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forschung magazin 2014

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forschung magazin 2014
magazin
forschung
November 2014
Impressum /// Herausgeber: Vizepräsident für Forschung und Technologietransfer, Prof. Dr. Thorsten Herfet, Universität des Saarlandes. Redaktion: Beate Wehrle,
www.vmk-verlag.de ISSN: 0937-7301 Preis: EURO 2,50 Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.
Fotos: wenn nicht anders gekennzeichnet, eigenes Archiv der Autoren. Titelbild: Fotolia©Martin_P. Anzeigenverwaltung und Druck: VMK – Verlag für Marketing und Kommunikation GmbH, Tel.: 06243/909-0, Fax: 06243/909-400,
Vertrieb: KWT, Postfach 15 11 50, 66041 Saarbrücken, Tel.: 0681/302-2656, Fax:0681/302-4270, E-Mail: [email protected]. Erscheinungsdatum: November 2014
Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer (KWT), Tel.: 0681/302-3886 Satz und Gestaltung: Maksimovic & Partners, Agentur für Werbung und Design GmbH
Prof. Dr. Dr. Mohammed Eid Hammadeh,
Nyaz Shelko,
Prof. Dr. Christian Motz
Dr. Andrea Bachmaier
Darlene Whitaker
Victoria Lonnes
Betriebswirtschaftslehre
Prof. Dr. Claus Jacob, Lisa Faulstich,
Muhammad Jawad Nasim und
Dr. Torsten Buchholz
Kurznachrichten
magazin forschung
2/14
4 Rauchen schädigt Erbgut in Spermien und vermindert
die Fruchtbarkeit von Männern
Prof. Dr. Mathias Montenarh
Medizin
8 Hochfeste nanokristalline Metallverbunde – ein Werkstoff
mit Zukunft
Werkstoffwissenschaften
12 Nachhaltige Markenführung:
Eine empirische Analyse der Markensubstanz
als Teil der Wertschöpfungskette
18 Von der Natur inspiriert: Redox-aktive Metabolite
aus essbaren Pflanzen mit vielseitigen
Anwendungen in der Medizin und Landwirtschaft
Bioorganische Chemie
25 Aus der Forschung
Rauchen schädigt Erbgut in Spermien
und vermindert die Fruchtbarkeit von
Männern
Prof. Dr. Dr. Mohammed Eid Hammadeh , Nyaz Shelko*, Prof. Dr. Mathias Montenarh**
*Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin
**Medizinische Biochemie und Molekularbiologie
Unfruchtbarkeit ist ein bekanntes Problem, das etwa jedes sechste Paar in Deutschland betrifft, wobei in 40–50% aller Fälle männliche Einflussfaktoren dafür verantwortlich sind [5]. Dabei spielen sowohl genetische als auch Umweltfaktoren oder eine Kombinationen aus beiden eine entscheidende Rolle. Exzessives Rauchen oder Alkoholgenuss,
aber auch Umweltgifte und Strahlenbelastungen sind bekannte Risikofaktoren [8,11]. Soares und Melo [26] haben
nachgewiesen, dass Rauchen die Reproduktion auf vielfältige Weise beeinflusst. Etwa 46 % der Männer in ihrer reproduktionsaktiven Lebenszeit im Alter zwischen 20 und 39 Jahren sind Raucher. Im Zigarettenrauch sind über 4000
gesundheitsschädigende Substanzen enthalten, darunter werden 400 Substanzen als toxisch und mehr als 50 Substanzen als Krebsauslösend beschrieben [4,14,16].
Aufbau von Spermien und ihre Reifung
In den allermeisten Zellen unseres Körpers ist unsere
Erbsubstanz, die DNA, mit kleinen hochgeladenen Eiweißmolekülen, den Histonen, in sogenannten Nukleosomen
verpackt. Diese Art der Verpackung ermöglicht es der riesengroßen DNA, auf kleinstem Raum in der Zelle untergebracht zu werden. Zudem schützt diese Verpackung die
DNA vor Schäden von außen. Im Gegensatz zu den allermeisten Körperzellen kommt es bei der Reifung der Spermien zu großen morphologischen und biochemischen Veränderungen. Diese Veränderungen schließen den teilweisen
Verlust der Histone und eine weitere Verdichtung des Genoms mit ein, wobei kleine hochgeladene Eiweißmoleküle,
Abb. 1: Aufbau eines reifen Spermiums (Spermatozoon)
die Protamine, die Rolle der etwas größeren Histone als
Verpackungsmoleküle übernehmen. Demzufolge liegt das
menschliche Genom in einer hoch-organisierten, sehr kompakten Struktur vor, die fast sechsmal kondensierter ist als
das in anderen Körperzellen der Fall ist [20,22]. Es gibt zwei
Protamine (Protamin 1 und Protamin 2), die normalerweise
im Verhältnis 1:1 im menschlichen Spermium vorkommen.
Veränderungen im Verhältnis der Protamine zueinander
werden mit männlicher Unfruchtbarkeit assoziiert. Ein unnormal hohes oder niedriges Protamin 1-zu Protamin 2-Verhältnis ist bewiesenermaßen mit einer Zerstörung der DNA,
niedriger Fruchtbarkeit, embryonaler Fehlbildungen und
einer niedrigen Schwangerschaftsrate assoziiert [10,25].
Sobald die Spermatozoe mit der Oozyte fusioniert, werden die Protamine wieder durch Histone ersetzt, wodurch
die DNA wieder leichter zugänglich wird [3,18].
Fehlerhafte Spermienreifung
Fehler an der Erbsubstanz (DNA-Schäden) bei der Spermienreifung können in Form von DNA-Strangbrüchen, Veränderungen der Grundbausteine der DNA (Nukleotiden) und
Veränderungen der Basen in den Nukleotiden auftreten. Solche DNA-Strangbrüche treten stadienspezifisch während der
Reifung der Spermien auf. Sie sind notwendig zur Entlastung
von Dreh- und Scherkräften, die während des Histon-Protamin-Ersatzes auftreten [6,23]. Diese Strangbrüche werden
normalerweise bei gesunden Männern repariert. Wenn diese
physiologisch und temporär auftretenden DNA-Strangbrüche
beispielsweise wegen einer zu großen Anzahl nicht repariert
werden, können die Zellen in den programmierten Zelltod
(Apoptose) getrieben werden, um so die Akkumulation von
geschädigter DNA zu verhindern [7,29]. Zahlreiche Studien
haben gezeigt, dass DNA-Strangbrüche auch durch einen
fehlerhaften Histon-/Protamin-Austausch hervorgehoben
werden können [12,30,32]. Die vermehrt auftretenden DNAStrangbrüche sind mit einer fehlerhaften Embryogenese in
frühen Zellteilungsstadien vergesellschaftet [28].
Protamine enthalten einen hohen Anteil an der Aminosäure Cystein. Zwischen zwei Cysteinen können intramolekulare und intermolekulare, sogenannte Disulfidbrücken
entstehen, die für eine weitere Stabilisierung des Chromatins
in den Spermien sorgen. Durch reaktive Sauerstoffspezies, die
beispielsweise durch Zigarettenkonsum entstehen, kann die
Disulfidbrückenbildung beeinflusst werden, was wiederum
Konsequenzen für die Stabilität des Chromatins und damit
für die Stabilität der DNA hat.
Es ist seit einiger Zeit bekannt, dass während der Spermienreifung ständig programmierter Zelltod (Apoptose) abläuft, um physiologischerweise auftretende schadhafte Zellen
zu beseitigen. Wenn die Apoptose unvollständig abläuft, können geschädigte Zellen im Ejakulat vermehrt auftreten [9].
Fehlerhafte Apoptose kann durch reaktive Sauerstoffspezies
(ROS) hervorgerufen werden, die wiederum durch Zigarettenkonsum entstehen.
Reaktive Sauerstoffspezies (ROS) und oxidativer Stress
Unter reaktiven Sauerstoffspezies versteht man eine breite
Palette von Radikalen wie Hydroxidionen, Superoxidionen,
Peroxiden und Nichtradikalen wie Hydrogenperoxid und
Ozon.
Formelzeichen
O2
. _
Andere schädliche Substanzen im Zigarettenrauch sind
Alkaloide und Nitrosamine, die vor allem für die Produktion
von freien Radikalen, von ROS und von Peroxiden verantwortlich sind. Diese greifen die DNA in den Spermien an und
führen dort zu DNA-Veränderungen, DNA-Strangbrüchen und
Chromatinveränderungen.
Bezeichnung
Hyperoxid-Anion
HO.
Hydroxyl-Radikal
HOO.
Hydroperoxyl-Radikal
ROO.
Peroxylradikal
RO.
Alkoxylradikal
H 2O 2
Wasserstoffperoxid
ROOH
Hydroperoxid
O3
Ozon
OCl-
Hypochlorit-Anion
1
Singulett-Sauerstoff
O2
Rauchen und Spermienqualität
Wie eingangs bereits erwähnt, enthält Zigarettenrauch
mehr als 4000 gesundheitsschädigende Substanzen. Zu diesen
Substanzen gehört auch Cadmium. Es wurde nachgewiesen,
dass Cadmium die Reifung der Spermien stört und dass es zu
einer Verringerung der Spermienkonzentration bei Rauchern
beiträgt [17]. Nikotin im Zigarettenrauch ist ein starkes Oxidationsmittel, das die Membranen der Spermien und die DNA
schädigt. Das Cotinin als ein wesentliches Abbauprodukt des
Nikotins in der Spermienflüssigkeit wird als Biomarker für
das Rauchen verwendet [13].
Alles außer gewöhnlich.
Medizin
Tab. 1: Reaktive Sauerstoffspezies
7 4
3 5
Die Radikale sind aufgrund des ungepaarten Elektrons in
der äußeren Schale des Sauerstoffs hochreaktiv. ROS entstehen im »Kraftwerk der Zelle« - den Mitochondrien -, wenn
Elektronen in der Elektronentransportkette (Atmungskette)
verloren gehen und auf Sauerstoff übertragen werden, d. h.
ROS entstehen unter normalen physiologischen Bedingungen. Normalerweise werden diese ROS durch Antioxidantien
sehr schnell abgefangen und unschädlich gemacht. Unter dem
Einfluss von Substanzen im Zigarettenrauch kommt es zur
unkontrollierten und vermehrten Produktion von ROS. Der
dann erhöhte Gehalt an ROS übersteigt die Antioxidantienkapazität in den Spermien und endet im oxidativen Stress. Viele
Studien berichten, dass die Samenflüssigkeit von Rauchern
hohe Konzentrationen von ROS enthalten. ROS attackiert in
der Doppelmembran der Spermien die ungesättigten Fettsäuren und induziert damit Lipidperoxidationen, was zur
Zerstörung von Spermien führt [1,7]. Ein weiterer Effekt
von oxidativem Stress auf herkömmliche Samenparameter
ist eine Verringerung der Beweglichkeit der Spermien [2,15].
Darüber hinaus wurde oxidativer Stress als Hauptursache
von DNA-Strangbrüchen und DNA-Schäden identifiziert. Dabei werden die Basen der DNA z.B. durch Hydroxylradikale
oxidiert. Hohe Konzentrationen an ROS wurden bei ungefähr
der Hälfte der unfruchtbaren Männer entdeckt [27].
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Rauchen ist zudem mit einer Erhöhung der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) im Ejakulat vergesellschaftet. Zudem kommt es zu einer Verringerung des Ejakulatvolumens,
der Spermienkonzentration, der Beweglichkeit der Spermien
und einer Veränderung der Form der Spermien [13,19,21].
Bereits 2007 hat Ramlau-Hansen [21] gezeigt, dass die Spermienkonzentration, das Ejakulatvolumen, die Spermienkonzentration und der Anteil beweglicher Spermien mit zunehmendem Zigarettenkonsum abnehmen. Starke Raucher mit
über 20 Zigaretten pro Tag haben eine um 19% geringere
Spermienkonzentration und eine um 29% verminderte Gesamtspermienzahl im Vergleich zu Nicht-Rauchern.
[12] Hammadeh ME, Radwan M, Al-Hasani S, Micu R, Rosenbaum P, Lorenz M, Schmidt W.
(2006). Comparison of reactive oxygen species concentration in seminal plasma and semen
parameters of pregnant and non-pregnant after IVF/ICSI. Reprod Biomed Online 13: 696 – 706
[13] Hammadeh ME, Hamad MF, Montenarh M, Fischer-Hammadeh C. (2010).
Protamine contents and P1/P2 ratio in human spermatozoa from smokers and non-smokers.
Human Reprod 25: 2708 – 2720.
[14] Järup L, Hellstrom L, Alfven T, Carlsson MD, Grubb A, Persson B, et al.(2000).Low level exposure
to cadmium and early kidney damage. The OSCAR study. Occup Environ Med 57: 668 – 672.
[15] Kao SH, Chao HT, Chen HW, Hwang TI, Liao TL, Wei YH. (2008). Increase of oxidative stress in
human sperm with lower motility. Fertile Steril 89(5):1183 – 1190.
[16] Kumar PS, Matthews CH R, Joshi V, de Jager M, Aspiras M. (2011).Tobacco Smoking Affects
Bacterial Acquisition and Colonization in Oral Biofilms. Infect Immun. 79(11): 4730 – 4738
[17] Martelli A, Rousselet E, Dycke C, Bouron A, Moulis JM. (2006).Cadmium toxicity in animal cells
Zwei weitere Inhaltsstoffe des Zigarettenrauchs – das Vinylchlorid und Benzopurin – können sich an die SpermienDNA anlagern und damit zu DNA-Schäden führen. Zudem
haben die Anlagerungsprodukte nachteilige Wirkungen auf
die Chromatin-Stabilität [24].
by interference with essential metals. Biochimie. 88:1807 – 1814.
