Skript Allgemeine Psychologie I - Wintersemester 1. „Handeln“ (Wahrnehmung und Verhaltenssteuerung)
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Skript Allgemeine Psychologie I - Wintersemester 1. „Handeln“ (Wahrnehmung und Verhaltenssteuerung)
Skript Allgemeine Psychologie I - Wintersemester (1) Basale Prozesse der visuellen Wahrnehmung 1. „Handeln“ (Wahrnehmung und Verhaltenssteuerung) - Orientierung des eigenen Körpers im Raum Orientierung auf Signale Erkennen von Objekten Koordination eigener Bewegungen im Raum und im Kontext anderer (bewegter) Objekte 2. „Erkennen“ (Wahrnehmung und bewusster Eindruck) - Wie ist das Verhältnis von objektivem Reiz und subjektivem Eindruck? (Bsp. Hollow-face-Illusion) Bedingen sich gegenseitig, aber können dissoziieren Beispiel für Dissoziation: Kohlers Umkehrbrillenversuche Uni Innsbruck, 1951. Probanden konnten nach einigen Tagen kleinere Fahrradtouren unternehmen, bevor Wahrnehmungseindruck adaptierte Bewegungsverhalten adaptiert vor der Wahrnehmung; Bewegung auf anderer Ebene als Wahrnehmung - Basisbezugssystem Wahrnehmung: Drei rechtwinklige Koordinaten = Rahmen Wahrnehmung Orientiert an Richtung Schwerkraft Aufbau kognitiver Landkarten („wo?“) Umweltobjekte nach Inhalt/ Bedeutung in Klassen ordnen („was?“) Erkennen, Begriffsordnung im Gedächtnis fortlaufend modifizieren Wahrnehmung von Zeit, sozialer Interaktion (Erfassen nichtverbaler Kommunikation) Basale Verarbeitungsprozesse. / neurophysiologische Basis Reizmuster an Rezeptoren In konkreter Situation wird von verfügbarer Reizinformation nur ein Teil aufgenommen; im Moment des Hinblickens wird das Lichtmuster des entsprechenden Ausschnitts auf dem Hintergrund der Augen scharf abgebildet. (retinale Abbildung) Keine Bildübertragung, sondern Übermittlung der Informationen, die für das Handeln signifikant sind; Reizmuster, die auf Rezeptorflächen treffen, sind sog. Proximale Reize (Nahreize), hieraus wird Information über Objekt gewonnen. Gegenstandsmerkmale = distale Reize (Fernreize) - Transduktion Aufnahme Reizmuster, Umwandlung in bioelektrische Signale durch Rezeptoren; vier unterschiedliche Typen, die unterschiedlich sensitiv und verschieden auf der Retina verteilt sind Licht als Träger der Information bioelektrische Antwort der Sinneszellen - Verarbeitung Umwandlung der bioelektrischen Signale in den Neuronen in Nervenimpulse / Spikes. Neuronale Signale erreichen nach mehreren Verarbeitungsstufen die primären sensorischen Areale des Cortex, dann weitere Verarbeitungsbereiche. Zu einem bestimmten Zeitpunkt ist also größere Anzahl von Neuronen aktiv auf mehreren Ebenen komplexes Netz, in dem neue Information mit gespeicherter Information verbunden, verglichen und verarbeitet wird; Signalfluss zwischen den Neuronen Zapfen Vorkommen gehäuft in der Fovea Stäbchen Vorkommen nur außerhalb der Fovea Farbe Maximale Empfindlichkeit: im Schnitt bei hoher Wellenlänge Hell-Empfindlichkeit hoch Dunkel-Empfindlichkeit niedrig, Dunkel-Adaption schnell Schwarz-weiß Maximale Empfindlichkeit bei niedriger Wellenlänge Hell-Empfindlichkeit niedrig Dunkel-Empfindlichkeit hoch, Dunkel-Adaption langsam - Rezeptive Felder: Bereich von Sinnesrezeptoren, der an ein nachgeschaltetes Neuron Information weiterleitet. Bestehend aus verschiedenen Zonen, entweder erregend (exzitatorisch) oder hemmend (inhibitorisch). Bsp. On-Center-Off-Surround-Verschaltung: wird der on-center-Bereich vollständig gereizt, der inhibitorische off-surround-Bereich hingegen nicht, feuert das Neuron am stärksten; wird zusätzlich der off-surround-Bereich (inhibitorische Zone) gereizt, sinkt die Feuerrate wieder ab. - Laterale Inhibition: wenn ein Neuron feuert (weil es beispielsweise sensitiv auf dunkle Farben reagiert), wird die Feuerrate benachbarter Neurone gesenkt – sie werden inhibiert. Hemmung, die sich in neuronalem Schaltkreis seitlich ausbreitet. Folge: Kontrastverstärkung; „Kanten“ von einheitlich gefärbten Flächen erscheinen heller oder dunkler, je nach Helligkeit der angrenzenden Fläche. - Hermann-Gitter und laterale Inhibition. Die Knotenpunkte der "Linien", die durch die Anordnung der schwarzen Quadrate gebildet werden, erscheinen grau, weil sie, anders als die Linien, die auf einer Höhe mit den Quadraten verlaufen, aus allen Richtungen laterale Inhibition erfahren. Zwei weiße Linien kreuzen sich: Mehr Neuronen in der Umgebung haben ihr rezeptives Feld auf einer weißen Fläche --> Neurone mit rezeptivem Feld auf dem Knotenpunkt werden stärker inhibiert, als Neurone, deren rezeptive Felder auf den Linien liegen, die direkt an die schwarzen Quadrate grenzen, denn benachbarte Neurone mit rezeptivem Feld auf der schwarzen Fläche werden nicht angeregt und inhibieren die Neurone, die für die Linien "zuständig" sind dementsprechend auch nicht. Die Feuerrate der Neuronen mit rezeptiven Feldern auf den Knoten ist also niedriger als die der Neurone, deren rezeptive Felder von den Kästchen eingegrenzt werden. - Der Pfad der visuellen Verarbeitung o Zwei visuelle Verarbeitungsbahnen: sehr simplifizierende Annahme; aber: zunehmende Spezialisierung und vermutlich zwei Hauptwege (Querverbindungen und vielfältiges feedback) Parietale (dorsale) Bahn („wo bzw. wie?“, Bewegungswahrnehmung): Temporale (ventrale) Bahn („was?“, Farb- und Formwahrnehmung) M-Ganglienzellen Magnozelluläre Schichten visuelle Areale Cortex Mediotemporales Areal Parietalcortex P-Ganglienzellen Parvozelluläre Schichten visuelle Areale Cortex Inferotemporales Areal Magnozellulärer Pfad Parvozellulärer Pfad - Bewegung Input hauptsächlich durch Stäbchen - Ungerleider & Mishkin: Welche Information wird in den beiden Pfaden verarbeitet? o - Farbe Details Input hauptsächlich durch Zapfen Läsionsstudien an Affen, Ungerleider & Mishkin (1982) Experiment: Zwei Formen von Aufgaben, (a) Aufgabe zur Objektunterscheidung, (b) Aufgabe zur Ortsunterscheidung. Außerdem entweder (a) Entfernung von Teilen des Parietallappens, oder (b) Entfernung von Teilen des Temporallappens. Ergebnis: In den Aufgaben zur Objektunterscheidung hatten Affen mit entferntem Temporallappen große Schwierigkeiten, in den Aufgaben zur Ortsunterscheidung jedoch nicht. Umgekehrt bei den Affen ohne Parietallappen: Schwierigkeiten bei den Aufgaben zur Ortsunterscheidung. In die Temporallappen führender Verarbeitungsstrom verantwortlich für Bestimmung der Identität eines Objekts (ventraler Verarbeitungsstrom) Der in die Parietallappen führende Verarbeitungsstrom verantwortlich für Bestimmung der Position eines Objekts (dorsaler Verarbeitungsstrom) - Milner & Goodale: Wozu dient die Information in den beiden Pfaden? o Annahme: unterschiedliche zugrunde liegende Mechanismen: ventrale Bahn: bewusste Objekterkennung und parietale Bahn: visuelle Steuerung von Handlungen, nicht notwendig bewusst Patientin D.F., Schädigung des ventralen Verarbeitungsstroms. Experiment: Zwei Aufgaben, einmal ein Vergleich visueller Orientierung, einmal ein visuell-motorischer Abgleich. (a) Karte mit verschiedenen Orientierungen eines Schlitzes in Übereinstimmung bringen, (b) Karte durch den Schlitz stecken. Ergebnis: Große Schwierigkeiten bei der ersten, fast keine bei der zweiten Aufgabe. unterschiedliche zugrunde liegende Mechanismen. o Die Titchener-Illusion Experiment: Optische Täuschung (zwei gleich große Kreise, einmal umringt von kleineren, einmal von größeren Kreisen). Vpn sollten zunächst einschätzen, wie groß die mittleren Kreise sind, dann danach greifen, während der Abstand der Finger in der Greifbewegung gemessen wurde. Ergebnis: In der ersten Aufgabe (der Abgleichaufgabe) ließ sich die optische Täuschung zeigen: der Kreis inmitten der kleinen wurde zu groß, der andere zu klein eingeschätzt. In der Greifaufgabe unterlief den Vpn dieser Fehler erstaunlicherweise nicht. Abgleichaufgabe unter Beteiligung des ventralen Stroms, Greifaufgabe unter Beteiligung des dorsalen Stroms. Der Größenunterschied muss unbewusst wahrgenommen und motorisch umgesetzt worden sein. Evidenz Dissoziation ventraler, dorsaler Strom - Bewegungssensible und formsensible Neuronen o Strukturen entlang der Wege der ventralen und dorsalen Ströme sind oft auf Verarbeitung von spezifischen visuellen Informationen spezialisiert „Modularität“ o Mediotemporales Areal: bewegungssensible Neuronen o Inferotemporales Areal: formsensible Neuronen - Affen können lernen, die dominante Bewegungsrichtung (beispielsweise „Punkte bewegen sich nach oben“) anzugeben, auch wenn die Kohärenz lediglich 1-2 % beträgt. Affen mit zerstörtem mediotemporalem Areal benötigten mindestens 10-20% Kohärenz. Bsp. Neurone, die stark auf Gesichter, aber kaum auf alle anderen Arten von Stimuli antworten. Befunde wie diese führen zu der Sichtweise, dass der IT-Kortex ein Modul für die Formwahrnehmung ist. Zusammenfassung der zwei Pfade Ventrales System Wiedererkennen / Funktion Geschwindigkeit Bewusstheit Referenzrahmen Identifikation Hohe räumliche Frequenzen (d.h. Details der Struktur) Relativ langsam Typischerweise hoch Objekt-zentriert (allozentrisch) Visueller Input Foveal, parafoveal Sensitiv für.. Dorsales System Visuell gesteuerte Handlungen Hohe zeitliche Frequenzen (d.h. Bewegung) Relativ schnell Typischerweise niedrig Körper-zentriert (egozentrisch) Komplettes Sehfeld Zwei Verarbeitungswege – Trennung von bewusster Objekterkennung und visuo-motorischer Steuerung? (2) Wahrnehmung – Wahrnehmung und Bewusstsein - Psychophysik Aufgabe: die Beziehung zwischen Reiz und (bewusster) Wahrnehmung beschreiben. Wahrnehmungsschwellen, kleinste wahrnehmbare Unterschiede, Beziehung zwischen objektiver und subjektiver Intensitätsveränderung. o Wahrnehmungsschwellen. Methoden zur Bestimmung von Wahrnehmungsschwellen entwickelt von Fechner (1801-1887). Klassische naive Schwellentheorie: „scharfe Wahrnehmungsschwelle“: Nicht hören bis Reizintensität bestimmten Punkt erreicht, dann Reiz hören; von 0% zu 100%. (nicht gültig) o Drei Methoden zur Schwellenbestimmung: (a) Grenzmethode (b) Herstellungsmethode (c) Konstanzmethode Zu (a): Grenzmethode (Fechner: Methode der eben merklichen Unterschiede). Versuchsleiter bietet Stimuli in auf- oder absteigender Anordnung dar; bei jedem wahrgenommenen Reiz („ja“ Vpn) wird die Intensität des Reizes verringert, bis er nicht mehr wahrgenommen wird. Schwelle Mittelwert aus der untersten wahrgenommenen und obersten nicht wahrgenommenen Intensität. Mehrere Durchgänge, Bestimmung Mittelwert. Zu (b): Herstellungsmethode (Fechner: Methode der mittleren Fehler). Kontinuierliche Veränderung der Reizintensität (Vpn selbst oder Versuchsleiter). (Unterschied Grenzmethode: nicht diskret.) So lange, bis Vpn angibt, den Stimulus gerade eben noch zu entdecken. Diese Intensität entspricht der absoluten Schwelle. Mehrfach wiederholen, Schwelle dann Durchschnitt der Intensitäten. Zu (c): Konstanzmethode (Fechner: Methode der richtigen und falschen Fälle). Stimuli in zufälliger Reihenfolge, jeweils zehnmal darbieten, anschließend Bestimmung prozentualer Anteil an Entdeckungen des Stimulis. Schwelle entspricht der Intensität, die in 50% der Durchgänge entdeckt wurde. Aber: trennt nicht zwischen tatsächlicher Diskriminationsleistung und Urteilstendenzen der Vpn Signalentdeckungstheorie. - Signalentdeckungstheorie o Berücksichtigt Sensitivitätsschwankungen und Entscheidungskriterien o Technische Analogie: Geräusch, Weiterleitung und Verarbeitung, Anzeige mit Zeiger. Durch kleine Zufallseinflüsse in der Weiterverarbeitung wackelt der Zeiger ohne Signal um einen bestimmten Wert x, mit Signal um den Wert x + d´. Ist d‘ groß genug, wird das Signal ohne Probleme entdeckt, ist d‘ klein, stellt sich die Frage: ab welchem Ausschlag des Zeigers gehe ich von einem Signal aus? (Normalverteilung entspricht der Annahme, dass Rauschen („wackeln“) normalverteilt ist, d.h. Wackeln ist eng um x. Übertragen: Beobachter entscheidet ab bestimmtem Zeigerstand auf „Signal war da“. Beobachterurteil „ja“ Reiz vorhanden (Signal + Rauschen) Treffer (Hits) Beobachterurteil „nein“ Verpasser (Misses) Ohne Reiz (Rauschen) Falsche Alarme (false alarms) Korrekte Ablehnungen (correct rejections) Distanz der Verteilungen Rauschen und Signal + Rauschen ergibt sich aus Wahrscheinlichkeit der Treffer und Wahrscheinlichkeit falscher Alarme Sensitivitätsparameter d‘ ist dann d‘=z(T)-z(F). d‘ ist gleich 0, wenn der Beobachter gar nicht diskriminieren kann, und