschöpfung“). Dazu braucht man Geschäftsabschlüsse - und das heißt: professionelles Verkaufen! 4. Bei Dienstleistungen steht der Kunde absolut im Mittelpunkt, und das muß er jederzeit merken! 5. Mitarbeiter der Zukunft werden flexibel sein müssen - in bezug auf Einsatzorte, Arbeitszeiten und Arbeitsstrukturen! 6. Immer wieder wird „Lernen in Unternehmen“ gefordert - es funktioniert vor allem im Team! 7. Unternehmen brauchen Spezialisten und Generalisten - aber nicht jeder Mitarbeiter muß beides sein! 8. Teamfähigkeit ist ein absolutes Muß, selbst wenn man lieber alleine arbeitet! 9. Jeder Mitarbeiter wird in Zukunft stärker Verantwortung für seine eigene Karriere übernehmen müssen! 10. Risiko und Unsicherheit kann man nicht abschaffen, aber der Umgang damit läßt sich lernen! Übersicht 20: Die Schlüsselqualifikationen als Handlungsanweisungen Zur weiteren Vorbereitung der inhaltlichen Komponente im Zusammenhang mit den Berufsschulen dient in erster Linie eine Analyse der bestehenden Rahmenlehrpläne der einzelnen Berufssparten auf Übereinstimmungen mit den Kerninhalten des Servicekaufmanns/der Servicekauffrau (Übersicht 21). 64 Kerninhalt 1 Kerninhalt 2 Kerninhalt 3 Kerninhalt 4 Kerninhalt 5 Kerninhalt 6 Kerninhalt 7 Kerninhalt 8 Kerninhalt 9 Kerninhalt 10 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ Handel Vorhanden Am Rande vorhanden Stark vorhanden Stark vorhanden Am Rande vorhanden Am Rande vorhanden Fehlt Nur implizit vorhanden Am Rande vorhanden Vorhanden Banken Vorhanden Stark vorhanden Stark vorhanden Stark vorhanden Vorhanden Vorhanden Am Rande vorhanden Nur implizit vorhanden Vorhanden Stark vorhanden [email protected] Versicherungen Vorhanden Am Rande vorhanden Stark vorhanden Stark vorhanden Vorhanden Am Rande vorhanden Fehlt Vorhanden Vorhanden Stark vorhanden Übersicht 21: Abgleich zwischen Sollqualifikationen des Servicekaufmanns und Ist-Situation innerhalb der Rahmenlehrpläne der Berufsschulen Teamorientierung im speziellen und soziale Komponenten im allgemeinen erscheinen in den Rahmenlehrplänen nicht als gesonderte Lerneinheiten, sondern sollen von den Schulen und Ausbildungsunternehmen als zentrale Kompetenz gebietsübergreifend vermittelt werden. Im engen Zusammenhang mit der Betrachtung der Lehrplan-Inhalte ist zusätzlich eine genaue Beleuchtung der Kernkompetenzen und Aufgabenprofile der einzelnen Branchen zu sehen, die als unerläßliche Unterstützung zur Evaluierung der inhaltlichen Komponenten hinzugezogen wird (Übersicht 22). Banken Handel Versicherungen • • • • • • • • • • • Technisierung Intelligente Organisation Berufsbildpolarisierung Gruppenintrapreneurship Persönliche Individualisierung Kundennutzenorientierung Gruppenintrapreneurship Technisierung Wertschöpfung Gruppenintrapreneuership Persönliche Individualisierung Übersicht 22: In den entsprechenden Berufsschul-Rahmenlehrplänen verwirklichte Inhalte Analog zur Projektstruktur bei den Unternehmen wurde die praktische Umsetzung der Berufsschulebene durch das imk geplant und koordiniert. Im Laufe des Spätsommers und Spätherbstes des Jahres 1999 wurden sowohl Berufsschulen als auch saarländische Unternehmen, die eine entsprechende Einwilligung zur Teilnahme ihrer Auszubildenden geben mußten, angespro- [email protected] Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in der Berufsschule“ 65 chen. Im einzelnen erklärten sieben Unternehmen ihr Interesse an einer Zusammenarbeit in diesem Projekt (Übersicht 23). Termine und Veranstaltungsorte der angesprochenen Blockseminare konnten vorsorglich reserviert werden, so daß hiermit die infrastrukturellen Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Umsetzung geschaffen waren. Bank Versicherungen Handel • • • • • • • Saar Bank eG Saarbrücken Sparda Bank eG Saarbrücken Saar LB Saarbrücken General Accident Saarbrücken iduna nova Saarbrücken Globus Saarbrücken-Güdingen Karstadt AG Saarbrücken Übersicht 23: Interessierte Unternehmen Auch bei den Berufsschulen zeigte sich zunächst – nicht zuletzt aufgrund der positiven Erfahrungen aus dem Unternehmensbereich – eine große Bereitschaft, sich an dem Projekt zu beteiligen. Mit den Partnern wurde die folgende Umsetzungs-Struktur erarbeitet: Vereinbarungsgemäß sollten aus jeder der drei beteiligten Branchen 6 Auszubildende aus verschiedenen Unternehmen des Saarlandes teilnehmen, insgesamt also 18 Auszubildende. Sie sollten sich idealtypisch im ersten Ausbildungsjahr befinden, so daß eine zu große Belastung, etwa im Hinblick auf Abschlußprüfungen, vermieden werden konnte. Die zehn Ausbildungsmodule zu den Schlüsselqualifikationen sollten den Schülern im Rahmen von drei Blockseminaren (jeweils Donnerstag morgen bis Samstag morgen) vermittelt werden. Dazu sollte die Gruppe der Auszubildenden die gesamte Dauer des Blockseminars zusammen verbringen. Im einzelnen legte die Planung fest, daß die drei Berufsschulen jeweils eines der Blockseminare in Eigenverantwortung übernehmen und dort je drei beziehungsweise vier ausgewählte Schlüsselqualifikationen in Eigenregie umsetzen würden (Übersicht 24). Die Einbindung des Schulträgers – des Saarländischen Ministeriums für Bildung, Kultur und Wissenschaft – erfolgte durch das imk in Zusammenarbeit 66 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] mit der Gewerkschaft HBV, wodurch eine generelle Unterstützung dieses Pilotprojekts erreicht werden konnte. Die Erörterung letzter Detailfragen im Anschluß an den Versand der umfangreichen Informations- und Lehrmaterialien mit den Schulen und damit den beteiligten Lehrern sollten Ende 1999 den Abschluß der Planungsarbeiten darstellen. Blockseminar 1 2 3 Organisation • 27.01.2000 – 29.01.2000 • Leitung: KBBZ Saarbrücken Halberg • Ort: Fortbildungszentrum Kirkel • 30.03.2000 – 01.04.2000 • Leitung: KBBZ II Saarbrücken • Ort: Fortbildungszentrum Kirkel • Mai / Juni 2000 • Leitung: Universität des Saarlandes / N.N. • Ort: Jugendherberge Saarbrücken Themen • Wertschöpfung • Berufsbildpolarisierung • Persönliche Individualisierung • Technisierung • Flexibilisierung • Gruppenintrapreneurship • Globalisierung • Kundennutzenorientierung • Organisatorische Intelligenz • Virtualisierung Übersicht 24: Übersicht der geplanten Blockseminartermine Bereits zu Beginn der Planungen des Praxislaufs stellten sich die Konsultationen mit dem KBBZ Halberg als äußerst produktiv dar. Der Direktor Herr Freidinger und im besonderen die angesprochenen Lehrkräfte Herr Grauss und Herr Kohler zeigten sich engagiert, ambitioniert und unbürokratisch. So konnten schon im November 1999 die Vorplanungen des Blockseminars für das KBBZ Halberg nach einer vorbildlichen Zusammenarbeit abgeschlossen werden. Leider traten bei der Zusammenarbeit mit den beiden anderen Schulen weitaus größere Barrieren auf. Zunächst ist für beide Berufsschulen feststellbar, daß ein konkretes Interesse an einer Mitwirkung bestand. So waren bis in den Spätsommer 1999 sehr interessante und produktive Gespräche und Erörterungen möglich. Plötzlich stockte die Kooperation jedoch, was sich in der Kommunikation der Projektleitung gegenüber in finanziellen Forderungen niederschlug, die nicht erfüllt werden konnten. Daraufhin wurde von beiden Berufsschulen im November 1999 die Teilnahme abgesagt. [email protected] ¹ Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in der Berufsschule“ 67 Diese kurzfristigen, durch das imk nicht zu verantwortenden Absagen führten schließlich dazu, daß das gesamte Teilprojekt in der ursprünglich geplanten Form nicht mehr durchführbar war. Da der Kreis der in Frage kommenden Berufsschulen im Saarbrücker Raum eingeschränkt ist, wurde ein weiterer Versuch einer Realisierung des Teilprojekts mit einer Ausweitung des regionalen Fokus unternommen. Die Ansprache erfolgte jetzt im Saar-Lor-Lux-Raum. Im einzelnen wurden die französische Ausbildungseinrichtung CFA C. Weiss de Forbach (Centre de formation d’apprentis) sowie die Luxemburgische Berufsschule für Bankkaufleute angesprochen. Letztlich kam aber auch hier keine Projektdurchführung zustande, so daß den verbliebenen Partnern für die anstehenden Termine eine Komplettabsage erteilt werden mußte. Die Chronologie der Ereignisse (Übersicht 25) illustriert den Projektverlauf. • • • • • • • • • • • • • 08. Januar 1999: Informationsgespräch bei der Gewerkschaft HBV 26. Februar 1999: Informationsgespräch am KKBZ I Saarbrücken 04. März 1999: Informationsgespräch am KBBZ Saarbrücken-Halberg 11. März 1999: Informationsgespräch am KBBZ II Saarbrücken 11. Mai 1999: Koordinationssitzung aller Beteiligten der Berufschulebene am imk 15. Juni 1999: Planungstreffen am KBBZ Saarbrücken-Halberg 18. Juni 1999: Planungstreffen an den KBBZ I und II in Saarbrücken bis Nov. 1999: Ausarbeitung der detaillierten Projektstruktur bei regelmäßigem Kontakt der Partner Dezember 1999: Absage des Praxislaufes März 2000: Treffen der Kooperationspartner und Verabschiedung der modifizierten Projektstruktur April - August 2000: Ausarbeitung der Struktur und erste Kontakte zu Ausbildungsträgern in Lothringen und Luxemburg Oktober 2000: Absage durch den Ausbildungsträger aus Luxemburg November 2000: Einstellen des Teilprojekts Übersicht 25: Chronologie der Projektplanung 4.3 Theoretische Erklärung des Scheiterns: Darwiportunismus Die in der Idee des Servicekaufmanns abgebildete Veränderung der zukünftigen Ausbildungsstruktur im Kleinen ist einem Muster gefolgt, das sich auch 68 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] im Großen finden läßt: Zunehmender Druck auf Bildungsträger, Unternehmen und Mitarbeiter in der gesamten Arbeitswelt bringen die Akteure dazu, bei ihren Handlungen ihren Vorteil zu suchen. Dies ist für sich gesehen legitim und nicht verwerflich, allerdings ist es interessant, daß Akteure teilweise aufgrund kurzfristiger Selbstoptimierung auf langfristige Chancen verzichten. Diese Situation spiegelt sich im Beschreibungsmodell des Darwiportunismus (vgl. Scholz 1999) wider: • Gemäß dem darwinistischen Paradigma bestehen auch im Wirtschaftsleben nur diejenigen Unternehmen oder Arbeitsnehmer im Wettbewerb, die an die externen und internen Rahmenbedingungen am besten angepaßt sind. Dies bedeutet, daß vor allem diejenigen Akteure, die eine eindeutige Kernkompetenz aufweisen, wettbewerbsfähig sind: Sie können etwas, für das ein entsprechender Markt vorhanden ist, besser als andere, und werden aufgrund dieser erfolgskritischen Variation nicht aus dem Markt ausselektiert. • Gemäß der opportunistischen Verhaltensannahme handeln demgegenüber alle Individuen so, daß ihr eigener Vorteil im Mittelpunkt steht: Zur Maximierung ihres persönlichen Nutzens instrumentalisieren sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Attribute ihrer Umgebung wie andere Menschen, Organisationen, Situationen und verfolgen ehrgeizig und selbstmotiviert die eigenen Vorstellungen, ohne altruistisch auf andere Rücksicht zu nehmen. Zusammengesetzt ergibt sich aus beiden Komponenten der Darwiportunismus: Es trifft der individuelle Opportunismus der nutzenmaximierenden Einzelakteure auf den systemimmanenten Darwinismus im Wirtschafts- und Geschäftsleben. In der Konsequenz wird das Arbeitsleben wettbewerbsintensiver, beispielsweise nimmt die Bedeutung sozialer Kontakte wie „gegenseitige Loyalität“ oder „Orientierung an einem übergeordneten Zusammenhang“ ab. Dieser Effekt ist gerade in Ländern, deren Arbeitsbeziehungen traditionell auf einer eher kollektivistischen Landeskultur basieren, besonders auffällig. Ein Beispiel ist hier Deutschland: Die historischen Erfahrungen, nur gemeinsam [email protected] Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in der Berufsschule“ 69 einen Wiederaufbau und ein Wirtschaftswunder nach einem vernichtenden Krieg zu bewältigen oder die Wiedervereinigung über eine nicht in jedem Fall ökonomisch sinnvolle Solidarität zu schaffen, gelten als Beleg für die kollektivistische gesellschaftliche Ausrichtung. Auch im Arbeitsleben gelten Konzepte wie „Betriebsverbundenheit“ und „Loyalität“ bisher als üblich. Sie sind zudem über ein Arbeitsrecht untermauert, das im Kern auf der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern basiert. Dies steht mit dem Darwiportunismus zur Disposition. ¹ Die tatsächliche Wirksamkeit des Darwiportunismus als wettbewerbsintensivierende Konstellation im Arbeitsleben findet sich nun auch in der Praxis, wofür das Teilprojekt in den Berufsschulen ein reales Beispiel darstellt (vgl. Scholz/Stein 2001). Der Darwiportunismus – zunächst von vornherein weder als „gut“ oder „schlecht“ zu bewerten – zeigte sich im Projekt sowohl in seinen positiven als auch negativen Konsequenzen. War die Unternehmensebene das PositivBeispiel durch die Entstehung eines neuen, bürokratiearmen sozialen Netzwerks mit Innovationspotential, ist die Berufsschulebene als Negativ-Beispiel einer darwiportunistischen Konfrontation mit Verlustrisiko zu sehen. Die Projektabsage durch die Berufsschulen KBBZ I und KBBZ II erfolgte vordergründig aus finanziellen Gründen, lag nach Meinung der Verfasser jedoch hintergründig eher in einer Frustration mit der generellen Stellung der Berufsschule im politischen Wettbewerb der Bildungsinstitutionen begründet. Das Beispiel zeigt ein klar opportunistisches Verhalten der Berufsschulen, die – auf ihren eigenen Vorteil bedacht – ihre kurzfristigen Ziele auch gegen die Interessen weiterer Projektpartner und gegen die übergeordneten Ziele der Forschungskooperation durchgesetzt haben. Man kann sich jedoch auch überlegen, welche Konsequenzen ein solches Verhalten für die Berufsschulen selbst im Hinblick auf den langfristigen Wettbewerb im Bildungsbereich hat: 70 • „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] Einerseits koppeln sie sich von der fortschreitenden Entwicklung ihres Kerngebietes ab. • Andererseits empfehlen sie sich nicht gerade für weitere Kooperationen. • Schließlich fallen sie durch ihr nicht-innovationsfreudiges Image im Wettbewerb der Berufsschulen und der Bildungsträger insgesamt zurück, wenn das erste Positiv-Beispiel gezeigt hat, daß Unternehmen solche Kooperationen auch ohne Berufsschulen in Eigenverantwortung effektiv durchführen können. ¹ In der Terminologie des Darwinismus gesprochen ist hier die Chance zu einer Variation vertan worden, die bei einer positiven Selektion im Ausbildungsmarkt zur Bewahrung einer wichtigen legimatorischen Stütze der Berufsschulen hätte führen können. Die Kooperationsstrategie der Versicherungs-Berufsschule wurde im übrigen insofern honoriert, als sie die Chance bekam, als Projektpartner für weitere Projekte interessant zu sein. 4.4 Zwischenfazit Die Umsetzung des Teilprojekts Servicekaufmann/-frau auf der Berufsschulebene hat, auch wenn die praktische Durchführung im ersten Versuch nicht umgesetzt werden konnte, sowohl auf inhaltlicher als auch prozessualer Ebene wichtige Implikationen geliefert. Von der inhaltlichen Planung her haben die durchgeführten Schritte gezeigt, daß eine weitere Vereinfachung der Schlüsselqualifikationen zu einer verbesserten Kommunikation – zunächst zu den Berufsschullehrern, letztlich aber auch zu den Berufsschülern – beiträgt. Auf der prozessualen Ebene sind in erster Linie die Implikationen auf die Rollen der einzelnen Player im Servicekaufmann-Umfeld zu beleuchten: • So erfordern die Berufsschulen einen noch intensiveren Kontakt in der Vorbereitungsphase mit engerer Einbeziehung der verantwortlichen Kooperationspartner. Dies muß einhergehen mit einem verstärkten „Sich- [email protected] Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in der Berufsschule“ 71 Öffnen“ der Lehrer für neue Ideen, einer stärkeren Einbindung der Schulen in den organisatorischen Projektaufbau sowie einem Erkennen der Chancen durch Kooperationen mit anderen Schulen und Institutionen aus Berufsschulsicht. • Hinsichtlich der Politik ist ein unbedingtes Einbeziehen der Entscheidungsträger in das Projekt von Beginn an notwendig, um hierdurch mögliche positive Impulse auf die Schulen zu generieren. • Die Komplexität des Problems eines Eingriffs in die Curriculumerstellung im Saarland (vgl. Ulmer 1995) darf nicht unterschätzt werden – insbesondere, wenn man weiß, daß außer dem zuständigen Ministerium und den Berufsschulen auch noch Landesfachberater, eine Lehrplankommission sowie das Landesinstitut für Pädagogik und Medien einen Einfluß auf die Lehrinhalten haben. • Von den Auszubildenden ist zu wünschen, daß ihnen neue Erfahrungen auch ein Zusatzengagement wert sind, was durch die Erkenntnisse aus dem „Teilprojekt Unternehmen“ in Grenzen durchaus realistisch erscheint. • Die Ausbildungsunternehmen müssen immer wieder motiviert werden, ihre Flexibilitätsspielräume zu nutzen, etwa Freistellungen ihrer Auszubildenden nicht nur zähneknirschend zu akzeptieren oder gar zu verhindern, sondern im Gegenteil zu forcieren. Obwohl das unmittelbare Projektziel nicht erreicht werden konnte, sind die Erfahrungen auf dem Weg dorthin wichtig für die weitere Konzipierung des Berufsbildes „Servicekaufmann/Servicekauffrau“. [email protected] Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“ 73 5 Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“ Vor dem Hintergrund des immer schärfer werdenden Wettbewerbs reicht es nicht mehr aus, als Einzelkämpfer im Markt aufzutreten. Gerade der Dienstleistungsbereich ist mit seinen vernetzten Strukturen auf Kooperationen angewiesen. Systemanbieter sind selten unter kleinen und mittelständischen Unternehmen zu finden, so daß sich hier fast zwangsläufig die Notwendigkeit zur Kooperation ergibt: zum einen, um den Wettbewerb mit Großunternehmen aufnehmen zu können und dem Degressionseffekt, d.h. dem Größenvorteil und der Finanzkraft der Großkonzerne, entgegenzuwirken, zum anderen, um die eigene Innovationskraft zu steigern und damit Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Gerade für ein Bundesland wie das Saarland, das sich in einem Umstrukturierungsprozeß befindet und zahlreiche neue Arbeitsplätze schaffen muß, um die frei werdenden Angestellten anderer, rückläufiger Industriezweige wie der Montanindustrie aufzufangen, ist eine Stärkung kleinerer Unternehmen und des Mittelstandes durch die Bildung von Kooperationen sehr wichtig, um positive beschäftigungswirksame Effekte zu erzielen. „Neue Arbeitsplätze entstehen nicht in den Großunternehmen, sie können nur in den kleinen und mittleren Unternehmen des Handels, des Handwerks und des Dienstleistungsbereichs sowie der neuen Technologien geschaffen werden.