[18] McLay DW, Clarke HJ. (2003). Remodelling the paternal chromatin at fertilization in mammals.
Reproduction 125:625 – 633.
[19] Pasqualotto FF, Sobreiro BP, Hallak J, Pasqualotto EB, Lucon AM (2006). Cigarette smoking
is related to a decrease in semen volume in a population of fertile men. BJU Int 97: 324 – 326.
[20] Pogany GC, Corzett M, Weston S, Balhorn R. (1981). DNA and protein content of mouse sperm.
Es ist schon lange und durch zahlreiche Arbeiten bekannt,
dass sich Spermien mit DNA-Strangbrüchen negativ auf die
Entwicklung des Embryos, auf eine verminderte Schwangerschaftsrate und vermehrte Schwangerschaftsabbrüche
auswirken. Eine Vielzahl von Studien zeigt auch, dass sich
DNA-Schäden im Sperma von Rauchern auf die Nachkommen
beispielsweise durch ein erhöhtes Krebsrisiko in der Kindheit
auswirken können.
Implications regarding sperm chromatin structure. Exp Cell Res 136 (1):127 – 136.
[21] Ramlau-Hansen CH, Thulstrup AM, Aggerholm AS, Jensen MS, Toft G, Bonde JP. (2007).
Is smoking a risk factor for decreased semen quality? A cross-sectional analysis.
Hum Reprod 22: 188 – 196.
[22] Sakkas D, Marieethoz E, Manicardi G, Bizzaro D, Bianchi PG, Bianchi U. (1999).
Origin of DNA damage in ejaculated human sperm. Rev. Reprod 4 (1): 31 – 37.
[23] Saleh RA, Agarwal A, Sharma RK, Nelson DR, Thomas AJ. (2002). Effect of cigarette smoking
on levels of seminal oxidative stress in infertile men: a prospective study. Fertil Steril 2002; 78: 491-9.
[24] Selevan SG, Borkovec L, Slott VL, Zudova Z, Rubes J, Evenson DP, Perreault SD. (2000).
Empfehlungen
Paaren mit Kinderwunsch wird deshalb empfohlen, frühzeitig mit dem Rauchen aufzuhören. Eine durch Rauchen
bedingte eingeschränkte Spermienqualität kann bereits nach
einem Jahr durch Zigarettenabstinenz deutlich verbessert
werden. Darüber hinaus führt eine Behandlung mit Vitaminen und Spurenelementen wie Zink, Selen u.a. zu einer weiteren Verbesserung der Spermienqualität.
Semen quality and reproductive health of young Czech men exposed to seasonal air pollution.
Environ Health Perspect 108(9): 887 – 894.
[25] Simon L, Castillo J Oliver R, Lewis. (2011). Relationship between human sperm protamines,
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[27] Tremellen K. (2008). Oxidative stress and male infertility. A clinical perspective.
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[32] Zini A, Zhang X, Gabriel MS. Sperm nuclear histone H2B. (2008). Correlation with sperm DNA
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H
Prof. Dr. Dr. Mohammed Eid
ammadeh,
geboren 1954 in Syrien, studierte von 1972 –1977 Veterinärmedizin an der Universität Aleppo, Syrien. 1988 promovierte er an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Nach einer
Forschungstätigkeit an der Universität Liverpool arbeitete er
von1991– 1995 in einer Privatpraxis für Frauenheilkunde und
Reproduktionsmedizin (IVF/ET) in Saarbrücken. Zeitgleich
studierte er Biologie an der Universität des Saarlandes und
promovierte 2000 in der Fachrichtung Biochemie.
Professor Hammadeh war lange Jahre Laborleiter an der
Frauenklinik und Poliklinik, Bereich Reproduktionsmedizin
der Universität des Saarlandes in Homburg.
2002 habilitierte er sich und wurde 2009 zum Professor für
experimentelle Endokrinologie in der Frauenheilkunde und
Reproduktionsmedizin berufen. Seine Forschungsschwerpunkte und Publikationen liegen im Bereich IVF, ICSI, ET mit
mit dem Fokus auf Chromatinkondensation, Einflussfaktoren
auf die Chromatinkondensation, Eizellbefruchtung und IVF/
ICSI-Ergebnisse.
S
Medizin
Nyaz
helko,
geboren 1980 in Diyala, hat im Irak Mikrobiologie, Laboratoriumsmedizin und Ernährungswissenschaften studiert.
Seit Oktober 2011 ist er Doktorand an der Klinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin des
Universitätsklinikum in Homburg.
Nyaz Shelko ist Mitglied des Wissenschaftlichen Ausschusses im Community Health Department sowie des
»Kurdistan Biologisches Syndicate«.
7 6
3 7
M
ontenarh
Prof. Dr. Mathias
studierte Chemie an der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms
Universität Bonn. Er promovierte in anorganischer Chemie
über die Synthese von neuartigen Schwefel-Stickstoffverbindungen. Nach einer kurzen Post-Doc-Zeit am AnorganischChemischen Institut der Universität Bonn wechselte er als
wissenschaftlicher Assistent und später als Hochschulassistent an die neu gegründete Abteilung Biochemie der Universität Ulm. Hier beschäftigte er sich zunächst mit der biochemischen Charakterisierung eines viralen Tumorantigens zur Untersuchung molekularer Mechanismen der Krebsentstehung.
Diese Arbeiten wurden erweitert durch die Analyse der Rolle
des Wachstumssuppressors p53. Mit diesen Arbeiten habilitierte er sich 1985 an der Universität Ulm. Von 1987 bis 1990
war er Lehrstuhlvertreter für Biochemie an der Universität
Ulm. 1992 hat er einen Ruf an die Fachrichtung Medizinische
Biochemie und Molekularbiologie an der Universität angenommen. Sein Arbeitsschwerpunkt ist die Erforschung der
Regulation zellulärer Signalwege in normalen und in Krebszellen. Von 1998 bis 2007 war Prof. Montenarh Sprecher des
Graduiertenkollegs »Zelluläre Regulation und Wachstum«.
Von 2000 bis 2002 war er Forschungsdekan der Medizinischen
Fakultät, von 2004 bis 2006 Dekan.
Hochfeste nanokristalline
Metallverbunde – ein Werkstoff
mit Zukunft
Dr. mont. Andrea Bachmaier
Prof. Dr. mont. Christian Motz
Experimentelle Methodik der Werkstoffwissenschaften
Die fortschreitende technologische Entwicklung sowie
Umweltaspekte wie beispielsweise die Reduktion des
CO2-Ausstoßes stellen immer höhere Anforderungen an
die verwendeten Werkstoffe. So sollen neue Werkstoffe
leicht, aber zugleich hochfest sein, um in der mobilen Welt
die zur Einsparung fossiler Brennstoffe notwendige Gewichtsreduktion zu erreichen. Die Werkstoffentwicklung
muss aber unter ökonomischen, ökologischen und auch
geopolitischen Gesichtspunkten erfolgen, d.h. teure oder
in der Herstellung energieintensive Materialsysteme
sowie die Verwendung schwer verfügbarer Bestandteile
müssen vermieden werden. Dies schränkt die Möglichkeiten in der Entwicklung neuer Werkstoffe erheblich ein.
Viele Werkstoffe in technischer Verwendung besitzen eine
kristalline Struktur, wie man sie z. B. von Bergkristallen kennt.
Allerdings bestehen die meisten Bauteile im Gegensatz zu einem Bergkristall nicht aus einem einzigen Kristallit, sondern
aus sehr vielen kleinen miteinander verbundenen Kristallen
– der Materialwissenschaftler spricht hier von Körnern. Diese Körner sind typischerweise in der Größenordnung von
einigen tausendstel Millimetern bis einigen Millimetern und
in manchen Fällen kann man sie sogar mit bloßem Auge erkennen, wie dies häufig bei verzinkten Metalloberflächen der
Fall ist (vgl. Abbildung 1). Ein interessanter Aspekt dieses
mikrostrukturellen Aufbaus vieler Werkstoffe ist, dass durch
Reduktion der Korngröße eine erhebliche Verbesserung der
mechanischen Eigenschaften erzielt werden kann. Dieser
minimale Korngröße mit den üblichen technologischen Verfahren auf den Bereich von einigen Mikrometern beschränkt.
Zur Herstellung von noch kleineren Körnern und damit sogenannter nanokristalliner Materialien bedarf es neuer Syntheseverfahren. Da diese nanokristallinen Werkstoffe sehr gute
mechanische Eigenschaften – so beispielsweise hohe Festigkeiten bei guter Duktilität – und teilweise auch interessante
physikalische Eigenschaften besitzen, waren sie in den letzten
zwei Jahrzehnten Gegenstand intensiver Forschung [1]. Diese
umfasste neben der Charakterisierung der Kornstruktur sowie
den mechanischen und physikalischen Eigenschaften auch die
verschiedenen Möglichkeiten der Herstellung. Grundsätzlich
existiert bereits eine Vielzahl von Herstellungsverfahren mit
ihren spezifischen Vor- und Nachteilen, allerdings ist deren
großtechnische Umsetzung oftmals nicht möglich. In den letzten Jahren hat sich dabei die mechanische Hochverformung
als ein vielversprechendes Syntheseverfahren herausgestellt,
welches auch großtechnisch umgesetzt werden kann. Hier
werden mittels großer plastischer Verformungen, z.B. durch
spezielle Walzprozesse, vereinfacht gesagt die großen Körner
zertrümmert und es entsteht ein feinkörniges Gefüge.
Abb. 1: Lichtmikroskopische Aufnahme der Mikrostruktur
einer verzinkten Metalloberfläche.
materialphysikalische Effekt ist seit Mitte des letzten Jahrhunderts bekannt und wird bereits technologisch etwa bei
Feinkorn-Baustählen eingesetzt. Allerdings ist die erzielbare
Der wesentliche Vorteil dieser ultrafeinkörnigen bzw.
nanokristallinen Werkstoffe liegt in der Verbesserung der
mechanischen Eigenschaften sowie der Erzielung bestimmter
physikalischer Eigenschaften, ohne dabei die chemische Zusammensetzung verändern zu müssen. Dies hat nicht nur den
Nutzen des möglichen Verzichtes teurer oder eingeschränkt
verfügbarer Bestandteile, sondern ist auch für Anwendungsgebiete interessant, welche »reine« Materialien erfordern.
So müssen zum Beispiel Implantat-Werkstoffe neben ausgezeichneter mechanischer Stabilität auch Bioverträglichkeit
aufweisen, d.h. bestimmte toxische oder allergieauslösende
Bestandteile dürfen hier nicht enthalten sein. Ein Nachteil
dieser nanokristallinen Materialien ist allerdings ihre zumeist geringe thermische Stabilität. Im Allgemeinen neigen
die kleinen Körner bereits bei moderaten Temperaturen zum
Wachstum, wodurch die ausgezeichneten Eigenschaften verloren gehen. Daher sind Themen wie thermische Stabilität, die
großtechnische Umsetzung von Syntheseverfahren und das
Verständnis bzw. die Optimierung der Eigenschaften von nanokristallinen Materialien Gegenstand intensiver Forschung.
Ultrafeinkörnige und nanokristalline Metalle durch Hochverformung
Durch sehr starke plastische Verformung von grobkristallinen Metallen, die sogenannte Hochverformung, lassen
sich ultrafeinkörnige und auch nanokristalline metallische
Werkstoffe herzustellen. Dabei können die mechanischen
und physikalischen Eigenschaften von Metallen durch die
verformungsinduzierte Kornfeinung gezielt geändert und
eingestellt werden. In diesem Beitrag werden zuerst die am
häufigsten verwendeten Hochverformungsmethoden kurz
vorgestellt. Leider besitzen nanokristalline Metalle einen entscheidenden Nachteil: aufgrund ihrer großen Korngrenzendichte sind sie thermisch instabil. Bereits bei Temperaturen
nahe Raumtemperatur kann es zu einer erheblichem Vergröberung der nanokristallinen Struktur kommen. Dies führt zu
einem Verlust der herausragenden Eigenschaften, die durch
die Korngröße bestimmt werden. Um das Potential nanokristalliner Materialien nützen zu können, bedarf es vor allem
einer Erhöhung der thermischen Stabilität, die definitiv auch
eine Grundvoraussetzung für den Einsatz dieser Materialien
in naher Zukunft ist. Der zweite Teil des Beitrags zeigt daher
eine Möglichkeit, wie die thermische Stabilität von nanokristallinen Verbundwerkstoffen gegenüber herkömmlichen
nanokristallinen Metallen deutlich gesteigert werden kann.
Werkstoffwissenschaften
Herstellung nanokristalliner Verbundwerkstoffe durch
Hochverformung
Für die Herstellung nanokristalliner Metalle stehen verschiedene Herstellverfahren zur Verfügung. Eines der ersten
Verfahren war die Inertgaskondensation, in der ein Metall
in einem inerten Gas verdampft, die sich im kühlenden Gas
gebildeten Metallcluster aufgesammelt und zu einem nanokristallinen Material verpresst werden [1]. Des Weiteren ste-
Abb 2: Methoden der Hochverformung:
(a) Equal Channel Angular Pressing Verfahren (ECAP),
(b) Hochdruck-Torsionsumformung (High-Pressure Torsion, HPT) und
7 8
3 9
(c) akkumulative Walzplattieren (Accumulative Roll Bonding, ARB).
hen verschiedene chemische und elektrochemische Verfahren
wie die Elektrodeposition zur Verfügung, um nanokristalline
Metalle abzuscheiden [2]. Nachteil dieser Verfahren, abhängig
vom gewählten Syntheseverfahren, ist zumeist ein sehr geringes Herstellungsvolumen an »massivem« nanokristallinen
Material mit einer teilweise auch vorhandenen Restporosität.