sehr groß, wenn er sehr gut diskriminieren kann (sollte der Fall sein, wenn die Reizintensität erhöht wird). Zweiter Parameter = Antworttendenz (response bias) c. c = 0,5 ((z(T)+z(F)). C ist gleich 0, wenn der Beobachter seine Antwortfehler in gleichem Maß auf Verpasser und falsche Alarme verteilt. Negativ: Tendenz „ja“-Antwort. Parameter unabhängig voneinander! - Receiver Operating Curve o Kurven gleicher Sensitivität d‘, aber unterschiedlicher Kriteriumswahl c. Krümmung der ROC-Kurve entspricht Sensitivität (je stärker gekrümmt, umso sensitiver der Proband); je nachdem, welche Antworttendenzen der Proband hat, befindet er sich weiter unten oder oben auf dieser Kurve. (Ist p Treffer gleich p falsche Alarme, liegt Proband auf der Diagonalen im Schaubild, Kurve hat keine Krümmung, d‘ ist gleich 0.) Übertragen auf Schwellenwahrnehmung: bei welchem Reiz wird d‘ 0; ist der Unterschied zwischen Signal und keinem Signal nicht mehr diskriminierbar? Insgesamt aber universeller in ihrer Anwendbarkeit als nur auf Reizdiskriminierung. Für jede Art von Kategorisierungsleistung und diagnostischen Fragestellungen nutzbar. - Unbewusste Wahrnehmung o Nachweis, dass ein Reiz eine Wirkung auf das Verhalten hat bei gleichzeitiger subjektiver oder objektiver Unbewusstheit des Reizes? Subjektive Unbewusstheit: Reize / Reizeigenschaften können nicht subjektiv berichtet werden Objektive Unbewusstheit: Reizanwesenheit / Reizeigenschaften können nicht über Zufallsniveau hinaus kategorisiert werden. Direkter Test: Primes in verschiedener Dauer darbieten (zwischen 0 und 200 ms), Reizerfassung testen (gesehen? Ja / nein), indem geprüft wird, ab wann Trefferrate über Zufallsniveau liegt. Ergebnis hier: bei 43ms ist die Höhe der Treffer, weil es einen Prime gab, und der falschen Alarme, obwohl es keinen gab, noch vergleichbar hoch. Ab 57ms übersteigt die Trefferrate die Rate falscher Alarme signifikant: Dazwischen muss die Wahrnehmungsschwelle liegen. (subjektive (Un)bewusstheit) o Indirekter Test: Schwelle unterhalb Wahrnehmungsgrenze verwenden (43ms), um Prime (Zahlwort) darzubieten, später beurteilen: war die Zahl höher oder niedriger als das Target (Ziffer), das danach angezeigt wird? Das Zahlwort (der unbewusst verarbeitete Prime) ist ein „maskierter Reiz“. Ergebnis: Es gibt eine nachweisbare Beeinflussung des maskierten Reizes auf die Antwort (überzufällig oft richtig), obwohl er nicht bewusst verarbeitet wurde. (würde nun direkt getestet werden, wäre d‘ = 0, im indirekten Test ist d‘ >0.) weiterer Hinweis auf unbewusste Verarbeitung: EEG-Kurven bei Anzeige maskierter Prime und Target vergleichbar. o Response Priming d‘ für die direkte Aufgabe = 0 (keine direkte Erkennung der maskierten Zahl, unterhalb bewusster Wahrnehmung) bei gleichzeitigem d‘ für die Priming-Aufgabe größer 0 (indirekte Wirkung der maskierten Zahl). wurde für viele Stimulusarten nachgewiesen! Alternatives Experiment Jacoby: Wörter kurz einblenden (Variation Zeit: 50ms, 150ms, Kontrollgruppe mit Zufallsbuchstaben), dann Wortergänzungstest mit Aufgabe: Vermeide Verwendung der Wörter, die kurz eingeblendet wurden. Ergebnis: Bei langer Einblendung (150ms) werden die Worte selten verwendet (konnten bewusst verarbeitet werden), bei 50ms werden die Worte bedeutend häufiger verwendet als in der Kontrollgruppe (unbewusst beeinflusst, Wörter können nicht bewusst ausgelassen werden, müssen aber auf einer anderen Ebene verarbeitet worden sein) (vgl. SS 09, (14).) o Das Phänomen der Blindsicht Manche Patienten mit einer Schädigung im primären visuellen Kortex bei fehlender bewusster Wahrnehmung in bestimmten Bereichen des Gesichtsfeldes können trotzdem auf Reize in angemessener Form reagieren (beispiel bei visuo-motorischen Greifhandlungen). Aber: wird kontrovers diskutiert. - Wahrnehmungsunterschiede o Weber und der eben merkliche Unterschied Weber (1804-1891) entdeckte, dass Vpn bei geringen Gewichtsunterschieden Probleme hatten, anzugeben, ob eines schwerer war, bei großen Unterschieden weniger. (Eben merklicher Unterschied = Unterschiedsschwelle). Entdeckte, dass mit steigender Ausprägung des Reizes (bsp Gewicht) die Höhe der Unterschiedsschwelle zunimmt (für 100g beispielsweise 2g Unterschied entdeckbar, für 200g 4g). Größe Unterschiedsschwelle steigt proportional zur Intensität des Standardreizes o Der Weber’sche Quotient In einem großen Intervall des Standardreizes ist der Quotient zwischen dem „eben merklichen Reizunterschied“ und dem Standardreiz (für eine gegebene Person) konstant. Unterschiedsschwelle / Standardreiz = Konstante (siehe Beispiel 100g, 200g). Beispiele: Weber-Quotient für unterschiedliche Sinnesmodalitäten, bsp Elektroschocks (0,01), Lautstärke (0,04), Gewicht (0,02) etc. (bleibt innerhalb der Modalität rel. Konstant, Modalitäten haben aber je eigene Weber-Quotienten) Zeigt die Empfindlichkeit eines sensorischen Systems für Wahrnehmung von Veränderungen an. o Das Fechner’sche Gesetz Stimulusintensität und wahrgenommene Reizstärke zueinander in Beziehung gesetzt: Nutzt man den Weber’schen Quotienten, um die psychische gegen die physische Reizintensität abzutragen, erhält man eine logarithmische Beziehung. o Methode der direkten Größeneinschätzung Gleicher Anspruch wie Fechner’sches Gesetz. Verfahren: Versuchsleiter bietet Standardreiz dar (beispielsweise Lichtreiz mittlerer Intensität), weist diesem Reiz einen Wert zu, bsp. 10. Anschließend Darbietung verschieden intensiver Lichtreize, Vpn soll Zahlen zuweisen, die proportional zur Helligkeit des Lichts sind. Erscheint das Licht gegenüber dem Standardreiz doppelt so hell, bekommt er also einen Wert von 20. Grundprinzip: Vpn weist Stimuli Zahlen zu, die proportional zur wahrgenommenen Reizgröße sind. o Das Potenzgesetz von Stevens Die wahrgenommene Reizintensität W entspricht einer Konstanten K multipliziert mit der n-fach potenzierten Reizintensität. W = K x S hoch n Potenzfunktionen: Verdichtung der Antwortdimension. Einschätzung Helligkeit / Lichtintensität. Abwärts gekrümmte Kurve: Verdopplung Intensität führt nicht notwendigerweise zu Verdopplung wahrgenommener Helligkeit: mit höherer Intensität steigt die Wahrnehmung, aber nicht so schnell wie die Intensität (besonders bei hohen Intensitäten) Spreizung der Antwortdimension. Empfindung eines Elektroschocks / Stärke Elektroschock. Aufwärts gekrümmte Kurve: Verdopplung der Reizintensität führt zu mehr als verdoppelter Wahrnehmung, besonders bei hohen Intensitäten. Einschätzung Länge einer Geraden: Zunahme Reizintensität (Länge) entspricht fast genau der Wahrnehmung, Diagonale. (3) Wahrnehmung – Räumliche Tiefe und Größenkonstanz Wie erhalten wir einen Eindruck räumlicher Tiefe, obwohl wir nur zweidimensionale Netzhautbilder haben? - Analytische Herangehensweise: Welche Informationen stehen prinzipiell zur Verfügung? Empirische Herangehensweise: Nutzen wir diese Quellen? o Okulomotorische Informationen o Veränderung der Form der Augenlinse beim Fokussieren von Objekten in unterschiedlicher Distanz scharfstellen, Akkommodation der Linsen Konvergenz der Augen, um ein Objekt zu fokussieren (nach innen gerichtet, wenn das Objekt nahe ist) Monokulare Informationen (können auch nur mit einem Auge genutzt werden) Verdecken von Objekten Das zum Teil verdeckte Objekt wird als weiter entfernt gesehen (keine absolute, nur relative Entfernung) Relative Höhe im Gesichtsfeld Objekte, deren tiefster Punkt im Gesichtsfeld höher liegt, werden in der Regel als weiter entfernt gesehen Relative Größe im Gesichtsfeld Dasjenige von zwei gleich großen Objekten, das weiter entfernt ist, nimmt weniger von meinem Gesichtsfeld in Anspruch als das nähere Gewohnte Größe Aufgrund unseres Vorwissens Beurteilung der Größe; Beispiel Münzen: vertraute Größen, als kleiner bekannte Münze wird als weiter entfernt gesehen Lineare Perspektive Parallele Linien vor dem Betrachter werden mit zunehmender Distanz als konvergierend, sich annähernd wahrgenommen. Texturgradient Elemente, die in einer Szenerie gleiche Abstände aufweisen, erscheinen mit zunehmender Distanz dichter gepackt (Bodentextur) siehe Tiefenreiz relative Größe; Objekte erscheinen in weiterer Entfernung kleiner. Atmosphärische Perspektive Entfernte Objekte wirken oft weniger scharf. Je weiter ein Objekt entfernt ist, desto mehr Luft und fein schwebende Partikel (Staub, Wassertröpfchen etc.) befinden sich zwischen Beobachter und Objekt. (Stünde man auf dem Mond, wo es keine Atmosphäre gibt, könnte man alle fernen Krater ebenso klar sehen wie nahe Krater.) o Zum Texturgradienten: Grubenexperiment Frage: Inwieweit nutzen Probanden den Texturgradienten zur Entfernungseinschätzung? Experiment: Entfernungen einschätzen (entweder die entsprechende Distanz gehen oder geschätzte Entfernung mitteilen); in einer Bedingung nur Bodenfläche, in der anderen eine Grube dazwischen. Ergebnis: Probanden schätzen Entfernung gut ein, wenn der Boden gleichmäßige Textur hatte. In der Experimentalbedingung, in der sich die Grube im Boden befand, wurde diese Bodentextur unterbrochen und die Einschätzung wurde weniger genau geschätzt. - Bewegungsinduzierte Informationen o o o Bewegungsparallaxe: während unserer Fortbewegung weit entfernte Objekte langsamer an uns vorbeiziehen sehen, nähere schneller (Im Auto oder Zug) Fortschreitendes Auf- und Zudecken von Flächen: weit entferntes Objekt wird von näherem Objekt verdeckt, weil Beobachter sich relativ zu den Objekten seitlich bewegt. Visual cliff Raum mit zwei Ebenen, Kinder krabbeln auf der oberen. Die Bodenfläche ist kariert, ein Teil aber durch eine durchsichtige Platte ersetzt (darunter sieht man die untere Ebene, die die gleiche karierte Fläche fortsetzt). Annahme: ab 6. Monat Entwicklung von Tiefenwahrnehmung. Krabbelkinder ab 6. Monat zögern und weigern sich, über die durchsichtige Fläche zu krabbeln Aber: Kinder, die 3 Monate und jünger waren, wurden mit dem Gesicht nach unten über die Glasplatte gehalten; Herzfrequenz ist niedriger über dem „Abgrund“ (spricht indirekt für eine Tiefenwahrnehmung) Hinweise, dass es Bewegungs-cues sind, die hier zur Tiefenwahrnehmung genutzt werden. - Stereoskopische Information o Die Tiefeninformation, die in den leicht unterschiedlichen Bildern derselben Szene auf den Netzhäuten der beiden Augen bestehen (diese Information heißt Querdisparation) o Querdisparation = der Unterschied zwischen den Abbildern im linken und rechten Auge o o Korrespondierende Netzhautpunkte = Orte auf jeder der beiden Netzhäute, die sich überlagern würden, wenn man eine Retina auf die andere legen könnte (beispielsweise die Foveae sind korrespondierende Netzhautpunkte) Horopter = gedachter Kreis, der durch die Mittelpunkte der beiden Augenoptiken des Beobachters und durch den Fixationspunkt verläuft und die Position von Objekten anzeigt, deren Abbilder auf korrespondierende Netzhautpunkte fallen. Abbilder von Punkten, die sich innerhalb des Kreises befinden (nicht auf dem Horopter), fallen auf nichtkorrespondierende Netzhautpunkte (Distanz zwischen solchen Punkten ist Querdisparität). Je weiter ein Objekt vom Horopter entfernt ist, desto größer die Querdisparität. Ausmaß an Disparität zeigt an, wie weit entfernt sich die Punkte vom Fixationspunkt befinden; der Fixationspunkt selbst hat die Disparität 0. o o - Gekreuzte und ungekreuzte Disparität: Befinden sich Objekte vor dem Horopter, bezeichnet man die entstehende Disparität als gekreuzte Querdisparität (Netzhautposition Randbezirk)befinden sie sich hinter dem Horopter, als ungekreuzte Querdisparität. (Je weiter hinten das Objekt liegt, desto weiter innen befinden sich seine Abbilder auf den Retinae, also näher zur Nase hin größere Disparität.) Panum-Areal: bei Objekten, die im Panum-Areal liegen, werden die Abbilder zu einem Objekt „fusioniert“: Areal um den Horopter herum, nahe des Fixationspunkts. (Beispiel: Finger nah aneinanderhalten „schwebende Würstchen“) Querdisparation: Nutzen wir diese Information zur Tiefenwahrnehmung? o Julesz-Stereogramme Prinzip: Erstellung von Punktemustern (zunächst identisch, dann ein quadratischer Ausschnitt der Punkte um je eine Einheit nach rechts verschoben). Erzeugung Querdisparation. Erkennen ein kleines, schwebendes Quadrat, das vor dem Hintergrund schwebt. Einzige Tiefeninformation Querdisparität; Abwesenheit anderer Formen von Tiefeninformation! - Lässt sich Querdisparation auf neuronaler Ebene nachweisen? o Auf allen Stufen des visuellen Systems entlang des dorsalen Pfades (der parietalen Bahn) finden sich querdisparationsempfindliche Neuronen. o De Angelis et al. (1998), Affen Experiment: Abfolge: 1. Fixation, 2. „random-dot“-Stereogramm (Punkte für das linke, Punkte für das rechte Auge), 3. Zwei Targetpunkte; der Affe wurde trainiert, das weiter entfernte Target anzuschauen, wenn die Punkte als entfernt, das nahe Target, wenn sie nah erschienen. Ergebnis: Es wurde ein Cluster von Neuronen im mediotemporalen Areal gefunden, dass auf die Querdisparation reagiert. disparate Bilder aktivieren auf den Retinae querdisparationsempfindliche Neuronen im Kortex (verschiedene Grade an Querdisparation aktivieren verschiedene Neuronen, die auf diese Grad empfindlich reagieren) - Übersicht räumliche Tiefenwahrnehmung Informationen für räumliche Tiefe Verdeckung Relative Größe Akkomodation und Kovergenz Bewegung Querdisparation Relative Höhe im Gesichtsfeld Atmosphärische Perspektive 0-2 m 2-30m Über 30m …… ….. ….. ….. ….. ….. ….. ….. ….. ….. ….. ….. ….. ….. Wie schaffen wir es, die Größe von Objekten als konstant wahrzunehmen, obwohl sich die Größe des Abbildes ändert? - Größenkonstanz o Ames-Raum Zwei Menschen im Ames-Raum, die gleich groß sind, wirken stark unterschiedlich groß. Prinzip: Konstruktionsweise des Raums: linke Ecke des Raums ist fast doppelt so weit vom Betrachter entfernt wie die rechte. Wand und Fenster sind aber so geformt, dass der Raum von einem bestimmten Betrachtungspunkt aus wie ein normales rechteckiges Zimmer wirkt. Erklärung: 1. deutlich kleinerer Sehwinkel für die Frau im weit entfernten Teil, deutlich größerer für die Frau im nahen (gleich große Objekte, andere Entfernung = unterschiedlicher Sehwinkel und retinale Abbilder). 