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Christian Scholz / Volker Stein

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Christian Scholz / Volker Stein
Christian Scholz / Volker Stein
unter Mitwirkung von
Heiko Banaszak, Dirk Frank, Natali Lebro, Nicole Kaufmann,
Michael Klein, Melanie Kreh, Katja Geschwind
Servicekaufmann/Servicekauffrau
als Perspektive
für die Dienstleistungsgesellschaft
Institut für Managementkompetenz (imk)
Saarbrücken
2002
Danksagung
Die Studie „Servicekaufmann/Servicekauffrau als Perspektive für die Dienstleistungsgesellschaft wäre nicht realisierbar gewesen ohne die ideelle und
finanzielle Unterstützung durch (selber serviceorientierte) Institutionen aus
dem Saarland. Wir danken herzlich der Kooperationsstelle Hochschule und
Arbeitswelt an der Universität des Saarlandes (Frau Birgit Roßmanith und
Herrn Univ.-Prof. Dr. Hans Leo Krämer), der Gewerkschaft Handel, Banken
und Versicherungen, Landesbezirk Saar (Herrn Jürgen Grandjot) sowie der
Arbeitskammer des Saarlandes (Frau Gertrud Schmidt) als unseren
Auftraggebern.
Desweiteren haben wir uns sehr über die extrem kooperative Haltung ausgewählter saarländischer Unternehmen und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefreut, die in der Studie an passender Stelle Erwähnung finden werden.
Den studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am imk gilt unser Dank
für intensive Recherchen und unermüdliche Koordination.
Christian Scholz
Volker Stein
Saarbrücken, [email protected], 01.05.2002
Inhaltsverzeichnis
1 Problemstellung und Zielsetzung................................................................ 5
2 Theoretische Grundlagen ......................................................................... 11
2.1
Bedeutung der Dienstleistung .......................................................... 11
2.2
Sollqualifikationen: Qualifikation 2007.............................................. 12
2.3
Istqualifikationen: Berufsbilder ......................................................... 18
2.4
Berufsbild-Entstehung...................................................................... 26
3 Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“ ............................. 31
3.1
Konzeption: Ausbildungsnetzwerk ................................................... 31
3.2
Ergebnis: Service-Lehrmodule ......................................................... 35
3.2.1
Einführungsveranstaltung ........................................................ 35
3.2.2
Gruppenintrapreneurship......................................................... 37
3.2.3
Grenzenlosigkeit und Virtualisierung ....................................... 40
3.2.4
Technisierung durch Aufgeschlossenheit ................................ 41
3.2.5
Kundennutzenorientierung als Denkhaltung ............................ 43
3.2.6
Persönliche Individualisierung ................................................. 43
3.2.7
Flexibilisierung ......................................................................... 45
3.2.8
Globalisierung.......................................................................... 46
3.2.9
Wertschöpfungsprimat............................................................. 47
3.2.10
Intelligente Organisation .......................................................... 49
3.2.11
Berufsbildpolarisierung ............................................................ 50
3.3
Evaluation: Innovationsaspekte........................................................ 51
3.3.1
Erfahrungen der Unternehmen und Lehrenden ....................... 51
3.3.2
Erfahrungen der Auszubildenden ............................................ 53
3.3.3
Erfahrungen der Koordinatoren ............................................... 56
3.4
Zwischenfazit ................................................................................... 57
4
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
4 Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in der Berufsschule“ ........................ 59
4.1
Konzeption: Berufsschul-Netzwerk .................................................. 59
4.2
Ergebnis: Bürokratische Steuerungshindernisse.............................. 63
4.3
Theoretische Erklärung des Scheiterns: Darwiportunismus ............. 67
4.4
Zwischenfazit ................................................................................... 70
5 Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“............. 73
5.1
Konzeption: Kooperationsnetzwerke................................................ 74
5.1.1
Kooperationsbeeinflussende Rollen ........................................ 74
5.1.2
Kooperationsformen ................................................................ 75
5.1.3
Bildung von Kooperationen...................................................... 77
5.2
Manifestation: Kooperations-Infrastruktur im Saarland .................... 79
5.2.1
Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer (KWT) .... 80
5.2.2
Institut für Technologietransfer (FITT) ..................................... 81
5.2.3
Kooperationsstelle Hochschule und Arbeitswelt (KHA) ........... 82
5.2.4
Zentrale für Produktivität und Technologie e.V. (ZPT)............. 83
5.2.5
Universitäre Institute ................................................................ 84
5.2.6
IHK Saarland ........................................................................... 86
5.2.7
Firmendatenbank des Ministeriums für Wirtschaft ................... 88
5.2.8
Zusammenführung................................................................... 89
5.3
Implikation: Steigerung der Kooperationseffektivität? ...................... 92
5.4
Zwischenfazit ................................................................................... 93
6 Fazit ......................................................................................................... 95
6.1
Lernnotwendigkeiten ........................................................................ 95
6.2
Handlungsempfehlungen ................................................................. 97
6.3
Umsetzungen ................................................................................. 100
6.4
Ausblick.......................................................................................... 101
[email protected]
Problemstellung und Zielsetzung
5
1 Problemstellung und Zielsetzung
In der Dienstleistungsgesellschaft stellt der Servicegedanke einen der zentralen Ansatzpunkte aktueller und zukünftiger Strategien dar (vgl. z.B. Bruhn
2001; Corsten 2001). Dies gilt im besonderen in den Sektoren Handel, Banken und Versicherungen aufgrund der hier stark ausgeprägten Kundenorientierung und der großen Konkurrenzdichte des Sektors.
Die Beschäftigung mit Themen aus dem Servicebereich ist aktuell breitgefächert zu beobachten: So umfaßt allein die Liste lieferbarer Bücher, die sich
diesem Thema explizit vom Titel her widmen, aktuell knapp 630 Titel, wie eine Recherche bei Anbietern wie www.amazon.de nach dem Oberbegriff „Service“ zeigt. Vor allem Unternehmensberatungen und Softwareanbieter setzen
auf die Verbesserung ihrer Servicequalität: Letztlich hat die Verbreitung des
Internets zu dem Anspruch geführt, Dienstleistungen zu jeder Zeit und an jedem Ort zu konsumieren.
Auch das Saarland beschäftigt sich massiv mit dem Servicegedanken: Auf
dem Weg zum „Informatikland Saarland“ und über eine „Innovationsstrategie
für das Saarland“ wurde und wird eine Regionalstrukturstrategie verfolgt, die
sich gerade durch die Bereitstellung vielfältiger Service- und Intermediationsfunktionen auszeichnet. So initiieren Akteure wie zum Beispiel die Landesregierung des Saarlandes, die IHK, die Arbeitskammer oder die Gewerkschaften eine Vielzahl von Arbeitsprojekten, teilweise unter wissenschaftlicher Begleitung der Universität des Saarlandes. In diesem Zusammenhang nimmt die
Ausbildung im Sektor Handel, Banken und Versicherungen einen immer höheren Stellenwert als Zukunftsmotor für die Serviceorientierung ein.
Gerade dort hat sich herauskristallisiert, daß die Etablierung einer zukunftsfähigen Service-Infrastruktur bereits bei der Ausbildung des Personals beginnt,
das diese Infrastruktur später mit wertschöpfenden Aktivitäten ausfüllen wird.
Ein entsprechendes Leitbild entwarf die Studie „Szenario 2007 – Neue Be-
6
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
rufsbilder und Qualifikationen für Banken, Handelsunternehmen und Versicherungen“ (vgl. Scholz/Herz 1998), die in Zusammenarbeit mit der Arbeitskammer des Saarlandes, der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen sowie der Kooperationsstelle für Arbeitswelt und Hochschulen durch
das Institut für Managementkompetenz (imk) an der Universität des Saarlandes durchgeführt wurde. Aus dieser Studie ergab sich die Notwendigkeit einer Zukunftsorientierung im Dienstleistungssektor.
Insbesondere läßt sich aus dieser Studie ein zentraler Kerngedanke ableiten,
der zu einer Weiterführung des Projekts führte, nämlich der integrative Aspekt
einer Ausbildung im Servicebereich.
¹
Da alle drei Branchen Versicherungen, Banken und Handel mit
Service zu tun haben, warum kann es hier in der Ausbildung
nicht standardisierte Servicemodule geben, die von allen Auszubildenden gleichmäßig gelernt werden, ergänzt um eine branchenspezifische Vertiefung?
Eine solche modularisierte Ausbildung setzt die Bereitstellung, Vermittlung
und Akzeptanz konkreter Inhalte und somit die Kooperation von mehreren
Beteiligten voraus. Zudem stellt eine Standardisierung an Ausbildungsleistungen einige grundlegende Bedingungen:
–
Die Serviceausbildung ist aktuellen Marktanforderungen anzupassen.
–
Die Ausbildung ist effektiv und effizient zu gestalten.
–
Die Ausbildung ist weitgehend zu flexibilisieren.
Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, schematische Anforderungen an die
serviceorientierte Berufsausbildung vorzugeben und diese in der Bildungslandschaft mit ihren gegebenen Strukturen umzusetzen.
Hieran hat nicht nur die Forschung ein vitales Interesse: Auch die Gewerkschaften müssen daran interessiert sein, sich bereits in der Phase der Ausbildung möglicher Mitglieder intensiv zu engagieren. Dies tut in diesem Projekt
die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, die seit der Fusion
[email protected]
Problemstellung und Zielsetzung
7
mit weiteren Gewerkschaften 2001 zur Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in dieser aufgegangen ist, durch ihre inhaltliche und finanzielle
Beteiligung. Die Gewerkschaft arbeitet so an tragfähigen Zukunftsentwürfen
für ihre Mitglieder mit und weist nicht zuletzt durch solche Aktivitäten ihre Existenzberechtigung immer wieder neu nach.
Hinsichtlich einer Verbesserung der Standortqualität und der auch in der Zukunft tragfähigen Ausgestaltung von Arbeitsbeziehungen im Saarland hat sich
auch die Arbeitskammer des Saarlandes an der vorliegenden Studie beteiligt.
Sie fokussiert insbesondere auf die Beschäftigungspolitik und die Regionalentwicklung – beides Themen, die im Mittelpunkt dieser Studie stehen.
Gemeinsam mit der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, der
Arbeitskammer des Saarlandes sowie der Kooperationsstelle Hochschule
und Arbeitswelt an der Universität des Saarlandes führt das Institut für Managementkompetenz (imk) an der Universität des Saarlandes die vorliegende
Studie „Servicekaufmann/Servicekauffrau: Ein Beruf der Zukunft in der
Dienstleistungsgesellschaft“ durch.
Dieses Forschungsprojekt sollte untersuchen, inwieweit die Verschmelzung
der Berufe Bankkaufmann/Bankkauffrau, Einzelhandelskaufmann/Einzelhandelskauffrau sowie Versicherungskaufmann/Versicherungskauffrau zu
einem übergreifenden Berufsbild „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ heute
bereits durchführbar ist und wo letztlich die Schwierigkeiten einer Realisierung auftreten könnten. Langfristiges Ziel ist es, dazu beizutragen, die drei
Berufsbilder gegebenenfalls durch den modular konzipierten Ausbildungsberuf „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ zu ersetzen, der sich gleichsam an der
Servicekompetenz wie an den Kernkompetenzen der einzelnen Branchen
orientiert.
Damit betrifft das Projektziel die Beantwortung von drei Fragestellungen:
1. Läßt sich das Berufsbild „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ modular zwischen Unternehmen verschiedener Branchen in einem Praxisversuch realisieren?
8
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
2. Läßt sich das Berufsbild „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ modular zwischen Berufsschulen verschiedener Branchen in einem Praxisversuch realisieren?
3. Läßt sich für das Berufsbild „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ und dessen Gestaltung von den Kooperationsstrukturen, die im Saarland bestehen, etwas lernen?
Das Projekt besteht aus drei Teilprojekten:
–
Teilprojekt I: Qualifikation 2007 im Unternehmen
–
Teilprojekt II: Qualifikation 2007 in der Berufsschule
–
Teilprojekt III: Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor
Zielsetzung der ersten beiden Teilprojekte ist es, das neue Berufsbild „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ modellhaft für die Praxisanwendung zu konzipieren und zu realisieren. Die Auszubildenden sollen in erster Linie in die Lage versetzt werden, vernetzt zu denken und dies in ihrem Berufsleben umzusetzen. Hierzu ist die Unterstützung durch die ausbildenden Unternehmen
sowie die Berufsschulen unumgänglich. Vernetztes Denken ist aber auch der
erste Schritt, um offen zu sein für Kooperationen – und hier betrachtet der
dritte Bereich, inwieweit dies im Saarland bereits geschieht.
Abbildung 1 zeigt das aus der Zielsetzung abgeleitete Design der
Realisationsstudie: Ausgehend von den theoretischen Vorarbeiten aus
“Qualifikation
2007”
ergibt
sich
das
Projekt
„Servicekauf-
mann/Servicekauffrau“, das auf der Unternehmens-, Berufsschul- und der
Kooperationsebene umgesetzt wird.
[email protected]
Problemstellung und Zielsetzung
Projektion
“Qualifikation 2007”
9
Analyse heutiger
Berufsbilder
Teilprojekt I:
Qualifizierung 2007
in Unternehmen
Teilprojekt II:
Qualifizierung 2007
in der Berufsschule
Teilprojekt III:
Kooperationen als
Regionalentwicklungsmotor
Servicekaufmann/Servicekauffrau
als innovatives, zukunftsfähiges Berufsbild
Abbildung 1: Projektdesign
[email protected]
Theoretische Gundlagen
11
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Bedeutung der Dienstleistung
Dienstleistungen dienen wie Sachgüter der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Im Unterschied zu den Sachgütern lassen sich Dienstleistungen jedoch
nicht lagern. Die Produktion und der Verbrauch von Dienstleistungen fallen
zeitlich zusammen. Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung erfaßt Dienstleistungen neben den Sektoren Land- und Forstwirtschaft und warenproduzierendes Gewerbe als dritten Wirtschaftsbereich (tertiärer Sektor). Hierzu zählen
unter anderem Handel und Verkehr, private Dienstleistungen (z.B. Banken,
Versicherungen, Beherbergungsgewerbe) sowie die öffentliche Verwaltung.
Die hohe Bedeutung des Dienstleistungssektors ist zu Beginn des neuen
Jahrtausends unbestritten. Der Anteil von Dienstleistungen am Bruttoinlandsprodukt Deutschlands beträgt in den vergangenen Jahren in etwa 60%. Trotz
Stagnation und teilweise gesättigten Märkten weisen die Prognosen im europäischen Bereich eine dynamische Entwicklung der meisten Dienstleistungsbranchen auf. Aufgrund der Entwicklungen auf dem Gebiet der Kommunikationstechnik und Informationsverarbeitung kommt es zu grenzüberschreitenden Wettbewerbsformen und einer Erosion ursprünglicher Branchengrenzen,
was beispielsweise besonders charakteristisch für die Finanzdienstleistungsmärkte ist.
Eine fehlende umfassende Theorie der marktorientierten Führung von Dienstleistungsunternehmen gilt als Defizit, das nicht zuletzt auf die hohe Komplexität und Heterogenität des Untersuchungsgegenstandes „Dienstleistung“ zurückzuführen ist. So werden etwa die automatisierten Bankleistungen ebenso
den Dienstleistungen zugerechnet wie in einem persönlichen Kundenkontakt
erbrachte Leistungen einer Unternehmensberatung (vgl. Meffert 1994, 306).
Der Dienstleistungssektor ist eine der größten Wachstumsbranchen der Zukunft. Bereits heute verlangt der Kunde zunehmend mehr Serviceleistungen
von einem Unternehmen. Bei stetig steigender Konkurrenz auf den einzelnen
12
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
Märkten hat man erkannt, daß Service- und Kundenorientierung eine der
wichtigsten Kernkompetenzen der Zukunft sein werden.
2.2 Sollqualifikationen: Qualifikation 2007
Die im Jahr 1998 abgeschlossene Studie des imk „Qualifikationen 2007:
Neue Berufsbilder für Banken, Handelsunternehmen und Versicherungen“
(Scholz/Herz 1998) leitet systematisch Anforderungen für zukünftige Arbeitnehmer in Dienstleistungsunternehmen her und spezifiziert die in einer Ausbildung notwendigerweise zu erwerbenden Grundlagen. Sie resultiert in einem Szenario, wohin sich die Ausbildung für die Dienstleistungsbranchen in
den nächsten Jahren inhaltlich entwickeln wird.
Europäische Integration, Globalisierung und Technisierung in allen Branchen
sowie weitere Faktoren führen in der Studie zu dem Schluß, daß ein Arbeitnehmer im Jahr 2007 mit zehn Soll-Qualifikationen ausgestattet sein muß
(Abbildung 2).
[email protected]
Theoretische Gundlagen
13
1. Technisierung
6. Intelligente Organisation
Der weitgehend transparente Markt
und die überwiegend medialisierte
Gesellschaft 2007 verlangen von Banken,
Handelsunternehmen und Versicherungen,
über alle potentiellen Kundenschnittstellen
zu verfügen, um die denkbaren Kontaktformen
mit dem Kunden realisieren zu können.
2007 ist die Halbwertzeit
des Wissens so radikal gesunken,
daß lediglich die Banken,
Handelsunternehmen und Versicherungen
im Markt erfolgreich sein werden,
die ihre Wissensbasis permanent
aktualisieren und weiterentwickeln.
Grundannahmen
2. Globalisierung
7. Berufsbildpolarisierung
Im vollständig globalisierten
Wettbewerb 2007 bestehen
Banken, Handelsunternehmen und
Versicherungen nur dann, wenn
sie einen entscheidenden Knotenpunkt
in einem regionalen Netz besetzen.
2007 werden in Banken,
Handelsunternehmen und Versicherungen
zwei Gruppen von Mitarbeitern
beschäftigt sein:
hoch spezialisierte Experten
und Generalisten.
3. Wertschöpfungsprimat
8. Gruppenintrapreneurship
Gearbeitet wird 2007 in
Banken, Handelsunternehmen
und Versicherungen
nur noch dann,
wenn Wertschöpfung stattfindet,
und dort, wo Wertschöpfung stattfindet.
Der zentrale Ansatzpunkt
im Arbeitsleben 2007 in Banken,
Handelsunternehmen und Versicherungen
ist die Gruppe, gesehen als
kernkompetenzkonzentriertes und
strategieorientiertes
autonomes Wertschöpfungscenter.
Konsequenz
Finalität
4. Kundennutzenorientierung
9. Persönliche Individualisierung
Banken, Handelsunternehmen und
Versicherungen, in denen nicht
ausnahmslos jeder an der
Dienstleistungserstellung Beteiligte
den Kundennutzen als oberste Maxime hat,
werden bis 2007 aus dem Markt katapultiert.
2007 werden sich Banken,
Handelsunternehmen und Versicherungen
aufgrund des zu nehmenden
Kostendrucks eine betriebliche
Individualisierung ihrer Mitarbeiter nicht
mehr leisten können; deren persönliche
Individualisierung kann daher nur noch über
deren Arbeit selbst erfolgen.
5. Flexibilisierung
10. Grenzenlosigkeit und Virtualisierung
2007 ist Flexibilität für Banken,
Handelsunternehmen und Versicherungen
die notwendige Bedingung
für eine erfolgreiche Bewältigung der
Umweltvarietät.
Banken, Handelsunternehmen und
Versicherungen 2007 nutzen
bewußt die Situation der Grenzenlosigkeit
durch wechselseitigen akultativen Zugriff
auf die Ressourcen der anderen.
Instrumentalität
Ausblick
Abbildung 2: Zehn Sollqualifikationen für Dienstleistungsberufe (Scholz/Herz 1998, 134)
14
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
Diese zehn Soll-Qualifikationen wurden zunächst kurz konkretisiert:
1.
Technisierung:
Noch mehr als schon im heutigen Arbeitsalltag wird ein selbstverständlicher
und sicherer Umgang mit aktuellen und zukünftigen technischen Möglichkeiten wie Internet, e-mail und anderen zukunftsorientierten Technologien von
Mitarbeitern erwartet werden. Der Kunde muß den Eindruck haben, von dem
Mitarbeiter kompetent beraten zu werden, wobei dessen Sicherheit im Umgang mit den technischen Hilfsmitteln eine große Rolle beigemessen wird.
Technologieaufgeschlossenheit und Geistesflexibilität rücken immer mehr in
den Vordergrund einer modernen Gesellschaft. Für die bestehenden Bildungssysteme erfordert dies eine höhere Technikorientierung in der Ausbildung an Schulen und innerhalb der Betriebe.
2.
Globalisierung:
Die zunehmende Globalisierung in allen Sektoren der Wirtschaft wird neue
Anforderungen an die Arbeitnehmer stellen. Zu diesen neuen Anforderungen
zählen unter anderem fundierte Sprachkenntnisse sowie interkulturelle Kompetenz. Die Unternehmen und ihre Mitarbeiter müssen sich zu diesem Zwecke sowohl mittels Sprache als auch durch Kulturverständnis flexibel und
kundennah präsentieren.
3.
Wertschöpfungsprimat:
Mehr denn je wird in Zukunft die Leistungsorientierung und Kernkompetenzausrichtung der Arbeitnehmer an Bedeutung gewinnen. Der Mitarbeiter muß
sich bewußt machen, daß er durch seine persönliche Leistungserstellung ein
tragender Bestandteil der Wertschöpfung im Unternehmen ist. Durch Erkennen des gesamtwirtschaftlichen Zusammenhangs kann sich jeder einzelne
seine Bedeutung im Unternehmen bewußt machen. Die verkäuferischen Fähigkeiten wie etwa kundenbedarfsgerechte Abschlußsicherheit werden mehr
und mehr an Wichtigkeit gewinnen, um die Wertschöpfungskette zu optimieren.
[email protected]
4.
Theoretische Gundlagen
15
Kundennutzenorientierung:
Kundenorientierung muß als oberstes Gebot verinnerlicht werden. Das Erkennen der Ziele und Bedürfnisse von Kunden spielt hierbei die ausschlaggebende Rolle, da so die Effektivität und Effizienz der Kundenbeziehung gesteigert werden können: Nur wenn ein Kunde seinen Nutzen aus einem Geschäft erkennt, wird er es tätigen. Sicheres Auftreten und eine Interpretation
der Körpersprache erleichtern mit rhetorischer Geschicklichkeit die Gesprächsführung und auch -dauer, wobei die Optimierung der Kundeninteressen im Mittelpunkt steht.
5.
Flexibilisierung:
Die Unternehmen und Mitarbeiter müssen sich aus den veralteten und zum
Teil überholten Strukturen von festen Arbeitszeiten, örtlich gebundenen Arbeitsplätzen, festen Entgeltsystemen oder langfristigen Arbeitsverträgen lösen. Die dazu notwendige Flexibilität muß bereits in der Ausbildung erlernt
und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden.
Ist dies hingegen nicht der Fall, kann es zu Unsicherheit im Umgang mit Veränderungen im Arbeitsumfeld kommen und als Reaktion darauf zu Frustrationen.
6.
Intelligente Organisation:
Eine Organisation wird dann zur intelligenten Organisation, wenn sie sich auf
diejenigen Wissenselemente in der Wertschöpfungskette konzentriert, in denen sie „the best“ in einem gegebenen Umfeld ist oder sein kann (Kernkompetenzorientierung). Das zur Verfügung stehende Wissen soll nicht nur erweitert werden, sondern zielgerichtet optimiert und an geänderte Umweltsituationen angepaßt werden. Die Unternehmen der Zukunft werden noch stärker
durch Komplexität und Dynamik geprägt sein, als dies heute schon der Fall
ist. Deshalb muß der Mitarbeiter eine gewisse Sensibilität entwickeln, um
Veränderungen innerhalb des Teams, der Märkte und seiner Umwelt erkennen zu können.
16
7.
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
Berufsbildpolarisierung:
Das zukünftige Unternehmen muß erkennen, daß eine Unterteilung der Arbeitnehmer in Spezialisten und Generalisten unumgänglich ist. Ein Unternehmen braucht ein breit gefächertes Mitarbeiterspektrum: Einige Mitarbeiter
benötigen den Überblick über den Gesamtzusammenhang, andere jedoch
müssen nicht zwingend alle Aufgaben im Unternehmen bewältigen. Daher
müssen bereits in der Ausbildung verschiedene Möglichkeiten parallel nebeneinander existieren. Denkbar ist, daß dies beispielsweise durch eine verkürzte generelle Basisausbildung mit anschließender Wahl zwischen einem
generellen oder einem speziellen Zweig realisiert werden kann. Dazu müssen
für eine an Kernkompetenzen orientierte Ausbildung die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, zudem müssen Anreize zu selbständigem Wissenserwerb
generiert werden.