Die Hochverformung (Severe plastic deformation, SPD) stellt
eine technisch sehr einfache Methode zur Herstellung von
nanokristallinen Metallen dar. Bei dieser Methode, welche
in den 1980er Jahren in Russland entwickelt wurde, werden
massive metallische Werkstoffe sehr stark plastisch verformt,
ohne dass sich deren ursprüngliche Form ändert. Die Verformungstemperatur liegt hierbei zumeist nahe bei Raumtemperatur, wobei die Verformung bei erhöhten Temperaturen
ebenfalls möglich ist [3,4]. Einphasige hochverformte Metalle
erreichen dabei Korngrößen weit unter einem Mikrometer
bis hin zum Nanometer-Bereich. Diese Korngrößen können
durch konventionelle Kornfeinung (zum Beispiel einem Walzprozess) nicht erreicht werden.
Die drei wichtigsten Methoden der Hochverformung sind
das Equal Channel Angular Pressing Verfahren (ECAP), das
akkumulative Walzplattieren (Accumulative Roll Bonding,
ARB) und die Hochdruck-Torsionsumformung (High-Pressure Torsion, HPT). Alle drei Verfahren sind in Abbildung 2
schematisch dargestellt.
Von diesen drei Verfahren ist ECAP das Verfahren, das
gegenwärtig am häufigsten eingesetzt wird (Abbildung 2a).
Das zu verformende Material wird dabei durch einen Kanal
gepresst, der durch einen Knick in einen Ein- und Auslaufbereich getrennt ist. Bei einem Knickwinkel ␣ von 90° wird
das Material durch eine reine Scherverformung verformt und
erreicht eine plastische Dehnung von etwa 100%. Der Knickwinkel kann bei dem ECAP Verfahren zwischen 90° und 120°
variiert werden. Da sich der Querschnitt des Kanals (rechtekkig oder rund) über seine gesamte Länge nicht ändert, kann
man das Material mehrmals durch den Kanal pressen und
eine sehr hohe plastische Verformung aufbringen.
Eine weitere Methode der Hochverformung ist die Hochdruck-Torsionsumformung (Abbildung 2b). Bei dieser Methode werden münzförmige Proben zwischen zwei Stempel
gepresst, welche mit einem Druck zwischen 2 und 10 GPa belastet. Die Proben werden anschließend kontinuierlich torsionsverformt. Während der Verformung bleibt ein Stempel fix,
während der andere rotiert. Sehr große Reibungskräfte zwischen Probe und Stempel verhindern ein Durchrutschen der
Probe, wobei es zu einer reinen Scherverformung in der Probe
selbst kommt. Die Hochdruck-Torsionsumformungsanlagen
am Erich Schmid Institut in Leoben, Österreich, ermöglichen
es, die weltweit größten HPT-Proben (mit einem Durchmesser
von 50 mm und einer Dicke von bis zu 10 mm) herzustellen
[5]. Zudem können Verformungsparameter wie Temperatur,
Verformungsgeschwindigkeit, Druck und Verformungsrichtung (monoton oder zyklisch) gezielt variiert werden. Durch
den sehr hohen hydrostatischen Druck können selbst spröde
Werkstoffe umgeformt werden.
Das dritte Verfahren, das vor allem durch seine Ähnlichkeit mit einem herkömmlichen Walzprozess ein sehr großes
»Upscaling«-Potential für die Industrie bietet, ist ARB (Abbildung 2c). Zwei gleich große Bleche mit konstanter Dicke
t werden, nachdem die zueinander zugewandten Seiten der
Bleche mit Drahtbürsten sorgfältig gereinigt worden sind,
übereinandergelegt und in einem Schritt wieder auf eine
Dicke t gewalzt. Auch dieser Vorgang ist beliebig oft wiederholbar. Bei Annahme einer homogenen Verformung hat das
Material des Ausgangs-Blechs nach n-maliger Wiederholung
des ARB-Prozesses eine Dicke von nur mehr (1/2)n.
50-fach reduzierten Korngröße von nur 10 nm möglich [7,8].
Die Hochverformung von Verbundwerkstoffen stellt dadurch
eine Möglichkeit dar, Metalle mit noch geringeren Korngrößen herzustellen.
Ein Beispiel eines derart synthetisierten Verbundwerkstoffes ist Kupfer-Chrom. Gemäß dem Kupfer-Chrom Phasendiagramm gibt es in diesem binären System kaum eine
Löslichkeit von Chrom in Kupfer und umgekehrt, die maximale Löslichkeit von Chrom in Kupfer beträgt bei einer
Temperatur von 1077 °C nur 0.89 at. %. Wird nun ein derartiger Verbundwerkstoff, der wie in Abbildung 3a dargestellt, im Ausgangszustand aus einer Kupfer Matrix mit 50
μm großen Chrom-Partikeln besteht, hochverformt, kommt
es zu einer deutlichen Kornfeinung in beiden Phasen des
Verbundwerkstoffes (Abbildung 3b). In der transmissionselektronenmikroskopischen Aufnahme ist eine Korngröße
von nur 20 –30 nm erkennbar. Im verformten Zustand findet
zudem die Bildung sogenannter übersättigter Mischkristalle
statt. Es liegt zwar immer noch ein zweiphasiger Werkstoff
vor, jedoch sind in der Chrom-Phase bis zu 20 at. % Kupfer
gelöst, was in Atomsondenuntersuchungen an verformtem
Material gezeigt werden konnte [9]. Die deutlich verringerte
Korngröße des Verbundwerkstoffes (20 –30 nm) im Vergleich
zu reinen hochverformten Kupfer (~ 500 nm) spiegelt sich
auch in den mechanischen Eigenschaften des Materials wieder. In Abbildung 4a ist eine typische Härtekurve als Funktion
des Probendurchmessers des Kupfer-Chrom Verbundwerk-
a)
Nanokristalline Werkstoffe mit hoher thermischer
Stabilität
Ein aktuelles Forschungsgebiet mit hohem Anwendungspotential umfasst die Hochverformung von mehrphasigen
Werkstoffen. Durch Hochverformung von massiven, grobkörnigen Kupfer mit einer hohen Reinheit von 99.9% kann
ein ultrafeinkörniger Werkstoff mit einer Korngröße um 500
nm und einer Zugfestigkeit von 630 MPa hergestellt werden
[6]. Durch die Verformung von verschiedenen metallischen
Verbundwerkstoffen mit einer Kupfer-Matrix ist jedoch die
Herstellung von Nanoverbundwerkstoffen mit einer bis zu
b)
Abb 4: a) Härtekurve als Funktion des Radius des Kupfer-Chrom Verbundwerkstoffes
im verformten Zustand und nach einer Glühbehandlung bei 200 °C, 300 °C,
400 °C, 550 °C und 650 °C. b) Transmissionselektronenmikroskopische
Aufnahme des Kupfer-Chrom Verbundwerkstoffes nach einer
Glühbehandlung bei 400 °C.
Abb 3: a) Lichtmikroskopische Aufnahme der Mikrostruktur des Kupfer-Chrom
Verbundwerkstoffes im Ausgangszustand.
b) Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme des Cu-Cr
Verbundwerkstoffes im verformten Zustand.
stoffes gezeigt, wobei eine Härte von 450 HV im verformten
Zustand erreicht wird. Durch nachfolgende Glühbehandlungen (Temperaturen von 200 °C bis 650 °C) kommt es zu
einer Entmischungsreaktion und zweiphasige, nanokristalline
Kupfer-Chrom Verbundwerkstoffe entstehen [9,10]. Obwohl
es durch die Glühbehandlung zu einer geringen Vergröberung
der Struktur kommt, ändern sich die mechanischen Eigenschaften nach den Glühbehandlungen kaum (Abbildung 4a
und b). Glühtemperaturen unter 550 °C führen stattdessen
sogar zu einer Erhöhung der Festigkeit dieses Materials
(~ 525 HV). Nur nach einer Glühbehandlung bei 650 °C kommt
es zu einem leichten Härteabfall. Eine weitere Kornvergröberung bei längeren Glühzeiten wird durch die Unmischbarkeit
beider Phasen im Verbundwerkstoff erschwert.
Zusammenfassung
Nanokristalline Metalle zeigen ausgezeichnete mechanische und einige interessante physikalische Eigenschaften und
haben daher großes Anwendungspotential. Allerdings ist zumeist die thermische Stabilität gering und die großtechnische
Herstellung schwierig. Wie hier an Kupfer und Chrom gezeigt
wurde, lassen sich durch mechanische Hochverformung von
nichtmischbaren Metallen nanokristalline Metallverbunde
herstellen, welche ausgezeichnete mechanische Eigenschaften und eine gute thermische Stabilität aufweisen. Weiterentwicklungen dieser Synthesemethode in Richtung großtechnischer Anwendung sind vielversprechend. Damit eröffnen
sich neue Perspektiven für den Einsatz und der Herstellung
von nanokristallinen Metallen.
Literatur
[1] H. Gleiter. Progress in Materials Science, 33, 1989, p.223.
[2] L.P. Bicelli, B. Bozzini, C. Mele, L. D’Urzo. International Journal of Electrochemical Science,
2008, p.356.
[3] V.M. Segal et al., Russian Metallurgy, 1, 1981, p. 115.
[4] R.Z Valiev et al., Progress in Materials Science, 45, 2000, p. 103.
[5] http://esi.oeaw.ac.at/researchtheme/nanomaterials-severe-plastic-deformation
[6] L. Krämer, S. Wurster, R. Pippan. IOP Conference Series: Materials Science and Engineering,
36, 2014, 012026.
[7] A. Bachmaier, M. Kerber, D. Setman, R. Pippan. Acta Materialia, 60(3), 2012, p. 860.
M
Prof. Dr. mont. Christian
otz
studierte Werkstoffwissenschaften an der Montanuniversität Leoben. 2002 promovierte er am Lehrstuhl für Materialphysik über das mechanische und bruchmechanische Verhalten von Schaumaluminium. Danach arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und zuletzt als Gruppenleiter am
Erich Schmid Institut der österreichischen Akademie der Wissenschaften. Als PostDoc forschte er 2006 –2008 an der Universität Karlsruhe (Marie Curie RTN und Erwin Schrödinger
Stipendium) über diskrete Versetzungsdynamik Simulationen
an Mikroproben. 2012 erhielt er einen Ruf an den Lehrstuhl
für Experimentelle Methodik der Werkstoffwissenschaften
der Universität des Saarlandes. Seine Themenschwerpunkte
an der UdS sind mechanische Eigenschaften in kleinen Dimensionen und mesoskopische Simulationsmethoden.
[8] K.S. Kormout, B. Yang, R. Pippan. IOP Conference Series: Materials Science and Engineering,
36, 2014, 012092.
[9] X. Sauvage, P. Jessner, F. Vurpillot, R. Pippan. Scripta Materialia, 58, 2008, p.1125.
[10] A. Bachmaier et al., Acta Materialia, 69, 2014, p. 301.
Sparkassen-Finanzgruppe
Werkstoffwissenschaften
B
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3 11
Dr. mont. Andrea
achmaier
beendete 2008 ihr Diplomstudium Werkstoffwissenschaften
an der österreichischen Montanuniversität in Leoben. Ihre
Promotion absolvierte sie im Forschungsgebiet Hochverformung mit dem Fokus auf die Herstellung und Charakterisierung von nanokristallinen Verbundwerkstoffen am Erich
Schmid Institut der österreichischen Akademie der Wissenschaften. Nach zweijähriger Tätigkeit im Forschungs- und
Entwicklungsbereich der Firma voestalpine Stahl GmbH
am Standort Linz über höchstfeste Stähle für die Automobilindustrie ist sie seit 2013 im Rahmen eines zweijährigen
Erwin-Schrödinger-Auslandsstipendium des österreichischen
Forschungsfonds (FWF) an der Universität des Saarlandes
tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der
Herstellung und der thermischen Stabilität von metallischen,
nanokristallinen Werkstoffen und Verbundwerkstoffen.
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Nachhaltige Markenführung:
Eine empirische Analyse der Markensubstanz
als Teil der Wertschöpfungskette
Victoria Lonnes
Darlene Whitaker
Institut für Handel & Internationales Marketing
Zunehmende Vertrauensverluste der Konsumenten auf
Grund aktueller Skandale, eine bisher nie dagewesene
Transparenz, progressive Forderungen verschiedener
Anspruchsgruppen sowie die öffentliche Debatte zum
Themenfeld unternehmerischer Verantwortung rücken
eine nachhaltige Markenführung zunehmend in den Fokus von Praxis und betriebswirtschaftlicher Forschung.
Der nachfolgende Beitrag diskutiert auf Basis einer aktuellen empirischen Untersuchung des Instituts für Handel & Internationales Marketing (H.I.MA.) der Universität
des Saarlandes, inwiefern Nachhaltigkeit in der Substanz
einer Marke verankert werden kann bzw. welche Beiträge die inhaltliche Ausgestaltung der Wertschöpfungskette zu einer nachhaltigen Markenführung leistet.
Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Markenführung
Seit geraumer Zeit stehen verstärkt Fragen der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Verschiedene Anspruchsgruppen (Stakeholder) wie Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten, der Staat oder die Öffentlichkeit fordern zunehmend
eine stärkere Berücksichtigung sozialer und ökologischer
Aspekte bei der Herstellung von Produkten und Dienstleistungen. Diese Forderung ist indes nicht neu, vielmehr steigt
die Vehemenz, mit der Stakeholder derartige Ansprüche an
Unternehmen stellen. Ein Grund dafür ist in den vermehrt Abb. 1: Dimensionen der Nachhaltigkeit
aufgedeckten sozialen und ökologischen Missständen in An- Quelle: In Anlehnung an Zentes/Bastian/Lehnert 2010, S. 34.
bau- und Produktionsländern zu sehen. Damit stellt sich für
Im Rahmen der ökologischen Dimension steht die NutUnternehmen nicht mehr die Frage nach der Notwendigkeit, sondern vielmehr nach der Art der Ausgestaltung ihrer zung von Ressourcen in der Art und Weise im Vordergrund,
Nachhaltigkeitsstrategie. Lose Versprechen von Kommuni- dass diese auch für nachfolgende Generationen gesichert
kationsabteilungen sind nicht mehr ausreichend. Stattdessen sind. Die Belastung von Ökosystemen durch wirtschaftliche
ist zu klären, wie eine Verankerung in der Unternehmens- Aktivitäten direkt oder indirekt zu reduzieren, um die Absorphilosophie sowie die konkreten Umsetzungen entlang der bationsfähigkeit, Regenerationsfähigkeit und Biodiversität
Wertschöpfungskette möglich ist.
zu erhalten, bildet eine große Herausforderung für UnterFür den zumeist kontrovers diskutierten Nachhaltig- nehmen (BMU/BDI 2002, S. 7ff.). Zugleich wird die soziale
keitsbegriff existiert bislang keine allgemeingültige Defini- Komponente für viele Unternehmen zunehmend wichtiger,
tion. Ausgehend von der in den 1980er Jahren festgelegten was sich auch durch die steigende Ausrichtung hin zu einer
Brundtland-Definition steht die Bedürfnisbefriedigung zu- umfassenden Stakeholder-Orientierung zeigt. Gerade die
künftiger Generationen unter Berücksichtigung der Bedürf- Kooperation mit und die Ausrichtung auf Anspruchsgrupnisse heutiger Generationen mehr und mehr als nachhaltige pen können das Unternehmen ungemein stärken und eine
Handlungsmaxime. Dabei sollten Unternehmen dem »Trip- nachhaltige Implementierung unterstützen. Die ökonomische
le-Bottom-Line«-Konzept folgend sowohl die ökologische, Perspektive berücksichtigt langfristige Strategien des Wachssoziale als auch ökonomische Dimension bei strategischen tums und der wirtschaftlichen Performance. Sie ist damit als
Entscheidungen gleichwertig berücksichtigen (siehe Abbil- Prämisse des langfristigen Handelns zu sehen. Gleichzeitig
kann sie von den beiden anderen Dimensionen profitieren.
dung 1) (Zentes/Bastian/Lehnert 2010, S. 35).
So stellt beispielsweise die Kooperation des Unternehmens
Rittersport mit verschiedenen Kleinbauern aus Nicaragua
ein erfolgreiches Konzept dar. Als Profiteure gehen nicht
nur die Kleinbauern hervor, auch Rittersport erzielt zahlreiche Vorteile. So werden zuverlässige Lieferanten an das
Unternehmen gebunden, Konkurrenten durch den hohen
Preis ferngehalten, Preisschwankungen auf Rohstoffmärkten
umgangen und die Versorgungssicherheit durch Investitionen
in Pflanzen gewährleistet (Rekittke 2013, S. 61f.).
Im Zusammenhang mit dem Thema Nachhaltigkeit dient
das Konzept der Unternehmensmarke als wesentlicher Kernaspekt des Untersuchungsmodells. Generell werden Marken als »ein in der Psyche des Konsumenten verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Produkt oder
einer Dienstleistung« definiert und Markenführung als das
Management zum Aufbau, zur Stärkung und Pflege dieses
Vorstellungsbildes (Meffert/Burmann/Koers 2005, S. 6). Dabei ist die Grundlage jeder Entscheidung oder Handlung im
Rahmen der Markenführung die Markenidentität (Esch/
Langner/Rempel 2005, S. 106). Diese bringt zum Ausdruck,
wofür eine Marke stehen soll und umfasst die wesensprägenden Eigenschaften einer Marke (Aaker/Joachimsthaler
2000, S. 40). Auf Unternehmensebene ist sie das einheitliche,
konsistente Selbstbild eines Unternehmens, das sämtliche
strategischen Entscheidungen zur inhaltlichen Ausrichtung
einer Marke reflektiert. Die Herausforderung liegt insbesondere darin, diese Positionierungseigenschaften so zu wählen,
dass eine möglichst hohe Übereinstimmung zwischen dem
Selbstbild und dem Fremdbild einer Marke besteht. Dieses
Fremdbild äußert sich im Markenimage, das bei den relevanten Anspruchsgruppen entsteht (Esch/Langner/Rempel 2005,
S. 106). Damit ist die zentrale Aufgabe der Markenführung,
eine Wechselseitigkeit zwischen der unternehmensinternen
Markenidentität und dem unternehmensexternen Markenimage herzustellen (Rauch 2012, S. 13ff.) (siehe Abbildung 2).
Abb. 2: Konzept der nachhaltigen Markenführung
Quelle: Zentes/Lonnes/Whitaker 2014, S. 8.
Werden das Konzept unternehmerischer Nachhaltigkeit
und Markenführung zusammengeführt, so ist diesbezüglich
in der Wissenschaft und Praxis ein zunehmender Trend zur
Verankerung nachhaltiger Werte in der Markenführung – im
Besonderen von Unternehmen – zu beobachten (Rauch 2012,
S. 7). Dazu wird propagiert, dass nachhaltige Markenführung
stets »Bezug zu den Interessen und Forderungen der relevanten Anspruchsgruppen aufweisen sollte, da die in der Unternehmensmarke verankerten Werte zu einem wesentlichen
Teil die Beziehungen eines Unternehmens zu den Anspruchsgruppen konstatieren« (Rauch 2012, S. 8). Die besondere Stellung von Anspruchsgruppen zwingt Unternehmen mehr als
bei anderen Markenstrategien zur konsistenten Übereinstimmung zwischen Markenkommunikation und Markensubstanz.
Letztere umfasst sämtliche Aktivitäten des Unternehmens
und mit Blick auf die hier diskutierte Thematik Nachhaltigkeit in den Zielen, der Strategie und der Wertschöpfungskette.
Bevor nachhaltige Mehrwerte kommuniziert werden sollten,
sind diese erst in der Substanz der Marke zu entwickeln (siehe
Abbildung 2). Widersprüche in der Kommunikation und im
tatsächlichen Handeln können den Markenwert eines Unternehmens negativ beeinflussen. Grundlage einer nachhaltigen
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3 13
Ausrichtung ist damit der Wertschöpfungsprozess. Denn nur
Unternehmen, die in ihrer Wertschöpfungskette konsistent
nachhaltig agieren und ihre nachhaltigen Werte authentisch
leben, können Vertrauen und Glaubwürdigkeit aufbauen.
Entwicklungstreiber der nachhaltigen Markenführung
Eine Vielzahl der als nachhaltig geltenden Unternehmen
hat im Laufe der vergangenen Jahre einen Transformationsprozess hin zu einer nachhaltigen Ausrichtung durchlaufen.
Angetrieben durch verschiedene Rahmenbedingungen sehen
sich Unternehmen gezwungen, absatzseitige Anforderungen
und Risiken der Beschaffungsmärkte frühzeitig zu antizipieren, um keinen Wettbewerbsnachteil in Form eines Legitimitätsverlustes zu erfahren.
Eine dominante Entwicklung, die Unternehmen und
deren nachhaltige Markenführung beeinflusst, ist der verstärkte Wertewandel der Konsumenten. Dieser ist durch ein
erhöhtes Umwelt- und Sozialbewusstsein geprägt. Themen
wie die Verwendung natürlicher Rohstoffe, faire Rohstoffpreise, gerechte Entlohnung, Bekämpfung von Kinderarbeit
und Umweltschutz rücken immer stärker in das Bewusstsein
der Konsumenten. Obgleich verschiedene Studien die Bedeutung derartiger Themen hervorheben, bleibt dennoch zu
berücksichtigen, dass es sich oftmals um sozial erwünschte
Antworten handelt und der Preis immer noch ein starkes
Entscheidungskriterium beim Kauf darstellt. So kämpfte
z.B. das Unternehmen FRoSTA vor zehn Jahren mit einem
drastischen Marktanteilsrückgang ausgelöst durch die zunehmende Zahl an Konkurrenten, Handelsmarken und steigende
Preissensibilität der Konsumenten (Dornberg 2013, S. 43).
Lediglich eine Neupositionierung ermöglichte das Überleben
der Marke. Die Umstellung von der konventionellen hin zu
einer nachhaltigeren Produktion führte anfangs zu weiteren
Absatzschwierigkeiten, langfristig konnte diese Maßnahme
das Unternehmen jedoch zurück an seine alte Marktposition
führen. Damit ist einer der wichtigsten Anspruchsgruppen
bzgl. ihres Einflusses auf die nachhaltige Ausrichtung der Unternehmensmarke in den Konsumenten zu sehen. Die steigende Forderung nach nachhaltig hergestellten Produkten und
das Abstrafen von unternehmerischem Fehlverhalten tragen
wesentlich zu Anpassungen der Unternehmen bei.
Neben den Einflussfaktoren des direkten Unternehmensumfeldes wie z.B. Konsumenten spielen Zulieferer und Wettbewerber eine wesentliche Rolle. Die zunehmende Zahl an
Nachhaltigkeitsberichten diverser Unternehmen stärkt diese
Beobachtung. Zeitgleich spielen Aspekte wie die Globalisierung, politisch-rechtliche sowie ökologische Entwicklungen,
eine bedeutende Rolle. Als Folge internationaler Verflechtungen steigt die Komplexität interner Unternehmensabläufe
dramatisch an. Gleichzeitig werden Unternehmen vermehrt
in der Pflicht gesehen, Verantwortung für ihr Handeln zu
übernehmen. Hierfür bedarf es der Berücksichtigung sozialer
und ökologischer Aspekte bei der Beschaffung. Nicht zuletzt
steigt der Druck gegenüber Unternehmen auf Grund einer
wachsenden Transparenz ausgelöst durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien. Ein Höchstmaß an
Transparenz führt dazu, dass Missstände, unternehmerisches
Fehlverhalten und Greenwashing direkt aufgedeckt werden
können. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass sowohl die
interne als auch externe Transparenz bedeutende Themen der
Zukunft im Hinblick auf Nachhaltigkeit darstellen.
Studiendesign
Zur Gewinnung der Datenbasis wurden von Mai bis Juli
2013 acht Expertengespräche geführt. Mithilfe eines semistrukturierten Fragebogens konnten verschiedene Ergebnisse
vergleich- und darstellbar gemacht und als Grundlage für
die tiefergehende großzahlige Befragung genutzt werden.
Die im September folgende schriftliche Unternehmensbefragung umfasste insgesamt 54 Unternehmen. Eine Vielzahl
der Unternehmen stammte aus dem Konsumgüterbereich
und Handel, wobei insgesamt ein ausgewogenes Verhältnis
zwischen Food und Non-Food herrschte. Für eine externe
Evaluation wurden gezielt solche Unternehmen befragt, die
im Rahmen von speziellen Auszeichnungen oder externer
Ratings als besonders nachhaltig hervortraten. Zusätzlich zu
der deskriptiven Auswertung umfasste das Forschungsprojekt
eine empirische Untersuchung. Hier wurde der Wirkungszusammenhang zwischen Kooperation und Transparenz, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit sowie deren Auswirkung
auf den Markenwert analysiert.
Upstream-Markenführung zur Schaffung einer nachhaltigen Markensubstanz
Zu Beginn der deskriptiven Untersuchung fand eine
Einschätzung der Befragten hinsichtlich der aktuellen und
zukünftigen Bedeutung von Nachhaltigkeit für das eigene
Unternehmen statt. Dabei zeigte sich, dass knapp über die
Hälfte der Befragten (51,9 %) der Nachhaltigkeit im eigenen
Unternehmen eine hohe bis sehr hohe Bedeutung beimisst.
Zukünftig wird dieser Aspekt sogar noch zunehmen. So gehen für das Jahr 2020 81,5 % der Unternehmen von einer
hohen bis sehr hohen Relevanz aus.
Für eine authentische Verankerung von Nachhaltigkeit im Kern des Unternehmens ist es wichtig, zunächst die
»Upstream-Strategien« zu beleuchten. Diese beziehen sich
auf Maßnahmen zur inhaltlichen Ausgestaltung der Wertschöpfungskette, die der Kommunikation nachhaltiger Mehrwerte vorgelagert, also »upstream« sind. Dabei dienen die
Strategien vor allem dem Aufbau und der Stärkung einer
sozialen, ökologischen und ökonomischen Unternehmensperformance und damit der Schaffung einer nachhaltigen
Markensubstanz. Die befragten Unternehmen sollten hierfür angeben, ob und in welchem Ausmaß die in Abbildung
3 aufgezeigten Strategien zur Steigerung der Nachhaltigkeit
aktuell und zukünftig genutzt werden.
Abb. 3: Upstream-Strategien einer nachhaltigen Markenführung
Betriebswirtschaftslehre
Quelle: Zentes/Lonnes/Whitaker 2014, S. 22ff.
7 14
3 15
Die Komplexität heutiger Wertschöpfungsstrukturen
fordert immer öfter stärkere Kontrollen und Vorgaben, um
Nachhaltigkeitsziele und -standards sicherzustellen. Aktuell
setzt knapp ein Viertel der Unternehmen auf starke bis sehr
starke Kontrollen und formale Vorgaben, wobei künftig fast
60 % der Unternehmen davon ausgehen, derartige Maßnahmen zu verfolgen.
Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung und der
damit verbundenen Komplexitätszunahme ist es für Unternehmen immer schwieriger, ihre Wertschöpfungsketten zu
überblicken. So eliminieren rund 23 % der Respondenten
gegenwärtig Zwischenstufen wie Importeure oder Großhändler in einem hohen bis sehr hohen Ausmaß. Zukünftig ziehen
hingegen rund 45 % die Ausschaltung und Integration als
Option zum Managen komplexer Lieferstrukturen in hohem
bzw. sehr hohem Maße in Betracht.