2. Relative Größe: relativ zum Fenster, der Wand etc. wirkt die eine Frau deutlich größer. o Holway & Boring (1941), Fehlwahrnehmung Größe ohne Tiefeninformation Experiment: Vp sitzt am Kreuzungspunkt zweier Flure und sehen beim Blick in den rechten Flur eine leuchtende Testscheibe sowie beim Blick in den linken Flur eine leuchtende Vergleichsscheibe. Vergleichsscheibe immer in derselben Entfernung von ca. 3 Metern positioniert, die Testscheiben in Entfernungen zwischen 3 und 36 Metern. Aufgabe Vp: Durchmesser Vergleichsscheibe so einstellen, dass er mit der Testscheibe übereinstimmt. Variationen: (1) (2) (3) (4) Ohne Einschränkung Mit einem Auge Durch eine Lochblende Flur mit Vorhängen ausgestattet, um Reflexionen zu verhindern Ergebnis & Erklärung: Wenn man von der Linse des Auges aus Linien zum obersten und untersten Punkt des betrachteten Objekts zieht, ist der Winkel dazwischen der Sehwinkel. Er hängt sowohl von der Entfernung des Objekts als auch von seiner Größe ab (weiter weg oder kleines Objekt: kleinerer Sehwinkel, näher oder großes Objekt: größerer). Ein nahes kleines Objekt und ein weiter entferntes größeres Objekt können also denselben Sehwinkel haben und gleich große Abbilder auf den Retinae erzeugen. Im Experiment: (1) Zunächst waren viele Tiefenreize zur Verfügung gestellt; Entfernung konnte leicht beurteilt werden. (2) Immer noch gute Beurteilung (3) Unpräzisere Bestimmung (4) Schlechteste Größeneinschätzung Abwesenheit anderer Tiefeninformation machte die Beurteilung der physikalischen Größe der Scheiben schwieriger; Größenwahrnehmung hing dann von der Größe ihrer retinalen Abbilder ab, die ja gleich groß waren; also in Abwesenheit anderer Information auch als gleich groß beurteilt wurden. Wenn andere Tiefeninformation fehlt, wird Größeneinschätzung stark vom Sehwinkel beeinflusst. o Ponzo-Täuschung (Bahnschienen) Perspektivisches Bild (Bahnschienen, die sich vom Betrachter zum Horizont ziehen). Zwei exakt gleich lange eingezeichnete Linien, eine näher beim Betrachter, eine weiter weg auf den Bahnschienen. Fehlwahrnehmung: hintere Linie wird als deutlich länger wahrgenommen. Erklärung: Obwohl gleicher Sehwinkel, bewirkt die andere vorhandene Tiefeninformation, dass die hintere Linie weiter entfernt zu sein scheint. Ist sie dann gleich lang, müsste sie, wenn man sie näher zu sich heranzieht, deutlich länger als die andere sein. o Müller-Lyer-Täuschung (Längentäuschung) Erstellung Standardstimulus (beispielsweise Linie); dann nach außen gerichtete Winkel dazu und als Vergleich nach innen gerichtete Winkel. Die Linie mit nach außen gerichteten Winkeln wirkt länger, obwohl sie exakt gleich lang ist. Mögliche Erklärung: Mechanismen, die für dreidimensionale Wahrnehmung hilfreich sind, können störend wirken bei der Wahrnehmung zweidimensionaler Bilder: Winkel an der rechten Linie lassen sie als Teil einer Innenecke wirken, die an der Linken als Außenecke. Da Innenecken üblicherweise weiter entfernt sind als Außenecken, nehmen wir die rechte Linie als weiter entfernt wahr, und durch die Größen-Distanz-Skalierung scheint sie länger. o Mondtäuschung Befindet sich der Mond nah am Horizont, wirkt er größer als hoch am Himmel. (Mondtäuschung). Erklärung: Erklärung durch die wahrgenommene Entfernung. Wird der Mond am Horizont über dem Gelände gesehen (das Tiefeninformation enthält!), wirkt er näher, als wenn er am Himmel durch leeren Raum hinweg betrachtet wird (der keine Tiefeninformation enthält). Horizont wird also als weiter entfernt wahrgenommen als der Himmel: Himmelsgewölbe „abgeflacht“ wahrgenommen; Mond als weiter weg gedeutet (Sehwinkel gleich!). Urteil, dass Horizontmond näher ist, ist eine top-down-Korrektur : Man weiß, dass es sich immer um denselben Mond handelt, also muss er näher sein. Größenkonstanz wird durch die kompensierende Verrechnung von Distanz und Sehwinkel erreicht. Fehlen andere Tiefeninformationen (oder sind sie fehlleitend), unterliegen wir Größentäuschungen. Meist nie nur eine Erklärung! (5) Wahrnehmung – Objekterkennung - Das Problem Ausschließliche Wahrnehmung verschiedener (Farb)intensitäten führt zum Erkennen eines Objekts (bsp. Gesicht)? Zweidimensionale Zeichnung von Holzklötzen, die sich gegenseitig verdecken: warum nehmen wir verschiedene, sich überlagernde Objekte war? - Gestaltprinzipien o Die Gestaltpsychologie der Wahrnehmung antwortete auf die bis dahin vorherrschende Lehrmeinung, dass Wahrnehmung aus kleinsten elementaren Empfindungen zusammengesetzt ist. „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ (mehr als die Wahrnehmung der elementaren Empfindungen) Phi-Phänomen, Wertheimer Scheinbewegung zwischen zwei aufblitzenden Lichtstreifen, wenn diese unter optionalen Verhältnissen ein- und ausgeschaltet werden. (Beispiel kreisförmiges Punktemuster, Aufblinken der Punkte nacheinander: Bewegungsillusion.) Der Eindruck von Bewegung lässt sich nicht aus den Einzelreizen erklären. o Figur-Grund-Trennung: Rubins Becher Wahrnehmung entweder der beiden Gesichter oder des Bechers in der Mitte. Je nachdem was wahrgenommen wird, erscheint der Rest als formloser Hintergrund. (Wahrnehmung „kippt“ hin und her) Beleg dafür, dass Wahrnehmung nicht nur datengetrieben ist, sondern dass Objekte als einheitlich wahrgenommen und von anderen Objekten oder einem Hintergrund abgegrenzt werden. Weißstein & Wong (1986) Experiment: Projektion von Linien auf entweder Gesichter oder den Becher. Ergebnis: Kategorisierungsleistung war deutlich besser, wenn die Linien auf die gerade saliente und wahrgenommene Figur der Versuchsperson projiziert wurden wahrnehmungstechnisch ggü. Der Umgebung hervorgehoben, mehr Aufmerksamkeit auf die jeweilige Figur. Scheinkonturen (bsp Kanisza-Dreieck) Drei schwarze Kreise scheinen von einem weißen, gleichschenkligen Dreieck überlagert zu sein, obwohl das Dreieck nicht im physikalischen Reizmuster vorhanden ist. (ganze Reizkonfiguration wird verarbeitet, nicht nur Einzelteile (Dreieck ist ja eigentlich nicht vorhanden) Kontexteinflüsse Erstes Bild: nicht erkennbar, scheinbar wahllose Fetzen, zweites Bild: „Klecks“ über den Fetzen, erscheinen jetzt wie vom Klecks überlagerte B’s (obwohl es auch keine B’s im physikalischen Reizmuster gibt!) Prägnanz („gute Gestalt“) Übergeordnetes Prinzip in der Gestaltpsychologie: statt einer komplexen, unregelmäßigen Form nimmt man zwei sich überlappende, einfache Formen wahr. (im Beispiel Dreieck, Rechteck; auch: Olympische Ringe) Jedes Reizmuster wird so gesehen, dass die resultierende Struktur so einfach wie möglich ist. Ähnlichkeit (Ähnliche Dinge erscheinen zu Gruppen geordnet) Nähe Geschlossenheit Kontinuität (Beispiel Verkehrsschild mit sich überschneidenden „Fahrlinien“: Faktor falsch eingesetzt; auch: Prinzip der fortgesetzt durchgehenden Linie, Linien tendenziell so sehen, als folgten sie dem einfachsten Weg) Gemeinsames Schicksal (Pfeile, Bewegungsrichtungen: gleiche Bewegungsrichtung: scheinen als zusammengehörig) o Probleme (1) Beschreibung, keine Erklärung (nur das Phänomen der Wahrnehmung beobachtet, nicht erklärt) (2) Manchmal post hoc, zum Beispiel Bild konvexe Linien vs. Symmetrische: hier werden die konvexen schneller und bevorzugt wahrgenommen. (3) Was ist „Einfachheit“? Mögliche Definition: je geringer der Informationsgehalt, desto „besser“ die Gestalt (am Beispiel Kanisza-Dreieck: sehr einfach zu beschreiben, wenn das überlagernde Dreieck wahrgenommen wird, ziemlich komplex, wenn die Kreise ihre Aussparungen in die andere Richtung haben. (4) Was ist „Ähnlichkeit“? Beispiel Bild Kanten, T’s und gekippte T’s: die gekippten werden als separater wahrgenommen als Kanten und gerade T’s, obwohl sie die exakt selbe Form wie die anderen T’s aufweisen – nur gekippt. (5) Zu große Betonung von bottom-up-Prozessen Vecera & Farah, x auf der Figur? Experiment: Sich überlappende, transparente Buchstaben. Aufgabe Vpn: Erkennen, ob zwei x auf ein- und demselben Buchstaben liegen. uV: Buchstaben einmal gerade, einmal auf dem Kopf. Ergebnis: Lösen der Aufgabe ging schneller, wenn die Buchstaben aufrecht standen, als wenn einer auf dem Kopf stand. konzeptgetrieben: durch mein Vorwissen beurteile ich die „normalen“ Buchstaben schneller; eben nicht nur datengetrieben und wahrnehmungsgesteuert (könnte auch geprimed sein, s. die obigen Beispiele) - Objekterkennung o Die Pandämonium-Metapher von Selfridge Auf der untersten Ebene werden parallel arbeitende Merkmalsdämonen angenommen, die auf einfache Reizmerkmale reagieren (z.B. senkrechte, schräge Linie, rechtwinklig, spitzwinklig, geschlossener Kreis, offener Kreis etc.). Weitergabe an kognitive Dämonen, die hier einfache Buchstabenanalysatoren repräsentieren (kognitiver Dämon des Buchstabends A wird aktiviert, wenn „schräge Linie nach links / rechts“ und „waagerechte Linie“ und „spitzer Winkel“ aktiviert sind.) kognitiver Dämon A „schreit am lautesten“ Entscheidungsdämon identifiziert den Reiz als A. Aktuell an diesem Modell ist, dass es die Wahrnehmung herunterbrechen möchte auf einzelne kognitive Prozesse, die hierarchisch organisiert sind. (Teile des Systems auf ganz bestimmte Art von Input spezialisiert), allerdings stark vereinfacht. o Der algorithmische Ansatz von Marr Ebenen der Problemdefinition: „computational theory“: Formulierung des Wahrnehmungsproblems – wie erkennt das Wahrnehmungssystem Körper aus Bewegungsmustern? Repräsentation und Algorithmus: Wie kann das Ziel in ein Programm umgesetzt werden? / Wie kann das Problem algorithmisch, also vom System her gelöst werden? Hardware implementation: Wie kann diese Lösungsvorschrift umgesetzt werden? Betrachten 3-dimensionaler Skizze: 1. Retinales Abbild Räumliche, retinale Verteilung der verschiedenen Lichtwellen und deren Intensitäten. Ausgangspunkt der Verarbeitung. Algorithmus „zero-crossings“: Der Prozess, der Veränderung im Netzhautbild (retinales Eingangssignal) in Konturen und Kanten in der primären Rohskizze überführt. Intensitätsänderung durch zweifache Ableitung mittels Differentialrechnung: A: Gerade für Übergang von stabil geringer zu stabil höherer Intensität. B: 1. Ableitung: Maximum, wo die Steigung am größten ist, also in der Veränderung. C: 2. Ableitung: Änderungsinformation aus Kurve B; zunächst positiver Ausschlag, dann negativer. Beim Übergang von positiv zu negativ wird die x-Achse gekreuzt diese Kreuzungen der 0-Schnittpunkte sind Teil dessen, was nach Marrs Vorstellung den Übergang vom Netzhautbild zur primären Rohskizze kennzeichnen könnte. 2. Primäre Rohskizze (primal sketch) Elementarmerkmale einer Szene berechnen, wie sie sich aus den Intensitätsübergängen im Netzhautbild ergeben: Konturen, Kanten, Ecken, Kantenenden, dunkle und helle Bereiche etc. 3. 