8.
Gruppenintrapreneurship:
Bereits heute ist absehbar, daß Unternehmen in der Zukunft ihre Kunden
stärker segmentieren und in Kategorien und Key Accounts unterteilen müssen. Parallel dazu muß es zur Ausbildung von Teamstrukturen kommen, die
einen gewissen Autonomiespielraum besitzen. Die Unternehmen können diese Entwicklung fördern beziehungsweise beschleunigen, indem sie Aufgabeninhalte so definieren, daß sie nicht mehr von Einzelnen, sondern von
Teams erledigt werden müssen. Diese müssen in ihren Anforderungen einerseits klar voneinander getrennt agieren, andererseits müssen sie aber
Schnittpunkte und Gemeinsamkeiten zur Zusammenarbeit untereinander suchen. Daraus folgt, daß der Teamfähigkeit der einzelnen Mitarbeiter eine große Bedeutung zukommt und sich eine Teamkultur entwickeln muß. Förderlich
ist in dem Zusammenhang die Verankerung von sozialer Kompetenz als
Lernziel bereits in der Ausbildung.
9.
Persönliche Individualisierung:
Der Wertewandel in der Gesellschaft führt zu einer immer stärkeren Individualisierung. Eigenverantwortung erstreckt sich auch auf die individuelle Per-
[email protected]
Theoretische Gundlagen
17
sonalentwicklung, die zwar vom Personalentwickler inspiriert werden kann,
aber dennoch Initiative vom einzelnen Mitarbeiter erfordert. Die Auszubildenden müssen bereits während ihrer Ausbildung Karrieremanagement für ihren
eigenen Berufsweg erlernen. Des weiteren muß die Vorstellung von dem,
was Karriere überhaupt bedeutet, geprägt werden. Man darf sich nicht auf
Aufstiegsautomatismen verlassen, sondern muß auch bereit sein, eigenverantwortlich seine Karriere zu planen und Verantwortung zu übernehmen. Diese Eigenschaften bilden einen wesentlichen Bestandteil der persönlichen Individualisierung, die sich nicht nur auf den beruflichen Alltag beschränkt, sondern in hohem Maße im privaten Umfeld erworben wird.
10.
Grenzenlosigkeit und Virtualisierung:
Grenzenlosigkeit und Virtualisierung wirken sich auch auf die Qualifikation
von Auszubildenden aus und fordern eine stärkere Selbstorganisation. Die
Auszubildenden müssen dahingehend trainiert werden, daß sie ihre Arbeit
selbständig organisieren und ihre Bearbeitungsprozesse selbst gestalten lernen. Im virtuellen Raum erhöht sich der Freiheitsgrad, was automatisch zu
einer Erhöhung der Fehlerquellen führt, die durch ein Fehlermanagement
wiederum reduziert werden könnten. Schnittstellen zu anderen Unternehmensbereichen spielen hier eine wichtige Rolle, da auch der Umgang mit der
Konkurrenz ein Lernprozeß ist.
Diese Sollqualifikationen sind unmittelbar servicerelevant. Sie zu verstehen
ist die erste Voraussetzung für ihre Vermittlung an Auszubildende in Serviceberufen. Dennoch ist es allein mit dem Verständnis dieser Inhalte nicht getan:
Sie müssen in konkrete Lernmodule umgesetzt werden, die innerhalb einer
halb- oder eintägigen Lehreinheit vermittelbar sind. Zudem ist der organisatorische Rahmen für diese Vermittlung zu schaffen.
Damit sind die Verantwortlichen für die Gestaltung zukunftsfähiger Qualifizierungssysteme im Dienstleistungsgewerbe – die Arbeitgeber, Arbeitnehmer,
Gewerkschaften, Unternehmensverbände und Unternehmen – insgesamt
angesprochen. Sie tragen letztlich nicht nur inhaltlich, sondern auch durch die
organisatorische und psychologische Unterstützung der neuen Lerninhalte
18
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
und der mit ihnen verbundenen neuen Lernformen zum Wandel in der Berufsausbildung im Servicebereich bei.
¹
Eine organisatorische Schwierigkeit besteht darin, den zeitlichen
Rahmen und die strukturellen Ansatzpunkte für anstehende Veränderungen zu finden: Hier bietet es sich an, den „ersten Schritt“
mutig anzugehen, um für veraltete Entwicklungen die für notwendig gehaltenen institutionellen Veränderungen anzustoßen.
2.3 Istqualifikationen: Berufsbilder
Durch die permanenten marktlichen und technischen Veränderungen am Arbeitsplatz sowie in der Arbeitswelt insgesamt und da die „Haltbarkeit von
Wissen“ immer weiter sinkt, gibt es keine konstante Definition eines „erforderlichen Wissens“ mehr. In der Konsequenz sind geänderte Qualifikationen erforderlich, die schon während der Ausbildung entwickelt werden müssen.
Nicht nur die Qualifikationen der Mitarbeiter, sondern auch die Qualifikationsvoraussetzungen der Auszubildenden sind damit betroffen.
Ein Berufsbild beschreibt einen Beruf, die zu seiner Ausübung notwendigen
Fähigkeiten und die dazugehörige Ausbildung sowie die in ihm möglichen
Aufstiegsmöglichkeiten. In Deutschland erkennt der Bundesminister für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung Ausbildungsberufe staatlich an und erläßt für diese Ausbildungsordnungen. Sie beschreiben Dauer und Inhalt der Ausbildung und sind somit
Grundlage des Ausbildungsvertrages, der die Modalitäten der Ausbildung
regelt, und des Ausbildungsplans, der den Gang der Ausbildung detailliert
beschreibt.
Allgemein ist ein Konzentrationsprozeß in der dualen Berufsausbildung festzustellen: Seit Inkrafttreten des Berufsbildungsgesetzes im Jahr 1969 wurden
fast 300 Ausbildungsberufe neu geordnet, abgeschafft, reformiert oder neu
geschaffen (vgl. Kreissparkasse Tübingen 1998). 1997 gab es 356 Ausbil-
[email protected]
Theoretische Gundlagen
19
dungsordnungen, davon 72 kaufmännische und Dienstleistungsberufe sowie
284 gewerblich-technische Berufe (Abbildung 3).
Abbildung 3: (vgl. Kreissparkasse Tübingen 1998)
Die Ausbildungsberufe Bankkaufmann/Bankkauffrau, Versicherungskaufmann/Versicherungskauffrau, sowie Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel
werden in Deutschland staatlich anerkannt (§1 Verordnung über die Berufsausbildung) und erstrecken sich über einen Zeitraum von 3 Jahren, wobei
eine Verkürzung auf 2,5 Jahre bei Realschülern beziehungsweise 2 Jahre bei
Abiturienten vorgenommen werden kann. Gegenstand der Berufsausbildung
sind der Erwerb von Fertigkeiten und Kenntnissen von/über (§3 Verordnung
über die Berufsausbildung):
–
das ausbildende Unternehmen und seine Struktur, beziehungsweise Aufgliederung der einzelnen Abteilungen und deren Aufgaben,
–
Markt- und Kundenorientierung sowie
–
Rechnungswesen und Steuerung.
Diese Fertigkeiten und Kenntnisse sollen so vermittelt werden, daß der Auszubildende zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit befähigt
wird, die insbesondere selbständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren
einschließen.
20
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
Der Auszubildende ist verpflichtet, ein Berichtsheft zu führen, das er während
der Arbeitszeit schreiben darf. Der Ausbildungsrahmenplan ist gesetzlich vorgegeben. Der Ausbildungsbetrieb muß dafür Sorge tragen, daß der Auszubildende möglichst viele Abteilungen durchläuft, um alle Fertigkeiten und
Kenntnisse in der Praxis zu erlernen. Allerdings hat der Auszubildende selbst
darauf zu achten, daß die zu erreichenden Ziele auch erreicht werden, d.h.
daß die einzelnen Unterpunkte der Gliederung erarbeitet werden müssen. Die
Fertigkeiten, Kenntnisse und Lernziele sind während der gesamten Ausbildungszeit zu vermitteln.
Um den Wissensstand der erlangten Fertigkeiten und Kenntnisse ermitteln zu
können, muß sich der Auszubildende in der Mitte des zweiten Ausbildungsjahres einer Zwischenprüfung unterziehen, die dem entsprechenden Beruf
angepaßt wird. Das Gleiche gilt für die Abschlußprüfung, allerdings ist hier
der Umfang weitreichender und umfaßt sämtliche in der Verordnung über die
Berufsausbildung des jeweiligen Berufes aufgeführten Fertigkeiten und
Kenntnisse:
•
Die Abschlußprüfung für den Bankkaufmann/die Bankkauffrau (vgl. VOBk 1997) erstreckt sich auf die im Ausbildungsrahmenplan aufgeführten
Fertigkeiten und Kenntnisse sowie auf den im Berufsschulunterricht vermittelten Lehrstoff, soweit er für die Berufsausbildung wesentlich ist. Die
Prüfung ist in den Teilbereichen Bankwirtschaft (180 Minuten: Kontoführung, Zahlungsverkehr, Geld- und Vermögensanlage, Kreditgeschäft),
Rechnungswesen und Steuerung (90 Minuten: praxisbezogene Fälle analysieren und bearbeiten, und dabei Zusammenhänge von Rechnungswesen und Steuerung verstehen) sowie Wirtschafts- und Sozialkunde (90
Minuten: Arbeits- und sozialrechtliche Rahmenbedingungen, Personalwesen und Berufsbildung, Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik) schriftlich und im Prüfungsfach Kundenberatung (20 Minuten) mündlich durchzuführen.
•
Die Abschlußprüfung für den Versicherungskaufmann/die Versicherungskauffrau (vgl. VO-Vers 1996) erstreckt sich auf die im Ausbildungsrah-
[email protected]
Theoretische Gundlagen
21
menplan aufgeführten Fertigkeiten und Kenntnisse sowie auf den im Berufsschulunterricht vermittelten Lehrstoff, soweit er für die Berufsausbildung wesentlich ist. Die Prüfung ist in den Bereichen Arbeitsorganisation
und Rechnungswesen (90 Minuten: Der Auszubildende soll bei den praxisbezogenen Fällen zeigen, daß er die Sachgebiete versteht, Aufgaben
analysieren, Lösungsmöglichkeiten entwickeln und darstellen kann), Organisation der Versicherungswirtschaft, Leistungserstellung, Vertrieb und
Märkte und Versicherungsprodukte für Privatkunden (insgesamt 180 Minuten), Wirtschafts- und Sozialkunde (90 Minuten: Arbeitsrecht und soziale Sicherheiten, Personalwirtschaft und Berufsbildung, Wirtschaftsordnung und -politik, unternehmerisches Handeln) schriftlich und im Prüfungsfach Kundenberatung (20 Minuten) mündlich durchzuführen.
•
Die Abschlußprüfung für den Kaufmann/die Kauffrau im Einzelhandel (vgl.
VO-Eh 1987) erstreckt sich auf die im Ausbildungsrahmenplan aufgeführten Fertigkeiten und Kenntnisse sowie auf den im Berufsschulunterricht
vermittelten Lehrstoff, soweit er für die Berufsausbildung wesentlich ist.
Die Prüfung ist in den Prüfungsfächern Einzelhandelsbetriebslehre (120
Minuten: Betrieb, Beschaffung, Lagerung, Rechnungswesen, Warenwirtschaft), Waren und Verkauf (120 Minuten: Werbung und Verkaufsförderung, Warensortimente, Beratung und Verkauf), Wirtschafts- und Sozialkunde (90 Minuten: praxisbezogene Fälle oder Aufgaben aus der Berufsund Arbeitswelt bearbeiten und dabei zeigen, daß allgemeine wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge der Berufs- und Arbeitswelt
dargestellt und beurteilt werden können) in schriftlicher Form durchzuführen. Die mündliche Prüfung sollte nicht länger als 30 Minuten dauern und
ist in Form eines Prüfungsgespräches durchzuführen. Der Prüfling soll unter Berücksichtigung der warengruppenspezifischen Besonderheiten aufgrund ihm mit angemessener Vorbereitungszeit gestellter Aufgaben zeigen, daß er betriebspraktische Vorgänge und Problemstellungen bearbeiten kann.
Anhand dieser kurzen Aufschlüsselung ist klar zu erkennen, daß der Schwerpunkt in allen drei Prüfungen in zwei Abschnitten auf die berufsspezifischen
22
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
Kenntnisse abzielt, ein allgemeinbildender Teil zu Wirtschafts- und Sozialkunde enthalten ist und die Serviceorientierung in die mündliche Prüfung in
Form eines Kundenberatungsgespräches integriert ist, wobei immer noch vor
allem die vermittelte Fachtheorie als Basis dient.
Dennoch stellen die Berufsbilder bereits heute auch neben der Fachkompetenz auf serviceorientierte Inhalte ab (Übersicht 1):
Methodenkompetenz
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Personale
•
Kompetenzen •
•
•
•
•
Sozialkompetenz
Bankfachliches Wissen für Laien verstehbar wiedergeben können
Strategie und Technik der Gesprächsführung
Beratungstechnik/-geschick
Fähigkeit zur Kundeneinschätzung
Informationsbeschaffung und -auswertung
Fähig sein, die "mir" angemessenen Gesprächs- und Verhandlungsstrategien auszuwählen
Grenzen der eigenen Kompetenz erkennen, Spezialisten einsetzen
Sich in den Kunden hineinversetzen können
Menschenkenntnis, Bedürfnisse erkennen und einschätzen können
Die Perspektive des anderen einnehmen können
Auf Menschen zugehen können
Vertrauen gewinnen können
Offenheit, Fairness, Dienstleistungsbereitschaft
Kundenorientiert beraten und verhandeln können
Problemlösungsfähigkeit, Flexibilität, Kreativität, Fantasie
Unvereinbare Anforderungen situativ ausbalancieren können
Ich-Stärke und moralische Integrität
Konfliktfähigkeit
Teamfähigkeit
Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit
Übersicht 1: Serviceorientierte Inhalte der Bankberufsausbildung (Bankazubis.de 2001)
Die zeitliche Gliederung der Ausbildung zum Bankkaufmann/zur Bankkauffrau (Übersicht 2) zeigt dies ebenfalls auf: Theoretische Kenntnisse werden
am Ende vor allem zu den Berufsspezifika vorausgesetzt, und diese Schwerpunkte lassen sich auch im praktischen Teil erkennen. Allerdings scheint die
umfangreiche Service-Komponente eher im Rahmen eines „beiläufigen Lernens“ vermittelt werden zu sollen.
[email protected]
Theoretische Gundlagen
23
1. Ausbildungsjahr
Abschnitt 1
Grundausbildung (2-4 Monate), Kontoführung, Markt- und Kundenorientierung, Rechnungswesen, Stellung, Rechtsform und Organisation in
Verbindung mit Personalwesen und Berufsbild, Lernziele, Sicherheit und
Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Umweltschutz
Abschnitt 2
Filialausbildung (2-4 Monate), nationaler Zahlungsverkehr
Abschnitt 3
Einführung in die Kundenberatung (4-6 Monate), Anlage auf Konten
2. Ausbildungsjahr
Abschnitt 1
Anlageberatung (4-6 Monate), Anlage in Wertpapieren, Steuerung
Abschnitt 2
Finanzprodukte (2-4 Monate), Anlage in anderen Finanzprodukten
Abschnitt 3
Privatkundenbereich ( 2-4 Monate), standardisierter Privatkunde
3. Ausbildungsjahr
Abschnitt1
Kreditgeschäft (2-4 Monate), Baufinanzierung, Firmenkredite, Personalwesen, Berufsbildung, Lernziele
Abschnitt 2
Außenhandel (2-4 Monate), internationaler Zahlungsverkehr
Abschnitt 3
Lücken ausbügeln (4-6 Monate), mindestens zwei der Berufsbildpositionen Kontoführung, Geld- und Vermögensanlage, Kreditgeschäft sind zu
vertiefen
Übersicht 2: Ausbildungsgliederung des Bankkaufmanns/der Bankkauffrau
(nach Ausbildungsplan zu VO-Bk 1997)
Für die zeitliche Gliederung der Versicherungskaufleute (Übersicht 3) gilt das
gleiche wie bei den Banken, auch hier sind die berufsspezifischen Schwerpunkte unschwer erkennbar.
24
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
1. Ausbildungsjahr
Abschnitt 1
Grundausbildung (2-3 Monate), Stellung, Rechtsform und Struktur, Kompetenzen der Mitarbeiter, Personalwesen und Berufsbildung, Lernziele,
Arbeitssicherheit, Umweltschutz und rationelle Energieverwendung
Abschnitt 2
(4-6 Monate), Antragsbearbeitung in Verbindung mit Versicherungsprodukten für Privatkunden
Abschnitt 3
(4-6 Monate), Vertrieb und Marketing, Lernziele, weitere Versicherungsprodukte des Ausbildungsunternehmens, weitere Finanzdienstleistungen
2. Ausbildungsjahr
Abschnitt 1
(4-6 Monate), Vertragsbearbeitung in Verbindung mit Versicherungsprodukten für Privatkunden
Abschnitt 2
(4-6 Monate), Bedeutung der Versicherungswirtschaft in der Gesamtwirtschaft, Versicherungsmärkte, Vertrieb und Marketing, Lernziele, kundenorientierte Kommunikation
Abschnitt 3
( 2-3 Monate), Produktgestaltung
3. Ausbildungsjahr
Abschnitt1
(4-6 Monate), Leistungsbearbeitung
Abschnitt 2
(3-4 Monate), Buchführung, Kostenrechnung, Planungsrechnung und
Controlling, Revision
Abschnitt 3
(2-3 Monate), Personalwirtschaft und Berufsbildung, Lernziele
Übersicht 3: Ausbildungsgliederung des Versicherungskaufmanns/
der Versicherungskkauffrau (nach Ausbildungsplan zu VO-Vers 1996)
Allerdings tritt in den drei Ausbildungsberufen immer häufiger ein Kundenwunsch nach einem Allround-Service in den Vordergrund, der sowohl den
Geldtransaktionsbereich sowie den Versicherungsschutz abdeckt als auch
Konsumschwerpunkte berücksichtigt.
„Gerade bei traditionell eher starren Berufsbildern wie dem Bankkaufmann/der Bankkauffrau und dem Versicherungskaufmann/der Versicherungskauffrau ist eine Zusammenlegung von Berufen sehr schwierig, da
sie sich in weiten Teilen überschneiden, aber im Detail sehr variieren“.
Jürgen Grandjot, Gewerkschaftssekretär für Handel-Banken-Versicherungen im Saarland, Interview am 31.08.2000.
Es gibt bereits seit 1998 das Berufsbild „Servicekaufmann/-frau im Luftverkehr“ für Berufe, die im kundennahen Bereich von Luftverkehrs-, Flughafenund Abfertigungsgesellschaften arbeiten. Jedoch ist hier die Branchengrenze
noch relativ bindend. Allerdings zeigt sich bereits der allgemeine Trend zum
berufspädagogischen Muster der Abfolge von beruflicher Grundausbildungsphase und anwendungsbezogener Spezialisierung.
[email protected]
Theoretische Gundlagen
25
Bereits vor einigen Jahren entstand in den hier untersuchten Branchen das
Berufsbild des Finanzdienstleisters, der einen Zusammenschluß der Berufe
Bankkaufmann/Bankkauffrau – Versicherungskaufmann/Versicherungskauffrau darstellt und vor allem die Vermittlung von Finanzdienstleistungen unterstützen soll. Ein wesentliches Motiv ist daher die Herstellung der Qualität der
Beratungsleistung, die – im Gegensatz zur einfachen Vertriebsleistung – von
der Erklärung der komplexen Produkte abhängig ist (vgl. IFF 1997). Auch die
1993 erfolgte Einrichtung des dualen Studiengangs der Universität Saarbrücken, Lehrstuhl für Bankbetriebslehre, bei dem man neben dem BWL-Diplom
eine Ausbildung zum Bankkaufmann erwirbt, kann als Reaktion auf die zunehmende Komplexität der Branche und die Integration von Grundlagen- mit
Spezialwissen angesehen werden, allerdings ausgerichtet auf die Zielgruppe
der Studierenden.
¹
Der Servicekaufmann/Die Servicekauffrau hingegen stellt von
der Idee her in der kaufmännischen Berufsausbildung eine branchenbezogene Erweiterung des Finanzdienstleisters (Bank plus
Versicherung) um den Einzelhandel dar. Zudem erfolgt eine inhaltliche Erweiterung der integrativen Aktivitäten aufgrund der in
allen drei Berufsbildern existierenden Serviceanforderungen.
Vor allem in der Schweiz wurden bereits entsprechende Reformschritte in der
kaufmännischen Berufsausbildung und auch in der berufsqualifizierenden
Weiterbildung vorgenommen, wobei die Absolventinnen und Absolventen der
kaufmännischen Grundausbildung grundlegendes Können und Wissen, mit
dem sie grundsätzlich im gesamten Berufsfeld produktiv tätig und einsatzfähig sind, vermittelt bekommen. Dies ist auf lebenslanges Lernen sowie auf
Flexibilität in der Wahrnehmung und Mitgestaltung von Arbeitstätigkeiten im
kaufmännischen Berufsfeld ausgerichtet. Lehrlinge übernehmen bereits nach
einigen Wochen kleinere selbständige Arbeiten im Betrieb, um Selbständigkeit zu üben. Auch der schulische Ausbildungsabschnitt ist auf Selbstorganisation im Lernen ausgerichtet. Diese Ausbildungsform soll den Auszubilden-
26
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
den eine höhere Flexibilität im Berufsfeld ermöglichen, und den Umgang mit
Fachkompetenzen, Methodenkompetenzen und Sozialkompetenzen zu erleichtern (vgl. www.berufsbildung.ch zur Reform der kaufmännischen Grundausbildung; zudem Schweizerische Kommission für Bankfachprüfungen 2001
oder das Projekt „Neue Grundausbildung Verkauf.CH“ des Bundesamtes für
Berufsbildung und Technologie).
2.4 Berufsbild-Entstehung
Die Entstehung eines neuen Berufsbildes wird vom Bundesinstitut für Berufsbildung (1998) wie folgt erläutert:
„Die durch den technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel ausgelösten Veränderungen in den Qualifikationsanforderungen an
die Beschäftigten werden in der Regel zunächst durch Weiterbildung gedeckt.
Erst wenn sich diese Veränderungen in einer hinreichenden Breite in den
Unternehmen durchgesetzt haben, werden die inhaltlichen Vorschriften
für Ausbildungs- und Studiengänge den Veränderungen angepaßt. Dabei
läßt sich über die letzten Jahrzehnte ein deutlicher Trend zur Entspezialisierung beziehungsweise Generalisierung der Ausbildung feststellen.
Nach dem Berufsbildungsgesetz werden neue Ausbildungsberufe von
Arbeitgebern und Gewerkschaften bei der Bundesregierung als Verordnungsgeber beantragt. Die Bundesregierung beauftragt sodann das Bundesinstitut für Berufsbildung, unter Hinzuziehung von Sachverständigen
aus der Praxis, das neue Berufsbild zu erarbeiten.“
Die grundlegende Idee dieser Studie, für Versicherungen, Banken und den
Handel ein einheitliches Berufsbild und damit auch eine einheitliche Ausbildung zu schaffen (Abbildung 4), könnte sich auf diese beschriebene Weise
durchsetzen lassen. Allerdings sind hierzu Informationen notwendig, ob ein
entsprechendes Vorgehen überhaupt realisierbar ist.
Theoretische Gundlagen
Handel
Handel
Banken
Versicherungen
Banken
Versicherungen
Service-Kaufmann
[email protected]
27
ServiceKaufmann
H
B
Generalist
Spezialist
V
Abbildung 4: Entwicklungsperspektive des Berufsbildes „Servicekaufmann/Servicekauffrau“
Für Deutschland wurde für die vorliegende Studie zunächst recherchiert, inwieweit die drei betroffenen Ausbildungsgänge bereits heute ähnliche inhaltliche Anforderungen verlangen.
Aus der nachstehenden Übersicht 4 ist zu erkennen, in welchen Teilbereichen es bei den einzelnen Berufsbildern zu Überschneidungen kommt. Hierbei steht „+“ für einen vorgesehenen Ausbildungsinhalt und „–“ für einen nicht
explizit vorgesehenen. Diese Übersicht wurde durch das Zusammenfügen der
Lehrbestandteile der Ausbildung mit Hilfe der Broschüren von Bertelsmann
erstellt, mit dem Ziel, Übereinstimmungen herauszukristallisieren und somit
eine entsprechende Grundlage für die Ausbildung zum Servicekaufmann/zur
Servicekauffrau zu erlangen.