Befragt nach der Integration von Drittparteien, mit deren Hilfe soziale und ökologische Standards im Rahmen der
Wertschöpfung durchgesetzt werden können, zeigt sich, dass
rund 23 % eine hohe bis sehr hohe Nutzung verfolgen. Für
die Zukunft wird eine Steigerung von 10 Prozentpunkten
erwartet.
Für eine nachhaltige Performance ebenfalls von Bedeutung ist die Kooperation mit Wertschöpfungspartnern. Heute
werden Kooperationen mit Wertschöpfungspartnern von ca.
einem Drittel der Respondenten in hohem bzw. sehr hohem
Maße genutzt. Bis zum Jahre 2020 wird eine Verdopplung der
Kooperationen erwartet.
Transparenz ist eine Forderung, die aus kaum einer Nachhaltigkeitsdebatte wegzudenken ist. Auf Grund der o.g. Einflussfaktoren steigt die Komplexität und Undurchsichtigkeit
der Wertschöpfungsketten an. Im Rahmen der Untersuchung
schätzen 26% die Transparenz ihrer Wertschöpfungskette als
hoch bzw. sehr hoch ein. Zukünftig ist von einem enormen
Bedeutungszuwachs auszugehen. Rd. 63 % der befragten
Unternehmen wollen ihre Transparenz bis zum Jahre 2020
in einem hohen bis sehr hohen Maße ausbauen.
Basierend auf diesen deskriptiven Ergebnissen erfolgte
in einem zweiten Schritt die Herausarbeitung eines Modells
und der Wirkungszusammenhänge ausgewählter Aspekte.
Im Rahmen der Markensubstanz zeigten Polonsky/Jevons
(2009), dass die Supply Chain die kritischste Herausforderung
darstellt, um ein nachhaltiges Verhalten
zu unterstreichen. Um sozial und ökologisch zu handeln, bedarf es der Integration derartiger Werte in die Wertschöpfungskette. Sowohl Kooperationen als
auch Transparenz innerhalb der Wertschöpfungskette wurden im Rahmen
der deskriptiven Auswertung als zentrale Aspekte beurteilt, die einen hohen
Einfluss auf die soziale und ökologische
Nachhaltigkeit ausüben, die wiederum
die nachhaltige Markenstärke positiv beeinflussen. Dabei spielen vor allem das
effiziente Nutzen von Ressourcen sowie
der Wissenstransfer im Rahmen von
Kooperationen eine wesentliche Rolle.
Daraus resultiert die Annahme, dass
eine starke Kooperation die soziale und
ökonomische Performance von Unternehmen erhöht. Daneben stellt sich die
Frage, inwiefern Transparenz innerhalb der Unternehmung
und im Hinblick auf die Zulieferer und Partner die Nachhaltigkeit und soziale Ausgestaltung der Unternehmensführung
beeinflusst. Hier ist davon auszugehen, dass die zunehmende
Kooperation mit Dritten die Transparenz erhöht. Die Annahme, dass Transparenz ein wesentlicher Treiber nachhaltigen
Handelns darstellt, führt zu der Hypothese, dass diese innerhalb der Wertschöpfungskette eine positive Wirkung auf die
soziale und ökologische Performance von Unternehmen hat.
Wie oben bereits dargestellt, ist zusätzlich davon auszugehen, dass ein stärkeres ökologisches und soziales Verhalten des Unternehmens in der Wertschöpfungskette die
Markenstärke, also die Identität und nachfolgend das Image,
positiv beeinflussen. Das daraus entstandene Modell (siehe
Abbildung 4) gibt einen Überblick über die angenommenen
positiven Zusammenhänge. Die Detailergebnisse wurden im
Rahmen der 42nd Annual Conference of the European Academy of Marketing (EMAC) in Valencia zum Thema »Walk the
Talk! Building Corporate Sustainable Brand Strength through
a Sustainable Supply Chain« vorgestellt.
Abb. 4: Empirisches Modell einer nachhaltigen Markenführung
Quelle: Zentes/Lonnes/Whitaker 2014.
Fazit
Nachhaltigkeit ist noch immer ein sehr heterogener Begriff. Gerade wegen der definitorischen Unklarheit ist es zwingend notwendig, ein einheitliches Verständnis innerhalb von
Unternehmen aufzubauen. Um ein konsistentes Auftreten
nach innen und außen zu sichern, müssen Mitarbeiter und
Geschäftsführung die soziale und ökologische Verantwortung
ihres Handelns in gleicher Weise definieren. Dazu müssen alle
Aktivitäten innerhalb des Wertschöpfungsprozesses in einer
ökologisch und sozial nachhaltigen Weise berücksichtigt werden. Die frühere, oftmals lose Berücksichtigung der Thematik
innerhalb der PR-Abteilung reicht nicht mehr aus, um sich als
nachhaltiges Unternehmen am Markt zu positionieren.
In der empirischen Untersuchung konnte gezeigt werden,
dass ein wesentlicher Erfolgsfaktor zur Schaffung einer nachhaltigen Unternehmensmarke die Wertschöpfungskette ist.
Als aktiver Prozess der Wertgenerierung ist diese Ausgangspunkt nachhaltiger Handlungen. Zugleich ist die Wertschöpfungskette der Unternehmensprozess, dessen komplexe Verflechtungen fundamentale Gefahren für das Unternehmen
und die Gesellschaft bergen. Kooperation hat dabei einen
wesentlichen Einfluss sowohl auf die ökologische als auch
die soziale Performance von Unternehmen, wobei die soziale
Performance wesentlich stärker beeinflusst wird. Hingegen
zeigt die Transparenz wesentlich stärkere Effekte auf die ökologische Nachhaltigkeit von Unternehmen. Beides beeinflusst
wiederum die Markenstärke, also die Markenidentität und
damit das Markenimage. Das bedeutet, dass Unternehmen
ihre Kooperationen mit Geschäftspartnern, Lieferanten und
anderen an der Wertschöpfung beteiligten Akteuren stärken sollten. Damit können nicht nur ungenutzte Ressourcen,
sondern ebenfalls Kompetenzen und Potenziale gefördert
werden. Planungen werden transparenter und Prozesse effizienter. Daneben ist eine erhöhte Transparenz innerhalb der
Wertschöpfungskette wichtiges Instrument zur Sicherstellung
nachhaltiger Standards. Sie hilft bereits in frühzeitigen Stadien,
sog. Missstände aufzudecken und zu beheben.
In der Vergangenheit haben viele Unternehmen die Bedeutung einer ganzheitlich nachhaltigen Unternehmensstrategie unterschätzt. Neben dem Aufbau einer nachhaltigen
Markensubstanz ist auch der faire und transparente Umgang
mit den relevanten Anspruchsgruppen notwendig, um eine
nachhaltige Unternehmensmarke langfristig auszugestalten.
Mit dem Aufbau einer nachhaltigen Markensubstanz müssen
Unternehmen die geschaffenen sozialen und ökologischen
Mehrwerte aktiv nach außen kommunizieren. Die transparente Kommunikation ist damit der zweite wesentliche Erfolgsfaktor zur Schaffung einer nachhaltigen Unternehmensmarke.
Neben der Glaubwürdigkeit streben Unternehmen die Steigerung ihrer Reputation, die Sicherung von Legitimität und
einen nachhaltigen Erfolg an.
Insbesondere in Zeiten von Skandalen, Shitstorms und
Greenwashing-Vorwürfen ist ein vorrangiges Ziel von Unternehmen, mittels Kommunikation Vertrauen und Glaubwürdigkeit aufzubauen. Unternehmen sind gezwungen, die
positive Reputation ihres Unternehmens zu pflegen, um den
dauerhaften Erfolg am Markt zu sichern.
Ein nachhaltiges Unternehmens- bzw. Markenimage kann
nur durch authentisches und glaubwürdiges Auftreten sichergestellt werden. Neben der Schaffung von Transparenz innerhalb der Wertschöpfungskette wird daher der transparente
Umgang mit den verschiedenen Anspruchsgruppen künftig
eine bedeutende Herausforderung sein.
Das Gelingen einer nachhaltigen Positionierung ist darüber hinaus abhängig von der Verankerung derartiger Bemühungen in die Führungsebene. Nur hier kann gewährleistet
werden, dass die gewünschte nachhaltige Positionierung authentisch und aktiv berücksichtigt wird und somit zu einem
langfristigen Erfolg führt.
Die Studie »Nachhaltige Markenführung – Neugestaltung
der Wertschöpfungskette« der Autoren Joachim Zentes, Victoria Lonnes und Darlene Whitaker kann auf Anfrage beim
Institut für Handel & Internationales Marketing bezogen
werden.
Literatur:
–
Aaker, D.A.; Joachimsthaler, E. (2000): Brand Leadership, New York.
–
BMU; BDI (Hrsg.) (2012): Nachhaltigkeitsmanagement im Unternehmen, Berlin.
–
Burmann, C.; Meffert, H. (2005): Theoretisches Grundkonzept der identitätsorientierten
Markenführung; in: Meffert, H.; Burmann, C.; Koers, M. (2005): Markenmanagement,
2. Aufl., S. 37 – 67.
–
–
Dornberg, B. (2013): Transparenz als Werttreiber, in: Absatzwirtschaft, o.Jg., Nr. 5, S. 42 – 46.
Esch, F.-R.; Langner, T.; Rempel, J.E. (2005): Ansätze zur Erfassung und Entwicklung
der Markenidentität, in: Esch, F.-R. (Hrsg.): Moderne Markenführung, 4. Aufl., S. 103 – 129.
–
–
Meffert, H.; Burmann, C.; Koers, M. (2005): Markenmanagement, 2. Aufl., Wiesbaden.
Rauch, C. (2012): Corporate Sustainable Branding: Ein empirischer Beitrag zum Markenerfolg
öffentlich exponierter Unternehmen, Wiesbaden.
–
Rekittke, V. (2013): Die Symbiose, in: Brandeins, o.Jg., Nr. 2, S. 60 – 64.
–
Whitaker, D.; Lonnes, V.; Zentes, J. (2014): »Walk the Talk!« Building Corporate Sustainable
Brand Strength through a Sustainable Supply Chain, 42nd Annual Conference of the European
Academy of Marketing (EMAC), Valencia.
–
Zentes, J.; Bastian, J.; Lehnert, F. (2010): Handelsmonitor 2010: Strategien der Nachhaltigkeit:
People, Planet, Profit, Frankfurt a.M.
–
Zentes, J.; Lonnes, V.; Whitaker, D. (2014): Nachhaltige Markenführung – Neugestaltung der
Wertschöpfungskette, Frankfurt a.M.
L
Dipl.-Kff. Victoria
onnes
ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Außenhandel und Internationales Management sowie am Institut für Handel und
Internationales Marketing der Universität des Saarlandes.
W
Betriebswirtschaftslehre
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willkommen.saarland.de
saarland.innovation&standort e. V., Franz-Josef-Röder-Straße 9,
66119 Saarbrücken, Email: [email protected]
Darlene
hitaker, M.Sc.,
ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Außenhandel und Internationales Management sowie am Institut für Handel und
Internationales Marketing der Universität des Saarlandes.
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essbaren Pflanzen mit
vielseitigen Anwendungen in der
Medizin und Landwirtschaft
Prof. Dr. Claus Jacob,
Lisa Faulstich,
Muhammad Jawad Nasim,
Dr. Torsten Burkholz
Bioorganische Chemie
Essbare Pflanzen und Pilze bieten ein breites Spektrum
an biologisch aktiven Substanzen, deren besondere redoxmodulierende Wirkung für die menschliche Ernährung,
aber auch für die Entwicklung neuer Medikamente und
ökologisch verträglicher Pflanzenschutzmittel zunehmend
von Bedeutung ist. Bei der Erforschung solcher Inhaltsstoffe arbeiten Forscher aus verschiedenen Disziplinen
und Ländern in Netzwerken wie »RedCat«, »Corena« und
»NutriOx« eng zusammen, um aus einfachen Pflanzen
oder biologischen Abfallprodukten das »grüne Gold« in
Form von Extrakten, reinen Substanzen und Präparaten
herzustellen, seine Wirkung und Wirkweise zu erforschen
und ultimativ einen wissenschaftlichen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Mehrwert zu liefern.
1. »Hauptsach immer gudd gess«* — almost always a good
guess
Die belebte Natur schenkt uns ein Füllhorn reich an
verschiedensten Naturstoffen, von denen viele für unsere
Gesundheit unverzichtbar sind, die zugleich aber auch eine
wichtige Grundlage für die Entwicklung neuer Medikamente
und umweltfreundlicher Pflanzenschutzstoffe darstellen. Man
denke nur an die eigene Hausapotheke, wo es von Kräuterextrakten und Tinkturen, aber auch von weiterentwickelten
nicht-mehr-ganz-so-natürlichen Stoffen wie Aspirin und
Taxol nur so wimmelt. Viele der hierfür verwendeten Substanzen sind biologisch außerordentlich aktiv, gleichzeitig
aber auch nicht immer ganz harmlos. Während eine Vielzahl
dieser Substanzen traditionell ihren Ursprung in den Rinden
und Blättern exotischer Bäume, in den Blüten, Früchten und
Samen giftiger Blumen und Sträucher und sogar im Efeu
gefunden hat, sind in jüngster Zeit vermehrt essbare Pflanzen
in den Mittelpunkt des Interesses gerückt.
einfach in die moderne Küche integriert werden. So haben
etwa unsere Partner an der TU Gdansk in Polen eine Wurst
hergestellt, die zu einem großen Teil nicht aus Fleisch, sondern
aus Kohl besteht. Diese Wurst wird in Metzgereien in der Stadt
verkauft und schmeckt sehr lecker. Dabei handelt es sich um
eine wahrscheinlich gesündere Version einer traditionellen
Wurst und keineswegs um einen »Wurst-Ersatz«, wie man ihn
aus Reformhäusern kennt und der von den Käufern bei uns
oft verschmäht wird.
