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forschung magazin 2014
magazin forschung November 2014 Impressum /// Herausgeber: Vizepräsident für Forschung und Technologietransfer, Prof. Dr. Thorsten Herfet, Universität des Saarlandes. Redaktion: Beate Wehrle, www.vmk-verlag.de ISSN: 0937-7301 Preis: EURO 2,50 Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Fotos: wenn nicht anders gekennzeichnet, eigenes Archiv der Autoren. Titelbild: Fotolia©Martin_P. Anzeigenverwaltung und Druck: VMK – Verlag für Marketing und Kommunikation GmbH, Tel.: 06243/909-0, Fax: 06243/909-400, Vertrieb: KWT, Postfach 15 11 50, 66041 Saarbrücken, Tel.: 0681/302-2656, Fax:0681/302-4270, E-Mail: [email protected]. Erscheinungsdatum: November 2014 Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer (KWT), Tel.: 0681/302-3886 Satz und Gestaltung: Maksimovic & Partners, Agentur für Werbung und Design GmbH Prof. Dr. Dr. Mohammed Eid Hammadeh, Nyaz Shelko, Prof. Dr. Christian Motz Dr. Andrea Bachmaier Darlene Whitaker Victoria Lonnes Betriebswirtschaftslehre Prof. Dr. Claus Jacob, Lisa Faulstich, Muhammad Jawad Nasim und Dr. Torsten Buchholz Kurznachrichten magazin forschung 2/14 4 Rauchen schädigt Erbgut in Spermien und vermindert die Fruchtbarkeit von Männern Prof. Dr. Mathias Montenarh Medizin 8 Hochfeste nanokristalline Metallverbunde – ein Werkstoff mit Zukunft Werkstoffwissenschaften 12 Nachhaltige Markenführung: Eine empirische Analyse der Markensubstanz als Teil der Wertschöpfungskette 18 Von der Natur inspiriert: Redox-aktive Metabolite aus essbaren Pflanzen mit vielseitigen Anwendungen in der Medizin und Landwirtschaft Bioorganische Chemie 25 Aus der Forschung Rauchen schädigt Erbgut in Spermien und vermindert die Fruchtbarkeit von Männern Prof. Dr. Dr. Mohammed Eid Hammadeh , Nyaz Shelko*, Prof. Dr. Mathias Montenarh** *Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin **Medizinische Biochemie und Molekularbiologie Unfruchtbarkeit ist ein bekanntes Problem, das etwa jedes sechste Paar in Deutschland betrifft, wobei in 40–50% aller Fälle männliche Einflussfaktoren dafür verantwortlich sind [5]. Dabei spielen sowohl genetische als auch Umweltfaktoren oder eine Kombinationen aus beiden eine entscheidende Rolle. Exzessives Rauchen oder Alkoholgenuss, aber auch Umweltgifte und Strahlenbelastungen sind bekannte Risikofaktoren [8,11]. Soares und Melo [26] haben nachgewiesen, dass Rauchen die Reproduktion auf vielfältige Weise beeinflusst. Etwa 46 % der Männer in ihrer reproduktionsaktiven Lebenszeit im Alter zwischen 20 und 39 Jahren sind Raucher. Im Zigarettenrauch sind über 4000 gesundheitsschädigende Substanzen enthalten, darunter werden 400 Substanzen als toxisch und mehr als 50 Substanzen als Krebsauslösend beschrieben [4,14,16]. Aufbau von Spermien und ihre Reifung In den allermeisten Zellen unseres Körpers ist unsere Erbsubstanz, die DNA, mit kleinen hochgeladenen Eiweißmolekülen, den Histonen, in sogenannten Nukleosomen verpackt. Diese Art der Verpackung ermöglicht es der riesengroßen DNA, auf kleinstem Raum in der Zelle untergebracht zu werden. Zudem schützt diese Verpackung die DNA vor Schäden von außen. Im Gegensatz zu den allermeisten Körperzellen kommt es bei der Reifung der Spermien zu großen morphologischen und biochemischen Veränderungen. Diese Veränderungen schließen den teilweisen Verlust der Histone und eine weitere Verdichtung des Genoms mit ein, wobei kleine hochgeladene Eiweißmoleküle, Abb. 1: Aufbau eines reifen Spermiums (Spermatozoon) die Protamine, die Rolle der etwas größeren Histone als Verpackungsmoleküle übernehmen. Demzufolge liegt das menschliche Genom in einer hoch-organisierten, sehr kompakten Struktur vor, die fast sechsmal kondensierter ist als das in anderen Körperzellen der Fall ist [20,22]. Es gibt zwei Protamine (Protamin 1 und Protamin 2), die normalerweise im Verhältnis 1:1 im menschlichen Spermium vorkommen. Veränderungen im Verhältnis der Protamine zueinander werden mit männlicher Unfruchtbarkeit assoziiert. Ein unnormal hohes oder niedriges Protamin 1-zu Protamin 2-Verhältnis ist bewiesenermaßen mit einer Zerstörung der DNA, niedriger Fruchtbarkeit, embryonaler Fehlbildungen und einer niedrigen Schwangerschaftsrate assoziiert [10,25]. Sobald die Spermatozoe mit der Oozyte fusioniert, werden die Protamine wieder durch Histone ersetzt, wodurch die DNA wieder leichter zugänglich wird [3,18]. Fehlerhafte Spermienreifung Fehler an der Erbsubstanz (DNA-Schäden) bei der Spermienreifung können in Form von DNA-Strangbrüchen, Veränderungen der Grundbausteine der DNA (Nukleotiden) und Veränderungen der Basen in den Nukleotiden auftreten. Solche DNA-Strangbrüche treten stadienspezifisch während der Reifung der Spermien auf. Sie sind notwendig zur Entlastung von Dreh- und Scherkräften, die während des Histon-Protamin-Ersatzes auftreten [6,23]. Diese Strangbrüche werden normalerweise bei gesunden Männern repariert. Wenn diese physiologisch und temporär auftretenden DNA-Strangbrüche beispielsweise wegen einer zu großen Anzahl nicht repariert werden, können die Zellen in den programmierten Zelltod (Apoptose) getrieben werden, um so die Akkumulation von geschädigter DNA zu verhindern [7,29]. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass DNA-Strangbrüche auch durch einen fehlerhaften Histon-/Protamin-Austausch hervorgehoben werden können [12,30,32]. Die vermehrt auftretenden DNAStrangbrüche sind mit einer fehlerhaften Embryogenese in frühen Zellteilungsstadien vergesellschaftet [28]. Protamine enthalten einen hohen Anteil an der Aminosäure Cystein. Zwischen zwei Cysteinen können intramolekulare und intermolekulare, sogenannte Disulfidbrücken entstehen, die für eine weitere Stabilisierung des Chromatins in den Spermien sorgen. Durch reaktive Sauerstoffspezies, die beispielsweise durch Zigarettenkonsum entstehen, kann die Disulfidbrückenbildung beeinflusst werden, was wiederum Konsequenzen für die Stabilität des Chromatins und damit für die Stabilität der DNA hat. Es ist seit einiger Zeit bekannt, dass während der Spermienreifung ständig programmierter Zelltod (Apoptose) abläuft, um physiologischerweise auftretende schadhafte Zellen zu beseitigen. Wenn die Apoptose unvollständig abläuft, können geschädigte Zellen im Ejakulat vermehrt auftreten [9]. Fehlerhafte Apoptose kann durch reaktive Sauerstoffspezies (ROS) hervorgerufen werden, die wiederum durch Zigarettenkonsum entstehen. Reaktive Sauerstoffspezies (ROS) und oxidativer Stress Unter reaktiven Sauerstoffspezies versteht man eine breite Palette von Radikalen wie Hydroxidionen, Superoxidionen, Peroxiden und Nichtradikalen wie Hydrogenperoxid und Ozon. Formelzeichen O2 . _ Andere schädliche Substanzen im Zigarettenrauch sind Alkaloide und Nitrosamine, die vor allem für die Produktion von freien Radikalen, von ROS und von Peroxiden verantwortlich sind. Diese greifen die DNA in den Spermien an und führen dort zu DNA-Veränderungen, DNA-Strangbrüchen und Chromatinveränderungen. Bezeichnung Hyperoxid-Anion HO. Hydroxyl-Radikal HOO. Hydroperoxyl-Radikal ROO. Peroxylradikal RO. Alkoxylradikal H 2O 2 Wasserstoffperoxid ROOH Hydroperoxid O3 Ozon OCl- Hypochlorit-Anion 1 Singulett-Sauerstoff O2 Rauchen und Spermienqualität Wie eingangs bereits erwähnt, enthält Zigarettenrauch mehr als 4000 gesundheitsschädigende Substanzen. Zu diesen Substanzen gehört auch Cadmium. Es wurde nachgewiesen, dass Cadmium die Reifung der Spermien stört und dass es zu einer Verringerung der Spermienkonzentration bei Rauchern beiträgt [17]. Nikotin im Zigarettenrauch ist ein starkes Oxidationsmittel, das die Membranen der Spermien und die DNA schädigt. Das Cotinin als ein wesentliches Abbauprodukt des Nikotins in der Spermienflüssigkeit wird als Biomarker für das Rauchen verwendet [13]. Alles außer gewöhnlich. Medizin Tab. 1: Reaktive Sauerstoffspezies 7 4 3 5 Die Radikale sind aufgrund des ungepaarten Elektrons in der äußeren Schale des Sauerstoffs hochreaktiv. ROS entstehen im »Kraftwerk der Zelle« - den Mitochondrien -, wenn Elektronen in der Elektronentransportkette (Atmungskette) verloren gehen und auf Sauerstoff übertragen werden, d. h. ROS entstehen unter normalen physiologischen Bedingungen. Normalerweise werden diese ROS durch Antioxidantien sehr schnell abgefangen und unschädlich gemacht. Unter dem Einfluss von Substanzen im Zigarettenrauch kommt es zur unkontrollierten und vermehrten Produktion von ROS. Der dann erhöhte Gehalt an ROS übersteigt die Antioxidantienkapazität in den Spermien und endet im oxidativen Stress. Viele Studien berichten, dass die Samenflüssigkeit von Rauchern hohe Konzentrationen von ROS enthalten. ROS attackiert in der Doppelmembran der Spermien die ungesättigten Fettsäuren und induziert damit Lipidperoxidationen, was zur Zerstörung von Spermien führt [1,7]. Ein weiterer Effekt von oxidativem Stress auf herkömmliche Samenparameter ist eine Verringerung der Beweglichkeit der Spermien [2,15]. Darüber hinaus wurde oxidativer Stress als Hauptursache von DNA-Strangbrüchen und DNA-Schäden identifiziert. Dabei werden die Basen der DNA z.B. durch Hydroxylradikale oxidiert. Hohe Konzentrationen an ROS wurden bei ungefähr der Hälfte der unfruchtbaren Männer entdeckt [27]. Ihr Einstieg zum Aufstieg Sie haben Ihr Studium abgeschlossen und möchten schnell Führungsverantwortung übernehmen? Als Verkaufsleiter (w/m) planen Sie einen Großteil der geschäftlichen Aktivitäten von fünf bis sechs unserer Filialen und sind für 80 bis 100 Mitarbeiter verantwortlich. Bei diesen Herausforderungen lassen wir Sie jedoch nie allein: In der Einarbeitungsphase werden Sie von uns auf Ihre nächsten Schritte vorbereitet und intensiv gefördert. Individuelle Seminare vermitteln Ihnen wichtiges Know-how, das Sie für Ihre Laufbahn perfekt einsetzen können. Und weil wir langfristig mit Ihnen zusammenarbeiten möchten, erhalten Sie bei uns vom ersten Tag an einen unbefristeten Vertrag und ein überdurchschnittliches Gehalt. Interesse geweckt? Mehr Informationen: www.karriere-bei-lidl.de/verkaufsleiter EINSTIEG BEI LIDL Rauchen ist zudem mit einer Erhöhung der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) im Ejakulat vergesellschaftet. Zudem kommt es zu einer Verringerung des Ejakulatvolumens, der Spermienkonzentration, der Beweglichkeit der Spermien und einer Veränderung der Form der Spermien [13,19,21]. Bereits 2007 hat Ramlau-Hansen [21] gezeigt, dass die Spermienkonzentration, das Ejakulatvolumen, die Spermienkonzentration und der Anteil beweglicher Spermien mit zunehmendem Zigarettenkonsum abnehmen. Starke Raucher mit über 20 Zigaretten pro Tag haben eine um 19% geringere Spermienkonzentration und eine um 29% verminderte Gesamtspermienzahl im Vergleich zu Nicht-Rauchern. [12] Hammadeh ME, Radwan M, Al-Hasani S, Micu R, Rosenbaum P, Lorenz M, Schmidt W. (2006). Comparison of reactive oxygen species concentration in seminal plasma and semen parameters of pregnant and non-pregnant after IVF/ICSI. Reprod Biomed Online 13: 696 – 706 [13] Hammadeh ME, Hamad MF, Montenarh M, Fischer-Hammadeh C. (2010). Protamine contents and P1/P2 ratio in human spermatozoa from smokers and non-smokers. Human Reprod 25: 2708 – 2720. [14] Järup L, Hellstrom L, Alfven T, Carlsson MD, Grubb A, Persson B, et al.(2000).Low level exposure to cadmium and early kidney damage. The OSCAR study. Occup Environ Med 57: 668 – 672. [15] Kao SH, Chao HT, Chen HW, Hwang TI, Liao TL, Wei YH. (2008). Increase of oxidative stress in human sperm with lower motility. Fertile Steril 89(5):1183 – 1190. [16] Kumar PS, Matthews CH R, Joshi V, de Jager M, Aspiras M. (2011).Tobacco Smoking Affects Bacterial Acquisition and Colonization in Oral Biofilms. Infect Immun. 79(11): 4730 – 4738 [17] Martelli A, Rousselet E, Dycke C, Bouron A, Moulis JM. (2006).Cadmium toxicity in animal cells Zwei weitere Inhaltsstoffe des Zigarettenrauchs – das Vinylchlorid und Benzopurin – können sich an die SpermienDNA anlagern und damit zu DNA-Schäden führen. Zudem haben die Anlagerungsprodukte nachteilige Wirkungen auf die Chromatin-Stabilität [24]. by interference with essential metals. Biochimie. 