“ (Georgi 2000) Für das Saarland ist die Bildung eines Dienstleistungsstandortes lebensnotwendig: Hiermit können einige der negativen Folgen einer Strukturschwächung wie verminderte Steuereinnahmen und erhöhte Arbeitslosigkeit abgemildert, die negativen Konsequenzen jedoch nicht vollkommen ausgeglichen werden. Die Wirtschaftspolitik der Landesregierung verfolgt daher das primäre Ziel, bestehende Arbeitsplätze zu erhalten oder neue Arbeitsplätze zu schaffen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, „wenn alle regionalen Partner 74 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] an einem Strang ziehen und wenn Innovation zum Markenzeichen des Landes gemacht wird“ (Georgi 2000). Deshalb ist eine Stärkung der Kooperationskultur und damit der Innovationskraft der Unternehmen, neben der Förderung von Existenzgründungen, der Standortaufwertung, der beruflichen Qualifizierung und der Steigerung der Wirtschaftsfreundlichkeit, entscheidend für die regionale Entwicklung des Saarlandes. Aus dieser Überlegung heraus und in Anknüpfung an die beiden anderen Teilprojekte entstand die Idee zum dritten Teilprojekte: zu überprüfen, inwieweit sich der Servicegedanke als integratives Bindeglied für Kooperationen eignet. Eine solche Instrumentalisierung des Service-Leitbildes lag insofern nahe, als eine Kooperation ihre Kraft weniger aus ihrer simplen Existenz heraus schöpfen als vielmehr aus dem realisierten Nutzen, der letztlich an der Kundenschnittstelle entsteht. Oder anders formuliert: Letztlich zählt weniger die Kooperation als vielmehr die realisierte Wertschöpfung. Vor diesem Hintergrund sollte zunächst erklärt werden, wie Kooperationen ablaufen, um Ansatzpunkte für eine sinnvolle Orientierung am Service zu finden. 5.1 Konzeption: Kooperationsnetzwerke 5.1.1 Kooperationsbeeinflussende Rollen Damit sich Unternehmen wirklich zu einer Kooperation zusammenschließen, muß das wirtschaftliche Erfolgspotential klar erkennbar sein. Die Kennzahl Return on Investment spielt für kleine und mittlere Unternehmen immer noch die größte Rolle, wenn es darum geht, wirtschaftliche Aktivitäten zu planen. Die Wissenschaft geht an dieser Stelle zwar schon weiter und beurteilt die Lerneffekte, die im Rahmen einer Kooperation erzielt werden können, zum Teil höher als den eigentlichen Ertrag, den die Kooperation erwirtschaftet (vgl. Prage/Probst/Rüling 1996). Zahlreiche Gespräche mit Unternehmern [email protected] Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“ 75 zeigen jedoch, daß diese Denkweise im Bereich von Klein- und Mittelunternehmen wenig verbreitet ist: Für beide muß ein wirtschaftlicher Erfolg am Ende einer Kooperation erkennbar sein, sonst werden keine Anstrengungen in diese Richtung unternommen. Im Zusammenhang mit Kooperationen stellt sich die Frage, welche Unterstützung kooperationswillige Unternehmen bei der Kooperationsentscheidung und der -durchführung durch Institutionen, Verbände oder durch die öffentliche Hand erhalten. Um dies zu analysieren, muß zuerst ermittelt werden, welche Arten kooperationsbeeinflussender Einrichtungen überhaupt vorhanden sind. Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Arten: • Initiatoren animieren Unternehmen zu kooperieren und unterstützen sie in ihren strategischen Entscheidungen. • Moderatoren/Reflektoren begleiten die Kooperationsverhandlung und Kooperationsdurchführung und stehen den Unternehmen beratend zur Seite. • Bei Kooperationsbörsen/Firmendatenbanken haben Unternehmen die Möglichkeit, aktiv nach einem geeigneten Partner zu suchen oder ein Gesuch nach Kooperationspartnern zu veröffentlichen. Vor diesem Hintergrund war zunächst die Einordnung bestehender kooperationsbeeinflussender Einrichtungen im Saarland in bezug auf ihre Aufgabenstellung hinsichtlich Kooperationsinitiierung, -moderation und -förderung vorgesehen. 5.1.2 Kooperationsformen „Kooperation“ wird als Oberbegriff für netzwerkartige Formen der zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit verwendet (vgl. Bühner 2001, 433-434). Diese Zusammenarbeit entsteht meist zwischen wenigen, rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Unternehmen gleicher oder unterschiedlicher Größe zur Steigerung der gemeinsamen Wettbewerbsfähigkeit, zudem aber auch zwischen Unternehmen und anderen Partnern wie beispielsweise Forschungseinrichtungen. 76 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] Eine wegen ihrer Funktionalität wichtige Systematisierung von Kooperationen erfolgt zum Beispiel nach der Richtung des Zusammenschlusses (vgl. Picot/Dietl/Franck 1997, 126-127): Horizontale Kooperationen umfassen Unternehmen der gleichen Branche sowie der gleichen Wertschöpfungsstufe. Vertikale Kooperationen umfassen Unternehmen verschiedener Wertschöpfungsstufen einer Branche. Dabei kann es sich sowohl um eine vorals auch nachgelagerte Stufe handeln. Laterale oder konglomerate Kooperationen umfassen Unternehmen verschiedener Branchen. Eine weitere Systematisierung kann nach der Reichweite der Beziehungen im Sinne von Vertrags- oder Zusammenschlußdauer erfolgen. Hierbei ist zwischen einer kurzfristig-temporären und einer langfristig-unbeschränkten Unternehmensverbindung zu unterscheiden. Ein anderes Kriterium stellt der Umfang der Zusammenarbeit dar. So kann sich eine Zusammenarbeit über die gesamte Wertschöpfungskette erstrecken, aber auch nur Teilfunktionen umfassen. Daraus ergeben sich verschiedene Kooperationsformen, was Abbildung 8 verdeutlicht. Zeitdauer Integration langfristig Vertragliche Kooperation Joint Venture Virtuelles Unternehmen Projektbezogene Kooperation kurzfristig Beratung niedrig hoch Vertragliche Verzahnung Reversibilität Abbildung 8: Kooperationsausprägungen hoch niedrig [email protected] Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“ 77 Innerhalb der vorliegenden Studie sind grundsätzlich alle Kooperationen interessant, die zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Region beitragen können, indem sie den einzelwirtschaftlichen Erfüllungsgrad betriebswirtschaftlicher Zielgrößen verbessern helfen. Speziell zu nennen sind dabei (vgl. Picot/Dietl/Franck 1997, 124-125) – Einsparung von Produktions- und Transaktionskosten, – Risikoteilung sowie – Überwindung von Know-how- und Kapazitätsgrenzen. Die Regionalentwicklung ist hier nicht genannt, sie kommt aber aus einer nicht primär durch die Unternehmen selbst forcierten Perspektive heraus zum Tragen. ¹ Regionalentwicklung ist zunächst ein rein deskriptiver Begriff: Eine Region entwickelt sich, wenn sich konkret meßbare Indikatoren verbessern und nicht gleichzeitig andere Indikatoren verschlechtern. Regionalentwicklung kann aber auch ein normativ besetzter Begriff sein: Sobald von Seiten der Politik Ziele vorgegeben werden, die prioritär zu verfolgen sind, dann kann eine zuvor definierte Form der Regionalentwicklung durchaus dysfunktionale Nebenwirkungen in gerade nicht betrachteten Wirkungsfeldern aufweisen. 5.1.3 Bildung von Kooperationen Für die Förderung von Kooperationen kann man sich an den einzelnen Phasen des Kooperationsprozesses orientieren. Die Kooperationsbildung wird dabei in drei Phasen unterteilt (vgl. Bronder/Pritzl 1991): • In der Phase des strategischen Entscheides müssen die Unternehmen zuerst die Notwendigkeit des Kooperierens, d.h. den wirtschaftlichen Druck oder Zwang, identifizieren oder den Nutzen einer Kooperation erkennen. Entscheidet sich das Unternehmen zu kooperieren, muß die Definition einer klaren Zielsetzung erfolgen. Darin sollten Fragen nach Grö- 78 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] ßenvorteilen, Risikominimierung, Eröffnung von Marktzugangschancen oder Verbesserung der Technologie berücksichtigt werden. Anschließend erfolgt die Wahl der Kooperationsform. Neben Dauer und Umfang der Zusammenarbeit muß das Unternehmen entscheiden, welche Wertschöpfungsaktivitäten die Kooperation umfassen soll. • In der zweiten Phase der Partnerwahl müssen neben den wirtschaftlichen auch soziale Aspekte berücksichtigt werden. So kommt es beim grundsätzlichen Fit auf das gegenseitige Vertrauen und die Situation, in der sich die jeweiligen Unternehmen befinden, an. Der strategische Fit zielt auf die Vereinbarkeit der Zielvorstellungen, Planungshorizonte und Ressourcen. Der kulturelle Fit beschäftigt sich mit der Unternehmenskultur und ihrer Eignung für das Kooperationsvorhabens. Beim operativen Fit untersucht man die Akzeptanz des Kooperationsvorhaben im Unternehmen, um auftretende Widerstände analysieren und beseitigen zu können. Weiterhin müssen das Rechts-, Vertrags- und Kooperationsgefüge untersucht und unter Umständen erweitert oder erneuert werden. • In der dritten Phase „Management und Kooperation“ werden die Organisationsstruktur festgelegt und die Personen für das Management benannt. Wichtig ist dabei die Frage nach der Aufgaben- beziehungsweise Interaktionsorientiertheit der Handlungskompetenzen und der Schlüsselpersonen. Weiterhin müssen Regeln für Information, Kommunikation und Zusammenarbeit festgelegt werden. Diese drei Phasen der Kooperationsbildung werden in Abbildung 9 grafisch verdeutlicht. [email protected] Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“ 79 Mögliche Rollen von Kooperationsakteuren: Unternehmen 1 Unternehmen 2 Initiation Bereitstellung von Moderation/ Kooperationsbörsen, Reflexion Firmendatenbanken Str E n at egis tsc hei c her d Pa rtn erw ah l Management hl a erw rtn a P her isc g e d at Str tschei n E Starkes Unternehmen Starke Kooperationen Starke Region Abbildung 9: Prozeß der Kooperationsbildung Um das Ziel, die Stärkung der regionalen Wirtschaft, zu erreichen, sind Bund, Länder und Gemeinden für die Initiierung, Moderation und Förderung von Kooperation mitverantwortlich. Sie übernehmen unter anderem die Aufgabe, die Aktivitäten der einzelnen Initiatoren, Moderatoren und Förderer aufeinander abzustimmen, um ein effizientes Arbeiten zu gewährleisten und effektive Kooperationsnetzwerke zu bilden. 