2,5-dimensionale Skizze Elementarmerkmale aus der primären Rohskizze werden auf dieser Verarbeitungsstufe gruppiert (wobei hier durchaus Gesetze angewendet werden, die den Gestaltgesetzen ähnlich sind). Repräsentation der Flächen und ihrer Anordnung mit grober Tiefencharakteristik, die Marr als 2,5-dimensionale Skizze bezeichnet. Nutzung der Tiefeninformationen von Schatten, Bewegung, Textur, Querdisparation. Es gibt aber noch keinen Bezug zur externen Umwelt. (Beispiel: Teile, die ich nicht sehen kann, weil sie verdeckt sind, sind noch nicht Bestandteil der Skizzen, perspektivisch noch nicht unabhängig) 4. 3-dimensionale Modellrepräsentation Zusammenfassung der Flächen in ihrer Anordnung zu Repräsentationen der dreidimensionalen Umweltobjekte. Objektzentrierung; Objekte werden jetzt auch unabhängig von ihrer spezifischen Position oder Orientierung auf der Netzhaut repräsentiert: Modell der real existierenden Welt. Top-down-Ergänzung dessen, was ich nicht sehe. Wahrnehmung also in aufeinanderfolgenden Verarbeitungsstufen – von Berechnungen der schemenhaften Konturen in der primären Rohskizze zu Berechnungen, die zu ausgereiften dreidimensionalen Objektrepräsentationen führen. o Elementare Teilkörper (Biederman) Kanten-Extraktion Analyse von „nicht-zufälligen“ Eigenschaften Analyse von konkaven Regionen Bestimmung der Komponenten Vergleich der Komponenten mit Objektrepräsentationen Objekterkennung Analyse von nicht-zufälligen Eigenschaften: Netzhautbilder haben überzufällig oft bestimmte Kanteneigenschaften (durch Erfahrung mit dreidimensionalen Objekten) = nichtzufällige Merkmale, perspektivenunabhängig. Gerade Linien = gerader Körper, gekrümmte = gekrümmter Körper etc.) Beispiel für eine Fehlleitung durch Annahme nichtzufälliger Eigenschaften: Ames-Raum. Analyse von konkaven Regionen: Zusammentreffen zweier Linien, lässt auf Zusammentreffen zweier Teile des 3-D-Körpers schließen, verdeckte Regionen können ergänzt werden. Annahmen: Grundlegende Kategorien von Teilobjekten = Geons. Dienen wie ein Alphabet zum Aufbau von Objekten; das Erkennen eines Geons ist mit dem Erkennen eines Buchstabens vergleichbar. Das Objekt wird als dasjenige Muster erkannt, das aus diesen Teilen zusammengesetzt ist; mit dem Erkennen eines Wortes vergleichbar. Aus 36 Geons kann jedes beliebige Objekt zusammengesetzt werden. Objekterkennung durch die Erkennung der Komponenten des Objekts. Experiment: Aufgabe Vpn: Erkennen von Objekten in veränderten Abbildungen. uV1: entweder einige Komponenten vollständig gelöscht oder alle Komponenten vorhanden, aber Teile der Komponenten fehlen. uV2: Darbietungszeit. Entweder sehr kurz (65ms) oder länger (200ms). Ergebnis: Waren die Abbildungen nur sehr kurz zu sehen, wurden die Objekte, deren Komponenten vollständig gelöscht waren, schneller erkannt (in der kurzen Zeit nicht in der Lage, die Komponenten zu erkennen, Objekterkennung an sich schwierig). Bei längerer Zeit kehrte sich dieser Befund um: die Objekte, die alle Komponenten beinhalteten, die aber unterbrochen waren, wurden besser erkannt (mehr Komponenten zur Verfügung; mehr Information für die Objekterkennung). - Perspektivenunabhängigkeit o Sowohl die Theorie von Marr als auch die von Biederman macht die Annahme, dass die Leichtigkeit der Objekterkennung perspektivenunabhängig ist. Aber: Mentale Rotation Dreidimensionales Objekt „im Kopf drehen“, bis es mit einem anders gedrehten zur Deckung kommt. Die Zeit, die man dafür braucht, hängt ab vom Winkel, den man es drehen muss (linearer Zusammenhang: höherer Winkel, längere Zeit; nicht aus jeder Perspektive wird das Objekt gleich schnell erkannt) o Mittlerweile wird angenommen, dass nicht entweder-oder diskutiert werden muss, sondern durch sowohl-als-auch ersetzt werden muss; die Frage ist dann: unter welchen Umständen ist Ojekterkennen abhängig von der Perspektive? o Vanné et al. (2002); Wann perspektivenabhängig? Experiment: Aufgabe Vpn: Objekte verschiedener Orientierung mental zur Deckung bringen. uV: verschiedene Änderungen: (a) invariance condition: Komponenten versetzt (in non-matching) (b) rotation condition (in non-matching) : Spiegelbild Ergebnis: Muss ich zwei Objekte anhand einfacher Merkmale auseinanderhalten, muss ich nicht rotieren; perspektivenunabhängig. Muss ich ein Objekt und sein Spiegelbild auseinanderhalten, muss ich mental rotieren; perspektivenabhängig. - Kognitive Neuropsychologie o Apperzeptive Agnosie Störung der Formidentifikation o Assoziative Agnosie Bei intakter Formidentifikation Störung des Zugriffs auf die Bedeutung Modell Riddoch & Humphrey (2001) 1. Objekt Analysieren von Bewegung, Farbe, Form, Tiefe. 2. Von Forminformationen aus Kanten gruppieren, Merkmalsinformationen einbinden, mit bekannten Formen abgleichen 3. Von endgültiger visueller Repräsentation zu struktureller Einbindung ins semantische System, Verknüpfung mit semantischen Repräsentationen Apperzeptive Agnosie ist eine Störung innerhalb der Verarbeitungsphasen in Schritt 2, assoziative Agnosie unter Schritt 3. - Gesichterwahrnehmung o „Thatcher-Illusion“ Augen- und Mundpartie ausgeschnitten und um 180° gedreht erneut an ihre Stelle gesetzt. Wird das manipulierte Gesicht als Ganzes auf den Kopf gestellt, bemerkt man die Veränderung oft nicht: die Identifizierungsrate und Geschwindigkeit, die man dafür braucht, nähert sich dem nicht-veränderten Original an, wenn es auf dem Kopf steht. Die aus der Beobachtungsperspektive stimmigen Merkmale (Augen und Mund) dominieren den Wahrnehmungseindruck. o Gesichtsinversionseffekt Die Wiedererkennung von Gesichtern in Gedächtnisexperimenten leidet deutlich stärker durch Vertauschen der Merkmale als die Wiedererkennung anderer Objekte. Verarbeitung konfiguraler Merkmale bei Gesichtern vermutlich deutlich höheres Gewicht. o Thesen von Farah Objekterkennung basiert auf einer holistischen Analyse, bei der die Konfiguration des Objekts verarbeitet wird und Einer Analyse der Komponenten. Die meisten Objekterkennungen basieren auf beiden Prozessen, Das Lesen von Wörtern vorwiegend auf der Komponentenanalyse und Gesichter vorwiegend auf der holistischen Analyse. o Farah et al. (1998), Ganz- vs. Teilmaske Experiment: Stimulusfolge: Prime/-/Ganz- oder Teilmaske /-/Target. Aufgabe Probanden: entscheiden, ob Prime und Target gleich sind. uV1 Art der Maske: (a) „Ganzmaske“, normales Gesicht oder normales Wort, (b) „Teilmaske“, Gesichter mit vertauschten Ohren, Mündern, Augen, Nase oder Wörter durcheinander. uV2: (a) Gesichter oder (b) Wörter. Ergebnis: Die Ganzmasken störten mehr bei der Verarbeitung der Items. (holistische Verarbeitung) Bei den Wörtern ergab sich kein Unterschied (Komponentenverarbeitung). (Es wurde allerdings auch ein minimaler, aber signifikanter Unterschied bei normalen Häusern (Ganzmaske) und Häusern mit vertauschten Merkmalen (Fenster, Tür etc, Teilmaske) gefunden.) - Neurophysiologische Evidenz o Im inferotemporalen Cortex scheint eine Struktur (Gyrus fusiformis; fusiformes Gesichtsareal) auf die Analyse von Gesichtern spezialisiert zu sein. Gesichter also bevorzugte Stimulusklasse? o Greebles, Gauthier et al. (1998, 1999) Wie das Antwortverhalten von Neuronen durch Erfahrung geformt werden kann. Experiment: aV: Bestimmung des Aktivierungsniveaus im Gyrus fusiformis als Antwort auf das Betrachten von Gesichtern vs. „Greebles“. Test zu Beginn des Trainings, dann vier Tage lang stundenlanges Training mit „Greebles“ – Unterscheiden. Weiterer Test zu Trainingsende. Ergebnis: Im ersten Test sprachen die Neuronen im fusiformen Gesichtsareal stark auf die Gesichter und kaum auf die Greebles an. Im zweiten Test war die Antwort der Neurone fast ebenso stark, wenn ein Greeble, wie wenn ein Gesicht gezeigt wurde. Kein spezielles „Gesichter-Areal“, eher ein „Expertise-Areal“. (6) Wahrnehmung – Bewegung und Handeln Beispiel Baseballspieler: Abstimmung von Wahrnehmung und Handeln - Die ökologische Perspektive o Grundannahmen: Gibson (1904-1979): „direkte Wahrnehmung“: Information steckt direkt in der Anordnung, die sich dem Betrachter bietet (Beispiel Texturgradient) Information bietet sich vor allem dem sich bewegenden Betrachter (Beispiel Wahrnehmung durch Bewegung, vgl. (4)). Oberflächen in Umwelten werden in ihrer Struktur wahrgenommen; Strukturen vermitteln Information. (Beispiel Texturgradient: wichtige Umgebungsinformation, auch dann konstant, wenn Beobachter sich bewegt) o Optisches Fließen Veränderung im optischen Feld durch die eigene Bewegung produziert. Information, mittels derer Geschwindigkeit und Richtung der eigenen Bewegung festgestellt werden kann (Beispiel Pilot Landeanflug). Unterschied im Ausmaß des Flusses: fährt ein Auto über eine Brücke, ziehen die Geländer in unmittelbarer Umgebung schneller vorbei, in einiger Entfernung in Fahrtrichtung langsamer (Funktion der Entfernung vom Auto; Bewegungsgradient). Punkt, in dem keine Bewegung sichtbar ist (Zentrum des Auseinanderfließens): Zielpunkt der Bewegung ; Information über die Bewegungsrichtung. Expansionspunkt. o Optisches Fließen und Bewegungssteuerung Reziproke Beziehung zwischen Wahrnehmung und eigener Bewegung: optisches Fließen liefert Information, die bei der Kontrolle weiterer Bewegung hilft. (Wir müssen wahrnehmen, um uns zu bewegen, und uns bewegen, um wahrzunehmen.) (Sollen Probanden Bilder von optischem Fließen beurteilen – also in welche Richtung die Bewegung läuft – konnten sie das mit großer Sicherheit.) o Aber: Experiment Land & Lee (1994) Experiment: Auto mit Messinstrumenten ausgestattet, Blickrichtung der Versuchsperson gemessen. Annahme nach Gibson: Expansionspunkt zeigt Zielpunkt der Bewegung an. In einer Kurve sollte Zielpunkt sich dauernd ändern. Ergebnis: Vpn blickten geradeaus, aber nicht auf den Expansionspunkt. Fuhren sie eine Kurve, schauten sie auf die Tangente der Kurve am Straßenrand. Autofahrer müssen außer dem optischen Fluss noch andere Informationen benutzen, um ihre Bewegungsrichtung zu ermitteln. o Affordances o „später“ Gibson: Objekte oder Oberflächen werden nicht intern repräsentiert, sondern haben einen direkten Aufforderungsgehalt; ihre Möglichkeiten werden direkt vom Beobachter mit seinen Zielen und seiner Eigenwahrnehmung wahrgenommen Erste Näherung Bruce et al. (2003) „to primitive men each thing says what it is and what he ought to do with it.. a fruit says “eat me”, water says “drink me”, thunder says “fear me..” o Führt das Konzept der Affordances auf gestaltpsychologische Überlegungen zurück. Zweite Näherung: Beispiele aus der Alltagswelt. (1) ZEIT-Artikel: „So ist das mit dem Vatersein, alles ist anders.. Ein Balkon ist nicht mehr nur ein Balkon (..) bedeutet der eine Kletter- und Absturzgefahr, der andere relative Sicherheit (…). Affordance „Balkon“ ändert sich (2) Design von Alltagsgegenständen (Bsp. Marmeladengläser) o - Evaluation der Theorie Stärken Wichtig auf philosophischem Level: gleiche Betonung von Organismus und Umwelt Gibson hat gezeigt, dass visuelle Reize mehr Information liefern als zuvor gedacht Betonung des Zusammenspiels von Wahrnehmung und Handlung (Vorwegnahme der Bedeutung des dorsalen Pfads! (vgl (2)) Schwächen Beteiligte Wahrnehmungsprozesse sind komplexer als von Gibson angenommen Rolle von Gedächtnis und internen Repräsentationen wird nicht berücksichtigt. Theoretischer Ansatz erfüllt effektiv nicht alle Aspekte der Wahrnehmung (gilt insbesondere für die Funktionen des ventralen Pfades!) Bewegungswahrnehmung: Neuronale Korrespondenz o Störung der Bewegungswahrnehmung: Akinetopsie Welt erscheint wie durch ein Stroboskop-Licht: Keine flüssige Bewegung wahrnehmbar, sondern nur verschiedene Bewegungs-„Level“, die wie einzelne Bilder ablaufen. (Beispiel Daumenkino mit zu großen Sprüngen) o Newsome et al. (1989): Affen Frage: Zusammenhang Fähigkeit eines Affen zum Entdecken von Bewegungsmustern und dem Feuern von MT-Neuronen? Experiment: Simultane Untersuchung von (a) Fähigkeit des Affen zur Beurteilung der Bewegungsrichtung von Punkten, (b) die Antwort eines Neurons im mediotemporalen Kortex des Affen. Ergebnis: Bei zunehmend gleicher Bewegungsrichtung beurteilte (a) der Affe die Bewegung schneller und (b) feuerte das Neuron, das für die Bewegungsrichtung sensitiv war, schneller. Großer Zusammenhang (Beurteilungsfähigkeit