88:1807 – 1814. [18] McLay DW, Clarke HJ. (2003). Remodelling the paternal chromatin at fertilization in mammals. Reproduction 125:625 – 633. [19] Pasqualotto FF, Sobreiro BP, Hallak J, Pasqualotto EB, Lucon AM (2006). Cigarette smoking is related to a decrease in semen volume in a population of fertile men. BJU Int 97: 324 – 326. [20] Pogany GC, Corzett M, Weston S, Balhorn R. (1981). DNA and protein content of mouse sperm. Es ist schon lange und durch zahlreiche Arbeiten bekannt, dass sich Spermien mit DNA-Strangbrüchen negativ auf die Entwicklung des Embryos, auf eine verminderte Schwangerschaftsrate und vermehrte Schwangerschaftsabbrüche auswirken. Eine Vielzahl von Studien zeigt auch, dass sich DNA-Schäden im Sperma von Rauchern auf die Nachkommen beispielsweise durch ein erhöhtes Krebsrisiko in der Kindheit auswirken können. Implications regarding sperm chromatin structure. Exp Cell Res 136 (1):127 – 136. [21] Ramlau-Hansen CH, Thulstrup AM, Aggerholm AS, Jensen MS, Toft G, Bonde JP. (2007). Is smoking a risk factor for decreased semen quality? A cross-sectional analysis. Hum Reprod 22: 188 – 196. [22] Sakkas D, Marieethoz E, Manicardi G, Bizzaro D, Bianchi PG, Bianchi U. (1999). Origin of DNA damage in ejaculated human sperm. Rev. Reprod 4 (1): 31 – 37. [23] Saleh RA, Agarwal A, Sharma RK, Nelson DR, Thomas AJ. (2002). Effect of cigarette smoking on levels of seminal oxidative stress in infertile men: a prospective study. Fertil Steril 2002; 78: 491-9. [24] Selevan SG, Borkovec L, Slott VL, Zudova Z, Rubes J, Evenson DP, Perreault SD. (2000). Empfehlungen Paaren mit Kinderwunsch wird deshalb empfohlen, frühzeitig mit dem Rauchen aufzuhören. Eine durch Rauchen bedingte eingeschränkte Spermienqualität kann bereits nach einem Jahr durch Zigarettenabstinenz deutlich verbessert werden. Darüber hinaus führt eine Behandlung mit Vitaminen und Spurenelementen wie Zink, Selen u.a. zu einer weiteren Verbesserung der Spermienqualität. Semen quality and reproductive health of young Czech men exposed to seasonal air pollution. Environ Health Perspect 108(9): 887 – 894. [25] Simon L, Castillo J Oliver R, Lewis. (2011). Relationship between human sperm protamines, DNA damage and assisted reproduction outcome. Reprod Biomed Online 23: 724 – 734. [26] Soares SR, Melo MA (2008). Cigarette smoking and reproductive function. Curr Opin Obstet 20(3): 281-91. [27] Tremellen K. (2008). Oxidative stress and male infertility. A clinical perspective. Human Reproduction Update. Update 14(3): 243-58. [28] Virant-Klun I, Tomazevic T, Meden-Vrtovec H. (2002). Sperm single stranded DNA, detected by acridine orange staining, reduces fertilization and quality of ICSI-derived embryos. J Assist Reprod Genet 19: 319 – 28. [29] Wang YA, Zhou XY, Wang H, Huq MS, Iliakis G. (1999). Role of Replication Protein A and Literaturhinweise [1] Aitken RJ, Krausz C. (2001). Oxidative stress, DNA damage and the Y chromosome. Hum Reprod 122: 497–506 [2] Aitken RJ. (1995 ). Free radical, lipid peroxidation, sperm function. Reprod Fertil Dev 7: 659 –668. [3] Ajduk A, Yamauchi Y, Ward MA. 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Sperm nuclear histone H2B. (2008). Correlation with sperm DNA denaturation and DNA stainability. Asian J Androl 10: 865 – 871 H Prof. Dr. Dr. Mohammed Eid ammadeh, geboren 1954 in Syrien, studierte von 1972 –1977 Veterinärmedizin an der Universität Aleppo, Syrien. 1988 promovierte er an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Nach einer Forschungstätigkeit an der Universität Liverpool arbeitete er von1991– 1995 in einer Privatpraxis für Frauenheilkunde und Reproduktionsmedizin (IVF/ET) in Saarbrücken. Zeitgleich studierte er Biologie an der Universität des Saarlandes und promovierte 2000 in der Fachrichtung Biochemie. Professor Hammadeh war lange Jahre Laborleiter an der Frauenklinik und Poliklinik, Bereich Reproduktionsmedizin der Universität des Saarlandes in Homburg. 2002 habilitierte er sich und wurde 2009 zum Professor für experimentelle Endokrinologie in der Frauenheilkunde und Reproduktionsmedizin berufen. Seine Forschungsschwerpunkte und Publikationen liegen im Bereich IVF, ICSI, ET mit mit dem Fokus auf Chromatinkondensation, Einflussfaktoren auf die Chromatinkondensation, Eizellbefruchtung und IVF/ ICSI-Ergebnisse. S Medizin Nyaz helko, geboren 1980 in Diyala, hat im Irak Mikrobiologie, Laboratoriumsmedizin und Ernährungswissenschaften studiert. Seit Oktober 2011 ist er Doktorand an der Klinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin des Universitätsklinikum in Homburg. Nyaz Shelko ist Mitglied des Wissenschaftlichen Ausschusses im Community Health Department sowie des »Kurdistan Biologisches Syndicate«. 7 6 3 7 M ontenarh Prof. Dr. Mathias studierte Chemie an der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms Universität Bonn. Er promovierte in anorganischer Chemie über die Synthese von neuartigen Schwefel-Stickstoffverbindungen. Nach einer kurzen Post-Doc-Zeit am AnorganischChemischen Institut der Universität Bonn wechselte er als wissenschaftlicher Assistent und später als Hochschulassistent an die neu gegründete Abteilung Biochemie der Universität Ulm. Hier beschäftigte er sich zunächst mit der biochemischen Charakterisierung eines viralen Tumorantigens zur Untersuchung molekularer Mechanismen der Krebsentstehung. Diese Arbeiten wurden erweitert durch die Analyse der Rolle des Wachstumssuppressors p53. Mit diesen Arbeiten habilitierte er sich 1985 an der Universität Ulm. Von 1987 bis 1990 war er Lehrstuhlvertreter für Biochemie an der Universität Ulm. 1992 hat er einen Ruf an die Fachrichtung Medizinische Biochemie und Molekularbiologie an der Universität angenommen. Sein Arbeitsschwerpunkt ist die Erforschung der Regulation zellulärer Signalwege in normalen und in Krebszellen. Von 1998 bis 2007 war Prof. Montenarh Sprecher des Graduiertenkollegs »Zelluläre Regulation und Wachstum«. Von 2000 bis 2002 war er Forschungsdekan der Medizinischen Fakultät, von 2004 bis 2006 Dekan. Hochfeste nanokristalline Metallverbunde – ein Werkstoff mit Zukunft Dr. mont. Andrea Bachmaier Prof. Dr. mont. Christian Motz Experimentelle Methodik der Werkstoffwissenschaften Die fortschreitende technologische Entwicklung sowie Umweltaspekte wie beispielsweise die Reduktion des CO2-Ausstoßes stellen immer höhere Anforderungen an die verwendeten Werkstoffe. So sollen neue Werkstoffe leicht, aber zugleich hochfest sein, um in der mobilen Welt die zur Einsparung fossiler Brennstoffe notwendige Gewichtsreduktion zu erreichen. Die Werkstoffentwicklung muss aber unter ökonomischen, ökologischen und auch geopolitischen Gesichtspunkten erfolgen, d.h. teure oder in der Herstellung energieintensive Materialsysteme sowie die Verwendung schwer verfügbarer Bestandteile müssen vermieden werden. Dies schränkt die Möglichkeiten in der Entwicklung neuer Werkstoffe erheblich ein. Viele Werkstoffe in technischer Verwendung besitzen eine kristalline Struktur, wie man sie z. B. von Bergkristallen kennt. Allerdings bestehen die meisten Bauteile im Gegensatz zu einem Bergkristall nicht aus einem einzigen Kristallit, sondern aus sehr vielen kleinen miteinander verbundenen Kristallen – der Materialwissenschaftler spricht hier von Körnern. Diese Körner sind typischerweise in der Größenordnung von einigen tausendstel Millimetern bis einigen Millimetern und in manchen Fällen kann man sie sogar mit bloßem Auge erkennen, wie dies häufig bei verzinkten Metalloberflächen der Fall ist (vgl. Abbildung 1). Ein interessanter Aspekt dieses mikrostrukturellen Aufbaus vieler Werkstoffe ist, dass durch Reduktion der Korngröße eine erhebliche Verbesserung der mechanischen Eigenschaften erzielt werden kann. Dieser minimale Korngröße mit den üblichen technologischen Verfahren auf den Bereich von einigen Mikrometern beschränkt. Zur Herstellung von noch kleineren Körnern und damit sogenannter nanokristalliner Materialien bedarf es neuer Syntheseverfahren. Da diese nanokristallinen Werkstoffe sehr gute mechanische Eigenschaften – so beispielsweise hohe Festigkeiten bei guter Duktilität – und teilweise auch interessante physikalische Eigenschaften besitzen, waren sie in den letzten zwei Jahrzehnten Gegenstand intensiver Forschung [1]. Diese umfasste neben der Charakterisierung der Kornstruktur sowie den mechanischen und physikalischen Eigenschaften auch die verschiedenen Möglichkeiten der Herstellung. Grundsätzlich existiert bereits eine Vielzahl von Herstellungsverfahren mit ihren spezifischen Vor- und Nachteilen, allerdings ist deren großtechnische Umsetzung oftmals nicht möglich. In den letzten Jahren hat sich dabei die mechanische Hochverformung als ein vielversprechendes Syntheseverfahren herausgestellt, welches auch großtechnisch umgesetzt werden kann. Hier werden mittels großer plastischer Verformungen, z.B. durch spezielle Walzprozesse, vereinfacht gesagt die großen Körner zertrümmert und es entsteht ein feinkörniges Gefüge. Abb. 1: Lichtmikroskopische Aufnahme der Mikrostruktur einer verzinkten Metalloberfläche. materialphysikalische Effekt ist seit Mitte des letzten Jahrhunderts bekannt und wird bereits technologisch etwa bei Feinkorn-Baustählen eingesetzt. Allerdings ist die erzielbare Der wesentliche Vorteil dieser ultrafeinkörnigen bzw. nanokristallinen Werkstoffe liegt in der Verbesserung der mechanischen Eigenschaften sowie der Erzielung bestimmter physikalischer Eigenschaften, ohne dabei die chemische Zusammensetzung verändern zu müssen. Dies hat nicht nur den Nutzen des möglichen Verzichtes teurer oder eingeschränkt verfügbarer Bestandteile, sondern ist auch für Anwendungsgebiete interessant, welche »reine« Materialien erfordern. So müssen zum Beispiel Implantat-Werkstoffe neben ausgezeichneter mechanischer Stabilität auch Bioverträglichkeit aufweisen, d.h. bestimmte toxische oder allergieauslösende Bestandteile dürfen hier nicht enthalten sein. Ein Nachteil dieser nanokristallinen Materialien ist allerdings ihre zumeist geringe thermische Stabilität. Im Allgemeinen neigen die kleinen Körner bereits bei moderaten Temperaturen zum Wachstum, wodurch die ausgezeichneten Eigenschaften verloren gehen. Daher sind Themen wie thermische Stabilität, die großtechnische Umsetzung von Syntheseverfahren und das Verständnis bzw. die Optimierung der Eigenschaften von nanokristallinen Materialien Gegenstand intensiver Forschung. Ultrafeinkörnige und nanokristalline Metalle durch Hochverformung Durch sehr starke plastische Verformung von grobkristallinen Metallen, die sogenannte Hochverformung, lassen sich ultrafeinkörnige und auch nanokristalline metallische Werkstoffe herzustellen. Dabei können die mechanischen und physikalischen Eigenschaften von Metallen durch die verformungsinduzierte Kornfeinung gezielt geändert und eingestellt werden. In diesem Beitrag werden zuerst die am häufigsten verwendeten Hochverformungsmethoden kurz vorgestellt. Leider besitzen nanokristalline Metalle einen entscheidenden Nachteil: aufgrund ihrer großen Korngrenzendichte sind sie thermisch instabil. Bereits bei Temperaturen nahe Raumtemperatur kann es zu einer erheblichem Vergröberung der nanokristallinen Struktur kommen. Dies führt zu einem Verlust der herausragenden Eigenschaften, die durch die Korngröße bestimmt werden. Um das Potential nanokristalliner Materialien nützen zu können, bedarf es vor allem einer Erhöhung der thermischen Stabilität, die definitiv auch eine Grundvoraussetzung für den Einsatz dieser Materialien in naher Zukunft ist. Der zweite Teil des Beitrags zeigt daher eine Möglichkeit, wie die thermische Stabilität von nanokristallinen Verbundwerkstoffen gegenüber herkömmlichen nanokristallinen Metallen deutlich gesteigert werden kann. Werkstoffwissenschaften Herstellung nanokristalliner Verbundwerkstoffe durch Hochverformung Für die Herstellung nanokristalliner Metalle stehen verschiedene Herstellverfahren zur Verfügung. Eines der ersten Verfahren war die Inertgaskondensation, in der ein Metall in einem inerten