5.2 Manifestation: Kooperations-Infrastruktur im Saarland Im folgenden werden ausgewählte wichtige im Saarland vorhandenen kooperationsfördernden Einrichtungen und ihre Aktivitäten beispielhaft kurz aufgeführt und hinsichtlich ihrer Rollen systematisiert. Die Auswahl impliziert hierbei allerdings nicht die Vollständigkeit der Institutionen, zumal sich die Kooperations-Infrastruktur fortlaufend verändert und an neue Rahmenbedingungen anpaßt. Zudem beschränken wir uns bewußt auf die Institutionen, die für die Kooperationsförderung verantwortlich sind. Ausgenommen sind daher die Institutionen, die primär die Existenzgründung unterstützen, da eine reine Existenzgründung zunächst eine auf das Einzelunternehmen spezialisierte Aktivität darstellt. Dieser Bericht beschäftigt sich jedoch ausschließlich mit der 80 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] Initiierung, Moderation und Vermittlung von Partnern bezüglich Kooperationen im Saarland. 5.2.1 Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer (KWT) An der Universität des Saarlandes besteht seit Mitte 1985 eine Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer (www.uni-saarland.de/verwalt/kwt/), deren Aufgabe es ist, die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft im beiderseitigen Interesse zu vertiefen. Ihre Zielsetzung umfaßt dabei die Förderung technologischer Kooperationen zur Steigerung der Innovationskraft der Unternehmen und zur langfristigen regionalen Wirtschaftsentwicklung. Schwerpunkt der Tätigkeit der KWT ist die Förderung der Zusammenarbeit mit kleineren und mittleren Unternehmen. Diese sollen das aktuelle, praxisbezogene Forschungswissen und die Problemlösungskapazität der Universität für die Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit nutzen können. Hierzu informiert die Kontaktstelle die Unternehmen über das an der Universität vorhandene wirtschaftsnahe Wissen und über mögliche Gebiete und Formen gemeinsamer Vorhaben und vermittelt kostenlos Kontakte zu den geeigneten Wissenschaftlern und ihren Labors. Ebenso werden Anfragen der Wissenschaftler an interessierte Unternehmen weitergeleitet, um damit die Praxisnähe der Projekte zu gewährleisten. Bei gemeinsamen Vorhaben zwischen Wissenschaftlern der Universität und Unternehmern werden auch Unterlagen über mögliche Förderprogramme bereitgestellt, die formale Antragstellung unterstützt und die administrative Abwicklung betreut. Um den gegenseitigen Erfahrungsaustausch zwischen den Wissenschaftlern der Universität und den Fachleuten der Wirtschaft zu ermöglichen und das Angebot der Universität bekannt zu machen, werden Vorträge, Seminare, Round-table-Gespräche und Messepräsentationen geplant und organisiert. „Grundsätzlich ist anzumerken, daß die Firmenstruktur im Saarland häufig einer Zusammenarbeit mit der Wissenschaft im Wege steht. Bei grö- [email protected] Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“ 81 ßeren Unternehmen handelt es sich zumeist um Produktionsfirmen, und kleinere Unternehmen sind häufig Zulieferbetriebe. Somit besteht nur ein geringes Interesse, neue Forschungsideen zu entwickeln oder umzusetzen. Teilweise fehlen den Unternehmen aber auch die finanziellen Möglichkeiten. Als Konsequenz daraus wurde 1995 das Starter-Zentrum gegründet, welches mit Hilfe der KWT Firmengründungen unterstützt und begleitet. Damit wird die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft aktiv gefördert.“ (Interview mit Frau Merkle, Mitarbeiterin der KWT, am 22.08.2000) Von den durch die Kontaktstelle in Gang gebrachten Kooperationen zwischen der Hochschule und einzelnen Unternehmen laufen etwa 2/3 unter der Beteiligung von kleineren und vor allem mittelständischen Unternehmen aus dem Saarland ab. Die KWT versteht sich dabei lediglich als Vermittlungsstelle. Es erfolgt keine Betreuung oder Moderation der Kooperation. Finanziert wird die Kontaktstelle durch ein EU-Programm der Wirtschaftsförderung. 5.2.2 Institut für Technologietransfer (FITT) Das Institut für Technologietransfer (www.fitt.de) ist die Kontaktstelle zwischen Unternehmen und der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTWdS). Seine Aufgabe ist es, Kontakte zwischen der Hochschule und der Wirtschaft zu intensivieren, das an der HTWdS vorhandene Know-how der Wirtschaft verfügbar zu machen und den Erfahrungsaustausch zwischen der Hochschule und der Wirtschaftspraxis über konkrete Projekte zu vertiefen. Das FITT bietet insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen seine Dienstleistungen an. Dabei fühlt sich das Institut seinen Fördermitgliedern besonders verpflichtet. Dem Förderverein des FITT (Gesellschaft der Förderer des Instituts für Technologietransfer an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes e.V.) gehören zahlreiche Unternehmen, Privatpersonen und Ministerien an. Dieser ist nicht nur Träger der Einrichtung, sondern legt auch die Richtlinien für die Projektarbeit fest. Das Institut finanziert sich durch die Mitgliedsbeiträge (weniger als 10% des Budgets) und aus Mitteln des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen. 82 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] Ähnlich wie die KWT vermittelt das FITT Kontakte zwischen Unternehmen und Wissenschaftlern an der HTW. Oft entsteht der Kontakt über Seminare, die durch das FITT veranstaltet werden. Zwar werden Beratungsdienstleistungen am häufigsten nachgefragt, aber Kooperationen zwischen Unternehmen und Wissenschaftlern der HTW können bis zu gemeinsamen Entwicklungsprojekten reichen. Zusätzlich akquiriert das Institut aktiv Kooperationspartner für die HTW. Trotz der ähnlichen Zielsetzung von KWT und FITT und der Beteiligung des Geschäftsführers der KWT als beratendes Mitglied im Vorstand des FITT arbeiten die beiden Institute nur bedingt zusammen. Kooperationen erstrecken sich hauptsächlich auf gemeinsame Messeauftritte. 5.2.3 Kooperationsstelle Hochschule und Arbeitswelt (KHA) Die Kooperationsstelle Hochschule und Arbeitswelt (www.uni- saarland.de/verwalt/kha/) ist eine Institution, die von der Arbeitskammer des Saarlandes, dem Wissenschaftsministerium, dem DGB-Landesbezirks Saar und der Universität des Saarlandes gegründet wurde. Das Aufgabengebiet der Kooperationsstelle umfaßt dabei drei Teilbereiche: (a) die Ausschreibung und Vergabe von Forschungsprojekten, (b) die Ausrichtung von Weiterbildungsseminaren und Arbeitskreisen sowie (c) den Wissenstransfer in Form von Tagungen, Vorträgen und Publikationen. Ziel ist es, die „human resources“ als einen zentralen Ansatzpunkt im Arbeitsleben zu unterstützen und dies über ein kooperatives Wissensmanagement zu realisieren. Die KHA versucht, zwischen den unterschiedlichen Kulturen und Arbeitsweisen der möglichen Kooperationspartner zu vermitteln. Bei Bedarf moderiert sie auch die notwendigen Prozesse als neutrale Institution. [email protected] Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“ 83 5.2.4 Zentrale für Produktivität und Technologie e.V. (ZPT) Die Zentrale für Produktivität und Technologie e.V. (www.zpt.de) ist eine Institution der IHK des Saarlandes. Die Kooperationsförderung richtet sich besonders an zukunfts- und technologieorientierte Unternehmen. Die ZPT versteht sich vor allem als Plattform zur Herstellung von Kontakten zwischen verschiedenen Unternehmen. Als Instrumente zur Kontakt- und Kooperationsvermittlung stehen dabei Ländersprechtage, Wirtschaftsinformationstage, Markterkundungsreisen, Messebeteiligungen und die Kooperationsbörse der IHK zur Verfügung. Gefördert wird die Institution durch das Wirtschaftsministerium. Die Geschäftsführung obliegt der IHK, die auch die Räume zur Verfügung stellt. Zusätzlich erhält die ZPT für die Durchführung von verschiedenen Projekten, wie zum Beispiel Initiative Regiotec, Drittmittel der EU. Die ZPT (www.zpt.de) ist, neben ihren gerade beschriebenen Kernfunktionen, ein Euro Info Centre. Die Euro Info Centres (EICs) bilden ein hochqualifiziertes europäisches Netzwerk von 275 Beratungseinrichtungen, das von der Europäischen Kommission 1989 zur Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen eingerichtet wurde. Sie informieren und beraten kleine und mittlere Unternehmen über Entscheidungen, Initiativen und Programme der Europäischen Union und helfen ihnen bei der Partnersuche. Der direkte Kontakt nach Brüssel und eine leistungsstarke Infrastruktur sollen eine schnelle, effiziente und kostengünstige Unterstützung der Unternehmen vor Ort ermöglichen. Im Bereich Kooperation haben die EICs und damit auch die ZPT Zugang zu verschiedenen Datenbanken und Foren (Übersicht 26). 