28
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
Das ausbildende Unternehmen:
•
Stellung, Rechtsform, Organisation
•
Personalwesen und Berufsbild
•
Information- und Kommunikationssysteme
•
Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz
•
Umweltschutz und rationelle Energieverwendung
•
Kompetenz der Mitarbeiter
•
Arbeitsorganisation
•
Warenwirtschaft
•
Struktur des Einzelhandels
Markt- und Kundenorientierung, Vertrieb:
•
Kundenorientierte Kommunikation
•
Marketing und Vertrieb
•
Verbraucher- und Datenschutz/Datensicherheit
•
Bed. der Branchenwirt. in der Gesamtwirtschaft
Kontoführung und Zahlungsverkehr:
•
Kontoführung
•
Nationaler Zahlungsverkehr
•
Internationaler Zahlungsverkehr
Geld- und Vermögensanlage:
•
Anlage auf Konten
•
Anlage in Wertpapieren
•
Anlage in anderen Finanzprodukten
Kreditgeschäft:
•
Standardisierte Privatkredite
•
Baufinanzierung
•
Firmenkredite
Versicherungsmärkte und Vertrieb:
•
Versicherungsmärkte
•
Kundeninteresse
•
Produktgestaltung
Produkte und Leistungserstellung:
•
Versicherungsprodukte für Privatkunden
•
Weitere Versicherungsprodukte des Ausbildungsunternehmens
•
Antragsbearbeitung
•
Vertragsbearbeitung
•
Leistungsbearbeitung
Beschaffung:
•
Einkaufsplanung/-abwicklung
Lagerung:
•
Warenannahme/-lagerung
•
Bestandsüberwachung
Absatz:
•
Verkaufsvorbereitung/-abrechnung
•
Warensortimente
Rechnungswesen und Steuerung:
•
Buchführung
•
Kostenrechnung
•
Steuerung und Planungsrechnung
•
Revision
[email protected]
H
B
V
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
-
+
+
+
+
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+
+
-
+
+
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+
+
+
+
+
+
+
-
+
+
+
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-
+
+
+
+
-
+
+
+
-
-
-
+
+
+
-
-
+
+
+
+
+
+
-
-
+
+
-
-
+
+
-
-
+
+
-
+
+
+
-
+
+
+
+
Übersicht 4: Inhaltliche Überschneidungen in den drei Berufsbildern
[email protected]
Theoretische Gundlagen
29
Wie aus der detaillierten Aufschlüsselung zu entnehmen ist, gibt es eine Reihe von Themengebieten, die in allen drei Ausbildungsberufen parallel verlaufen und somit die Basis für das neue Service-Berufsbild bilden könnten. Auffällig ist jedoch, daß die zentralen Servicegedanken in der Ausbildung lediglich implizit auftauchen, obwohl sie eine grundlegende Voraussetzung für das
Arbeiten in einem Dienstleistungsberuf darstellen.
Um diesen Sachverhalt genauer analysieren zu können, wurde die Umsetzung in Form von Pilotprojekten nötig, wie sie die Teilprojekte I bis III dieser
Studie darstellen.
[email protected]
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“
31
3 Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“
Im ersten Teilprojekt der Umsetzung wird untersucht, inwieweit Kooperationen zwischen Unternehmen möglich und erwünscht sind, um unter Einbeziehung der Auszubildenden sowie deren Ausbildern ein neues Berufsbild im
Servicebereich zu definieren.
Das Pilotprojekt ist auf der Basis der Studie „Qualifikation 2007“ aufgebaut
und will daher grundsätzlich folgende Fragen erörtern:
•
Ist das theoretische Konzept generell in der Ausbildung in Banken, Versicherungen sowie im Einzelhandel umsetzbar?
•
Sind dem Konzept Grenzen gesetzt, und welche sind dies?
•
Wie stehen die ausbildenden Unternehmen diesem Vorhaben gegenüber?
•
Wie stehen die Auszubildenden diesem Vorhaben gegenüber?
•
Wie könnte eine langfristige Realisierung des Projektes aussehen?
Hierdurch werden das Berufsbild Servicekaufmann/Servicekauffrau ansatzweise konkretisiert und mögliche Ausbildungsinhalte festgelegt. Der Beruf
des Servicekaufmanns/der Servicekauffrau soll hier eine effiziente und effektive Verschmelzung der noch eigenständigen Berufe Einzelhandelskaufmann/Einzelhandelskauffrau, Bankkaufmann/Bankkauffrau und Versicherungskaufmann/Versicherungskauffrau aufzeigen und so eine zukunftsorientierte Umstrukturierung der Ausbildung sowohl auf inhaltlichem wie auch auf
prozessualem Gebiet ermöglichen.
3.1 Konzeption: Ausbildungsnetzwerk
Um einen arbeitsfähigen, aber gleichsam „repräsentativen“ Querschnitt aus
den beteiligten Branchen Handel, Banken und Versicherungen zu erhalten,
wurden zunächst sechs Saarbrücker Unternehmen akquiriert (Übersicht 5), je
zwei aus einer Branche, wobei eine kurzfristige Absage erfolgte. Es verblieben die folgenden fünf Unternehmen, die bereits an der Studie „Qualifikation
2007“ teilgenommen hatten:
32
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
•
Saarland Versicherungen
•
Saarbank eG
•
Deutsche Bank Saar AG
•
Globus Saarbrücken-Güdingen
•
Kaufhof AG
[email protected]
Diese Unternehmen stellten je drei Auszubildende für dieses Projekt zeitweise frei. Insgesamt nahmen 16 Auszubildende auf freiwilliger Basis an diesem
Projekt teil.
Ziel dieses Projektes ist, das Berufsbild „Servicekaufmann/-frau aufbauend auf der Studie
„Qualifikationen 2007 – Neue Berufsbilder und Qualifikationen für Banken, Handelsunternehmen und Versicherungen“ zu konkretisieren. Grundlage dafür sind zehn Schlüsselqualifikationen (näher erläutert im beiliegenden Informationsmaterial), die im Rahmen von Personalentwicklungsmaßnahmen den ausgewählten Auszubildenden in Form von Lehrveranstaltungen, Praxistagen und übergreifenden Lernpools nahegebracht werden. Eine dieser Personalentwicklungsmaßnahmen soll jeweils von einem der sich am Projekt beteiligenden Unternehmen aus den Bereichen Handel, Banken und Versicherungen übernommen werden,
so daß die insgesamt 18 Auszubildenden (je drei aus jedem Unternehmen) auch einen Tag
in Ihrem Unternehmen verbringen. Welche dieser Schlüsselqualifikationen von Ihrem Unternehmen übernommen wird, möchten wir gerne beim ersten Treffen mit Ihnen vereinbaren.
Die verbleibenden vier Schlüsselqualifikationen werden von den projektfinanzierenden Organisationen sowie von uns vermittelt.
Übersicht 5: Auszug aus dem imk-Akquisitionsanschreiben an die Unternehmen
Insgesamt wurde ein lose gekoppeltes Ausbildungsnetzwerk geschaffen, das
durch das imk organisiert wurde. Im einzelnen umfaßte die Koordination die
Kommunikation mit den Unternehmen, die Terminkoordination der einzelnen
Veranstaltungstermine mit den Unternehmen, die Erläuterung der inhaltlichen
Vorgaben der Vorstudie sowie die Rücksprache mit Dozenten.
Zudem
wurde
projektbegleitend
eine
Internetseite
(www.orga.uni-
sb.de/forschung/servicekaufmann) aufgebaut, die Interessenten einen Überblick über das Projekt ermöglichte.
[email protected]
¹
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“
33
Das Faszinierende an der Konzeption liegt in seiner zukunftsweisenden Struktur: Jedes Unternehmen bringt als Partner seine
Kernkompetenzen ein, nämlich die Inhalte, die es als bestes
vermitteln kann. Diese werden möglichst ohne bürokratischen
Zusatzaufwand zusammengeführt. Es entsteht ein Ausbildungsnetzwerk in Form einer virtuellen Struktur (Scholz 2000): eine
temporäre, projektbezogene Integration von Kernkompetenzträgern zur Erreichung eines definierten Ergebnisses.
Die bereits in Kapitel 2.1 erläuterten Module wurden hier in Kooperation mit
den Unternehmen auf praktischer Ebene umgesetzt. Die Lerninhalte wurden
in den Modulen den Auszubildenden in Form von Gruppenarbeiten, Diskussionsrunden und Spielen nähergebracht. Die Unternehmen konnten sich selbst
überlegen, wie sie ihre Inhalte präsentieren wollen. In Rücksprache mit dem
imk entstanden so zielgruppenangepaßte Lehrmodule für die einzelnen
Schlüsselqualifikationen im Dienstleistungsbereich.
Sehr wichtig war die Rückmeldung der Erfahrungen der Ausbilder sowie der
Auszubildenden nach Abschluß der Workshops. Hier ist äußerst aussagekräftiges Feedback eingegangen, das zur Bewertung des Pilotprojekts notwendig
ist.
Nachfolgend wird der behandelte Stoff und dessen Umsetzung im Modul erörtert. Übersicht 6 informiert über den zeitlichen Ablauf des Pilotprojektes
zum Servicekaufmann/zur Servicekauffrau.
34
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
25.03.1999
Eröffnungsveranstaltung
imk
(Prof. Dr. Scholz/Frau Lebro)
25.-26.03.1999
Unternehmensplanspiel PLUS-P
imk
(Dr. Stein)
12.04.1999
Gruppenintrapreneurship
Saarland Versicherungen
(Herr Christmann)
22.04.1999
Grenzenlosigkeit und Virtualisierung
Saarbank e.G.
(Frau Hartmann, Frau Baltes, Herr
Deutsch, Frau Krause, Frau Jacoby, Herr Schmid, Herr Messinger)
03.-04.05.1999
Technisierung
Kaufhof AG
(Frau Igel-Nels)
11.05.1999
Kundennutzenorientierung
Deutsche Bank Saar AG
(Frau Brose)
27.05.1999
Persönliche Individualisierung
Kooperationsstelle für Hochschule
und Arbeitswelt
(Frau Roßmanith)
07.-08.06.1999
Flexibilisierung
Globus Saarbrücken-Güdingen
(Frau Stratmann)
22.06.1999
Globalisierung
Arbeitskammer des Saarlandes
(Frau Mallok)
29.06.1999
Wertschöpfungsprimat
imk
(Prof. Dr. Scholz)
01.07.1999
Intelligente Organisation
imk
(Frau Lebro/Herr Klein)
02.07.1999
Abschlußveranstaltung
imk
(Prof. Dr. Scholz)
13.08.1999
Berufsbildpolarisierung
Gewerkschaft HBV, Landesbezirk
Saar
(Herr Grandjot)
Übersicht 6: Zeitliche Verteilung der Lehrmodule
In einem relativ kurzen Zeitraum wurde auf die zehn Schlüsselqualifikationen
für das Berufsbild eines Servicekaufmanns/einer Servicekauffrau eingegangen, und in der Gruppe wurden die wichtigsten Kernpunkte erarbeitet. Dies
war terminlich gar nicht so einfach zu koordinieren: Zwar sollten alle teilnehmenden Auszubildenden an allen Lehrmodulen teilnehmen. Allerdings durften
sich keine Überlappungen mit Berufsschulveranstaltungen ergeben, wobei
die beteiligten Auszubildenden an verschiedenen Berufsschulen mit unterschiedlichen Blockstrukturen ausgebildet werden. Daher waren Freistellungen während der Unternehmensphasen notwendig, die aber gleichzeitig das
Versäumen anderer Ausbildungsinhalte implizierten. Daß die Unternehmen
[email protected]
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“
35
trotz dieser Schwierigkeiten zur Kooperation bereit waren und konstruktiv eine Gesamtlösung finden halfen, ist um so bemerkenswerter.
¹
Die Zusammenarbeit mit den ausbildenden Unternehmen wurde
im Zeitraum Januar 1999 bis Juli 1999 erfolgreich abgeschlossen: Insgesamt 16 Auszubildende aus verschiedenen saarländischen Unternehmen der Branchen Handel, Banken und Versicherungen nahmen an den zehn „Servicekaufmann/-frau–Tagen“
(in denen jeweils eine der zehn Schlüsselqualifikationen vermittelt wurde) bei unterschiedlichen Unternehmen sowie bei Kooperationspartnern teil.
3.2 Ergebnis: Service-Lehrmodule
Die erarbeiteten und durchgeführten Service-Lehrmodule werden in der Reihenfolge ihrer Durchführung dargestellt. Zur Umsetzung wurden die Unternehmen hinsichtlich verschiedener Fragestellungen sensibilisiert:
•
Welche Service-Qualifikation kann das Unternehmen gut vermitteln?
•
Was erwartet das Unternehmen im Bereich dieser Service-Qualifikation
von den Auszubildenden?
•
Was sind thematische Konkretionen, die alle Dienstleistungsbranchen
betreffen?
Bereits in die Konzeptionierung der Lehrmodule wurde so eine Perspektivenerweiterung eingebaut. Im folgenden werden die Lösungen kurz präsentiert:
konkrete Lehrmodul-Vorschläge, die in der beschriebenen Form auch durchgeführt wurden.
3.2.1 Einführungsveranstaltung
Ziel einer Einführungsveranstaltung ist es zunächst, einen organisatorischen
Überblick über das Gesamtprojekt zu geben. Hierzu gehören Ziel und Ablauf
des Pilotprojektes, das ja nicht zuletzt durch seine Struktur für alle Beteiligten
neu ist.
36
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
Gleichzeitig lernen sich die teilnehmenden Auszubildenden gegenseitig kennen. Hierzu dient unter anderem auch ein Fragebogen zur Person, der – zusammen mit einem Paßfoto – ausgehängt wird, damit man erste Eindrücke zu
den Beteiligten sammeln kann.
Inhaltlich beginnt ein modularer Kurs sinnvollerweise mit einer Übung, die
den Gesamtzusammenhang des zu erlernenden Gebietes abdeckt (Übersicht
7). Dies ist in diesem Fall eine Unternehmenssimulation, bei der es auf Kundenorientierung gegenüber den externen Kunden sowie den internen Kunden
(dem Personal) ankommt. Ein geeignetes Unternehmensplanspiel ist hier
PLUS-P, ein „Planspiel zur Unternehmenssimulation unter besonderer Berücksichtigung des unternehmerischen Personalmanagements“, das vom imk
angeboten wird (www.orga.uni-sb.de/lehre/plusp/).
•
•
•
•
•
•
•
Realisation und Integration betriebswirtschaftlicher Grundfunktionen
Anwenden von vorgegebenen Management-Techniken
Sukzessives Aufdecken von Zusammenhängen
Umgang mit „black boxes“, mit Vernetzung, mit stochastischen Zusammenhängen, mit
Verzögerungen und Rückkopplungen
Erlernen von Arbeitsmethodiken, speziell Analysetechniken, Umgang mit der Zeit und
Arbeiten im Team
Begreifen von Personalmanagement als einem zentralen „Produktionsfaktor“, der umfassend zu realisieren ist und auf die anderen betrieblichen Aspekte abzustimmen ist
Erkennen der Bedeutung von „soft facts“ wie Unternehmenskultur und Unternehmensimage
Übersicht 7: Lernziele von PLUS-P
Als interaktives, PC-gestütztes General Management Game deckt PLUS-P
die „klassischen“ Bereiche Finanzen, Absatz, Produktion und Beschaffung
ab. Zu den Besonderheiten von PLUS-P zählt die hochgradige Vernetzung
zwischen den Unternehmensbereichen und den Spielerteams (den fiktiven
Unternehmen) untereinander. Ganzheitliches und vernetztes Denken läßt
sich leichter erlernen, wenn die Auswirkungen von Entscheidungen in vernetzten Systemen transparent werden. PLUS-P fördert das Denken in Systemzusammenhängen, weckt das Verständnis für komplexe Situationen und
bereitet auf die Zukunft vernetzter Unternehmen vor (Abbildung 5).
[email protected]
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“
37
Bestand
Bedarf
Einsatz
Führung
Beschaffung
Kosten
Entwicklung
Freisetzung
Planungsfunktion
Rohstoffe
F&E
Betriebsstoffe
Maschinen
Handelsware
Werbung
Marktforschung
Absatzprognose
Vertrieb
Preispolitik
Produktionsmengen
Finanzanlagen
Bilanz/GuV/Selbstkosten
Zahlungsverhalten
Kreditaufnahme
(c) PRISMA Prof. Scholz GmbH
Abbildung 5: Die Vernetzung von PLUS-P
Die These, daß die Mitarbeiter eines Unternehmens entscheidend zum Unternehmenserfolg beitragen, ist unbestritten, allerdings ist sich der Mitarbeiter
nicht immer ausreichend über seine persönlich-tragende Rolle in der Wertschöpfungskette bewußt. Dies war ein Gesichtspunkt, der den Auszubildenden in ihren Teams näher gebracht wurde, in dem diese nicht als Auszubildende, sondern als Manager in einem Unternehmen tätig waren.
Nach Ablauf vorher festgelegter Spielperioden steht das Unternehmen als
Gewinner fest, das die vereinbarten Unternehmensziele am besten umsetzen
konnte. PLUS-P läßt sich vom Spielleiter auf jede konjunkturelle Situation
einstellen, auch auf Rezession.
3.2.2 Gruppenintrapreneurship
Diese Schlüsselqualifikation (Übersicht 8) betrifft den gesamten Dienstleistung-Sektor, d.h. Handel, Banken und Versicherungen. In diesem Modul wur-
38
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
den zehn Regeln für die Arbeit im Team besprochen, die wesentlich sind für
eine gute und produktive Entwicklung im Team. Sie gehen auf eine entspannte Situation ein, beziehen sich auf ein gutes Klima, in dem offen und ehrlich
wichtige Punkte geklärt werden, und auch konstruktive Kritik nicht fehlen sollte, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Die drei Ebenen der Zusammenarbeit wurden aufgegriffen und erläutert. Es handelt sich hierbei um
–
die Aufgabenbewältigung auf der Sachebene,
–
die Organisation und Vorgehensweise auf der Geschäftsordnungsebene
sowie
–
das Miteinander-Umgehen auf der Beziehungsebene.
Die Sachebene fragt nach einer nüchternen (sachlichen) Betrachtungsweise
des Problems, wo auch das Fachwissen eine tragende Rolle spielt. Die Geschäftsebene bewegt sich auf der Ebene der Vorgehensweise und thematisiert, welche Hilfsmittel und Methoden zum Einsatz kommen und welche
Normen und Regeln gelten. Diese Art der transparenzerhöhenden Organisation kann viel Zeit und Kraft sparen. Die Beziehungsebene spielt ebenfalls
eine wichtige Rolle im Team, denn dort spiegeln sich Emotionen und Befindlichkeiten gegenüber einzelnen Teammitgliedern wider. Diese drei Ebenen
existieren natürlich nicht getrennt voneinander, sondern überschneiden und
beeinflussen sich gegenseitig.
•
•
•
•
•
•
•
Begrüßung, Organisation etc.
Kurze Vorstellungsrunde
Auflockerungsübung: Warum sind wir hier? Was ist unser Thema? Was verstehen Sie
darunter?
Fragen zur Offenheit in der Gruppe
Gruppenübungen (u.a. Johari-Fenster, Themenzentrierte Interaktion, Zehn Regeln für
die Arbeit im Team, Feedback, Lebensbaum)
Theorie
Zusammenfassung
Übersicht 8: Workshop-Planung (Auszüge) von Herrn Christmann
Störfaktoren werden in einer Gruppe dann wirksam, wenn in einer Teamsituation nicht eigene Meinungen gleichberechtigt gefunden und vertreten werden,
sondern eine Anpassung an eine persönliche Autorität stattfindet. Damit können Lösungen entstehen, die nicht kritisch genug durchleuchtet sind, bezie-
[email protected]
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“
39
hungsweise gute Vorschläge von weniger autoritären Persönlichkeiten unterschlagen werden. Ein weiterer Gesichtspunkt ist das Differenzieren von Entscheidungen nach ihrer Wichtigkeit : Hier wird Flexibilität auf der Geschäftsordnungsebene nötig, um nicht an sinnlosen Vorgehensweisen festzuhalten.
Die Sachebene ist der Problematik ausgesetzt, ein optimales Mittelmaß an
Systematik, Logik und Intuition zu finden. Dies betrifft etwa die zeitliche Reihenfolge von Detailentscheidungen und Grundsatzentscheidungen.
In einem Team, das sich seiner Gemeinsamkeiten bewußt ist, herrscht ein
Klima des Vertrauens. Das ermöglicht und erleichtert ihm die klare Definition
unterschiedlicher Standpunkte und hilft, in der Vielfalt nicht das Chaos, sondern eine Chance zu sehen, über kreative Arbeit zu einer größeren gemeinsamen Einheit zu gelangen.
Zur Vermittlung wurde das von Luft und Ingham (1955) konzipierte JOHARIFenster (Abbildung 6) herangezogen, das in freies Handeln, Verbergen und
Vermeiden, blinder Fleck und Unbewußtes aufgeteilt sind. Jede neue Situation bewirkt bei den Handelnden Unsicherheit, die nach und nach in bestimmten Handlungskonstellationen (A-D) bewältigt wird, deren förderlichste die
Konstellation des freien Handelns (A) ist. Lediglich das Fenster des Unbewußten bleibt weitgehend konstant.
anderen bekannt
anderen
nicht bekannt
dem Selbst
bekannt
A
Freies Handeln, bewußte Verhaltensweisen und Motivationen
B
Bereich des Vermeidens und Verbergens
dem Selbst
nicht bekannt
C
Bereich der
blinden Flecken
D
Bereich des
Unbewußten
Abbildung 6: JOHARI-Fenster (nach Jarvis, o.J.)
Mit Hilfe von Kopien wurden diese theoretischen Aspekte erläutert und in
Gruppenarbeiten vertieft.
40
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
3.2.3 Grenzenlosigkeit und Virtualisierung
Die Realisierung dieses Moduls (Übersicht 9) wurde auf Basis des Internets
durchgeführt, da es zur Zeit das wohl beste Medium zur Verdeutlichung von
Grenzenlosigkeit und Virtualisierung ist. Im einzelnen wurden zunächst durch
die Auszubildenden des ausrichtenden Unternehmens selbst die Entstehungsgeschichte des Internets sowie seine Verbreitung in Europa und speziell auch in Deutschland vermittelt. Darüber hinaus wurde den Auszubildenden erläutert, daß viele Unternehmen parallel dazu noch ein firmeneigenes
Intranet betreiben. Dort finden die Mitarbeiter unternehmensinterne Informationen, Mitteilungen der verschiedensten Abteilungen sowie die Möglichkeit,
trotz räumlicher Distanz mit anderen Abteilungen oder Geschäftsbereichen in
Kontakt zu treten. Dabei wird das klassische Prinzip der Informationsverteilung („Bringschuld“) durch eine Informationsbereitstellung ersetzt, die durch
die Mitarbeiter im Sinne einer „Holschuld“ genutzt wird.
Weitere Virtualisierungs- und Globalisierungstendenzen zeigen die vermehrte
Nutzung von Telearbeit, Teleconsulting und Videokonferenzen, die laut Prognosen auch in den nächsten Jahren noch weiter ansteigen werden.
Diese Tendenzen haben nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf die Arbeitnehmer in der zukünftigen Arbeitswelt. Sie müssen keine langen Anfahrtswege zu ihrem Arbeitsplatz in Kauf nehmen, da der Arbeitsplatz häufig
ein Büro zu Hause ist. Außerdem ist der Einzelne dann nicht mehr an starre
Arbeitszeitregelungen gebunden, sondern kann seine Arbeit zu beliebigen
Zeiten erledigen. Das alles stellt neue und vielfältige Anforderungen an die
Mitarbeiter, denn einerseits erhöht es die Eigenverantwortung, andererseits
aber auch die Unsicherheit, nicht optimal mit diesen Freiräumen umgehen zu
können.
[email protected]
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Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“
41
Begrüßung und Vorstellung der Saar Bank eG
Themeneinführung „Internet“ durch die Auszubildenden der Bank
Vorstellung des Direktvertriebskonzeptes, Besuch des Internet-Cafés in einer Filiale
Internet-Seminar
Vortrag zum Thema „Grenzenlosigkeit und Virtualisierung“
Fallbeispiel „Virtualisierung“
Gruppenfoto
Übersicht 9: Workshop-Planung (Auszüge) der Saar Bank
Als ein Beispiel für Grenzenlosigkeit wurde der Direktvertrieb angesprochen,
wo der Kundenkontakt nur noch auf virtueller Basis besteht und alle Geschäftsvorfälle auch in diesem abgewickelt werden. Abschließend wurde die
Theorie durch Präsentation eines interaktiven Lernprogramms für Bankkaufleute in die Praxis umgesetzt.