kann aus der Feuerrate einiger weniger MT Neuronen vorhergesagt werden!) o Zusatz: Salzman et al. (1990): Affen 2 Experiment: s.o., aber in der Hälfte der Fälle wurde das entsprechende Neuron stimuliert. Ergebnis: Stimulation des Neurons hatte Effekt auf die Entscheidung des Affen! (Nahm mehr Bewegung wahr) o Probleme: (1) Wie verrechnet das kognitive System Objekt- und Augenbewegungen? Bewegtes Objekt: Auge bewegt sich bei der Betrachtung, das Abbild auf der Netzhaut bleibt stationär; es wird Bewegung wahrgenommen. Stationäres Objekt: Auge bewegt sich ebenfalls bei der Betrachtung, Abbild auf der Netzhaut bewegt sich; es wird keine Bewegung wahrgenommen. (2) Wie gelangt das kognitive System aufgrund der zunächst nur lokalen Auswertung von Bewegungssignalen zu eindeutigen Bewegungswahrnehmungen komplexer Objekte? (a) Feldausschnittproblem. Es gibt Neurone, deren rezeptives Feld jeweils für einen Teil des Gesichtsfeldes für Bewegung in eine bestimmte Richtung empfindlich ist. Aber eben jeweils nur für Teil des Gesichtsfelds zuständig wie kann Bewegung eines größeren Objekts wahrgenommen werden? (Information muss irgendwo weitergeleitet und integriert werden.) (b) Korrespondenzproblem. Zwei korrespondierende Punkte eines Objekts auf zwei Bildern aus unterschiedlichen Perspektiven identifizieren. Bewegt sich ein Objekt, wird es an anderer Stelle auf der Netzhaut abgebildet wie können wir erkennen, dass es dasselbe Objekt ist (denn unterschiedliche Stelle auf der Netzhaut heißt auch, dass unterschiedliche Neurone zuständig sind)? Beispiel Julesz-Stereogramm: mit zwei Augen gesehen, entsteht Illusion des schwebenden Quadrates, bei sequentieller Präsentation auf nur einem Auge: sich bewegendes Quadrat. Oder ZufallsKinematogramme (im Kreis aufblinkende Punkte): in schneller Abfolge aufblinken, Entstehung einer Bewegungsillusion. (Störung Akinetopsie: Wahrnehmung veränderter Einzelbilder, Information scheint nicht integriert zu werden) - Die Rolle von Bewegungsschemata o Top-down-Einflüsse Rolle von Algorithmen, Heuristiken, Bewegungsschemata o Algorithmus, Beispiel Rad (a) Gedachtes Rad, das Linie entlangrollt; Punkt sichtbar am Rahmen des Rades (Wahrnehmung: hüpfender Punkt); (b) Gedachtes Rad, das Linie entlangrollt; Punkt sichtbar im Zentrum des Rads und Punkt auf dem Kreis (Rahmen des Rads) Wahrnehmung: sich bewegendes Rad. Bewegte Einzelpunkte, die sich relativ zueinander bewegen, erzeugen gemeinsam eine visuelle Struktur, die in keiner der Einzelbewegungen vorhanden ist (siehe (a)). o Johansson-Figuren Kleine Lichter am Körper einer Person befestigen, Lichter in einem dunklen Raum beobachten. Steht der Körper still, ergibt sich ein bedeutungsloses Muster; bewegt er sich, wird sofort eine gehende Person wahrgenommen; Erkennen der Form aus der Bewegung. Wir sehen ständig biologische Bewegung; leicht in bedeutungshaltige Wahrnehmung organisierbar (leicht kategorisierbar nach Geschlecht, Gewicht, Stimmung, Anspannung etc.) Spezialisiertes Gehirnareal? wenig Information notwendig, sehr schnell andere Hirnareale aktiv, Patienten mit Akinetopsie haben relativ gute Wahrnehmung biologischer Bewegungen (scheint auf anderen Prozessen zu beruhen als andere Bewegungswahrnehmung) sehr früh vorhanden: angeborene Schemata? o Johansson-Figuren und Autismus Blake et al. (2003) Experiment: Vergleich von gesunden Kindern mit autistischen. Aufgabe: JohanssonFiguren von Kontrollfiguren unterscheiden. Ergebnis: Gesunde Kinder können recht zuverlässig Aussagen über Geschlecht und Stimmung machen, wenn sie Johansson-Figuren sehen; in einem nicht-biologischen Kontrollmuster erkennen sie solche Strukturen nicht. Autistische Kinder zeigen keinen Unterschied in den Bedingungen: Sie sehen keine Person in dem Lichtmuster und sind außerstande, transportierte Stimmungen aus diesen Mustern wahrzunehmen. - Die Rolle der Aufmerksamkeit o Inattentional Blindness Simon & Chabris (1999) Experiment: Video mit ballspielenden Kindern in weißen oder schwarzen T-Shirts, Aufgabe (a) zählen, wie oft die Kinder in weißen Shirts sich den Ball zuwerfen, (b) wie oft die Kinder in schwarzen Shirts sich den Ball zuwerfen. aV: Wieviele Probanden bemerken den Mann im schwarzen Gorillakostüm, der währenddessen zwischen den Kindern durchläuft? Ergebnis: (a) 42% in der Weiß-Bedingung, (b) 83% in der Schwarz-Bedingung. o Change Blindness Experiment: Jemanden nach dem Weg fragen, die Sicht für einen Moment stören (Bauarbeiter tragen Holzplatte vorbei), Person auswechseln: Viele Probanden bemerken nicht, dass ihnen jemand anderes gegenübersteht. Vorübergehende Verdeckung; Sakkadische Suppression: Wahrnehmbarkeit eines optischen Reizes während einer Sakkade stark verringert (Augenbewegung, Blinzeln etc.) (7) Wahrnehmung – Sprachwahrnehmung und Lesen - Leseforschung: Blickbewegungsmessung als zentrale Methode der Leseforschung, Auflösung des Blickverhaltens in Fixationen und Sakkaden o o Jumbled-Words-Effekt Texte auch dann noch ohne Probleme zu lesen, wenn die Buchstaben vertauscht wurden? o Rayner et al. (2006), jumbled words Experiment: Aufgabe Probanden: Text lesen, aV: Anzahl der Fixationen, % Rücksprünge, mittlere Fixationsdauer. uV: 1. 2. 3. 4. Normaler Text (The boy could not solve the problem.) Verschiebung interner Buchstaben (The boy cuold not slove the probelm.) Verschiebung von Endbuchstaben (The boy coudl not sloev the problme.) Verschiebung von Buchstaben am Wortanfang (The boy oculd not oslve the rpoblem.) Ergebnis: In Bedingung (1) weniger Fixationen, Rücksprünge und mittlere Fixationsdauern; mit ansteigender Veränderung (für Bed. 4 am stärksten) deutlich mehr Fixationen, Rücksprünge etc. Aussage kann so nicht aufrechterhalten werden, aber zum Teil (Effekt der Verschiebung interner Buchstaben ist relativ klein, und auch in Bedingung 4 sind die Worte noch lesbar). - Interactive Activation Model (IAM) o Modell der Worterkennung. Grundannahmen: Visuelle Worterkennung besteht aus sich gegenseitig fördernden und hemmenden Prozessen von datengetriebener (bottom-up) und konzeptgetriebener (top-down) Wahrnehmung. 1. Wahrnehmungseinheiten auf drei Ebenen: Merkmalsebene, Buchstabenebene, Wortebene. 2. Wird ein Merkmal in einem Buchstaben entdeckt, werden alle Buchstabeneinheiten, auf die dieses Merkmal zutrifft, aktiviert (vgl. Pandämonium-Modell, (5)) und alle anderen gehemmt. 3. Position des Buchstaben innerhalb des Worts identifizieren, alle Wortebenen, für Vier-Buchstaben-Wörter-Einheiten, in denen der Buchstabe an dieser Position auftaucht, werden aktiviert, die anderen gehemmt. 4. Wörter werden auf der Wortebene erkannt. Top-down-Verbindungen zwischen Wort- und Buchstabenebene. Auf jeder Ebene des Systems führt die Aktivierung einer bestimmten Einheit zur Hemmung aller anderen, konkurrierenden Einheiten. einflussreiches Modell, kann einige Effekte gut erklären (Wortüberlegenheitseffekt, Pseudowortüberlegenheitseffekt) o Wortüberlegenheitseffekt Experiment: Kurze Präsentation Stimulus, Maske, dann Frage zum Stimulus (an dritter Stelle ein O oder ein U?). uV: Stimulus entweder Wort (Blume) oder Pseudowort. aV: Reizdiskriminierung (richtige Antworten). Ergebnis: Wörter hatten eindeutig einen Vorteil und wurden besser erkannt als Pseudowörter. Nach IAM: Top-down-Einflüsse der Wortebene auf die Buchstabenebene (Einheit „Blume“ ist aktiviert und hemmt damit die Einheit „O“ auf dem Buchstabenlevel). o Pseudowortüberlegenheitseffekt Experiment: s.o., aber Stimulus entweder aussprechbares Pseudowort (PLUZE) oder unaussprechbares Pseudowort. Ergebnis: Auch die aussprechbaren Pseudoworte hatten einen Vorteil ggü den unaussprechbaren Pseudoworten. Nach IAM: Überschneidung von Schreibweisen (Mustern, wie buchstabiert wird) zwischen richtigen Wörtern und aussprechbaren Pseudoworten. (Top-down-Einfluss). Diese Überschneidung kann zusätzliche Aktivierung der gezeigten Buchstaben hervorrufen und so zu dem Effekt führen. Aber: einige Befunde sind durch das IAM nicht gut zu erklären: jumbled-words-Effekt, die Bedeutung der Phonologie (Erklärung nur visuell) o IAM und der jumbled-words-Effekt Im Prinzip kann der Grundgedanke des IAM (Pandämonium-Metapher!!) den Effekt verständlich machen, aber im Speziellen nicht, weil die Verbindungen zwischen Buchstaben- und Wortebene im Modell auf Buchstaben an der richtigen Position beschränkt sind. - Die Rolle der Phonologie o Hypothese von Frost (1998) Phonologische Verarbeitung ist obligatorisch beim Lesen von Wörtern. o Evidenz: Stroop-Farbbenennungsaufgabe, Tzeldov et al. (1996) Ausgangsbefund: Stroop-Effekt: Man braucht länger, um Farbe eines Wortes zu benennen, wenn Wort selbst ein anderes Farbwort ist (Wort rot in grüner Schrift, „grün“ sagen – dauert länger als Wort groß in grüner Schrift, „grün“ sagen). Experiment Tzeldov: Probanden zweisprachig (englisch, hebräisch), Aufgabe: Farben von Nichtwörtern benennen; Nichtwörter waren aber in der jeweils anderen Sprache vorgelesen eine Farbbezeichnung (also: „Adorn“ ist kein englisches Wort, bedeutet auf Hebräisch aber „rot“). aV: RZ. Ergebnis: Der Stroop-Effekt ließ sich trotzdem nachweisen! Probanden übersetzten das Wort also automatisch in sein auditives Format, auch wenn es eher zum Nachteil für die Bewältigung dieser Aufgabe war. - o Aber Gegenevidenz Frost: Phänomen der Phonologischen Dyslexie o Phänomen: Personen können unbekannte Wörter oder aussprechbare Nicht-Wörter nicht aussprechen. Mechanismus, der es erlaubt, visuelle Information in auditive Information umzuwandeln, muss gestört sein. Nach Frost müssten diese Menschen nicht lesen können; das tun sie aber. Bekannte und häufig vorkommende Wörter können ausgesprochen werden; es muss also auch einen alternativen Verarbeitungsweg geben. Typen von Dyslexien o Dyslexie allgemein: Beeinträchtigung der Leseleistung, die deutlich höher ausfällt als aufgrund des allgemeinen Intelligenzniveaus der Person erwartet werden könnte. o o Phonologische Dyslexie Oberflächendyslexie o Tiefendyslexie Dual-route cascaded model Drei Wege zwischen gedrucktem Wort und Sprache. Zuerst gemeinsame Basis: Wortbestandteile identifizieren. Schlüsselunterscheidung der Verarbeitungswege: lexical vs. Non-lexical. Non-lexical: Buchstaben in Geräusch umwandeln Lexical: Basierend auf gedanklichem Wörterbuch In der Regel verwenden wir die lexical route beim Wörterlesen, die nonlexical-Route bei Nichtwörtern. o Erklärung der Dyslexien: Phonologische Dyslexie Hauptproblem der Betroffenen: Nicht-Wörter und unbekannte Wörter lesen. Intakte lexikalische Route, aber Schädigungen der nonlexikalischen: Wortbestandteile identifiziert, mit gedanklichem Wörterbuch im semantischen System abgeglichen, Aussprache erinnert Sprache. Besondere Form von phonologischer Dyslexie: Hauptproblem der Betroffenen: semantische Beurteilungen fällen, Nicht-Wörter lesen. Form von phonologischer Dyslexie, bei der das (korrekte) Lesen von Wörtern nicht von semantischem Verständnis begleitet ist. Nur Zugang zu Teilen der lexikalischen Route, nicht zur nonlexikalischen. Es gibt ein Lexikon und erinnerte Ausspracheregeln, aber keinen Zugriff auf das semantische System. Oberflächendyslexie Hauptproblem der Betroffenen: Aussprache nichtregulärer Wörter / Lesen irregulär auszusprechender Wörter. Nur Zugang zur non-lexical-route: Wortbestandteile identifizieren Ausspracheregeln Sprache. Kein Zugang zu gedanklichem Wörterbuch etc.; regelmäßig aussprechbare Wörter sind kein Problem (auch Nichtwörter). Tiefendyslexie Hautproblem der Betroffenen: Lesen seltener oder Nichtwörter. Charakteristisch: sogenannte semantische Paralexien („Krug“ soll gelesen werden, Antwort ist „Flasche“). Visuelle und semantische Fehler (visuell: „mouth“, gelesen „month“, semantisch: „heart“, gelesen „blood“). Argumentation Coltheart et al. (2001): Patienten mit Tiefendyslexie nutzen nicht das normale Lesesystem in gestörter Form, sondern kompensatorisch ein alternatives Lesesystem, das in der rechten Hemisphäre lokalisiert ist. Alternative Erklärung: Störung der nonlexikalischen Route und spezifische Störungen des semantischen Systems (beispielsweise zu schwache Hemmung von konkurrierenden semantischen Einträgen). - Parallel-verteiltes Modell von Plaut et al. (1996) o o o Weniger erklärungsmächtig als das dual-route-cascaded-model, aber: Im Gegensatz zu anderen Modellen lernt es Eingabe-Ausgabe-Muster. Idee: Das Netzwerk lernt, Wörter