84 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ • Business Cooperation Network (BC-NET) – ist ein Datenbanksystem, das von den meisten EICs und weiteren 300 Beratern aus über 50 Ländern genutzt wird. Büro für Unternehmenskooperation (BRE) – erstellt auf Basis des Kooperationswunsches ein Inserat, das über ein Netzwerk von 300 Korrespondenten in 50 Ländern verbreitet wird. Euro Info Centre Netzwerk – gewährleistet individuelle Partnervermittlung mit spezialisierten Unternetzen, die durch ein E-mail-System verbunden sind. EUROPARTENARIAT – sind Kooperationskonferenzen in ausgewählten Regionen mit bis zu 3.000 Unternehmen aus ganz Europa. INTERPRISE und MEDPARTENARIAT – sind branchenspezifische Kooperationsbörsen mehrerer Regionen. CORDIS und ARCADE – sind Datenbanken für die Suche nach Kooperatonspartnern für Forschungs- und Entwicklungsprojekte. • • • • • [email protected] Übersicht 26: Kooperationsdatenbanken und -foren Daneben sind die EICs auch an weiteren EU-Netzen, wie zum Beispiel den Innovation Relay Centres (IRC) und der Organisation zur Förderung von Energietechnologien (OPET), beteiligt und können dadurch spezifische Vermittlungsleistungen anbieten. 5.2.5 Universitäre Institute Zu den Moderatoren von Kooperationen gehören vor allem auch universitätsnahe Einrichtungen, so im Saarland unter anderem beispielsweise das Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi) sowie das Institut für Managementkompetenz (imk). Sie übernehmen eine Kooperationsmoderation oftmals nur im Rahmen eines von ihnen selbst initiierten Forschungsprojektes. Ihre Aktivitäten in diesem Bereich werden somit durch Forschungsdrittmittel finanziert. Hier zeigt sich insbesondere die erfolgreiche Umsetzung des Modells von Public Private Partnerships (vgl. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 1999), die eine mittelfristige, wechselseitige Verpflichtung auf gemeinsame Ziele voraussetzt. Voraussetzung ist ein wechselseitiges Vertrauen in die Leistungsfähigkeit und die Zuverlässigkeit der Partner. a) Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi) Das Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität des Saarlandes (www.iwi.uni-sb.de) wurde 1979 aus dem Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik von Prof. Dr. Dr. Scheer heraus gegründet. Es führt eine Reihe von praxisori- [email protected] Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“ 85 entierten Forschungsprojekten im Zusammenhang mit neuen Technologien durch. Im Rahmen unter anderem von BMBF-Projekten (Bundesministerium für Bildung und Forschung) und EU-Projekten betreut das IWi Kooperationen von Unternehmen. An zwei Standorten – dem Campus der Universität des Saarlandes und dem Zentrum für innovative Produktion – werden anwendungsspezifische Schwerpunkte wie Industrie, Dienstleistung und Bildung vernetzt erforscht und Ergebnisse umgesetzt. Wichtig ist hier vor allem die Förderung einer starken Interaktion zwischen Dienstleistungsbereich und Industrie, die gegenseitig viel voneinander lernen können, zum Beispiel hinsichtlich Innovati- onsgeschwindigkeit und Kundenorientierung. Das Institut für Wirtschaftsinformatik berücksichtigt daher den steigenden Anteil an Dienstleistungen in der Wirtschaft insbesondere durch die Unterstützung der servicespezifischen Geschäftsprozesse mit innovativen Informationstechnologien und fortschrittlichen Organisationskonzepten. Service Engineering, Referenzmodelle für die öffentliche Verwaltung sowie die Vernetzung von Industrie, Dienstleistung und Verwaltung bilden die zentralen Themen. Das Institut für Wirtschaftsinformatik agiert damit als Moderator von Kooperationsprojekten. Es übernimmt sowohl für die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur sowie für die Moderation der Prozesse Verantwortung. b) Institut für Managementkompetenz (imk) Das Institut für Managementkompetenz der Universität des Saarlandes (www.orga.uni-sb.de/imk) wurde 1998 am Lehrstuhl für Organisation, Personal- und Informationsmanagement von Prof. Dr. Scholz gegründet. Schwerpunkt der Forschungstätigkeit sind theoriegestützte empirische Untersuchungen im Bereich des Managements von Unternehmen, der Unternehmensorganisation, dem internationalen und interkulturellen Management, dem Personalmanagement sowie dem Medien- und Kommunikationsmanagement. Im Rahmen von Public Private Partnerships wird es als Wissenstransfernetzwerk eingeordnet (vgl. Konegen-Grenier/Winde 2000, 123-127). 86 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] Inhaltlich bestehen verschiedene Kompetenzschwerpunkte wie das "Global Performance Project" (GPP) für die internationale empirische Organisationsforschung oder das ccTIME (Competence Center Telekommunikation-Informationstechnologie-Medien-Entertainment). Das imk moderiert unter anderem die Startphase von Kooperationsprojekten wie zum Beispiel den 24h Handwerker Service. Ferner kooperiert das imk mit Einrichtungen wie der Kooperationsstelle Hochschule und Arbeitswelt e.V. (KHA) oder der Arbeitskammer des Saarlandes (AK), um eigene Forschungsprojekte in Kooperationsstrukturen zu initiieren und durchzuführen, etwa im Medienbereich oder im Feld modernen Personalmanagements. Hierdurch sowie durch weitere Kontakte mit Unternehmen der TIME-Branche wird insbesondere die Kooperation von Unternehmen mit der Universität gefördert. 5.2.6 IHK Saarland Die Kooperationsbörse der IHK Saarland (www.saarland.ihk.de) bietet Nachfragern von Dienstleistungen, aber auch anderen Unternehmen, die Möglichkeit, geeignete Kooperationspartner zu finden. Monatlich werden ca. 40 Gesuche veröffentlicht. Voraussetzung dafür ist das Ausfüllen eines Fragebogens, um das Unternehmen zu kategorisieren. Die Bearbeitung, d.h. der Eintrag in die Kooperationsbörse, ist für die Unternehmen kostenfrei. Pro Gesuch erreichen die IHK ca. zwei Anfragen, die sie ohne Prüfung oder Selektion an die nachgefragten Unternehmen weiterleitet. Das Angebot und die Anfragen sind branchenübergreifend und teilweise auch überregional. Allerdings zielt diese Einrichtung vor allem auf die Kooperationsförderung im Saarland ab. Die IHK nimmt nur eine Vermittlerrolle ein, für die Betreuung oder Moderation der entstehenden Kooperationen ist sie nicht zuständig. Dies und das mangelnde Feedback von Unternehmensseite sind die Gründe dafür, daß über Kooperationsanzahl, -formen und -effizienz keine Angaben gemacht werden. Trotz der geringen Größe des Saarlandes ist die Resonanz auf das Angebot positiv zu bewerten. [email protected] Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“ 87 Weiterhin ist die IHK an einem Gemeinschaftsprojekt aller Industrie- und Handelskammern in Deutschland beteiligt, das sowohl regional als auch deutschlandweit Kooperationen vermittelt. Unter www.kooperationsboerse. ihk.de/kdbdiht.asp können mit Hilfe eines Fragebogens Wünsche und Anforderungen an einen potentiellen Kooperationspartner definiert werden. Die Kooperationsanfragen bleiben für ca. zwei Jahre abrufbar im Netz. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten der Kontaktaufnahme: 1. Die Adresse des Unternehmens wird vom jeweiligen Ansprechpartner der IHK direkt an den Interessenten weitergegeben. 2. Die Kontaktperson der IHK initiiert und moderiert das Vorhaben, falls das Unternehmen im ersten Schritt anonym bleiben will. Im Raum Saarland gibt es auch die Möglichkeit zur Eigenrecherche in den Firmenprofilen der einzelnen saarländischen Unternehmen. Dazu hat die IHK Saarland eine „Firmendatenbank Saarland“ eingerichtet. Zur Zeit (April 2002) beinhaltet sie 4.758 Mitglieder. Um eingetragen zu werden, müssen die Mitglieder einen Fragebogen ausfüllen. Zusätzlich zu bestimmten Schlüsselwörtern kann ein Fließtext mit einer Länge von bis zu einer DIN A4 Seite eingetragen werden, der das Unternehmen näher beschreibt. Die Fragebögen werden willkürlich an IHK-Mitglieder oder teilweise nach Branchen geordnet mehrmals jährlich verschickt. Der Eintrag in die Datenbank ist kostenfrei. Eine Aktualisierung der Daten erfolgt durch die Unternehmen selbst, indem sie Neuerungen ihres Firmenprofils der IHK schriftlich mitteilen. Nach der Veröffentlichung der Firmendaten können kooperationswillige Unternehmen nach einem geeigneten Partner suchen. Dies geschieht wiederum mit einer Eingabemaske, zu erreichen im Internet über die Adresse http://sql.regiotec.de/ vector/suche.php3. Da die Datenbank auf dem Server der IHK liegt, entstehen durch den Betrieb keine zusätzlichen Kosten. Betreut wird das Projekt von Mitarbeitern der IHK. Im ersten Halbjahr 2000 konnten 45.000 Zugriffe auf die Firmendatenbank registriert werden. Leider kann die IHK auch hier keine Angaben über Anzahl, Formen und Effizienz der entstandenen Kooperationen machen, da sie nur 88 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] die Plattform zur Verfügung stellt, die Zusammenarbeit der verschiedenen Unternehmen aber nicht betreut. 