Die Auszubildenden bei der Saar Bank
3.2.4 Technisierung durch Aufgeschlossenheit
In allen Unternehmen steigt der Grad der Technisierung stetig an. So werden
Mitarbeiter in nahezu allen Abteilungen regelmäßig mit technischen Neuerungen konfrontiert. Dies kann im internen Dienst genauso der Fall sein wie
42
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
im Kundenverkehr oder in der Einführung neuer Mitarbeiterinformationssysteme.
Jedes Unternehmen hat die für seine Branche beziehungsweise sein Geschäftsfeld speziell abgestimmte EDV-Unterstützung, mit der die Angestellten
möglichst problemlos arbeiten können. Dies erfordert regelmäßige Schulungen seitens der Unternehmen, aber auch ein hohes Maß an Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit seitens der Mitarbeiter. Denn jeder muß sich
bewußt sein, daß der eigene Fehler unter Umständen auch zu Fehlermeldungen in anderen Abteilungen führen kann. Außerdem muß darauf geachtet
werden, daß sich die Angestellten nicht vor den neuen Technologien verschließen oder sie gänzlich abblocken. Deshalb muß der Nutzen jederzeit für
alle erkennbar sein. Möglichkeiten, dies zu umgehen, sind Mitarbeiterinformationssysteme wie spezielle Seiten im Intranet oder firmeneigene Kommunikationssysteme in Form von Business TV, wie es z.B. bei Kaufhof bereits existiert.
Technisierung im Kundenverkehr (Übersicht 10) kann sich auf verschiedenste
Art und Weise darstellen. Einerseits verlangen Kunden bei neuen Technologien genaue Informationen, denn es fördert die Akzeptanz, wenn der Angestellte eine kompetente Beratung anbieten kann. Andererseits muß ein Unternehmen auch die neuen Technologien wie das Internet nutzen, um neue
potentielle Kunden auf sich aufmerksam zu machen. Des weiteren sollte der
Kunde die Möglichkeit haben, auch außerhalb der Öffnungszeiten verschiedene Serviceangebote nutzen zu können. Praktisch umsetzbar ist das insbesondere in den Bereichen Online-Banking, virtuelle Kaufhäuser oder sonstige, internetbasierende Dienstleistungsangebote.
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Ziel: Wir wollen zeigen, daß es auch im Einzelhandel wichtig ist, mit der technischen
Entwicklung Schritt zu halten und als Mitarbeiter aufgeschlossen gegenüber technischen
Neuerungen zu sein!
Darstellung: Technologien aus verschiedenen Bereichen
Logistik: insbesondere Warenwirtschaftssystem
Service: Internet-Shopping, Geschenk-Service-Terminals, Buchshop, Styling-Spiegel
Mitarbeiter-Informationssysteme: Unternehmensfernsehen k-TV, CD-Rom zum interaktiven Lernen, Intranet
Übersicht 10: Workshop-Planung (Auszüge) von Frau Igel-Nels
[email protected]
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“
43
3.2.5 Kundennutzenorientierung als Denkhaltung
In diesem Lernmodul wurden die Qualifikationen zum Thema der Kundennutzenorientierung (Übersicht 11) in Dreier-Gruppen erarbeitet, unter dem Gesichtspunkt, daß sich der Auszubildende selbst als Kunde sieht. Verkaufsgespräche wurden geführt und bewertet, um die Chancen und Schwächen der
Einzelnen herauszufitern und gegebenenfalls zu verbessern. Je besser der
Kundenberater sich auf den Kunden einstellen kann, desto erfolgreicher wird
die Beratung, da „Fachjargon“ vermieden werden kann und dennoch die
Kompetenz sichtbar ist. Nur durch guten Service kann eine langfristige Kundenbindung entstehen beziehungsweise kann der Kundenstamm erweitert
werden.
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Ziel: Teilnehmer zum Thema Kundenorientierung sensibilisieren durch eigene Erfahrungen in der Kundenrolle
Kundennutzen: Was kann man sich darunter vorstellen? (Erläuterungen, Diskussion)
Bedarfsgerechte Beratung, was kann ich dazu tun?
Gruppenarbeit: „Wie sieht Ihrer Meinung nach guter Service aus?“
Erfahrung als Kunde (Rollenspiel)
Übersicht 11: Workshop-Planung (Auszüge) von Frau Brose
Insbesondere erkannten die Teilnehmer, wie unterschiedlich Service sein
kann. Dabei wurden äußerst positive wie auch äußerst negative Erfahrungen
gemacht. Die als positiv empfundene Workshop-Atmosphäre ergab auch die
Möglichkeit, die zum Teil sehr unterschiedlichen Auffassungen von Kundenorientierung der einzelnen Unternehmen zu erörtern. Dies führte zur Erkenntnis, daß nur über guten Service dem Unternehmen langfristig Kunden erhalten und der Kundenstamm ausgeweitet werden kann.
3.2.6 Persönliche Individualisierung
Dieses Modul (Übersicht 12) geht auf den Begriff der Individualität eines jeden Menschen ein, die sich mit dem Wunsch nach individueller Sinnstiftung
des Lebens befaßt. Als Kommunikation bezeichnet man alles, was zwischen
zwei oder mehr zusammentreffenden Lebewesen geschieht. Um diesen Begriff herum wurden Elemente gesammelt, mit deren Hilfe Kommunikation zustande kommt. So kann die Übermittlung von Informationen auf unterschiedli-
44
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
chen Ebenen erfolgen. Es kann sich um die fachliche Kompetenz handeln,
d.h. der Sachverhalt muß bekannt sein, die soziale Kompetenz, d.h. der
Wunsch zu überzeugen erfolgt durch die ausgestrahlte Persönlichkeit, die
Logik im Denken, d.h. Informationen sollten strukturiert und nachvollziehbar
überbracht werden, oder Rhetorik, d.h. die Kunst des Redens und des Ausdruckes.
Des weiteren wurde der Wandel des Begriffes „Karriere“ besprochen. Früher
machte man Karriere in einem Unternehmen, indem man hierarchische Ebenen erklomm. Karriere heute definiert sich zunehmend darüber, ständig dazuzulernen und persönliche Kompetenzen weiterzuentwickeln. Der Karrierebegriff an sich wird daher immer individueller. Was Karriere machen bedeutet,
wird in Zukunft jeder für sich selbst beantworten müssen.
Hier wurden in einer Vorstellungsrunde von jedem einzelnen Auszubildenden
seine Karrierevorstellungen dargelegt, die auch Rückschlüsse auf persönliche Individualisierung zulassen.
[email protected]
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“
Thema
1. Wechselseitige Rückmeldungen geben über persönliche Symbole
2. Studienergebnisse zum
Thema Individualisierung
vorstellen
3. Individualisierung verändert gesellschaftliches Zusammenleben und Wertevereinbarungen.
4. Karriere, Eigenverantwortung im Beruf
Ziele
Individualität der anderen
erkennen und sich in sie hineinfühlen. Sich wechselseitig
besser kennenlernen
Den Ausgangspunkt des
Workshopthemas bestimmen
Gesellschaftliche Entwicklungen und unternehmerische
Konsequenzen wurden zur
Diskussion gestellt.
Individuelle Positionen zu den
Themen möglichst breit herausarbeiten und kennenlernen
5. Individualisierung braucht Methoden kennenlernen, um
Team-, Konflikt- und MoIndividualisierung im Unterderationsfähigkeiten im
nehmen und für die KarriereUnternehmen
planung zielfördernd beteiligungs- und teamorientiert
fruchtbar zu machen
6. Die persönlichen Fähigkei- Die persönlichen Fähigkeiten
ten und Stärken kennen,
und Stärken benennen könfördern und beruflich ein- nen und fruchtbar in die Karbringen
riereplanung einbeziehen
7. Zeitgemäßer Karrierebeg- Klassisch hierarchieorientierriff
te Karrierebegriffe hinterfragen
8. Resümee, Wechselseitige
Rückmeldung
45
Methode
Symbolische Rückmelderunde
These vorlesen
Folienvortrag mit Diskussion
Moderierte Diskussion mit
Kartentechnik
Folienvortrag zu Konfliktmanagement und Moderationsmethoden
Meditative Reise (moment of
excellence), persönliches
Brainstorming, Gruppenbrainstorming
Zeitschriftenartikel: Neue
Karrierewege – Starker Auftritt
Übersicht 12: Workshop-Planung (Auszüge) von Frau Roßmanith
3.2.7 Flexibilisierung
In diesem Modul (Übersicht 13) wurde eine Flexibilisierung der Arbeitszeit,
wie sie am Markt entstanden ist, genauer untersucht. Da der Kunde im Hinblick auf Service zu jeder Tageszeit eine ausreichende Betreuung seiner Einkäufe vorfinden sollte, kann die Arbeitszeit optimal an die Öffnungszeiten angepaßt werden. Die Abkopplung der individuellen persönlichen Arbeitszeit
von der allgemeinen Öffnungszeit bedeutet, daß das Volumen der Regelarbeitszeit aus dem Tarifvertrag nicht mehr gleichmäßig auf die Woche beziehungsweise den Monat verteilt werden kann. Einzelne Mitarbeiter(-gruppen)
planen versetzte/gestaffelte Arbeitszeiten innerhalb des Betriebes, d.h. die
Arbeitszeiten innerhalb der Gesamtbelegschaft differieren und sind im Rahmen der Öffnungszeiten variabel. Dies führt zu Interessenskonflikten zwi-
46
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
schen dem gesellschaftlichem Umfeld, den Mitarbeiterinteressen, Gesetzen
und Betriebsvereinbarungen sowie den Unternehmensinteressen. Ziel ist es,
ökonomisch und sozial ausgewogene Arbeitszeit, attraktive Arbeitsplätze,
Verteilung der Arbeitszeit in partnerschaftlicher Form und Flexibilität im Sinne
der Souveränität der Mitarbeiter zu erlangen. Die bisherige Arbeitszeitfestlegung mußte durch eine flexible Regulierung ersetzt werden, die Rücksicht
nehmen konnte auf:
–
den unterschiedlichen Arbeitsanfall (Kundenfrequenz),
–
die individuellen Arbeitsaufgaben sowie
–
die persönlichen Lebenssituationen der Mitarbeiter.
Dieser Aspekt der Flexibilität betrifft hauptsächlich das handelnde Gewerbe,
da dort eine Anpassung der Arbeitszeit an immer weiter ausgedehnte Öffnungszeiten erfolgen muß.
Dies wurde anhand von Rechenbeispielen genauer erörtert, wobei Teams
konkrete Einsatzpläne unter realistischen Bedingungen erstellen und gegebenenfalls entstehende Konflikte lösen mußten, was ebenfalls einen Gesichtspunkt der notwendigen Flexibilität darstellt.
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Fallstudie: Einführung einer teamorientierten Jahresarbeitszeit
Vorstellung zweier unterstützender EDV-Programme
EDV-unterstützte Personaleinsatzplanung in Großabteilungen
Aufgaben zur Personaleinsatzplanung
Übersicht 13: Workshop-Planung (Auszüge) von Frau Stratmann
3.2.8 Globalisierung
Parallel zur Globalisierung schreitet auch die Europäische Integration immer
schneller voran, wobei das Saarland durch seine geographische Lage besonders von letzterem stark betroffen ist.
In dieser Lerneinheit (Übersicht 14) sollten die Auszubildenden anfangs in
einem Brainstorming angeben, was ihnen zum Thema Globalisierung einfällt
beziehungsweise was sie damit assoziieren. Als Beschleunigungsfaktoren
der Globalisierung wurden vor allem das Internet sowie die fortschreitende
Technisierung in allen Bereichen genannt. Insbesondere das Internet ermög-
[email protected]
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“
47
licht es gegenwärtig theoretisch jedem Unternehmen, ein „Global Player“ zu
werden, sich internationale Märkte zu erschließen und auf diesen auch agieren zu können.
Ein zweiter Themenschwerpunkt wurde auf den voranschreitenden europäischen Integrationsprozeß gelegt sowie auf die Auswirkungen für das Saarland, das eine strategisch sehr günstige Position besitzt. Außerdem wurden
bereits existierende und geplante Formen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich erläutert.
•
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Sammlung von Stichworten zum Thema Globalisierung
Erarbeitung des Wesens und der Grundstrukturen der Globalisierung
Rollenspiel zu den konkreten Auswirkungen der Globalisierung im Saarland und zur
Anwendung des erworbenen Wissens
Übersicht 14: Workshop-Planung (Auszüge) von Frau Mallok
Praktisch geübt wurde grenzübergreifende Zusammenarbeit anhand des Rollenspiels „Eurozone – Ja oder Nein“, in dem eine Situation zur Entscheidungsfindung im Landtag simuliert wurde.
Desweiteren wurde dargestellt, wie sich saarländische Unternehmen einem
grenzübergreifenden Wettbewerb stellen und wie sie es durch unterschiedliche Strategien in unterschiedlichen Branchen schaffen, sich international zu
positionieren.
3.2.9 Wertschöpfungsprimat
Anknüpfungspunkt für die Vermittlung der Idee und Wichtigkeit des Wertschöpfungsprimats war die Diskussion von Kernkompetenzen. Als ein zentrales Konzept aus dem strategischen Management dient es der langfristigen
Positionierung von Unternehmen im Wettbewerb.
Die zugrunde liegende Konzeption von Kernkompetenzen läßt sich anhand
eines Schnittstellendiagramms verdeutlichen (Abbildung 7): Kernkompetenzen bestehen dann, wenn ein Unternehmen
–
über eine Fähigkeit verfügt, die andere Wettbewerber nicht besitzen,
48
–
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
diese Fähigkeit mit dem originären Geschäftszweck des Unternehmens in
Verbindung steht und
–
für diese Fähigkeit ein relevanter Markt besteht.
Damit befinden sich die Kernkompetenzen in der Schnittmenge dieser drei
Kriterienkreise.
originäre
Nähe
komparativer
Vorteil
vorhandener
Markt
Abbildung 7: Kernkompetenz (nach Prahalad/Hamel 1990, 84)
Die Auszubildenden sollten hierzu in ihren Unternehmen die Kernkompetenzen in ihren Bereichen konkret recherchieren. Hierzu mußten sie Informationen über das Leistungsspektrum des Unternehmens, über die Geschichte
des Unternehmens sowie über das Wettbewerbsumfeld des Unternehmens
beschaffen und analysieren.
[email protected]
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“
49
Die Gruppe der Auszubildenden zu Gast am imk
Workshopatmosphäre am imk
3.2.10 Intelligente Organisation
Keine Organisation ist optimal auf seine Umwelt eingestellt. Deshalb muß es
immer wieder zu neuen Anpassungsprozessen kommen. Zu Beginn wurden
50
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
den in vier Gruppen aufgeteilten Auszubildenden Umschläge ausgeteilt, in
denen sich je ein Satz befand, wobei jedes Wort in Silben zerschnitten war.
Das Lernprinzip bestand darin, erstmal das Problem zu erkennen und dann
zur Lösung des Problems im gegenseitigen Austausch mit den anderen
Gruppen stehen.
In diesem Modul (Übersicht 15) wurde der Begriff der Intelligenten Organisation erklärt. Eine Organisation ist dann „intelligent“, wenn sie in der Lage ist:
–
Wissen langfristig zu speichern und es bei Bedarf wieder abzurufen,
–
aus früheren Erfahrungen zu lernen und das Gelernte anzuwenden,
–
sich aufgrund von Wissen, Erfahrungen und Erlerntem auf neue, unbekannte Situationen einzustellen und
–
sich an Veränderungen anzupassen.
Damit versteht man unter einer intelligenten Organisation die Fähigkeit eines
Unternehmens, sich durch Lernen eine Wissensbasis zu schaffen und diese
entsprechend zu nutzen.
•
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Strukturierung von unternehmerischer Intelligenz
Lernfähigkeit, Lernblockaden, Lernauslöser (Gruppendiskussionen)
Fallbeispiel: Wie weiß eine Organisation, daß sie etwas gelernt hat?
Übersicht 15: Workshop-Planung (Auszüge) von Frau Lebro und Herrn Klein
Die Auszubildenden bekamen die Aufgabe gestellt, die Fähigkeiten ihres Unternehmens in bezug auf diese Fähigkeiten einzuordnen.
3.2.11 Berufsbildpolarisierung
Die Strukturverschiebung zwischen den Wirtschaftsbereichen hatte heftige
Rückwirkungen auf die Beschäftigung. Das zeigt sich an der langfristigen
Entwicklung der Beschäftigten in Deutschland. Das produzierende Gewerbe
verlor seit den 70er Jahren ca. 2,5 Millionen Arbeitsplätze, ähnliches gilt auch
für die Land- und Forstwirtschaft. Dagegen hat der Dienstleistungssektor einen Umfang von mehr als 6 Millionen Beschäftigten erreicht. Dies hat zu einer Verschiebung der Beschäftigungsstruktur geführt. Durch diese Umstruktu-
[email protected]
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“
51
rierung am Arbeitsmarkt ist auch die Zahl von Kooperationen und Fusionen
erheblich gestiegen.
Diese Strukturverschiebungen wurden im Workshop (Übersicht 16) via Zeitungsartikel und Statistiken vermittelt, die den Strukturwandel im Dienstleistungssektor erkennen lassen und somit auch ein Umdenken im Servicebereich nötig machen.
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Vorstellung
Klärung der These Berufsbildpolarisierung
Material Entwicklung des Dienstleistungsbereiches
Fusion, Zusammenschluß von Unternehmen
Wer gehört wem?
Kundenwünsche – Dienstleistung aus einer Hand
Kundensegmentierung
Beispiel Call-Center, Internet-Verkauf
Generalist – Spezialist
Beispiel Autokauf
Vergleich der Ausbildungsordnungen
Auf welche Qualifikationen kommt es in der Zukunft an?
Diskussion
Spiel: Jeder soll ein Produkt von einem anderen Dienstleistungsanbieter verkaufen
Zusammenfassung und Diskussion
Übersicht 16: Workshop-Planung (Auszüge) von Herrn Grandjot
3.3 Evaluation: Innovationsaspekte
Im Rahmen dieses Projektes wurden alle Beteiligten – Auszubildende, Dozenten und interne Koordinatoren in den Betrieben –, soweit erreichbar, um
ein Feedback gebeten, das anschließend ausgewertet wurde, um sich ein
Bild über den Ablauf des Projektes zu machen.
3.3.1 Erfahrungen der Unternehmen und Lehrenden
Alle Dozenten wurden in einem Interview bezüglich ihrer gemachten Erfahrungen, Eindrücke, Wünsche und Kritikpunkte befragt. Generell war das
Feedback sehr positiv.
52
¹
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
Gerade der unbürokratische Aufwand und die Möglichkeit, durch
das imk die Organisation an einer Stelle gebündelt zu haben,
haben den Ablauf in dieser Form ermöglicht, wie es bei öffentlichen Institutionen nicht der Fall gewesen wäre.
Einige Unternehmen haben die Gestaltung des Moduls ihren Auszubildenden
überlassen, die durch diese Ausarbeitung einen riesigen Erfahrungsschatz
sammeln konnten.
Auch eine – durch das Projekt nicht vorgegebene – Weitergabe der in den
Modulen gewonnenen Informationen und Erfahrungen der teilnehmenden
Auszubildenden an ihre Mitauszubildenden im Unternehmen fand positiven
Anklang bei einer Reihe von Mitwirkenden. Ein Unternehmen hat das gesamte Projekt auf einen Tag komprimiert und auf die restlichen Auszubildenden
im Unternehmen übertragen.
Zu Beginn des Projektes gab es einige Bedenken bezüglich der doch recht
unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen der Auszubildenden, da hier
sowohl Auszubildende mit Hauptschulabschluß als auch Abiturienten dem
gleichen Projekt beiwohnten. Im Verlauf jedes einzelnen Moduls haben sich
diese Bedenken der jeweiligen Dozenten zerschlagen, denn alle Auszubildenden haben an Diskussionen, Workshops, Gruppenarbeiten und Vorstellungsrunden aktiv mitgearbeitet und Denkanstöße zur Lösung von Problemen
beigetragen.
¹
Sollte es einen einheitlichen Ausbildungsgang zum Servicekaufmann/Servicekauffrau geben, müßte dieser dennoch die unterschiedlichen Voraussetzungen der Auszubildenden systematisch
mit berücksichtigen, d.h. auch Hauptschüler müssen bei entsprechender Aufbereitung der Materie folgen können.
Auch ist gerade im Bereich des Handels eine größere Praxisorientierung gewünscht, um kundengerechter zu beraten.
[email protected]
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“
53
Die in diesem Zusammenhang geäußerte generelle Kritik an Berufsschulen
ist allgemein sehr groß: Immer wieder wurde darauf verwiesen, daß gerade
im Bereich des Handels, der Banken und Versicherungen permanent Neuerungen aufkommen, deren Umsetzung auf berufsschulischer Ebene kaum
stattfindet. Veraltetes Wissen wird Auszubildenden vermittelt und computergestütztes Arbeiten vernachlässigt, da nicht die nötigen Mittel zur Verfügung
stehen.
Generell war eine entspannte Atmosphäre sowie eine Entwicklung der Auszubildenden spürbar geworden, die den Ausbildern positiv im Gedächtnis
geblieben sind.
Der Aspekt der Gruppenarbeit wurde bei allen Befragungen unabhängig voneinander aufgegriffen und als sehr positiv in Erinnerung geschildert. Gerade
der Praxisbezug innerhalb der einzelnen Bausteine hat zu einem großen Verständnis beigetragen, dies eventuell auch in der Praxis umzusetzen.
Eine große Problematik stellte die Befreiung der Auszubildenden zur Teilnahme für das Pilotprojekt dar. Der Aufwand erstreckte sich auf die Antragstellung zur Befreiung der Auszubildenden, die von Jugend-ArbeiterVertretung (JAV) über die Abteilungsleiter bis hin zur Vorstandsebene genehmigt werden mußte. Die Bekanntgabe von Terminen erfolgte oft zu kurzfristig, so daß die gegenseitige Teilnahme auch der Ausbilder nicht immer
gewährleistet war.
Schwierig war generell der Theorie-Praxis-Transfer der Qualifikationen: Hier
mußten die Qualifizierungs-Konzepte, die sich auf einer hohen theoretischen
Abstraktionsebene befanden, für Auszubildende nutzbar gemacht werden.
Hierbei half die Unterstützung der Koordination durch das imk. Jedoch war
die Integration der Lehrenden in die Projektplanung noch stärker gewünscht.
3.3.2 Erfahrungen der Auszubildenden
Im Anschluß an die einzelnen Lehrmodule wurde den Auszubildenden in der
Regel die Frage nach unmittelbarem Feedback gestellt. Dies war dann aller-
54
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
dings sehr situationsbezogen noch beeinflußt von den noch unreflektierten
Eindrücken. Überwiegend stellte es sich jedoch als positives Feedback dar.
Das imk hat bewußt eine andere zeitliche Einteilung gewählt: eine Befragung
der (dann noch verfügbaren) teilnehmenden Auszubildenden mit gut einem
halben Jahr Abstand zum Pilotprojekt. Zweck war es, den nachhaltigen Nutzen der Ausbildungsmaßnahmen erfassen zu können. Der Rücklauf war naturgemäß geringer als die ursprüngliche Zahl der 16 Teilnehmenden, aber
immerhin sind 6 gut verwertbare Fragebögen eingegangen. Diese Fragebögen bestanden aus acht Fragen (Übersicht 17).
1. Hat Dir das Pilotprojekt Servicekaufmann/-frau gefallen?
2. Welchen Nutzen hast Du aus dem Pilotprojekt gezogen?
3. Wie würdest Du die Kernaussage der einzelnen Module in je einem Satz zusammenfassen?
4. Welche Veränderungen bezüglich der Module wären aus Deiner Sicht sinnvoll? (Struktur,
Durchführung, Planung)
5. Erachtest Du die zusammengeschlossene Ausbildung der drei Berufe (Bank-, Versicherungs- und Einzelhandelskaufmann/-frau) als sinnvoll?