In der Tat bieten Naturprodukte aus essbaren Pflanzen
eine Fülle von offensichtlichen Vorteilen, vom Wurm in der
Walnuss bis zum Wirsing in der Wurst. Essbare Pflanzen
sind zumindest für den Menschen nicht (besonders) giftig,
das heißt, die darin enthaltenen Substanzen sind, in Maßen
genossen, für den Menschen auch nicht schädlich. Aus diesem Grund besteht aus ernährungswissenschaftlicher Sicht
beispielsweise ein ganz besonderes Interesse an biologisch
wirksamen Aromastoffen, denn solche Stoffe können relativ
Aber auch wem die Wurst »weitgehend Wurst« ist, der
kann durch den Verzehr essbarer Pflanzen aus ernährungstechnischer Sicht gesundheitlich viel verbessern. Bestimmte
Beeren, Knoblauch und Zwiebeln sind ebenso wie Gewürze
— beispielsweise die Gelbwurz Curcuma longa — klassische
Beispiele, die eine immer wichtigere Rolle in unserer Ernährung spielen (Abbildung 1). So etwa ist Würzen mit Kräutern
und Beeren anstelle von Salz nicht nur kulinarisch interessant, sondern trägt auch zu einer ausgewogenen Ernährung
bei. Wie der Schwenk vom »Schwenker«** hin zu einer eher
exotischen Küche aber genau erfolgen soll, ist nicht nur eine
Frage des Geschmacks, sondern auch das Thema intensiver
multidisziplinärer Forschung.
* »Hauptsach, gudd gess — g’schafft ham’mer gleich« lautet die vollständige
** Der »Schwenker« ist ein im Saarland beliebtes Fleischgericht, das in der
saarländische Devise, die auf eine ausgeprägte Genussfähigkeit verweist.
Regel aus Schweinefleisch hergestellt wird und als »saarländischer Identitätsmythos« gilt.
In diesem Bereich arbeiten wir nunmehr seit mehreren
Jahren mit Partnern aus der SaarLorLux-Großregion, aber
auch über die Grenzen hinweg im Rahmen des Marie-CurieNetzwerkes »RedCat« zusammen. Ergänzt wird »RedCat«
dabei durch das Interreg IVa Vorhaben »Corena«, bei dem es
um eine engere Zusammenarbeit von Forschung und Anwendung in der Großregion geht, und jüngst durch das »NutriOx«
Projekt, das seinen Schwerpunkt im Bereich der Erforschung
biologisch (redox) aktiver Bestandteile der Ernährung sieht.
Erst Anfang Oktober 2014 hat ein weiteres NutriOx Treffen
in Metz stattgefunden, bei dem Gruppen aus ganz Europa vertreten gewesen sind (Abbildung 2).
Abb. 1: Medley aus verschiedenen essbaren Pflanzen, Pilzen, Nüssen
und Gewürzen, aus denen sehr interessante, biologisch aktive
Nahrungsmittel, Produkte, Präparate und letztendlich auch
Reinsubstanzen gewonnen werden können.
Von besonderer Bedeutung sind dabei redox-aktive
Sekundär-Metabolite aus essbaren Pflanzen und Pilzen. Stoffe wie das Allicin und Diallyltetrasulfan aus Knoblauch, das
Senföl aus Senfkörnern und das Lenthionin aus ShiitakePilzen sind nicht nur ausgezeichnete Aromastoffe, sondern
entfalten als sogenannte »Reaktive Schwefel Species« auch
ausgesprochen vielseitige biologische Aktivitäten, die in der
volkstümlichen »Medizin«, besonders aber in der ökologischen
Landwirtschaft seit langem genutzt werden. Gerade in jüngster
Zeit ist das Interesse an solchen Stoffen rasant gestiegen. Dies
liegt vor allem daran, dass die Forschung der letzten beiden
Jahrzehnte immer neue Belege dafür gefunden hat, dass viele
menschliche Krankheiten mit einem gestörten intrazellulären Redox-Gleichgewicht einhergehen — oder sogar dadurch
verursacht und in ihrem Verlauf gefördert werden. Solche Ungleichgewichte scheinen vor allem im Alter eine besondere
Rolle zu spielen, da im Alter der Körper zum einen selbst vermehrt oxidativen Stress bildet und zum anderen seine Abwehr
dagegen nachlässt.
Abb. 2: Tagung des »NutriOx« Netzwerkes in Metz (1. bis 3. Oktober 2014).
Das NutriOx Netzwerk wurde 2012 mithilfe der Deutsch-Französischen
Bioorganische Chemie
Hochschule (DFH) ins Leben gerufen und führt seither unter anderem
7 18
3 19
Eine entsprechende Intervention über die Nahrung oder
medikamentös kann daher zumindest in Erwägung gezogen
werden, was im Übrigen bereits durch entsprechende Produkte
für die berühmt-berüchtigte »Generation 50+« in Apotheken
und Supermärkten seinen Ausdruck gefunden hat. Während
diesem Bereich aufgrund kommerzieller Interessen viel Aufmerksamkeit zukommt, wird die Thematik aus wissenschaftlicher Sicht allerdings durchaus kontrovers diskutiert und bietet
viel Raum für Fragen und multidisziplinäre Forschung. Davon
zeugen beispielsweise unsere Aktivitäten, die wir im Rahmen
des »ORAC Reference Institute Europe« (ORIE), eines in Saarbrücken registrierten Vereines, gemeinsam mit Firmen wie
beispielsweise der Dr. Burkholz Life Science Consulting UG
durchführen.
einmal im Jahr ein interdisziplinäres wissenschaftliches Symposium für
Nachwuchswissenschaftler/innen durch. Eröffnung des Treffens durch den
Präsidenten der Universität Lorraine, Prof. Pierre Mutzenhardt (oben) und
gemeinsam gestalteter Vortrag unserer beiden Doktorand/innen,
Lisa Faulstich und Jawad Nasim (unten).
2. »Grünes Gold« von der Müllkippe?
Ähnliche Überlegungen gelten auch im Bereich der Landwirtschaft, wo gewisse Substanzen, beispielsweise Extrakte
aus dem Neem-Baum (Wirkstoff u. a. Azadirachtin) oder aus
Knoblauch (Wirkstoff u. a. Schwefelverbindungen), zwar landwirtschaftliche Schädlinge effektiv abschrecken und bekämpfen können, aber für Säugetiere weitgehend unschädlich sind
und die Nahrungskette daher nicht weiter belasten.
In der Tat sind gerade für landwirtschaftliche Anwendungen, wo es im Gegensatz zur medizinischen Anwendung um
extrem große Mengen geht, essbare Pflanzen, Früchte, Nüsse
und Pilze auch aus ökonomischer Sicht sehr ergiebige Quellen für entsprechende biologisch aktive Substanzen. Dabei ist
von Vorteil, dass der Anbau solcher Pflanzen und Pilze meist
großflächig, routiniert und in großem Umfang stattfindet. Hinzu kommt, dass entsprechende »Abfälle« wie beispielsweise
verdorbene Früchte, nicht mehr ganz frische Pilze, nicht sonderlich ästhetische Zwiebeln oder Karotten, übrig gebliebene
Traubenkerne aus der Weinproduktion und ausgedroschene
Sorghum-Hülsen eine dankbare und fast kostenlose Quelle für
solche Substanzen darstellen. In der Tat ist der Wurm in der
Walnuss hier sehr willkommen, denn damit ist diese Nuss für
den Verkauf nicht mehr geeignet und kann anderen Verwendungen zugeführt werden.
Insbesondere im Bereich landwirtschaftlicher Anwendungen sind in den letzten Jahren bereits große Fortschritte
erzielt worden. Beispielsweise ist es einem Partner aus dem
von uns koordinierten EU Netzwerk »RedCat«, der englischen
Firma ECOSpray UK Ltd., gelungen, aus (billig zu beziehendem) Knoblauch ein entsprechendes Extrakt und im zweiten
Schritt auch ein Granulat zu entwickeln, das bereits kommerziell gegen verschiedene landwirtschaftliche Schädlinge
Verwendung findet. Entscheidend ist dabei, dass dieses »Naturprodukt« im Gegensatz zu herkömmlichen Pestiziden in vielen
Ländern auch in der ökologischen Landwirtschaft eingesetzt
werden darf.
Eine ähnliche Erfolgsgeschichte, die allerdings noch ganz
am Anfang steht, findet man im Bereich der Traubenkerne.
Früher ein wenig beachtetes Abfallprodukt der Weinherstellung, stellen Traubenkerne heute eine wahre Goldgrube für
interessante, biologisch aktive Stoffe dar. Neben dem allseits
bekannten Traubenkernöl ist dies vor allem auch das Traubenkernmehl, das reich an (oligomeren und polymeren) Polyphenolen und anderen Bitterstoffen ist und dem deshalb
eine antimikrobielle, verdauungs- und gesundheitsfördernde
Wirkung nachgesagt wird. Auch dieser Abfall-Rohstoff könnte
nach entsprechender Erforschung mittelfristig verarbeitet und
anschließend in der Schädlingsbekämpfung eine bedeutende
Rolle spielen. Hierzu arbeiten wir eng mit unseren Partnern
in Armenien und Georgien zusammen, denn gerade in diesen
Ländern fällt viel »Abfall« an, der zurzeit noch kaum Verwen-
Abb. 3: Weinkelterei nahe Yerevan, Armenien. Rechts sieht man das »Abfallprodukt«
Traubenkerne und Schalen, welches in Armenien lediglich zu Düngemittel
und Schweinefutter weiterverarbeitet wird.
dung findet und der gerade dort aufgrund eines inhärenten
Mangels an hochwertigen — und daher teuren — Pestiziden
sehr sinnvoll eingesetzt werden könnte (Abbildung 3).
Während Traubenkerne aus Sicht der Forschung allerdings schon weitgehend »ausgepresst« sind, bietet die globale
Landwirtschaft länderspezifisch noch eine Vielzahl weiterer
Schatztruhen mit »grünem Gold«, die es mithilfe modernster
Forschung zu öffnen gilt. In diesem Bereich hat unser Arbeitskreis gerade ein neues, von der DFG unterstütztes Vorhaben mit Kollegen von der Michael Okpara University of
Agriculture, Umudike, in Nigeria begonnen, bei dem es um
die weitere Verwendung von redox aktiven, chinon-haltigen
Substanzen geht, die aus Sorghum gewonnen werden können.
Sorghum (Hirse) ist ein gerade in Afrika weit verbreitetes und
massiv angebautes Getreide, und auch hier spielen Abfälle aus
der Sorghum Produktion als neue Rohstoffe zur Entwicklung
von Wirkstoffen und ökologischen Pflanzenschutzmitteln eine
bedeutende Rolle.
Ein ähnliches Vorhaben läuft seit September 2014 auch
in Zusammenarbeit mit der Universität von Lomé in der
Republik Togo. Unsere Doktorandin, Frau Nassifatou Koko
Tittikpina (Stipendiatin Schlumberger Foundation), analysiert
Abb. 4: Nassifatou Koko Tittikpina mit ihren im Togo geernteten und zu Pulver
verarbeiteten Naturprodukten zu Beginn ihrer Forschungsarbeiten
an der UdS.
dabei gemeinsam mit unseren Partnern in Lomé und in Metz
verschiedene Pflanzenprodukte, die allesamt in Westafrika
verbreitet sind und denen volkstümlich bereits eine besondere
Aktivität nachgesagt wird.
3. Vom Saharaland ins Saarland
3.1. Ora et labora
Während all diese Ideen – vom Wirsing in der Wurst und
dem Wurm in der Walnuss bis zum Knoblauch sprühenden
Landwirt – irgendwie logisch klingen und selbstverständlich
aus verschiedener Sicht attraktiv sind, so stellt sich doch die
Frage, welchen Beitrag die moderne Forschung hier leisten
kann. Und an diesem Punkt tritt trotz des häufig als Extraktionsmittel verwendeten Ethanols sehr schnell Ernüchterung
ein. Solche Studien sind seit langer Zeit von der Mentalität
eines »Indiana Jones« oder »Medicine Man« weit entfernt
und spielen sich vor allem in analytischen, chemischen und
zellbiologischen Laboratorien ab. Zwar findet im Ursprungsland noch eine entsprechende Auswahl, Ernte und biologische Bestimmung der Pflanzen statt, aber aufgrund der weiten
Wege, des Risikos durch Infektionen, Spinnen und anderer
Kleintiere werden diese Arbeiten fast immer durch unsere
Kooperationspartner und nicht von uns selbst durchgeführt.
Meist geht es in Saarbrücken dann »nur noch« um die Weiterverarbeitung von Extrakten aus essbaren und Heilpflanzen,
die aufgrund ihrer volkstümlichen Verwendung ausgewählt
und anschließend aus den verschiedensten Ländern der Erde
nach Saarbrücken gebracht worden sind. Solche Produkte
werfen meist mehr Fragen als Antworten auf, und das nicht
nur von der Zollbehörde am Ensheimer Flughafen.