Gas verdampft, die sich im kühlenden Gas gebildeten Metallcluster aufgesammelt und zu einem nanokristallinen Material verpresst werden [1]. Des Weiteren ste- Abb 2: Methoden der Hochverformung: (a) Equal Channel Angular Pressing Verfahren (ECAP), (b) Hochdruck-Torsionsumformung (High-Pressure Torsion, HPT) und 7 8 3 9 (c) akkumulative Walzplattieren (Accumulative Roll Bonding, ARB). hen verschiedene chemische und elektrochemische Verfahren wie die Elektrodeposition zur Verfügung, um nanokristalline Metalle abzuscheiden [2]. Nachteil dieser Verfahren, abhängig vom gewählten Syntheseverfahren, ist zumeist ein sehr geringes Herstellungsvolumen an »massivem« nanokristallinen Material mit einer teilweise auch vorhandenen Restporosität. Die Hochverformung (Severe plastic deformation, SPD) stellt eine technisch sehr einfache Methode zur Herstellung von nanokristallinen Metallen dar. Bei dieser Methode, welche in den 1980er Jahren in Russland entwickelt wurde, werden massive metallische Werkstoffe sehr stark plastisch verformt, ohne dass sich deren ursprüngliche Form ändert. Die Verformungstemperatur liegt hierbei zumeist nahe bei Raumtemperatur, wobei die Verformung bei erhöhten Temperaturen ebenfalls möglich ist [3,4]. Einphasige hochverformte Metalle erreichen dabei Korngrößen weit unter einem Mikrometer bis hin zum Nanometer-Bereich. Diese Korngrößen können durch konventionelle Kornfeinung (zum Beispiel einem Walzprozess) nicht erreicht werden. Die drei wichtigsten Methoden der Hochverformung sind das Equal Channel Angular Pressing Verfahren (ECAP), das akkumulative Walzplattieren (Accumulative Roll Bonding, ARB) und die Hochdruck-Torsionsumformung (High-Pressure Torsion, HPT). Alle drei Verfahren sind in Abbildung 2 schematisch dargestellt. Von diesen drei Verfahren ist ECAP das Verfahren, das gegenwärtig am häufigsten eingesetzt wird (Abbildung 2a). Das zu verformende Material wird dabei durch einen Kanal gepresst, der durch einen Knick in einen Ein- und Auslaufbereich getrennt ist. Bei einem Knickwinkel ␣ von 90° wird das Material durch eine reine Scherverformung verformt und erreicht eine plastische Dehnung von etwa 100%. Der Knickwinkel kann bei dem ECAP Verfahren zwischen 90° und 120° variiert werden. Da sich der Querschnitt des Kanals (rechtekkig oder rund) über seine gesamte Länge nicht ändert, kann man das Material mehrmals durch den Kanal pressen und eine sehr hohe plastische Verformung aufbringen. Eine weitere Methode der Hochverformung ist die Hochdruck-Torsionsumformung (Abbildung 2b). Bei dieser Methode werden münzförmige Proben zwischen zwei Stempel gepresst, welche mit einem Druck zwischen 2 und 10 GPa belastet. Die Proben werden anschließend kontinuierlich torsionsverformt. Während der Verformung bleibt ein Stempel fix, während der andere rotiert. Sehr große Reibungskräfte zwischen Probe und Stempel verhindern ein Durchrutschen der Probe, wobei es zu einer reinen Scherverformung in der Probe selbst kommt. Die Hochdruck-Torsionsumformungsanlagen am Erich Schmid Institut in Leoben, Österreich, ermöglichen es, die weltweit größten HPT-Proben (mit einem Durchmesser von 50 mm und einer Dicke von bis zu 10 mm) herzustellen [5]. Zudem können Verformungsparameter wie Temperatur, Verformungsgeschwindigkeit, Druck und Verformungsrichtung (monoton oder zyklisch) gezielt variiert werden. Durch den sehr hohen hydrostatischen Druck können selbst spröde Werkstoffe umgeformt werden. Das dritte Verfahren, das vor allem durch seine Ähnlichkeit mit einem herkömmlichen Walzprozess ein sehr großes »Upscaling«-Potential für die Industrie bietet, ist ARB (Abbildung 2c). Zwei gleich große Bleche mit konstanter Dicke t werden, nachdem die zueinander zugewandten Seiten der Bleche mit Drahtbürsten sorgfältig gereinigt worden sind, übereinandergelegt und in einem Schritt wieder auf eine Dicke t gewalzt. Auch dieser Vorgang ist beliebig oft wiederholbar. Bei Annahme einer homogenen Verformung hat das Material des Ausgangs-Blechs nach n-maliger Wiederholung des ARB-Prozesses eine Dicke von nur mehr (1/2)n. 50-fach reduzierten Korngröße von nur 10 nm möglich [7,8]. Die Hochverformung von Verbundwerkstoffen stellt dadurch eine Möglichkeit dar, Metalle mit noch geringeren Korngrößen herzustellen. Ein Beispiel eines derart synthetisierten Verbundwerkstoffes ist Kupfer-Chrom. Gemäß dem Kupfer-Chrom Phasendiagramm gibt es in diesem binären System kaum eine Löslichkeit von Chrom in Kupfer und umgekehrt, die maximale Löslichkeit von Chrom in Kupfer beträgt bei einer Temperatur von 1077 °C nur 0.89 at. %. Wird nun ein derartiger Verbundwerkstoff, der wie in Abbildung 3a dargestellt, im Ausgangszustand aus einer Kupfer Matrix mit 50 μm großen Chrom-Partikeln besteht, hochverformt, kommt es zu einer deutlichen Kornfeinung in beiden Phasen des Verbundwerkstoffes (Abbildung 3b). In der transmissionselektronenmikroskopischen Aufnahme ist eine Korngröße von nur 20 –30 nm erkennbar. Im verformten Zustand findet zudem die Bildung sogenannter übersättigter Mischkristalle statt. Es liegt zwar immer noch ein zweiphasiger Werkstoff vor, jedoch sind in der Chrom-Phase bis zu 20 at. % Kupfer gelöst, was in Atomsondenuntersuchungen an verformtem Material gezeigt werden konnte [9]. Die deutlich verringerte Korngröße des Verbundwerkstoffes (20 –30 nm) im Vergleich zu reinen hochverformten Kupfer (~ 500 nm) spiegelt sich auch in den mechanischen Eigenschaften des Materials wieder. In Abbildung 4a ist eine typische Härtekurve als Funktion des Probendurchmessers des Kupfer-Chrom Verbundwerk- a) Nanokristalline Werkstoffe mit hoher thermischer Stabilität Ein aktuelles Forschungsgebiet mit hohem Anwendungspotential umfasst die Hochverformung von mehrphasigen Werkstoffen. Durch Hochverformung von massiven, grobkörnigen Kupfer mit einer hohen Reinheit von 99.9% kann ein ultrafeinkörniger Werkstoff mit einer Korngröße um 500 nm und einer Zugfestigkeit von 630 MPa hergestellt werden [6]. Durch die Verformung von verschiedenen metallischen Verbundwerkstoffen mit einer Kupfer-Matrix ist jedoch die Herstellung von Nanoverbundwerkstoffen mit einer bis zu b) Abb 4: a) Härtekurve als Funktion des Radius des Kupfer-Chrom Verbundwerkstoffes im verformten Zustand und nach einer Glühbehandlung bei 200 °C, 300 °C, 400 °C, 550 °C und 650 °C. b) Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme des Kupfer-Chrom Verbundwerkstoffes nach einer Glühbehandlung bei 400 °C. Abb 3: a) Lichtmikroskopische Aufnahme der Mikrostruktur des Kupfer-Chrom Verbundwerkstoffes im Ausgangszustand. b) Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme des Cu-Cr Verbundwerkstoffes im verformten Zustand. stoffes gezeigt, wobei eine Härte von 450 HV im verformten Zustand erreicht wird. Durch nachfolgende Glühbehandlungen (Temperaturen von 200 °C bis 650 °C) kommt es zu einer Entmischungsreaktion und zweiphasige, nanokristalline Kupfer-Chrom Verbundwerkstoffe entstehen [9,10]. Obwohl es durch die Glühbehandlung zu einer geringen Vergröberung der Struktur kommt, ändern sich die mechanischen Eigenschaften nach den Glühbehandlungen kaum (Abbildung 4a und b). Glühtemperaturen unter 550 °C führen stattdessen sogar zu einer Erhöhung der Festigkeit dieses Materials (~ 525 HV). Nur nach einer Glühbehandlung bei 650 °C kommt es zu einem leichten Härteabfall. Eine weitere Kornvergröberung bei längeren Glühzeiten wird durch die Unmischbarkeit beider Phasen im Verbundwerkstoff erschwert. Zusammenfassung Nanokristalline Metalle zeigen ausgezeichnete mechanische und einige interessante physikalische Eigenschaften und haben daher großes Anwendungspotential. Allerdings ist zumeist die thermische Stabilität gering und die großtechnische Herstellung schwierig. Wie hier an Kupfer und Chrom gezeigt wurde, lassen sich durch mechanische Hochverformung von nichtmischbaren Metallen nanokristalline Metallverbunde herstellen, welche ausgezeichnete mechanische Eigenschaften und eine gute thermische Stabilität aufweisen. Weiterentwicklungen dieser Synthesemethode in Richtung großtechnischer Anwendung sind vielversprechend. Damit eröffnen sich neue Perspektiven für den Einsatz und der Herstellung von nanokristallinen Metallen. Literatur [1] H. Gleiter. Progress in Materials Science, 33, 1989, p.223. [2] L.P. Bicelli, B. Bozzini, C. Mele, L. D’Urzo. International Journal of Electrochemical Science, 2008, p.356. [3] V.M. Segal et al., Russian Metallurgy, 1, 1981, p. 115. [4] R.Z Valiev et al., Progress in Materials Science, 45, 2000, p. 103. [5] http://esi.oeaw.ac.at/researchtheme/nanomaterials-severe-plastic-deformation [6] L. Krämer, S. Wurster, R. Pippan. IOP Conference Series: Materials Science and Engineering, 36, 2014, 012026. [7] A. Bachmaier, M. Kerber, D. Setman, R. Pippan. Acta Materialia, 60(3), 2012, p. 860. M Prof. Dr. mont. Christian otz studierte Werkstoffwissenschaften an der Montanuniversität Leoben. 2002 promovierte er am Lehrstuhl für Materialphysik über das mechanische und bruchmechanische Verhalten von Schaumaluminium. Danach arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und zuletzt als Gruppenleiter am Erich Schmid Institut der österreichischen Akademie der Wissenschaften. Als PostDoc forschte er 2006 –2008 an der Universität Karlsruhe (Marie Curie RTN und Erwin Schrödinger Stipendium) über diskrete Versetzungsdynamik Simulationen an Mikroproben. 2012 erhielt er einen Ruf an den Lehrstuhl für Experimentelle Methodik der Werkstoffwissenschaften der Universität des Saarlandes. Seine Themenschwerpunkte an der UdS sind mechanische Eigenschaften in kleinen Dimensionen und mesoskopische Simulationsmethoden. [8] K.S. Kormout, B. Yang, R. Pippan. IOP Conference Series: Materials Science and Engineering, 36, 2014, 012092. [9] X. Sauvage, P. Jessner, F. Vurpillot, R. Pippan. Scripta Materialia, 58, 2008, p.1125. [10] A. Bachmaier et al., Acta Materialia, 69, 2014, p. 301. Sparkassen-Finanzgruppe Werkstoffwissenschaften B 7 10 3 11 Dr. mont. Andrea achmaier beendete 2008 ihr Diplomstudium Werkstoffwissenschaften an der österreichischen Montanuniversität in Leoben. Ihre Promotion absolvierte sie im Forschungsgebiet Hochverformung mit dem Fokus auf die Herstellung und Charakterisierung von nanokristallinen Verbundwerkstoffen am Erich Schmid Institut der österreichischen Akademie der Wissenschaften. Nach zweijähriger Tätigkeit im Forschungs- und Entwicklungsbereich der Firma voestalpine Stahl GmbH am Standort Linz über höchstfeste Stähle für die Automobilindustrie ist sie seit 2013 im Rahmen eines zweijährigen Erwin-Schrödinger-Auslandsstipendium des österreichischen Forschungsfonds (FWF) an der Universität des Saarlandes tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Herstellung und der thermischen Stabilität von metallischen, nanokristallinen Werkstoffen und Verbundwerkstoffen. n Sie den ed Unterschi . parkasse in Ihrer S Entdecke Individuelle Beratung für Generationen seit Generationen. Die Sparkassen-Altersvorsorge. S Der Unterschied beginnt beim Namen. Die Sparkasse und die SAARLAND Versicherungen begleiten viele Kunden seit Generationen und kennen die Bedürfnisse der Menschen. Das Ergebnis: Die SparkassenAltersvorsorge. Weitreichende Erfahrung, von der Sie ein Leben lang profitieren können. Mehr erfahren Sie in Ihrer Geschäftsstelle oder unter www.altersvorsorge-saarland.de. Wenn’s um Geld geht – Sparkasse. Nachhaltige Markenführung: Eine empirische Analyse der Markensubstanz als Teil der Wertschöpfungskette Victoria Lonnes Darlene Whitaker Institut für Handel & Internationales Marketing Zunehmende Vertrauensverluste der Konsumenten auf Grund aktueller Skandale, eine bisher nie dagewesene Transparenz, progressive Forderungen verschiedener Anspruchsgruppen sowie die öffentliche Debatte zum Themenfeld unternehmerischer Verantwortung rücken eine nachhaltige Markenführung zunehmend in den Fokus von Praxis und betriebswirtschaftlicher Forschung. Der nachfolgende Beitrag diskutiert auf Basis einer aktuellen empirischen Untersuchung des Instituts für Handel & Internationales Marketing (H.I.MA.) der Universität des Saarlandes, inwiefern Nachhaltigkeit in der Substanz einer Marke verankert werden kann bzw. welche Beiträge die inhaltliche Ausgestaltung der Wertschöpfungskette zu einer nachhaltigen Markenführung leistet. Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Markenführung Seit geraumer Zeit stehen verstärkt Fragen der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Verschiedene Anspruchsgruppen (Stakeholder) wie Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten, der Staat oder die Öffentlichkeit fordern zunehmend eine stärkere Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte bei der Herstellung von Produkten und Dienstleistungen. Diese Forderung ist indes nicht neu, vielmehr steigt die Vehemenz, mit der Stakeholder derartige Ansprüche an Unternehmen stellen. Ein Grund dafür ist in den vermehrt Abb. 1: Dimensionen der Nachhaltigkeit aufgedeckten sozialen und ökologischen Missständen in An- Quelle: In Anlehnung an Zentes/Bastian/Lehnert 2010, S. 34. bau- und Produktionsländern zu sehen. Damit stellt sich für Im Rahmen der ökologischen Dimension steht die NutUnternehmen nicht mehr die Frage nach der Notwendigkeit, sondern vielmehr nach der Art der Ausgestaltung ihrer zung von Ressourcen in der Art und Weise im Vordergrund, Nachhaltigkeitsstrategie. Lose Versprechen von Kommuni- dass diese auch für nachfolgende Generationen gesichert kationsabteilungen sind nicht mehr ausreichend. Stattdessen sind. Die Belastung von Ökosystemen durch wirtschaftliche ist zu klären, wie eine Verankerung in der Unternehmens- Aktivitäten direkt oder indirekt zu reduzieren, um die Absorphilosophie sowie die konkreten Umsetzungen entlang der bationsfähigkeit, Regenerationsfähigkeit und Biodiversität Wertschöpfungskette möglich ist. zu erhalten, bildet eine große Herausforderung für UnterFür den zumeist kontrovers diskutierten Nachhaltig- nehmen (BMU/BDI 2002, S. 7ff.). Zugleich wird die soziale keitsbegriff existiert bislang keine allgemeingültige Defini- Komponente für viele Unternehmen zunehmend wichtiger, tion. Ausgehend von der in den 1980er Jahren festgelegten was sich auch durch die steigende Ausrichtung hin zu einer Brundtland-Definition steht die Bedürfnisbefriedigung zu- umfassenden Stakeholder-Orientierung zeigt. Gerade die künftiger Generationen unter Berücksichtigung der Bedürf- Kooperation mit und die Ausrichtung auf Anspruchsgrupnisse heutiger Generationen mehr und mehr als nachhaltige pen können das Unternehmen ungemein stärken und eine Handlungsmaxime. Dabei sollten Unternehmen dem »Trip- nachhaltige Implementierung unterstützen. Die ökonomische le-Bottom-Line«-Konzept folgend sowohl die ökologische, Perspektive berücksichtigt langfristige Strategien des Wachssoziale als auch ökonomische Dimension bei strategischen tums und der wirtschaftlichen Performance. Sie ist damit als Entscheidungen gleichwertig berücksichtigen (siehe Abbil- Prämisse des langfristigen Handelns zu sehen. Gleichzeitig kann sie von den beiden anderen Dimensionen profitieren. dung 1) (Zentes/Bastian/Lehnert 2010, S. 35). So stellt beispielsweise die Kooperation des Unternehmens Rittersport mit verschiedenen Kleinbauern aus Nicaragua ein erfolgreiches Konzept dar. Als Profiteure gehen nicht nur die Kleinbauern hervor, auch Rittersport erzielt zahlreiche Vorteile. So werden zuverlässige Lieferanten an das Unternehmen gebunden, Konkurrenten durch den hohen Preis ferngehalten, Preisschwankungen auf Rohstoffmärkten umgangen und die Versorgungssicherheit durch Investitionen in Pflanzen gewährleistet (Rekittke 2013, S. 61f.). Im Zusammenhang mit dem Thema Nachhaltigkeit dient das Konzept der Unternehmensmarke als wesentlicher Kernaspekt des Untersuchungsmodells. Generell werden Marken als »ein in der Psyche des Konsumenten verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Produkt oder einer Dienstleistung« definiert und Markenführung als das Management zum Aufbau, zur Stärkung und Pflege dieses Vorstellungsbildes (Meffert/Burmann/Koers 2005, S. 6). Dabei ist die Grundlage jeder Entscheidung oder Handlung im Rahmen der Markenführung die Markenidentität (Esch/ Langner/Rempel 2005, S. 106). Diese bringt zum Ausdruck, wofür eine Marke stehen soll und umfasst die wesensprägenden Eigenschaften einer Marke (Aaker/Joachimsthaler 2000, S. 40). Auf Unternehmensebene ist sie das einheitliche, konsistente Selbstbild eines Unternehmens, das sämtliche strategischen Entscheidungen zur inhaltlichen Ausrichtung einer Marke reflektiert. Die Herausforderung liegt insbesondere darin, diese Positionierungseigenschaften so zu wählen, dass eine möglichst hohe Übereinstimmung zwischen dem Selbstbild und dem Fremdbild einer Marke besteht. Dieses Fremdbild äußert sich im Markenimage, das bei den relevanten Anspruchsgruppen entsteht (Esch/Langner/Rempel 2005, S. 106). Damit ist die zentrale Aufgabe der Markenführung, eine Wechselseitigkeit zwischen der unternehmensinternen Markenidentität und dem unternehmensexternen Markenimage herzustellen (Rauch 2012, S. 13ff.) (siehe Abbildung 2). Abb. 2: Konzept der nachhaltigen Markenführung Quelle: Zentes/Lonnes/Whitaker 2014, S. 8. Werden das Konzept unternehmerischer Nachhaltigkeit und Markenführung zusammengeführt, so ist diesbezüglich in der Wissenschaft und Praxis ein zunehmender Trend zur Verankerung nachhaltiger Werte in der Markenführung – im Besonderen von Unternehmen – zu beobachten (Rauch 2012, S. 7). Dazu wird propagiert, dass nachhaltige Markenführung stets »Bezug zu den Interessen und Forderungen der relevanten Anspruchsgruppen aufweisen sollte, da die in der Unternehmensmarke verankerten Werte zu einem wesentlichen Teil die Beziehungen eines Unternehmens zu den Anspruchsgruppen konstatieren« (Rauch 2012, S. 8). Die besondere Stellung von Anspruchsgruppen zwingt Unternehmen mehr als bei anderen Markenstrategien zur konsistenten Übereinstimmung zwischen Markenkommunikation und Markensubstanz. Letztere umfasst sämtliche Aktivitäten des Unternehmens und mit Blick auf die hier diskutierte Thematik Nachhaltigkeit in den Zielen, der Strategie und der Wertschöpfungskette. Bevor nachhaltige Mehrwerte kommuniziert werden sollten, sind diese erst in der Substanz der Marke zu entwickeln (siehe Abbildung 2). Widersprüche in der Kommunikation und im tatsächlichen Handeln können den Markenwert eines Unternehmens negativ beeinflussen. Grundlage einer nachhaltigen Vom Hörsaal ins Handwerk Betriebswirtschaftslehre Persönlicher und beruflicher Erfolg trotz Studienabbruch - wir beraten Sie gern. Ihr Kontakt: Albert Eberhardt, Telefon: 0681 5809-135, E-Mail: [email protected] Diese Anzeige wurde gefördert vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr des Saarlandes. 7 12 3 13 Ausrichtung ist damit der Wertschöpfungsprozess. Denn nur Unternehmen, die in ihrer Wertschöpfungskette konsistent nachhaltig agieren und ihre nachhaltigen Werte authentisch leben, können Vertrauen und Glaubwürdigkeit aufbauen. Entwicklungstreiber der nachhaltigen Markenführung Eine Vielzahl der als nachhaltig geltenden Unternehmen hat im Laufe der vergangenen Jahre einen Transformationsprozess hin zu einer nachhaltigen Ausrichtung durchlaufen. Angetrieben durch verschiedene Rahmenbedingungen sehen sich Unternehmen gezwungen, absatzseitige Anforderungen und Risiken der Beschaffungsmärkte frühzeitig zu antizipieren, um keinen Wettbewerbsnachteil in Form eines Legitimitätsverlustes zu erfahren. Eine dominante Entwicklung, die Unternehmen und deren nachhaltige Markenführung beeinflusst, ist der verstärkte Wertewandel der Konsumenten. Dieser ist durch ein erhöhtes Umwelt- und Sozialbewusstsein geprägt. Themen wie die Verwendung natürlicher Rohstoffe, faire Rohstoffpreise, gerechte Entlohnung, Bekämpfung von Kinderarbeit und Umweltschutz rücken immer stärker in das Bewusstsein der Konsumenten. Obgleich verschiedene Studien die Bedeutung derartiger Themen hervorheben, bleibt dennoch zu berücksichtigen, dass es sich oftmals um sozial erwünschte Antworten handelt und der Preis immer noch ein starkes Entscheidungskriterium beim Kauf darstellt. So kämpfte z.B. das Unternehmen FRoSTA vor zehn Jahren mit einem drastischen Marktanteilsrückgang ausgelöst durch die zunehmende Zahl an Konkurrenten, Handelsmarken und steigende Preissensibilität der Konsumenten (Dornberg 2013, S. 43). Lediglich eine Neupositionierung ermöglichte das Überleben der Marke. Die Umstellung von der konventionellen hin zu einer nachhaltigeren Produktion führte anfangs zu weiteren Absatzschwierigkeiten, langfristig konnte diese Maßnahme das Unternehmen jedoch zurück an seine alte Marktposition führen. Damit ist einer der wichtigsten Anspruchsgruppen bzgl. ihres Einflusses auf die nachhaltige Ausrichtung der Unternehmensmarke in den Konsumenten zu sehen. Die steigende Forderung nach nachhaltig hergestellten Produkten und das Abstrafen von unternehmerischem Fehlverhalten tragen wesentlich zu Anpassungen der Unternehmen bei. Neben den Einflussfaktoren des direkten Unternehmensumfeldes wie z.B. Konsumenten spielen Zulieferer und Wettbewerber eine wesentliche Rolle. Die zunehmende Zahl an Nachhaltigkeitsberichten diverser Unternehmen stärkt diese Beobachtung. Zeitgleich spielen Aspekte wie die Globalisierung, politisch-rechtliche sowie ökologische Entwicklungen, eine bedeutende Rolle. Als Folge internationaler Verflechtungen steigt die Komplexität interner Unternehmensabläufe dramatisch an. Gleichzeitig werden Unternehmen vermehrt in der Pflicht gesehen, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Hierfür bedarf es der Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte bei der Beschaffung. Nicht zuletzt steigt der Druck gegenüber Unternehmen auf Grund einer wachsenden Transparenz ausgelöst durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien. Ein Höchstmaß an Transparenz führt dazu, dass Missstände, unternehmerisches Fehlverhalten und Greenwashing direkt aufgedeckt werden können. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass sowohl die interne als auch externe Transparenz bedeutende Themen der Zukunft im Hinblick auf Nachhaltigkeit darstellen. Studiendesign Zur Gewinnung der Datenbasis wurden von Mai bis Juli 2013 acht Expertengespräche geführt. Mithilfe eines semistrukturierten Fragebogens konnten verschiedene Ergebnisse vergleich- und darstellbar gemacht und als Grundlage für die tiefergehende großzahlige Befragung genutzt werden. Die im September folgende schriftliche Unternehmensbefragung umfasste insgesamt 54 Unternehmen. Eine Vielzahl der Unternehmen stammte aus dem Konsumgüterbereich und Handel, wobei insgesamt ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Food und Non-Food herrschte. Für eine externe Evaluation wurden gezielt solche Unternehmen befragt, die im Rahmen von speziellen Auszeichnungen oder externer Ratings als besonders nachhaltig hervortraten. Zusätzlich zu der deskriptiven Auswertung umfasste das Forschungsprojekt eine empirische Untersuchung. Hier wurde der Wirkungszusammenhang zwischen Kooperation und Transparenz, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit sowie deren Auswirkung auf den Markenwert analysiert. Upstream-Markenführung zur Schaffung einer nachhaltigen Markensubstanz Zu Beginn der deskriptiven Untersuchung fand eine Einschätzung der Befragten hinsichtlich der aktuellen und zukünftigen Bedeutung von Nachhaltigkeit für das eigene Unternehmen statt. Dabei zeigte sich, dass knapp über die Hälfte der Befragten (51,9 %) der Nachhaltigkeit im eigenen Unternehmen eine hohe bis sehr hohe Bedeutung beimisst. Zukünftig wird dieser Aspekt sogar noch zunehmen. So gehen für das Jahr 2020 81,5 % der Unternehmen von einer hohen bis sehr hohen Relevanz aus. Für eine authentische Verankerung von Nachhaltigkeit im Kern des Unternehmens ist es wichtig, zunächst die »Upstream-Strategien« zu beleuchten. Diese beziehen sich auf Maßnahmen zur inhaltlichen Ausgestaltung der Wertschöpfungskette, die der Kommunikation nachhaltiger Mehrwerte vorgelagert, also »upstream« sind. Dabei dienen die Strategien vor allem dem Aufbau und der Stärkung einer sozialen, ökologischen und ökonomischen Unternehmensperformance und damit der Schaffung einer nachhaltigen Markensubstanz. Die befragten Unternehmen sollten hierfür angeben, ob und in welchem Ausmaß die in Abbildung 3 aufgezeigten Strategien zur Steigerung der Nachhaltigkeit aktuell und zukünftig genutzt werden. Abb. 3: Upstream-Strategien einer nachhaltigen Markenführung Betriebswirtschaftslehre Quelle: Zentes/Lonnes/Whitaker 2014, S. 22ff. 7 14 3 15 Die Komplexität heutiger Wertschöpfungsstrukturen fordert immer öfter stärkere Kontrollen und Vorgaben, um Nachhaltigkeitsziele und -standards sicherzustellen. Aktuell setzt knapp ein Viertel der Unternehmen auf starke bis sehr starke Kontrollen und formale Vorgaben, wobei künftig fast 60 % der Unternehmen davon ausgehen, derartige Maßnahmen zu verfolgen. Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung und der damit verbundenen Komplexitätszunahme ist es für Unternehmen immer schwieriger, ihre Wertschöpfungsketten zu überblicken. So eliminieren rund 23 % der Respondenten gegenwärtig Zwischenstufen wie Importeure oder Großhändler in einem hohen bis sehr hohen Ausmaß. Zukünftig ziehen hingegen rund 45 % die Ausschaltung und Integration als Option zum Managen komplexer Lieferstrukturen in hohem bzw. sehr hohem Maße in Betracht. Befragt nach der Integration von Drittparteien, mit deren Hilfe soziale und ökologische Standards im Rahmen der Wertschöpfung durchgesetzt werden können, zeigt sich, dass rund 23 % eine hohe bis sehr hohe Nutzung verfolgen. Für die Zukunft wird eine Steigerung von 10 Prozentpunkten erwartet. Für eine nachhaltige Performance ebenfalls von Bedeutung ist die Kooperation mit Wertschöpfungspartnern. Heute werden Kooperationen mit Wertschöpfungspartnern von ca. einem Drittel der Respondenten in hohem bzw. sehr hohem Maße genutzt. Bis zum Jahre 2020 wird eine Verdopplung der Kooperationen erwartet. Transparenz ist eine Forderung, die aus kaum einer Nachhaltigkeitsdebatte wegzudenken ist. Auf Grund der o.g. Einflussfaktoren steigt die Komplexität und Undurchsichtigkeit der Wertschöpfungsketten an. Im Rahmen der Untersuchung schätzen 26% die Transparenz ihrer Wertschöpfungskette als hoch bzw. sehr hoch ein. Zukünftig ist von einem enormen Bedeutungszuwachs auszugehen. Rd. 63 % der befragten Unternehmen wollen ihre Transparenz bis zum Jahre 2020 in einem hohen bis sehr hohen Maße ausbauen. Basierend auf diesen deskriptiven Ergebnissen erfolgte in einem zweiten Schritt die Herausarbeitung eines Modells und der Wirkungszusammenhänge ausgewählter Aspekte. Im Rahmen der Markensubstanz zeigten Polonsky/Jevons (2009), dass die Supply Chain die kritischste Herausforderung darstellt, um ein nachhaltiges Verhalten zu unterstreichen. Um sozial und ökologisch zu handeln, bedarf es der Integration derartiger Werte in die Wertschöpfungskette. Sowohl Kooperationen als auch Transparenz innerhalb der Wertschöpfungskette wurden im Rahmen der deskriptiven Auswertung als zentrale Aspekte beurteilt, die einen hohen Einfluss auf die soziale und ökologische Nachhaltigkeit ausüben, die wiederum die nachhaltige Markenstärke positiv beeinflussen. Dabei spielen vor allem das effiziente Nutzen von Ressourcen sowie der Wissenstransfer im Rahmen von Kooperationen eine wesentliche Rolle. Daraus resultiert die Annahme, dass eine starke Kooperation die soziale und ökonomische Performance von Unternehmen erhöht. Daneben stellt sich die Frage, inwiefern Transparenz innerhalb der Unternehmung und im Hinblick auf die Zulieferer und Partner die Nachhaltigkeit und soziale Ausgestaltung der Unternehmensführung beeinflusst. Hier ist davon auszugehen, dass die zunehmende Kooperation mit Dritten die Transparenz erhöht. Die Annahme, dass Transparenz ein wesentlicher Treiber nachhaltigen Handelns darstellt, führt zu der Hypothese, dass diese innerhalb der Wertschöpfungskette eine positive Wirkung auf die soziale und ökologische Performance von Unternehmen hat. Wie oben bereits dargestellt, ist zusätzlich davon auszugehen, dass ein stärkeres ökologisches und soziales Verhalten des Unternehmens in der Wertschöpfungskette die Markenstärke, also die Identität und nachfolgend das Image, positiv beeinflussen. Das daraus entstandene Modell (siehe Abbildung 4) gibt einen Überblick über die angenommenen positiven Zusammenhänge. Die Detailergebnisse wurden im Rahmen der 42nd Annual Conference of the European Academy of Marketing (EMAC) in Valencia zum Thema »Walk the Talk! Building Corporate Sustainable Brand Strength through a Sustainable Supply Chain« vorgestellt. Abb. 4: Empirisches Modell einer nachhaltigen Markenführung Quelle: Zentes/Lonnes/Whitaker 2014. Fazit Nachhaltigkeit ist noch immer ein sehr heterogener Begriff. Gerade wegen der definitorischen Unklarheit ist es zwingend notwendig, ein einheitliches Verständnis innerhalb von Unternehmen aufzubauen. Um ein konsistentes Auftreten nach innen und außen zu sichern, müssen Mitarbeiter und Geschäftsführung die soziale und ökologische Verantwortung ihres Handelns in gleicher Weise definieren. Dazu müssen alle Aktivitäten innerhalb des Wertschöpfungsprozesses in einer ökologisch und sozial nachhaltigen Weise berücksichtigt werden. Die frühere, oftmals lose Berücksichtigung der Thematik innerhalb der PR-Abteilung reicht nicht mehr aus, um sich als nachhaltiges Unternehmen am Markt zu positionieren. In der empirischen Untersuchung konnte gezeigt werden, dass ein wesentlicher Erfolgsfaktor zur Schaffung einer nachhaltigen Unternehmensmarke die Wertschöpfungskette ist. Als aktiver Prozess der Wertgenerierung ist diese Ausgangspunkt nachhaltiger Handlungen. Zugleich ist die Wertschöpfungskette der Unternehmensprozess, dessen komplexe Verflechtungen fundamentale Gefahren für das Unternehmen und die Gesellschaft bergen. Kooperation hat dabei einen wesentlichen Einfluss sowohl auf die ökologische als auch die soziale Performance von Unternehmen, wobei die soziale Performance wesentlich stärker beeinflusst wird. Hingegen zeigt die Transparenz wesentlich stärkere Effekte auf die ökologische Nachhaltigkeit von Unternehmen. Beides beeinflusst wiederum die Markenstärke, also die Markenidentität und damit das Markenimage. Das bedeutet, dass Unternehmen ihre Kooperationen mit Geschäftspartnern, Lieferanten und anderen an der Wertschöpfung beteiligten Akteuren stärken sollten. Damit können nicht nur ungenutzte Ressourcen, sondern ebenfalls Kompetenzen und Potenziale gefördert werden. Planungen werden transparenter und Prozesse effizienter. Daneben ist eine erhöhte Transparenz innerhalb der Wertschöpfungskette wichtiges Instrument zur Sicherstellung nachhaltiger Standards. Sie hilft bereits in frühzeitigen Stadien, sog. Missstände aufzudecken und zu beheben. In der Vergangenheit haben viele Unternehmen die Bedeutung einer ganzheitlich nachhaltigen Unternehmensstrategie unterschätzt. Neben dem Aufbau einer nachhaltigen Markensubstanz ist auch der faire und transparente Umgang mit den relevanten Anspruchsgruppen notwendig, um eine nachhaltige Unternehmensmarke langfristig auszugestalten. Mit dem Aufbau einer nachhaltigen Markensubstanz müssen Unternehmen die geschaffenen sozialen und ökologischen Mehrwerte aktiv nach außen kommunizieren. Die transparente Kommunikation ist damit der zweite wesentliche Erfolgsfaktor zur Schaffung einer nachhaltigen Unternehmensmarke. Neben der Glaubwürdigkeit streben Unternehmen die Steigerung ihrer Reputation, die Sicherung von Legitimität und einen nachhaltigen Erfolg an. Insbesondere in Zeiten von Skandalen, Shitstorms und Greenwashing-Vorwürfen ist ein vorrangiges Ziel von Unternehmen, mittels Kommunikation Vertrauen und Glaubwürdigkeit aufzubauen. Unternehmen sind gezwungen, die positive Reputation ihres Unternehmens zu pflegen, um den dauerhaften Erfolg am Markt zu sichern. Ein nachhaltiges Unternehmens- bzw. Markenimage kann nur durch authentisches und glaubwürdiges Auftreten sichergestellt werden. Neben der Schaffung von Transparenz innerhalb der Wertschöpfungskette wird daher der transparente Umgang mit den verschiedenen Anspruchsgruppen künftig eine bedeutende Herausforderung sein. Das Gelingen einer nachhaltigen Positionierung ist darüber hinaus abhängig von der Verankerung derartiger Bemühungen in die Führungsebene. Nur hier kann gewährleistet werden, dass die gewünschte nachhaltige Positionierung authentisch und aktiv berücksichtigt wird und somit zu einem langfristigen Erfolg führt. Die Studie »Nachhaltige Markenführung – Neugestaltung der Wertschöpfungskette« der Autoren Joachim Zentes, Victoria Lonnes und Darlene Whitaker kann auf Anfrage beim Institut für Handel & Internationales Marketing bezogen werden. Literatur: – Aaker, D.A.; Joachimsthaler, E. (2000): Brand Leadership, New York. – BMU; BDI (Hrsg.) (2012): Nachhaltigkeitsmanagement im Unternehmen, Berlin. – Burmann, C.; Meffert, H. (2005): Theoretisches Grundkonzept der identitätsorientierten Markenführung; in: Meffert, H.; Burmann, C.; Koers, M. (2005): Markenmanagement, 2. Aufl., S. 37 – 67. – – Dornberg, B. (2013): Transparenz als Werttreiber, in: Absatzwirtschaft, o.Jg., Nr. 5, S. 42 – 46. Esch, F.-R.; Langner, T.; Rempel, J.E. (2005): Ansätze zur Erfassung und Entwicklung der Markenidentität, in: Esch, F.-R. (Hrsg.): Moderne Markenführung, 4. Aufl., S. 103 – 129. – – Meffert, H.; Burmann, C.; Koers, M. (2005): Markenmanagement, 2. Aufl., Wiesbaden. Rauch, C. (2012): Corporate Sustainable Branding: Ein empirischer Beitrag zum Markenerfolg öffentlich exponierter Unternehmen, Wiesbaden. – Rekittke, V. (2013): Die Symbiose, in: Brandeins, o.Jg., Nr. 2, S. 60 – 64. – Whitaker, D.; Lonnes, V.; Zentes, J. (2014): »Walk the Talk!« Building Corporate Sustainable Brand Strength through a Sustainable Supply Chain, 42nd Annual Conference of the European Academy of Marketing (EMAC), Valencia. – Zentes, J.; Bastian, J.; Lehnert, F. (2010): Handelsmonitor 2010: Strategien der Nachhaltigkeit: People, Planet, Profit, Frankfurt a.M. – Zentes, J.; Lonnes, V.; Whitaker, D. (2014): Nachhaltige Markenführung – Neugestaltung der Wertschöpfungskette, Frankfurt a.M. L Dipl.-Kff. Victoria onnes ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Außenhandel und Internationales Management sowie am Institut für Handel und Internationales Marketing der Universität des Saarlandes. W Betriebswirtschaftslehre Steife Brise auf der Nordsee, Steuerung aus dem All, Technik aus dem Saarland. 7 16 3 17 willkommen.saarland.de saarland.innovation&standort e. V., Franz-Josef-Röder-Straße 9, 66119 Saarbrücken, Email: [email protected] Darlene hitaker, M.Sc., ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Außenhandel und Internationales Management sowie am Institut für Handel und Internationales Marketing der Universität des Saarlandes. Von der Natur inspiriert: Redox-aktive Metabolite aus essbaren Pflanzen mit vielseitigen Anwendungen in der Medizin und Landwirtschaft Prof. Dr. Claus Jacob, Lisa Faulstich, Muhammad Jawad Nasim, Dr. Torsten Burkholz Bioorganische Chemie Essbare Pflanzen und Pilze bieten ein breites Spektrum an biologisch aktiven Substanzen, deren besondere redoxmodulierende Wirkung für die menschliche Ernährung, aber auch für die Entwicklung neuer Medikamente und ökologisch verträglicher Pflanzenschutzmittel zunehmend von Bedeutung ist. Bei der Erforschung solcher Inhaltsstoffe arbeiten Forscher aus verschiedenen Disziplinen und Ländern in Netzwerken wie »RedCat«, »Corena« und »NutriOx« eng zusammen, um aus einfachen Pflanzen oder biologischen Abfallprodukten das »grüne Gold« in Form von Extrakten, reinen Substanzen und Präparaten herzustellen, seine Wirkung und Wirkweise zu erforschen und ultimativ einen wissenschaftlichen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Mehrwert zu liefern. 