6. Hat dieses Projekt Dein Wissen erweitert? Wenn ja, wie wurde es genutzt?
7. Wenn Du noch einmal vor der Entscheidung stehen würdest, Dich für einen Beruf entscheiden zu müssen, würdest Du durchaus auch den eines/r Servicekaufmanns/-frau in
Betracht ziehen? (Bitte kurz begründen)
8. Welche Vor- und Nachteile siehst Du bei der großflächigen Umsetzung dieses Pilotprojektes in die Realität?
Übersicht 17: Auszüge aus dem Fragebogen der Auszubildenden
Ganz eindeutig stehen das Kennenlernen anderer Auszubildenden in den
verschiedenen Berufsrichtungen sowie das breitgefächerte Angebot an Diskussionsrunden innerhalb der einzelnen Module an erster Stelle, dicht gefolgt
von dem großen Interesse, einen Praxispart von 1-3 Wochen in einer branchenfremden Kooperationsunternehmung zu absolvieren.
Sehr interessant sind die (mit zeitlichem Abstand erhobenen) Ergebnisse zum
wahrgenommenen Nutzen (Übersicht 18). Obwohl aus sechs auszuwertenden Fragebögen keine statistisch einwandfreien Ergebnisse ableitbar sind,
sagt doch schon der beobachtbare Trend etwas über die subjektive Zufriedenheit aus. Alle Ergebnisse liegen in bezug zu dem rechnerischen Mittelwert
[email protected]
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“
55
von 3,5 auf der Seite der hohen Bewertung. Besonders wichtig sind die Resultate bezüglich der Verbreiterung der Wahrnehmung („neue Sichtweisen“)
und der Teamfähigkeit, was mit „social skills“ zu tun hat. Die Perzeption hinsichtlich der Serviceorientierung ist dagegen etwas diffus: Einerseits hat sich
die Serviceorientierung in der Selbstwahrnehmung stark verbessert, andererseits der Umgang mit den Kunden nicht so stark. Dies deutet darauf hin, daß
es noch ein zu bewältigender Schritt ist, von der mentalen Serviceorientierung zur tatsächlich handlungsrelevanten Umsetzung zu gelangen.
Item
Umgang mit Kunden hat sich verbessert
Umgang mit der vorhandenen Technologie erleichtert
Teamfähigkeit gefördert
Neue Sichtweisen kennengelernt
Meine Serviceorientierung hat sich verbessert
Das Projekt hat meine Flexibilität gesteigert
Ich sehe mich durch das Projekt im Vorteil gegenüber den Mitauszubildenden in meinem Unternehmen
Hat mein Interesse für andere Berufe geweckt
Mittelwert
(zwischen 1=hoch und 6=niedrig)
3,0
3,2
1,7
1,3
2,2
2,7
2,3
2,3
Übersicht 18: Feedback zum Nutzen aus dem Pilotprojekt (n=6)
Als Verbesserungsvorschläge für eventuelle Folgeveranstaltungen wurden
Tagesseminare beziehungsweise ein Wochenseminar angegeben, damit die
einzelnen Themen komprimierter vermittelt werden können. Bezüglich der
Inhalte wurde ausgedehntere Information gewünscht, um eine geeignetere
persönliche Vorbereitung leisten zu können und somit die Aufnahmefähigkeit
zu optimieren.
¹
Nicht in allen Unternehmen wurde das Modell aufgegriffen, um
es den dort verbleibenden Auszubildenden zugänglich zu machen. Dennoch wurden die zehn Module in einer eintägigen
Kurzversion einem gesamten Ausbildungsjahrgang in einem Unternehmen durch die teilnehmenden Auszubildenden selbst präsentiert.
56
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
Aufgrund der „Verwandtschaft“ zwischen den einzelnen Berufen wurde eine
gemeinsame Basis wahrgenommen, die als Ausgangspunkt für den Servicekaufmann/Servicekauffrau dienen könnte. Generell können sich alle eine solche Berufsausbildung zum Servicekaufmann/zur Servicekauffrau vorstellen,
bei dem eine Grundausbildung mit anschließender Spezialisierung erfolgt. In
dieser Ausbildung könnte die Ausrichtung auf den Service die Kundenzufriedenheit verbessern, wobei ein unterschiedliches Bildungsniveau der Auszubildenden zu berücksichtigen ist.
Mit Spaß und Freude haben die Auszubildenden die Diskussionen und Gruppenarbeiten genutzt, um sich mit den Sichtweisen anderer Berufe vertraut zu
machen.
3.3.3 Erfahrungen der Koordinatoren
Trotz der hohen Anstrengungen, so viele unterschiedliche Parteien unter einen Hut zu bringen, ist das Feedback der Koordinatoren überwiegend positiv.
Größtenteils decken sich die Erfahrungen mit denen der Dozenten, die ober
bereits dargestellt wurden. Kleinere Schwierigkeiten wie das kurzfristige Abspringen von Auszubildenden oder Unternehmen wurden durch das imk
durch entsprechende Lösungen kompensiert. Aufgrund dieser Gegebenheiten kam es zwangsweise gelegentlich zu spontanen Terminvereinbarungen,
die den Unternehmen nicht immer ausreichend Zeit zum Reagieren ließen.
Dennoch lief alles sehr unbürokratisch und unkompliziert ab und schuf so
auch eine angenehme Beziehung zwischen imk, Unternehmen und Auszubildenden.
Ein spezifisch saarländischer Aspekt wurde in diesem Teilprojekt nicht betrachtet: die Saar-Lor-Lux-Integration sowie die damit zusammenhängenden
interkulturellen Qualifikationen. Besonders im Saarland müssen Arbeitnehmer
und Auszubildende die französische Sprache sicher beherrschen, da vor allem auf diese Weise ein grenzübergreifender Kundenstamm entstehen kann.
Bereits bestehende Ansätze sind die zahlreichen VHS – Sprachkurse, Austauschprogramme des Deutsch-Französischen Sekretariats Saarbrücken (in
[email protected]
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in Unternehmen“
57
den Bereichen Aus- und Weiterbildung) oder die Aktivitäten des Sprachenzentrums und der entsprechenden Lehrstühle der Universität des Saarlandes.
3.4 Zwischenfazit
¹
Mit der Umsetzung dieser Studie wurde deutlich, daß dieses
Konzept generell anwendbar ist, das allerdings auf einer guten
Kooperationsbasis zwischen Unternehmen beruhen muß, die
nicht aus den gleichen Branchen stammen.
Für eine langfristige Realisation dieses Projektes müßten die nötigen Rahmenbedingungen für eine verstärkte Unternehmenskooperation noch geschaffen und umgesetzt werden. Dies bedeutet konkret für die beteiligten
Gruppen:
•
Die Umsetzung des Pilotprojekts in einen regulären Ausbildungsberuf
würde Weiterbildungsmaßnahmen bei den Ausbildern erforderlich machen, damit der Wissensbedarf der Auszubildenden ausreichend befriedigt werden kann. Hier sehen Unternehmen mit den zusätzlich nötigen
Qualifikationen für ihre Ausbilder kaum Probleme, da der Wissensstand
generell regelmäßig erweitert werden muß.
•
Eine Institutionalisierung würde es erfordern, daß es eine zeitliche Koordination zwischen den Unternehmen und letztlich auch mit den Berufsschulen gibt, um es den Auszubildenden zu ermöglichen, sich zeitlich
synchron die servicebezogenen und berufsbildübergreifenden Ausbildungsinhalte anzueignen.
•
Auch die Gewerkschaften können eine langfristige Etablierung des Berufsbildes „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ unterstützen, indem sie in
den Unternehmen bei den Mitarbeitern sowie in der Kommunikation mit
den Unternehmensverbänden diese Lösung offen unterstützen. Bei der
Definition eines entsprechenden Berufsbildes haben die Gewerkschaften
Möglichkeiten der Mitgestaltung.
58
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
Zu klären bleibt auf jeden Fall, ob der Ausbildungsgang von einem Grundbildungsjahr ausgeht und später eine branchenbezogene Spezialisierung erfolgt
oder ob von vornherein eine Spezialisierung vorgeschrieben ist, wie es derzeit der Fall ist, und die servicerelevanten Module hier lediglich integriert werden. Unabhängig von der gewählten Variante muß sie die unterschiedlichen
Eingangsvoraussetzungen der Auszubildenden berücksichtigen.
Das Ziel, das Projekt in ausbildenden Unternehmen und durch sie umsetzen
zu lassen und die dabei gemachten Erfahrungen und Auswirkungen zu analysieren, wurde erreicht, so daß im zweiten Teilprojekt die analoge Umsetzung auf Berufsschulebene von Interesse ist.
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Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in der Berufsschule“
59
4 Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in der Berufsschule“
Die Verschmelzung der heute getrennten Lehrberufe Einzelhandelskaufmann/Einzelhandelskauffrau, Bankkaufmann/Bankkauffrau und Versicherungskaufmann/Versicherungskauffrau zu einem übergeordneten Berufsbild
Servicekaufmann/Servicekauffrau müßte bereits zum jetzigen Zeitpunkt im
schulischen Alltag vorbereitet werden, wenn man zukünftig eine effektive Adaption der Berufsbilder an die veränderten Umweltanforderungen erreichen
will. Dies bedeutet, daß das zur Verfügung stehende Wissen über zukünftige
Anforderungen und Qualifikationen auf diesem Sektor in unterrichtskompatibler Form in bestehende Lehrpläne integriert oder diesen als zusätzliche Stoffeinheiten hinzugefügt wird.
In dem pilotprojektartigen Praxislauf des Teilprojekts mit den Berufsschulen
soll das didaktische und wissenstheoretische Gerüst für die Integration der
Idee des Servicekaufmanns/der Servicekauffrau in heutige Lehrpläne von
Berufsschulen entstehen. Darüber hinaus bildet es die Grundlage eines
Lehrplans
des
zukunftsbezogenen
Ausbildungsberufes
Servicekauf-
mann/Servicekauffrau.
4.1 Konzeption: Berufsschul-Netzwerk
Bei der Untersuchung der Möglichkeiten einer Umsetzung der „Servicekaufmann/Servicekauffrau“-Inhalte in den Berufsschulen sollen voneinander unabhängige saarländische Berufsschulen und deren Lehrer weitgehend eigenständig die evaluierten Schlüsselqualifikationen mit saarländischen Berufsschülern umsetzen. Zusammen mit den Ergebnissen des „Teilprojekts Unternehmen“ soll eine Wertung der Praxisnähe und Umsetzbarkeit der Ideen des
Servicekaufmanns/der Servicekauffrau vorgenommen werden. Dabei sind
auch speziell die bestehenden und notwendigen Interaktionsräume zwischen
den einzelnen noch getrennten Berufsschulen, der Politik, den bestehenden
60
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
Lehrplänen, den Berufsschülern und den Ausbildungsunternehmen aufzuzeigen, zu analysieren, zu bewerten und zu optimieren. Die so gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen schließlich, das neue Berufsbild zu definieren, die
einzelnen Bausteine effektiv zu beschreiben und effizient zu strukturieren.
¹
Diese Ausgestaltung unterliegt zahlreichen rechtlichen wie strukturellen Regelungen, wie z.B. Ausbildungsverordnungen der
Länder oder Bundesgesetze, was das Erarbeiten einer bundesweit gültigen Ausbildungsverordnung zu einem langfristigen Prozeß machen wird.
Die konzeptionelle Herangehensweise wie auch die praktischen Durchführungsrichtlinien waren im „Teilprojekt Berufsschulen“ eng an den Aufbau und
die Ausgestaltung des deutschen Berufsausbildungssystems gebunden.
Hierzu soll das System der Berufsausbildung zunächst kurz beleuchtet werden.
Die Möglichkeiten zur beruflichen Erstausbildung in Deutschland sind vielfältig, wobei das duale System mit weit über 60% aller Auszubildenden den
wichtigsten Weg darstellt. Dabei befindet sich der Bereich der beruflichen
Schulausbildung (Berufsschulen, Lehrpläne, ...) ausschließlich in der Kompetenz der einzelnen Bundesländer, während die Kompetenz für die Inhalte der
betrieblichen Ausbildung beim Bund liegt (Ausbildungsverordnungen werden
vom Bundesministerium für Bildung und den Fachministerien gemeinsam erarbeitet). Die beiden Ausbildungsträger stehen aber nicht isoliert nebeneinander, sondern wirken innerhalb eines größeren gesetzlich institutionalisierten Beziehungsgeflechts zusammen („duales System“). Die Berufsschulen
untergliedern sich zunächst in drei Grobtypen:
–
gewerbliche Berufsbildungszentren,
–
hauswirtschaftliche/sozialpflegerische Schulen und
–
kaufmännische Berufsbildungszentren.
[email protected]
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in der Berufsschule“
61
Diese Gliederung spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Abschlußzertifikaten (Industrie – Facharbeiter; Wirtschaft - kaufmännische Gehilfenprüfung;
Handwerk – Gesellenbrief) wider. Diese zunächst grobe Einteilung erfährt in
der Praxis eine weitere Aufschlüsselung, so daß es oftmals berufsspartenweise abgegrenzte Berufsschulen gibt.
Dies hat essentielle Auswirkungen auf die Ausgestaltung einer kooperativen
Arbeit, wie sie unser Projekt darstellt. Die Idee des Servicekaufmann/der Servicekauffrau als Verschmelzung dreier Berufssparten in ein neues Ausbildungsmuster verlangt von einem Teilprojekt Berufsschulebene, sowohl inhaltliche als auch prozessuale Kooperationen der beteiligten Schulen zu ermöglichen. Auf der inhaltlichen Ebene müssen unterschiedliche Rahmenlehrpläne
analysiert und koordiniert werden, auf prozessualer Ebene muß man Akteure
von unterschiedlichen Orten, mit unterschiedlichen Konzepten und unterschiedlichen Ausrichtungen in das gleiche Fahrwasser bringen. Hierzu muß
die Verflechtung und Interaktion der folgenden Partner, die hier fundamentale
Bedeutung aufweisen, analysiert werden (Übersicht 19). Nur wenn die Aufgaben, Stellung, Bedeutung und Rolle der einzelnen Akteure verdeutlicht
werden kann, sind Implikationen möglich, ob die Idee des Servicekaufmanns/der Servicekauffrau weiter zu verfolgen ist, ob sie umsetzbar ist, ob
sie sinnvoll ist und ob sie effektiv sein kann.
62
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
•
•
Berufsschulen
•
•
Kompetenzträger als Ort der schulischen Ausbildung
die Lehrer im speziellen Basisfiguren zur Umsetzung von
Neuerungen und Innovationen
Organisationsstruktur der Schulen stellt Vorgaben an Projektstruktur
Vielzahl der unterschiedlichen politischen Akteure: Ministerien der Länder, KMK (Kultusminister-Konferenz), Bundesministerien, Schulausschüsse, Schulbehörden, etc.
Entscheidungsträger über die Rahmenlehrpläne
Ausstattung der Berufsschulen mit Ressourcen
Einsatz der Direktoren und Lehrkräfte (Abhängigkeitsstrukturen)
Gestaltung des gesetzlichen Rahmens der Schulen
notwendiger Kooperationspartner, da ohne Mitarbeit (Freistellungen, ...) keine Realisierung möglich ist
als Klientel unverzichtbare Rolle und Bedeutung für Projekt
Konzeptioneller Ausbildungs-Rahmen
•
Standortbezogener Ausbildungs-Rahmen
•
•
Politik
•
•
•
Ausbildungsunternehmen
Auszubildende
Industrie- und Handelskammer
Arbeitskammer
[email protected]
•
•
Übersicht 19: Akteure im Berufsschul-Umfeld für den Servicekaufmann/die Servicekauffrau
Die Vorgehensweise im Teilprojekt war von einer engen Zusammenarbeit mit
Kompetenzträgern abhängig: In unserem Fall ist für die Ausbildung der Bankenkaufleute und der Versicherungskaufleute im Saarland je eine einzelne
Berufsschule vorhanden, welche alle Auszubildenden des Landes besuchen
müssen. Hingegen ist die Ausbildung von Einzelhandelskaufleuten an mehreren Schulen des Saarlandes möglich, hier gibt es wegen der Fülle an Ausbildungsunternehmen verschiedene Schulen für einen einzelnen Beruf.
Für das Projekt Servicekaufmann/Servicekauffrau wurden folgende Schulen
angesprochen:
–
KBBZ I Saarbrücken (Bankkaufmann/Bankkauffrau),
–
KBBZ II Saabrücken (Einzelhandelskaufmann/Einzelhandelskauffrau),
–
KBBZ
Saarbrücken-Halberg
(Versicherungskaufmann/Versicherungs-
kauffrau).
Ziel war es, ein konkretes Pilotprojekt der Berufsschulebene durchzuführen,
das wissenschaftlich durch das imk evaluiert werden sollte.
[email protected]
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in der Berufsschule“
63
4.2 Ergebnis: Bürokratische Steuerungshindernisse
Der erste Schritt der Umsetzung des Teilprojekts in den Berufsschulen war
eine weitere inhaltliche Konkretisierung der zehn Schlüsselqualifikationen. Da
sich im Teilprojekt der Unternehmen zeigte, daß ein Verständnis der theoretisch-abstrakten Begriffe für wissenschaftsfernere Personen schwierig sein
kann, wurde eine umgangssprachliche Formulierung dieser Inhalte angestrebt. Um sie für Berufsschüler vermittelbar zu machen, wurden zehn Handlungsanweisungen formuliert, die für Unternehmen in der Dienstleistungsbranche überlebenskritisch sind (Übersicht 20).
1.
Nur wer für Technik aufgeschlossen ist, kann auch mit ihr umgehen lernen!
2.
Globalisierung passiert, egal, ob man es will oder nicht. Darauf muß man sich einstellen!
3.
Unternehmen wollen Gewinne machen („Wertschöpfung“). Dazu braucht man Geschäftsabschlüsse - und das heißt: professionelles Verkaufen!
4.
Bei Dienstleistungen steht der Kunde absolut im Mittelpunkt, und das muß er jederzeit
merken!
5.
Mitarbeiter der Zukunft werden flexibel sein müssen - in bezug auf Einsatzorte, Arbeitszeiten und Arbeitsstrukturen!
6.
Immer wieder wird „Lernen in Unternehmen“ gefordert - es funktioniert vor allem im
Team!
7.
Unternehmen brauchen Spezialisten und Generalisten - aber nicht jeder Mitarbeiter muß
beides sein!
8.
Teamfähigkeit ist ein absolutes Muß, selbst wenn man lieber alleine arbeitet!
9.
Jeder Mitarbeiter wird in Zukunft stärker Verantwortung für seine eigene Karriere übernehmen müssen!
10. Risiko und Unsicherheit kann man nicht abschaffen, aber der Umgang damit läßt sich
lernen!
Übersicht 20: Die Schlüsselqualifikationen als Handlungsanweisungen
Zur weiteren Vorbereitung der inhaltlichen Komponente im Zusammenhang
mit den Berufsschulen dient in erster Linie eine Analyse der bestehenden
Rahmenlehrpläne der einzelnen Berufssparten auf Übereinstimmungen mit
den Kerninhalten des Servicekaufmanns/der Servicekauffrau (Übersicht 21).
64
Kerninhalt 1
Kerninhalt 2
Kerninhalt 3
Kerninhalt 4
Kerninhalt 5
Kerninhalt 6
Kerninhalt 7
Kerninhalt 8
Kerninhalt 9
Kerninhalt 10
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
Handel
Vorhanden
Am Rande vorhanden
Stark vorhanden
Stark vorhanden
Am Rande vorhanden
Am Rande vorhanden
Fehlt
Nur implizit vorhanden
Am Rande vorhanden
Vorhanden
Banken
Vorhanden
Stark vorhanden
Stark vorhanden
Stark vorhanden
Vorhanden
Vorhanden
Am Rande vorhanden
Nur implizit vorhanden
Vorhanden
Stark vorhanden
[email protected]
Versicherungen
Vorhanden
Am Rande vorhanden
Stark vorhanden
Stark vorhanden
Vorhanden
Am Rande vorhanden
Fehlt
Vorhanden
Vorhanden
Stark vorhanden
Übersicht 21: Abgleich zwischen Sollqualifikationen des Servicekaufmanns und Ist-Situation
innerhalb der Rahmenlehrpläne der Berufsschulen
Teamorientierung im speziellen und soziale Komponenten im allgemeinen
erscheinen in den Rahmenlehrplänen nicht als gesonderte Lerneinheiten,
sondern sollen von den Schulen und Ausbildungsunternehmen als zentrale
Kompetenz gebietsübergreifend vermittelt werden. Im engen Zusammenhang
mit der Betrachtung der Lehrplan-Inhalte ist zusätzlich eine genaue Beleuchtung der Kernkompetenzen und Aufgabenprofile der einzelnen Branchen zu
sehen, die als unerläßliche Unterstützung zur Evaluierung der inhaltlichen
Komponenten hinzugezogen wird (Übersicht 22).
Banken
Handel
Versicherungen
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Technisierung
Intelligente Organisation
Berufsbildpolarisierung
Gruppenintrapreneurship
Persönliche Individualisierung
Kundennutzenorientierung
Gruppenintrapreneurship
Technisierung
Wertschöpfung
Gruppenintrapreneuership
Persönliche Individualisierung
Übersicht 22: In den entsprechenden Berufsschul-Rahmenlehrplänen verwirklichte Inhalte
Analog zur Projektstruktur bei den Unternehmen wurde die praktische Umsetzung der Berufsschulebene durch das imk geplant und koordiniert. Im Laufe des Spätsommers und Spätherbstes des Jahres 1999 wurden sowohl Berufsschulen als auch saarländische Unternehmen, die eine entsprechende
Einwilligung zur Teilnahme ihrer Auszubildenden geben mußten, angespro-
[email protected]
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in der Berufsschule“
65
chen. Im einzelnen erklärten sieben Unternehmen ihr Interesse an einer Zusammenarbeit in diesem Projekt (Übersicht 23). Termine und Veranstaltungsorte der angesprochenen Blockseminare konnten vorsorglich reserviert
werden, so daß hiermit die infrastrukturellen Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Umsetzung geschaffen waren.
Bank
Versicherungen
Handel
•
•
•
•
•
•
•
Saar Bank eG Saarbrücken
Sparda Bank eG Saarbrücken
Saar LB Saarbrücken
General Accident Saarbrücken
iduna nova Saarbrücken
Globus Saarbrücken-Güdingen
Karstadt AG Saarbrücken
Übersicht 23: Interessierte Unternehmen
Auch bei den Berufsschulen zeigte sich zunächst – nicht zuletzt aufgrund der
positiven Erfahrungen aus dem Unternehmensbereich – eine große Bereitschaft, sich an dem Projekt zu beteiligen. Mit den Partnern wurde die folgende Umsetzungs-Struktur erarbeitet: Vereinbarungsgemäß sollten aus jeder
der drei beteiligten Branchen 6 Auszubildende aus verschiedenen Unternehmen des Saarlandes teilnehmen, insgesamt also 18 Auszubildende. Sie sollten sich idealtypisch im ersten Ausbildungsjahr befinden, so daß eine zu große Belastung, etwa im Hinblick auf Abschlußprüfungen, vermieden werden
konnte.
Die zehn Ausbildungsmodule zu den Schlüsselqualifikationen sollten den
Schülern im Rahmen von drei Blockseminaren (jeweils Donnerstag morgen
bis Samstag morgen) vermittelt werden. Dazu sollte die Gruppe der Auszubildenden die gesamte Dauer des Blockseminars zusammen verbringen. Im
einzelnen legte die Planung fest, daß die drei Berufsschulen jeweils eines der
Blockseminare in Eigenverantwortung übernehmen und dort je drei beziehungsweise vier ausgewählte Schlüsselqualifikationen in Eigenregie umsetzen würden (Übersicht 24).
Die Einbindung des Schulträgers – des Saarländischen Ministeriums für Bildung, Kultur und Wissenschaft – erfolgte durch das imk in Zusammenarbeit
66
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
mit der Gewerkschaft HBV, wodurch eine generelle Unterstützung dieses Pilotprojekts erreicht werden konnte. Die Erörterung letzter Detailfragen im
Anschluß an den Versand der umfangreichen Informations- und Lehrmaterialien mit den Schulen und damit den beteiligten Lehrern sollten Ende 1999 den
Abschluß der Planungsarbeiten darstellen.
Blockseminar
1
2
3
Organisation
•
27.01.2000 – 29.01.2000
•
Leitung: KBBZ Saarbrücken Halberg
•
Ort: Fortbildungszentrum Kirkel
•
30.03.2000 – 01.04.2000
•
Leitung: KBBZ II Saarbrücken
•
Ort: Fortbildungszentrum Kirkel
•
Mai / Juni 2000
•
Leitung: Universität des Saarlandes / N.N.