Im Fall neuer Proben etwa aus Ägypten, Togo, dem Jemen
oder Nigeria werden umfangreiche Extraktions- und Isolationsmethoden angewendet, meist gekoppelt mit aufwendigen
analytischen Verfahren (z.B. UPLC und Massenspektrometrie)
auf der einen und einfachen biologischen Aktivitäts-Assays
auf der anderen Seite. Solche Arbeiten sind extrem langwierig und dienen dazu, den »aktiven« Substanzen auf die Spur
zu kommen, sie in einzelnen Fraktionen möglichst chemisch
rein zu isolieren und zu guter Letzt ihre chemische Struktur aufzuklären. Mit viel Glück steht dann am Ende dieses
Prozesses die chemische Struktur einer neuen, bislang unbekannten Substanz mit interessanter biologischer Aktivität.
Dieser Ansatz sieht sich leider mit einer ganzen Reihe von
Fallstricken konfrontiert. Häufig gelingt es einfach nicht, die
aktive Substanz rein darzustellen oder ihre Struktur bis ins
Letzte aufzuklären. Es kann aber auch passieren, dass sich die
gesuchte Substanz trotz erfolgreicher Jagd am Ende nur als
ein bekannter Verdächtiger beispielsweise als Plumbagin oder
als Quercetin entpuppt. Und schließlich kann auch der Fall
eintreten, dass am Ende tatsächlich eine neue Substanz steht,
die aber nicht mehr sonderlich aktiv ist oder deren Aktivität
nicht weiter von Interesse ist. Von daher trifft das Motto der
Benediktiner in der Tat auch auf diesen Teil der Forschung
zu, und solche Vorhaben sind immer mit größter Vorsicht zu
genießen, nicht zuletzt auch aufgrund des hohen finanziellen
und Arbeitsaufwandes.
3.2. Synthese
Anstatt Naturstoffe aus entsprechenden Quellen zu isolieren, bietet sich die chemische Synthese als interessante Alternative an. Chemisch relativ einfach gebaute Substanzen, deren
Struktur zudem vollständig aufgeklärt ist, können im Labor
einfach synthetisch hergestellt werden. Auch ist es möglich,
solche Moleküle durch Abwandlung des Syntheseprotokolls
umfassend bezüglich ihrer Struktur und ihrer Eigenschaften
zu verändern. Ein solch synthetischer Ansatz spielt in unserer Forschung eine überaus wichtige Rolle. Viele schwefelhaltige Naturprodukte von Allicin und den Polysulfanen bis
zum Senföl, den Vinyl-Dithiinen, Dithiol-thionen und dem
Lenthionin sind chemisch vergleichsweise einfach gebaut und
können daher im Labor in wenigen Schritten in hoher Reinheit und guter Ausbeute erhalten werden.
Bioorganische Chemie
Während der letzten zehn Jahre hat unser Arbeitskreis
auf dem Gebiet solcher Synthesen umfassende Erfahrungen
gesammelt und unzählige naturidentische und entsprechend
bezüglich ihrer Aktivität, physiko-chemischer Eigenschaften
und Bioverfügbarkeit verbesserte Substanzen hergestellt. Solche Verbindungen werden dann im Anschluss entweder an der
UdS selbst oder von Kooperationspartnern in der ganzen Welt
auf ihre biologische Aktivität, ihre Selektivität, ihren Wirkmechanismus und mögliche Anwendungen hin untersucht. Dabei
werden neben den schwefelhaltigen Verbindungen verstärkt
auch katalytische Selen- und Tellurverbindungen erforscht,
vor allem im Kontext selektiver Krebswirkstoffe, aber auch
als mögliche Wirkstoffe gegen Sklerodermie, entzündliche und
infektiöse Krankheiten.
Abb. 5: Aufarbeitung eines Pflanzenextraktes von der Insel Sokotra
(Republik Jemen). Diese zwischen Afrika und der arabischen Halbinsel
liegende Insel besitzt aufgrund ihrer Geschichte und ihres Klimas eine
einmalige Flora (und auch Fauna, v.a. bezüglich Spinnen). Sie ist aus
politischen Gründen nur sehr schwer zugänglich. Obwohl viele der dort
vorkommenden Pflanzen im Verdacht stehen, pharmazeutisch wirksam zu
sein, steht ihre Erforschung noch ganz am Anfang. Hierzu arbeitet unser
7 20
3 21
Doktorand, Herr Adel al-Marby (im Bild), eng mit Prof. Ali Nasser von der
Universität Sanaa zusammen.
Neben der umfassenden Synthese verschiedenster chalkogenhaltiger Substanzen spielt in diesem Bereich in jüngster
Vergangenheit auch die Untersuchung von »Zweikomponenten-Systemen« eine Rolle, bei denen ein speziell synthetisiertes Substrat erst durch die Einwirkung eines passenden
Enzyms aktiviert wird. Solche Systeme beruhen auf einfach
zugänglichen Enzymen, die beispielsweise aus (Abfällen von)
Knoblauch und Raps gewonnen werden und die in kleinsten
Mengen eingesetzt effektiv synthetische, aber an sich biologisch völlig inaktive Substrate zu potenten Wirkstoffen
aktivieren. In der Wirkstoffentwicklung erinnern solche
»Zweikomponenten-Systeme« an »Pro-Drugs«, sie spielen
aber auch gerade in der Landwirtschaft — wo ein Hantieren
mit Enzymen und harmlosen Substraten dem Einsatz aggressiver Stoffe vorzuziehen ist — eine immer wichtigere Rolle.
3.3. Aktivitäten
Die entscheidende Frage bei all diesen Arbeiten ist allerdings, ob die isolierten oder synthetisierten Substanzen auch
»biologisch aktiv« sind. Auf eine solch generell gestellte Frage
gibt es natürlich keine direkte Antwort. Vielmehr muss vorab
geklärt werden, was, wofür, wie spezifisch, unter welchen Bedingungen und in welchen Mengen ein solches Präparat ein-
ditis hermaphrodita für (landwirtschaftlich relevante) Nematoden, das Gram-negative Bakterium Escherichia coli, das
Gram-positive Bakterium Staphylococcus aureus für Bakterien sowie Saccharomyces cerevisiae und Botrytis cinerea
für Hefen und filamentöse Pilze respektive. Während diese
Auswahl an sich selbstverständlich limitiert ist, liefert sie in
ihrer Gesamtheit doch erste wichtige Informationen darüber,
welche Organismen als mögliche Zielobjekte überhaupt in
Frage kommen und welche Konzentrationen von den Verbindungen oder Rohextrakten aufgebracht werden müssen.
Dadurch ist eine erste Auswahl der Verbindungen und auch
der Zielorganismen möglich. Weitere umfassendere Studien
mit Mikroorganismen, aber auch menschlichen Zellen können dann im Anschluss relativ zügig und meist auch sehr erfolgreich durchgeführt werden. Parallel dazu finden immer
auch Überlegungen statt, wie die verschiedenen Produkte,
das heißt, die reinen Verbindungen, Zweikomponentensysteme oder auch Rohextrakte, am besten einer praktischen
Anwendung zugeführt werden können.
3.1. Intrazelluläre Diagnostik
Nachdem die Aktivitäten untersucht und mögliche Anwendungen mit den — meist aus der Industrie kommenden
— Partnern diskutiert worden sind, bleibt nicht nur aus rein
wissenschaftlicher Sicht immer die Frage, wie solche Verbindungen ihre Wirkung entfalten. Die Antwort auf diese Frage ist meist kompliziert, sie bietet allerdings auch wichtige
Hinweise bezüglich der Selektivität einer Substanz und
möglicher Nebenwirkungen und erlaubt es, von der Substanz
ausgehend neue, rein synthetische Derivate zu entwerfen.
Abb. 6: Senfkörner aus saarländischer Produktion (vom Wingertsweiher Hof nahe
Ottweiler) bilden das Ausgangsmaterial für die Herstellung des Enzyms
Myrosinase, das aus zermahlten Körnern extrahiert und aufgearbeitet wird.
Bringt man dieses Enzym mit einem seiner Substrate in Kontakt, so entsteht
ein Cocktail sehr reaktiver Substanzen, der effektiv Schädlinge abtöten kann.
Im Bild unsere Diplomandin, Frau Javeria Iftikhar, beim Zerkleinern der
Senfkörner und Aufreinigung des Enzymes.
gesetzt werden soll. Es hat beispielsweise aus ökonomischer
Sicht keinen Sinn, aufwendig gewonnene und entsprechend
wertvolle Substanzen in großen Mengen gegen Würmer auf
dem Golf-Parcours zu versprühen. Andererseits können gewisse Schwefelverbindungen trotz guter Verfügbarkeit und
Aktivität in der Therapie nicht verwendet werden, weil sie
Hautreizungen verursachen oder durch ihren penetranten
Gestank als sozial unverträglich gelten.
Um sich der Frage nach einer »interessanten biologischen
Aktivität« anzunähern, werden von uns daher zuerst einfache,
aber insgesamt repräsentative Testsysteme verwendet, das
heißt, die Nematoden Steinernema feltiae und Phasmarhab-
In diesem Bereich arbeiten wir sehr eng mit einer Reihe
von Partnern so beispielsweise mit Prof. Montenarh in Homburg, Prof. Diederich in Luxembourg/Seoul, Prof. Slusarenko in Aachen, Prof. Demasi in São Paulo, Prof. Trouchnian
in Armenien, Dr. Chovanec in Bratislava, Prof. CherkaouiMalki in Dijon, Dr. Giles in Neuseeland, Dr. Sasse am HZI
in Braunschweig und Prof. Bartoszek in Danzig zusammen.
Gemeinsam ist es möglich, modernste Techniken wie beispielsweise chemogenetisches Screening, Life Cell Imaging,
Fluoreszenzfärbung lebender Zellen und Konfokal-Mikroskopie zu verwenden, um das Mosaik Steinchen für Steinchen
zusammenzusetzen, bis sich ein einheitliches Bild abzeichnet.
Während ein solches Mosaik niemals ganz vollständig sein
kann, und jedes neue Steinchen immer wieder neue Überraschungen in sich bergen mag, so ist diese Herangehensweise
doch sehr fruchtbar und erfüllt — pragmatisch gesprochen
— ihren Zweck.
Abb. 7: Mit verschiedenen fluoreszierenden Farbstoffen und Antikörpern eingefärbte U937 Lymphom-Zellen. Gemeinsam geben diese Färbemethoden Aufschluss
über die besondere — in diesem Fall das Tubulin-Netzwerk verändernde — Wirkung der eingesetzten Verbindungen in der intakten Zelle.
Diese Arbeiten wurden von unserer Diplomandin, Frau Anne-Kathrin Baltes, bei unserem Kooperationspartner, Prof. March Diederich, am LBMCC in
Luxemburg durchgeführt.
Bioorganische Chemie
4. Schlussbetrachtungen
Wenn es um redox-aktive Substanzen und Prozesse geht,
so bietet die Schnittstelle von synthetischer und analytischer
Chemie mit Fächern wie Biologie, Pharmazie, Ernährungswissenschaften und der Agrarforschung einen besonders fruchtbaren Boden für grundlegende Forschung auf der einen Seite
und Produktentwicklung auf der anderen. In Zukunft geht es
nun vor allem darum, diese Arbeiten in der Großregion mit
Netzwerken wie »Corena« und »NutriOx« weiter zu forcieren.
Das Saarland und seine (umliegenden) Partner weisen nicht
nur eine Vielfalt von relevanten Pflanzen auf, sie sind auch
international sehr gut verknüpft, um gemeinsam mit Gruppen
aus Afrika, Südamerika, dem Kaukasus, Asien, Ozeanien und
sogar aus der Arktis »exotische« Pflanzen zu identifizieren
und anschließend zu analysieren. Hinzu kommt, dass gerade
in der Großregion viele kleine und mittelgroße Firmen an
solchen Naturprodukten und deren Erforschung ein großes
Interesse zeigen. Und nicht zuletzt bietet das Saarland auch
aus wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Sicht die idealen
Voraussetzungen für die Erforschung biologisch wirksamer
Nahrungsmittel, getreu dem saarländischen Motto »Is es Wetter noch so trieb, immer hoch die Gellerrieb«.***
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J
Prof. Dr. Claus
acob
ist ein Ur-Saarländer. Er hat in Homburg sein Abitur abgelegt,
anschließend an den Universitäten Kaiserslautern, Leicester
(UK) und Hagen Chemie, Philosophie, Geschichte und Psychologie studiert und 1997 in Oxford im Bereich Bioanorganische Chemie promoviert. Nach seiner Zeit als Feodor
Lynen-Stipendiat der Alexander von Humboldt Stiftung an
der Harvard Medical School und dann als (Senior) Lecturer
und EPSRC Fellow an der Universität Exeter (UK) ist er 2005
ins Saarland zurückgekehrt, wo er seither als Professor für
Bioorganische Chemie redox-modulierende Substanzen und
Prozesse an der Schnittstelle von Chemie, Biologie und Pharmazie erforscht. Manche seiner über 120 Veröffentlichungen
gelten dabei auch der typisch saarländischen Frage, wie man
aus »Grombeere durch Brode Kohle machen kann.«*
N
asim PharmD
Jawad
hat 2011 sein Pharmaziestudium an der Bahauddin Zakariya
Universität in Multan in Pakistan abgeschlossen. Anschließend arbeitete er bis 2013 als Forschungsassistent an der COMSATS Universität in Abbottabad. Im Juli 2013 kam Jawad im
Rahmen eines DAAD Austauschs an die Universität Rostock,
wo er seine Kenntnisse in der Organischen Synthese vertiefen
konnte. Von Oktober 2013 bis September 2014 hat er an der
UdS erfolgreich für ein Diplom in Pharmazie studiert. Seit
Oktober 2014 ist Jawad als Doktorand im Bereich Bioorganische Chemie tätig. Der Schwerpunkt seiner Forschung liegt
dabei im Bereich der organischen Synthese natürlicher und
naturähnlicher Substanzen mit interessanten Aktivitäten für
die Pharmazie und Landwirtschaft.