1. »Hauptsach immer gudd gess«* — almost always a good guess Die belebte Natur schenkt uns ein Füllhorn reich an verschiedensten Naturstoffen, von denen viele für unsere Gesundheit unverzichtbar sind, die zugleich aber auch eine wichtige Grundlage für die Entwicklung neuer Medikamente und umweltfreundlicher Pflanzenschutzstoffe darstellen. Man denke nur an die eigene Hausapotheke, wo es von Kräuterextrakten und Tinkturen, aber auch von weiterentwickelten nicht-mehr-ganz-so-natürlichen Stoffen wie Aspirin und Taxol nur so wimmelt. Viele der hierfür verwendeten Substanzen sind biologisch außerordentlich aktiv, gleichzeitig aber auch nicht immer ganz harmlos. Während eine Vielzahl dieser Substanzen traditionell ihren Ursprung in den Rinden und Blättern exotischer Bäume, in den Blüten, Früchten und Samen giftiger Blumen und Sträucher und sogar im Efeu gefunden hat, sind in jüngster Zeit vermehrt essbare Pflanzen in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. einfach in die moderne Küche integriert werden. So haben etwa unsere Partner an der TU Gdansk in Polen eine Wurst hergestellt, die zu einem großen Teil nicht aus Fleisch, sondern aus Kohl besteht. Diese Wurst wird in Metzgereien in der Stadt verkauft und schmeckt sehr lecker. Dabei handelt es sich um eine wahrscheinlich gesündere Version einer traditionellen Wurst und keineswegs um einen »Wurst-Ersatz«, wie man ihn aus Reformhäusern kennt und der von den Käufern bei uns oft verschmäht wird. In der Tat bieten Naturprodukte aus essbaren Pflanzen eine Fülle von offensichtlichen Vorteilen, vom Wurm in der Walnuss bis zum Wirsing in der Wurst. Essbare Pflanzen sind zumindest für den Menschen nicht (besonders) giftig, das heißt, die darin enthaltenen Substanzen sind, in Maßen genossen, für den Menschen auch nicht schädlich. Aus diesem Grund besteht aus ernährungswissenschaftlicher Sicht beispielsweise ein ganz besonderes Interesse an biologisch wirksamen Aromastoffen, denn solche Stoffe können relativ Aber auch wem die Wurst »weitgehend Wurst« ist, der kann durch den Verzehr essbarer Pflanzen aus ernährungstechnischer Sicht gesundheitlich viel verbessern. Bestimmte Beeren, Knoblauch und Zwiebeln sind ebenso wie Gewürze — beispielsweise die Gelbwurz Curcuma longa — klassische Beispiele, die eine immer wichtigere Rolle in unserer Ernährung spielen (Abbildung 1). So etwa ist Würzen mit Kräutern und Beeren anstelle von Salz nicht nur kulinarisch interessant, sondern trägt auch zu einer ausgewogenen Ernährung bei. Wie der Schwenk vom »Schwenker«** hin zu einer eher exotischen Küche aber genau erfolgen soll, ist nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern auch das Thema intensiver multidisziplinärer Forschung. * »Hauptsach, gudd gess — g’schafft ham’mer gleich« lautet die vollständige ** Der »Schwenker« ist ein im Saarland beliebtes Fleischgericht, das in der saarländische Devise, die auf eine ausgeprägte Genussfähigkeit verweist. Regel aus Schweinefleisch hergestellt wird und als »saarländischer Identitätsmythos« gilt. In diesem Bereich arbeiten wir nunmehr seit mehreren Jahren mit Partnern aus der SaarLorLux-Großregion, aber auch über die Grenzen hinweg im Rahmen des Marie-CurieNetzwerkes »RedCat« zusammen. Ergänzt wird »RedCat« dabei durch das Interreg IVa Vorhaben »Corena«, bei dem es um eine engere Zusammenarbeit von Forschung und Anwendung in der Großregion geht, und jüngst durch das »NutriOx« Projekt, das seinen Schwerpunkt im Bereich der Erforschung biologisch (redox) aktiver Bestandteile der Ernährung sieht. Erst Anfang Oktober 2014 hat ein weiteres NutriOx Treffen in Metz stattgefunden, bei dem Gruppen aus ganz Europa vertreten gewesen sind (Abbildung 2). Abb. 1: Medley aus verschiedenen essbaren Pflanzen, Pilzen, Nüssen und Gewürzen, aus denen sehr interessante, biologisch aktive Nahrungsmittel, Produkte, Präparate und letztendlich auch Reinsubstanzen gewonnen werden können. Von besonderer Bedeutung sind dabei redox-aktive Sekundär-Metabolite aus essbaren Pflanzen und Pilzen. Stoffe wie das Allicin und Diallyltetrasulfan aus Knoblauch, das Senföl aus Senfkörnern und das Lenthionin aus ShiitakePilzen sind nicht nur ausgezeichnete Aromastoffe, sondern entfalten als sogenannte »Reaktive Schwefel Species« auch ausgesprochen vielseitige biologische Aktivitäten, die in der volkstümlichen »Medizin«, besonders aber in der ökologischen Landwirtschaft seit langem genutzt werden. Gerade in jüngster Zeit ist das Interesse an solchen Stoffen rasant gestiegen. Dies liegt vor allem daran, dass die Forschung der letzten beiden Jahrzehnte immer neue Belege dafür gefunden hat, dass viele menschliche Krankheiten mit einem gestörten intrazellulären Redox-Gleichgewicht einhergehen — oder sogar dadurch verursacht und in ihrem Verlauf gefördert werden. Solche Ungleichgewichte scheinen vor allem im Alter eine besondere Rolle zu spielen, da im Alter der Körper zum einen selbst vermehrt oxidativen Stress bildet und zum anderen seine Abwehr dagegen nachlässt. Abb. 2: Tagung des »NutriOx« Netzwerkes in Metz (1. bis 3. Oktober 2014). Das NutriOx Netzwerk wurde 2012 mithilfe der Deutsch-Französischen Bioorganische Chemie Hochschule (DFH) ins Leben gerufen und führt seither unter anderem 7 18 3 19 Eine entsprechende Intervention über die Nahrung oder medikamentös kann daher zumindest in Erwägung gezogen werden, was im Übrigen bereits durch entsprechende Produkte für die berühmt-berüchtigte »Generation 50+« in Apotheken und Supermärkten seinen Ausdruck gefunden hat. Während diesem Bereich aufgrund kommerzieller Interessen viel Aufmerksamkeit zukommt, wird die Thematik aus wissenschaftlicher Sicht allerdings durchaus kontrovers diskutiert und bietet viel Raum für Fragen und multidisziplinäre Forschung. Davon zeugen beispielsweise unsere Aktivitäten, die wir im Rahmen des »ORAC Reference Institute Europe« (ORIE), eines in Saarbrücken registrierten Vereines, gemeinsam mit Firmen wie beispielsweise der Dr. Burkholz Life Science Consulting UG durchführen. einmal im Jahr ein interdisziplinäres wissenschaftliches Symposium für Nachwuchswissenschaftler/innen durch. Eröffnung des Treffens durch den Präsidenten der Universität Lorraine, Prof. Pierre Mutzenhardt (oben) und gemeinsam gestalteter Vortrag unserer beiden Doktorand/innen, Lisa Faulstich und Jawad Nasim (unten). 2. »Grünes Gold« von der Müllkippe? Ähnliche Überlegungen gelten auch im Bereich der Landwirtschaft, wo gewisse Substanzen, beispielsweise Extrakte aus dem Neem-Baum (Wirkstoff u. a. Azadirachtin) oder aus Knoblauch (Wirkstoff u. a. Schwefelverbindungen), zwar landwirtschaftliche Schädlinge effektiv abschrecken und bekämpfen können, aber für Säugetiere weitgehend unschädlich sind und die Nahrungskette daher nicht weiter belasten. In der Tat sind gerade für landwirtschaftliche Anwendungen, wo es im Gegensatz zur medizinischen Anwendung um extrem große Mengen geht, essbare Pflanzen, Früchte, Nüsse und Pilze auch aus ökonomischer Sicht sehr ergiebige Quellen für entsprechende biologisch aktive Substanzen. Dabei ist von Vorteil, dass der Anbau solcher Pflanzen und Pilze meist großflächig, routiniert und in großem Umfang stattfindet. Hinzu kommt, dass entsprechende »Abfälle« wie beispielsweise verdorbene Früchte, nicht mehr ganz frische Pilze, nicht sonderlich ästhetische Zwiebeln oder Karotten, übrig gebliebene Traubenkerne aus der Weinproduktion und ausgedroschene Sorghum-Hülsen eine dankbare und fast kostenlose Quelle für solche Substanzen darstellen. In der Tat ist der Wurm in der Walnuss hier sehr willkommen, denn damit ist diese Nuss für den Verkauf nicht mehr geeignet und kann anderen Verwendungen zugeführt werden. Insbesondere im Bereich landwirtschaftlicher Anwendungen sind in den letzten Jahren bereits große Fortschritte erzielt worden. Beispielsweise ist es einem Partner aus dem von uns koordinierten EU Netzwerk »RedCat«, der englischen Firma ECOSpray UK Ltd., gelungen, aus (billig zu beziehendem) Knoblauch ein entsprechendes Extrakt und im zweiten Schritt auch ein Granulat zu entwickeln, das bereits kommerziell gegen verschiedene landwirtschaftliche Schädlinge Verwendung findet. Entscheidend ist dabei, dass dieses »Naturprodukt« im Gegensatz zu herkömmlichen Pestiziden in vielen Ländern auch in der ökologischen Landwirtschaft eingesetzt werden darf. Eine ähnliche Erfolgsgeschichte, die allerdings noch ganz am Anfang steht, findet man im Bereich der Traubenkerne. Früher ein wenig beachtetes Abfallprodukt der Weinherstellung, stellen Traubenkerne heute eine wahre Goldgrube für interessante, biologisch aktive Stoffe dar. Neben dem allseits bekannten Traubenkernöl ist dies vor allem auch das Traubenkernmehl, das reich an (oligomeren und polymeren) Polyphenolen und anderen Bitterstoffen ist und dem deshalb eine antimikrobielle, verdauungs- und gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt wird. Auch dieser Abfall-Rohstoff könnte nach entsprechender Erforschung mittelfristig verarbeitet und anschließend in der Schädlingsbekämpfung eine bedeutende Rolle spielen. Hierzu arbeiten wir eng mit unseren Partnern in Armenien und Georgien zusammen, denn gerade in diesen Ländern fällt viel »Abfall« an, der zurzeit noch kaum Verwen- Abb. 3: Weinkelterei nahe Yerevan, Armenien. Rechts sieht man das »Abfallprodukt« Traubenkerne und Schalen, welches in Armenien lediglich zu Düngemittel und Schweinefutter weiterverarbeitet wird. dung findet und der gerade dort aufgrund eines inhärenten Mangels an hochwertigen — und daher teuren — Pestiziden sehr sinnvoll eingesetzt werden könnte (Abbildung 3). Während Traubenkerne aus Sicht der Forschung allerdings schon weitgehend »ausgepresst« sind, bietet die globale Landwirtschaft länderspezifisch noch eine Vielzahl weiterer Schatztruhen mit »grünem Gold«, die es mithilfe modernster Forschung zu öffnen gilt. In diesem Bereich hat unser Arbeitskreis gerade ein neues, von der DFG unterstütztes Vorhaben mit Kollegen von der Michael Okpara University of Agriculture, Umudike, in Nigeria begonnen, bei dem es um die weitere Verwendung von redox aktiven, chinon-haltigen Substanzen geht, die aus Sorghum gewonnen werden können. Sorghum (Hirse) ist ein gerade in Afrika weit verbreitetes und massiv angebautes Getreide, und auch hier spielen Abfälle aus der Sorghum Produktion als neue Rohstoffe zur Entwicklung von Wirkstoffen und ökologischen Pflanzenschutzmitteln eine bedeutende Rolle. Ein ähnliches Vorhaben läuft seit September 2014 auch in Zusammenarbeit mit der Universität von Lomé in der Republik Togo. Unsere Doktorandin, Frau Nassifatou Koko Tittikpina (Stipendiatin Schlumberger Foundation), analysiert Abb. 4: Nassifatou Koko Tittikpina mit ihren im Togo geernteten und zu Pulver verarbeiteten Naturprodukten zu Beginn ihrer Forschungsarbeiten an der UdS. dabei gemeinsam mit unseren Partnern in Lomé und in Metz verschiedene Pflanzenprodukte, die allesamt in Westafrika verbreitet sind und denen volkstümlich bereits eine besondere Aktivität nachgesagt wird. 3. Vom Saharaland ins Saarland 3.1. Ora et labora Während all diese Ideen – vom Wirsing in der Wurst und dem Wurm in der Walnuss bis zum Knoblauch sprühenden Landwirt – irgendwie logisch klingen und selbstverständlich aus verschiedener Sicht attraktiv sind, so stellt sich doch die Frage, welchen Beitrag die moderne Forschung hier leisten kann. Und an diesem Punkt tritt trotz des häufig als Extraktionsmittel verwendeten Ethanols sehr schnell Ernüchterung ein. Solche Studien sind seit langer Zeit von der Mentalität eines »Indiana Jones« oder »Medicine Man« weit entfernt und spielen sich vor allem in analytischen, chemischen und zellbiologischen Laboratorien ab. Zwar findet im Ursprungsland noch eine entsprechende Auswahl, Ernte und biologische Bestimmung der Pflanzen statt, aber aufgrund der weiten Wege, des Risikos durch Infektionen, Spinnen und anderer Kleintiere werden diese Arbeiten fast immer durch unsere Kooperationspartner und nicht von uns selbst durchgeführt. Meist geht es in Saarbrücken dann »nur noch« um die Weiterverarbeitung von Extrakten aus essbaren und Heilpflanzen, die aufgrund ihrer volkstümlichen Verwendung ausgewählt und anschließend aus den verschiedensten Ländern der Erde nach Saarbrücken gebracht worden sind. Solche Produkte werfen meist mehr Fragen als Antworten auf, und das nicht nur von der Zollbehörde am Ensheimer Flughafen. Im Fall neuer Proben etwa aus Ägypten, Togo, dem Jemen oder Nigeria werden umfangreiche Extraktions- und Isolationsmethoden angewendet, meist gekoppelt mit aufwendigen analytischen Verfahren (z.B. UPLC und Massenspektrometrie) auf der einen und einfachen biologischen Aktivitäts-Assays auf der anderen Seite. Solche Arbeiten sind extrem langwierig und dienen dazu, den »aktiven« Substanzen auf die Spur zu kommen, sie in einzelnen Fraktionen möglichst chemisch rein zu isolieren und zu guter Letzt ihre chemische Struktur aufzuklären. Mit viel Glück steht dann am Ende dieses Prozesses die chemische Struktur einer neuen, bislang unbekannten Substanz mit interessanter biologischer Aktivität. Dieser Ansatz sieht sich leider mit einer ganzen Reihe von Fallstricken konfrontiert. Häufig gelingt es einfach nicht, die aktive Substanz rein darzustellen oder ihre Struktur bis ins Letzte aufzuklären. Es kann aber auch passieren, dass sich die gesuchte Substanz trotz erfolgreicher Jagd am Ende nur als ein bekannter Verdächtiger beispielsweise als Plumbagin oder als Quercetin entpuppt. Und schließlich kann auch der Fall eintreten, dass am Ende tatsächlich eine neue Substanz steht, die aber nicht mehr sonderlich aktiv ist oder deren Aktivität nicht weiter von Interesse ist. Von daher trifft das Motto der Benediktiner in der Tat auch auf diesen Teil der Forschung zu, und solche Vorhaben sind immer mit größter Vorsicht zu genießen, nicht zuletzt auch aufgrund des hohen finanziellen und Arbeitsaufwandes. 