•
Ort: Jugendherberge Saarbrücken
Themen
•
Wertschöpfung
•
Berufsbildpolarisierung
•
Persönliche Individualisierung
•
Technisierung
•
Flexibilisierung
•
Gruppenintrapreneurship
•
Globalisierung
•
Kundennutzenorientierung
•
Organisatorische Intelligenz
•
Virtualisierung
Übersicht 24: Übersicht der geplanten Blockseminartermine
Bereits zu Beginn der Planungen des Praxislaufs stellten sich die Konsultationen mit dem KBBZ Halberg als äußerst produktiv dar. Der Direktor Herr
Freidinger und im besonderen die angesprochenen Lehrkräfte Herr Grauss
und Herr Kohler zeigten sich engagiert, ambitioniert und unbürokratisch. So
konnten schon im November 1999 die Vorplanungen des Blockseminars für
das KBBZ Halberg nach einer vorbildlichen Zusammenarbeit abgeschlossen
werden.
Leider traten bei der Zusammenarbeit mit den beiden anderen Schulen weitaus größere Barrieren auf. Zunächst ist für beide Berufsschulen feststellbar,
daß ein konkretes Interesse an einer Mitwirkung bestand. So waren bis in
den Spätsommer 1999 sehr interessante und produktive Gespräche und Erörterungen möglich. Plötzlich stockte die Kooperation jedoch, was sich in der
Kommunikation der Projektleitung gegenüber in finanziellen Forderungen
niederschlug, die nicht erfüllt werden konnten. Daraufhin wurde von beiden
Berufsschulen im November 1999 die Teilnahme abgesagt.
[email protected]
¹
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in der Berufsschule“
67
Diese kurzfristigen, durch das imk nicht zu verantwortenden Absagen führten schließlich dazu, daß das gesamte Teilprojekt in
der ursprünglich geplanten Form nicht mehr durchführbar war.
Da der Kreis der in Frage kommenden Berufsschulen im Saarbrücker Raum
eingeschränkt ist, wurde ein weiterer Versuch einer Realisierung des Teilprojekts mit einer Ausweitung des regionalen Fokus unternommen. Die Ansprache erfolgte jetzt im Saar-Lor-Lux-Raum. Im einzelnen wurden die französische Ausbildungseinrichtung CFA C. Weiss de Forbach (Centre de formation
d’apprentis) sowie die Luxemburgische Berufsschule für Bankkaufleute angesprochen. Letztlich kam aber auch hier keine Projektdurchführung zustande,
so daß den verbliebenen Partnern für die anstehenden Termine eine Komplettabsage erteilt werden mußte. Die Chronologie der Ereignisse (Übersicht
25) illustriert den Projektverlauf.
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
08. Januar 1999: Informationsgespräch bei der Gewerkschaft HBV
26. Februar 1999: Informationsgespräch am KKBZ I Saarbrücken
04. März 1999: Informationsgespräch am KBBZ Saarbrücken-Halberg
11. März 1999: Informationsgespräch am KBBZ II Saarbrücken
11. Mai 1999: Koordinationssitzung aller Beteiligten der Berufschulebene am imk
15. Juni 1999: Planungstreffen am KBBZ Saarbrücken-Halberg
18. Juni 1999: Planungstreffen an den KBBZ I und II in Saarbrücken
bis Nov. 1999: Ausarbeitung der detaillierten Projektstruktur bei regelmäßigem Kontakt
der Partner
Dezember 1999: Absage des Praxislaufes
März 2000: Treffen der Kooperationspartner und Verabschiedung der modifizierten
Projektstruktur
April - August 2000: Ausarbeitung der Struktur und erste Kontakte zu Ausbildungsträgern
in Lothringen und Luxemburg
Oktober 2000: Absage durch den Ausbildungsträger aus Luxemburg
November 2000: Einstellen des Teilprojekts
Übersicht 25: Chronologie der Projektplanung
4.3 Theoretische Erklärung des Scheiterns: Darwiportunismus
Die in der Idee des Servicekaufmanns abgebildete Veränderung der zukünftigen Ausbildungsstruktur im Kleinen ist einem Muster gefolgt, das sich auch
68
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
im Großen finden läßt: Zunehmender Druck auf Bildungsträger, Unternehmen
und Mitarbeiter in der gesamten Arbeitswelt bringen die Akteure dazu, bei
ihren Handlungen ihren Vorteil zu suchen. Dies ist für sich gesehen legitim
und nicht verwerflich, allerdings ist es interessant, daß Akteure teilweise aufgrund kurzfristiger Selbstoptimierung auf langfristige Chancen verzichten.
Diese Situation spiegelt sich im Beschreibungsmodell des Darwiportunismus
(vgl. Scholz 1999) wider:
•
Gemäß dem darwinistischen Paradigma bestehen auch im Wirtschaftsleben nur diejenigen Unternehmen oder Arbeitsnehmer im Wettbewerb, die
an die externen und internen Rahmenbedingungen am besten angepaßt
sind. Dies bedeutet, daß vor allem diejenigen Akteure, die eine eindeutige
Kernkompetenz aufweisen, wettbewerbsfähig sind: Sie können etwas, für
das ein entsprechender Markt vorhanden ist, besser als andere, und werden aufgrund dieser erfolgskritischen Variation nicht aus dem Markt ausselektiert.
•
Gemäß der opportunistischen Verhaltensannahme handeln demgegenüber alle Individuen so, daß ihr eigener Vorteil im Mittelpunkt steht: Zur
Maximierung ihres persönlichen Nutzens instrumentalisieren sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Attribute ihrer Umgebung wie andere Menschen, Organisationen, Situationen und verfolgen ehrgeizig und selbstmotiviert die eigenen Vorstellungen, ohne altruistisch auf andere Rücksicht
zu nehmen.
Zusammengesetzt ergibt sich aus beiden Komponenten der Darwiportunismus: Es trifft der individuelle Opportunismus der nutzenmaximierenden Einzelakteure auf den systemimmanenten Darwinismus im Wirtschafts- und Geschäftsleben. In der Konsequenz wird das Arbeitsleben wettbewerbsintensiver, beispielsweise nimmt die Bedeutung sozialer Kontakte wie „gegenseitige
Loyalität“ oder „Orientierung an einem übergeordneten Zusammenhang“ ab.
Dieser Effekt ist gerade in Ländern, deren Arbeitsbeziehungen traditionell auf
einer eher kollektivistischen Landeskultur basieren, besonders auffällig. Ein
Beispiel ist hier Deutschland: Die historischen Erfahrungen, nur gemeinsam
[email protected]
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in der Berufsschule“
69
einen Wiederaufbau und ein Wirtschaftswunder nach einem vernichtenden
Krieg zu bewältigen oder die Wiedervereinigung über eine nicht in jedem Fall
ökonomisch sinnvolle Solidarität zu schaffen, gelten als Beleg für die kollektivistische gesellschaftliche Ausrichtung. Auch im Arbeitsleben gelten Konzepte wie „Betriebsverbundenheit“ und „Loyalität“ bisher als üblich. Sie sind zudem über ein Arbeitsrecht untermauert, das im Kern auf der vertrauensvollen
Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern basiert. Dies
steht mit dem Darwiportunismus zur Disposition.
¹
Die tatsächliche Wirksamkeit des Darwiportunismus als wettbewerbsintensivierende Konstellation im Arbeitsleben findet sich
nun auch in der Praxis, wofür das Teilprojekt in den Berufsschulen ein reales Beispiel darstellt (vgl. Scholz/Stein 2001).
Der Darwiportunismus – zunächst von vornherein weder als „gut“ oder
„schlecht“ zu bewerten – zeigte sich im Projekt sowohl in seinen positiven als
auch negativen Konsequenzen. War die Unternehmensebene das PositivBeispiel durch die Entstehung eines neuen, bürokratiearmen sozialen Netzwerks mit Innovationspotential, ist die Berufsschulebene als Negativ-Beispiel
einer darwiportunistischen Konfrontation mit Verlustrisiko zu sehen.
Die Projektabsage durch die Berufsschulen KBBZ I und KBBZ II erfolgte vordergründig aus finanziellen Gründen, lag nach Meinung der Verfasser jedoch
hintergründig eher in einer Frustration mit der generellen Stellung der Berufsschule im politischen Wettbewerb der Bildungsinstitutionen begründet. Das
Beispiel zeigt ein klar opportunistisches Verhalten der Berufsschulen, die –
auf ihren eigenen Vorteil bedacht – ihre kurzfristigen Ziele auch gegen die
Interessen weiterer Projektpartner und gegen die übergeordneten Ziele der
Forschungskooperation durchgesetzt haben. Man kann sich jedoch auch überlegen, welche Konsequenzen ein solches Verhalten für die Berufsschulen
selbst im Hinblick auf den langfristigen Wettbewerb im Bildungsbereich hat:
70
•
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
Einerseits koppeln sie sich von der fortschreitenden Entwicklung ihres
Kerngebietes ab.
•
Andererseits empfehlen sie sich nicht gerade für weitere Kooperationen.
•
Schließlich fallen sie durch ihr nicht-innovationsfreudiges Image im Wettbewerb der Berufsschulen und der Bildungsträger insgesamt zurück,
wenn das erste Positiv-Beispiel gezeigt hat, daß Unternehmen solche
Kooperationen auch ohne Berufsschulen in Eigenverantwortung effektiv
durchführen können.
¹
In der Terminologie des Darwinismus gesprochen ist hier die
Chance zu einer Variation vertan worden, die bei einer positiven
Selektion im Ausbildungsmarkt zur Bewahrung einer wichtigen
legimatorischen Stütze der Berufsschulen hätte führen können.
Die Kooperationsstrategie der Versicherungs-Berufsschule wurde im übrigen
insofern honoriert, als sie die Chance bekam, als Projektpartner für weitere
Projekte interessant zu sein.
4.4 Zwischenfazit
Die Umsetzung des Teilprojekts Servicekaufmann/-frau auf der Berufsschulebene hat, auch wenn die praktische Durchführung im ersten Versuch nicht
umgesetzt werden konnte, sowohl auf inhaltlicher als auch prozessualer Ebene wichtige Implikationen geliefert.
Von der inhaltlichen Planung her haben die durchgeführten Schritte gezeigt,
daß eine weitere Vereinfachung der Schlüsselqualifikationen zu einer verbesserten Kommunikation – zunächst zu den Berufsschullehrern, letztlich aber
auch zu den Berufsschülern – beiträgt.
Auf der prozessualen Ebene sind in erster Linie die Implikationen auf die Rollen der einzelnen Player im Servicekaufmann-Umfeld zu beleuchten:
•
So erfordern die Berufsschulen einen noch intensiveren Kontakt in der
Vorbereitungsphase mit engerer Einbeziehung der verantwortlichen Kooperationspartner. Dies muß einhergehen mit einem verstärkten „Sich-
[email protected]
Das Teilprojekt „Qualifizierung 2007 in der Berufsschule“
71
Öffnen“ der Lehrer für neue Ideen, einer stärkeren Einbindung der Schulen in den organisatorischen Projektaufbau sowie einem Erkennen der
Chancen durch Kooperationen mit anderen Schulen und Institutionen aus
Berufsschulsicht.
•
Hinsichtlich der Politik ist ein unbedingtes Einbeziehen der Entscheidungsträger in das Projekt von Beginn an notwendig, um hierdurch mögliche positive Impulse auf die Schulen zu generieren.
•
Die Komplexität des Problems eines Eingriffs in die Curriculumerstellung
im Saarland (vgl. Ulmer 1995) darf nicht unterschätzt werden – insbesondere, wenn man weiß, daß außer dem zuständigen Ministerium und den
Berufsschulen auch noch Landesfachberater, eine Lehrplankommission
sowie das Landesinstitut für Pädagogik und Medien einen Einfluß auf die
Lehrinhalten haben.
•
Von den Auszubildenden ist zu wünschen, daß ihnen neue Erfahrungen
auch ein Zusatzengagement wert sind, was durch die Erkenntnisse aus
dem „Teilprojekt Unternehmen“ in Grenzen durchaus realistisch erscheint.
•
Die Ausbildungsunternehmen müssen immer wieder motiviert werden,
ihre Flexibilitätsspielräume zu nutzen, etwa Freistellungen ihrer Auszubildenden nicht nur zähneknirschend zu akzeptieren oder gar zu verhindern,
sondern im Gegenteil zu forcieren.
Obwohl das unmittelbare Projektziel nicht erreicht werden konnte, sind die
Erfahrungen auf dem Weg dorthin wichtig für die weitere Konzipierung des
Berufsbildes „Servicekaufmann/Servicekauffrau“.
[email protected]
Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“
73
5 Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“
Vor dem Hintergrund des immer schärfer werdenden Wettbewerbs reicht es
nicht mehr aus, als Einzelkämpfer im Markt aufzutreten. Gerade der Dienstleistungsbereich ist mit seinen vernetzten Strukturen auf Kooperationen angewiesen. Systemanbieter sind selten unter kleinen und mittelständischen
Unternehmen zu finden, so daß sich hier fast zwangsläufig die Notwendigkeit
zur Kooperation ergibt: zum einen, um den Wettbewerb mit Großunternehmen aufnehmen zu können und dem Degressionseffekt, d.h. dem Größenvorteil und der Finanzkraft der Großkonzerne, entgegenzuwirken, zum anderen,
um die eigene Innovationskraft zu steigern und damit Wettbewerbsvorteile zu
erzielen.
Gerade für ein Bundesland wie das Saarland, das sich in einem Umstrukturierungsprozeß befindet und zahlreiche neue Arbeitsplätze schaffen muß, um
die frei werdenden Angestellten anderer, rückläufiger Industriezweige wie der
Montanindustrie aufzufangen, ist eine Stärkung kleinerer Unternehmen und
des Mittelstandes durch die Bildung von Kooperationen sehr wichtig, um positive beschäftigungswirksame Effekte zu erzielen.
„Neue Arbeitsplätze entstehen nicht in den Großunternehmen, sie können nur in den kleinen und mittleren Unternehmen des Handels, des
Handwerks und des Dienstleistungsbereichs sowie der neuen Technologien geschaffen werden.“ (Georgi 2000)
Für das Saarland ist die Bildung eines Dienstleistungsstandortes lebensnotwendig: Hiermit können einige der negativen Folgen einer Strukturschwächung wie verminderte Steuereinnahmen und erhöhte Arbeitslosigkeit abgemildert, die negativen Konsequenzen jedoch nicht vollkommen ausgeglichen
werden. Die Wirtschaftspolitik der Landesregierung verfolgt daher das primäre Ziel, bestehende Arbeitsplätze zu erhalten oder neue Arbeitsplätze zu
schaffen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, „wenn alle regionalen Partner
74
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
an einem Strang ziehen und wenn Innovation zum Markenzeichen des Landes gemacht wird“ (Georgi 2000).
Deshalb ist eine Stärkung der Kooperationskultur und damit der Innovationskraft der Unternehmen, neben der Förderung von Existenzgründungen, der
Standortaufwertung, der beruflichen Qualifizierung und der Steigerung der
Wirtschaftsfreundlichkeit, entscheidend für die regionale Entwicklung des
Saarlandes.
Aus dieser Überlegung heraus und in Anknüpfung an die beiden anderen
Teilprojekte entstand die Idee zum dritten Teilprojekte: zu überprüfen, inwieweit sich der Servicegedanke als integratives Bindeglied für Kooperationen
eignet.
Eine solche Instrumentalisierung des Service-Leitbildes lag insofern nahe, als
eine Kooperation ihre Kraft weniger aus ihrer simplen Existenz heraus schöpfen als vielmehr aus dem realisierten Nutzen, der letztlich an der Kundenschnittstelle entsteht. Oder anders formuliert: Letztlich zählt weniger die Kooperation als vielmehr die realisierte Wertschöpfung. Vor diesem Hintergrund
sollte zunächst erklärt werden, wie Kooperationen ablaufen, um Ansatzpunkte für eine sinnvolle Orientierung am Service zu finden.
5.1 Konzeption: Kooperationsnetzwerke
5.1.1 Kooperationsbeeinflussende Rollen
Damit sich Unternehmen wirklich zu einer Kooperation zusammenschließen,
muß das wirtschaftliche Erfolgspotential klar erkennbar sein. Die Kennzahl
Return on Investment spielt für kleine und mittlere Unternehmen immer noch
die größte Rolle, wenn es darum geht, wirtschaftliche Aktivitäten zu planen.
Die Wissenschaft geht an dieser Stelle zwar schon weiter und beurteilt die
Lerneffekte, die im Rahmen einer Kooperation erzielt werden können, zum
Teil höher als den eigentlichen Ertrag, den die Kooperation erwirtschaftet
(vgl. Prage/Probst/Rüling 1996). Zahlreiche Gespräche mit Unternehmern
[email protected]
Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“
75
zeigen jedoch, daß diese Denkweise im Bereich von Klein- und Mittelunternehmen wenig verbreitet ist: Für beide muß ein wirtschaftlicher Erfolg am Ende einer Kooperation erkennbar sein, sonst werden keine Anstrengungen in
diese Richtung unternommen.
Im Zusammenhang mit Kooperationen stellt sich die Frage, welche Unterstützung kooperationswillige Unternehmen bei der Kooperationsentscheidung
und der -durchführung durch Institutionen, Verbände oder durch die öffentliche Hand erhalten. Um dies zu analysieren, muß zuerst ermittelt werden,
welche Arten kooperationsbeeinflussender Einrichtungen überhaupt vorhanden sind. Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Arten:
•
Initiatoren animieren Unternehmen zu kooperieren und unterstützen sie in
ihren strategischen Entscheidungen.
•
Moderatoren/Reflektoren begleiten die Kooperationsverhandlung und Kooperationsdurchführung und stehen den Unternehmen beratend zur Seite.
•
Bei Kooperationsbörsen/Firmendatenbanken haben Unternehmen die
Möglichkeit, aktiv nach einem geeigneten Partner zu suchen oder ein Gesuch nach Kooperationspartnern zu veröffentlichen.
Vor diesem Hintergrund war zunächst die Einordnung bestehender kooperationsbeeinflussender Einrichtungen im Saarland in bezug auf ihre Aufgabenstellung hinsichtlich Kooperationsinitiierung, -moderation und -förderung vorgesehen.
5.1.2 Kooperationsformen
„Kooperation“ wird als Oberbegriff für netzwerkartige Formen der zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit verwendet (vgl. Bühner 2001, 433-434). Diese
Zusammenarbeit entsteht meist zwischen wenigen, rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Unternehmen gleicher oder unterschiedlicher Größe zur
Steigerung der gemeinsamen Wettbewerbsfähigkeit, zudem aber auch zwischen Unternehmen und anderen Partnern wie beispielsweise Forschungseinrichtungen.
76
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
Eine wegen ihrer Funktionalität wichtige Systematisierung von Kooperationen
erfolgt zum Beispiel nach der Richtung des Zusammenschlusses (vgl. Picot/Dietl/Franck 1997, 126-127):
 Horizontale Kooperationen umfassen Unternehmen der gleichen Branche
sowie der gleichen Wertschöpfungsstufe.
 Vertikale Kooperationen umfassen Unternehmen verschiedener Wertschöpfungsstufen einer Branche. Dabei kann es sich sowohl um eine vorals auch nachgelagerte Stufe handeln.
 Laterale oder konglomerate Kooperationen umfassen Unternehmen verschiedener Branchen.
Eine weitere Systematisierung kann nach der Reichweite der Beziehungen im
Sinne von Vertrags- oder Zusammenschlußdauer erfolgen. Hierbei ist zwischen einer kurzfristig-temporären und einer langfristig-unbeschränkten Unternehmensverbindung zu unterscheiden.
Ein anderes Kriterium stellt der Umfang der Zusammenarbeit dar. So kann
sich eine Zusammenarbeit über die gesamte Wertschöpfungskette erstrecken, aber auch nur Teilfunktionen umfassen. Daraus ergeben sich verschiedene Kooperationsformen, was Abbildung 8 verdeutlicht.
Zeitdauer
Integration
langfristig
Vertragliche
Kooperation
Joint Venture
Virtuelles
Unternehmen
Projektbezogene
Kooperation
kurzfristig
Beratung
niedrig
hoch
Vertragliche Verzahnung
Reversibilität
Abbildung 8: Kooperationsausprägungen
hoch
niedrig
[email protected]
Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“
77
Innerhalb der vorliegenden Studie sind grundsätzlich alle Kooperationen interessant, die zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Region beitragen
können, indem sie den einzelwirtschaftlichen Erfüllungsgrad betriebswirtschaftlicher Zielgrößen verbessern helfen. Speziell zu nennen sind dabei (vgl.
Picot/Dietl/Franck 1997, 124-125)
–
Einsparung von Produktions- und Transaktionskosten,
–
Risikoteilung sowie
–
Überwindung von Know-how- und Kapazitätsgrenzen.
Die Regionalentwicklung ist hier nicht genannt, sie kommt aber aus einer
nicht primär durch die Unternehmen selbst forcierten Perspektive heraus zum
Tragen.
¹
Regionalentwicklung ist zunächst ein rein deskriptiver Begriff:
Eine Region entwickelt sich, wenn sich konkret meßbare Indikatoren verbessern und nicht gleichzeitig andere Indikatoren verschlechtern. Regionalentwicklung kann aber auch ein normativ
besetzter Begriff sein: Sobald von Seiten der Politik Ziele vorgegeben werden, die prioritär zu verfolgen sind, dann kann eine
zuvor definierte Form der Regionalentwicklung durchaus dysfunktionale Nebenwirkungen in gerade nicht betrachteten Wirkungsfeldern aufweisen.
5.1.3 Bildung von Kooperationen
Für die Förderung von Kooperationen kann man sich an den einzelnen Phasen des Kooperationsprozesses orientieren. Die Kooperationsbildung wird
dabei in drei Phasen unterteilt (vgl. Bronder/Pritzl 1991):
•
In der Phase des strategischen Entscheides müssen die Unternehmen
zuerst die Notwendigkeit des Kooperierens, d.h. den wirtschaftlichen
Druck oder Zwang, identifizieren oder den Nutzen einer Kooperation erkennen. Entscheidet sich das Unternehmen zu kooperieren, muß die Definition einer klaren Zielsetzung erfolgen. Darin sollten Fragen nach Grö-
78
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
ßenvorteilen, Risikominimierung, Eröffnung von Marktzugangschancen
oder Verbesserung der Technologie berücksichtigt werden. Anschließend
erfolgt die Wahl der Kooperationsform. Neben Dauer und Umfang der Zusammenarbeit muß das Unternehmen entscheiden, welche Wertschöpfungsaktivitäten die Kooperation umfassen soll.
•
In der zweiten Phase der Partnerwahl müssen neben den wirtschaftlichen
auch soziale Aspekte berücksichtigt werden. So kommt es beim grundsätzlichen Fit auf das gegenseitige Vertrauen und die Situation, in der
sich die jeweiligen Unternehmen befinden, an. Der strategische Fit zielt
auf die Vereinbarkeit der Zielvorstellungen, Planungshorizonte und Ressourcen. Der kulturelle Fit beschäftigt sich mit der Unternehmenskultur
und ihrer Eignung für das Kooperationsvorhabens. Beim operativen Fit
untersucht man die Akzeptanz des Kooperationsvorhaben im Unternehmen, um auftretende Widerstände analysieren und beseitigen zu können.
Weiterhin müssen das Rechts-, Vertrags- und Kooperationsgefüge untersucht und unter Umständen erweitert oder erneuert werden.
•
In der dritten Phase „Management und Kooperation“ werden die Organisationsstruktur festgelegt und die Personen für das Management benannt. Wichtig ist dabei die Frage nach der Aufgaben- beziehungsweise
Interaktionsorientiertheit der Handlungskompetenzen und der Schlüsselpersonen. Weiterhin müssen Regeln für Information, Kommunikation und
Zusammenarbeit festgelegt werden.
Diese drei Phasen der Kooperationsbildung werden in Abbildung 9 grafisch
verdeutlicht.
[email protected]
Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“
79
Mögliche Rollen von
Kooperationsakteuren:
Unternehmen 1
Unternehmen 2
Initiation Bereitstellung von
Moderation/
Kooperationsbörsen, Reflexion
Firmendatenbanken
Str
E n at egis
tsc
hei c her
d
Pa
rtn
erw
ah
l
Management
hl
a
erw
rtn
a
P
her
isc
g
e
d
at
Str tschei
n
E
Starkes Unternehmen
Starke Kooperationen
Starke Region
Abbildung 9: Prozeß der Kooperationsbildung
Um das Ziel, die Stärkung der regionalen Wirtschaft, zu erreichen, sind Bund,
Länder und Gemeinden für die Initiierung, Moderation und Förderung von
Kooperation mitverantwortlich. Sie übernehmen unter anderem die Aufgabe,
die Aktivitäten der einzelnen Initiatoren, Moderatoren und Förderer aufeinander abzustimmen, um ein effizientes Arbeiten zu gewährleisten und effektive
Kooperationsnetzwerke zu bilden.