5.2.7 Firmendatenbank des Ministeriums für Wirtschaft Die Datenbank des Ministeriums für Wirtschaft (www.firmen.saarland.de) ermöglicht es Unternehmen, Institutionen und Privatpersonen, im OnlineVerfahren aktuelle Informationen über die Leistungsmöglichkeiten saarländischer Unternehmen aus den Themenbereichen Neue Medien, IT und Telekommunikation zu erhalten. Das Ablegen von Daten sowie die Nutzung der Datenbank sind kostenfrei. Alle im Saarland ansässigen Unternehmen, die Leistungen im Bereich Neue Medien, IT und Telekommunikation anbieten, können aufgenommen werden. Dazu müssen sie, wie bei der Firmendatenbank der IHK, einen Fragebogen ausfüllen, der dann zur Klassifizierung der Unternehmen eingesetzt wird. Das in der Datenbank veröffentlichte Firmenprofil beruht demnach auf den Beschreibungen der Unternehmen selbst. Das Ministerium für Wirtschaft überprüft diese Angaben nicht und übernimmt deshalb auch keine Verantwortung für ihre Richtigkeit. Nachfrager der Datenbank können sowohl private wie auch gewerbliche TIME-Unternehmen sein. Darüber hinaus hat sich gezeigt, daß die Datenbank auch ganz andere – nicht intendierte – Effekte hat, wie z.B., daß Studenten beziehungsweise Jobsuchende sie zur Suche nach Firmen nutzen. Die Datenbank erfreut sich einer weiten Akzeptanz (Übersicht 27). [email protected] Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“ 89 Nutzungszahlen im gesamten Zeitraum 01.01.2000 bis 28.08.2000: Anzahl der Hits auf Homepage www.firmen.saarland.de Anzahl der erfolgreichen Hits auf die gesamte Site Anzahl der Seitenimpressionen Anzahl der Anwendersitzungen Mittlere Anzahl an Hits pro Tag Mittlere Anzahl an Seitenimpressionen pro Tag Mittlere Anzahl an Anwendersitzungen pro Tag Mittlere Länge einer Anwendersitzung Mittlere Anzahl an Anwendern an Werktagen Mittlere Anzahl an Hits an Werktagen Anzahl der eindeutigen Besucher Anzahl der Besucher, die nur einmal kamen Anzahl der Besucher, die mehrmals kamen 5.820 115.706 55.021 6.685 482 229 27 00:05:28 32 609 2.119 1.526 593 Anzahl der Nutzer mit der jeweiligen Anzahl der Besuche: 1526 Nutzer 198 Nutzer 71 Nutzer 55 Nutzer 37 Nutzer 27 Nutzer 28 Nutzer 27 Nutzer 30 Nutzer 120 Nutzer besuchten die Datenbank einmal besuchten die Datenbank zweimal besuchten die Datenbank dreimal besuchten die Datenbank viermal besuchten die Datenbank fünfmal besuchten die Datenbank sechsmal besuchten die Datenbank siebenmal besuchten die Datenbank achtmal besuchten die Datenbank neunmal besuchten die Datenbank zehnmal oder öfter Übersicht 27: Beispiel der Nutzungsstatistik der Firmendatenbank des Ministeriums für Wirtschaft vom 01.01.2000 bis 28.08.2000 (Angaben aus dem Ministerium) 5.2.8 Zusammenführung Die kurz vorgestellten Institutionen nehmen hinsichtlich der Unterstützung von Kooperationen unterschiedliche, sich ergänzende Rollen wahr (Übersicht 28). Die Unterschiedlichkeit der Aufgaben ergibt sich bereits aus den Interessen der diese Institutionen finanzierenden unterschiedlichen Geldgeber. Insgesamt ist von einer Abdeckung der wesentlichen Kooperationsfunktionen im Saarland auszugehen. 90 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ Inititiation KWT FITT KHA ZPT Universitäre Institute IHK Saarland Firmendatenbank Min. für Wirtschaft x x x x x Bereitstellung von Kooperationsbörsen, Firmendatenbanken [email protected] Moderation/ Reflexion x x x x x Übersicht 28: Dominierende Rollen der Saarländischen Kooperationsakteure Kritisch zu durchleuchten ist die Zusammenarbeit der verschiedenen Initiatoren, Kooperationsbörsen und Moderatoren untereinander: Obwohl sie sehr ähnliche Ziele verfolgen, stimmen die Einrichtungen ihre Aktivitäten gemäß der während unserer Analyse uns gegenüber gemachten Aussagen kaum systematisch aufeinander ab. Zwar gibt es personelle Verflechtungen in der Art, daß manche Einzelpersonen in mehreren kooperationsunterstützenden Institutionen gleichzeitig vertreten sind. Weitere Querinformationen kommen dadurch zustande, daß etwa bei Finanzierung durch das Wirtschaftsministerium Leistungsdaten der einzelnen Institutionen verglichen werden können. Auch existieren übergeordnete deutschlandweite Einrichtungen wie beispielsweise die Hans-Böckler-Stiftung, die ein Netzwerk zu Kooperationsstellen zwischen Hochschulen und Gewerkschaften betreut, in dessen Arbeit auch saarländische Institutionen einbezogen sind. Trotz dieser Kontakte und Vernetzungen bleibt der Eindruck bestehen, daß sich ihre Angebote im Saarland nicht nur ergänzen, sondern sich vielmehr teilweise überschneiden, ohne daß eine differenzierte Abstimmung der Aktivitäten sowie der Öffentlichkeit gegenüber eine weitgehende Transparenz gegeben sind. [email protected] ¹ Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“ 91 Im Saarland ist das Angebot an Kooperationsinitiatoren, -moderatoren, -börsen und -vermittlungsstellen insgesamt breit gefächert. Grundsätzlich ist eine ausreichende Anzahl an Ansprechpartnern und Kontaktstellen vorhanden. Es ist jedoch zu hinterfragen, inwieweit weitgehend unabhängig voneinander erfolgende Anstrengungen der Einrichtungen die übergeordnete Zielvorstellung einer Regionalentwicklung des Saarlandes erfüllen. Eine Zusammenlegung von Doppelarbeiten in einer einzigen „saarlandweiten Kooperations- und Kontaktstelle“ wäre daher in Abwägung der Vor- und Nachteile einer Wettbewerbssituation auf diesem Feld überlegenswert. Wie bereits die Nähe wichtiger saarländischer Branchen wie etwa in Banken, Handel und Versicherungen sowie in der Informationstechnologie gerade im Hinblick auf die Servicementalität zeigt, ergeben sich hier über den Servicegedanken eine Reihe sinnvoller Kooperationspotentiale. Institutionen wie die KHA mit ihrer Profilierung als kompetente Wissensmanagement-Stelle für ihre Projektpartner oder die KWT mit ihrer Profilierung als Förderer von Jungunternehmern und Existenzgründern verfolgen diesen Weg bereits. Insgesamt würde Serviceorientierung auf diese Weise gleichzeitig zum Ziel von Kooperationen und zum Instrument für die Regionalentwicklung (Übersicht 29). • • • • • • • Übernahme von fachspezifischen Kundendienst-Aufträgen Gegenseitige Vertretung der Kooperationspartner in bestimmten Regionen Gegenseitige Vertretung der Kooperationspartner zu bestimmten Zeiten Urlaubsvertretung) Gemeinsame Kunden-Beratungsstellen Gemeinsame Aus- und Weiterbildung der Servicemannschaft Gemeinsame Ausbildung von serviceorientierten Berufseinsteigern Ausbau der Kooperations-Infrastruktur Übersicht 29: Inhalte von Service-Kooperationen (erweitert nach BMWi 2002, 9) (z.B. 92 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] 5.3 Implikation: Steigerung der Kooperationseffektivität? Naturgemäß sind kooperationsfördernde Einrichtungen schwerpunktmäßig nicht in der Lage, einen Einfluß auf strategische Entscheidungen auf Unternehmensebene auszuüben. Viele Führungskräfte haben die Notwendigkeit von Kooperationen zwar erkannt, sehen in einer Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen allerdings häufiger Risiken als Chancen. Andere nehmen die Kooperationsunterstützungsangebote konsequent nicht an, da sie hierin von vornherein eine Bedrohung ihrer eigenen Wettbewerbsposition sehen. Dies führt dazu, daß die Kooperationsbereitschaft im Saarland noch gesteigert werden könnte. Den Führungskräften fehlen teilweise das notwendige Wissen sowie die notwendige Unterstützung, die sie in ihrer Entscheidung zu kooperieren bestärkt. Hier müßte konsequent angesetzt werden, um den Unternehmen den Schritt in die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen zu erleichtern. Dies könnte zum Beispiel mit Hilfe von (bereits von wenigen Institutionen tatsächlich angebotenen) Kooperationsseminaren geschehen, in denen den Führungskräften neben den zu tragenden Risiken vor allem die wichtigsten Erfolgsbeiträge von Kooperationen verdeutlicht werden. Hierzu ist es jedoch ebenso unabdingbar, daß gerade auch die Moderatoren verläßliche Problemlösungskompetenz bereitstellen. Ihre Betreuung sollte nicht nur eine Begleitung der Zusammenarbeit in Schönwetterperioden sein, sondern gerade auch bei auftretenden Problemen und Krisen. Zudem sollten sie auch Kompetenzen in neueren und schwierigeren Kooperationsformen wie Kooperationen mit dem Ausland (Stichwort „Saar-Lor-Lux“) oder E-Kooperationen aufweisen. ¹ Kooperationsseminare könnten die Unternehmen aktiv in ihrer strategischen Entscheidung unterstützen. Dies setzt voraus, daß auch die Moderatoren gezielt auf Kooperationen und deren Krisen hin geschult sind, damit sie ihrer Rolle als Berater und Ideengeber gerecht werden. [email protected] Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“ 93 Die zunehmende Technologisierung stellt eine Barriere für die Kooperationsbildung dar. Viele kleine und mittlere saarländische Unternehmen schrecken – wie der Mittelstand insgesamt – vor der Nutzung der Neuen Medien für eine Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen immer noch zurück. Leider werden die Möglichkeiten, die zum Beispiel das Internet bietet, noch nicht ausreichend ausgeschöpft. ¹ Ziel der verschiedenen Firmendatenbanken und Kooperationsbörsen im Internet soll es daher sein, den saarländischen Unternehmen den ersten Schritt in diese „Neue Welt“ zu erleichtern und sie im Umgang mit den neuen Techniken zielgerichtet auf Kooperationen hin zu schulen. Die Zusammenarbeit eines Unternehmens mit anderen Unternehmen hängt oftmals von einer öffentlichen Förderung des Vorhabens ab. Die Unternehmen sind meist nicht bereit, ohne eine, wenn auch nur teilweise erfolgende, finanzielle Absicherung zusammenzuarbeiten. Viele Kooperationen entstehen nur, wenn sie von Institutionen initiiert und gefördert oder als Forschungsprojekt zeitlich begrenzt und finanziell unterstützt werden. ¹ Hierbei sollte jedoch eine explizite Langfristperspektive an die Bewilligung von Fördermitteln gebunden sein. Es muß eine klare Vorstellung davon bestehen, wie das Projekt nach Ablauf der Förderung als stand-alone-Projekt weitergeführt werden soll und kann. Ist dies nicht der Fall, sollte auch keine Bewilligung von Fördermitteln erfolgen. 