3.2. Synthese Anstatt Naturstoffe aus entsprechenden Quellen zu isolieren, bietet sich die chemische Synthese als interessante Alternative an. Chemisch relativ einfach gebaute Substanzen, deren Struktur zudem vollständig aufgeklärt ist, können im Labor einfach synthetisch hergestellt werden. Auch ist es möglich, solche Moleküle durch Abwandlung des Syntheseprotokolls umfassend bezüglich ihrer Struktur und ihrer Eigenschaften zu verändern. Ein solch synthetischer Ansatz spielt in unserer Forschung eine überaus wichtige Rolle. Viele schwefelhaltige Naturprodukte von Allicin und den Polysulfanen bis zum Senföl, den Vinyl-Dithiinen, Dithiol-thionen und dem Lenthionin sind chemisch vergleichsweise einfach gebaut und können daher im Labor in wenigen Schritten in hoher Reinheit und guter Ausbeute erhalten werden. Bioorganische Chemie Während der letzten zehn Jahre hat unser Arbeitskreis auf dem Gebiet solcher Synthesen umfassende Erfahrungen gesammelt und unzählige naturidentische und entsprechend bezüglich ihrer Aktivität, physiko-chemischer Eigenschaften und Bioverfügbarkeit verbesserte Substanzen hergestellt. Solche Verbindungen werden dann im Anschluss entweder an der UdS selbst oder von Kooperationspartnern in der ganzen Welt auf ihre biologische Aktivität, ihre Selektivität, ihren Wirkmechanismus und mögliche Anwendungen hin untersucht. Dabei werden neben den schwefelhaltigen Verbindungen verstärkt auch katalytische Selen- und Tellurverbindungen erforscht, vor allem im Kontext selektiver Krebswirkstoffe, aber auch als mögliche Wirkstoffe gegen Sklerodermie, entzündliche und infektiöse Krankheiten. Abb. 5: Aufarbeitung eines Pflanzenextraktes von der Insel Sokotra (Republik Jemen). Diese zwischen Afrika und der arabischen Halbinsel liegende Insel besitzt aufgrund ihrer Geschichte und ihres Klimas eine einmalige Flora (und auch Fauna, v.a. bezüglich Spinnen). Sie ist aus politischen Gründen nur sehr schwer zugänglich. Obwohl viele der dort vorkommenden Pflanzen im Verdacht stehen, pharmazeutisch wirksam zu sein, steht ihre Erforschung noch ganz am Anfang. Hierzu arbeitet unser 7 20 3 21 Doktorand, Herr Adel al-Marby (im Bild), eng mit Prof. Ali Nasser von der Universität Sanaa zusammen. Neben der umfassenden Synthese verschiedenster chalkogenhaltiger Substanzen spielt in diesem Bereich in jüngster Vergangenheit auch die Untersuchung von »Zweikomponenten-Systemen« eine Rolle, bei denen ein speziell synthetisiertes Substrat erst durch die Einwirkung eines passenden Enzyms aktiviert wird. Solche Systeme beruhen auf einfach zugänglichen Enzymen, die beispielsweise aus (Abfällen von) Knoblauch und Raps gewonnen werden und die in kleinsten Mengen eingesetzt effektiv synthetische, aber an sich biologisch völlig inaktive Substrate zu potenten Wirkstoffen aktivieren. In der Wirkstoffentwicklung erinnern solche »Zweikomponenten-Systeme« an »Pro-Drugs«, sie spielen aber auch gerade in der Landwirtschaft — wo ein Hantieren mit Enzymen und harmlosen Substraten dem Einsatz aggressiver Stoffe vorzuziehen ist — eine immer wichtigere Rolle. 3.3. Aktivitäten Die entscheidende Frage bei all diesen Arbeiten ist allerdings, ob die isolierten oder synthetisierten Substanzen auch »biologisch aktiv« sind. Auf eine solch generell gestellte Frage gibt es natürlich keine direkte Antwort. Vielmehr muss vorab geklärt werden, was, wofür, wie spezifisch, unter welchen Bedingungen und in welchen Mengen ein solches Präparat ein- ditis hermaphrodita für (landwirtschaftlich relevante) Nematoden, das Gram-negative Bakterium Escherichia coli, das Gram-positive Bakterium Staphylococcus aureus für Bakterien sowie Saccharomyces cerevisiae und Botrytis cinerea für Hefen und filamentöse Pilze respektive. Während diese Auswahl an sich selbstverständlich limitiert ist, liefert sie in ihrer Gesamtheit doch erste wichtige Informationen darüber, welche Organismen als mögliche Zielobjekte überhaupt in Frage kommen und welche Konzentrationen von den Verbindungen oder Rohextrakten aufgebracht werden müssen. Dadurch ist eine erste Auswahl der Verbindungen und auch der Zielorganismen möglich. Weitere umfassendere Studien mit Mikroorganismen, aber auch menschlichen Zellen können dann im Anschluss relativ zügig und meist auch sehr erfolgreich durchgeführt werden. Parallel dazu finden immer auch Überlegungen statt, wie die verschiedenen Produkte, das heißt, die reinen Verbindungen, Zweikomponentensysteme oder auch Rohextrakte, am besten einer praktischen Anwendung zugeführt werden können. 3.1. Intrazelluläre Diagnostik Nachdem die Aktivitäten untersucht und mögliche Anwendungen mit den — meist aus der Industrie kommenden — Partnern diskutiert worden sind, bleibt nicht nur aus rein wissenschaftlicher Sicht immer die Frage, wie solche Verbindungen ihre Wirkung entfalten. Die Antwort auf diese Frage ist meist kompliziert, sie bietet allerdings auch wichtige Hinweise bezüglich der Selektivität einer Substanz und möglicher Nebenwirkungen und erlaubt es, von der Substanz ausgehend neue, rein synthetische Derivate zu entwerfen. Abb. 6: Senfkörner aus saarländischer Produktion (vom Wingertsweiher Hof nahe Ottweiler) bilden das Ausgangsmaterial für die Herstellung des Enzyms Myrosinase, das aus zermahlten Körnern extrahiert und aufgearbeitet wird. Bringt man dieses Enzym mit einem seiner Substrate in Kontakt, so entsteht ein Cocktail sehr reaktiver Substanzen, der effektiv Schädlinge abtöten kann. Im Bild unsere Diplomandin, Frau Javeria Iftikhar, beim Zerkleinern der Senfkörner und Aufreinigung des Enzymes. gesetzt werden soll. Es hat beispielsweise aus ökonomischer Sicht keinen Sinn, aufwendig gewonnene und entsprechend wertvolle Substanzen in großen Mengen gegen Würmer auf dem Golf-Parcours zu versprühen. Andererseits können gewisse Schwefelverbindungen trotz guter Verfügbarkeit und Aktivität in der Therapie nicht verwendet werden, weil sie Hautreizungen verursachen oder durch ihren penetranten Gestank als sozial unverträglich gelten. Um sich der Frage nach einer »interessanten biologischen Aktivität« anzunähern, werden von uns daher zuerst einfache, aber insgesamt repräsentative Testsysteme verwendet, das heißt, die Nematoden Steinernema feltiae und Phasmarhab- In diesem Bereich arbeiten wir sehr eng mit einer Reihe von Partnern so beispielsweise mit Prof. Montenarh in Homburg, Prof. Diederich in Luxembourg/Seoul, Prof. Slusarenko in Aachen, Prof. Demasi in São Paulo, Prof. Trouchnian in Armenien, Dr. Chovanec in Bratislava, Prof. CherkaouiMalki in Dijon, Dr. Giles in Neuseeland, Dr. Sasse am HZI in Braunschweig und Prof. Bartoszek in Danzig zusammen. Gemeinsam ist es möglich, modernste Techniken wie beispielsweise chemogenetisches Screening, Life Cell Imaging, Fluoreszenzfärbung lebender Zellen und Konfokal-Mikroskopie zu verwenden, um das Mosaik Steinchen für Steinchen zusammenzusetzen, bis sich ein einheitliches Bild abzeichnet. Während ein solches Mosaik niemals ganz vollständig sein kann, und jedes neue Steinchen immer wieder neue Überraschungen in sich bergen mag, so ist diese Herangehensweise doch sehr fruchtbar und erfüllt — pragmatisch gesprochen — ihren Zweck. Abb. 7: Mit verschiedenen fluoreszierenden Farbstoffen und Antikörpern eingefärbte U937 Lymphom-Zellen. Gemeinsam geben diese Färbemethoden Aufschluss über die besondere — in diesem Fall das Tubulin-Netzwerk verändernde — Wirkung der eingesetzten Verbindungen in der intakten Zelle. Diese Arbeiten wurden von unserer Diplomandin, Frau Anne-Kathrin Baltes, bei unserem Kooperationspartner, Prof. March Diederich, am LBMCC in Luxemburg durchgeführt. Bioorganische Chemie 4. Schlussbetrachtungen Wenn es um redox-aktive Substanzen und Prozesse geht, so bietet die Schnittstelle von synthetischer und analytischer Chemie mit Fächern wie Biologie, Pharmazie, Ernährungswissenschaften und der Agrarforschung einen besonders fruchtbaren Boden für grundlegende Forschung auf der einen Seite und Produktentwicklung auf der anderen. In Zukunft geht es nun vor allem darum, diese Arbeiten in der Großregion mit Netzwerken wie »Corena« und »NutriOx« weiter zu forcieren. Das Saarland und seine (umliegenden) Partner weisen nicht nur eine Vielfalt von relevanten Pflanzen auf, sie sind auch international sehr gut verknüpft, um gemeinsam mit Gruppen aus Afrika, Südamerika, dem Kaukasus, Asien, Ozeanien und sogar aus der Arktis »exotische« Pflanzen zu identifizieren und anschließend zu analysieren. Hinzu kommt, dass gerade in der Großregion viele kleine und mittelgroße Firmen an solchen Naturprodukten und deren Erforschung ein großes Interesse zeigen. Und nicht zuletzt bietet das Saarland auch aus wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Sicht die idealen Voraussetzungen für die Erforschung biologisch wirksamer Nahrungsmittel, getreu dem saarländischen Motto »Is es Wetter noch so trieb, immer hoch die Gellerrieb«.*** 7 22 3 23 sbk.org „Meine SBK: Deutschlands beliebteste* Krankenkasse“ Eva-Maria Kling, eine von über 400 persönlichen Kundenberatern Jetzt zur Siemens-Betriebskrankenkasse wechseln. sbk.org Geschäftsstelle Saarbrücken Werner-von-Siemens-Allee 4 66115 Saarbrücken Tel.: 0681 5953501-0 E-Mail: [email protected] Starke Leistung. Ganz persönlich. *** Sinngemäße Übersetzung aus dem Saarländischen: »Ist das Wetter noch so trübe, immer hoch die Gelberübe« *www.disq.de (Kundenbefragung GKV, 17.05.2013) J Prof. Dr. Claus acob ist ein Ur-Saarländer. Er hat in Homburg sein Abitur abgelegt, anschließend an den Universitäten Kaiserslautern, Leicester (UK) und Hagen Chemie, Philosophie, Geschichte und Psychologie studiert und 1997 in Oxford im Bereich Bioanorganische Chemie promoviert. Nach seiner Zeit als Feodor Lynen-Stipendiat der Alexander von Humboldt Stiftung an der Harvard Medical School und dann als (Senior) Lecturer und EPSRC Fellow an der Universität Exeter (UK) ist er 2005 ins Saarland zurückgekehrt, wo er seither als Professor für Bioorganische Chemie redox-modulierende Substanzen und Prozesse an der Schnittstelle von Chemie, Biologie und Pharmazie erforscht. Manche seiner über 120 Veröffentlichungen gelten dabei auch der typisch saarländischen Frage, wie man aus »Grombeere durch Brode Kohle machen kann.