5.2 Manifestation: Kooperations-Infrastruktur im Saarland
Im folgenden werden ausgewählte wichtige im Saarland vorhandenen kooperationsfördernden Einrichtungen und ihre Aktivitäten beispielhaft kurz aufgeführt und hinsichtlich ihrer Rollen systematisiert. Die Auswahl impliziert hierbei
allerdings nicht die Vollständigkeit der Institutionen, zumal sich die Kooperations-Infrastruktur fortlaufend verändert und an neue Rahmenbedingungen anpaßt. Zudem beschränken wir uns bewußt auf die Institutionen, die für die
Kooperationsförderung verantwortlich sind. Ausgenommen sind daher die
Institutionen, die primär die Existenzgründung unterstützen, da eine reine Existenzgründung zunächst eine auf das Einzelunternehmen spezialisierte Aktivität darstellt. Dieser Bericht beschäftigt sich jedoch ausschließlich mit der
80
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
Initiierung, Moderation und Vermittlung von Partnern bezüglich Kooperationen im Saarland.
5.2.1 Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer (KWT)
An der Universität des Saarlandes besteht seit Mitte 1985 eine Kontaktstelle
für Wissens- und Technologietransfer (www.uni-saarland.de/verwalt/kwt/),
deren Aufgabe es ist, die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft im beiderseitigen Interesse zu vertiefen. Ihre Zielsetzung umfaßt dabei
die Förderung technologischer Kooperationen zur Steigerung der Innovationskraft der Unternehmen und zur langfristigen regionalen Wirtschaftsentwicklung.
Schwerpunkt der Tätigkeit der KWT ist die Förderung der Zusammenarbeit
mit kleineren und mittleren Unternehmen. Diese sollen das aktuelle, praxisbezogene Forschungswissen und die Problemlösungskapazität der Universität für die Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit nutzen können.
Hierzu informiert die Kontaktstelle die Unternehmen über das an der Universität vorhandene wirtschaftsnahe Wissen und über mögliche Gebiete und Formen gemeinsamer Vorhaben und vermittelt kostenlos Kontakte zu den geeigneten Wissenschaftlern und ihren Labors. Ebenso werden Anfragen der
Wissenschaftler an interessierte Unternehmen weitergeleitet, um damit die
Praxisnähe der Projekte zu gewährleisten.
Bei gemeinsamen Vorhaben zwischen Wissenschaftlern der Universität und
Unternehmern werden auch Unterlagen über mögliche Förderprogramme
bereitgestellt, die formale Antragstellung unterstützt und die administrative
Abwicklung betreut. Um den gegenseitigen Erfahrungsaustausch zwischen
den Wissenschaftlern der Universität und den Fachleuten der Wirtschaft zu
ermöglichen und das Angebot der Universität bekannt zu machen, werden
Vorträge, Seminare, Round-table-Gespräche und Messepräsentationen geplant und organisiert.
„Grundsätzlich ist anzumerken, daß die Firmenstruktur im Saarland häufig einer Zusammenarbeit mit der Wissenschaft im Wege steht. Bei grö-
[email protected]
Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“
81
ßeren Unternehmen handelt es sich zumeist um Produktionsfirmen, und
kleinere Unternehmen sind häufig Zulieferbetriebe. Somit besteht nur ein
geringes Interesse, neue Forschungsideen zu entwickeln oder umzusetzen. Teilweise fehlen den Unternehmen aber auch die finanziellen Möglichkeiten. Als Konsequenz daraus wurde 1995 das Starter-Zentrum gegründet, welches mit Hilfe der KWT Firmengründungen unterstützt und
begleitet. Damit wird die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft aktiv gefördert.“
(Interview mit Frau Merkle, Mitarbeiterin der KWT, am 22.08.2000)
Von den durch die Kontaktstelle in Gang gebrachten Kooperationen zwischen
der Hochschule und einzelnen Unternehmen laufen etwa 2/3 unter der Beteiligung von kleineren und vor allem mittelständischen Unternehmen aus dem
Saarland ab. Die KWT versteht sich dabei lediglich als Vermittlungsstelle. Es
erfolgt keine Betreuung oder Moderation der Kooperation. Finanziert wird die
Kontaktstelle durch ein EU-Programm der Wirtschaftsförderung.
5.2.2 Institut für Technologietransfer (FITT)
Das Institut für Technologietransfer (www.fitt.de) ist die Kontaktstelle zwischen Unternehmen und der Hochschule für Technik und Wirtschaft des
Saarlandes (HTWdS). Seine Aufgabe ist es, Kontakte zwischen der Hochschule und der Wirtschaft zu intensivieren, das an der HTWdS vorhandene
Know-how der Wirtschaft verfügbar zu machen und den Erfahrungsaustausch
zwischen der Hochschule und der Wirtschaftspraxis über konkrete Projekte
zu vertiefen.
Das FITT bietet insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen seine
Dienstleistungen an. Dabei fühlt sich das Institut seinen Fördermitgliedern
besonders verpflichtet. Dem Förderverein des FITT (Gesellschaft der Förderer des Instituts für Technologietransfer an der Hochschule für Technik und
Wirtschaft des Saarlandes e.V.) gehören zahlreiche Unternehmen, Privatpersonen und Ministerien an. Dieser ist nicht nur Träger der Einrichtung, sondern
legt auch die Richtlinien für die Projektarbeit fest. Das Institut finanziert sich
durch die Mitgliedsbeiträge (weniger als 10% des Budgets) und aus Mitteln
des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen.
82
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
Ähnlich wie die KWT vermittelt das FITT Kontakte zwischen Unternehmen
und Wissenschaftlern an der HTW. Oft entsteht der Kontakt über Seminare,
die durch das FITT veranstaltet werden. Zwar werden Beratungsdienstleistungen am häufigsten nachgefragt, aber Kooperationen zwischen Unternehmen und Wissenschaftlern der HTW können bis zu gemeinsamen Entwicklungsprojekten reichen. Zusätzlich akquiriert das Institut aktiv Kooperationspartner für die HTW.
Trotz der ähnlichen Zielsetzung von KWT und FITT und der Beteiligung des
Geschäftsführers der KWT als beratendes Mitglied im Vorstand des FITT arbeiten die beiden Institute nur bedingt zusammen. Kooperationen erstrecken
sich hauptsächlich auf gemeinsame Messeauftritte.
5.2.3 Kooperationsstelle Hochschule und Arbeitswelt (KHA)
Die
Kooperationsstelle
Hochschule
und
Arbeitswelt
(www.uni-
saarland.de/verwalt/kha/) ist eine Institution, die von der Arbeitskammer des
Saarlandes, dem Wissenschaftsministerium, dem DGB-Landesbezirks Saar
und der Universität des Saarlandes gegründet wurde. Das Aufgabengebiet
der Kooperationsstelle umfaßt dabei drei Teilbereiche: (a) die Ausschreibung
und Vergabe von Forschungsprojekten, (b) die Ausrichtung von Weiterbildungsseminaren und Arbeitskreisen sowie (c) den Wissenstransfer in Form
von Tagungen, Vorträgen und Publikationen. Ziel ist es, die „human resources“ als einen zentralen Ansatzpunkt im Arbeitsleben zu unterstützen und
dies über ein kooperatives Wissensmanagement zu realisieren.
Die KHA versucht, zwischen den unterschiedlichen Kulturen und Arbeitsweisen der möglichen Kooperationspartner zu vermitteln. Bei Bedarf moderiert
sie auch die notwendigen Prozesse als neutrale Institution.
[email protected]
Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“
83
5.2.4 Zentrale für Produktivität und Technologie e.V. (ZPT)
Die Zentrale für Produktivität und Technologie e.V. (www.zpt.de) ist eine Institution der IHK des Saarlandes. Die Kooperationsförderung richtet sich besonders an zukunfts- und technologieorientierte Unternehmen.
Die ZPT versteht sich vor allem als Plattform zur Herstellung von Kontakten
zwischen verschiedenen Unternehmen. Als Instrumente zur Kontakt- und Kooperationsvermittlung stehen dabei Ländersprechtage, Wirtschaftsinformationstage, Markterkundungsreisen, Messebeteiligungen und die Kooperationsbörse der IHK zur Verfügung.
Gefördert wird die Institution durch das Wirtschaftsministerium. Die Geschäftsführung obliegt der IHK, die auch die Räume zur Verfügung stellt. Zusätzlich erhält die ZPT für die Durchführung von verschiedenen Projekten,
wie zum Beispiel Initiative Regiotec, Drittmittel der EU.
Die ZPT (www.zpt.de) ist, neben ihren gerade beschriebenen Kernfunktionen,
ein Euro Info Centre. Die Euro Info Centres (EICs) bilden ein hochqualifiziertes europäisches Netzwerk von 275 Beratungseinrichtungen, das von der
Europäischen Kommission 1989 zur Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen eingerichtet wurde.
Sie informieren und beraten kleine und mittlere Unternehmen über Entscheidungen, Initiativen und Programme der Europäischen Union und helfen ihnen
bei der Partnersuche. Der direkte Kontakt nach Brüssel und eine leistungsstarke Infrastruktur sollen eine schnelle, effiziente und kostengünstige Unterstützung der Unternehmen vor Ort ermöglichen. Im Bereich Kooperation haben die EICs und damit auch die ZPT Zugang zu verschiedenen Datenbanken und Foren (Übersicht 26).
84
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
•
Business Cooperation Network (BC-NET) – ist ein Datenbanksystem, das von den meisten EICs und weiteren 300 Beratern aus über 50 Ländern genutzt wird.
Büro für Unternehmenskooperation (BRE) – erstellt auf Basis des Kooperationswunsches ein Inserat, das über ein Netzwerk von 300 Korrespondenten in 50 Ländern verbreitet wird.
Euro Info Centre Netzwerk – gewährleistet individuelle Partnervermittlung mit spezialisierten Unternetzen, die durch ein E-mail-System verbunden sind.
EUROPARTENARIAT – sind Kooperationskonferenzen in ausgewählten Regionen mit
bis zu 3.000 Unternehmen aus ganz Europa.
INTERPRISE und MEDPARTENARIAT – sind branchenspezifische Kooperationsbörsen
mehrerer Regionen.
CORDIS und ARCADE – sind Datenbanken für die Suche nach Kooperatonspartnern für
Forschungs- und Entwicklungsprojekte.
•
•
•
•
•
[email protected]
Übersicht 26: Kooperationsdatenbanken und -foren
Daneben sind die EICs auch an weiteren EU-Netzen, wie zum Beispiel den
Innovation Relay Centres (IRC) und der Organisation zur Förderung von Energietechnologien (OPET), beteiligt und können dadurch spezifische
Vermittlungsleistungen anbieten.
5.2.5 Universitäre Institute
Zu den Moderatoren von Kooperationen gehören vor allem auch universitätsnahe Einrichtungen, so im Saarland unter anderem beispielsweise das Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi) sowie das Institut für Managementkompetenz (imk). Sie übernehmen eine Kooperationsmoderation oftmals nur im
Rahmen eines von ihnen selbst initiierten Forschungsprojektes. Ihre Aktivitäten in diesem Bereich werden somit durch Forschungsdrittmittel finanziert.
Hier zeigt sich insbesondere die erfolgreiche Umsetzung des Modells von
Public Private Partnerships (vgl. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
1999), die eine mittelfristige, wechselseitige Verpflichtung auf gemeinsame
Ziele voraussetzt. Voraussetzung ist ein wechselseitiges Vertrauen in die
Leistungsfähigkeit und die Zuverlässigkeit der Partner.
a) Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi)
Das Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität des Saarlandes
(www.iwi.uni-sb.de) wurde 1979 aus dem Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik
von Prof. Dr. Dr. Scheer heraus gegründet. Es führt eine Reihe von praxisori-
[email protected]
Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“
85
entierten Forschungsprojekten im Zusammenhang mit neuen Technologien
durch. Im Rahmen unter anderem von BMBF-Projekten (Bundesministerium
für Bildung und Forschung) und EU-Projekten betreut das IWi Kooperationen
von Unternehmen.
An zwei Standorten – dem Campus der Universität des Saarlandes und dem
Zentrum für innovative Produktion – werden anwendungsspezifische Schwerpunkte wie Industrie, Dienstleistung und Bildung vernetzt erforscht und
Ergebnisse umgesetzt. Wichtig ist hier vor allem die Förderung einer starken
Interaktion zwischen Dienstleistungsbereich und Industrie, die gegenseitig
viel voneinander lernen können,
zum
Beispiel
hinsichtlich
Innovati-
onsgeschwindigkeit und Kundenorientierung. Das Institut für Wirtschaftsinformatik berücksichtigt daher den steigenden Anteil an Dienstleistungen in
der Wirtschaft insbesondere durch die Unterstützung der servicespezifischen
Geschäftsprozesse mit innovativen Informationstechnologien und fortschrittlichen Organisationskonzepten. Service Engineering, Referenzmodelle für die
öffentliche Verwaltung sowie die Vernetzung von Industrie, Dienstleistung
und Verwaltung bilden die zentralen Themen.
Das Institut für Wirtschaftsinformatik agiert damit als Moderator von Kooperationsprojekten. Es übernimmt sowohl für die Bereitstellung der notwendigen
Infrastruktur sowie für die Moderation der Prozesse Verantwortung.
b) Institut für Managementkompetenz (imk)
Das Institut für Managementkompetenz der Universität des Saarlandes
(www.orga.uni-sb.de/imk) wurde 1998 am Lehrstuhl für Organisation, Personal- und Informationsmanagement von Prof. Dr. Scholz gegründet. Schwerpunkt der Forschungstätigkeit sind theoriegestützte empirische Untersuchungen im Bereich des Managements von Unternehmen, der Unternehmensorganisation, dem internationalen und interkulturellen Management, dem Personalmanagement sowie dem Medien- und Kommunikationsmanagement. Im
Rahmen von Public Private Partnerships wird es als Wissenstransfernetzwerk
eingeordnet (vgl. Konegen-Grenier/Winde 2000, 123-127).
86
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
Inhaltlich bestehen verschiedene Kompetenzschwerpunkte wie das "Global
Performance Project" (GPP) für die internationale empirische Organisationsforschung oder das ccTIME (Competence Center Telekommunikation-Informationstechnologie-Medien-Entertainment). Das imk moderiert unter anderem die Startphase von Kooperationsprojekten wie zum Beispiel den 24h
Handwerker Service. Ferner kooperiert das imk mit Einrichtungen wie der
Kooperationsstelle Hochschule und Arbeitswelt e.V. (KHA) oder der Arbeitskammer des Saarlandes (AK), um eigene Forschungsprojekte in Kooperationsstrukturen zu initiieren und durchzuführen, etwa im Medienbereich oder im
Feld modernen Personalmanagements. Hierdurch sowie durch weitere Kontakte mit Unternehmen der TIME-Branche wird insbesondere die Kooperation
von Unternehmen mit der Universität gefördert.
5.2.6 IHK Saarland
Die Kooperationsbörse der IHK Saarland (www.saarland.ihk.de) bietet Nachfragern von Dienstleistungen, aber auch anderen Unternehmen, die Möglichkeit, geeignete Kooperationspartner zu finden. Monatlich werden ca. 40 Gesuche veröffentlicht. Voraussetzung dafür ist das Ausfüllen eines Fragebogens, um das Unternehmen zu kategorisieren. Die Bearbeitung, d.h. der Eintrag in die Kooperationsbörse, ist für die Unternehmen kostenfrei.
Pro Gesuch erreichen die IHK ca. zwei Anfragen, die sie ohne Prüfung oder
Selektion an die nachgefragten Unternehmen weiterleitet. Das Angebot und
die Anfragen sind branchenübergreifend und teilweise auch überregional.
Allerdings zielt diese Einrichtung vor allem auf die Kooperationsförderung im
Saarland ab.
Die IHK nimmt nur eine Vermittlerrolle ein, für die Betreuung oder Moderation
der entstehenden Kooperationen ist sie nicht zuständig. Dies und das mangelnde Feedback von Unternehmensseite sind die Gründe dafür, daß über
Kooperationsanzahl, -formen und -effizienz keine Angaben gemacht werden.
Trotz der geringen Größe des Saarlandes ist die Resonanz auf das Angebot
positiv zu bewerten.
[email protected]
Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“
87
Weiterhin ist die IHK an einem Gemeinschaftsprojekt aller Industrie- und
Handelskammern in Deutschland beteiligt, das sowohl regional als auch
deutschlandweit Kooperationen vermittelt. Unter www.kooperationsboerse.
ihk.de/kdbdiht.asp können mit Hilfe eines Fragebogens Wünsche und Anforderungen an einen potentiellen Kooperationspartner definiert werden.
Die Kooperationsanfragen bleiben für ca. zwei Jahre abrufbar im Netz. Dabei
gibt es zwei Möglichkeiten der Kontaktaufnahme:
1. Die Adresse des Unternehmens wird vom jeweiligen Ansprechpartner der
IHK direkt an den Interessenten weitergegeben.
2. Die Kontaktperson der IHK initiiert und moderiert das Vorhaben, falls das
Unternehmen im ersten Schritt anonym bleiben will.
Im Raum Saarland gibt es auch die Möglichkeit zur Eigenrecherche in den
Firmenprofilen der einzelnen saarländischen Unternehmen. Dazu hat die IHK
Saarland eine „Firmendatenbank Saarland“ eingerichtet. Zur Zeit (April 2002)
beinhaltet sie 4.758 Mitglieder. Um eingetragen zu werden, müssen die Mitglieder einen Fragebogen ausfüllen. Zusätzlich zu bestimmten Schlüsselwörtern kann ein Fließtext mit einer Länge von bis zu einer DIN A4 Seite eingetragen werden, der das Unternehmen näher beschreibt. Die Fragebögen
werden willkürlich an IHK-Mitglieder oder teilweise nach Branchen geordnet
mehrmals jährlich verschickt. Der Eintrag in die Datenbank ist kostenfrei. Eine
Aktualisierung der Daten erfolgt durch die Unternehmen selbst, indem sie
Neuerungen ihres Firmenprofils der IHK schriftlich mitteilen. Nach der Veröffentlichung der Firmendaten können kooperationswillige Unternehmen nach
einem geeigneten Partner suchen. Dies geschieht wiederum mit einer Eingabemaske, zu erreichen im Internet über die Adresse http://sql.regiotec.de/
vector/suche.php3. Da die Datenbank auf dem Server der IHK liegt, entstehen durch den Betrieb keine zusätzlichen Kosten. Betreut wird das Projekt
von Mitarbeitern der IHK.
Im ersten Halbjahr 2000 konnten 45.000 Zugriffe auf die Firmendatenbank
registriert werden. Leider kann die IHK auch hier keine Angaben über Anzahl,
Formen und Effizienz der entstandenen Kooperationen machen, da sie nur
88
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
die Plattform zur Verfügung stellt, die Zusammenarbeit der verschiedenen
Unternehmen aber nicht betreut.
5.2.7 Firmendatenbank des Ministeriums für Wirtschaft
Die Datenbank des Ministeriums für Wirtschaft (www.firmen.saarland.de) ermöglicht es Unternehmen, Institutionen und Privatpersonen, im OnlineVerfahren aktuelle Informationen über die Leistungsmöglichkeiten saarländischer Unternehmen aus den Themenbereichen Neue Medien, IT und Telekommunikation zu erhalten. Das Ablegen von Daten sowie die Nutzung der
Datenbank sind kostenfrei. Alle im Saarland ansässigen Unternehmen, die
Leistungen im Bereich Neue Medien, IT und Telekommunikation anbieten,
können aufgenommen werden. Dazu müssen sie, wie bei der Firmendatenbank der IHK, einen Fragebogen ausfüllen, der dann zur Klassifizierung der
Unternehmen eingesetzt wird. Das in der Datenbank veröffentlichte Firmenprofil beruht demnach auf den Beschreibungen der Unternehmen selbst. Das
Ministerium für Wirtschaft überprüft diese Angaben nicht und übernimmt deshalb auch keine Verantwortung für ihre Richtigkeit.
Nachfrager der Datenbank können sowohl private wie auch gewerbliche
TIME-Unternehmen sein. Darüber hinaus hat sich gezeigt, daß die Datenbank auch ganz andere – nicht intendierte – Effekte hat, wie z.B., daß Studenten beziehungsweise Jobsuchende sie zur Suche nach Firmen nutzen.
Die Datenbank erfreut sich einer weiten Akzeptanz (Übersicht 27).
[email protected]
Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“
89
Nutzungszahlen im gesamten Zeitraum 01.01.2000 bis 28.08.2000:
Anzahl der Hits auf Homepage www.firmen.saarland.de
Anzahl der erfolgreichen Hits auf die gesamte Site
Anzahl der Seitenimpressionen
Anzahl der Anwendersitzungen
Mittlere Anzahl an Hits pro Tag
Mittlere Anzahl an Seitenimpressionen pro Tag
Mittlere Anzahl an Anwendersitzungen pro Tag
Mittlere Länge einer Anwendersitzung
Mittlere Anzahl an Anwendern an Werktagen
Mittlere Anzahl an Hits an Werktagen
Anzahl der eindeutigen Besucher
Anzahl der Besucher, die nur einmal kamen
Anzahl der Besucher, die mehrmals kamen
5.820
115.706
55.021
6.685
482
229
27
00:05:28
32
609
2.119
1.526
593
Anzahl der Nutzer mit der jeweiligen Anzahl der Besuche:
1526 Nutzer
198 Nutzer
71 Nutzer
55 Nutzer
37 Nutzer
27 Nutzer
28 Nutzer
27 Nutzer
30 Nutzer
120 Nutzer
besuchten die Datenbank einmal
besuchten die Datenbank zweimal
besuchten die Datenbank dreimal
besuchten die Datenbank viermal
besuchten die Datenbank fünfmal
besuchten die Datenbank sechsmal
besuchten die Datenbank siebenmal
besuchten die Datenbank achtmal
besuchten die Datenbank neunmal
besuchten die Datenbank zehnmal oder öfter
Übersicht 27: Beispiel der Nutzungsstatistik der Firmendatenbank des Ministeriums für Wirtschaft vom 01.01.2000 bis 28.08.2000 (Angaben aus dem Ministerium)
5.2.8 Zusammenführung
Die kurz vorgestellten Institutionen nehmen hinsichtlich der Unterstützung
von Kooperationen unterschiedliche, sich ergänzende Rollen wahr (Übersicht
28). Die Unterschiedlichkeit der Aufgaben ergibt sich bereits aus den Interessen der diese Institutionen finanzierenden unterschiedlichen Geldgeber.
Insgesamt ist von einer Abdeckung der wesentlichen Kooperationsfunktionen
im Saarland auszugehen.
90
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
Inititiation
KWT
FITT
KHA
ZPT
Universitäre Institute
IHK Saarland
Firmendatenbank
Min. für Wirtschaft
x
x
x
x
x
Bereitstellung von
Kooperationsbörsen, Firmendatenbanken
[email protected]
Moderation/
Reflexion
x
x
x
x
x
Übersicht 28: Dominierende Rollen der Saarländischen Kooperationsakteure
Kritisch zu durchleuchten ist die Zusammenarbeit der verschiedenen Initiatoren, Kooperationsbörsen und Moderatoren untereinander: Obwohl sie sehr
ähnliche Ziele verfolgen, stimmen die Einrichtungen ihre Aktivitäten gemäß
der während unserer Analyse uns gegenüber gemachten Aussagen kaum
systematisch aufeinander ab. Zwar gibt es personelle Verflechtungen in der
Art, daß manche Einzelpersonen in mehreren kooperationsunterstützenden
Institutionen gleichzeitig vertreten sind. Weitere Querinformationen kommen
dadurch zustande, daß etwa bei Finanzierung durch das Wirtschaftsministerium Leistungsdaten der einzelnen Institutionen verglichen werden können.
Auch existieren übergeordnete deutschlandweite Einrichtungen wie beispielsweise die Hans-Böckler-Stiftung, die ein Netzwerk zu Kooperationsstellen zwischen Hochschulen und Gewerkschaften betreut, in dessen Arbeit
auch saarländische Institutionen einbezogen sind. Trotz dieser Kontakte und
Vernetzungen bleibt der Eindruck bestehen, daß sich ihre Angebote im Saarland nicht nur ergänzen, sondern sich vielmehr teilweise überschneiden, ohne daß eine differenzierte Abstimmung der Aktivitäten sowie der Öffentlichkeit
gegenüber eine weitgehende Transparenz gegeben sind.