richtig auszusprechen, wenn sich Verbindungen knüpfen zwischen der visuellen Form von Buchstaben und Buchstabenkombinationen (grapheme units) und ihren entsprechenden Phonemen (phoneme units). Architektur: 61 phoneme units(Output) 100 hidden units 105 grapheme units(Input) o o - Hochgradige Vernetzung, hemmende und aktivierende Verbindungen (Start mit Zufallsgewichten, Ausbildung von „Verbindungsgewichten“; dieses grapheme unit wird statistisch häufiger so ausgesprochen als so) „hidden units“ sind Einheiten, denen a priori keine Bedeutung zugeordnet wird; wird für komplexere Lernprozesse benötigt. Worterkennung im Kontext o In der realen Sprachverarbeitung findet Worterkennung fast ausschließlich im Kontext anderer Wörter statt. o Semantisches Priming Frage: Ist Wortidentifikation vom Kontext beeinflusst? Experiment: Zuerst Prime darbieten (Beispiel BLUME), dann entweder (a) semantisch verwandtes Wort als Target (Tulpe), (b) nichtverwandtes Wort, (c) Nichtwort. Aufgabe Probanden: entscheiden, ob Wort oder Nichtwort. aV: RZ. Ergebnis: RZ ist dann geringer, wenn ein semantisch verwandtes Wort vorangeht. Aber möglicherweise nur, weil sich die Erwartung ausgebildet hat, dass nach dem Prime ein semantisch verwandtes Wort kommt? Neely. o Neely (1977), Kategorienamen; semantisches Priming Experiment: Verwendung von Kategorienamen (Beispiel Building oder Body) als Primes und Exemplare der Kategorien als Targets (door, heart). Induziert Erwartung der Probanden, dass fast immer eine nicht zusammenpassende Prime-TargetBeziehung präsentiert wird (also Body – dann Gebäudeteil). Außerdem variiert: Zeitintervall zwischen Prime und Target. Zwei Arten von Tests: 1. Auf den Namen einer Kategorie folgt ein Exemplar aus einer anderen (aber erwarteten) Kategorie wie es gelernt wurde, also: Body – door. 2. Auf den Namen der Kategorie folgt ein Exemplar derselben Kategorie, das aber unerwartet ist weil so nicht gelernt, also: body – heart. Ergebnis: Bei sehr kurzem Zeitintervall findet sich ein größerer Effekt der semantischen Verknüpfung (body- heart besser), bei längerem zeigte sich der auf die Erwartung basierte Aufmerksamkeitseffekt (body – door ). Der semantische Kontext der Kategorien wird also schneller und unbewusster aktiviert, Erwartung ist eher ein Aufmerksamkeitseffekt und überlagert den anderen nur bei etwas längerer Zeit. Kontexte machen Wortbedeutungen automatisch zugänglich. Funktion z.B. Disambiguierung (mehrdeutige Wörter). o Disambiguierung Experiment: Satz mit mehrdeutigen Worten präsentiert (The man spent the entire day fishing on the bank). Zunächst sind damit alle Bedeutungen parallel aktiviert (Flussufer, Geldinstitut..). uV Prime: (a) River (passend zum Kontext), (b) Money (weniger gut passend zum Kontext), (c) Kontrollwort. aV: RZ Wort oder NichtwortEntscheidung. Ergebnis: Kürzeste RZ in der River-Bedingung, dann folgt b und für das Kontrollwort ist die RZ am längsten auf das zum Kontext passende Wort ist man stärker geprimed als auf das unpassende. - Lesen von Sätzen o Augen bewegen sich in schnellen Bewegungen (sakkaden); Information wird aus dem Text während der Fixation gewonnen, nicht während der Sakkaden. Nur etwa 10% der Sakkaden gehen im Text zurück, sonst in eine Richtung. o Moving-Window-Technik Nur ein Ausschnitt des zu lesenden Textes ist klar sichtbar (Fenster um den Fixationspunkt des Probanden), durch Blickbewegung Proband wird Fenster gesteuert; durch Veränderung der Fensterbreite kann untersucht werden, bis wann Lesen möglich ist. o Was passiert im parafovealen Bereich? Über Wort-Austausch-Technik testen: Das Wort im parafovealen Bereich wird während der Sakkade, die zu diesem Wort springt, ausgetauscht. Fixationszeit ist generell länger, wenn Wort ausgetauscht wird; Effekt ist aber weniger ausgeprägt, wenn das vorige Wort visuell oder phonologisch ähnlich ist. Semantische Ähnlichkeit verkürzt Fixation nicht. Keine semantische Verarbeitung im parafovealen Bereich. E-Z-Reader-Modell Etwa 80% der inhalttragenden Wörter (Substantive, Adjektive, Verben) werden fixiert, nur etwa 20% der Funktionswörter (Artikel, Präpositionen etc.) Modell: Vertrautheitscheck des fixierten Wortes, nächste Blickbewegung: lexikalischer Zugriff auf das fixierte Wort; Aufmerksamkeit aufs nächste; in der labilen Phase der Blickbewegungsprogrammierung kann das Programm abgebrochen werden. Erklärt zum Beispiel, dass nicht nur seltene, sondern auch darauf folgende Wörter länger fixiert werden (während der langen lexikalischen Zugriffsphase für das seltene Wort bleibt keine Zeit für parafoveale Verarbeitung des nächsten Wortes) Wahrscheinlichkeit des Überspringens steigt für gebräuchliche, vorhersagbare und kurze Wörter (die „ofs“ in der „F-Zählen“-Aufgabe) Fazit: - Worterkennung wird häufig durch konnektionistische Modelle erklärt (Rolle von top-downProzessen) - Semantischer Kontext spielt eine große Rolle (Semantisches Priming!) - Rolle der Phonologie bei der visuellen Worterkennung - Blickbewegung als Methode der Wahl des Leseprozesses (8) Aufmerksamkeit – Selektive Aufmerksamkeit - Neuropsychologie: Neglect – Aufmerksamkeitsphänomen! Problem mit dem Untersuchen und Berichten von Reizen auf der kontralateral zur Hirnschädigung liegenden Raumseite; meist Vernachlässigung von Stimuli im linken visuellen Halbfeld. Primäre visuelle und motorische Strukturen sind nicht geschädigt, es wird also Information verarbeitet, aber nicht ausreichend, um bewussten Eindruck zu erzeugen. Sogar Reaktion auf Primes im vernachlässigten Gesichtsfeld (schnellere RZ). Defizit der Aufmerksamkeit - Aufmerksamkeitsphänomene im Alltag (vgl. (6)), change blindness - Aufmerksamkeit nach James (1890): „Aufmerksamkeit ist das Besitzergreifen durch den Verstand, in einer klaren und lebhaften Form (..) Bündelung, Konzentration des Bewusstseins sind das Wesentliche. (…) Sie beinhaltet das Zurückziehen von einigen Dingen, um mit den anderen wirkungsvoll umgehen zu können.“ o o o o o - Unterscheidung: o o - Selektion Hervorgehobene Verarbeitung der mit Aufmerksamkeit bedachten Stimuli Reduzierte Verarbeitung der nicht mit Aufmerksamkeit bedachten Stimuli Funktional („um mit den anderen wirkungsvoll umgehen zu können“) Bewusstsein Ziel-determinierte Aufmerksamkeit (goal-driven) (Aufmerksamkeit von selbst auf etwas richten, visuelle Suche) Stimulus-determinierte Aufmerksamkeit (stimulus-driven) (Stimulus bewirkt, dass man die Aufmerksamkeit auf ihn richtet, Bsp. Spinne) Die frühe Aufmerksamkeitsforschung: Beachtete vs. Unbeachtete auditive Information o Typisches Experiment dichotisches Hören Idee: Proband trägt Kopfhörer und hört gleichzeitig zwei verschiedene Informationen auf getrennten Kanälen, dabei soll eine der Informationen „beschattet“ werden (beispielsweise die Wörter aus einer Nachricht wiedergeben); „shadowing-task“. 1. Erste Ergebnisse (Cherry 1953, Moray 1959): Von der unbeachteten Information scheint wenig anzukommen: Probanden können später lediglich angeben, ob sie eine menschliche Stimme oder Geräusche gehört haben und – wenn es eine Stimme war – ob sie männlich oder weiblich war und ob sie während des Tests gewechselt hat. Nicht bemerkt wurde, ob die unterdrückte Information in einer fremden Sprache war, ob sie rückwärts abgespielt wurde oder ob dasselbe Wort immer wieder wiederholt worden war. - Broadbents Filtertheorie (1958) Annahme: Information aus beiden Kanälen kommt für kurzen Moment in einen Zwischenspeicher; aufgrund physischer Merkmale (bsp. Ohr) wird das Signal einer der Quellen „ausgefiltert“, um eine Überbelastung der kapazitätslimitierten Mechanismen zu vermeiden. Theorie der frühen Auswahl; sensorische Information durchläuft das System ungehindert, bis es eine Art Flaschenhals erreicht – an dieser Stelle wird entschieden, was ausgefiltert und was weiterverarbeitet wird. o Evidenz für den Zwischenspeicher Experiment (vgl. (11)): Gedächtnisaufgabe. Zwei Kanäle, auditive Darbietung von je drei Zahlen. Dann Wiedergabe. Ergebnis: Im recall geben die meisten Probanden ohr-weise wieder, also erst die Zahlen, die auf dem einen, dann die Zahlen, die auf dem anderen Ohr gehört wurden; spricht für Vorrang physischer Merkmale (Ohr) bei der Wiedergabe, außerdem: die Information vom zweiten Kanal muss also zwischengespeichert worden sein (sensory buffer). Sensorische Speicher: Ikonisches Gedächtnis und die Sperling-Versuche, siehe Vorlesung (11). Sensorische Information wird für kurze Zeitspanne in den sensorischen Speichern (auditiv Broadbent, oder visuell Sperling) gehalten. Die weiteren Verarbeitungsmechanismen arbeiten mit dem Material, das in diesen Speichern gehalten wird. o Probleme der Filtertheorie Es findet in gewissem Maße eine Bedeutungsanalyse der unbeachteten Information statt. 1. Gray & Wedderburn (1960) Experiment: Dichotisches Hören, auf einem Kanal beispielsweise „Who 6 there“, auf dem anderen „4 goes 1“. Wiedergeben. Ergebnis: Es wurde bevorzugt „Who goes there“ wiedergegeben, dann „641“. Die Tatsache, dass die Auswahl bedeutungsbasiert sein kann, widerspricht den Annahmen der Filtertheorie. 2. Treisman (1960) Experiment: Dichotisches Hören, Sätze auf beiden Kanälen. Ein Ohr beschatten, Wiedergabe. Ergebnis: Es gab in wenigen Fällen sogenannte „Durchbrüche“ der Information aus dem unbeachteten Kanal (Beispiel: rechtes Ohr „I saw the girl song was wishing“ und linkes Ohr „me that bird jumping in the street“ Wiedergabe: „I saw the girl jumping in the street“. ) Durchbrüche vor allem dann, wenn die Information sehr gut zum Kontext der zu beschattenden passt. 3. Moray (1959), der eigene Name wurde in etwa einem Drittel der Fälle im unbeachteten Kanal entdeckt. (gründlichere Untersuchung Wood & Cowan) - Treismans Dämpfungstheorie (1964) Annahme: Das Signal des unbeachteten Kanals wird minimiert, aber nicht vollständig ausgefiltert. Semantische Verarbeitung der unbeachteten Information ist schwierig, aber prinzipiell möglich („breakthroughs“). Offenbar beeinflusst von der Relevanz der unbeachteten Information (große physikalische Stärke – ein lautes Geräusch – oder eben gut zum Kontext passend, siehe oben oder persönliche Relevanz - siehe Moray). 1. Wood & Cowan (1995) Experiment: Kontrollgruppe ohne besondere Information, KG die einen fremden Namen hörte, EG eigener Name im unbeachteten Kanal (einmal), EG eigener Name wiederholt Ergebnis: Die meisten „shadowing“-Fehler passierten in der Experimentalgruppe und dort am häufigsten in der wiederholten Bedingung. - Die Theorie der späten Auswahl, Deutsch & Deutsch (1963) Annahme: Die gesamte Information wird ungedämpft verarbeitet. Nicht die Begrenzung der Kapazität des Wahrnehmungssystems ist entscheidend, sondern des Reaktionssystems. 1. Treisman & Geffen (1967) Experiment: Aufgabe Probanden: Beschatte einen Kanal, wenn du ein bestimmtes Target-Wort hörst, drücke eine Taste – egal auf welchem Kanal du das Wort hörst. Ergebnis: deutlicher Unterschied in der Entdeckungsrate zwischen beachtetem und unbeachtetem Kanal. Aber: Deutsch & Deutsch kritisierten, dass die Targets auf dem beschatteten Kanal mit zwei Reaktionen beantwortet werden; nachsprechen und Tastendrücken. Sie werden daher als wichtiger angesehen und nach Deutsch & Deutsch hängt die Reaktionsbereitschaft von der Wichtigkeit ab. 2. Treisman & Riley (1969) Experiment: Stoppe das Nachsprechen, wenn ein Targetwort kommt und drücke nur noch die Taste; egal auf welchem Kanal das Targetwort zu hören ist. Ergebnis: Immer noch deutlicher Unterschied. Spricht für die Dämpfungstheorie nach Treisman. - Perceptual load theory, Lavie (1995, 2000) Annahme: ob früh oder spät selektiert wird, hängt von situationalen Bedingungen ab. Begrenzte Aufmerksamkeitskapazität. Hoher perceptual load (keine Mitverarbeitung von Distraktoren, weil hohe Beanspruchung der Aufmerksamkeit durch Zielreiz): frühe Selektion. Niedriger perceptual load (Geringe Anforderung an Aufmerksamkeit, Mitverarbeitung irrelevanter Information): späte Selektion. Also zum Teil frühe Auswahl (wie nach Broadbent), zum Teil späte Auswahl (wie nach Deutsch & Deutsch). 1. Mit visuellem Material und der sog. Flanker-Aufgabe getestet Flanker-Paradigma Experiment: Präsentation von Buchstabentripeln. Aufgabe Probanden: Erscheint ein H oder ein T in der Mitte, rechte Taste drücken. Erscheint ein K oder ein R in der Mitte, linke Taste drücken. uV: neutrale Distraktoren (Q) oder Distraktor, der mit konkurrierender Reaktion verknüpft ist (K, wenn ich das H entdecken soll). Ergebnis: Mit konkurrierender Reaktion verknüpfte Distraktoren verlangsamen die Reaktion deutlich stärker. 