5.4 Zwischenfazit Es gibt im Saarland eine Reihe von Institutionen, die Kooperationen unterstützen – jedoch ist die Abstimmung ihrer Aktivitäten untereinander noch weiter ausbaufähig. Insbesondere wird der Öffentlichkeit gegenüber (bis auf we- 94 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] nige Ausnahmen) wenig Transparenz erstens hinsichtlich des wohlfahrtssteigernden Beitrages kooperationsunterstützender Institutionen sowie zweitens hinsichtlich des tatsächlichen Kooperationsnutzens geschaffen, der von den initiierten oder moderierten Kooperationen ausgeht. Dies ist ein klares Defizit. Solange sich die Kooperationen von öffentlicher Seite finanzieren oder subventionieren lassen und in dem Moment zu existieren aufhören, in dem der Geldstrom versiegt, sollte dem Verdacht entgegengetreten werden, daß hier ein „Kooperationsschaden“ im Sinne einer Geldvernichtung eingetreten ist. Ein lapidarer Verweis auf „gemachte Erfahrungen und Erkenntnisse“ erscheint in einem solchen Zusammenhang als zu trivial, wenn nicht weitere Soliditätsmerkmale zur Erfolgsbeurteilung hinzutreten. ¹ Ein Kooperationsnutzen besteht grundsätzlich noch nicht in der puren Existenz von Kooperationen per se. Es würde die Transparenz der Kooperationsförderung erhöhen, wenn die kooperationsunterstützenden Institutionen den von ihnen anvisierten konkreten Kooperationsnutzen klar definieren, gegebenenfalls in einer saarlandweit standardisierten Form. [email protected] Fazit 95 6 Fazit Im folgenden werden die Ergebnisse und Erfahrungen der drei Teilprojekte zusammengeführt und mit konkreten Handlungsempfehlungen angereichert, die sich aus der vorliegenden Studie ergeben. Diese dienen letztlich wieder der Etablierung des Berufsbildes „Servicekaufmann/Servicekauffrau“. 6.1 Lernnotwendigkeiten Das erste Teilprojekt, den Unternehmen die Schlüsselqualifikationen für Dienstleister vermittelbar zu machen, basierte darauf, Unternehmen aus dem Saarland (je zwei Banken, Versicherungen und Handelsunternehmen) dazu zu bringen, freiwillig Auszubildende abzustellen und diese in den genannten Qualifikationen in verzahnter Struktur zu schulen – zusätzlich zum regulären Ausbildungsplan. Die Schulungsform umfaßte eine Kombination von Vorträgen, Rollenspielen, Computerplanspielen, Gruppendiskussionen sowie Praxisbeispielen, wobei sowohl das imk an der Universität des Saarlandes, die Kooperationsstelle Hochschule und Arbeitswelt, die Auftraggeber der Studie (Gewerkschaft und Arbeitskammer) als auch die teilnehmenden Unternehmen selbst je ein Ausbildungsmodul konzipieren und übernehmen mußten. Die Erfahrungen der Zusammenarbeit waren äußerst positiv: Bei Koordination durch das imk konnten innerhalb eines halben Jahres sowohl die komplexe Terminplanung als auch die innovative Stoffvermittlung realisiert werden. Die Auszubildenden waren weitgehend in der Lage, auch unabhängig von ihren Vorkenntnissen die servicebezogenen Qualifikationen branchenübergreifend zu verstehen, wenn sie durch sinnvoll aufbereitete Inhalte (wie im beschriebenen Projekt) vermittelt wurden. Erfreulich war auch die zu beobachtende Nachhaltigkeit der positiven Projekterfahrungen: Die Unternehmen führen teilweise in Eigenregie das servicebezogene Ausbildungsprogramm inhaltlich fort, und die beteiligten Auszubildenden wurden in ihren Unternehmen als Multiplikatoren der gemachten Erfahrungen eingesetzt. 96 ¹ „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] Lernnotwendigkeit aus Teilprojekt 1: Es ist erforderlich zu lernen, was Service bedeutet und wo Service zur Wertschöpfung beiträgt. Das zweite Teilprojekt zur Vermittlung der serviceorientierten Schlüsselqualifikationen sollte die Berufsschulen einbinden. Hier zeigte sich, daß dies mit viel mehr Schwierigkeiten verbunden war als bei den Unternehmen. Die Berufsschulen sahen sich überwiegend nicht in der Lage, ihre Flexibilitätspotentiale, die zu einer Servicedienstleistung für ihre Schüler geführt hätte, zu erkennen und zu nutzen – oder wollten dies nicht. Die Problematik einer Vermischung wirtschaftlich sinnvoller Aktivitäten mit existenten politischen Hintergründen führte zur Blockierung des Teilprojektes. ¹ Lernnotwendigkeit aus Teilprojekt 2: Es ist erforderlich zu lernen, warum Service für einen Akteur wichtig und unverzichtbar ist. Das dritte Teilprojekt hat gezeigt, daß gerade die zur Entwicklung des Berufsbildes „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ benötigten Kooperationen im Saarland auf eine Kooperations-Infrastruktur treffen, die sich mittlerweile ausdifferenziert hat und vielfältige Möglichkeiten von Initiation, Moderation und Vermittlung von Partnern bietet. Kooperationsförderung ist damit mehr als bloße finanzielle Förderung: Die Institutionen selber erbringen wichtige Serviceleistungen für den Wirtschaftsstandort Saarland. ¹ Lernnotwendigkeit aus Teilprojekt 3: Es ist sowohl erforderlich zu lernen, welche Plattformen den Servicegedanken umsetzen helfen, als auch, wo diese Plattformen selber Service umsetzen. [email protected] Fazit 97 6.2 Handlungsempfehlungen Aus allen drei Teilprojekten lassen sich konkrete Handlungsempfehlungen ableiten. Die Handlungsempfehlungen des ersten Teilprojekts richten sich in ihrer Zielsetzung primär an die beteiligten Unternehmen und an solche Institutionen, die Kooperationen initiieren, wie etwa die Arbeitskammer des Saarlandes, die IHK oder die Kooperationsstelle Hochschule und Arbeitswelt. Alle Projektanstrengungen, die das Ziel einer multiplikativen Verstärkung der Resultate des Pilotprojektes sowie ihrer Verankerung in der saarländischen Unternehmenslandschaft haben, sollten in diesem Sinne unterstützt werden. Das imk kann hier wesentliche unterstützende Aufgaben übernehmen. ¹ Hinsichtlich der Qualifizierung von Serviceberufen müßten Ausbilder in Unternehmen und Berufsschulen die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des Servicegedankens und seiner Vermittlung zunächst selber einsehen und dann entsprechend einer serviceorientierten Ausbildung weiterqualifiziert werden. ¹ Servicekaufleute werden dann verstärkt ausgebildet, wenn sie auch verstärkt nachgefragt werden: Daher ist es wichtig, einen hohen Service-Standard in Unternehmen zu verlangen, ihn zu kommunizieren und so einen Bedarf entsprechend qualifizierter Mitarbeiter zu verstärken. ¹ Im Nachgang zu diesem Pilotprojekt sollten die positiven Erfahrungen flächendeckend kommuniziert werden, um die Anstrengungen in Richtung einer serviceorientierten Ausbildung zu stabilisieren. Hierzu ist eine Multiplikation des Nutzens notwendig. 98 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] Die Handlungsempfehlungen aus dem zweiten Teilprojekt zur Qualifizierung 2007 in Berufsschulen richten sich primär an das Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft. Das imk hat seine institutionellen Grenzen als Moderator erkannt, da sich die Berufsschullandschaft in ihrer Entscheidungsfindung weitestgehend auf übergeordnete Anweisungsberechtigte zurückzieht und so von selbst keine relevanten Änderungsprozesse in Gang setzt. Da es zudem in der Regel nicht das Interesse eines Moderators ist, diese Weisungsbefugnisse zu übernehmen, bleiben die noch stärkere Einbindung dieser Anweisungsberechtigten in den Kooperationsprozeß oder aber die Ausweitung der Autonomie der Berufsschulen auf diesem Gebiet. ¹ Die zeitliche Koordination zwischen den Unternehmen und letztlich dann zu den Berufsschulen ist eine wichtige Voraussetzung für die zeitlich synchrone, servicebezogene Vermittlung berufsbildübergreifender Ausbildungsinhalte an Auszubildende aus verschiedenen Branchen. ¹ Die institutionelle Koordination zwischen den Berufsschulen und den sonstigen Einrichtungen im Saarland, die sich mit curricularen Strukturen in der Berufsausbildung beschäftigen, erfordert einen Moderationsprozeß der Beteiligten insbesondere auf öffentlich-rechtlicher Ebene. ¹ Ministerielle Entscheidungsträger sollten nicht nur als Prozeßbegleiter, sondern als strategische Impulsgeber und Facilitatoren in die Fortentwicklung serviceorientierter Berufsausbildung im Saarland eingebunden werden und zudem die Autonomiebefugnisse der Berufsschulen hinsichtlich ihrer Einbindung in die Wirtschafts- und Forschungslandschaft kritisch reflektieren. [email protected] Fazit 99 Aus dem dritten Teilprojekt ergeben sich Handlungsempfehlungen zum Serviceaspekt vor allem in Kooperationen. Der Servicegedanke ist hier vor allem wichtig, weil er auf der Kundenschnittstelle das „one-face-to-the-customer“ realisiert, es also den Kunden ermöglicht, auch in Kooperationen eine einheitliche Anlaufstelle zu erhalten. Über sie wird die Wertschöpfung realisiert. Doch auch bei den kooperationsunterstützenden Institutionen steht Service im Vordergrund. ¹ Zeitgemäßes Kooperieren benötigt eine hohe Flexibilität der Beteiligten: sowohl auf der Ebene sinnvoller Rahmenbedingungen (etwa Arbeitszeiten, Abbau von Mobilitätsbarrieren) als auch auf der Ebene der Kooperation selbst, die in flexiblen gedanklichen Handlungsrahmen stattfinden sollte. ¹ Es gibt mehrere Formen von Service: Die Bereitstellung von Plattformen zur Initiation und Partnervermittlung für Kooperationen, die Unterstützung der Finanzierung von Kooperationen sowie die Moderierung und vertiefte Beratung von Kooperationsvorhaben. Wichtig sind zunächst aktive, lebendige Plattformen, die potentielle Kooperationskandidaten in ein zentrales Netzwerk einbinden, das auch genutzt wird. ¹ Es sollte reflektiert werden, inwieweit die Ergebnisorientierung der kooperationsfördernden Institutionen selber transparenter gestaltet werden kann. Eine wichtige Handlungsmaxime für die Kooperationsunterstützung könnte hierbei die Leitlinie von erfolgreichen Beratungen sein, daß Projektergebnisse nicht in Form von Berichten, sondern nur in Form tatsächlicher Veränderung vorliegen. 