[email protected]
¹
Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“
91
Im Saarland ist das Angebot an Kooperationsinitiatoren, -moderatoren, -börsen und -vermittlungsstellen insgesamt breit gefächert. Grundsätzlich ist eine ausreichende Anzahl an Ansprechpartnern und Kontaktstellen vorhanden. Es ist jedoch zu hinterfragen, inwieweit weitgehend unabhängig voneinander erfolgende Anstrengungen der Einrichtungen die übergeordnete Zielvorstellung einer Regionalentwicklung des Saarlandes erfüllen. Eine
Zusammenlegung von Doppelarbeiten in einer einzigen „saarlandweiten Kooperations- und Kontaktstelle“ wäre daher in Abwägung der Vor- und Nachteile einer Wettbewerbssituation auf
diesem Feld überlegenswert.
Wie bereits die Nähe wichtiger saarländischer Branchen wie etwa in Banken,
Handel und Versicherungen sowie in der Informationstechnologie gerade im
Hinblick auf die Servicementalität zeigt, ergeben sich hier über den Servicegedanken eine Reihe sinnvoller Kooperationspotentiale. Institutionen wie die
KHA mit ihrer Profilierung als kompetente Wissensmanagement-Stelle für ihre
Projektpartner oder die KWT mit ihrer Profilierung als Förderer von Jungunternehmern und Existenzgründern verfolgen diesen Weg bereits. Insgesamt
würde Serviceorientierung auf diese Weise gleichzeitig zum Ziel von Kooperationen und zum Instrument für die Regionalentwicklung (Übersicht 29).
•
•
•
•
•
•
•
Übernahme von fachspezifischen Kundendienst-Aufträgen
Gegenseitige Vertretung der Kooperationspartner in bestimmten Regionen
Gegenseitige Vertretung der Kooperationspartner zu bestimmten Zeiten
Urlaubsvertretung)
Gemeinsame Kunden-Beratungsstellen
Gemeinsame Aus- und Weiterbildung der Servicemannschaft
Gemeinsame Ausbildung von serviceorientierten Berufseinsteigern
Ausbau der Kooperations-Infrastruktur
Übersicht 29: Inhalte von Service-Kooperationen (erweitert nach BMWi 2002, 9)
(z.B.
92
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
5.3 Implikation: Steigerung der Kooperationseffektivität?
Naturgemäß sind kooperationsfördernde Einrichtungen schwerpunktmäßig
nicht in der Lage, einen Einfluß auf strategische Entscheidungen auf Unternehmensebene auszuüben. Viele Führungskräfte haben die Notwendigkeit
von Kooperationen zwar erkannt, sehen in einer Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen allerdings häufiger Risiken als Chancen. Andere nehmen
die Kooperationsunterstützungsangebote konsequent nicht an, da sie hierin
von vornherein eine Bedrohung ihrer eigenen Wettbewerbsposition sehen.
Dies führt dazu, daß die Kooperationsbereitschaft im Saarland noch gesteigert werden könnte. Den Führungskräften fehlen teilweise das notwendige
Wissen sowie die notwendige Unterstützung, die sie in ihrer Entscheidung zu
kooperieren bestärkt. Hier müßte konsequent angesetzt werden, um den Unternehmen den Schritt in die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen zu
erleichtern. Dies könnte zum Beispiel mit Hilfe von (bereits von wenigen Institutionen tatsächlich angebotenen) Kooperationsseminaren geschehen, in denen den Führungskräften neben den zu tragenden Risiken vor allem die wichtigsten Erfolgsbeiträge von Kooperationen verdeutlicht werden. Hierzu ist es
jedoch ebenso unabdingbar, daß gerade auch die Moderatoren verläßliche
Problemlösungskompetenz bereitstellen. Ihre Betreuung sollte nicht nur eine
Begleitung der Zusammenarbeit in Schönwetterperioden sein, sondern gerade auch bei auftretenden Problemen und Krisen. Zudem sollten sie auch
Kompetenzen in neueren und schwierigeren Kooperationsformen wie Kooperationen mit dem Ausland (Stichwort „Saar-Lor-Lux“) oder E-Kooperationen
aufweisen.
¹
Kooperationsseminare könnten die Unternehmen aktiv in ihrer
strategischen Entscheidung unterstützen. Dies setzt voraus, daß
auch die Moderatoren gezielt auf Kooperationen und deren Krisen hin geschult sind, damit sie ihrer Rolle als Berater und
Ideengeber gerecht werden.
[email protected]
Das Teilprojekt „Kooperationen als Regionalentwicklungsmotor“
93
Die zunehmende Technologisierung stellt eine Barriere für die Kooperationsbildung dar. Viele kleine und mittlere saarländische Unternehmen schrecken
– wie der Mittelstand insgesamt – vor der Nutzung der Neuen Medien für eine
Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen immer noch zurück. Leider werden die Möglichkeiten, die zum Beispiel das Internet bietet, noch nicht ausreichend ausgeschöpft.
¹
Ziel der verschiedenen Firmendatenbanken und Kooperationsbörsen im Internet soll es daher sein, den saarländischen Unternehmen den ersten Schritt in diese „Neue Welt“ zu erleichtern
und sie im Umgang mit den neuen Techniken zielgerichtet auf
Kooperationen hin zu schulen.
Die Zusammenarbeit eines Unternehmens mit anderen Unternehmen hängt
oftmals von einer öffentlichen Förderung des Vorhabens ab. Die Unternehmen sind meist nicht bereit, ohne eine, wenn auch nur teilweise erfolgende,
finanzielle Absicherung zusammenzuarbeiten. Viele Kooperationen entstehen
nur, wenn sie von Institutionen initiiert und gefördert oder als Forschungsprojekt zeitlich begrenzt und finanziell unterstützt werden.
¹
Hierbei sollte jedoch eine explizite Langfristperspektive an die
Bewilligung von Fördermitteln gebunden sein. Es muß eine klare
Vorstellung davon bestehen, wie das Projekt nach Ablauf der
Förderung als stand-alone-Projekt weitergeführt werden soll und
kann. Ist dies nicht der Fall, sollte auch keine Bewilligung von
Fördermitteln erfolgen.
5.4 Zwischenfazit
Es gibt im Saarland eine Reihe von Institutionen, die Kooperationen unterstützen – jedoch ist die Abstimmung ihrer Aktivitäten untereinander noch weiter ausbaufähig. Insbesondere wird der Öffentlichkeit gegenüber (bis auf we-
94
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
nige Ausnahmen) wenig Transparenz erstens hinsichtlich des wohlfahrtssteigernden Beitrages kooperationsunterstützender Institutionen sowie zweitens
hinsichtlich des tatsächlichen Kooperationsnutzens geschaffen, der von den
initiierten oder moderierten Kooperationen ausgeht. Dies ist ein klares Defizit.
Solange sich die Kooperationen von öffentlicher Seite finanzieren oder subventionieren lassen und in dem Moment zu existieren aufhören, in dem der
Geldstrom versiegt, sollte dem Verdacht entgegengetreten werden, daß hier
ein „Kooperationsschaden“ im Sinne einer Geldvernichtung eingetreten ist.
Ein lapidarer Verweis auf „gemachte Erfahrungen und Erkenntnisse“ erscheint in einem solchen Zusammenhang als zu trivial, wenn nicht weitere
Soliditätsmerkmale zur Erfolgsbeurteilung hinzutreten.
¹
Ein Kooperationsnutzen besteht grundsätzlich noch nicht in der
puren Existenz von Kooperationen per se. Es würde die Transparenz der Kooperationsförderung erhöhen, wenn die kooperationsunterstützenden Institutionen den von ihnen anvisierten konkreten Kooperationsnutzen klar definieren, gegebenenfalls in
einer saarlandweit standardisierten Form.
[email protected]
Fazit
95
6 Fazit
Im folgenden werden die Ergebnisse und Erfahrungen der drei Teilprojekte
zusammengeführt und mit konkreten Handlungsempfehlungen angereichert,
die sich aus der vorliegenden Studie ergeben. Diese dienen letztlich wieder
der Etablierung des Berufsbildes „Servicekaufmann/Servicekauffrau“.
6.1 Lernnotwendigkeiten
Das erste Teilprojekt, den Unternehmen die Schlüsselqualifikationen für
Dienstleister vermittelbar zu machen, basierte darauf, Unternehmen aus dem
Saarland (je zwei Banken, Versicherungen und Handelsunternehmen) dazu
zu bringen, freiwillig Auszubildende abzustellen und diese in den genannten
Qualifikationen in verzahnter Struktur zu schulen – zusätzlich zum regulären
Ausbildungsplan. Die Schulungsform umfaßte eine Kombination von Vorträgen, Rollenspielen, Computerplanspielen, Gruppendiskussionen sowie Praxisbeispielen, wobei sowohl das imk an der Universität des Saarlandes, die
Kooperationsstelle Hochschule und Arbeitswelt, die Auftraggeber der Studie
(Gewerkschaft und Arbeitskammer) als auch die teilnehmenden Unternehmen selbst je ein Ausbildungsmodul konzipieren und übernehmen mußten.
Die Erfahrungen der Zusammenarbeit waren äußerst positiv: Bei Koordination
durch das imk konnten innerhalb eines halben Jahres sowohl die komplexe
Terminplanung als auch die innovative Stoffvermittlung realisiert werden. Die
Auszubildenden waren weitgehend in der Lage, auch unabhängig von ihren
Vorkenntnissen die servicebezogenen Qualifikationen branchenübergreifend
zu verstehen, wenn sie durch sinnvoll aufbereitete Inhalte (wie im beschriebenen Projekt) vermittelt wurden. Erfreulich war auch die zu beobachtende
Nachhaltigkeit der positiven Projekterfahrungen: Die Unternehmen führen
teilweise in Eigenregie das servicebezogene Ausbildungsprogramm inhaltlich
fort, und die beteiligten Auszubildenden wurden in ihren Unternehmen als
Multiplikatoren der gemachten Erfahrungen eingesetzt.
96
¹
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
Lernnotwendigkeit aus Teilprojekt 1:
Es ist erforderlich zu lernen, was Service bedeutet und wo Service zur Wertschöpfung beiträgt.
Das zweite Teilprojekt zur Vermittlung der serviceorientierten Schlüsselqualifikationen sollte die Berufsschulen einbinden. Hier zeigte sich, daß dies mit
viel mehr Schwierigkeiten verbunden war als bei den Unternehmen. Die Berufsschulen sahen sich überwiegend nicht in der Lage, ihre Flexibilitätspotentiale, die zu einer Servicedienstleistung für ihre Schüler geführt hätte, zu erkennen und zu nutzen – oder wollten dies nicht. Die Problematik einer Vermischung wirtschaftlich sinnvoller Aktivitäten mit existenten politischen Hintergründen führte zur Blockierung des Teilprojektes.
¹
Lernnotwendigkeit aus Teilprojekt 2:
Es ist erforderlich zu lernen, warum Service für einen Akteur
wichtig und unverzichtbar ist.
Das dritte Teilprojekt hat gezeigt, daß gerade die zur Entwicklung des Berufsbildes „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ benötigten Kooperationen im
Saarland auf eine Kooperations-Infrastruktur treffen, die sich mittlerweile ausdifferenziert hat und vielfältige Möglichkeiten von Initiation, Moderation und
Vermittlung von Partnern bietet. Kooperationsförderung ist damit mehr als
bloße finanzielle Förderung: Die Institutionen selber erbringen wichtige Serviceleistungen für den Wirtschaftsstandort Saarland.
¹
Lernnotwendigkeit aus Teilprojekt 3:
Es ist sowohl erforderlich zu lernen, welche Plattformen den Servicegedanken umsetzen helfen, als auch, wo diese Plattformen
selber Service umsetzen.
[email protected]
Fazit
97
6.2 Handlungsempfehlungen
Aus allen drei Teilprojekten lassen sich konkrete Handlungsempfehlungen
ableiten.
Die Handlungsempfehlungen des ersten Teilprojekts richten sich in ihrer Zielsetzung primär an die beteiligten Unternehmen und an solche Institutionen,
die Kooperationen initiieren, wie etwa die Arbeitskammer des Saarlandes, die
IHK oder die Kooperationsstelle Hochschule und Arbeitswelt. Alle Projektanstrengungen, die das Ziel einer multiplikativen Verstärkung der Resultate des
Pilotprojektes sowie ihrer Verankerung in der saarländischen Unternehmenslandschaft haben, sollten in diesem Sinne unterstützt werden. Das imk kann
hier wesentliche unterstützende Aufgaben übernehmen.
¹
Hinsichtlich der Qualifizierung von Serviceberufen müßten Ausbilder in Unternehmen und Berufsschulen die Notwendigkeit und
Sinnhaftigkeit des Servicegedankens und seiner Vermittlung zunächst selber einsehen und dann entsprechend einer serviceorientierten Ausbildung weiterqualifiziert werden.
¹
Servicekaufleute werden dann verstärkt ausgebildet, wenn sie
auch verstärkt nachgefragt werden: Daher ist es wichtig, einen
hohen Service-Standard in Unternehmen zu verlangen, ihn zu
kommunizieren und so einen Bedarf entsprechend qualifizierter
Mitarbeiter zu verstärken.
¹
Im Nachgang zu diesem Pilotprojekt sollten die positiven Erfahrungen flächendeckend kommuniziert werden, um die Anstrengungen in Richtung einer serviceorientierten Ausbildung zu stabilisieren. Hierzu ist eine Multiplikation des Nutzens notwendig.
98
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
[email protected]
Die Handlungsempfehlungen aus dem zweiten Teilprojekt zur Qualifizierung
2007 in Berufsschulen richten sich primär an das Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft. Das imk hat seine institutionellen Grenzen als Moderator erkannt, da sich die Berufsschullandschaft in ihrer Entscheidungsfindung
weitestgehend auf übergeordnete Anweisungsberechtigte zurückzieht und so
von selbst keine relevanten Änderungsprozesse in Gang setzt. Da es zudem
in der Regel nicht das Interesse eines Moderators ist, diese Weisungsbefugnisse zu übernehmen, bleiben die noch stärkere Einbindung dieser Anweisungsberechtigten in den Kooperationsprozeß oder aber die Ausweitung der
Autonomie der Berufsschulen auf diesem Gebiet.
¹
Die zeitliche Koordination zwischen den Unternehmen und letztlich dann zu den Berufsschulen ist eine wichtige Voraussetzung
für die zeitlich synchrone, servicebezogene Vermittlung berufsbildübergreifender Ausbildungsinhalte an Auszubildende aus
verschiedenen Branchen.
¹
Die institutionelle Koordination zwischen den Berufsschulen und
den sonstigen Einrichtungen im Saarland, die sich mit curricularen Strukturen in der Berufsausbildung beschäftigen, erfordert
einen Moderationsprozeß der Beteiligten insbesondere auf öffentlich-rechtlicher Ebene.
¹
Ministerielle Entscheidungsträger sollten nicht nur als Prozeßbegleiter, sondern als strategische Impulsgeber und Facilitatoren
in die Fortentwicklung serviceorientierter Berufsausbildung im
Saarland eingebunden werden und zudem die Autonomiebefugnisse der Berufsschulen hinsichtlich ihrer Einbindung in die Wirtschafts- und Forschungslandschaft kritisch reflektieren.
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Fazit
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Aus dem dritten Teilprojekt ergeben sich Handlungsempfehlungen zum Serviceaspekt vor allem in Kooperationen. Der Servicegedanke ist hier vor allem
wichtig, weil er auf der Kundenschnittstelle das „one-face-to-the-customer“
realisiert, es also den Kunden ermöglicht, auch in Kooperationen eine einheitliche Anlaufstelle zu erhalten. Über sie wird die Wertschöpfung realisiert.
Doch auch bei den kooperationsunterstützenden Institutionen steht Service
im Vordergrund.
¹
Zeitgemäßes Kooperieren benötigt eine hohe Flexibilität der Beteiligten: sowohl auf der Ebene sinnvoller Rahmenbedingungen
(etwa Arbeitszeiten, Abbau von Mobilitätsbarrieren) als auch auf
der Ebene der Kooperation selbst, die in flexiblen gedanklichen
Handlungsrahmen stattfinden sollte.
¹
Es gibt mehrere Formen von Service: Die Bereitstellung von
Plattformen zur Initiation und Partnervermittlung für Kooperationen, die Unterstützung der Finanzierung von Kooperationen sowie die Moderierung und vertiefte Beratung von Kooperationsvorhaben. Wichtig sind zunächst aktive, lebendige Plattformen,
die potentielle Kooperationskandidaten in ein zentrales Netzwerk
einbinden, das auch genutzt wird.
¹
Es sollte reflektiert werden, inwieweit die Ergebnisorientierung
der kooperationsfördernden Institutionen selber transparenter
gestaltet werden kann. Eine wichtige Handlungsmaxime für die
Kooperationsunterstützung könnte hierbei die Leitlinie von erfolgreichen Beratungen sein, daß Projektergebnisse nicht in Form
von Berichten, sondern nur in Form tatsächlicher Veränderung
vorliegen.
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„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
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6.3 Umsetzungen
In dem hier vorliegenden Projekt hat sich herauskristallisiert, daß der Servicegedanke ein übergreifend akzeptierter und tragfähiger Kern für Aktivitäten an
einem Wirtschaftsstandort ist und sich – mit Unterstützung serviceorientierter
Institutionen – in konkrete Kooperationen umsetzen läßt.
Durch Integration der drei Teilprojekte läßt sich nun ein Modell entwickeln,
das gerade die Serviceorientierung als generellen strategischen Wettbewerbsvorteil für das Saarland auszubauen trachtet: Das Saarland als Standort könnte sich und seine Institutionen über die Serviceorientierung im Markt
positionieren und profilieren. Eine entsprechende Berufsausbildung vorausgesetzt würden hierzu mit der Zeit auch die benötigten Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Wendet man dazu das Gestaltungsmodell virt.cube (Scholz
2000) auf die Entstehung serviceorientierter Kooperationsnetzwerke an, so
führt dies zu drei Umsetzungsrichtungen:
Erstens müßte im Saarland der Service als durchgängige Kernkompetenz
aller Akteure herausgearbeitet, aufgebaut und dann kommuniziert werden.
Wie sich im ersten Teilprojekt gezeigt hat, funktioniert dies, und es funktioniert sogar aus weitgehendem Eigenantrieb durch die Unternehmen selbst.
¹
Service-Knowhow als Kernkompetenz ist unverzichtbarer Bestandteil einer regionalentwicklungsbezogenen Vernetzung von
Unternehmen.
Zweitens kann und muß Serviceorientierung als integrierende Klammer über
die einzelnen Akteure im Saarland hinweg wirken. Ob einzelne Kooperationspartner oder kooperationsbegleitende Institutionen: Sobald der Servicegedanke als zentrale Zielsetzung das Hauptkriterium für Erfolg wird, können
auch alle einzelnen Aktivitäten auf Service hin ausgerichtet werden.
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¹
Fazit
101
Serviceorientierung als Vision hat die integrierende Kraft, die
Kooperationspartner auf ein gemeinsames Ziel und aufeinander
hin auszurichten.
Drittens ist Servicetechnologie ein wichtiges Instrumentarium, um eine Regionalentwicklung zu unterstützen. Unter bestimmten Bedingungen (vgl.
Scholz/Stein/Eisenbeis 2001, 171-182) kann das Saarland bei Technologie
und Neuen Medien im Wettbewerb durchaus mithalten, selbst wenn man sich
die in Deutschland konkurrierenden Standorte wie München, Köln, Hamburg
oder Berlin ansieht. Dennoch darf sich das Saarland hier nicht von den Entwicklungen abkoppeln, sondern sollte das bisher Erreichte konsequent ausbauen.
¹
Servicetechnologie als Instrumentarium kann die Kooperationspartner enger miteinander verzahnen und vor allem den Zugang
zu den Kunden komfortabler und flexibler gestalten.
In Ergänzung zum „Informatikland Saarland“ erscheint damit die Vision „Serviceland Saarland“ in Sinne einer zu verfolgenden Kernkompetenz im regionalen Standortwettbewerb erfolgversprechend. Kooperative serviceorientierte
Ausbildung kann diesen Prozeß unterstützen. Im Bereich des Service kann
sich das Saarland so einen Vorteil im Wettbewerb der Regionen aufbauen.
Allein das Beispiel der erfolgreichen Ansiedlung von Call-Centern im Saarland zeigt, daß hier in relativ kurzer Zeit wirksame und sinnvoll fokussierte
Ansätze auch überregional Wirkungen zeigen.
6.4 Ausblick
Erst aus dem serviceorientierten Leitbild lassen sich die (dann konsistent
aufeinander ausgerichteten) weiteren Handlungslinien ableiten, nämlich eine
überregionale Ausweitung der Servicekaufmann-/Servicekauffrau-Idee, ihre
102
„Servicekaufmann/Servicekauffrau“
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Realisierung in Unternehmen gemeinsam mit den Berufsschulen und dann
ihre Umsetzung in die Definition eines neuen Berufsbildes. Werden diese
Punkte zunehmend berücksichtigt, so läßt sich ein positiver Effekt auf die Realisierung des Servicekaufmanns/der Servicekauffrau erwarten. Geht es nach
den durch die Projektleitung gemachten Erfahrungen bei den Auszubildenden
und den Unternehmen, dann ist dies extrem erwünscht.
¹
Für das Saarland ist ein Mindest-Level an Serviceorientierung
vorzugeben. An dieses sollten sich alle Akteure halten: Unternehmen in ihrer Leistungserstellung, Kooperationsfördernde hinsichtlich der Auswahl förderungswürdiger Kooperationen, Ausbildende hinsichtlich der Ausbildung neuer Mitarbeiter. Die Orientierung an einem solche Service-Mindest-Level kann bestätigt
werden, etwa durch ein Gütesiegel. Voraussetzung ist, daß die
Serviceinhalte flächendeckend vermittelt werden – im Extremfall
als E-Learning-Umgebung, die saarländischen Akteuren offensteht.
Die Profilbildung für das Saarland in Richtung eines Dienstleistungsstandortes würde sich durch innovative Ausbildungskonzepte unterstützen lassen.
Die Ausweitung der Servicekaufmann-/Servicekauffrau-Idee über die Region
Saarland hinaus könnte aus dieser Perspektive heraus noch intensiver betrieben werden, da sonst die Impulse für eine überregionale Veränderung des
Berufsbildes gar nicht erst entstehen. Die politische und gewerkschaftliche
Unterstützung einer langfristigen Etablierung des Berufsbildes „Servicekaufmann/Servicekauffrau“ macht den Servicestandort im Vergleich der Regionen
wettbewerbsfähiger und erhält beziehungsweise schafft letztlich Arbeitsplätze.
Hierzu gehört ein entsprechendes Kommunikationskonzept mit servicebezogener Pressearbeit und vernünftiger Abstimmung der servicerelevanten Kooperationsaktivitäten, etwa im Internet über die Einrichtung einer einzigen
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Fazit
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zentralen Kooperationsseite des Saarlandes. Die Entwicklung einer entsprechenden Regionalentwicklungs- und Kommunikationsstrategie könnte wiederum durch das imk mit seinen Kompetenzen im Medien- und Kommunikationsmanagement durchgeführt werden. Um das Saarland in den Köpfen aller
Beteiligter als „Service-Hochburg“ zu etablieren, müßte bereits die konsequente Ausrichtung aller Aktivitäten im Bereich Regionalentwicklung, Existenzgründung und Strukturförderung stringent am Servicegedanken orientiert
sein. Dies ist eine Grundidee, die sich vor allem auch an das Ministerium für
Wirtschaft wendet: Es sollte noch viel stärker darauf achten, daß in der Vielzahl der stattfindenden Aktivitäten die strategische, serviceorientierte Linie
immer sichtbar ist und als Evaluationskriterium zentrale Relevanz erlangt.
¹
Gerade das Saarland sollte sich seine Servicekompetenz durch
Entwicklung einer serviceorientierten Regionalentwicklungsstrategie aufbauen und diese kommunizieren: hinsichtlich der Verfügbarkeit exzellent ausgebildeten Personals im Servicebereich,
hinsichtlich der Nähe von seviceorientierten Innovationen und
Start-ups, hinsichtlich erfahrener Service-Anbieter mit Standort
im Saarland, hinsichtlich kurzer Wege zur serviceorientierten
Landesregierung und hinsichtlich einer europäisch nutzbaren
Lage in der Saar-Lor-Lux-Region.
Die Service-Infrastruktur muß strategisch definiert, gezielt geschaffen und flächendeckend verbreitet werden. Gefordert sind
hier alle Kräfte auf dem Gebiet der Kooperationsförderung, die –
gegebenenfalls unter Moderation einer Instanz wie dem Wirtschaftsministerium, der Arbeitskammer oder der IHK – gemeinsam ihre Serviceorientierung abstimmen sollen.
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