«* N asim PharmD Jawad hat 2011 sein Pharmaziestudium an der Bahauddin Zakariya Universität in Multan in Pakistan abgeschlossen. Anschließend arbeitete er bis 2013 als Forschungsassistent an der COMSATS Universität in Abbottabad. Im Juli 2013 kam Jawad im Rahmen eines DAAD Austauschs an die Universität Rostock, wo er seine Kenntnisse in der Organischen Synthese vertiefen konnte. Von Oktober 2013 bis September 2014 hat er an der UdS erfolgreich für ein Diplom in Pharmazie studiert. Seit Oktober 2014 ist Jawad als Doktorand im Bereich Bioorganische Chemie tätig. Der Schwerpunkt seiner Forschung liegt dabei im Bereich der organischen Synthese natürlicher und naturähnlicher Substanzen mit interessanten Aktivitäten für die Pharmazie und Landwirtschaft. *Saarländisch für »Wie man aus Kartoffeln durch Braten Geld machen kann« B F Lisa aulstich ist seit Oktober 2014 Doktorandin im Arbeitskreis von Prof. Claus Jacob und besitzt ebenfalls saarländische Wurzeln. Sie hat 2007 ihr Abitur in St. Ingbert am Albertus-MagnusGymnasium abgelegt und anschließend Pharmazie an der Universität des Saarlandes studiert. Im Mai 2014 beendete sie mit dem 3. Staatsexamen erfolgreich ihr Studium (approbierte Apothekerin). Im Zuge des »praktischen Jahres« hat sie Ende 2013 im Arbeitskreis für Bioorganische Chemie an der Universität des Saarlandes mit ihren Forschungsarbeiten begonnen. Bis Mitte 2014 war Lisa als Diplomstudentin im gleichen Arbeitskreis tätig. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt hierbei in der Synthese neuer reaktiver Verbindungen zur Anwendung in der Medizin und Landwirtschaft. Dr. Torsten urkholz schloss sein Abitur am Cusanus Gymnasium in St. Wendel ab, um daraufhin Chemie an der Universität des Saarlandes zu studieren. Nach seinem Diplom im Jahre 2006 startete er als Doktorand mit Industriestipendium der Firma Fresenius Medical Care AG Bad Homburg im Arbeitskreis von Prof. Claus Jacob und promovierte dort zum Thema: »Oxidativer Stress und elektrochemische Dekontaminations-Verfahren in der Dialyse«. Im Anschluss an die Promotion forschte er für zwei Jahre als Experienced Researcher im Rahmen des EU Netzwerkes »RedCat« in der Arbeitsgruppe von Prof. Paul G. Winyard am Peninsula College of Medicine and Dentistry, Exeter, England, an neuen Wirkstoffen für die Bekämpfung von Hautkrebs, Rheumatoider Arthritis und kardiovaskulärer Erkrankungen. Anfang 2012 entschloss er sich zur Rückkehr ins Saarland auf eine Stelle als Akademischer Rat auf Zeit in der Gruppe von Prof. Jacob. 2013 gründete er die Firma »Dr. Burkholz Life Science Consulting UG«, die sich hauptsächlich mit den immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rückenden Problemen der Generation 50+ beschäftigt: Vor allem mit dem Bereich (Mangel-)Ernährung, Nahrungsersatzstoffe, Nahrungsergänzung und Konservierungsmittel, aber auch mit der wissenschaftlichen Evaluation von Qualitätsstandards (z.B.: ORAC- und TEAC-Werten). Seit März 2013 ist er Gastprofessor für Pharmakologie an der Fachhochschule Kaiserslautern, am Standort Pirmasens. urznachrichten aus der Forschung ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Kurznachrichten Student entwickelt leisen Vakuum-Greifer mit Muskel aus intelligentem Draht 7 24 3 25 Leise, leicht und energieeffizient: Das sind einige der Vorteile des neuartigen Vakuum-Sauggreif-Systems, das der Mechatronik-Student Julian Kunze in der Forschergruppe von Stefan Seelecke entwickelt hat. Ein Spezialgebiet von Seeleckes Teams sind haarfeine FormgedächtnisDrähte, die wie Muskeln anspannen und entspannen. Auf diese Weise werden auf den Punkt genaue Bewegungsabläufe möglich, wodurch etwa technische Bauteile präzise bewegt werden können. Bei Julian Kunzes Sauggreifer zieht der Draht an einer Membran und löst so ein Vakuum aus, wenn diese flach auf einem Gegenstand liegt. Die Vakuumtechnik-Firma Schmalz GmbH zeichnete den Studenten hierfür mit ihrem Innovationspreis aus. Sie stapeln Kartons, laden zig Dosen gleichzeitig auf Paletten, befördern große Bleche oder transportieren Glasscheiben: Vakuum-Greifer sind heute vielerorts im Einsatz. Die gängigen Systeme arbeiten pneumatisch. Sie sind meist komplex, oft schwer und machen bisweilen recht viel Lärm. Das neuartige System, das der Student Julian Kunze am Lehrstuhl von Professor Stefan Seelecke entwickelt hat, ist schlicht, leicht, leise, effizient und sogar reinraumtauglich. Das Geheimnis beruht auf einem Draht, der eine ganz besondere Eigenschaft hat: Wie ein Muskel zieht er sich deutlich zusammen, wenn Strom durch ihn fließt. Sobald der Strom ausgeschaltet wird, wird er wieder so lang wie vorher. Formgedächtnis nennen das die Wissenschaftler. »Diese Drähte mit Formgedächtnis bestehen aus NickelTitan«, erklärt Stefan Seelecke. »Formgedächtnis bedeutet, dass das Material seine ursprüngliche Form wieder annimmt, nachdem es verformt wurde; es erinnert sich sozusagen an seine alte Form. Diese Eigenschaft der Nickel-Titan-Legierung beruht auf so genannten Phasenumwandlungen: Wird der Draht warm, zum Beispiel wenn Strom hindurchfließt, wandelt sich seine Gitterstruktur so um, dass er kürzer wird. Kühlt er ab, wird er wieder länger«, erläutert er. Sein Forscherteam am Lehrstuhl für Unkonventionelle Aktorik an der Saar-Uni und am Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik »Zema« nutzt diese Eigenschaft für verschiedenste Anwendungen: vom Inhalationsgerät, dessen Mundstück Wirkstoffteilchen gezielt an ihren Wirkort in der Lunge »schießt«, über neuartige Kühlsysteme bis hin zu Bauteilen, die sich geräuschlos und präzise heben und senken. »Beim Vakuum-Greifer ist eine Membran direkt mit einem Formgedächtnisdraht verbunden, der gezielt angesteuert werden kann. So ist es möglich, nur mit elektrischem Strom ein tragfähiges Vakuum zu erzeugen«, erklärt Julian Kunze, studentischer Mitarbeiter in Seeleckes Team. »Dadurch, dass das System ganz ohne Druckluft, Gebläse, Pumpen oder sonstige größere Bestandteile auskommt, ist es platzsparend, leicht und auch der CO2-Ausstoß wird verringert«, sagt der 23-Jährige. Den Prototypen hat er selbst am Computer entworfen und am 3D-Drucker des Lehrstuhls ausgedruckt – komplett samt Rahmen und Membran. »Dadurch konnte ich den gesamten Prozess von der Idee über die Entwicklung bis zum fertigen Prototyp durchlaufen«, sagt er. Der Student arbeitet nun in Seeleckes Team daran, das System weiterzuentwickeln und weiter zu optimieren. »Die Tragfähigkeit dieses Vakuum-Greifers ist skalierbar – der Prototyp kann Julian Kunze demonstriert den Prototypen seines Vakuum-Greifers. Foto: Filomena Simone bereits ein Gewicht von einigen Kilos heben und sicher festhalten, aber das kann natürlich noch gesteigert werden«, sagt Professor Seelecke. Das Vakuum-Technologie-Unternehmen Schmalz hat Julian Kunze für seine Entwicklung Anfang Oktober mit dem erstmals verliehenen Schmalz Innovationspreis ausgezeichnet, der mit einer Siegprämie von 4.000 Euro und einem vierwöchigen Unternehmens-Praktikum bei Schmalz verbunden ist. Erneuerbare Energien: Ingenieure der SaarUni erforschen mobile Windkraftanlagen für Energiesysteme der Bundeswehr Die Vielzahl kleiner Solar- und Windkraftanlagen leistet einen immer wichtigeren Beitrag zur regenerativen Stromerzeugung. Wie diese Anlagen effizient in die zukünftige Energieversorgung integriert werden können, erforscht das Team um Professor Georg Frey an der Saar-Uni. Sein Hauptaugenmerk liegt dabei bei regional begrenzten, intelligenten Energienetzwerken, sogenannten »Smart Micro Grids«. Zusammen mit der Wehrtechnischen Dienststelle der Bundeswehr in Trier arbeiten die Ingenieure daran, mobile Windkraftanlagen effizient in diese Netzwerke zu integrieren. Die Bundeswehr will die Technik nutzen, um ihre mobilen Stützpunkte verstärkt mit erneuerbarer Energie zu betreiben. urznachrichten aus der Forschung ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ gern zu erproben«, stellt Rainer Stabler vom Geschäftsfeld 240 der Wehrtechnischen Dienststelle in Trier fest. Neues Graduiertenkolleg »Europäische Traumkulturen« an der Saar-Uni untersucht den Traum als Kulturphänomen Der Traum hat die Menschen schon immer fasziniert. Er konfrontiert uns mit einer rätselhaften Erlebniswelt, die Künstler und Intellektuelle aller Epochen zu ergründen versuchen. Wie Träume im europäischen Kulturraum vom Mittelalter bis in die Gegenwart in Kunst und Kultur dargestellt werden, ist Gegenstand des neuen interdisziplinären Graduiertenkollegs »Europäische Traumkulturen« (GRK 2021) an der Universität des Saarlandes. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Forschungs- und Qualifizierungsprogramm für Doktoranden viereinhalb Jahre lang mit insgesamt 2,7 Millionen Euro. Start ist am 1. April 2015. Das Graduiertenkolleg ist eines von derzeit nur fünf literatur- oder kunstwissenschaftlich ausgerichteten Programmen bundesweit. »Obwohl wir alle Träume kennen, sind sie in ihrer Fremdartigkeit doch ein Faszinosum für uns. So funktioniert die »Wir möchten verstehen, wie man sich in verschiedenen Disziplinen, Kulturkreisen und Epochen mit Träumen auseinandersetzt«, erklärt die Literaturwissenschaftlerin Christiane Solte-Gresser. »Wir werden Träume in Kunst und Kultur untersuchen, also Träume in Romanen und Gedichten, auf der Bühne, im Film oder in Gemälden.« Foto: cydonna/photocase.com Logik im Traum anders als in der normalen Wirklichkeit: Es treten Sprünge in Raum und Zeit auf, unser vernünftiges Denken wird in Frage gestellt oder Erinnerungen und aktuelle Erlebnisse verschmelzen auf irritierende Art und Weise«, sagt Christiane Solte-Gresser. Die Professorin für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Saar-Uni ist Sprecherin des neuen Graduiertenkollegs, das ab April kommenden Jahres erforscht, wie sich Träume über die Jahrhunderte hinweg in den Medien niedergeschlagen haben. Kurznachrichten Um ihre Feldlager bei Einsätzen auf der ganzen Welt mit Energie zu versorgen, ist die Bundeswehr derzeit noch auf Dieselgeneratoren angewiesen. Dies soll sich ändern: Künftig möchte sie verstärkt auf erneuerbare Energien setzen. Wie diese effizient zum Einsatz kommen, erforschen Ingenieure um Professor Georg Frey vom Lehrstuhl für Automatisierungstechnik an der Universität des Saarlandes. Er und sein Team beschäftigen sich mit dezentralen Energiesystemen. »Dabei spielen zum Beispiel viele Kleinkraftwerke, etwa Windräder und Solaranlagen, eine entscheidende Rolle«, erklärt Frey. »Der von ihnen erzeugte Strom wird den Verbrauchern in der unmittelbaren Umgebung der Kraftwerke zur Verfügung gestellt.« Das Hauptaugenmerk der Ingenieure liegt bei effizienten regionalen Energieversorgungsnetzen, den Smart Micro Grids. »Es handelt sich um Stromnetze, die verschiedene Energiequellen nutzen und Verbraucher und Stromspeicher intelligent verknüpfen. Auf diese Weise sollen etwa Stromschwankungen bei den Ingenieure um Professor Georg Frey regenerativen Energien ausgevon der Saar-Uni arbeiten daran, glichen werden.« wie mobile Windkraftanlagen In einem gemeinsamen optimal in Energiesysteme integriert Projekt mit der Wehrtechwerden können. Foto: Wehrtechnische nischen Dienststelle 41 der Dienststelle der Bundeswehr Trier Bundeswehr in Trier arbeiten die Ingenieure nun an neuen Methoden, um regenerative Energien optimal in solchen Netzen zum Einsatz zu bringen. Die Bundeswehr stellt den Saarbrücker Forschern dazu eine Kleinstwindkraftanlage zur Verfügung. Um für ihre Forschung gute Windverhältnisse zu gewährleisten, werden die Ingenieure die Anlage auf dem Dach des 13 Stockwerke hohen Physikturms auf dem Saarbrücker Campus installieren. »Mit dem Windrad werden wir unter anderem Daten sammeln, die Aufschluss darüber geben, wie der Ertrag einer solchen Anlage zuverlässig prognostiziert und in ein Smart Micro Grid eingespeist werden kann,« sagt Professor Georg Frey. Darüber hinaus planen die Saarbrücker Ingenieure weitere gemeinsame Projekte mit der Bundeswehr. Zum Beispiel wollen sie untersuchen, wie Feldlager die Abwärme von Dieselgeneratoren zum Heizen und Kühlen sinnvoll nutzen können. Die Forscher werden sich zudem mit neuen Technologien beschäftigen, die Wärmeenergie besser umwandeln und speichern. Die Wehrtechnische Dienststelle 41 in Trier ist die Leitdienststelle für Elektromobilität und regenerative Energien der Bundeswehr. »Durch die Kooperation bietet sich die Möglichkeit, die Nutzung regenerativer Energiequellen in Feldla- 7 26 3 27 WuT