100 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] 6.3 Umsetzungen In dem hier vorliegenden Projekt hat sich herauskristallisiert, daß der Servicegedanke ein übergreifend akzeptierter und tragfähiger Kern für Aktivitäten an einem Wirtschaftsstandort ist und sich – mit Unterstützung serviceorientierter Institutionen – in konkrete Kooperationen umsetzen läßt. Durch Integration der drei Teilprojekte läßt sich nun ein Modell entwickeln, das gerade die Serviceorientierung als generellen strategischen Wettbewerbsvorteil für das Saarland auszubauen trachtet: Das Saarland als Standort könnte sich und seine Institutionen über die Serviceorientierung im Markt positionieren und profilieren. Eine entsprechende Berufsausbildung vorausgesetzt würden hierzu mit der Zeit auch die benötigten Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Wendet man dazu das Gestaltungsmodell virt.cube (Scholz 2000) auf die Entstehung serviceorientierter Kooperationsnetzwerke an, so führt dies zu drei Umsetzungsrichtungen: Erstens müßte im Saarland der Service als durchgängige Kernkompetenz aller Akteure herausgearbeitet, aufgebaut und dann kommuniziert werden. Wie sich im ersten Teilprojekt gezeigt hat, funktioniert dies, und es funktioniert sogar aus weitgehendem Eigenantrieb durch die Unternehmen selbst. ¹ Service-Knowhow als Kernkompetenz ist unverzichtbarer Bestandteil einer regionalentwicklungsbezogenen Vernetzung von Unternehmen. Zweitens kann und muß Serviceorientierung als integrierende Klammer über die einzelnen Akteure im Saarland hinweg wirken. Ob einzelne Kooperationspartner oder kooperationsbegleitende Institutionen: Sobald der Servicegedanke als zentrale Zielsetzung das Hauptkriterium für Erfolg wird, können auch alle einzelnen Aktivitäten auf Service hin ausgerichtet werden. [email protected] ¹ Fazit 101 Serviceorientierung als Vision hat die integrierende Kraft, die Kooperationspartner auf ein gemeinsames Ziel und aufeinander hin auszurichten. Drittens ist Servicetechnologie ein wichtiges Instrumentarium, um eine Regionalentwicklung zu unterstützen. Unter bestimmten Bedingungen (vgl. Scholz/Stein/Eisenbeis 2001, 171-182) kann das Saarland bei Technologie und Neuen Medien im Wettbewerb durchaus mithalten, selbst wenn man sich die in Deutschland konkurrierenden Standorte wie München, Köln, Hamburg oder Berlin ansieht. Dennoch darf sich das Saarland hier nicht von den Entwicklungen abkoppeln, sondern sollte das bisher Erreichte konsequent ausbauen. ¹ Servicetechnologie als Instrumentarium kann die Kooperationspartner enger miteinander verzahnen und vor allem den Zugang zu den Kunden komfortabler und flexibler gestalten. In Ergänzung zum „Informatikland Saarland“ erscheint damit die Vision „Serviceland Saarland“ in Sinne einer zu verfolgenden Kernkompetenz im regionalen Standortwettbewerb erfolgversprechend. Kooperative serviceorientierte Ausbildung kann diesen Prozeß unterstützen. Im Bereich des Service kann sich das Saarland so einen Vorteil im Wettbewerb der Regionen aufbauen. Allein das Beispiel der erfolgreichen Ansiedlung von Call-Centern im Saarland zeigt, daß hier in relativ kurzer Zeit wirksame und sinnvoll fokussierte Ansätze auch überregional Wirkungen zeigen. 6.4 Ausblick Erst aus dem serviceorientierten Leitbild lassen sich die (dann konsistent aufeinander ausgerichteten) weiteren Handlungslinien ableiten, nämlich eine überregionale Ausweitung der Servicekaufmann-/Servicekauffrau-Idee, ihre 102 „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ [email protected] Realisierung in Unternehmen gemeinsam mit den Berufsschulen und dann ihre Umsetzung in die Definition eines neuen Berufsbildes. Werden diese Punkte zunehmend berücksichtigt, so läßt sich ein positiver Effekt auf die Realisierung des Servicekaufmanns/der Servicekauffrau erwarten. Geht es nach den durch die Projektleitung gemachten Erfahrungen bei den Auszubildenden und den Unternehmen, dann ist dies extrem erwünscht. ¹ Für das Saarland ist ein Mindest-Level an Serviceorientierung vorzugeben. An dieses sollten sich alle Akteure halten: Unternehmen in ihrer Leistungserstellung, Kooperationsfördernde hinsichtlich der Auswahl förderungswürdiger Kooperationen, Ausbildende hinsichtlich der Ausbildung neuer Mitarbeiter. Die Orientierung an einem solche Service-Mindest-Level kann bestätigt werden, etwa durch ein Gütesiegel. Voraussetzung ist, daß die Serviceinhalte flächendeckend vermittelt werden – im Extremfall als E-Learning-Umgebung, die saarländischen Akteuren offensteht. Die Profilbildung für das Saarland in Richtung eines Dienstleistungsstandortes würde sich durch innovative Ausbildungskonzepte unterstützen lassen. Die Ausweitung der Servicekaufmann-/Servicekauffrau-Idee über die Region Saarland hinaus könnte aus dieser Perspektive heraus noch intensiver betrieben werden, da sonst die Impulse für eine überregionale Veränderung des Berufsbildes gar nicht erst entstehen. Die politische und gewerkschaftliche Unterstützung einer langfristigen Etablierung des Berufsbildes „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ macht den Servicestandort im Vergleich der Regionen wettbewerbsfähiger und erhält beziehungsweise schafft letztlich Arbeitsplätze. Hierzu gehört ein entsprechendes Kommunikationskonzept mit servicebezogener Pressearbeit und vernünftiger Abstimmung der servicerelevanten Kooperationsaktivitäten, etwa im Internet über die Einrichtung einer einzigen [email protected] Fazit 103 zentralen Kooperationsseite des Saarlandes. Die Entwicklung einer entsprechenden Regionalentwicklungs- und Kommunikationsstrategie könnte wiederum durch das imk mit seinen Kompetenzen im Medien- und Kommunikationsmanagement durchgeführt werden. Um das Saarland in den Köpfen aller Beteiligter als „Service-Hochburg“ zu etablieren, müßte bereits die konsequente Ausrichtung aller Aktivitäten im Bereich Regionalentwicklung, Existenzgründung und Strukturförderung stringent am Servicegedanken orientiert sein. Dies ist eine Grundidee, die sich vor allem auch an das Ministerium für Wirtschaft wendet: Es sollte noch viel stärker darauf achten, daß in der Vielzahl der stattfindenden Aktivitäten die strategische, serviceorientierte Linie immer sichtbar ist und als Evaluationskriterium zentrale Relevanz erlangt. ¹ Gerade das Saarland sollte sich seine Servicekompetenz durch Entwicklung einer serviceorientierten Regionalentwicklungsstrategie aufbauen und diese kommunizieren: hinsichtlich der Verfügbarkeit exzellent ausgebildeten Personals im Servicebereich, hinsichtlich der Nähe von seviceorientierten Innovationen und Start-ups, hinsichtlich erfahrener Service-Anbieter mit Standort im Saarland, hinsichtlich kurzer Wege zur serviceorientierten Landesregierung und hinsichtlich einer europäisch nutzbaren Lage in der Saar-Lor-Lux-Region. Die Service-Infrastruktur muß strategisch definiert, gezielt geschaffen und flächendeckend verbreitet werden. Gefordert sind hier alle Kräfte auf dem Gebiet der Kooperationsförderung, die – gegebenenfalls unter Moderation einer Instanz wie dem Wirtschaftsministerium, der Arbeitskammer oder der IHK – gemeinsam ihre Serviceorientierung abstimmen sollen. [email protected] Literatur 105 Literatur Bankazubis.de, Tätigkeitsfeld des Bankkaufmanns/der Bankkauffrau, in: http://www.bankazubi.net/ausbildung/ausbildung.php?artikelid=183&d ruckversion=1, 2001, abgerufen 02.07.2001. Bronder, Christoph/Pritzl, Rudolf, Leitfaden für strategische Allianzen, in: Harvard Manager (1/1991), 45-54. Bruhn, Manfred (Hrsg.), Handbuch Dienstleistungsmanagement. Von der strategischen Konzeption zur praktischen Umsetzung, Wiesbaden (Gabler) 2. Aufl. 2001. Bühner, Rolf, Kooperation, in: Bühner, Rolf (Hrsg.), Management-Lexikon, München-Wien (Oldenbourg) 2001, 433-434. BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie), Kooperationen planen und durchführen. 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