*Saarländisch für »Wie man aus Kartoffeln durch Braten Geld machen kann«
B
F
Lisa
aulstich
ist seit Oktober 2014 Doktorandin im Arbeitskreis von Prof.
Claus Jacob und besitzt ebenfalls saarländische Wurzeln.
Sie hat 2007 ihr Abitur in St. Ingbert am Albertus-MagnusGymnasium abgelegt und anschließend Pharmazie an der
Universität des Saarlandes studiert. Im Mai 2014 beendete
sie mit dem 3. Staatsexamen erfolgreich ihr Studium (approbierte Apothekerin). Im Zuge des »praktischen Jahres« hat
sie Ende 2013 im Arbeitskreis für Bioorganische Chemie an
der Universität des Saarlandes mit ihren Forschungsarbeiten
begonnen. Bis Mitte 2014 war Lisa als Diplomstudentin im
gleichen Arbeitskreis tätig. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt
hierbei in der Synthese neuer reaktiver Verbindungen zur
Anwendung in der Medizin und Landwirtschaft.
Dr. Torsten
urkholz
schloss sein Abitur am Cusanus Gymnasium in St. Wendel
ab, um daraufhin Chemie an der Universität des Saarlandes
zu studieren. Nach seinem Diplom im Jahre 2006 startete er
als Doktorand mit Industriestipendium der Firma Fresenius
Medical Care AG Bad Homburg im Arbeitskreis von Prof.
Claus Jacob und promovierte dort zum Thema: »Oxidativer
Stress und elektrochemische Dekontaminations-Verfahren in
der Dialyse«. Im Anschluss an die Promotion forschte er für
zwei Jahre als Experienced Researcher im Rahmen des EU
Netzwerkes »RedCat« in der Arbeitsgruppe von Prof. Paul
G. Winyard am Peninsula College of Medicine and Dentistry,
Exeter, England, an neuen Wirkstoffen für die Bekämpfung
von Hautkrebs, Rheumatoider Arthritis und kardiovaskulärer
Erkrankungen. Anfang 2012 entschloss er sich zur Rückkehr
ins Saarland auf eine Stelle als Akademischer Rat auf Zeit in
der Gruppe von Prof. Jacob. 2013 gründete er die Firma »Dr.
Burkholz Life Science Consulting UG«, die sich hauptsächlich
mit den immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rückenden Problemen der Generation 50+ beschäftigt: Vor allem
mit dem Bereich (Mangel-)Ernährung, Nahrungsersatzstoffe,
Nahrungsergänzung und Konservierungsmittel, aber auch mit
der wissenschaftlichen Evaluation von Qualitätsstandards
(z.B.: ORAC- und TEAC-Werten). Seit März 2013 ist er Gastprofessor für Pharmakologie an der Fachhochschule Kaiserslautern, am Standort Pirmasens.
urznachrichten aus der Forschung
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Kurznachrichten
Student entwickelt leisen Vakuum-Greifer mit
Muskel aus intelligentem Draht
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Leise, leicht und energieeffizient: Das sind einige der
Vorteile des neuartigen Vakuum-Sauggreif-Systems, das
der Mechatronik-Student Julian Kunze in der Forschergruppe von Stefan Seelecke entwickelt hat. Ein Spezialgebiet von Seeleckes Teams sind haarfeine FormgedächtnisDrähte, die wie Muskeln anspannen und entspannen. Auf
diese Weise werden auf den Punkt genaue Bewegungsabläufe möglich, wodurch etwa technische Bauteile präzise
bewegt werden können. Bei Julian Kunzes Sauggreifer
zieht der Draht an einer Membran und löst so ein Vakuum aus, wenn diese flach auf einem Gegenstand liegt. Die
Vakuumtechnik-Firma Schmalz GmbH zeichnete den Studenten hierfür mit ihrem Innovationspreis aus.
Sie stapeln Kartons, laden zig Dosen gleichzeitig auf
Paletten, befördern große Bleche oder transportieren Glasscheiben: Vakuum-Greifer sind heute vielerorts im Einsatz.
Die gängigen Systeme arbeiten pneumatisch. Sie sind meist
komplex, oft schwer und machen bisweilen recht viel Lärm.
Das neuartige System, das der Student Julian Kunze am
Lehrstuhl von Professor Stefan Seelecke entwickelt hat, ist
schlicht, leicht, leise, effizient und sogar reinraumtauglich.
Das Geheimnis beruht auf einem Draht, der eine ganz besondere Eigenschaft hat: Wie ein Muskel zieht er sich deutlich
zusammen, wenn Strom durch ihn fließt. Sobald der Strom
ausgeschaltet wird, wird er wieder so lang wie vorher. Formgedächtnis nennen das die Wissenschaftler.
»Diese Drähte mit Formgedächtnis bestehen aus NickelTitan«, erklärt Stefan Seelecke. »Formgedächtnis bedeutet,
dass das Material seine ursprüngliche Form wieder annimmt,
nachdem es verformt wurde; es erinnert sich sozusagen an seine alte Form. Diese Eigenschaft der Nickel-Titan-Legierung
beruht auf so genannten Phasenumwandlungen: Wird der
Draht warm, zum Beispiel wenn Strom hindurchfließt, wandelt sich seine Gitterstruktur so um, dass er kürzer wird. Kühlt
er ab, wird er wieder länger«, erläutert er. Sein Forscherteam
am Lehrstuhl für Unkonventionelle Aktorik an der Saar-Uni
und am Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik »Zema« nutzt diese Eigenschaft für verschiedenste Anwendungen: vom Inhalationsgerät, dessen Mundstück Wirkstoffteilchen gezielt an ihren Wirkort in der Lunge »schießt«,
über neuartige Kühlsysteme bis hin zu Bauteilen, die sich
geräuschlos und präzise heben und senken.
»Beim Vakuum-Greifer ist eine Membran direkt mit einem Formgedächtnisdraht verbunden, der gezielt angesteuert
werden kann. So ist es möglich, nur mit elektrischem Strom
ein tragfähiges Vakuum zu erzeugen«, erklärt Julian Kunze, studentischer Mitarbeiter in Seeleckes Team. »Dadurch,
dass das System ganz ohne Druckluft, Gebläse, Pumpen oder
sonstige größere Bestandteile auskommt, ist es platzsparend,
leicht und auch der CO2-Ausstoß wird verringert«, sagt der
23-Jährige. Den Prototypen hat er selbst am Computer entworfen und am 3D-Drucker des Lehrstuhls ausgedruckt –
komplett samt Rahmen und Membran. »Dadurch konnte ich
den gesamten Prozess von der Idee über die Entwicklung
bis zum fertigen Prototyp durchlaufen«, sagt er. Der Student
arbeitet nun in Seeleckes Team daran, das System weiterzuentwickeln und weiter zu optimieren. »Die Tragfähigkeit
dieses Vakuum-Greifers ist skalierbar – der Prototyp kann
Julian Kunze demonstriert den Prototypen seines Vakuum-Greifers.
Foto: Filomena Simone
bereits ein Gewicht von einigen Kilos heben und sicher festhalten, aber das kann natürlich noch gesteigert werden«, sagt
Professor Seelecke.
Das Vakuum-Technologie-Unternehmen Schmalz hat
Julian Kunze für seine Entwicklung Anfang Oktober mit
dem erstmals verliehenen Schmalz Innovationspreis ausgezeichnet, der mit einer Siegprämie von 4.000 Euro und einem vierwöchigen Unternehmens-Praktikum bei Schmalz
verbunden ist.
Erneuerbare Energien: Ingenieure der SaarUni erforschen mobile Windkraftanlagen für
Energiesysteme der Bundeswehr
Die Vielzahl kleiner Solar- und Windkraftanlagen leistet einen immer wichtigeren Beitrag zur regenerativen
Stromerzeugung. Wie diese Anlagen effizient in die zukünftige Energieversorgung integriert werden können, erforscht das Team um Professor Georg Frey an der Saar-Uni.
Sein Hauptaugenmerk liegt dabei bei regional begrenzten,
intelligenten Energienetzwerken, sogenannten »Smart
Micro Grids«. Zusammen mit der Wehrtechnischen Dienststelle der Bundeswehr in Trier arbeiten die Ingenieure daran, mobile Windkraftanlagen effizient in diese Netzwerke
zu integrieren. Die Bundeswehr will die Technik nutzen,
um ihre mobilen Stützpunkte verstärkt mit erneuerbarer
Energie zu betreiben.
urznachrichten aus der Forschung
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gern zu erproben«, stellt Rainer Stabler vom Geschäftsfeld
240 der Wehrtechnischen Dienststelle in Trier fest.
Neues Graduiertenkolleg »Europäische
Traumkulturen« an der Saar-Uni untersucht
den Traum als Kulturphänomen
Der Traum hat die Menschen schon immer fasziniert. Er
konfrontiert uns mit einer rätselhaften Erlebniswelt, die
Künstler und Intellektuelle aller Epochen zu ergründen
versuchen. Wie Träume im europäischen Kulturraum vom
Mittelalter bis in die Gegenwart in Kunst und Kultur dargestellt werden, ist Gegenstand des neuen interdisziplinären
Graduiertenkollegs »Europäische Traumkulturen« (GRK
2021) an der Universität des Saarlandes. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Forschungs- und
Qualifizierungsprogramm für Doktoranden viereinhalb
Jahre lang mit insgesamt 2,7 Millionen Euro. Start ist am
1. April 2015. Das Graduiertenkolleg ist eines von derzeit
nur fünf literatur- oder kunstwissenschaftlich ausgerichteten Programmen bundesweit.
»Obwohl wir alle Träume kennen, sind sie in ihrer Fremdartigkeit doch ein Faszinosum für uns. So funktioniert die
»Wir möchten verstehen, wie man sich in verschiedenen Disziplinen,
Kulturkreisen und Epochen mit Träumen auseinandersetzt«, erklärt die
Literaturwissenschaftlerin Christiane Solte-Gresser. »Wir werden Träume in
Kunst und Kultur untersuchen, also Träume in Romanen und Gedichten,
auf der Bühne, im Film oder in Gemälden.« Foto: cydonna/photocase.com
Logik im Traum anders als in der normalen Wirklichkeit:
Es treten Sprünge in Raum und Zeit auf, unser vernünftiges Denken wird in Frage gestellt oder Erinnerungen und
aktuelle Erlebnisse verschmelzen auf irritierende Art und
Weise«, sagt Christiane Solte-Gresser. Die Professorin für
Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der
Saar-Uni ist Sprecherin des neuen Graduiertenkollegs, das ab
April kommenden Jahres erforscht, wie sich Träume über die
Jahrhunderte hinweg in den Medien niedergeschlagen haben.
Kurznachrichten
Um ihre Feldlager bei Einsätzen auf der ganzen Welt mit
Energie zu versorgen, ist die Bundeswehr derzeit noch auf
Dieselgeneratoren angewiesen. Dies soll sich ändern: Künftig
möchte sie verstärkt auf erneuerbare Energien setzen. Wie
diese effizient zum Einsatz kommen, erforschen Ingenieure
um Professor Georg Frey vom Lehrstuhl für Automatisierungstechnik an der Universität des Saarlandes. Er und sein
Team beschäftigen sich mit dezentralen Energiesystemen.
»Dabei spielen zum Beispiel viele Kleinkraftwerke, etwa
Windräder und Solaranlagen, eine entscheidende Rolle«,
erklärt Frey. »Der von ihnen
erzeugte Strom wird den Verbrauchern in der unmittelbaren Umgebung der Kraftwerke zur Verfügung gestellt.«
Das Hauptaugenmerk der
Ingenieure liegt bei effizienten regionalen Energieversorgungsnetzen, den Smart Micro
Grids. »Es handelt sich um
Stromnetze, die verschiedene
Energiequellen nutzen und
Verbraucher und Stromspeicher intelligent verknüpfen.
Auf diese Weise sollen etwa
Stromschwankungen bei den
Ingenieure um Professor Georg Frey
regenerativen Energien ausgevon der Saar-Uni arbeiten daran,
glichen werden.«
wie mobile Windkraftanlagen
In einem gemeinsamen
optimal in Energiesysteme integriert
Projekt
mit der Wehrtechwerden können. Foto: Wehrtechnische
nischen
Dienststelle
41 der
Dienststelle der Bundeswehr Trier
Bundeswehr in Trier arbeiten
die Ingenieure nun an neuen Methoden, um regenerative
Energien optimal in solchen Netzen zum Einsatz zu bringen.
Die Bundeswehr stellt den Saarbrücker Forschern dazu eine
Kleinstwindkraftanlage zur Verfügung.
Um für ihre Forschung gute Windverhältnisse zu gewährleisten, werden die Ingenieure die Anlage auf dem Dach des
13 Stockwerke hohen Physikturms auf dem Saarbrücker
Campus installieren. »Mit dem Windrad werden wir unter
anderem Daten sammeln, die Aufschluss darüber geben, wie
der Ertrag einer solchen Anlage zuverlässig prognostiziert
und in ein Smart Micro Grid eingespeist werden kann,« sagt
Professor Georg Frey.
Darüber hinaus planen die Saarbrücker Ingenieure weitere gemeinsame Projekte mit der Bundeswehr. Zum Beispiel wollen sie untersuchen, wie Feldlager die Abwärme von
Dieselgeneratoren zum Heizen und Kühlen sinnvoll nutzen
können. Die Forscher werden sich zudem mit neuen Technologien beschäftigen, die Wärmeenergie besser umwandeln
und speichern.
Die Wehrtechnische Dienststelle 41 in Trier ist die Leitdienststelle für Elektromobilität und regenerative Energien
der Bundeswehr. »Durch die Kooperation bietet sich die Möglichkeit, die Nutzung regenerativer Energiequellen in Feldla-
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