2. Lavie (2005) Experiment: Aufgabe Probanden: Befindet sich ein X oder ein N in der kreisförmigen Reizkonfiguration? uV1: Distraktoren entweder Buchstaben (hoher perceptual load) oder Kreise (niedriger perceptual load). uV2: Distraktor neben der Reizkonfiguration –entweder neutral oder inkompatibel mit der Antwort (verknüpft mit konkurrierender Entscheidung). Annahme: Distraktor sollte mehr Effekt in der low load-Bedingung haben (dann werden irrelevante Reize mehr mitverarbeitet!) Ergebnis: Bestätigung der Annahme; in der low load-Bedingung störte der Distraktor mehr. Zwischenfazit: Aufmerksamkeitsausrichtung ist in erster Linie abhängig von physikalischen Informationen (Ort der Schallquelle oder Ohr, siehe Broadbent). Die Verarbeitung der unbeachteten Information ist minimiert, aber nicht vollständig ausgefilert. Sie kann durchaus auch semantisch verarbeitet werden und so auch Aufmerksamkeit auf sich ziehen. - Visuelle Aufmerksamkeit o Nicht identisch mit fovealer Verarbeitung (vgl. (7) E-Z-Reader-Modell) o Das Cuing-Paradigma (Posner, 1980) Experiment: Aufgabe Probanden: Augen nicht bewegen (x in der Mitte des Bildschirms fokussieren); visuelle Zielreize entdecken, nachdem sie vorher Hinweisreize gesehen haben. uV1: Variation der Hinweisreize, (a) zentraler cue: Symbol (Pfeil) am Fixationspunkt zeigt auf bestimmte Position, wo Target auftauchen wird, (b) peripherer cue: kurzes Aufflackern des Reizes am Ort, wo das Target auftauchen wird uV2: (a) valider Hinweisreiz (Zielreiz taucht auf, wo er vorhergesagt wurde), (b) invalider Hinweisreiz (taucht woanders auf). uV3: Zeit zwischen Hinweisreiz und Zielreiz aV: Reaktionszeit. Ergebnis: Für beide cues wenn Hinweisreize zu 80% valide waren, also informativ: Reaktionszeit am kürzesten, wenn der Hinweisreiz zutreffend ist (valide), dann RT wenn es keinen Hinweisreiz gab, langsamste RT wenn der Hinweisreiz falsch war. Wenn Hinweisreize selten valide (also eigentlich nicht informativ): Kein Effekt der zentralen cues mehr, aber immer noch der peripheren! Zeitverlauf: Für zentrale cues langsam, träge (Latenz > 200 ms), Aufmerksamkeitszuwendung bleibt lange erhalten (>500 ms). Für periphere cues schnell (Latenz ~ 50 ms) (der Augenbewegung an einen peripheren cue geht die Aufmerksamkeitsbewegung voraus!), bleibt nur kurz aufrechterhalten (Phase, in der es eine Erleichterung durch den peripheren cue gibt; dann gegenteiliger Effekt („inhibition of return“ lange Zeitverzögerung zwischen Hinweis- und Zielreiz führt zu verlangsamter RT auf ein Target an indiziertem Ort (mögliche Erklärung: taucht der erwartete Zielreiz nicht sofort auf, wird die Region eher gehemmt)). - Folgerung: Zwei Aufmerksamkeitsmechanismen o o Willentlich, kontrolliert (bei Posner: endogene Aufmerksamkeitssteuerung) Reflexiv, automatisch (bei Posner: exogene Aufmerksamkeitssteuerung) Korrespondenz zu brain-imaging-Studien: verschiedene Hirnregionen beansprucht während der Mechanismen; endogene Steuerung dorsal frontoparietal, exogene ventral frontoparietal, rechtshemisphärisch (passend: Befunde zu neglect-Patienten; „cuing“ kann bei neglect wirken Neglect kann als Defizit des exogenen Systems betrachtet werden) - Form der räumlichen Aufmerksamkeit o Die Spot-Light-Metapher Visuelle Aufmerksamkeit als eine Art wandernder Scheinwerfer. Evidenz aus dem cuing-Paradigma. Aber: drei Angriffe (zoom-lens-Metapher, split attention und object-based attention) o Die Zoom-Lens-Metapher, Eriksen & St James (1986) Der „Kegel des Schweinwerfers“ kann wie bei einem Zoom unterschiedlich breit sein. 1. Evidenz: LaBerge, 1983 Experiment: Darbietung von 5-Buchstaben-Wörtern. Target, das möglichst schnell erkannt werden sollte, erschien direkt nach dem Wort (anstatt der Buchstaben aus dem 5-Buchstaben-Wort vier „+“ und das Target, an irgendeiner Position). uV: Variation der Aufmerksamkeits“breite“, bevor das Target gezeigt wird. (a) Buchstaben aus der Mitte des Wortes benennen (kleiner Zoom), (b) das gesamte Wort kategorisieren (weiter Zoom). Ergebnis: In Bedingung (a) gab es einen Vorteil, wenn das Target im Zentrum des Stimulus (++7++) auftauchte, deutlicher Nachteil, wenn es am Rand auftauchte. In der zweiten Bedingung waren die Probanden durchschnittlich schneller und vor allem: gleich schnell, egal an welcher Position das Target auftauchte. Aber: Split Attention, Awh et al. (2000) Experiment: Aufgabe Probanden: Aus einem Display, das aus lauter Buchstaben und zwei Ziffern besteht, die Position der Ziffern angeben. uV1: (a) Valide Hinweisreize (vor dem Auftauchen des Displays erscheinen Hinweisreize an den Stellen, wo die Ziffern auftauchen), (b) invalide Hinweisreize (eine Ziffer taucht zwischen den angezeigten Orten auf, die andere woanders). aV: Reaktionszeit, für jede Ziffer einzeln. Ergebnis: Hohe Genauigkeit bei den validen Trials, bei den invaliden Einbußen für die Ziffer, die am anderen Ort auftauchte, aber auch für die, die in der Mitte der Hinweisreize auftauchte. (Nach Annahmen der Scheinwerfer- oder Zoom-Lens-Theorien hätte es dort eine höhere Leistung geben müssen). Geteilte Aufmerksamkeit ist möglich. Zwischenfazit: Die einfache spot-light-Metapher lässt sich so nicht halten. Die Experimente (s.o.) zeigen, dass die räumliche Region, die mit Aufmerksamkeit verarbeitet wird, sehr viel flexibler einstellbar ist. - Ist es immer eine räumlich bestimmte Region, auf die die Aufmerksamkeit gerichtet ist? Aufmerksamkeit raum- oder objektfokussiert? o Object-based-Attention (vgl. (6), Inattentional Blindness: nicht auf Region, sondern Objekt fixiert) 1. Behrmann et al. (1998), Kerben Experiment: Darbietung von zwei diagonal gekreuzten Rechtecken. An jeder der kürzeren vier Seiten können Kerben eingezeichnet sein (keine, eine, zwei). Ein Rechteck kann unterschiedlich gekerbte Enden haben oder gleiche. Aufgabe Probanden: angeben, ob sie in der Darstellung nur die gleiche Anzahl Kerben sehen. uV: Kerben entweder (a) innerhalb des gleichen Rechtecks und damit weiter auseinander oder (b) an unterschiedlichen, aber näher beieinander (linke Seite des Kreuzes). Ergebnis: Findet man die Kerben innerhalb des gleichen Objekts (Rechtecks), ist die RT deutlich kürzer als wenn beide Rechtecke gekerbt sind und man hier die Anzahl vergleichen muss. (nähme man räumlich fokussierte Aufmerksamkeit an, hätte es hier einen Vorteil geben müssen.) 2. Egly et al. (1994) Experiment: Displays mit zwei aufrechten Rechtecken nebeneinander. Aufgabe Probanden: Zielreiz entdecken. uV1: Vorher (a) valider Hinweisreiz auf Auftauchen des Targets oder (b) invalider Hinweisreiz; uV2: Von den invaliden Hinweisreizen konnte er (a) am gleichen Objekt, nur an falscher Stelle auftauchen oder (b) am anderen Objekt auftauchen. aV: RT. Ergebnis: Bei validen Hinweisreizen war die Reaktion schneller (ortsbasierte Aufmerksamkeit), bei den invaliden war sie schneller, wenn der Hinweisreiz am richtigen Objekt aufgetaucht war (objektbasierte Aufmerksamkeit). Orts- und objektbasierte Aufmerksamkeit scheinen keine Prozesse sein, die sich ausschließen! (Auch neuropsychologische Evidenz für Dissoziation von objekt- und ortsbezogener Aufmerksamkeit) - Cross-modales cuing Koordination mehrerer Sinne; cuing von einem anderen Sinn? Experiment: Taktile Hinweisreize funktionierten als cue für visuelle Target-Aufgabe. Kein Hemisphären-Cuing, (derselbe Effekt trat bei gekreuzten Händen auf). - Steuerung der Aufmerksamkeit o Attentional capture und Aufgabenrelevanz 1. Alte Sicht: unabhängig von Zielen der Personen, unflexibel, „festverdrahtet“ 2. Neue Sicht: Nur aufgabenrelevante Merkmale ziehen potentiell Aufmerksamkeit auf sich, abhängig von den Zielen der Personen (s. Folk et al.) Folk et al. (1992) Annahme: Nur cues, die dem Target ähneln, ziehen Aufmerksamkeit auf sich. Experiment: Probanden sollen nach Targets suchen (entweder abrupt onset oder Farb-Target); cues ebenfalls entweder Farb-cue oder abrupt onset. uV1: passender cue oder unpassender cue, uV2: valide oder invalide. aV: RT. Ergebnis: Nur wenn es sich um einen passenden cue handelte, zeigte sich der Validitätseffekt (schnellere RT bei validem cue, langsamere bei invalidem). o - Drei Teilfunktionen des stimulus-driven systems: 1. Enaging (Mechanismus, der Aufmerksamkeit an neuen Ort, neues Objekt „anbindet“) 2. Disengaging (Mechanismus, der Aufmerksamkeit ablöst) 3. Move (Verlagerung der Aufmerksamkeit vom einen zum anderen Ort) Welche Funktion hat die selektive Aufmerksamkeit? o Objektintegration 1. Das Bindungsproblem Verschiedene Merkmale von Objekten werden in unterschiedlichen Bereichen des visuellen Cortex verarbeitet und repräsentiert. „Das Problem, wie neuronale Aktivitäten in verschiedenen getrennten Arealen des Gehirns zur Wahrnehmung ein- und desselben Objekts verknüpft werden.“ Konjunktionsfehler: Fehlerhafte Integration von Merkmalen zur Gesamtrepräsentation eines Objekts. Merkmalsintegrations-Theorie von Treisman Schneller, initialer, paralleler Prozess der Merkmalserkennung; hängt nicht von Aufmerksamkeitszuwendung ab Langsamer, serieller Prozess, in dem die Merkmale zu Objekten integriert werden Die Merkmalsinformation muss sich im Zentrum der Aufmerksamkeit befinden, um zu einem Muster zusammengesetzt zu werden. Beispiel: 1. Aufgabe Probanden „Ist ein T enthalten?“ in einem Display, das ansonsten aus I und Y bestand (den Querstrich suchen, der das T von allen anderen unterscheidet). 2. Aufgabe Probanden: „Ist ein T enthalten?“ in einem Display, das sonst aus I und Z bestand (mehrere Merkmale suchen und verknüpfen; Zuwendung der Aufmerksamkeit von Item zu Item) In Aufgabe 2 brauchten die Probanden deutlich länger. Visuelle Suche Experiment: Aufgabe Probanden: möglichst schnell entscheiden, ob ein Target in einer Menge von Distraktoren ist oder nicht. uV1: Target anwesend oder abwesend, uV2: Größe des Displays (Anzahl der Reize), uV3: Target aufgrund von einem einfachen Merkmal entdeckbar (einziger schwarzer Balken inmitten von weißen) oder nur aufgrund von Merkmalskonjunktion auffindbar. aV: RT Ergebnis: Ist das Target aufgrund eines einzelnen Merkmals auffindbar, spielt die Displaygröße keine Rolle.(schneller, initialer Prozess der Merkmalserkennung). Ist Merkmalskonjunktion notwendig, steigt die benötigte RZ mit der Displaygröße (Hinweis auf den langsamen, seriellen Prozess nach Treisman). Problem der Theorie: Gegensatz von flacher Suchfunktion (parallele Suche wenn keine Merkmalskonjunktion) und steigender Suchfunktion (serielle Suche) eine Idealisierung der Empirie; eigentlich haben „flache“ Funktionen leichte Steigung und „steigende“ geringere Steigung als die Theorie erwartet hätte. o Theorie der gesteuerten Suche, Wolfe (1998) Annahme: Zwei wesentliche Prozessarten: 1. Salienzgesteuerte bottom-up-Prozesse (nicht mehr parallel) 2. Top-down-Prozesse (nicht mehr nur seriell) o o Zu 1.: Je größer die Salienzunterschiede zwischen den Reizen, desto eher werden Merkmalskarten durch einen bottom-up-Prozess aktiviert; durch die hohe Aktivationsdifferenz kann das Target identifiziert werden, wenn es einfach auszumachen ist. Zu 2.: Bei komplizierteren Stimulusdisplays mit mehreren gesuchten Merkmalen werden für jedes Merkmal (Ausrichtung / Farbe) Aktivierungskarten gemäß der Eigenschaften des Targets erstellt (Wie ausgerichtet? Welche Farbe? top-downProzess)und in einer Gesamtaktivierungskarte verrechnet (höchste Gesamtaktivierung zieht Aufmerksamkeit auf sich); wobei der gesuchte Stimulus die höchste Aktivation hat (Aktivationsdifferenzen hier nur durch top-down-Gewichtung: was suche ich? Und nicht: was unterscheidet sich grundsätzlich von den anderen?) geht man davon aus, dass die beteiligten Einflüsse fehleranfällig sind, kann es passieren, dass ein oder mehrere Distraktoren eine höhere Aktivierung als das Target erreichen und vorher inspiziert werden; dann: zurückweisen, serieller Suchprozess durch die Kandidaten. Ähnlichkeit zur MIT: initiales, effizientes Verarbeiten von Merkmalen gefolgt von ineffizienter Suche. Aber Aufgabe des strengen parallel-seriellPrinzips. - Funktionen der Aufmerksamkeit o Adäquate Reaktionsauswahl o Wie weit wird unbeachtete Information verarbeitet? Stroop-Effekt, Stroop (1935) Experiment: Aufgabe Probanden: Farbe der dargebotenen Reize benennen. uV: (a) neutrales Wort oder (b) Farbwort in derselben Farbe oder (c) Farbwort in anderer Farbe. Ergebnis: Farbbenennzeiten deutlich länger, wenn Reiz ein anderes Farbwort ist. Lesen des Wortes als automatische Reaktion, die potentiell störend bei der Zielaufgabe wirkt. o Francolini & Egeth (1980) Experiment: Kreisförmige Reizkonfiguration aus 4 roten und 4 schwarzen Stimuli. Aufgabe Probanden: angeben, wieviele rote Stimuli sich darin befinden. uV: Art der Distraktoren, (a) neutral, (b) die roten Stimuli sind die Ziffer „3“, (c) die schwarzen Stimuli sind die Ziffer „3“. aV: RZ Ergebnis: In Bedingung (b) höhere RZ gegenüber Kontrollbedingung, da 3 im Konflikt mit der korrekten Antwort steht. In Bedingung (c) keine höhere RZ; 3 steht zwar im Konflikt mit 4, wird aber offensichtlich nicht beachtet. spricht zunächst für „frühe Selektion“ Aber: Negative Priming, Driver & Tipper (1989) Experiment: Kreisförmige Reizkonfiguration, 4 rote, 4 schwarze Stimuli. Es zeigt sich: sind die schwarzen Stimuli die 3 (also die Information, die im Konflikt mit der richtigen Antwort steht), zeigt sich zwar zunächst kein Effekt, es lässt sich aber zeigen: Wird im nächsten Durchgang die eben unterdrückte (weil falsche) Antwort gefordert, ist die RZ erhöht (soll ich jetzt „3“ antworten, brauche ich dafür länger). Wird die nichtbeachtete Information möglicherweise sehr weit verarbeitet, um dann gehemmt zu werden? - Negative-Priming mit Bildern (Tipper, 1985) Experiment: Auf Target reagieren; allerdings nur, wenn der gesuchte Stimulus eine Zeichnung aus durchgezogenen Linien ist. Darbietung von je zwei Zeichnungen übereinander: eine aus durchgezogenen Linien, eine aus gestrichelten. uV1: Variation der Primes, (a) Target durchgezogen, gestrichelter Distraktor, (b) komplett anderer Prime als Target, (c) Target als gestrichelte Zeichnung, Distraktor durchgezogen. aV: RZ Ergebnis: Wird das Target dann tatsächlich in der richtigen Form angezeigt, brauchen Vpn in Bedingung (a) am wenigsten, in (b) mittel und in (c) die meiste Zeit, um zu reagieren. (c): Stimulus gehemmt.) auch als Gedächtniseffekt interpretierbar, siehe Logan (9). - Handlungsparameterspezifikation o Aufmerksamkeit, Automatizität und Handlungsparameterspezifikation (Neumann) 1. Eine Handlung kann nur dann ausgeführt werden, wenn alle Parameter für eine Handlung spezifiziert sind; zum Teil: Spezifikation als „Fertigkeiten“ im LZG, zum Teil: durch den Stimulus bereitgestellt 2. Aufmerksamkeitsprozess dient dazu, fehlende Parameter zu spezifizieren 3. Ist das nicht notwendig automatischer Prozess (direkte Parameterspezifikation) o Maskiertes Response-Priming Experiment: Stimulusfolge: Fixation, dann maskierter Prime (unterhalb der Wahrnehmungsgrenze) , Target, Entscheidung. aV: RZ. Ergebnis: Obwohl maskierter (unbewusster) Prime findet sich ein Response-PrimingEffekt. spricht dafür, dass der Prime die Parameter für die korrekte Entscheidung unbewusst, automatisch und direkt zugänglich macht. Evidenz für die Theorie. (9) Aufmerksamkeit – Geteilte Aufmerksamkeit - Beispiel Handy im Straßenverkehr: Aufgabe Probanden: ein sich bewegendes Target auf dem Bildschirm verfolgen, Taste drücken, wenn es auf Rot wechselt. uV Zweitaufgabe: (a) Gespräch mit dem Handy, (b) Radiosendung anhören. Ergebnis: Handygespräche störten deutlich mehr. - Begrenzungen der Aufmerksamkeit o Untersucht unter Bedingungen der geteilten Aufmerksamkeit (Vpn bearbeiten zwei Aufgaben simultan); wie sehr beeinträchtigen sie sich gegenseitig? o Ähnlichkeit der Aufgaben Aufgabenschwierigkeit Übung Die Rolle der Ähnlichkeit Modulare Theorien. Segal & Fusella (1970), Signale entdecken, Zweitaufgabe Experiment: Aufgabe Probanden: Signal entdecken, dabei Zweitaufgabe. uV1: Art des Signals, (a) visuell, (b) auditiv. uV2: Vorstellungsaufgabe, (a) visuell, (b) auditiv. aV: Diskriminationsleistung. Ergebnis: Die Zweitaufgabe störte dann mehr, wenn sie der Hauptaufgabe ähnlich war (auditive Zweitaufgabe, auditives Signal entdecken). o Wickens (1984): Bei zwei Aufgaben leidet die Performanz, wenn.. (a) Gleiche Stimulus-Modalität (b) Gleiche Verarbeitungsprozesse (c) Gleiche Gedächtniscodes (d) Gleiche Responsemodalität o Brooks (1968), F vorstellen (vgl. SS) Experiment: Aufgabe Probanden: (a) Blockdiagramm in Form eines F vorstellen, mental Konturen „abscannen“, Eckpunkte nach oberste / unterste Außenkante oder nicht klassifizieren (ab unten rechts: ja, ja, nein..), (b) Satz im Kopf durchgehen, Bestandteile als Substantiv, Verb etc. durchgehen.. uV2 Art des Antwortmodus, (a) auf einem Blatt auf Y oder N’s zeigen, (b) mit links oder rechts Klopfen, (c) ja oder nein sagen. aV: Klassifikationszeit. Ergebnis: In der Zeigen-Bedingung war die Klassifikationszeit am längsten (diese Aufgabe war dem mentalen Scannen am ähnlichsten, da die Anordnung der Buchstaben beachtet werden musste, also Scannen Antwortblatt). Zusatzbedingung: In der Vorstellung Sätze durchgehen und deren Bestandteile als Substantiv, Verb etc. klassifizieren. Für die Sätze fand sich das nicht; hier störte das Zeigen nicht, vielmehr das Sprechen. o Spezifische Kapazitäten? Einige Autoren gehen von spezifischen Verarbeitungsmodulen aus, die spezifischen Kapazitätsbeschränkungen unterliegen. Dafür spricht: 1. einige Befunde der Neuropsychologie 2. Spezifische Interferenzmuster (Beispiel Brooks, siehe SS). Probleme: 1. Wie viele Module? 2. Nicht falsifizierbar. 3. Keine Erklärung für die „Psychologische Refraktärperiode“. o Psychologische Refraktärperiode Auf einen ersten Reiz ist die RZ des Probanden nicht beeinträchtigt, während die RZ auf einen zweiten, kurz darauf angezeigten Reiz verlängert ist. Ab etwa einer halben Sekunde Zeit dazwischen ist dieser Effekt nur noch sehr klein, bei etwa 100ms aber noch sehr deutlich. Diese Refraktärperiode lässt sich nicht durch Übung verkürzen und tritt auch bei maximaler Unähnlichkeit der beiden Reize und Reaktionen auf. o Die Rolle der Aufgabenschwierigkeit Kapazitätstheorien. Kahnemann (1973), Annahme: es gibt eine zentrale Aufmerksamkeitskapazität, die je nach Anstrengung und Motivation variieren kann und an der alle Aufgaben teilhaben. o Performance-Operating-Charakteristik Funktion y-Achse Leistung Aufgabe A, x-Achse Leistung Aufgabe B. Werden beide gleichzeitig bearbeitet, kostet diese Zweifachtätigkeit Leistung bei beiden. Ausgleichsbeziehung: Wenn wir annehmen, dass A und B ressourcenlimitiert sind ergibt sich, dass für eine Leistungssteigerung von A eine Leistungsminderung von B folgt. Ressourcen müssen aufgrund Kapazitätsbeschränkung aufgeteilt werden. Ist A nicht von der Leistung B abhängig und umgekehrt, greifen die beiden Aufgaben auf separate Ressourcen zurück. o Bourke et al. (1996), Evidenz für zentrale Kapazität Frage: Gibt es eine zentrale Kapazität oder spezifische Kapazitäten? Experiment: vier Aufgaben, die so ausgewählt sind, dass sie keine offensichtlichen spezifischen Interferenzen produzieren. uV1: Art der Aufgabe (a) „random generation“, zufällige Folgen von Buchstaben nennen (b) „prototype learning“, durch leicht abgewandelte Muster deren Prototyp herausfinden (c) „manual task“, Mutter abwechselnd auf zwei Schrauben schrauben (d) „tone task“, Ziel-Ton entdecken Aufgabe Proband: Zwei Aufgaben gleichzeitig bearbeiten, dabei ist eine die Hauptaufgabe (s.o) und eine der drei übrigen die Zweitaufgabe. Nach Annahmen völlig separater kapazitätslimitierter Systeme sollten diese Aufgaben nicht miteinander interferieren. Ergebnis: Obwohl die Aufgaben so unterschiedliche Anforderungen stellten, interferierten sie miteinander. Außerdem störte die „random generation“Aufgabe mehr als alle anderen bei der Zweitaufgabe, und die Tonaufgabe am wenigsten. Linearer Anstieg mit der a priori eingeschätzten Kapazitätsanforderung. Probleme der Theorie: 1. Zirkularität (kein unabhängiges Maß für Kapazität und Aufgabenschwierigkeit) 2. Aufgabenähnlichkeit macht erwiesenermaßen einen Unterschied (s.o., Brooks) Synthesetheorien: Baddeley (1986), Arbeitsgedächtnis mit zentraler Exekutive und teilweise unabhängigen Hilfssystemen (vgl. SS) oder Norman & Shallice (s.unten) 1 o Die Rolle der Übung Automatische Prozesse. Spelke et al. (1976), Lesen und Schreiben Experiment: Aufgabe Probanden: Texte lesen, während ihnen gleichzeitig Wörter diktiert wurden. Training, dann erneuter Test. Ergebnis: Nach 6 Wochen Training war die Leistung im Lesen so gut wie zu Anfang ohne das gleichzeitige Schreiben (die Erinnerungsleistung an die diktierten Wörter war aber sehr schlecht), nach weiterem Training konnten statt der Wörter die übergeordneten Kategorien der Wörter aufgeschrieben werden. Verbrauch einer zentralen Ressource gesunken? Spezifische Verarbeitungsschritte nicht mehr notwendig? Neue Strategien gebildet, um Interferenz zu vermeiden? Automatische Prozesse - Schnell Fordern keine Kapazität / Aufmerksamkeit Laufen ohne Bewusstsein ab Unvermeidbar (reflexhaft), wenn ein bestimmter Stimulus auftritt Problem: Die Kriterien treten nicht immer alle gemeinsam auf! o Schneider & Shiffrin (1977), automatische vs. Kontrollierte Prozesse Annahmen: Kontrollierte Prozesse unterliegen limitierter Kapazität, benötigen Aufmerksamkeit, sind aber flexibel und bewusst einsetzbar. Automatische Prozesse haben keine Kapazitätsbeschränkungen, benötigen auch keine Aufmerksamkeit, sind aber unflexibel. 1 Die Theorie von Baddeley und das Schachexperiment mit den verschiedenen Zusatzaufgaben wird in dieser Vorlesung noch erklärt; ist in den Anfangsvorlesungen vom Sommersemester zusammengefasst und hier ausgelassen! Experiment: Probanden sollen sich Memory-Set von 1-4 Buchstaben merken, dann erscheint ein Display, auf dem es ebenfalls 1-4 Buchstaben gibt. Dann angeben, ob ein Mitglied des Memory-Sets im Display-Set zu sehen war. uV: Variation des Displays, (a) consistent: Memory-Set enthält nur Konsonanten, Display nur Zahlen als Distraktoren, (b) abgewandelt: Memory-Set und Display können beide sowohl Konsonanten als auch Ziffern enthalten. aV: Entscheidungszeit. Ergebnis: Nur bei (b), also bei Displays, die Konsonanten und Ziffern enthielten, gab es deutliche verlängerte Entscheidungszeiten. Erklärung: Unterscheidung von Buchstaben und Ziffern ist ein hochgeübter Prozess, der automatisch und parallel ablaufen kann, in Bedingung (b) muss seriell und kontrolliert verglichen werden. o Zusatzexperiment 1: Automatisierung von Prozessen Experiment: s.o., aber: Memory-Set enthielt Konsonanten B-L, Display-Set Q-Z. Nur consistent (also kein B-L im Display und kein Q-Z im Memory-Set). Ergebnis: große Übungseffekte nach über 2100 trials Automatisierung von Prozessen. o Zusatzexperiment 2: Inflexibilität von automatischen Prozessen Experiment: Nach den 2100 trials wurden Memory- und Display-Set ausgetauscht. Ergebnis: Schlechtere Leistung als Anfangsniveau, fast 1000 trials, um auf Anfangsniveau zurückzukehren. (diese Befunde gab es nicht für ein vergleichbares Experiment mit abgewandelten / ähnlichen Displays!) Inflexibilität von automatischen Prozessen. aber: selten automatische Prozesse, die alle Kriterien erfüllen. Klare Trennung von automatisch und kontrolliert nicht aufrechtzuerhalten! o Norman & Shallice, (1986) Annahmen: 1. voll automatische Prozesse, durch bestimmte Reize ausgelöst (rote Ampel anhalten) 2. partiell automatische Prozesse (Reizsituation kann mehrere Handlungsschemata auslösen; Konfliktlösungsprozesse, die mit lateraler Inhibition arbeiten), 3. übergeordnetes Aufmerksamkeitssystem (ähnliche zentrale Exekutive nach Baddeley, top-down-Modulation: welches Handlungsschema wird aktiviert?) o Logan (1988) Automatizität als Gedächtnisphänomen: immer wenn ein neuer Reiz bearbeitet wird, wird eine neue Gedächtnisspur angelegt. Übung = Mehrfache Speicherung von Information über den Reiz, auch Reaktionen auf ihn Automatizität = Gedächtnisabruf – Leistung ist dann automatisch, wenn direkt vom Gedächtnis die Reaktion auf den Reiz abgerufen wird Kontrollierte Prozesse = in diesem Sinn die bewusste Anwendung von Reaktionsregeln; dann notwendig, wenn die Reaktion nicht direkt aus dem Gedächtnis abgerufen werden kann. Fazit: Kapazitätstheorien, Modultheorien (auch Synthesemodelle, s. Baddeley), automatische vs. Kontrollierte Prozesse. „Schnittstellenthema“ zwischen Aufmerksamkeitsforschung und Arbeitsgedächtnis.